Clemens Brentano
Ponce de Leon
Lustspiel in fünf Aufzügen

[Widmung]

[129]

Seiner Durchlaucht

dem Herzoge von Aremberg


Mein gnädigster Herr


Cervantes führt in der Zuschrift seiner Novellen die Fehler an, welche in den Zuschriften der meisten Schriftsteller gefunden werden; indem ich diese Fehler zu vermeiden suchte, machte ich die Entdeckung eines ganz neuen, und nehme mir die Freiheit, Ihnen denselben seiner Ungemeinheit wegen mitzuteilen. Es ist nämlich der Fehler, jemanden ein Buch in einer Sprache, deren er nicht ganz mächtig ist, zuzuschreiben; doch, damit Sie mich nicht einer listigen Bescheidenheit beschuldigen können, indem ich das nur entdeckt zu haben vorgebe, dessen ich mich in diesen Zeilen selbst als Erfinder rühmen könnte, so nehme ich mir die Freiheit, Ihnen die Erlaubnis in das Gedächtnis zurückzurufen, welche Sie mir hierzu selbst erteilten. Als ich das letzte Mal die Ehre Ihrer Unterhaltung genoß, gaben Sie mir nämlich die Freiheit, mich in teutscher Sprache ausdrücken zu dürfen, sobald ich etwas zu sagen hätte, was ich nicht in französischer Sprache denken könne, und was mir allein eigen sei; in Rücksicht auf diese Erlaubnis allein wage ich es, Ihnen dieses Lustspiel zu überreichen, welches ich nicht in französischer Sprache denken konnte, und welches mir allein eigen war, bis auf diesen Augenblick, da ich so kühn bin, Ihnen ein Geschenk damit zu machen. Auch erinnere ich mich Ihrer Äußerung, daß den Teutschen Gewandtheit der Sprache und das Wortspiel fehle; ich war damals Ihrer Meinung entgegen und bin es noch; doch mit dem Verdruß, daß meine Arbeit, die Ihnen vielleicht ein Beweis für meine Behauptung [129] werden könnte, eben durch ihre Anlage dazu an Unverständlichkeit für Sie zunehmen dürfte. Ich unterstehe mich daher nur, Sie durch diese Zeilen versichern zu wollen, daß Ihr gütiges Interesse an mir immer einer der rührendsten Gewinne meines Lebens sein wird, und daß ich jene unter meinen künftigen Arbeiten vorzüglich lieben werde, die würdig sein dürfte, ein angenehmer Gegenstand Ihrer stillen Betrachtungen zu werden.

So nehmen Sie gütig nachfolgende Blätter als einen Beweis, daß ich Ihnen gern mit dem Meinigen ein Vergnügen zu machen wünschte, denn sie enthalten zu wenig, um Ihnen als Beweis der Ehrfurcht übergeben zu werden.


Ihr untertänigster Diener,

(Clemens Brentano)

[130]

Vorerinnerung

Dieses Lustspiel, welches im Sommer 1801 geschrieben ist, war durch einen Zufall während vierzehn Monaten außer meinen Händen. Da ich es nun wieder besitze, finde ich freilich meine Ansicht von dem, was ein Lustspiel überhaupt sein soll, sehr verändert; dennoch glaube ich, ohne den Vorwurf der Unbescheidenheit zu verdienen, einige Worte über meine damalige Absicht beifügen zu dürfen, und zwar um so mehr, da ich mich umsonst nach seiner Gattung umgesehen habe und beinahe fürchte, daß es allein stehen werde, was ich ihm jedoch, sollte es nicht meiner Unbelesenheit zugeschrieben werden können, keineswegs zum Verdienst anrechne. Ich strebte damals, das Komische und Edlere hauptsächlich in dem Mutwill unabhängiger, fröhlicher Menschen zu vereinigen, und um diesen Mutwill als Element in ihnen vorauszusetzen, habe ich ihre Sprache durchaus frei und mit sich selbst in jeder Hinsicht spielend gehalten. Ich hatte kein Muster vor mir als die Fröhlichkeit meines eigenen Herzens und der Freunde, deren es sich gern erfreut, und da ich mich nur erinnere, im Schauspielhause gelacht zu haben, wenn mich das Edle, Rührende oder Tragische als Parodie und das Komische als Unfähigkeit berührte, so wagte ich nicht, mein sehr einsames Lachen als ein Merkmal anzunehmen, dann ein Lustspiel geschrieben zu haben, wenn das, worüber ich lachen konnte, mir zum Muster geworden wäre. Wie weit wir aber von dem Komischen entfernt sind, ist mir vor einiger Zeit auf eine Art deutlich geworden, die für mich mit der ganz neuen Empfindung des tragischen Schreckens begleitet war. Ich sah nämlich die Aufführung des Axurs durch eine vorzügliche Truppe, und freute mich besonders auf das Zwischenspiel der komischen Masken. Meine Erwartung war um so gespannter, da ich den Bouffon der Gesellschaft als einen in seiner Abart sehr geschickten, ja oft frechen Spaßmacher kannte.

Aber wie fand ich mich getäuscht; der selige Harlekin tat vor meinen Augen ein Mirakel, und bestätigte meinen Glauben, daß er nicht gänzlich aus der Zahl der heiligen 1 Märtyrer zu verwerfen [131] sei. Kaum hatte der profane Bouffon den freudigen bunten Ornat St. Harlekins angelegt, als ihn eine außerordentliche Traurigkeit überfiel, seine tölpelhafte Beweglichkeit erstarrte, er fühlte Blei an Händen und Füßen: er, der sich sonst in der Genügsamkeit seiner Gönner für einen Gott hielt, bekam zum ersten Mal atheistische Zweifel an dem Dasein eines Publikums, und stand als ein gräßliches Beispiel der Strafe des Himmels, ein wahrer Gegenstand christlichen Mitleids, vor den Augen aller frommen Zuschauer. So war die Geschichte dieses merkwürdigen Mirakels, welche ich allen Bouffons als warnendes Beispiel zur Bekehrung hierhersetze.

Aus der oben angeführten Ansicht entstand nun vorliegendes Lustspiel, ich zweifle gänzlich, daß es etwas Komisches enthalte, da mir bis jetzt das Komische nicht vor Augen gekommen ist und ich daher mit einigem Recht vermuten darf, das Komische müsse entweder unsrer edlen Zeit nicht würdig oder unsre edle Zeit das Komische selbst sein. Ich möchte beinahe das Letztere fürchten; da in diesen Zeiten die Künste und besonders die dramatische nützlich dazu angehalten werden, unsre Begierden nach allem, was uns fehlt, nach Häuslichkeit und andern guten Eigenschaften, durch schlechte Schilderung dieser Bedürfnisse zu trösten, so müssen wir selbst von dem Komischen im höchsten Grade durchdrungen sein, weil wir es von der Kunst nicht verlangen, wir müssen selbst der einzige Gegenstand des Komischen sein, weil es unser Gegenstand nicht mehr sein zu dürfen scheint. Das Komische wäre auf diese Weise nur noch im Zuschauer zu finden, und diesen auf das Theater zu bringen, würde ihm selbst wohl nicht gefallen, da er seinen ernsthaften Platz unten bezahlt hat, damit er oben spielen sehe, und auch nach neuen Erfahrungen die Dinge, wie sie sein sollen, zu hoch schätzt, um sich an einem Dinge, wie er selbst eines ist, nicht zu ärgern. Der fromme Mann also, welcher in der Bitte um das tägliche Brot Gott auch um das Komische bittet und für beides am Abend danken kann, ist nur jener Gesegnete, der sich den Zuschauer und das Schauspiel zusammen nimmt, um über beide zu lachen. Ich wage es nicht, mich solcher Gaben zu rühmen, und sähe es daher für das einzige Mittel an, dem Komischen wieder auf die Bühne zu helfen, wenn man nach [132] und nach das im Zuschauer gebundene Komische zu befreien und der Tugend von dem Theater wieder in die honetten Familien zu helfen suchte. Das erstere wäre eine Aufgabe für Dichter, an dem letztern arbeiteten die Moraltheologen längst, doch vergebens; denn das Ganze muß, wie die Einrichtung eines verschobenen Gelenks durch einen geschickten Wundarzt, auf einen Ruck vor sich gehen, weil, solange die Tugend auf der Bühne sich aufhält, der Moraltheologe im Parterre sitzt und also selbst komisch ist. Um so mehr wäre jene Auswechselung zu wünschen, da man durch Erfahrung übereingekommen zu sein scheint, die Tugend bei dem Schauspieler nicht suchen und bei dem Bürger kaum finden zu dürfen; aber so wohlfeil jener auch die Tugend hergeben würde, so sehr wäre zu fürchten, der Zuschauer möge seine Untugend in einem für die geringe Gage des Schauspielers zu hohen Preise halten, besonders da er sich damit schmeichelt, alles, was er bis jetzt hinter den Lichtern gesehen, ziemlich unecht und abgenutzt gefunden zu haben, wie er auch wohl weiß, daß das Sprüchwort:hinter das Licht geführt werden, daher abzuleiten ist. Doch hier kann der unparteiische Richter ihm nicht ganz recht geben, weil uns der Gesichtspunkt verloren gegangen ist, aus welchem wir bestimmen könnten, ob der Schauspieler oder der Zuschauer hinter dem Lichte stehe; so viel ist aber gewiß, daß der Souffleur auf dem Indifferenzpunkte sitzt, und daß nur der das Komische dieser Unentschiedenheit belachen kann, der über den Schauspieler und den Zuschauer zugleich lacht. – Da es, wie gesagt, meine Absicht bei diesem Lustspiele war, das Lustige in dem Mutwill schöner Menschen zu schildern, ich dies sogar in einigen häuslichen Szenen so zu zeichnen gesucht und das für den Leser so anzügliche Komische ganz unterlassen habe, so wird er das Ganze, wenngleich etwas fremdartig, doch nicht für seinen Geschmack beleidigend finden. Ich sprach hier von dem Leser, und nicht von dem Zuschauer, da ich fürchte, die Aufführung, sollte sie irgend ein Theater wagen, werde nicht ganz gelingen; um so mehr, da dies Schauspiel bei der Art seiner Sprache durch die Beschneidung einer fremden Hand das elendeste Bruchstück werden müßte. Ich denke mit Zittern an die Leseproben einer Schauspieler-Gesellschaft, denen ich in der letzten Zeit [133] oft beiwohnte; der Directeur und Bouffon hielten dicke Rötelstifte in der Hand, und strichen die Schauspiele durch; der erste nannte es edler – Zusammenstreichen, der zweite richtiger – Umarbeiten. Wenn ich es jenen Werken etwas gönnte und daher meine Schadenfreude eine ähnliche Strafe verdienen möchte, so erbiete ich mich hier, doch dies Lustspiel auf Begehren irgend eines Theaters für die Aufführung selbst zusammenzustreichen oder umzuarbeiten.


Marburg, im Januar 1803

[134]

Fußnoten

1 Er wurde, wie bekannt, in der Christenverfolgung unter Gottscheds Regierung zu Leipzig durch die Räuberin auf dem Theater verbrannt.

Personen

Personen.

    • Don Sarmiento, Obrister bei der Armee in den Niederlanden

    • Don Felix, sein Sohn in Sevilla

    • Isidora,
    • Melanie, seine Töchter auf seinem Gut, drei Stunden von Sevilla

    • Juanna, seine Schwester, ihre Aufseherin

    • Don Gabriel Ponce de Leon,
    • Fernand de Aquilar, junge Edelleute in Sevilla, Felix' Freunde

    • Valerio de Campaceo, armer Bürger in Sevilla

    • Valeria, seine Tochter

    • Porporino, sein Findelsohn

    • Isabella, in Saragossa adelige Witwe

    • Lucilla, ihre Tochter in Sevilla bei ihrer Tante, Felix' Geliebte

    • Perez, Hausmeister auf dem Gute Sarmientos

    • Alonso, Schulmeister

    • Ein Pfeifer, ein Geiger, mehrere Musikanten, Diener

1. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt
Abend, ein Licht.
Eine kleine bürgerliche Stube in Valerios Haus mit einem Kamin. Ponce, in einer reichen venetianischen Maske, schwarz mit Brillant-Knöpfen, steht auf einem Tabouret; Valeria, die ihn geputzt hat, kniet vor ihm und zupft ihm die Schleifen an den Schuhen und Beinkleidern zurecht. Ponce ist durch und durch launig, kalt, und gut in dieser Szene zu nehmen.

VALERIA
sieht an ihm in die Höhe, und nickt.
Ponce?
PONCE.

Und? – Wird es bald ein Ende? Man darf euch Mädchen nur unter die Hände kommen, so wird man gleich oder nimmer fertig.

VALERIA.

Nimmer, meiner Liebe zu dir wird nimmer ein Ende, ich könnte mein Leben damit zubringen, dich zu putzen – ach! und ich würde nicht fertig. –

PONCE.
Putze lieber einmal das Licht.
VALERIA
sie tut es.
Du hast recht, so kann ich dich noch besser bewundern, du bist doch gut, daß du das sagst. –
PONCE.

Ich bitte dich, stelle dir nichts zu Großmütiges von mir vor; es war der bloßen Dunkelheit wegen, und damit ich schneller von dem dummen Stühlchen herunterkomme. Nun bin ich gut genug?

VALERIA.
O wie bist du! – Du bist ordentlich zu gut für den Ball, Beleuchtet ihn. steige nur herunter.
PONCE.

Zu gut für den Ball, zu gut für mich, zu gut für die ganze Welt. Er setzt sich. Mache nur den Mantel fertig; es ist Zeit, daß ich gehe.

VALERIA
näht an dem Mantel.
Zu gut für die ganze Welt? Ponce, ich bin auch auf der Welt.
PONCE
O ja! aber höre, erzähle mir etwas anders.

VALERIA. Du hast recht, du hörst das schon so lange, ich weiß auch gar nichts mehr als von dieser Liebe. Doch – erwartet Ihr Don Felix noch auf dem Balle?

PONCE.

Aquilar hat den Ball angestellt, damit Felix Lucillen gleich bei seiner Ankunft bequem sprechen kann, denn er ist [136] ein sehr bequemer Liebhaber. Lucillen wird er aber nicht finden; Gott weiß, was ihre Tante bewogen hat, sie zurückzuhalten. Bist du bald fertig?

VALERIA
hängt ihm das venetianische Mäntelchen um.

Hier – wie bist du nun schön, und wie durch und durch maskiert – die Locken verstellen dich und verschönern dich – ach!

PONCE.
Was fehlt?
VALERIA.

Wenn nun eine andre die Reihen so mit dir durchfliegt und deinem Herzen so nahe ist, und ich bin es nicht, – o! ich möchte auch auf diesem Balle sein, nur sehen, wie du tanzest und alle Augen dir nachgehen; nur in einem Winkelchen möchte ich stehen und für mich sagen: Der Schatz in seinem Herzen ist mein, alle die Edelsteine auf seinem Wamse sind nicht mein, aber er, er selbst ist mein.

PONCE.
Was liegt dir daran, wenn ich andern gefalle? Sei zufrieden, wenn ich dir gefalle.
VALERIA.
Du mir – und Valeria, wem?
PONCE.
Natürlich jedem, der schöne Mädchen liebt, und also – Er küßt sie.
VALERIA
umfaßt ihn.

Du liebst mich – o Ponce, was wird das werden, daß ich mich nicht vor diesem Putze fürchte, den ich so sorgsam ordne und dann nicht schone, dich zu umarmen. – Du schweigst?

PONCE
windet sich los.
Mache fort, Liebe, ich muß weg.
VALERIA.

Dieser Putz ist eine Maske, Ponce, du liebst mich nicht, du hast dich nur maskiert, und ich habe geholfen, mich selbst zu betrügen.

PONCE.
Gut dann – ich liebe dich, weil du mich so hübsch maskierst.
VALERIA
traurig.
Ach, und ich maskierte dich, weil ich dich so sehr liebe.
PONCE.
Sei ruhig, Liebe, ich kann ja nicht mit dir gerührt werden, Masken können ja nicht weinen.
VALERIA.
Aber ihre Kälte kann weinen machen –Wendet sich weg.
PONCE
umfaßt sie.

Wie bist du nun, läßt du mich da stehen! Wo ist der Spiegel, ich will sehen, wie du mich so hübsch geputzt hast, und dich – ja, und dich loben.

[137]
VALERIA.
Ich habe keinen Spiegel mehr, der Vater hat ihn mir zerschlagen.
PONCE.
Ei! so will ich mich in deinen Augen spiegeln.
VALERIA.
Die sind trübe, und die Tränen sind dein.
PONCE.

Mein? So gieb mir sie wieder – Küßt ihr die Augen. Warum hat der Vater denn deinen Spiegel zerschlagen?

VALERIA.

Er sagt, ich studiere immer Mienen vor dem Spiegel, um dir zu gefallen, und zerschlug ihn letzthin. Da er gehört hatte, Porporino sei in den Krieg, weil ich ihn nicht mehr so sehr liebte, nahm er den Spiegel, brachte ihn vor mich und sagte: Wie siehest du aus, wenn du an den Ponce denkst? Da sah ich treuherzig hinein, und er mit, und als er sah, wie ich so selig hineinsah Sie sieht freundlich nach Ponce. – sieh, so sah ich hinein – da warf er den Spiegel an den Boden und sagte: So zertrümmre das Gesicht, das du für den Ponce machst, und wenn du es noch lange machst, wird es dir auch gehen wie dem Spiegel. Ist das wahr, Ponce?

PONCE.
Dein Vater soll ein sehr exemplarischer Mensch sein, und ich halte viel auf seine Wahrheit.
VALERIA.
Ponce, du bist boshaft, oder ich sehr unglücklich.
PONCE.

Du bist ja nicht von Glas, du wirst nicht zerbrechen. Hast du denn kein Stückchen von dem exemplarischen Spiegel mehr? Es ist ja ein wahrer Beichtspiegel; ich möchte gern sehen, wie ich geraten bin.

