[112] Der gestirnte Himmel
Sir. XLIII, 9.

Es leuchtet das gantze himmlische Heer in der Höhe am Firmament, und die hellen Sterne zieren den Himmel.


Als unser Theil der Welt sich neulich West-wärts lenckte,
Und in das dunckle Reich der kühlen Schatten senckte;
Hatt' ein sanft-rauschendes und tröpfelnd Wolcken-Naß,
So in der Luft gekocht, vom Himmels-Saamen schwanger,
Das dürre Feld, den durst'gen Anger,
Das lechzende Gesträuch, das welcke Laub und Gras
Genetzt, getränckt, erquickt, erfrischet,
Des Himmels männlich Feur mit ird'schem Saltz gemischet,
Und neue Fruchtbarkeit in Schooß der Erde bracht.
Es weht' ein frischer Wind aus kühler Mitter-Nacht;
Der Himmel ward hiedurch von Duft und Dunst geläutert,
Das Grentzen-lose Reich des Luft-Raums ausgeheitert,
Und stellt, mit solcher Wunder-Pracht,
In unergründlich-tiefer Ferne
Der dünnen Luft, solch eine Menge Sterne
Den starren Augen vor; daß, bey so heiterm Schein,
Das düst're Blau gantz silbern schien zu seyn:
Das Auge kann, an den gestirnten Höhen,
Ein ewig Freuden-Feur, mit tausend Freuden, sehen,
Das, Gott zur Ehre, strahl't und unverbrennlich brennt.
Aus tausend Lichtern stammt ein allgemeines Licht,
Durch welches jedennoch, mit immer regem Strahl,
So mancher Sternen Glantz mit stärckerm Funckeln bricht,
Und es bald stärckt, bald schwächt. Hier flammten ohne Zahl
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Viel tausend, welche theils, wie schütternde Rubinen
In röthlich-reger Gluth, theils Diamanten gleich,
(Doch welch ein Edelstein war je so Feuer-reich?)
Mit blendenden Schnee-weissen Blitzen, schienen.
Jedweden sichtbar'n Stern umhüllt' ein weisser Schein
Von Sternen, die in ungeheuren Höhen,
So wie das Sternen-Heer des Milch-Weg's, nicht zu sehen:
Daher schien jeder Stern ein Sieben-Stern zu seyn.
Ob diesem der Natur so weiten Schau-Platz starrt
Mein drin versinckend Aug'; die Seele wird gerühret;
Es lässt, als wenn mein Hertz des Schöpfers Gegenwart
In unaussprechlicher Pracht, Gröss' und Klarheit spüret.
Mich deucht, ob säh' mein Geist den unsichtbaren Gott,
Der selbst der Ewigkeit Unendlichkeiten füllet,
Der Seraphinen Herrn, den Herrscher Zebaoth,
Als wär' Er in ein Kleid von Glantz und Licht gehüllet,
In ein unendlich Kleid, drauf, statt der Edelsteinen,
Viel tausend tausend Sonnen scheinen,
Statt Perl und Gold, viel Millionen Erden.
Ach! rief ich, möcht' ich, dieß recht zu betrachten, taugen!
Ach! möchte Leib und Geist, zu Gottes Ehr', zu Augen,
Und dann, zu seinem Ruhm, zu lauter Zungen werden!

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TextGrid Repository (2012). Brockes, Barthold Heinrich. Gedichte. Irdisches Vergnügen in Gott. Der gestirnte Himmel. Der gestirnte Himmel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-444F-4