Volkers Schwanenlied

Sonst schlug die Lieb' aus mir so helle,
Wie eine Nachtigall am Quelle.
Nun hat sie meine Kunst geirrt,
Daß jeder Laut zum Seufzer wird.
O Liebe, wundersüßes Wesen,
Wovon die Kranken oft genesen,
Ja Tote schier vom Grab' erstehn,
Mich drängest du, ins Grab zu gehn! –
Im Busen hegt' ich dich so lange,
Wie Jener die verklomte Schlange.
Dem Busen, der ihr Leben bot,
Gab sie zum Lohne Schmerz und Tod.
Nun, süße Mörderin des Lebens,
O Molly, laß nur nicht vergebens
Mein Flehn, mein letztes Flehen sein!
Vergiß nicht, ach, vergiß nicht mein!
Auf meiner Gruft, wo ich verwese,
Will ich, daß sanftes Mitleid lese:
»Wie Volker, liebt' und litt kein Mann:
Der Hoffnungslose starb daran.« –
Fritz Stolberg, Harfner, der vor Allen
Mir stets von Herzen wohl gefallen,
Mann, der voll Gotteskraft und Geist
So herzlich Tugend liebt, als preist!
Dir, Freund, vermach' ich Kranz und Leier,
Doch nur geweiht zu Molly's Feier.
Der Name Molly sei verwebt
In jedes Lied, das ihr entschwebt!
Es gilt der Herrlichsten von Allen,
Die unter Gottes Sonne wallen,
Die Volker, der verlorne Mann,
Vom Schicksal nicht erseufzen kann.
Nun sei, o Gott, dem Armen gnädig!
Laß aller Schuld ihn los und ledig!
Laß nie in andern Flammen ihn,
Als Flammen seiner Liebe glühn!
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Notes
Erstdruck 1784.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Bürger, Gottfried August. Volkers Schwanenlied. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-482D-1