VALERIA.
Gut geraten, und ungeraten – in meiner Kammer steht am Fenster ein Stückchen Spiegel.
PONCE.
In deiner Kammer? Ich mochte wohl manchmal drinne sein.
VALERIA
beleidigt.
Pfui, Ponce.
PONCE.
Sei zufrieden, ich will nachsehen.
VALERIA
faßt ihn bei der Hand.
Ich will dich führen, du findest dich nicht.
PONCE.
Noch einmal, wer euch Mädchen in die Hände fällt, wird nimmer fertig.
VALERIA.
Noch einmal, ich finde meiner Liebe kein Ende.
PONCE.
Ich will allein suchen – bleibe. Ab.
[138]
2. Auftritt
Zweiter Auftritt
VALERIA.
Ich finde meiner Liebe kein Ende, ach! und er will allein suchen.
3. Auftritt
Dritter Auftritt
Valeria. Valerio hat den Arm voll Mäntel.

VALERIO.

Guten Abend, Mädchen, was sinnest du wieder? Du hast ein gutes Leben, ich weiß nicht wohin vor Arbeit zu dem Balle; da habe ich die Mäntel für die Tänzer, daß sich die Wildfänge nicht erkälten.

VALERIA
die in Gedanken stand.

Lieber Vater, ich habe die Fackeln schon alle hintragen lassen; wenn nun die Mäntel dort sind, habt Ihr Ruhe.

VALERIO.
Hilf mir die Nummern an die Mäntel heften.
VALERIA.

Dieser ist für Ponce, Nummer eins, er hat ein samtnes Futter im Kragen, und ich habe ihn auch schon einmal angehabt.

VALERIO.
Wo ist dann dieser Ponce? Ich glaubte, du maskiertest ihn.
VALERIA.
Er ist oben in der Stube.
VALERIO.
Allein? – Sieht ihr in die Augen. Da haben wir es – gehe doch zu ihm, Valerchen.
VALERIA.
Er will mich nicht.
VALERIO.

Er will dich nicht? So jage ihn – du hast wieder geweint. Der Ponce ist mir ein seltsamer Gast, und hat eine komische Manier, sich lieben zu lassen. Valerchen, nimm mir deine Augen in acht, es sind die Augen deiner Mutter, und dein bestes Erbstück – nimm sie in acht, und jage den Ponce.

VALERIA.
Ich liebe ihn.
VALERIO.
So jage ich euch alle beide.
VALERIA.
Mich jagen? Vater, das geht nicht.
VALERIO.
Es wird schon gehen, wenn ich es jage.
VALERIA.
Wer wird Euch dann aus dem dicken Buche vorlesen, von dem Maurenkrieg?
VALERIO.
Das mußt du mir zur Strafe erst so oft vorlesen, bis ich es auswendig kann.
[139]
VALERIA.
Wer wird Euch die Halskrausen machen, die Euch nimmer recht sind?
VALERIO.
Ich werde mich nach der Mode kleiden; da kann ich sie kaufen, und im Sommer brauche ich gar keine.
VALERIA.
Wer wird vor Euch gehen, stehen, Euch grüßen und Euch singen wie die liebe selige Mutter.
VALERIO.

Ja, wegen des Gehens, Stehens und Singens – da hast du recht; geschwinde, mache mir so etwas, sonst jage ich dich.

VALERIA
legt die Mäntel weg, geht zierlich in der Stube auf und ab, und singt.
O böse Sklaverei!
O wär ich wieder frei!
Kein Blicken, kein Winken, kein Scherzen,
Kein Äugeln, kein Locken, kein Herzen
Soll, wird je mein Herzelein flott,
Mich wieder berücken, umstricken – bei Gott!
VALERIO.

Gut, Gott gebe, daß es wahr werde; du mußt nur ein wenig mehr schnarren, deine Mutter schnarrte allerliebst.

4. Auftritt
Vierter Auftritt
Ponce maskiert, mit dem Federhut auf.

PONCE.

Guten Abend, Papa! Habt Ihr Euch etwas singen lassen? Nun, Mädchen, du hast artig gesungen, und vorhin ebenso artig geweint. Will sie küssen. Adieu.

VALERIA.
Laß mich, das erste konnte ich besser.
VALERIO.
Du sollst aber das erste verlernen, und das zweite besser begreifen.
PONCE.

Brav, Papa, gebt ihr Unterricht! Ihr seid einer von denen, die sich mit dem Zuhörer in die Sache teilen; wenn Ihr singt, weinen die Leute.

VALERIO.

Richtig – bleibt noch ein wenig da, ich will Euch ein Liedchen singen, daß Ihr weinen sollt; doch Ihr seid ein böser Sohn, Ihr hättet Eurem Vater kein Gehör gegeben, wäre er gleich ein Musikant gewesen und hätte es nötig gehabt.

[140]
PONCE
abgehend.

Und Euer Ohr ist so lang; Er macht einen großen Schritt nach der Türe. ja, der Ton eines Sängers, der eine Glasblaserlunge hat, könnte der Quere hinein. Er macht eine geschmackvolle Verbeugung. Gute Nacht beisammen.

5. Auftritt
Fünfter Auftritt
Vorige ohne Ponce.
Kleine Pause.

VALERIO.
Was denkst du von dem Menschen?
VALERIA.
Daß er so eitel ist, als er schön ist; und war er nicht sehr schön, als er seine Verbeugung machte?
VALERIO.
Und was willst du, daß er von dir denke?
VALERIA.
Daß ich ihn liebe.
VALERIO.

Da schlägst du deinem Vater nicht nach; meines ist einfacher, ich denke, er fühlt so gut Prügel, als er sich fühlt, und wünsche, er möge wissen, daß ich sie so gut gebe, als er sie fühlt.

VALERIA
schmeichelnd.
Ich schlage Euch nicht nach – Väterchen, laßt mich die Mäntel auf den Ball tragen.
VALERIO
ironisch.

Töchterchen, das geht nicht an! Siehst du, die Nachtluft, und du mußt doch auch dein Ruhestündchen haben; ich will das schon machen, was würden die Leute sagen? Nein, ich bin kein Barbar.

VALERIA.
Ihr spottet meiner? Sagt lieber nein, Vater, Ihr wißt, ich will nur sehen, wie Ponce tanzt.
VALERIO.
Ja, das weiß ich, und darum sollst du nicht, – grade weil ich den ganzen Tanz müde bin. –
VALERIA.
Geht doch mit, Vater.
VALERIO.

Ja, mitgehen und zusehen, wie du armer Schelm verzwatzlen möchtest, weil du der Schicklichkeit halben bei mir stehen bleiben müßtest. Ich kann nicht mitgehen, es ist mir nichts fataler, als die Liebe zu stören; also bleibe zu Haus! Ja, wenn Porporino hier wäre!

VALERIA.
So wäre es um nichts besser.
VALERIO.

Um dich wäre es besser, denn er wäre um dich, und er ist besser für dich als Ponce, und um ihn wäre es besser, denn wenn du ihn gleich nicht mehr liebst wie ehedem, so [141] schießt du ihn doch nicht tot, was ihm leicht in Flandern geschehen kann.

VALERIA.

Ihr meint auch gleich das Schlimmste! Habt Geduld mit mir, es wird alles wieder gut werden, laßt mich auf den Ball, ich bitte Euch!

VALERIO
es klingelt.

Ein Stückchen Weg kannst du allein hingehen, aber weiter nicht, das heißt, bis an die Haustüre, hörst du! Es klingelte, mache die Türe auf – nimm das Licht mit, daß du nicht fällst.

VALERIA.
Dann laßt Ihr mich aber auf den Ball, nicht wahr, Väterchen? Ab.
6. Auftritt
Sechster Auftritt
VALERIO.

Es ist nichts drückender als die verwickelten Gefühle! Da habe ich das Mädchen lieb, und den Porporino, und meine Ruhe, und meine Ruhe läßt mir keine Ruhe.

7. Auftritt
Siebenter Auftritt
Valeria leuchtet der Stube herein, Sarmiento folgt ihr als Automate maskiert; er trägt einen bunten Mantel, chinesischen Spitzhut, einen Trichter in der Maske, setzt sich.

VALERIA
beleuchtet ihn.
Eine Maske, Vater, ihre Stimme erschreckte mich beinah; seht, mit einem Trichter – ein Wahrsager.
VALERIO.
Setzt Euch, laßt Euch nieder, schöne Maske, – was steht Euch zu Diensten?
SARMIENTO.
Du – denn du stehst und ich sitze.
VALERIO.
Ha! Ihr seid witzig; soll ich Euch etwas in den Trichter gießen?
SARMIENTO.
Wie du mir eintrichterst, werde ich dir austrichtern.
VALERIO.
Hörst du, Mädchen? Der lustige Patron!
VALERIA.
Ja, er antwortet recht schnell, macht es auch so; sagt, darf ich nach dem Ball?
VALERIO.

Schon gut, lasse uns erst hier unsre Maskerade genießen. Lustiger, gewandter Mann mit dem umgewandten Trichter, nun – ja – was wollt ich denn gleich sagen?

[142]
SARMIENTO.
Was du nicht wußtest, ehrlicher, lustiger Valerio de Campaceo.
VALERIA.
Vater, vergeßt mich nicht.
VALERIO.

Gleich, ich will ihm nur erst eine Frage setzen, die er mir schuldig bleiben soll. So sagt mir denn, was ich vergessen habe; seht, hier über das Kamin möchte ich gerne eine Sentenz schreiben; nun hatte ich zwar sonst eine, jetzt aber habe ich sie vergessen.

SARMIENTO.
Bene bibere et laetari.
VALERIO
verwundert.

Bene bibere et lae tari – recht – recht, Ihr seid ein Hexenmeister; sagt, woher wißt Ihr das? Ihr müßt ein alter Bekannter sein – es sind doch nun achtzehn Jahre her, daß ich es vergaß.

SARMIENTO.
Armer Valerio! seit achtzehn Jahren nicht gut getrunken und nicht gefreut?
VALERIA.

Lieber Vater, nun habt Ihr Euren Spruch, daß Ihr zufrieden seid; gebt mir den meinen auch so – soll ich gehn?

VALERIO.
Gehe, Kind, hole deinen Spruch, wo ich den meinen holte.
VALERIA.

Mein lieber Freund, heute ist ein Ball, auf welchem ein Mann ist, den ich liebe, und ich möchte ihn gern tanzen sehn – darf ich hingehn? –

SARMIENTO.
Dein Vater und ich gehen auch mit.
VALERIA.
Habt Ihr gehört, Vater? – Wie das Orakel klug spricht!
VALERIO.
Was dir so recht gelegen kömmt, nennst du klug – was willst du denn vorstellen? –
VALERIA.

Seht, ich habe wohl gewußt, daß Ihr mirs noch zugeben würdet, und habe mir schon eine Maske als Kolombine zurecht gemacht. Ich werde Euch gefallen. Ab.

8. Auftritt
Achter Auftritt
Vorige ohne Valeria.

VALERIO
rückt einen Stuhl vor Sarmiento, und setzt sich dicht vor ihn.

Es muß nun herauskommen, wer Ihr seid. Daß Ihr mein Sprüchlein wußtet und so vertraut tut, macht mich sehr ungeduldig. Wart Ihr nicht zu Saragossa?

SARMIENTO.
Da war ich.
[143]
VALERIO.
Ja, wart Ihr nicht einmal Türmerjunge? Seid Ihr nicht? nu –
SARMIENTO.
Cotala bin ich nicht, der dich lehrte nüchtern zu werden.
VALERIO.

Cotala, Cotala, den kennt Ihr auch! Das ist wunderbar – O, Ihr seid der jüngre Bruder der Fähnrichs – Wie hieß er doch gleich? – Fadrique – Fadrique?

SARMIENTO.
Fadrique Ramiro bin ich nicht, der die schöne, gute Schwester hatte.
VALERIO.

Auch den – ja die gute Schwester, es war eine lustige Zeit – Ihr seid – ja, Ihr seid sicher Zinkenbläser?

SARMIENTO.
Auch Colmo bin ich nicht, der ist ja tot.
VALERIO.
Ihr habt recht, der arme Schelm – Seid Ihr des Bäckers Bruder?
SARMIENTO.

Martin, Eurer Frau Onkle, bin ich nicht. Er starb an warmen Kuchen; warum ratet Ihr nur immer auf die Toten.

VALERIO.

Gott weiß, sie habens am nötigsten. Es leben wenige dieser redlichen Leute mehr. Meine Frau kanntet Ihr also – sie ist auch tot.

SARMIENTO.
Ich kannte Eure Frau gut; sie wohnte an einer Ecke, ihr Fenster war über der Backstube.
VALERIO.

Ich stand immer abends vor der Backstube und schimpfte den Bäcker, bis er um die Ecke herum der Haustüre herauskam, währenddem schwätzte ich mit seiner Tochter, meiner seligen Frau, – ja aber Ihr wißt alles – wer seid –


Es fliegt ein Federhut der Türe herein.

He, ein Vogel Nimmt den Hut.
SARMIENTO.
Wenigstens eines lustigen Vogels Hut.
9. Auftritt
Neunter Auftritt
Die Vorigen, Porporino in Uniform, außer Atem.

VALERIO.
Ei, Porporino – du! Woher des Landes?
PORPORINO
atmend.
Laßt mich nur verschnaufen – der Sturm – der gewaltige Sturm.
[144]
VALERIO.
Hast du gleich Sturm laufen sollen?
PORPORINO.

Ei nein, der Sturmwind, seht die verdammten Federn auf dem Hute; wenn man den Wind gegen sich hat, ist an kein Avancieren zu denken – der Sturm nahm mir den Hut mit.

VALERIO.

Es ist mir lieb, daß wir dich wieder haben – aber du bist doch nur dem Hut nachgelaufen, und nicht etwa aus Feigheit?

PORPORINO
lustig, gravitätisch, geschwind, deutlich.

Potz – weil ich hutlos bin, bin ich eben doch nicht mutlos. – Seht, es war lauter eilfertige Bescheidenheit, denn hätte ich meinen Hut nicht verloren, so hätte ich meinen Atem nicht verloren, und hätte ich meinen Atem nicht verloren, so wäre ich zu Ehren gekommen; denn ich lief einem Manne nach, der mir den Hut abgeschlagen, und an dessen Stelle eine Ohrfeige nicht versagt hatte. Nun aber, da ich zu meinem Hut komme, laßt mich zu Atem kommen, und zu Ehren, und zu Eurer lieben Valeria, – was macht sie?

VALERIO.
Sie kleidet sich zum Balle an; du kannst auch hingehen, wenn du nicht zu müde bist.
PORPORINO.

Müde? Ich bin nichts müder als die Müdigkeit. Ihr habt keinen Begriff, was es einen Verliebten ermüdet, so ganz mutterselig allein in den Krieg zu gehn. Doch was für ein Trompeter sitzt da in der Ecke?

VALERIO.

Ein recht freundlicher Trichter, der reinen Wein einschenkt; er sagt wahr, aber ich kann nicht schmecken, was vor ein Gewächs es ist.

PORPORINO.

Er sagt wahr? Da sagt er was Rares, auch ich werde Euch rare Sachen erzählen, und setze mich neben ihn. Er setzt sich. Er soll bestätigen, was ich sage. Als ich so in meinen Gedanken den Wald hinunterging, in meinen Gedanken, die ich mit großer Mühe recht kriegerisch zu machen suchte Zu Sarmiento. – nicht wahr?

SARMIENTO.
Ja, denn alle deine Gedanken waren friedliche Rekruten.
PORPORINO.

Besser gesagt, Kinder des Friedens und Rekreation. Um diese Gedanken nun zu Verteidigern des Vaterlandes [zu] bilden, lief ich mit ihnen alles durch, was ich wußte, das Kadetten[145] nötig ist – als zum Beispiel: Marsch! Richt euch! Schwenkt euch! Links um, rechts um! Blitz, Donner, Element, Sapperment! Jesuiter! und dies mit der schweren Rechnung Million multipliziert – endlich kam ich bis ans Halt! denn die Infanterie- Gedanken gingen mir aus, oder vielmehr ich ward müde, und legte mich auf Reiter-Gedanken – nicht wahr?

SARMIENTO.
Ja, du wolltest dich auf ein fremdes Pferd setzen, das am Wege graste.
VALERIO.
Ho ho, und die Ohrfeige gab dir der Reiter.
PORPORINO
aufspringend.

Mein Herr, Ihr sagt nicht wahr. Ich wollte das Pferd nicht stehlen, ich wollte nur ein wenig reiten – doch, woher wißt Ihr das?

SARMIENTO.
Woher habt Ihre Eure Ohrfeige erhalten?
PORPORINO.

Wenn ich nur wüßte, woher der sie erhielt, der sie mir gab, ich wollte sie dem redlichen Finder wieder zustellen.

SARMIENTO.
Ich wars, und schenke sie dir. Ich ritt durch den Wald, und war der Hitze wegen abgestiegen.
PORPORINO.
Und seht, ich wollte der Hitze wegen aufsteigen; es lag der Fehler in der Hitze.
SARMIENTO.

So ist der Fehler wieder gutgemacht, denn ich schlug dir in der ersten Hitze den Hut vom Kopf, und du hattest alle Gelegenheit, dich abzukühlen.

PORPORINO.
Wie heißt Ihr aber nun ins Guckucks Namen?
SARMIENTO.
Ins Guckucks Namen habe ich keinen Namen.
VALERIO.
Da hast du's! O, der zahlt gut, der bleibt nichts schuldig.
SARMIENTO.

Du irrst, meinen Namen bleibe ich schuldig, und ich hoffe, daß, da Ihr mich für einen guten Zähler haltet, Ihr mir den Nenner auf meinen Namen borgen werdet.

PORPORINO.

Das geht in die Brüche. Aber haltet einmal Euren Trichter her. – Wird wohl Valeria mich wieder lieben?

SARMIENTO.
Wirst du ihr liebenswürdig werden, Porporino?
PORPORINO.

