An die Nymphe des Negenborns

Neig' aus deines Vaters Halle,
Felsentochter, mir dein Ohr!
Hell im Schimmer der Krystalle,
Hell im Silberschleier, walle,
Reine Nymphe, wall' hervor!
Libern jauchzet die Mänade
Huldigung bei Zymbelklang.
Dir nur, glänzende Najade,
Deiner Urne, deinem Bade
Weihte keiner Hochgesang? –
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Wohl, ich weih' ihn! Wo der Zecher,
Der des Preises spotten soll?
Ha! Wo ist er? Ich bin Rächer!
Fleuch! Mein Bogen tönt! Mein Köcher
Rasselt goldner Pfeile voll!
Hier, wie aus der Traube, quillet
Geist und Leben, frisch und rein,
Leben, das den Hirten füllet,
Das den Durst der Herde stillet,
Welches Wiese tränkt und Hain.
Horch! Es rauscht im Felsenhaine,
Woget auf der Wies' entlang,
Leckt im Widder auf dem Raine,
Schauert durch das Mark der Beine,
Kühlt des Wandrers heißen Gang.
Saugt aus Wein der Klee sein Leben,
Wohlgeruch und Honigsaft? –
Kraut und Blumen, selbst die Reben
Danken dir, o Nais, Leben,
Würze, Süßigkeit und Kraft.
Lebensfülle, Kraft und Streben
Trank auch ich schon oft bei dir.
Drob sei auch von nun an Leben
Und Unsterblichkeit gegeben
Deinem Namen für und für.

Notes
Entstanden wohl 1774, Erstdruck 1777.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Bürger, Gottfried August. An die Nymphe des Negenborns. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-481E-3