Ach, wüßte ich, wo man es lernte! Ich fühle Wißbegierde, und müßte ich in Alkala Bettelstudent werden und meinem eigenen Nebenbuhler das Heft abschreiben. Ich wollte Kreide essen, blaß zu werden, Butter schlingen, wild zu singen, mit den Füßen Trommelschläger werden, gut zu [146] tanzen; zwei Pfennige wollt ich jedem geben, der mich angähnte, um die lange Weile zu lernen; nachdem sein Maul größer wäre, auch vier. Bin ich so auf guten Wegen?

SARMIENTO.

Nein, solches Zeug laß liegen, werde zärtlicher und ruhiger; aber gehe jetzt, dich zu maskieren, daß du mit uns zum Balle kannst.

PORPORINO.

Ich gehe schon. Zu Valerio. Seht, eben wegen der Zärtlichkeit, die mir nötig ist, durfte ich nicht in den Krieg gehen. Ab.

10. Auftritt
Zehnter Auftritt
Valerio, Sarmiento.

VALERIO.

Nun, lieber lustiger Gast, Ihr kennt mich, so mögt Ihr auch wissen, wie hoch ich meine Freunde halte. Gönnt mir die Freude nach der Verwunderung, Ihr seid sicher einer aus der alten guten Zeit, mit dem ich mich vielleicht meiner Jugend freute. O gönnt mir den alten guten Freund!

SARMIENTO.

Du rührst mich, Valerio. Die alte Zeit, da wir jung waren, ist nun jung, da wir alt sind; wir wollen in der jungen Zeit uns unsers Alters freuen. Schließe die Türen ab!

VALERIO
schließt ab.
Wir sind hier so geheim; nun offenbart Euch.
SARMIENTO
nimmt die Maske ab.
Gott grüße dich im Vaterland.
VALERIO
umarmt ihn.
Mein – mein Herr – mein alter gnädiger Herr – nicht mehr in Flandern – Sarmiento!
SARMIENTO.
Du alter, treuer Freund!
VALERIO.
Ihr – Ihr – ich werde toll – ich werde wieder jung.
SARMIENTO.
Ruhig, ruhig – freue dich im Stillen, ich bin geheim hier.
VALERIO.

Wie konnt ich Euch nicht raten? – Eben, weil ichs für unmöglich hielt – weil es mir das Liebste war. – Es ist doch nichts vorgefallen? – Was bringt Ihr dann zurück?

SARMIENTO.
Ich habe meinen Dienst quittiert – und will nun mit dir und den Meinen lustig sein.
VALERIO.
Ich will doch meine Tochter rufen.
SARMIENTO.
Nein, es soll es niemand wissen; du kannst doch schweigen?
[147]
VALERIO.
Die Frage geht mir heute zum erstenmal ans Herz; sonst ging sie mir ans Maul, und das schwieg.
SARMIENTO.
So laß das Herz voll dieser Frage sein, und du wirst schweigen, wenn deine Lippe überfließt.
VALERIO.
Aber Euer Sohn, Eure Töchter?
SARMIENTO.

Sollen nichts wissen! Ich will sie probieren und in der Eile wissen, was ich an ihnen habe, da ich sie so lange vermißte, daß ich nicht viel Zeit verlieren mag, sie kennen zu lernen. Mein Sohn Felix ist verliebt? Was weißt du davon?

VALERIO.

Er ist sehr zärtlich, es ist die Tochter der Witwe Domingos de las Torres, die in Saragossa wohnt. Es ist ein gutes Mädchen, und reich, sie ist hier bei ihrer Tante.

SARMIENTO.

Ich kenne die Mutter, ich sprach sie in Saragossa; doch ist es wahr, daß er sich so gar zärtlich anstellt?

VALERIO.

Ein nun, ich stehe manchmal Schildwache, wenn er ihr Serenaten bringt, während die Tante zu Besuche ist.

SARMIENTO.
Pfui – das ist dumm – der Junge hat keinen Mut aber ich habe schon gesorgt, das wird anders werden.
VALERIO.
Da irrt Ihr sehr, er ist in den Stiergefechten immer der erste.
SARMIENTO.
Eigne Art, die Tante mehr zu fürchten als den Stier. – Ist er in der Stadt?
VALERIO.
Er ist auf Eurem Gute, eine Meile von hier, bei seinen Schwestern, die er sehr liebt.
SARMIENTO.
Brav, was wißt Ihr von denen?
VALERIO.
Nichts.
SARMIENTO.
Das ist der beste Ruf. – Wann kommt Felix zurück?
VALERIO.

Heute abend erwartet man ihn auf dem Ball, den ihm seine Freunde, des verstorbnen Don Ponce und Aquilars Söhne, geben; da könnt Ihr ihn bequem sehen.

SARMIENTO.
Was ist aus den beiden geworden, was sind es für Gesellen?
VALERIO.
Gute Gesellschafter, und galant, ritterlich – reiten, fechten. –
SARMIENTO.
Stadthelden! – Die Leute müssen alle nach Flandern.
VALERIO.
Aquilar ist lustig und leicht, ein toller, lebendiger Bursche.
[148]
SARMIENTO.

Wie der Vater – und Ponce, auf den bin ich begierig, sein Vater starb am Kurzweil seiner Mutter, und die Mutter an der Langweiligkeit seines Vaters. Er muß ein närrischer Junge sein.

VALERIO.

Das weiß Gott – ein wunderlicher, wetterwendscher Kerl, der alle Leute unterhält und immer lange Weile hat, witzig und verlegen, hart und wohltätig, geht immer wie ein Verliebter herum, hat alle Weiber nach der Reihe in sich vernarrt, und quält sie mit Kälte.

SARMIENTO.
Du scheinst ihn gut zu kennen; du lebst wohl in deinen alten Tagen mit den Wildfängen?
VALERIO.

Ja, ich lebe mit ihnen, ich muß wohl, sie haben mich zu ihrem Maître de plaisir gemacht, ich halte ihnen ihren Aufwand in Ordnung, aber, du Gott – Ponce hat sich dafür zu meinem Maître de chagrin gemacht, er hat Valerien so verrückt, daß sie mit ihm davonliefe, wenn er sie nur recht wollte.

SARMIENTO.
Doch in Ehren?
VALERIO.
Ich wollte, er läge so fest in Eisen, als mein Mädchen in Ehren.
SARMIENTO.

Sei zufrieden, das giebt sich; Ponce interessiert mich, hinter dem steckt etwas, – Porporino ist noch lustig, wie ich sehe; wie geht es ihm sonst?

VALERIO.

Seit Ihr ihn mir brachtet, habe ich ihn täglich lieber gewonnen, er war immer unverdrossen, er war ein so guter Bürger als Ritter, er hat sich auf alles gelegt, ist immer lustig und treu, – wenn sich je seine Eltern melden, er wird ihr Sohn sein können, wer sie auch sind. – Aber auch meiner könnte er sein.

SARMIENTO.
Er liebt Valerien – warum wollte er dann nach Flandern ziehn?
VALERIO.

Seht, er hat sich mehrere Mal mit Aquilar geschlagen, der ihn immer mit der Unbekanntheit seiner Eltern neckte, und da Ponce ihm nun sein Mädchen so ganz eingenommen hat, zog er fort nach Flandern.

SARMIENTO.
Warum schlug er sich nicht mit Ponce?
VALERIO.

Er sagte, solang ihn Valeria liebt, darf ich ihm nichts tun; aber seine Mutter ist aus Flandern, so will ich gehen, seine Vettern zu prügeln.

[149]
SARMIENTO.

Brav, und wendete aus Liebe wieder um, auch gut! Mit deinem Mädchen wird es werden. Wie ging es dir denn, Alter?

VALERIO.

Ich nährte mich knapp und ehrlich, Valeria arbeitete, Porporino gab Unterricht im Fechten, Reiten und der französischen Sprache, so ging es gut.

SARMIENTO.
Knapp? wie hast du gehaust?
VALERIO.

Ihr habt mir jährlich 400 Scudi ausgeworfen; jetzt ist es ein beträchtliches Kapital, ich lebte von den Interessen, und heute könnt Ihr das Kapital aufkündigen.

SARMIENTO.
Du bist ein seltsamer Alter, – nun, wir wollen jetzt das Geld desto schneller miteinander verzehren.
VALERIO.
Auf ewig Euer Gast, aber nie Euer Söldner.
SARMIENTO
reicht ihm die Hand.
Brav!
11. Auftritt
Eilfter Auftritt
VALERIA
als Kolombine maskiert, macht einige zierliche Sprünge.
Vater, seht, wie gefalle ich Euch?
VALERIO.
Gut, Mädchen, du bist hübsch – sieh aber auch hier.
VALERIA.
Ei! ohne Maske, Herr? Aber wer ist es nun, Vater?
VALERIO.
Gieb ihm die Hand, er ist ein alter Freund von mir.
VALERIA.
Seid mir willkommen, lieber neuer Freund; Ihr habt mir gleich viel Liebe erzeugt.
SARMIENTO.
Liebe, freundliche Kolombine, vergiß den Alten und gieb dem Freunde einen Kuß.
VALERIA.
Vater, darf ich?
VALERIO.
Tochter, kannst du?
VALERIA.
Ob ich kann! Küßt Sarmiento. So, nun kommt, Vater, daß ich Euch geschwind maskiere.
VALERIO.

Du glaubst, wenn du ihn geküßt hast, könne er keine lange Weile haben; sollen wir den Freund allein lassen?

VALERIA.
Ich muß Euch ja die Halskrause machen.
SARMIENTO.

Geht nur! Valeria hat recht, ihr Kuß war so belebend, daß alle Küsse meiner Jugend erwachten, um ihren Kuß zu empfangen; mein Leben weilt zwischen diesen Küssen, und wie kurz ist die Zeit zwischen Küssen; geht, eilt Euch!

[150]
VALERIA.

Ihr seid sinnreich, Freund; lasset die Küsse Eurer Jugend meinen Kuß nicht beschämen, seid galant, wachet des Geschenks der Jungfrau und der Zeit.

SARMIENTO.
Wenn Ihr für den Sieg Eures Kusses fürchtet, so gebt ihm Sukkurs durch einen zweiten.
VALERIA.
Ei behüte, mein Kuß war treu und gesund, und soll sich gut halten; kommt, Vater!
VALERIO
winkt Sarmiento.
Nun, nicht wahr? Ab.
SARMIENTO.
Wahr und recht hold.
12. Auftritt
Zwölfter Auftritt
SARMIENTO.

Ein liebes Mädchen! Gott gebe, daß meine Töchter auch so seien! Valerio ist, wie er war, Porporino ist brav, und Felix soll Klettern lernen, wenn er sein Mädchen haben will. Da kömmt wohl Porporino! Maskiert sich.

13. Auftritt
Dreizehnter Auftritt
PORPORINO
als Grazioso maskiert, oder als Harlekin – er spielt im Anfang der Szene die Rolle seiner Maske, er tritt neben Sarmiento, hat seinen Hut in der Hand und weint hinein – mit spöttisch- kläglichem Ton.

Oh! Ach! Oh! wie ist das menschliche Geschlecht mit Übeln behaftet, wie mancherlei sind die Plagen, die über den Menschen verhängt sind, mit verhängtem Zügel reitet man dem Tode entgegen; – ja, alles ist Verhängnis einer höheren Hand, denn erhängt sich einer, so muß seine Hand den Strick höher hängen als seinen Kopf; ja, es ist ein verhenkertes Leben, und selbst die Gerechtigkeit verhenkt sich, wenn sie einen Unschuldigen aufhängen läßt. So tröstet Euch dann mit diesem allgemeinen Elend über Euer Kopfweh.

SARMIENTO.
Kopfweh werde ich haben, wenn du lange fortfährst.
PORPORINO.
Alles wissen macht Kopfweh, und Ihr wißt alles; der Kopf muß Euch brummen wie ein Brummkreisel.
SARMIENTO.
Nimm dich in acht, daß er dir nicht an die Schienbeine fährt.
[151]
PORPORINO.
Anfahren könnt Ihr einen wohl, aber ich bin kein Schienbein.
SARMIENTO.

Ja, dein Schienbein mag wohl nur ein Scheinbein sein, und deine Waden falsch. Aber du mußt besser haushalten, Junge, als ich dir die Ohrfeige gab, habe ich dir ja erst Beine gemacht.

PORPORINO.

O weh, Ihr wiederholt Euch – ich bitte, sage mir, ist das Wiederholen Herkommen bei Euch? Dann geht nur fort, ich will Euch nicht wieder holen.

SARMIENTO.

Du solltest mein Herkommen besser kennen, denn ich gab dir die Ohrfeige, als ich im Begriffe war herzukommen.

PORPORINO.
Hört, Ihr wißt viel, aber ich will Euch doch beweisen, daß Ihr ein schlechter Schulmeister seid.
SARMIENTO.
Wie das, fauler Schüler?
PORPORINO.
Ihr gabt mir die Ohrfeige, ehe Ihr mir Euren Unterricht eintrichtertet.
SARMIENTO.

Das tat ich, weil ich vermutete, daß du vertrauten Umgang mit Weinküpern habest, welche, ehe sie den Trichter brauchen, das Faß aufschlagen.

PORPORINO.

Brav! Aber nun will ich Euch selbst entwickeln; laßt sehen, wer Ihr seid; komme, mein Kind, aus der Wickelschnur, Er nimmt ihm den Mantel ab. gieb mir deinen Lütscher, du Engel!Nimmt ihm Maske und Trichter. Ei, du Wechselbalg, du Findelkind! O, welche mütterliche Gefühle in mir!

SARMIENTO.

Hier bin ich, lieber Porporino, aber du irrtest dich, du wolltest sagen, kindliche Gefühle, da du sagtest, Findelkind; bist du nicht ein Findelkind?

PORPORINO.
Das habt Ihr so richtig gefunden, als ich unrichtig gefunden ward; aber woher wißt Ihr das?
SARMIENTO.
Ich bin ein alter Freund Valerios, ich brachte dich zu ihm.
PORPORINO.
Seid Ihr Sarmiento?
SARMIENTO
umarmt ihn.
Ja, ich bins; aber schweige, ich bins jetzt nur für dich.
PORPORINO.
O lieber, lieber Findelvater, nehmt Euer Findelkind!
[152]
SARMIENTO.

Still, da kömmt dein Liebchen, nimm dich zusammen, sie braucht nicht zu wissen, daß du da bist; geh mit auf den Ball, da kannst du sie und Ponce beobachten.

PORPORINO.

Ach, wißt Ihr die Geschichte? Nu, ich will mich zusammennehmen. Er hängt den Mantel Sarmientos an die Wand und stellt sich dahinter.

14. Auftritt
Vierzehnter Auftritt
Vorige, Valeria, Valerio als Pantalon.

VALERIA.
Nun munter, Pantalon, laßt uns gehen; nehmt Eure Maske, Herr Automate.
VALERIO.
Du machst mich in meinen alten Tagen zum Narren; sehe zu, ob mir der Bart fest sitzt.
VALERIA.
Gut, Väterchen, und Euer kurzes Schwert; alles ist in Ordnung.
SARMIENTO.
O! hänge mir den Mantel um, liebe Valeria.
VALERIA.

Gleich – Wie sie den Mantel abnehmen will, öffnet ihn Porporino, und umarmt sie im Mantel; sie erschrickt und wehrt sich. Ach Jesus, wer seid – laßt mich – Sie laufen beide im Mantel herum, endlich entschlüpft sie und läuft Porporino über das Theater nach. – wer seid Ihr?

PORPORINO
immer verfolgt.
Ein unglücklicher, aus dem Mantel der Liebe verstoßener Kavalier; he, Maskenrecht, Menschenrecht!
SARMIENTO
lacht und maskiert sich wieder.
VALERIO
zieht sein Schwert.
Ruhe, oder!
VALERIA.
Wer ist denn der Naseweis?
PORPORINO.
Ein Harlekin. Läuft zur Türe hinaus, Valeria hinter ihm drein. Alle ab.
[153]
15. Auftritt
Funfzehnter Auftritt
Großer Saal in Aquilars Haus, rechts und links eine Türe, und in der Mittelwand eine offenstehend, durch die man in eine dunkle Stube sieht; in den Stuben rechts und links hört man Getümmel der Masken, welche sich versammeln. In der Mitte des Saals steht ein großes, zierliches Kohlenbecken. – Ponce sitzt in seiner prächtigen Maske an dem Feuerkessel auf der Erde, neben einem Bedienten; sie braten sich Kastanien.

DIENER.
Ihr stahlt mir schon wieder eine, Herr Ritter.
PONCE.
Ei, du Kerl, ich sah soeben mit Freuden zu, wie sie verbrannte, weil du so geizig bist.
DIENER.

Sie wird Euch das Herz abbrennen, so heiß Ihr sie stahlt. – Meint Ihr vielleicht, Ihr wäret freigebig? Ich habe noch nichts davon gespürt.

PONCE.

Danke Gott, denn gegen dich durfte ich es nur mit Prügeln sein, um nicht ein Verschwender aus Gutmütigkeit zu werden.

DIENER.

Freinehmig seid Ihr, denn Ihr stehlt mir die Kastanien vor dem Maule weg; ich habe an Euch gleichsam einen vornehmen Vormund.

PONCE.

Kerl, du sprichst gut; hier auf beiden Seiten brummt es wie im Fegfeuer, und dort ist der Himmel, er ist leer, wir sitzen in einer Art Vorhölle.

DIENER.
Und da kömmt mein Satanas. Springt auf.
16. Auftritt
Sechszehnter Auftritt
AQUILAR
auch schwarz maskiert.
Martin, dummer Teufel, die Kohlenbecken weg, und Fackeln her!
DIENER.
He, Kamerad! der Herr ruft.
ANDERER DIENER
sie tragen den Feuerkessel weg.
PONCE.
Guten Abend, Aquilar.
AQUILAR.
Wie kannst du nur dich mit dem Kerl gemein machen?
PONCE.

Ich stahl ihm Kastanien, weil ich nichts Besseres zu tun hatte. Ich hatte eben keine andere Passion, und es ist doch besser, mit dem Diener Kastanien zu essen als auf den Herrn zu warten. – Ist Felix da?

[154]
AQUILAR.
Ich weiß nicht, wo er bleibt. Wir müssen anfangen, ich tanze nicht.
PONCE.

Ich auch nicht. Daß wir Felix erwarten, entschuldigt uns. Vielleicht kommen einige Charakter- Masken, die uns amüsieren.

AQUILAR.
Es ist ein allgemeiner Mangel an Charakter in Sevilla.
PONCE.

Aber nicht an Masken. Diener geben den beiden Rittern brennende Fackeln. Du, wo stehen die Weiber, auf welcher Seite? Ich habe eine heraufgehen sehen, die hatte das Bild eines so schönen Mädchens auf einem so schönen Busen hängen, daß ich mich in das Bild verlieben würde, wenn sie mir in die Hände käme. Sind die Weiber links oder rechts?

AQUILAR.
Willst du die Weiber anführen?
PONCE.
Nein, denn jene ist mir zu gefährlich, und die arme Valeria klagt ohnedies über meine Kälte.
AQUILAR.
Sie will aber selbst nicht warm werden.
PONCE.
Lasse das, das ist ja ihre Tugend. Wo stehen die Weiber?
AQUILAR.
Links. Mein tölpelhafter Diener hat sie links geführt; mache fort!
PONCE.
Es giebt ein Unglück, wenn die Weiber hier stehen. Geht rechts.
AQUILAR.
Geschwinde.

Die Türen gehen auf, auf Ponces Seite kommen die Damen heraus, bei Aquilar die Männer; die Dame mit dem Brustbilde ist die erste.
PONCE
läßt die Fackel fallen.
O Gott, da ist das Bild!
DAME.
Don Ponce, die Fackel Amors senkt sich nicht.
PONCE
hebt die Fackel auf, tanzt mit der erloschenen Fackel.
Aber sie sengt und brennt von Eurem Busen.
DAME.
Es sind die Brillanten um das Bild – Sie steckt ihm die Fackel im Tanze an.
PONCE.
Donna, dies sei bedeutend.

Die zwei Linien der Herren und Damen tanzen nach der Musik, die sich bei dem Eintritt in dem dunkeln Saale hören läßt, einfach mit. Verbeugung gegeneinander, und folgen den beiden Führern in die offene Mitteltüre, so daß sich die andre Stube durch die Fackeln, die sie alle in den Händen tragen, erhellet, und niemand bleibt auf der Szene als zwei Diener, an der Saaltüre, in dem man sie noch tanzen sieht.

[155]
17. Auftritt
Siebenzehnter Auftritt
Valerio und Porporino tragen den Automaten auf einem Stühlchen herein, und stellen ihn hin; Valeria lief gleich an die offne Türe des Tanzsaals, um nach Ponce zu sehen.

VALERIO.
Colombina, mach die Türe zu.
ERSTER DIENER.
Es geht nicht an, mein Herr.
VALERIO.
Aber es geht zu, mein angehender Herr.
ZWEITER DIENER.
Die Türen sollen offen bleiben.
PORPORINO.

Halt das Maul, und mache die Türen zu! Colombina, weg von der Türe! Will sie wegziehen und zumachen; die Diener wollen es nicht zugeben.

18. Auftritt
Achtzehnter Auftritt
Aquilar und Ponce kommen heraus.

VALERIA.
Nun macht meinetwegen die Welt zu.
AQUILAR.
Was soll das? Zu den Dienern. Geht weg!
PONCE.
Suchet euer Fortkommen auf ehrlichen und tugendhaften Wegen. Diener ab.
PORPORINO
vor sich.
Das könnte auch für ihn gelten.
VALERIO.
Annonciere mich – Grazioso.
PORPORINO
vor sich.

Gott gebe, daß ich nicht wild werde. Laut zu den Rittern. Ich mache hiermit bekannt, daß Herr Pantalon von Venedig hier mit seinem berühmten Automaten angekommen ist, der allen Leuten die Wahrheit sagen kann, und mit ihm sein vortrefflicher Harlekin, der allen Leuten was vorlügen kann, und wenn seinen Lügen zu trauen wäre, so wollte ich euch sagen, daß ich dieser Harlekin bin, und einen großen Lusten habe, euch beiden die Wahrheit zu sagen.

VALERIO.
Schweig, was soll das? Du avisierst dich selbst.
PORPORINO.
Ich kam in die Wut.
VALERIA.

Laßt mich avisieren. Zu Ponce. Herr Pantalon, mein Vater, lieber, schöner Ritter, der hier so glänzend freundlich vor mir steht, und dem ich arme Colombina nicht genug sagen kann – Stockt.

[156]
PONCE
lacht.
Ho ho, du avisierst dich auch selbst; übrigens danke ich dir für die Galanterien.
VALERIO.

Freilich kannst du ihm nicht genug sagen. Verzeiht, edler Ritter, dies ist mein Automate, fragt ihn selbst.

PONCE
zu Sarmiento.
Wer bist du?
SARMIENTO.
Der Wahrheit Freund.
PONCE.
Wer bin ich?
SARMIENTO.
Es kann etwas aus Euch werden.
PONCE.
Wer ist die Dame, die ich liebe.
SARMIENTO.
Wer sich aus langer Weile sehnt,
Mit offnen Maul nach Sehnsucht gähnt,
Und melancholisch-lustig lacht,
Den Tag verschläft, die Nacht durchwacht,
Dem ist der Weiber hold Geschlecht
Wie dir, Don Ponce, ja nimmer recht.
PONCE.

Du hast recht, mein Freund, aber das wird bald ein Ende haben. Sage mir aber, wer ist die maskierte Dame hier auf dem Ball, die mich liebt, sie interessiert mich.

PORPORINO
zu Valerien.
Gieb acht; lieb Mädchen – damit du die böse Welt kennen lernst.
VALERIA
horchend.
Laß mich!
SARMIENTO.
Verschont sie mit meiner Antwort.
AQUILAR.
Laß ihn sprechen, da weiß er nichts.
PONCE.
Wer ist sie? Sie hört es nicht, und ich will es ihr nicht sagen.
SARMIENTO.
Sie hört es gewiß. Erspart ihr die Schamröte, die die Jungfrau ziert.
PONCE.

Ei was, ziert, sie soll sich nicht zieren, sie ist nicht hier, und soviel ich weiß, in der ganzen Stadt nicht, ich kenne keine, die ich liebe.

VALERIA
zu Ponce.
Ihr kennt keine?
PORPORINO
zu Valerien.
Hörst du es?
PONCE
zu Sarmiento.
Wer ist sie denn? Sprecht doch!
VALERIA.
Ich bins. Sich ihm verschämt entgegenstellend.
AQUILAR.
Dies Stimmchen kenne ich.
VALERIO
zu Porporino.
Bringe sie nach Haus, der ganze Spaß verdirbt. Zu Valeria. Gehe nach Haus, gehe, liebes Kind.
PONCE
faßt sie unters Kinn.
Ei, bist du auch ein Automat?
[157]
VALERIA
wendet sich weg.

Habt Ihr mir doch alle Freude verdorben, und nun bin ich freilich stumm, und mag nicht reden, bis man mich fragt.

AQUILAR.
Das sind Konfidenzen, Ponce; was Guckuck hast du für Geschichten?
PONCE.

Dumme Streiche, in aller Unschuld, ich kenne sie nicht. Aber, liebe Colombina, entdecken Sie mir lieber Ihren Namen als Ihre Liebe, damit ich mich besinnen kann.

PORPORINO.
Komm, Valeria, komme! Nun sieh, wie dir jetzt ist, so ist es mir schon oft bei dir gewesen; komme!
VALERIO.
Gehe, mein Kind, mit dem guten Harlekin.
VALERIA.
Lebt wohl! Ach Ponce, wie hast du mir die Freude verbittert. Ab mit Porporino.
19. Auftritt
Neunzehnter Auftritt
Vorige ohne Valeria und Porporino.

PONCE.
Ich weiß bei Gott nicht, wie ich dazu komme.
AQUILAR.
Du bist auch unausstehlich zerstreut; hörst du dann nicht, es war Valeria.
PONCE.

Valeria! So seid Ihr wohl Valerio, Herr Pantalon? Legt Eure Maske ab; und, Herr Automate, wollt Ihr Euch nicht auch demaskieren?

VALERIO
nimmt die Maske ab.
Guten Abend, meine Herren! Mein Kind und hier mein Freund bewegten mich.
SARMIENTO
demaskiert.
Hier bin auch ich, doch hilft es euch nichts, ich bin euch unbekannt.
AQUILAR.
Ihr seid ein lustiger Mann, und wir sind jung, so seid willkommen.
PONCE.
Wen erfreuen wir uns zu sehen?
SARMIENTO.

Ich bin der Mercado, Kapitän der Kavallerie, und komme aus Flandern. Was ich von Euch wußte, Don Ponce, hat mir unterwegs Porporino, der nach der Armee reiste und den ich in einem Wirtshause traf, erzählt.

AQUILAR.
Der uns wohl nicht lieben mag.
SARMIENTO.
Nicht kann, wie er behauptet, weil Ihr seine Geliebte liebt.
[158]
PONCE.
Ich liebe sie eigentlich nur dann und wann.
VALERIO.
Aber Ihr quält sie immer.
PONCE.

Lieber Valerio, laßt das! Es tut mir selbst leid, ich glaubte nicht, daß sie so heftig sei – es wird schon werden.

20. Auftritt
Zwanzigster Auftritt
EIN DIENER.
Don Felix ist gekommen.
AQUILAR.
Wir wollen ihm entgegengehen.
PONCE
zu Sarmiento.

Nehmt Eure Maske wieder um, wir müssen unsern Freund zerstreuen, weil er seine Geliebte nicht hier findet. Beide ab.

21. Auftritt
Einundzwanzigster Auftritt
Valerio. Sarmiento maskiert sich – setzen sich an den Brochero.

SARMIENTO.

Nun kömmt mein Sohn, den ich so lange nicht sah, daß die Zeit mich schon für ihn maskiert hätte; ich werde mich kaum halten können.

VALERIO.
Ich könnte mich auch kaum halten vor Bosheit, wie der Bursche mit meinem Kinde umging.
SARMIENTO.

Wir wollen uns schon rächen, Alter! Hörst du, er kömmt; ich werde der unglücklichste Automate sein; hätte ich vier Wochen im Blocke gelegen, ich könnte nicht größern Lusten haben, mich zu bewegen.

22. Auftritt
Zweiundzwanzigster Auftritt
Aquilar, Ponce, Felix, die Vorigen.

AQUILAR.
Willkommen im Leben!
PONCE.
Was macht die alte Tante?
AQUILAR.
Und ihre Katze?
PONCE.
Und ihre Brille, und vor allem, vor allem deine holde Schwester?
FELIX.
Gut, alles gut. –
PONCE.

Die Tante hat wohl ein gut Auge auf deine Schwestern und eine gute Brille auf ihrer Nase, weil sie schlechte Augen hat?

[159]
FELIX.

Laß mich nur ein wenig zu Atem kommen, es sind der Gefühle so mancherlei, die mir hier entgegenkommen; ich bin gerührt, euch wiederzusehen.

AQUILAR.

Ei, laß die Gefühle so mancherlei sein, wir fühlen hier leider nur einerlei. Es ist gut, daß du wieder da bist, sprich: was machen deine Schwestern, wird man hier bald vor Liebe rasend werden, werden sie bald freigelassen werden?

PONCE.

Ja, setze dich, erzähle mir von Isidoren, du weißt, ich habe sie immer lieb gehabt. Du bist es ihr schuldig, den Geliebten zu erhalten, denn es steht gefährlich mit mir, ich habe mich beinahe in ein Gemälde heute abend verliebt; ich möchte sehen, ob sie siegt. –

FELIX.
Du liebst nur, was du nicht siehst.
PONCE.

Oder was mich nicht sieht. – Ich sehe sie wohl Tag und Nacht, die ich liebe, und das Bild von heute abend hätte beinahe meinem Ideale geglichen. Rette den Ruhm deiner Schwester, erzähle!

FELIX.

Ich muß nur, um dich zur Ruhe zu bringen. Sie ist sanft, stolz, spröde und freundlich, ist fromm wie Maria, und hat letzthin in der Beichte gelacht, und alles das in einem Leibe – nun – Ponce –

PONCE.
Geschwind, fahre fort, den Leib, den heiligen Leib – du entleibst mich.
AQUILAR.
Geschwind, gieb ihm den heiligen Leib, laß das Wort Fleisch werden.
FELIX.
Ich darf nicht so von meiner Schwester sprechen, wie man von einem solchen Körper sprechen muß.
PONCE.
So hole der Teufel deine Schwester, und bringe mir den Leib.
FELIX.
Pfui, sei nicht so heftig, Ponce. Doch wo ist Lucilla? Gieb mir eine Maske, ich will sie sprechen.
AQUILAR.
Ich gratuliere zu dem moralischen Sieg, jetzt erst nach ihr zu fragen.
FELIX.

Ihr ließt mich ja nicht zu Worte kommen, und ich poltre nicht gern mit der Liebe ins Haus; ist sie nicht auf dem Ball?

AQUILAR.
Ihre Tante ließ absagen.
PONCE.
Und schlank ist sie – Felix, nicht wahr?
FELIX.
Wer? – aber warum nicht?
[160]
AQUILAR.
Gott weiß es, und ihre Tante.
PONCE
zu Sarmiento.
Herr Automate, ist sie schlank?
SARMIENTO.
Wie eine Rebe.
PONCE.
Hängen auch Trauben an der Rebe?
SARMIENTO.
Aber sehr hoch – Herr Reineke.
FELIX.
So kann ich denn heute nichts von ihr hören?
SARMIENTO.
Ich wüßte nicht, unser Wahrsager da müßte dir dann etwas erzählen, er hat gute Einfälle.
FELIX.
Wer ist die Maske?
AQUILAR.
Ein Fremder, doch weiß er mit seinen Antworten, wo er zu Hause ist.
PONCE
zu Sarmiento.
Und schwarze Augen hat sie?
SARMIENTO.
Aber nicht auf Euch.
FELIX
zu Sarmiento.
Verzeiht, edle Maske, unsre Unachtsamkeit, ich kam eben zu meinen Freunden zurück.
SARMIENTO.
Ich ergetzte mich still am Wiedersehen.
AQUILAR
zu Valerio, der eingeschlafen ist.
He, Pantalon, schlafe nicht!
VALERIO
erwachend.
Sie hängen draußen vor der Türe.
AQUILAR.
Sei klug – was?
VALERIO.
Die Mäntel –
PONCE.
Ho, da war Pantalon eingeschlafen, und Valerio wachte auf. Zu Sarmiento. Sie singt?
SARMIENTO.
Sie singt, und zwar folgendermaßen.Er singt.
Wenn ich dich lieben soll,
So schweige stille,
Mach mir den Kopf nicht toll
Mit vielen Fragen.
VALERIO.
Guten Abend, Don Felix.
FELIX.

Guten Abend, Alter – Reicht ihm die Hand, Valerio schleicht weg. Nun, Herr Automate, was macht meine Geliebte?

SARMIENTO.
Sie wird wohl bald in Saragossa sein. –
FELIX.
Donna Lucilla de las Torres? Ihr irrt Euch, sie ist hier.
SARMIENTO.
Deren Mutter in Saragossa wohnt, ist nicht hier. Ich wette tausend Zechinen gegen eine.
AQUILAR.

Gut, wir können es gleich sicher wissen, wir dürfen nur fragen lassen. Er klingelt, und spricht leise mit dem Diener.

[161]
FELIX.

Sie sollte nicht hier sein? Ihr sagt das mit so vieler Sicherheit; darf ich Euch bitten, Euch zu demaskieren.

PONCE.
He, wartet noch ein wenig, Herr Automate, noch eins.
SARMIENTO
demaskiert sich.

Ihr habt mich schon ganz erschöpft. Ihr kennt mich nicht, ich bin der Mercado, Kapitän bei der Kavallerie, und komme aus Flandern.

FELIX.

Aus Flandern? So kennt Ihr vielleicht meinen Vater, Don Miguel Sarmiento de Torbadillo; sprecht, kennt Ihr ihn?

SARMIENTO.
Ich freue mich, seinen Sohn zu sehen. Er ist Obrister bei dem Regiment des Königs und mein Freund.
FELIX.
Obrister?
SARMIENTO.
Seit sechs Wochen.
AQUILAR UND PONCE.

Wir gratulieren, Felix!Diener kommt. Donna Lucilla ist mit ihrer Tante abgereiset zu ihrer Mutter nach Saragossa; der Hausmeister sagte mir, die Frau Mutter habe dort einen Bräutigam für die junge Dame. Ab.

PONCE UND AQUILAR.
Wir kondolieren, Felix.Felix steht stumm.
PONCE.
Felix, ha, hörst du nicht? einen Bräutigam, greife nach dem Degen!
FELIX.
Es ist nicht möglich, nicht möglich.
PONCE.
Wenns aber doch geschähe?
FELIX.
Ich kann es nicht denken.
PONCE.

Siehst du, hättest du den Herrn Kapitän noch länger als Automaten bestehen lassen, so könnte der noch allerlei erzählen, denn jetzt ist guter Rat teuer.

SARMIENTO.

Ich will versuchen, ob ich auch ohne Maske Euch Aufklärung geben kann. Es ist wunderbar, wie mich ein Zufall in alle Eure Geheimnisse führte. Der Hausmeister sagt allerdings recht. Vorige Nacht schlief ich in einem Gasthause, und die zwei Damen hatten ein Zimmer dicht neben mir; eine dünne Bretterwand trennte mich von ihnen. Die ältere Dame sprach viel von Gehorsam, aber Eure Geliebte desto mehr von Liebe; sie weinte, und rührte mich. Porporino, der in demselben Wirtshause eintraf, erzählte mir den andern Morgen, wer sie gewesen seien. Es war mir sehr traurig zu hören – sie nannte Euren Namen oft in dieser Nacht – und sagte, ohne Euch werde sie sterben.

[162]
FELIX.
O! das sieht ihr ähnlich, das war sie! Ja, sie wird sterben Ohne mich, und ohne sie auch ich.
PONCE.

Ja, denn alle Menschen müssen sterben ohne sie, sonst hättest du noch alle zu Nebenbuhlern, die gern ewig lebten.

FELIX.
Sie härmt sich ab, und kann ohne mich nicht glücklich sein; o, ratet mir!
PONCE.

Höre, ich rate dir, wenn sie ohne dich nicht glücklich sein kann und vielleicht Lotterie-Zettel hat, sie ihr abzukaufen, damit sie gewinnt.

FELIX.
Schweig, und spotte nicht! – Es ist schrecklich, ich wäre zu allem entschlossen.
SARMIENTO.
Wenn ihr entschlossen seid, sie zu besitzen, so entführt sie.
FELIX.
Ein einfacher Weg muß es sein, der sie nicht beschimpft.
SARMIENTO.

Ein einfacher Weg? Geht, Ihr seid nicht wie Euer Vater, durch tausend Klingen schlüge er sich um eine Schwiegertochter und Ihr habt nicht so viel Sprossen an der Leiter; giebt es einen einfachern Weg als eine Leiter.

PONCE.
Und sie wird nicht im Dachstübchen wohnen, eine Leiter ist einfacher als eine Treppe.
AQUILAR.
Du mußt sie entführen, morgen früh mußt du fort.
FELIX.
Ihr kennt sie nicht, sie ist so sanft, sie wird so etwas nicht vertragen können.
SARMIENTO.
Faßt sie bei ihrer Schwäche, da sind sie alle stark.
PONCE.

Ja, entführe sie, und erzähle uns, wie sie aus Schamhaftigkeit über dir die Leiter nicht herab wollte, und du eine breite Feuerleiter bringen mußtest, und Arm in Arm mit ihr herabstiegst.

SARMIENTO.
Entschließt Euch, wenn Ihr liebt! gute Nacht meine Herren! Will ab.
AQUILAR.
Wir hoffen Euch wiederzusehen.
FELIX.
Ich bin entschlossen. Ich reise morgen früh, nehmt Schokolate mit uns.
PONCE.

Wenn Ihr Valerien seht, tröstet sie; sagt ihr, ich könnte nicht mehr lieben, ich wäre ein böser Bube.

SARMIENTO.

Ich will das alles, schlafet wohl! Doch, Don Felix, Ihr habt da einen Zug von Eurem Vater an der Lippe, erlaubt, daß ich Euch küsse. Er umarmt ihn; ab.

[163]
23. Auftritt
Dreiundzwanzigster Auftritt
Die Vorigen ohne Sarmiento.

PONCE.

Jetzt wenn du, wie du dran bist, Felix, du hast einen Zug von deinem Vater. – Ein guter Mann – doch erzähle von deiner Schwester, zeichne mir ihre Gestalt.

FELIX.
Sei klug, ich schlafe bei euch.
PONCE.
Wenn du nicht willst, es leben noch andere Gemälde, ich suche die Dame auf.
AQUILAR.

Es wird wenig mehr zu schlafen sein; kommt, laßt uns noch tanzen und trinken, Felix, Mut trinken. Ab, in den Tanzsaal.

2. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt
Morgens früh nach dem Ball; die Szene, wie sie im ersten Akt verlassen wurde. Zwei Diener öffnen die Türen und räumen auf.

ERSTER DIENER.
Das war eine harte Nacht.
ZWEITER DIENER.
Du warst so besoffen, daß du an der harten Erde einschliefst.
ERSTER DIENER.

Besoffen? Ich bin so nüchtern an Schlaf, daß ich schlaftrunken bin; ich bin noch, wie ich gestern morgen aufstand. Es ist mir kein Tropfen Schlaf über die Zunge geflossen, und habe kein Maul zugetan. Er gähnt.

ZWEITER DIENER
gähnt.

Wir haben größern Lusten, das Maul aufzusperren als die Türen; räume im Saale auf und stelle die Instrumenten beiseite, ich muß den Herren das Frühstück bereiten. Ab.

ERSTER DIENER.

So ein Frühstück ist besser als so ein frühes Stück Arbeit. Geht in den Tanzsaal, bringt den Baß heraus, hält ein Stück Kuchen in der Hand. Morgenstund hat ein Stock Kuchen im Mund. Stellt den Baß an die Wand, setzt sich daran. Man kann nicht zwei Sachen zugleich tun,Ißt, an den Baß gelehnt. ich passe recht zu dem Baß – es schläft sich doch sanft bei der Musik. Er schläft ein.

[164]
2. Auftritt
Zweiter Auftritt
Felix und Sarmiento.

FELIX.
Ich bin entschlossen, ich will gleich hin und alles anwenden, des Mädchens Muhme zu bewegen.
SARMIENTO.

Mein Freund, Muhmen gehören nicht unter die beweglichen Güter. – Ihr müßt das Mädchen sogleich entfahren und nach Eurem Gute bringen.

FELIX.
Ihr seid zu rasch. Kann eines schwachen Mädchens Ruf eine solche Reise vertragen?
SARMIENTO.

Ich könnte Euch zwar erwidern, daß Schwindsüchtige durch Kurierreiten oft kuriert werden; doch ich frage besser: Was wollt Ihr an ihr verändern als ihren Ruf, wenn Ihr sie heiratet? Die schnelle Reise wird Euch keine Hörner aufsetzen. Setzt Euren Kopf auf, stoßet in das Horn, betriegt die Weile, indem Ihr den Pferden über die Ohren haut, so wird die Reise vor Eile den Atem verlieren, Eures Mädchens Ruf zu verderben. – Geht, Ihr seid ein anderer Mann als Euer Vater.

FELIX.

Ich bin nur meines Vaters Sohn, und schone in meiner Geliebten seine Tochter. – In jedem Falle ist die Sache verdrießlich. Ich kann Sie nur durch schnellen Zwang erringen, und meines Vaters Einwilligung bleibt unsicher.

SARMIENTO.
Wen liebt Ihr denn mehr, dies Weib, oder Euren Vater?
FELIX.

Ich liebe meinen Vater wie meine Ehre. Ich sterbe für beide, denn ich kenne ihn nur wie meine Ehre; er und sie sind eins, denn ich kenne nichts von ihm und ihr als das Blut in meinen Adern, das das seine ist. Als ich sechs Jahr alt war, kam ich von meinem Großvater zurück, zu dem ich in meinem dritten Jahre gebracht ward, und mein Vater war schon bei der Armee in Flandern. Ich sah ihn nie, und könnte ich ihn entführen, ich wäre schneller in Flandern als bei Lucillen.

SARMIENTO.
Liebt Ihr das Mädchen mehr als Eure Ehre?
FELIX.

Fragt nicht so, ich liebe meine Ehre um der Liebe willen, und ehre meine Liebe um der Ehre willen; ich will für Ehre und Vater sterben, und für die Liebe und Lucillen leben.

[165]
SARMIENTO
zeigt ihm seine Hand.
Kennt Ihr diesen Ring?
FELIX.

Seid mir willkommen! Ich trage denselben an der Hand.

Es ist der Ring, den mein Vater seinen Kindern und Freunden gab. Er schrieb mir, jeden als seinen besten Freund zu achten, der diesen Ring besitzt. Alle diese Ringe sind Kinder seiner Ehre; er erhielt eine goldne Kette zum Lohne seiner Tapferkeit, und lösete sie in die Ringe auf, die er seinen Geliebtesten verteilte. Seid mir nochmals willkommen! Wie verließt Ihr ihn, Ihr müßt von ihm wissen?

SARMIENTO.

Er betrieb seinen Abschied bei dem Hof, und sehnte sich sehr nach seinen Kindern. Den Abend vor meiner Abreise sagte er zu mir: »Sage meinen Kindern, ich würde bald kommen, und merkst du, daß sie lieben, rechtliche Menschen ihres Standes, so gebe ihnen meine Einwilligung, und sporne sie an, denn ich möchte Hochzeit sehen, wenn ich komme, und in einer vollen, fertigen Familie leben.« Jetzt versteht Ihr meinen raschen Rat. Nun will ich noch von Euren Schwestern Nachricht holen, und eile dann zurück, denn meine Geschäfte in Madrid sind abgetan. Ich will Euch Euren Vater bringen – macht, daß er die Hochzeit findet.

FELIX.

Ich eile nun, Ihr habt mich aufgerichtet; warum spracht Ihr nicht gleich so, teurer Freund? Seht, Ihr dürft meine Ängstlichkeit um des Mädchens Ehre nicht für Mutlosigkeit halten, denn ich verdanke dieser Liebe meine Ehre, sie hat sie mir im wilden Jugendleben erhalten. Für meine Schwestern, o welches Glück! wenn der Vater zurückkehrt und diesen Schatz seines Hauses der Liebe und dem Verdienste zum Preise bestimmt. Die armen Mädchen sind sehr gedrückt, sie stehen in dem begehrendsten Alter, und ihre Tante, Juanna, in dem versagendsten.

SARMIENTO.
Der launige Don Ponce scheint ja so sehr für Isidoren zu brennen; kennt er sie?
FELIX.

Er sah sie nie, doch liebt er sie schon lange aus meinen Erzählungen auf eine bizarre Art; auch Isidore hat sich stets nach meiner Beschreibung für ihn interessiert. Sie meinte, es müsse eine große Freude für ein still erzogenes Mädchen sein, den Menschen mit aller Kraft in einer solchen kindischen Wiege, wie sie ihn nennt, zu wecken. Sie hat recht, er ist ein [166] schlummerndes, launiges Kind, mitten in dem Getümmel der Welt. – Hört nur seine Streiche von dieser Nacht! Er schlief mit mir in einer Stube, dreimal stand er auf und weckte mich, mit der Bitte, ihm zu sagen, ob ich nicht wisse, in welcher Stellung Isidora schlafe, und endlich, nachdem ich ihm stets gesagt hatte, ich wisse es nicht, mußte ich, um Ruhe zu haben, ihn versichern, sie ruhe gerad ausgestreckt auf der linken Seite, schweige mäuschenstille, träume gern, und wenn sie wache, sinne sie auf freundliche Worte, ihren künftigen Gatten zu unterhalten. So ward ich ihn endlich los, er ging und versicherte mich, er lege sich auf die entgegengesetzte Seite, der Symmetrie wegen, und sinne auf Worte, seine künftige Gattin zu unterhalten. Heute morgen schlief er erst ein. Ich glaube, diesen Menschen könnte die Liebe vortrefflich machen.

SARMIENTO.
Ich hoffte viel von ihm; doch da kömmt er selbst.
3. Auftritt
Dritter Auftritt
Vorige; Aquilar führt Ponce, der schläfrig ist, im Arme. Ein Diener bringt einen Tisch mit Wein und Speise. Der Bediente schläft immer noch im Hintergrunde.

AQUILAR.
Guten Morgen, Freunde; bei Ponce ists noch zu frühe.
SARMIENTO.
Guten Morgen, Don Ponce!
PONCE.

Ihr antwortet, ohne daß ich fragte, Automate. Euer guter Morgen war das Beißendste, was Ihr je gesagt, es ist ein schlechter guter Morgen, er beißt mich in den Augen, Er reibt die Augen. ein beißender guter Morgen. Er setzt sich still auf einen Stuhl, und sieht schlummerhaft sinnend vor sich hin; die andern setzen sich um den Tisch, zu frühstücken.

AQUILAR.
Du gehst also aufs Entführen ein, Felix?
FELIX.
Zähme nur deine Lippen, Aquilar, – ja, ich gehe.
AQUILAR.
Ich schweige gern, entführe nur das Mädchen, damit wir bald etwas zu schwätzen haben.
SARMIENTO
hebt das Glas.
Auf den guten Willen von Lucillen!
AQUILAR.
So sehr sich das reimt, ist es doch zweideutig; also auf die Eindeutigkeit! Trinkt.
[167]
FELIX.
Auf schnelle Fahrt und vertrautes Gespräch im Wagen! Trinkt.
SARMIENTO.

Vor allem aber, auf feste Sprossen in der Leiter und festen Schlaf in der Tante, auf das Wachen des Mädchens zur Zeit des Schlafs und auf den Schlaf der Stadtwache, wenn sie wachen sollte! Zu Ponce, der zu schlafen scheint. He, Ponce, Ihr seid die Nachtwache nicht, die schlafen soll, trinkt mit!

PONCE
ergreift ein Glas, und spricht schläfrig, doch bestimmt und mit ruhiger, launiger Wärme.

– Diese Rede muß der Schauspieler gut verstehen, wenn er sie nicht verderben will. Sie ist nicht Wortspiel, sie ist der Charakter des Ponce, der um wenige Punkte ein größeres Leben dreht, bis ihn die Liebe verwandelt. O gern will ich des Schlafes Ehre trinken; doch lieber Mohn als Wein, dann schlief die Ehre ein, und auf der Ehre Schlaf läßt sich gut trinken – und besser noch, wenn Ehr und Liebe beieinander schlafen, die eine will die andre nicht erwecken, und beide läßt die Sorge doch nicht schlafen. Die Ehre wacht über die Liebe, und die Liebe schläft über der Ehre ein. Aus Liebe wacht die Liebe wieder auf, und endlich macht die Ehre sich eine Ehre daraus, einzuschlafen, sie drückt ein Auge zu; nun kann die Liebe recht erwachen, und nun ist es gefährlich, die Ehr der Ehre steht auf dem Spiel – drum trink ich auf der Ehre Schlaf; der Schlaf wär wahrlich nicht zu ehren, er wäre bloß zu schlafen, wenn die Ehre nicht in ihm einschliefe, daß die Liebe wachen könne. O, pfui des Schlafes Schlaf – Heia popeia, Ehre. – Nun Wein her! Wein! daß Liebe recht erwache, – o holder Traum, gerad ausgestreckt auf der linken Seite schlief Isidorens Ehre heute nacht, und meine Liebe wachte – Er trinkt schnell. o süßer Schlaf der Ehre, wo Liebe wacht, – gute Nacht! Er setzt sich wieder sinnend hin, wie vorher, die ganze Rede scheint er nur für sich allein gesagt zu haben.

SARMIENTO.
Er zwingt uns beinahe, über seiner Liebe und Ehre einzuschlafen.
AQUILAR.
Wahrlich, das war eine Gesundheit für einen Überwachten, dem das Schlafen gesund zu. He – Ponce!
PONCE.
O süßer Schlaf der Ehre, wo Liebe wacht, gute Nacht!
[168]
FELIX.
Er geht mit Ehre und Liebe um, wie ein Nachtwandler, der umgeht.
AQUILAR.

Die Ehre und die Liebe sind ihm Dinge, die er über sein Leben hintanzen, kommen und verschwinden läßt, wie die Schiefersteine, welche die Knaben übers Wasser hintanzen lassen; man nennt diese Würfe Jungfernkinder. Der schlafende Diener schnarcht. Ponce; wache auf, deine Ehre schnarcht!

PONCE.

Der Schnarchende ist wie ein Wecker an der Uhr, Er geht zu dem Bedienten, nimmt den Bogen der Geige. er schnarcht aus dem F moll Adagio, ich will ihn ins dur Allegro bringen.

AQUILAR.
Ich sah den Flegel nicht.
PONCE.
Still! Wer so der holden Musik im Arme liegt, den soll Musik erwecken. Er geigt, sie lachen.
BEDIENTER
schlaftrunken.

Laß mich, Kamerad, – verdammter Kasten, die ganze Nacht ließt du auf dir herumgeigen und nun mich nicht einmal bei dir ruhen.

PONCE.

Er wird ungezogen, beleidigt das Ohr der Musik mit Zweideutigkeiten, sie ereifert sich. Geigt lebhaft.

BEDIENTER
aufspringend.

Unfreundliches Wesen, dummes Gefäß – Sieht seine Herren sich besinnend an, alle lachen, er läuft fort.

FELIX.
Brav, Ponce! Nun, Freunde, lebt wohl!
AQUILAR.
Ich begleite dich ein Stückchen Wegs.
SARMIENTO.
Fasset Mut, die Sache geht, wie der Mut steht.
FELIX.
Treffe ich euch nicht mehr, so berichtet alles meinem Vater. Lebe wohl, Ponce!
PONCE.
Sprich, ist es wirklich wahr? Grad ausgestreckt, wie hold! und denkt an ihren künftigen Mann?
FELIX.
Ja, ja, schlaf aus! Mit Aquilar ab.
4. Auftritt
Vierter Auftritt
PONCE.

Nun ist mir wohler; wenn einige von uns fortgehen, habe ich immer mit den Übriggebliebenen genug, das heißt mit mir.

SARMIENTO.
Ihr seid meistens melancholisch, und zwar weil ihr müßig seid.
[169]
PONCE.

Ihr könntet eher sagen, ich arbeite zuviel Nichts. Ihr solltet mich kennen lernen, wenn mir nicht alle Geschäfte, die ich nicht tue, die Zeit nähmen, Euch mein Herz auszuschütten, in dem nichts ist. – Seht, es giebt keine höllischere Arbeit als die, welche man nicht tut; drum macht mir die Liebe viel zu schaffen, ich vernachlässige sie so, daß ich gar nicht dazu kommen kann, die Melancholie, Freundschaft und Wohltätigkeit einzustellen.

SARMIENTO.
Ihr müßt wirklich auf Ruhe denken, das heißt tüchtig arbeiten.
PONCE.

Ja, ich will mich zur Ruhe setzen und Nachtwächter werden. Wahrlich, ich habe alle Hände voll Arbeit für den Müßiggang. Aber ich merke, es kömmt bald, mein Puls schlägt rascher, und ich habe heute nacht an das Mädchen gedacht, daß ich aus Mitleid mit mir selbst im Traume weinte.

SARMIENTO.
Ihr gingt schon mit so vielen Weibern um, hat Euch keine gereizt? Valeria?
PONCE.

Es war nur mein guter, unerkannter Wille. Wagstücke, die nicht gelangen. Ich habe sie so emsig auf verschiedene Arten nicht geliebt, als sie mich liebten. Der Gedanke, der Ruf, das Bild eines Weibes, diese ferne Strahlen ihrer Sonne können mich allein erwärmen und stärken, der Sonne nach und nach entgegenzugehen. Valeria hat mich gleich zu Stein geschmolzen. Doch laufe ich den Sonnenstrahlen nach und komme endlich auf den Hügel, so ist es meistens währenddem Nacht geworden. – So auch das Bild, das die Dame ja, ich hätte bald vergessen, fragen zu lassen, wessen Bild es ist, das auf dem Busen der Dame hing, das schöne dessen Urbilds Brust ich hängen möchte. Will ab.

SARMIENTO.
Und Donna Isidora?
PONCE.

O weh – seht, das ist es eben, ich komme zu nichts! Nun zieht mich das Bild vorwärts und Isidora rückwärts, so lange ich nirgends an. O lieber Kapitän, wenn so zwei Sachen zusammenklappten, so wäre ich mitten drinne, und zur Ruhe, und liebte, liebte – nun, Ihr würdet sehen, wie ich lieben könnte. Läuft ab.

SARMIENTO.
So laßt mich nicht allein in einem fremden Hause, närrscher Mensch. Ab.
[170]
5. Auftritt
Fünfter Auftritt
Der Mittelvorhang fällt; Stube in Valerios Wohnung.

VALERIA
tritt auf.

Ich gehe herum, und hin und her, und mache mir allerlei weis, Ponce kömmt nicht – ich fasse Mut und will stolz sein, aber immer sieht es aus wie Hoffnung und Trost – Ponce liebt mich nicht, er hat es selbst gesagt, – es tut mir leid, auch möchte ich ihm helfen. – Wenn ich wüßte, wen er liebte, – Sie sieht sein Bild an. ich konnte ihm den träumerischen Zug nicht nehmen, und mir hat er ihn gegeben. Sie hört Schritte auf der Treppe. Das ist er, ich will es ihm freundlich sagen. Der Türe hinaus. Komme nur herein, ich bin aber böse auf dich.

AQUILAR
tritt ein.
Es tut mir leid, daß du nicht böse auf mich bist, weil ich Ponce nicht bin, den du erwartetest.
VALERIA.

Ich bin böse auf mich, daß ich so voreilig bin, und auf Euch war ich es schon lange, seit Ihr das Leben zweier Menschen wagtet, da Ihr Euch mit Porporino schlugt.

AQUILAR.
Ich wagte für dich und Ponce.
VALERIA.

Um einen von uns – ich hätte Euch gedankt; aber um uns beide steht schon ein anderes auf dem Spiele, das meinige.

AQUILAR.
Es ist gut, liebe Valeria, daß du so frühe einsiehst, wie Ponce nur spielte.
VALERIA.

So frühe? – O Ritter, seid ihr ein Bote von ihm, so sagt mir schnell seinen Auftrag; dann verlaßt mich, ich habe Euch nun einmal nicht mehr lieb; Ponce liebe ich mit Schmerz, und alles, was er tut ich werde es belohnen, das ist der Liebe Wesen und ihr Sieg. Euch liebte ich nie – auch wird es Euch reuen, Porporino zum Feinde zu haben. Wißt, er ist wieder hier.

AQUILAR.

Wieder hier? Desto besser, so ist er noch nicht zum Helden geworden. Doch ich komme dir nicht zur guten Stunde, Ponce hat mich eigentlich nicht geschickt, denn er tut nichts eigentlich; aber sieh, er hat sich in Isidora, Felix' Schwester, verliebt, und in ein Brustbild. Ich kam, um dich zu trösten, und wenn er dich nicht liebt – dich um einen Kuß zu bitten – Er umfaßt sie.

[171]
VALERIA.
Laß mich, Ritter; ist dies mein Ruf?Wehrt sich. Arme Valeria, armer Porporino!
AQUILAR.
Aus Ruf wird bald Beruf. Sie sträubt sich stets.
6. Auftritt
Sechster Auftritt
Vorige, Porporino in Uniform und Degen.
Aquilar läßt sie, sie steht beschämt.

AQUILAR.
Ei, Held! schon hier?
PORPORINO
laut, in des Theaters Mitte.

So wollt ich dann zum erstenmal, daß er kein Lügner wäre! Sankt Georg! laß dieses Mal so wahr ihn sein, als er ein wahrer Schelm ist – ein Held sei ich, der Drache er, o Heldentum! o Tapferkeit! o Rache! o Myrte werde Lorbeer mir! Er zog den langen Degen am Ende der feierlichen Rede mit Pathos, dreht sich plötzlich nach Aquilar, und will nach ihm stechen; dieser aber ist während der Rede schon weg. Desto besser für uns beide – Legt den Degen hin, wendet sich zu Valeria, die traurig und verlegen stand; als sich Porporino zu ihr wendet, sieht sie ihn mitleidig und traulich an. Liebe Valeria, du bist zu gut, ich kann das nicht verlangen. Meine Liebe, die habe ich, meine Eifersucht, die gabst du mir; daß du mir diese aber noch variieren willst nein – ich bitte dich – opfre dich nicht auf!

VALERIA.

Ach, Porporino, ich verdiene deinen Spott nicht, wenn du auch glaubst, ich liebte dich nicht mehr. Aquilar war ungezogen – ich hasse ihn – lasse mich nicht fühlen, wie es mit mir steht.

PORPORINO.

Nun, sieh nur, ich kann dich nicht weinen sehen, das kann Ponce wohl. Aber gieb mir die Hand, ich will dich um etwas bitten.

VALERIA.
Was willst du, guter Porporino?
PORPORINO.
Du kannst mich nicht lieben – nicht wahr?
VALERIA.
Ich liebe dich jetzt nicht.
PORPORINO.
Ach – jetzt nicht – und Ponce? Liebt dich Ponce?
VALERIA.
Vielleicht nicht mehr.
PORPORINO.

Er liebte dich nie. Nun sind wir beide übel daran – wollen unser Unglück teilen und uns zu helfen suchen. Und wer dem andern hilft, der ist recht gut.

[172]
VALERIA.
Wie können wir uns aber helfen, wunderlicher Mensch?
PORPORINO.

Sieh, ich will mich bemühen, dir Ponces Liebe zu gewinnen, ich will ihm Gutes von dir erzählen; sprich du Gutes von mir bei dir, liebe Valeria.

VALERIA.
Du bist sehr gut.
PORPORINO.
Du hast es bequemer, du wirst siegen; willst du mir wohl einen Kuß dafür geben?
VALERIA.
Wenn mir Ponce auch einen gäbe, so aber darf ich nicht.
PORPORINO.
Tue es immerhin, es freuet mich sehr.
VALERIA.
Aber halte Wort – Er küßt sie. Höre auf, du kannst es sonst nicht einbringen.
PORPORINO.

Ich wollte, ich könnte so lange Kuß halten, daß ich nicht mehr Wort halten könnte, das heißt ewig, denn alsdann wäre Ponce gestorben, wenn ich käme, ihn zu bewegen, daß er dich liebe.

VALERIA.
Wo hast du dann den Degen und den Federbusch her? Du siehst ja ganz anders aus.
PORPORINO.
Alles von einem Kriegsmann erbeutet, der nicht mehr existiert.
VALERIA.
Du hast ihn doch nicht umgebracht?
PORPORINO.

Nein, er hat abgedankt. Es ist der Ritter, der gestern maskiert hier war. Er ist der Mann, der mich bis jetzt erhielt, er hat mich hierher gebracht, hier ins Haus zu dir nun bin ich sein treuer Waffengeselle – gefalle ich dir so besser?

VALERIA.
Das nicht, aber es steht dir gut, und ich freue mich über deine Freude.
PORPORINO.
Freude? ach wie bist du irre! Freude macht mir nichts, wenn du mich nicht liebst.
VALERIA.
Wenn Ponce nicht wäre, so wollte ich dich lieben.
PORPORINO
abgehend.
Lebe wohl! So gehe ich, ihn umzubringen.
VALERIA.
Dann bringst du mich um ihn. – Ei, das ist unserm Vertrage nicht gemäß.
PORPORINO.
Das ist eben das Unverträgliche in diesem Vertrage.
[173]
VALERIA.

Höre, ich sage mir immer, Porporino ist treu, gut, schön und klug, warum liebst du ihn nicht? Sage das auch Ponce von mir.

PORPORINO.
Ja, aber Gott weiß, es ist hart.
7. Auftritt
Siebenter Auftritt
[Vorige, Sarmiento.]

SARMIENTO.
Wenn ihr wüßtet, wie ihr so hübsch zusammen ausseht, ihr bliebt immer zusammen, Kinder.
PORPORINO.
Hörst du, Valeria?
VALERIA.
Was Fremde von dir loben, ist außer dem Vertrage; ich will es schon selbst tun.
SARMIENTO.
Zu Hause liegen drei Briefe, Porporino – schließe und besorge sie.
PORPORINO.

Lebe wohl, Valeria – ich wünschte der Schatten von Ponce zu sein, um immer neben ihm zu stehen und dich zu loben; doch ich bin ja sein Schatten, denn er steht mir im Lichte.

SARMIENTO.

Du hast wohl allein den langen Degen gewählt, damit er doch etwas an dir – nicht in den Schatten stellen kann.

PORPORINO.

Ich danke Euch für Euren Glauben; denn verdunkelt er gleich mein Herz, meinen Degen wird er nie verdunkeln; sein Herz müßte dann meinen Degen unsichtbar machen, wie er mein Herz Valerien verhüllte. Ab.

8. Auftritt
Achter Auftritt
Vorige ohne Porporino.

SARMIENTO.

Wie die Liebe ihn entflammt, Valeria. O! solche frohe Seelen steigen am höchsten in ihr. Alles kannst du aus diesem Jungen machen.

VALERIA.

Es ist nicht gut, wenn Ihr seine Liebe nährt, denn nur Treue ist solcher Menschen Sieg, die nicht glänzen.

SARMIENTO.
Ponce glänzt noch nicht – Treue wird sein Sieg nicht sein.
[174]
VALERIA.
Doch meine Treue wird ihn siegen machen.
SARMIENTO.
Um dich –
VALERIA.
Um seine Liebe –
9. Auftritt
Neunter Auftritt
Valerio und die Vorigen.

VALERIO.

Mädchen, Mädchen, stehe nicht so da, du versteinerst ganz. Sonst machte die Liebe Steine weich, aber jetzt ist es umgekehrt. – Gott weiß, wo das hinaus will; wir werden, um diese Liebe loszuwerden, verhungern müssen. Gehe, liebe Valeria, und treibe etwas, oder ich treibe dich. –

VALERIA
sieht ihn freundlich an und singt – und tanzt.
O süßer Liebesschmerz!
Du tötest wie Sirene mit Gesang,
Erquickst und brichst mein Herz –
Und machst mit süßer Lust mir angst und bang.
Dein Ringen, Umschlingen, Umfassen,
Dein Drücken, Entzücken, Erblassen
Soll, wird je mein Herzelein flott,
Mich nimmer berücken, umstricken, bei Gott! –

Geht zierlich winkend, tändelnd ab.
10. Auftritt
Zehnter Auftritt
Vorige ohne Valeria.

VALERIO
der ihr freundlich zusah.

Ja, singe nur, Sirenchen! Wenn das Wesen singt, ist alle meine Autorität hin, ganz wie die Mutter – das weiß sie nun. Aber es ist doch Jammer und Schade, Ritter, um das Kind. Wenn so ein armer Teufel einen Engel besitzt, hat er gleich die ganze Hölle auf dem Halse. Die neue Zucht ist Unzucht.

SARMIENTO.
Wenigstens Ungezogen, und das liegt an uns. Aber wir wollen anfangen – Ponce soll weg.
VALERIO.
Habt Ihr aus Flandern ein Mittel mitgebracht, Tintenflecke wegzubringen?
SARMIENTO
scherzend.
Ja, denn du sollst auch weg.
[175]
VALERIO.
Mit Euch und meinem Kinde, zu jeder Stunde.
SARMIENTO.

Ich habe einen Plan gemacht, Valerien und Ponce und Porporino zu helfen, und Aquilar zu strafen, und meine Töchter auf die Probe zu stellen; alles zugleich, wenn du hilfst, und dann noch Hochzeiten.

VALERIO.
Gerne – sprecht, das wäre auf einen Zug ein reicher Fang.
SARMIENTO.

Sieh, Ponce gefällt mir, wenn eine herrschende Königin in sein anarchisches Gemüt käme, könnte er viel werden. Er ist der beste von allen; er ist doch melancholisch.

VALERIO.

Ja, er fühlt sich noch selbst. Wer soll aber Herrscher in ihm werden, und wie werden wir die arme Valeria, die emigrierte Prätendentin, trösten?

SARMIENTO.

Sie haftet mehr an ihrer Liebe als an Ponce, und siehet sie ihn ernstlich lieben, so wird sie mit Porporino glücklich sein; denn wenn Ponce ernstlich liebt, so wird er ein anderer. – Mein Plan nun ist der: Ponce liebt meine Tochter Isidora, die er nur durch Felix kennt, und Felix sagte mir, auch Isidora sei ihm geneigt. – Wie wäre es, wenn du und Porporino ihn und Aquilar auf meinem Gute empfinget und sie beide ein bißchen quältet.

VALERIO.

Das wäre ganz gut; aber wo soll Valeria bleiben? Auch ist Eure Schwester Juanna alt und streng, und wird die Ritter nicht einlassen, und die Ritter werden mich und Porporino kennen.

SARMIENTO.

Dafür ist gesorgt. Ich habe meiner Schwester Juanna einen Brief aus Flandern datiert geschickt, der sie nach Valladolid ruft, die Erbschaft meines verstorbenen Vetters zu betreiben; meine andere Schwester, die von allem unterrichtet ist, wird gleich die Aufsicht bei den Mädchen über nehmen; Porporino, als Arzt verkleidet, wird sie hinbringen und dich, den ich von nun an auf ewig zu meinem Hausmeister auf dem Gute ernenne, werden sie gar nicht zu sehen bekommen, du mußt ihnen aus dem Wege gehen.

VALERIO.
Das liegt mir schon von selbst in der Natur; aber Valeria, wo soll sie bleiben?
SARMIENTO.
Dein Mädchen wird zwei Tage allein sein, dann kann sie Porporino holen; aber du mußt heute noch hin.
[176]
VALERIO.
Heute noch?
SARMIENTO.
Je früher, je schneller ist es vorüber; packe das Nötigste zusammen.
VALERIO.

Da müßte ich Valerien einpacken; doch auf Euer Wort, verstehe ich die Sache zwar nicht ganz, glaube ich blind.

SARMIENTO.
Sage es Valerien, und rüste dich.
11. Auftritt
Eilfter Auftritt
Vorige, Porporino.

PORPORINO.

Ritter, Ponce bittet Euch, zu ihm zu kommen; Aquilar hat es zweimal sagen lassen; ich hoffe, mein Nebenbuhler liegt in den letzten Zügen. Die Briefe sind besorgt. Valerio ab.

SARMIENTO.
Gut, ich gehe gleich hin. Höre, Porporino, ich werde dich als Doktor brauchen.
PORPORINO.
Ich stehe zu Diensten, wenn Euer Leib es aushalten kann.
SARMIENTO.

Nein, es ist Maskerade, du sollst eine Schwester von mir nach meinem Gute begleiten als Arzt; Ponce und Aquilar werden sich vermutlich hinschleichen; Ponce ist in meine Tochter verliebt, Valerio geht heute schon hin als Hausmeister. Ihr sollt die Herren dort empfangen und sie für ihren Mutwillen etwas quälen.

PORPORINO.
Gut, aber Valeria?
SARMIENTO.

In zwei Tagen holst du sie auch hin, und versuchst dein Glück weiter. Gehe, suche dir eine recht verstellende Maske, eine Perücke besonders, die dich bedeckt.

PORPORINO.

Und einen Ring werde ich an den Finger stecken, so groß, daß jeder Kranke seinen Grabstein wird zu sehen glauben.

SARMIENTO.

Ich gehe jetzt zu Ponce, um ihn zu stimmen; nachher treffe mich wieder, daß ich meinen Auftrag vollende. Ab.

[177]
12. Auftritt
Zwölfter Auftritt
PORPORINO.

Fürchterlicher kann ich nicht gegen meinen Nebenbuhler zu Felde ziehen denn als Arzt. Eulen Doktor soll ich vorstellen? und bin so unheilbar krank. Ihr Kuß hat mir allen Mut genommen. O Abschied, gieb mir alle deine Rührung, damit ich sie rühre. Valeria! Ruft in die Szene.

VALERIA
guckt zur Türe herein.
Ja du, ich glaubte, du wärst Ponce – Läuft fort.
PORPORINO.
So bleibe doch, ich verreise ja, ich will ja Abschied nehmen. – Läuft nach.
13. Auftritt
Dreizehnter Auftritt
Ponces Stube.

PONCE
legt einen Brief zusammen.

An dem alten zahnlosen General hat sich der Tod keinen Zahn ausgebissen. So wäre ich dann der letzte Ponce, und so verliebt als je ein Zweiglein an dem großen Stamme, und doch vielleicht erstirbt er mit mir. Ich stecke zwischen zwei Leidenschaften, wie mein Schattenriß zwischen den zwei Klingen einer Schere. Der Gedanke ist gut: wenn die zwei Klingen zusammenklappten, so wäre es nur eine Schere, und dann eine Scheide dazu, so ist das Instrument tragbar, und verwundet nicht.

14. Auftritt
Vierzehnter Auftritt
Ponce, Sarmiento, Aquilar.

AQUILAR.
Ich fand ihn schon auf dem Wege.
PONCE.

Wir plagen Euch sehr, Ritter. Ich wollte mit Euch von meiner Liebe sprechen, aber Ihr kommt zu früh, ich schickte meine Diener nach der Dame, die das Brustbild trug, um zu fragen, wen es vorstelle.

SARMIENTO.
Habt Ihr nur eine Liebe?
PONCE.

Leider sitze ich zwischen zwei Feuern, ganz in der Lage eines gut bratenden Kramsvogels, nur einen Spieß im Herzen, und zwei Feuer um mich – man mag mich drehen und wenden, ich brate immer.

[178]
AQUILAR.
So hast du doch endlich Hoffnung, genießbar zu werden.
SARMIENTO.
Seid Ihr das alles nicht bald müde?
PONCE.

O wie müde! Die Juden sind die Inquisition nicht so müde. Ihr wißt gar nicht, wie mir ist; ich bin so zerstreut, daß ich vergesse, mir die ganze Sache aus dem Kopfe zu schlagen, und das Nötigste versäume. Er klingelt.

EIN DIENER.
Was befehlt Ihr?
PONCE.
Der Maler, kömmt er? und der Schneider?
DIENER.

Ich fragte, wie Ihr sagtet, bei Valerio nach einem Maler; er will einem schicken, und auch ein Schneider will kommen. Ab.

AQUILAR.
Was willst du denn mit Maler und Schneider?
PONCE.
Ich bin der letzte Ponce, der alte General ist gestorben, und ich muß trauren.
AQUILAR.

Das wäre der Schneider. Aber der Maler? Willst du deine Geliebte malen lassen, die du nicht kennst, wie du dir Trauer machen läßt, die du nicht trauerst?

PONCE.
Beides, beides.
AQUILAR.
Du bist so ungeduldig –
PONCE.
Ich bins, denn ich erwarte alles, und habe nichts. Ein Diener tritt ein.
PONCE.

Nun, Kerl, wärst du nicht so lange ausgeblieben, daß ich keine Zeit mehr habe, dich zu prügeln, ich täte es.

DIENER.

Ich wünsche Euch Glück, Ritter, zum Tode Eures Ohms, Ihr erbt ihn, denkt Eurer Diener, wenn sie Euch tot ärgern sollten – Giebt ihm ein Billet – und geht ab.

PONCE.

Nun entscheidet sich es. Bricht auf – liest mitten in der Stube. Stellt Euch um mich, wenn ich in Ohnmacht fallen sollte. Liest: Das Bild, das ich gestern trug, Ritter, ist das Bild – meiner FreundinMit immer steigendem Affekt. I-si-do-ra – von – Sarmiento – Isidora von Sarmiento – Isidora von Sarmiento.

AQUILAR.
Isidora von Sarmiento – Nicht verwundernd, nur nachbetend.
SARMIENTO.
Isidora von Sarmiento – Ebenso. Nun?
PONCE.

Weh! Weh! Weh! die Schere geht zu, es klappt zusammen; ihr hört es, Leute? Zwei Weiber quälten Ponce, [179] nun sind sie vereinigt! Geschwinde her, ihr Menschen, das Leben hat ein anderes Gesicht bekommen, ich kann Euch alle küssen. Er umarmt sie.

AQUILAR.
Herzlich wünsche ich Glück; nun schlage dich durch!
SARMIENTO.
Nun stört Euch nichts mehr, lauft dem Strahle nach, und setzt Euch zur Ruhe.
PONCE
immer bewegt.

Grad ausgestreckt schläft sie, mit dem holden Angesicht, und träumt? O! ist dies Glück ein Traum von ihr, den meine Liebe träumt? Ich finde mich nicht. So schmerzlich war mir das Gestirn der Zwillinge, so freundlich geht mir nun die Jungfrau auf.

SARMIENTO.
Ihr seid nun ganz genesen. Handelt, und lebt wohl! Morgen führt mein Weg mich nach Flandern zurück.
PONCE.

Ihr wollt gehn? Ihr sollt nicht gehn. In Eurer Gegenwart hat sich mein verwirrtes Leben entsponnen, nun sollt Ihr bleiben, mir raten.

AQUILAR.
Wenn Ihr könnt, so bleibt, und laßt uns lustig sein. Es war seither eine dumme Zeit.
PONCE.
Und seit Ihr hier seid, ward die Zeit klug.
SARMIENTO.
Ich reise morgen mit Porporino zur Armee.
PONCE.
Mit Porporino!
SARMIENTO.
Es wird Euch lieb sein, wenn er weg kömmt.
PONCE.
Lieb? Nein – sehr leid – Valeria!
AQUILAR.
Wie fällt dir die jetzt ein?
PONCE.

Valeria liebt mich sehr; ich glaubte, Porporino könnte sie trösten – nun wird das arme Mädchen ganz verlassen. Es ist, als sei ich ganz verändert.

SARMIENTO.

Schmerzt Euch unglückliche Liebe, so verdient Ihr der Liebe Glück. Doch habe ich auch hieran gedacht. Ich glaube, wenn Porporino zurückkehrt, und mit Ruhm, so wird Valeria neuen Reiz in ihm finden.

PONCE.

Gut – ja – aber ratet mir. Ich weiß nicht, wie ich solange an Porporino denken konnte; ratet, wie soll ich zu den Mädchen kommen, die so enge eingesperrt sind.

SARMIENTO.
Ich besuche Euch heute noch einmal. Bis dahin will ich mich besinnen, lebt wohl! Ab.
[180]
15. Auftritt
Funfzehnter Auftritt
Aquilar, Ponce.

PONCE.

Besinnen – das ist dumm. Das Alter bleibt immer langweilig in Liebessachen. – Es ist ein böser Fall – die Mädchen, sagte Felix, sind wie die Nonnen eingesperrt – gieb Rat, rühre dich, Aquilar!

AQUILAR.
Deine Leidenschaft ist so ungeraten, daß sie unberaten bleiben wird. Warte doch, bis Felix kommt.
PONCE.

Warten soll ich? ich? der nichts erwarten kann? O nimm dir neunzehn Gesellen, daß deiner zwanzig auf ein Lot gehn, du Freund in der Not! Warten? Mein ganzes Leben war ein Warten hierauf – und ich will nicht länger warten.

AQUILAR.
So gehe hin!
PONCE.

Höre, wenn ich das Schloß ansteckte in der Nacht, und an ihr Bett hinschlich' und sie in der Verwirrung wegtrüge. An ihr Bett – grad ausgestreckt liegt sie, und träumt so gern, und sinnt auf Gespräche für ihren künftigen Gatten.

AQUILAR.

So holden Traum willst du stören, die Gespräche stören, die sie für dich ersinnt, deines besten Freundes Gut willst du anstecken? Du bist ein Narr.

PONCE.

Die Liebe soll ihre Narren haben. Aber ich wollte wohl als Gatte auf ihre Gespräche Verzicht tun und das verbrannte Gut als Mitgift annehmen.

AQUILAR.

Mitgift! denkst du in der Liebe an die Mitgift, so giebst du der Liebe Gift; komme in die freie Luft!

PONCE.

Gern – ich will doch sehen, wie Ponce nun Atem schöpft, da er liebt. Aber nach Osten laß uns gehen, dort hinaus liegt das Gut. Beide ab.

16. Auftritt
Sechszehnter Auftritt
Valerios Wohnung.

VALERIO
tritt ein.

Ich bin wie ein kleines Kind, das gern alles bietet, wenn es bitten hört, aber das Geben will es nicht begreifen; ich möchte weinen, wenn ich denke, daß ich heute [181] noch das Haus verlassen soll, es ist ganz mit mir zusammengewachsen, und [ich] werde gar nichts zu sagen wissen in einem fremden Hause.

17. Auftritt
Siebenzehnter Auftritt
VALERIA.

Ihr seid so unruhig, Vater; was fehlt Euch nur? Ihr gingt so überall herum; sucht Ihr etwas? Sagt mirs doch. Wenn Ihr nicht ruht, kann auch ich nicht zufrieden sein.

VALERIO.
Du gutes Kind, du hast sonst immer mein Glück gemacht, aber nun –
VALERIA.

O sprecht nicht von meiner Liebe, Vater, laßt mir das allein, sie ein Geheimnis sein vor Euch, da sie nicht fröhlich ist. Soll ich Euch etwas vorlesen? Kommt, setzt Euch in Euren Stuhl. Sie rückt ihm den Lehnstuhl vor.

VALERIO.
Auch diesen treuen Sorgenteiler, auch diesen – Setzt sich.
VALERIA.
Ihr sprecht so beweglich, Vater, und so geheim, verbergt mir nichts.
VALERIO.
Komme her, mein Kind, setze dich zu mir.
VALERIA
setzt sich auf seinen Schoß.
Nun, Väterchen, sprich.
VALERIO.

Sieh, in den langen Abenden, bald nach der Mutter Tod, da Porporino noch so einig mit dir war, hatte ich dich oft so auf dem Schoße, und du sangst mir Lieder von der Mutter, oder erzähltest, was du nur wußtest von ihr; da war ich sehr zufrieden und ruhig, du warst immer mein Glück allein.

VALERIA.

Das wird wohl wiederkommen, laßt nur meinem Herzen den Frieden kehren, und ich kann ja wohl noch jetzt singen.


Ich wollt ein Sträußlein binden,
Da kam die dunkle Nacht,
Kein Blümlein war zu finden,
Sonst hätt ich dirs gebracht.

Da flossen von den Wangen
Mir Tränen in den Klee,
Ein Blümlein aufgegangen
Ich nun im Garten seh.

[182] Das wollte ich dir brechen
Wohl in dem dunklen Klee,
Doch fing es an zu sprechen:
»Ach tue mir nicht weh!

Sei freundlich in dem Herzen,
Betracht dein eigen Leid,
Und lasse mich in Schmerzen
Nicht sterben vor der Zeit.«

Und hätts nicht so gesprochen,
Im Garten ganz allein,
So hätt ich dirs gebrochen,
Nun aber darfs nicht sein.

Mein Schatz ist ausgeblieben,
Ich bin so ganz allein.
Im Lieben wohnt Betrüben,
Und kann nicht anders sein.
VALERIO.
Das ist nun noch schlimmer, das höre ich nun morgen nicht wieder.
VALERIA.

Ei, warum nicht? Ich singe dirs morgen wieder. Was fehlt Euch, nur, warum sagt Ihr immer: »Du warst sonst mein Glück allein« – kann ich es dann nicht mehr sein?

VALERIO.

Sonst machtest du mein Glück allein, und ich bin traurig, weil ich es nun auch gemacht habe. Ich bin Hausmeister auf dem Gute Sarmientos geworden, und habe nun auf immer und ewig genug. Heute muß ich schon hin und kann dich nicht gleich mitnehmen.

VALERIA.

Ich freue mich über Euer Glück, aber ich wäre es doch lieber allein geblieben. Hier sollt Ihr weg? wir sollen hier weg – Vater, können wir nicht bleiben – und ich soll Euch erst nachkommen – jetzt allein sein – wann soll ich Euch dann nachkommen?

VALERIO.

Porporino wird dich holen, in zwei Tagen, aber hilf nur einpacken, – komme, Mädchen – es ist ja unser Glück.

VALERIA.
Ich weiß nicht – unser Glück, wohnt es nicht hier?
[183]
VALERIO.

Nein, Kind – und sieh, es ist auch besser für dich, der Ponce hat dich so ins Gerede gebracht; komme!

VALERIA.
Ich weiß nicht, wie mir ist, Vater, daß wir hier weg sollen.
VALERIO.
Im Lieben steckt Betrüben,
Und kann nicht anders sein.

So komme dann, und hilf mir; den leeren Koffer hereintragen, er steht schon vor der Türe. Beide ab, holen den Koffer.

VALERIO.

Ich glaubte, für mich hätte alles Einpacken ein Ende, und ich hätte keines mehr zu erwarten, als bis mein Eignes eingepackt werde in den engsten Koffer auf ewig. Nun habe ich überlegt, Valeria, was ich mitnehme; vor allem alle Erinnerungsstückchen, also meine Brautkleider, die Hemden, die mir die Mutter nähte, und die Halskrausen von dir, und so fort, denn ich will dort gleichsam niemals dort, sondern immer in diesen Hemden, Halskrausen sein, um das Heimweh nicht zu bekommen; und du, liebes Kind, behalte alles, was sonst da ist, die Sachen deiner Mutter schenke ich dir nun alle, und um dich zu zerstreuen, kannst du manchmal die alten Palatine und Hauben aufsetzen und in der Stube herumspazieren, vielleicht amüsiert dich das.

VALERIA.
Ach, Vater, seid nicht so freundlich, das macht mich immer trauriger; kommt! Beide ab.
18. Auftritt
Achtzehnter Auftritt
Porporino tritt ein, hat einen großen Rock auf dem Arme, legt ihn hin; der offne Koffer steht in der Mitte.

PORPORINO.

Nun will ich mich geschwind zum Maler machen, Ponce hat einen bestellt, er will sicher eine andere arme Seele malen lassen, die im Fegefeuer seiner Liebe brennt, den Schneiderjungen mache ich auch – Parodierend. »Hu, mein Herr, was haben sie vor feine Beine, die sind von der ganz feinen Sorte, alle hochgebornen Herrn haben solche, ich meine die Störche, wie soll ich dann das Maß nehmen?« – Dabei kann ich ein Wörtchen für Valerien fallen lassen; ich könnte es nimmer, wenn ich ihn nicht zugleich anführte. [184] Während der letzten Rede zog er seinen Wams aus, legt den Degen ab, den er erst entblößte und betrachtete; da er sich verkleiden will, hört er jemand. Teufel, das ist mir nicht recht, warte! Er steigt in den Koffer, macht den Deckel zu.

19. Auftritt
Neunzehnter Auftritt
VALERIA
mit Wäsche auf dem Arm und einem Korb, den sie hereinzieht, in welchem auch Gerät liegt.

Er klagte immer, ich arbeite nicht mehr; er soll sich wundern, wenn er die vielen neuen Krausen und feinen Ärmel sieht. Nun soll ich ganz weg, und werde Ponce nicht einmal mehr sehen. Ja, da liegt ein bloßer Degen, und ein Kleid, das gehört Porporino. Was soll das? – Seit ich so verlassen bin, kann ich gar nichts Gutes mehr vermuten.Macht den Koffer auf, Porporino liegt still. Herr Jesus! – Porporino, was machst du denn? Hast du mich nicht erschreckt – Porporino, ich bitte dich – höre auf – Jesus! Porporino – bist du tot? O du Gott! was ist das für eine Welt!

PORPORINO.

Ja, deswegen stieg ich auch in den Koffer! Komme, verlasse die böse Welt, komme zu mir in den guten Koffer!

VALERIA.
Gehe, du bist ein dummer Mensch.
PORPORINO.
Ein rechter plumper Erdenkloß; erschaffe mich!
VALERIA.
Ich habe nichts mit dir zu schaffen; geschwinde aus dem Koffer!
PORPORINO.
Ich kann aber nicht heraus, bis du mich geküßt hast.
VALERIA
kniet an den Koffer, küßt ihn.
Nun her aus! Er steigt heraus.
PORPORINO.

Nun ist Adam erschaffen, aber er ist so allein, – o steige aus meiner Seite, Eva – o Valeria, wie hab ich dich im Herzen! Wenn ich dich so in den Armen hätte, dann wäre das Männlein und Fräulein erschaffen.

VALERIA.

Sei artig! Bleibt knien und fängt an zu packen. So fährt sie bis ans Ende fort, indem sie sich dann und wann in die Knie setzt, und aufhört, wenn das Gespräch für sie berührender ist. Was soll das aber bedeuten, daß du dich entkleidest?

PORPORINO.

Ich wollte mich verkleiden, Ponce hat einen Maler bestellt. Du weißt, ich kann ein wenig malen, er will ein Frauenzimmer gemalt haben.

[185]
VALERIA.
Ja! weißt du nicht wen?
PORPORINO.

Nein, das will ich eben herauskriegen, um es dir zu sagen; und dann hat er auch einen Schneider rufen lassen, um sich Kleider machen zu lassen, und sieh, das sind vielleicht Hochzeitskleider. Er setzt sich auf die Erde zu ihr.

VALERIA.
Für wen die wohl sind? Wie wirst du das erfahren, Lieber?
PORPORINO.

Dem Schneider habe ich einen Real gegeben, daß er sich eine Kanne Wein messen läßt, während ich dem Ponce die Kleider messe. Ich habe schon alles in der Ordnung, da will ich ihm dann immer von dir erzählen.

VALERIA.
Aber hüte dich, so zu sprechen, daß er glaube, ich habe eine Liebschaft mit dem Schneiderjungen.
PORPORINO.
Du weißt doch, daß ich morgen fortgehe, Valeria?
VALERIA.
Ja, ich bleibe ganz allein hier, das tut mir sehr leid! Wo gehst du dann hin?
PORPORINO.
Ich darf es nicht sagen.
VALERIA.
Du traust mir nicht mehr; habe ich dir jemals etwas ausgeschwätzt?
PORPORINO.
Nein, denn ich vertraute dir nichts, als daß ich dich liebe, und davon sprachst du leider nie.
VALERIA.

Lieber Porporino, ich liebe dich seit ein paar Tagen doch ein bißchen mehr; sage mirs doch – was sollen alle die Anstalten?

PORPORINO.
Die sind alle wegen Ponce.
VALERIA.
Wegen Ponce? Man will ihm doch nichts zuleide tun?
PORPORINO.

Nein, er ist in Isidora verliebt, und wird mit Aquilar nach dem Gute hingehen, und da wird man ihn dort empfangen und acht geben, daß er keine dumme Streiche macht, denn der fremde Ritter, mein Freund –

VALERIA
schmeichelt ihm.
Wer ist denn der fremde Ritter eigentlich?
PORPORINO.
Sarmiento – nun ist es heraus – nun weißt du alles.
VALERIA.
Sarmiento?
PORPORINO
springt auf.

Ich habe alles ausgeschwatzt, und will fort – aber versüße mir doch die Sünde. Valeria reicht ihm die Wange. Das war der Sündenfall – und dies ist die Flucht aus dem Paradiese. Nimmt seine Sachen, und geht ab.

[186]
VALERIA.

So muß ich denn das Meine allein tun – ich armer Schelm, das dreht sich alles um mich und ich bin allein vergessen. Singt.


Alle Schmerzen fassen,
Alle Freuden meiden,
Alle Hoffnung lassen,
Soll ein liebend Herz voll Leiden.

Ab.
20. Auftritt
Zwanzigster Auftritt
Ponces Wohnung.
Ponce tritt auf, gleich darauf Aquilar.

PONCE.

Die Sache geht herrlich, der Fremde ist ein Trost aller Verliebten, ein Schrecken aller Tanten und Vormünder.

AQUILAR
eintretend.
Es wird ein vollkommner Spaß werden.
PONCE.
Du gehst also gewiß mit?
AQUILAR.
Ja – aber den Verwundeten kann ich nicht spielen.
PONCE.

Das mußt du doch, weil mich die Liebe schon verwundet hat, du nicht singen kannst und wir kanten vorstellen.

AQUILAR.

Ich bin aber gesund wie ein Fisch – könnten wir dann nicht ohne Wunde als Pilger in das Schloß kommen?

PONCE.

Ohne daß einer verwundet ist, wird uns nicht aufgemacht. Die Keuschheit fürchtet alles, und traut selbst der Krankheit nicht.

AQUILAR.
Nun, so sei es; ich gehe nach Haus und zeige an, daß wir nach Madrid reisen.
PONCE.
Vergiß nicht, dir Pilgerkleider machen zu lassen. Aquilar ab.
21. Auftritt
Einundzwanzigster Auftritt
Diener, Ponce.

DIENER.
Ein Maler und ein Schneider.
PONCE.
Den Schneider lasse hereintreten, den Maler brauche ich nicht.
DIENER.
Der Schneider will nicht ohne den Maler kommen, sie halten fest aneinander.
PONCE.
Ich kann beide aber nicht brauchen.
[187]
DIENER.
So könnt Ihr einen auch nicht brauchen, denn sie sind beide eine und dieselbe Person.
PONCE.

Lasse sie kommen, oder vielmehr ihn. Diener ab. An dem Hermaphroditen mag der Schneider wohl besser sein als der Maler.

22. Auftritt
Zweiundzwanzigster Auftritt
Porporino als Schneider und Maler zugleich. Die Perücke muß ihn besonders maskieren; er hat eine Staffelei unter dem Arm, aus der Tasche hängen ihm Maße, Nadel und Zwirn am Ärmel, Pinsel und Palette in der Hand; er muß etwas gelassen sprechen.

PONCE.

Ihr gefallt mir, Ihr habt entweder die Malerei auf die Schneiderei gepfropft, um diese zu veredeln, oder die Schneiderei auf die Malerei, weil Ihr in dieser nur Böcke machen könnt. Ihr seid ein Mann wie eine Gabel mit zwei Zinken, Ihr seid gut gespalten.

PORPORINO.

Die Künste werden immer weitschichtiger, wie die jetzigen Hosen, denn die neue Zeit füllt beide nicht aus, und die zwei Beine, Hosen- Beine, sind die wahre Dualität, aus der sie nicht heraus können, ohne die arme Blöße zu zeigen.

PONCE.
Wie kommt Ihr aber gerade zu dieser Vereinigung, malerischer Schneider?
PORPORINO.

Anfangs war ich nur ein Maler, ich bemerkte aber bald, daß die Menschen nach und nach zu Stöcken wurden, und legte mich auf die Schneiderkunst. Ihr glaubt nicht, Sennor, wie das hilft, das Eckige rund und das Platte gewölbt zu machen; der rundende Schatten ist heutzutage ganz in der Gewalt der Schneiderei, und da das Gefühl in den Fingerspitzen bei einem gefühlvollen Schneider ebenso nach dem Herzen strömt wie bei einem gefühlvollen Maler vom Herzen nach den Fingerspitzen, so habe ich durch meine Vereinigung eine doppelte Gefühlszirkulation in mir angelegt, und messe den Damen immer erst Schnürbrüste an, ehe ich ihnen Brüste male.

PONCE.

Ihr habt eine Zirkulation im Leibe wie ein Sparofen, – kann man Euch aber wohl ein Porträt diktieren?

[188]
PORPORINO.

Wollt Ihr ein bewegliches Kunstwerk, wie viele aus meiner Hand hier leben, täuschend wie Menschen aussehen, ja selbst in den angesehensten Häusern Liebe und Freundschaft und andere natürliche Empfindungen genießen; wollt Ihr ein solches Porträt von mir – so stellt Euch, oder irgend eine männliche oder weibliche Grundierung, und diktiert in die Schere.

PONCE.

Ihr seid boshaft; nein, ein Gemälde in den Pinsel; setzt Euch an die Staffelei, ich will sehen, was Euch einfällt.

PORPORINO
sitzt an der Staffelei; Ponce geht diktierend auf und ab.
Nun, in welchem Stile, Bübchen oder Mädchen?
PONCE.
Im maimonatlichen – feines, sanft gerundetes Köpfchen, meine Geliebte –
PORPORINO.
Gerundetes Köpfchen, Komma, meine Geliebte!
PONCE.
Kerne Interpunktion, und nicht deine Geliebte, meine!
PORPORINO.
Kein Schönpflästerchen?
PONCE.

Überhaupt keine Pflästerchen – zarte rote Wangen – Porporino wiederholt das folgende einzeln, und Ponce spricht wie ein Diktierender mit einem Schreibenden. kleiner Mund, etwas schwermütig – die Oberlippe etwas geschürzt, – halb schmollend, halb küssend – braune Augen – feucht glänzend, verliebt und fromm – schwarze Locken – etwas hoher, doch voller Hals.

PORPORINO.
Kitzliche Stelle –
PONCE
steigend.
Hoher – fester, runder – spröder, blendender, kleiner –
PORPORINO.
He, he, haltet, nicht so eilend, hier ist gut weilen, bös eilen.
PONCE.

– nachlässig verhüllter, reiner Busen. – O du, gerad ausgestreckt, auf der linken Seite, und träumst so gern!

PORPORINO.

Wie ich das malen soll? Da steht meine Kunst still; ein Porträt, gerad ausgestreckt, auf der linken Seite, träumend?

PONCE.
Das letzte gehörte nicht dazu.
PORPORINO.

Nun, so bin ich fertig; seht, ich wünsche Glück; Ihr liebt das holdeste, edelste, beste Mädchen der Welt.

PONCE
sieht zum Bilde.
Nein, dies ist sie nicht – doch – was ist das – dies Bild gleicht Valerien de Campaces.
[189]
PORPORINO.
Ich habe treu nachgeschrieben, Ihr habt so diktiert.
PONCE.

ES ist ein wunderlicher Zufall, doch Eure Schneiderei mag sicherer sein. Es ärgert mich, daß Ihr mir diese dahin maltet. – Messet mir Pilgerkleider an.

PORPORINO.

Ihr liebt wohl die Madonna von Montserrat, und wollt sie besuchen? – Aber Valeria ist und bleibt ein Mädchen wie keines in Sevilla. Nimmt die Maße.

PONCE.
Nur nicht zu weit!
PORPORINO.

Immer ein bißchen zu weit, sonst kömmt die Rundung nicht heraus. Mißt. – Es wundert mich, daß Ihr von Valerien ungern sprechen hört; sonst haßten sie die Ritter doch nicht.

PONCE.
Ihr seid sehr vermessen.
PORPORINO
immer im Messen.

Sorget nicht, Herr Ritter, mein Maß trifft zu, ich habe mich noch nie vermessen. – Sieht nach dem Maß. Richtig, gerade dieselbe Länge wie Herr Porporino, aber in der Weite, Auf seine Beine sehend. da seid Ihr etwas stark feiner gebaut – Porporino könnte sich mit Euch messen. Ihr kennt ihn wohl, er geht eben der Valeria nach, und nach dem Bilde zu urteilen, dürfte sie ein König lieben, ohne sich herabzulassen. Doch ein solches Mädchen zu verlassen, wäre wohl schändlich – erst die Ruhe und dann den Ruf genommen.

PONCE
zornig.
Ins Teufels Namen, Schneider, schweigt!
PORPORINO
erschreckend.
Nun, ich wollte Euch nur zerstreuen, daß alles leichter sitze.
PONCE.
Zerstreuen? Höllenbund, jede Ader treibst du mir auf.
PORPORINO.
Was fehlt Euch, soll ich Euren Diener rufen?
PONCE.
Ja! Porporino ab.
23. Auftritt
Dreiundzwanzigster Auftritt
PONCE
schließt die Türe ab, geht nach dem Bild.

Wie nur der Kerl das Bild herausbrachte – verdammt! er hat es nur heraus gewaschen. Das Porträt war nur mit schwarzer Wasserfarbe überzogen – du bist doch ein hübsches Mädchen – und es waren Tage, wo ich dich liebte – aber du wolltest keine Nacht für mich erschwingen, – es ist besser so – nie will ich [190] dir Rechenschaft über meine Untreue geben – ich müßte dein Teuerstes, deine Keuschheit, zu geringe anschlagen. Wie! die Unterschrift – Porporino pinxit – ei, du feiner Schelm! er rührt sich in der Liebe. Auch ich! auch ich! Vorhang fällt.

3. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt
Szene vor dem Landhause Sarmientos, eine Art Esplanate vor dem mit einem Tore versehenen Schloßhofe; ein Flügel des Schloßhofs so gebaut, daß Personen vom Fenster herab deutlich erscheinen und sprechen können. Es ist Nachmittag. Valeria als Negerin maskiert mit kurzem Haar, ein Bündelchen auf dem Rücken, ein Tamburin in der Hand, kömmt schüchtern und reisend vor dem Schlosse an; sie lehnt an einen Baum.

VALERIA.

Da bin ich nun, allein und müde – wenn sie mich nur annehmen! – Die Liebe ist närrisch mit mir gewesen. Ponce, Ponce; ich will lieben, was du liebst, und dir zeigen, daß ich lohnen kann, – wenn mich der Vater nur nicht erkennt!Sieht in ein kleines Spiegelchen. Ich gleiche mir nicht, die langen schwarzen Haare sind aufgeopfert, – was tut es? Porporino hätte sie doch nicht so schön geflochten als Ponce. Ich liebe mich mehr als sonst und bin doch häßlicher. – Ich will ein wenig singen, vielleicht hört mich jemand.


Wenn die Sonne weggegangen,
Kömmt die Dunkelheit heran,
Abendrot hat goldne Wangen,
Und die Nacht hat Trauer an.

Seit die Liebe weggegangen,
Bin ich nun ein Mohrenkind,
Und die roten, frohen Wangen
Dunkel und verloren sind.

Dunkelheit muß tief verschweigen
Alles Wehe, alle Lust,
[191] Aber Mond und Sterne zeigen,
Was ihr wohnet in der Brust.

Wenn die Lippen dir verschweigen
Meines Herzens stille Glut,
Müssen Blick und Tränen zeigen,
Wie die Liebe nimmer ruht.
VALERIO
in dem Hofe.
Ei, ein Singvögelchen!
VALERIA.
Das ist mein Vater. Versteckt sich.
2. Auftritt
Zweiter Auftritt
VALERIO.

ES ist mir hier wie einem einsamen Robinson, so ein Singvögelchen wäre mir gerade recht. He! wo bist du? Lockt pfeifend.

VALERIA.
Da bin ich –
VALERIO.
Ei, ein Rabe!
VALERIA.
Ist dein Herz von Gold, so will ichs stehlen!
VALERIO.
Ei, so sei artig, daß du schwarz werdest; wo kommst du dann her?
VALERIA.

Ich war bei einer Edelfrau, sie jagte mich weg, weil sie glaubte, ihr Geliebter wende sich zu mir. Nun suche ich einen andern Dienst. Ich zog in Sevilla abends durch die Straßen, und nährte mich mit Singen, aber die Ritter stellten mir nach. Da bin ich denn fortgelaufen bis hierher, und weiß nun nicht wohin.

VALERIO.

Du bist freilich schwarz genug, um eine Alletagsdame zu verdunkeln und sieh, die Nachstellungen, mußt du wissen, sind Nachtstellungen; die Nacht ist keines Menschen Freund. Vielleicht kannst du hier bleiben, du mußt dich aber noch ein paar Minuten verstecken. Es wird gleich ein Sarg herausgetragen werden und ein Totengräber hinterdrein gehen; wenn der fort ist, darfst du dich sehen lassen, schöne Trauer.

VALERIA.
Ist jemand gestorben?
VALERIO.

Nein, es ist eigentlich vielmehr eine alte Schachtel als ein Sarg, vielmehr eine alte Tante, die abreist, und vielmehr [192] ein Grobian, ein Totärgerer, als ein Totengräber, vielmehr ein grober Hausmeister, der sie begleitet; die werden nun bald fortgehen, dann bin ich mit zwei jungen Fräulein allein, und die nehmen dich wohl an. – Sieh, ich habe das Singen nötig, denn ich habe sonst täglich meine Tochter singen hören. Du mußt aber ihre Lieder von mir lernen. Nun verstecke dich, ich höre sie schon kommen. Valeria verbirgt sich. Es ist mir, als wäre ich in der Neuen Welt, auf einer Entdeckungsreise, da habe ich nun einen schwarzen Singevogel. Was abreist, sind Naturalien, die ich gleich nach Haus ins königliche Kabinett schicken muß, weil sie sich nicht lange halten. Wahrlich, die Tante ist schon sehr unscheinbar, und der Hausmeister kann sich auch nicht halten, denn er ist immer besoffen. Doch, das ist der Weingeist um das Präparat.

3. Auftritt
Dritter Auftritt
Donna Juanna, eine uralte Dame in der steifsten ältesten spanischen Tracht, wird von zwei Dienern auf einem Tragstuhle sitzend heraus getragen; Perez, der vorige Hausmeister, abenteuerlich gekleidet und bewaffnet, geht neben dem Tragstuhle, und hält einen großen Sonnenschirm über Juanna. Am Fenster erscheinen Melanie und Isidora, mit Schnupftüchern vor den Augen.

JUANNA
zu Valerio.

Kann Er sich nicht beugen? sind die Maultiere am Ende der Esplanate? hat Er einpacken lassen? ist der Tragsessel gewaschen? sind die Polster geschüttelt?

VALERIO
tief beugend.

Alles zu Euren Diensten von Eurem untertänigsten Diener. Ich stehe nur hier, um Eurer Herrlichkeit traurigstem Abscheiden mein unwürdiges Beileid zu bezeugen und dann die Tore zu schließen in diesem Hause der Trauer und Dunkelheit. Er beugt sich tief, stößt Perez, daß ihm das Parasol etwas über Juannas Augen niederfällt.

PEREZ.
Nun, Tölpel –
VALERIO.
Ihr seid wankelfüßig, der Regenschirm bezeugte nur seinen Beifall.
JUANNA.

Es ward mir soeben wieder ganz dunkel vor den Augen aus Traurigkeit. Perez, sind meine Niècen, wie schicklich, am Fenster, ihr Beileid zu bezeugen? Gebt mir [193] meine Trauerbrille und, Träger, wendet mich nach dem Schlosse!

PEREZ
zu Valerio.
Nun nehmt mir den Sonnenschirm ab, Tölpel. Er stolpert.
VALERIO.

Dankt Gott, daß Ihr über Euren eigenen Tölpel stolpertet, sonst wollte ich Euch die schiefen Beine gerade brechen. Seid Ihr schon so frühe besoffen?

JUANNA.
Besoffen, wer? Welche Ausdrücke!
PEREZ
zu Valerio.

Still, Freund, ich lasse dir den Kellerschlüssel! – Eure Herrlichkeit, er sagte nur, daß er den Maultieren habe zu saufen gegeben.Setzt ihr eine ziemliche Brille auf. Hier ist dero Herrlichkeit Brille – die tugendhaften Fräulein weinen schon lange.

JUANNA
hinaufsehend.

Mein Gott, Isidora, wie halten Sie sich wieder in der Gegenwart meiner Abwesenheit? Sie werden buckelig werden, ehe ich wiederkomme; und Melanie, wie fassen Sie das Schnupftuch – mit beiden Händen – ist das eine Traurigkeit von Stand, eine Kondolenz? Sie würden eine schlechte Rolle bei der Abreise einer Königin-Mutter spielen. So, das ist schicklicher – alles mit Sitte und Anstand. Haben Sie nicht vergessen, wie Sie die Stunden bis zur Ankunft der Schwester meines schätzbaren Vetters, ihres verehrungswürdigen Vaters, zubringen sollen?

ISIDORA UND MELANIE
verneigen sich.
Nein, Ihre Herrlichkeit.
JUANNA.
Nein? Schon so unhöflich, seit ich vor der Türe bin?
BEIDE
verneigen sich.
Sie verzeihen; nein, Ihre Herrlichkeit!
JUANNA.

So leben Sie wohl, und mäßigen Sie Ihre Trauer; gegen Abend können Sie sich derselben wieder etwas überlassen. Auch erinnere ich Sie nochmals, hochspanisch zu sprechen, denn respektable Gefühle sollen in respektablen Worten ausgedrückt werden, so will es die Moral. Sie wird leise links durch die Kulissen weggetragen.

MELANIE UND ISIDORA
verneigend und ein wenig die Hände ringend.
O! Sie Vortrefflichste verlassen uns – Ziehen sich zurück.
[194]
4. Auftritt
Vierter Auftritt
VALERIO.
He, Mohrenkind, freundliche gute Nacht! komme auf den schwülen Hundstag.
VALERIA.
Wollt Ihr mich nun hineinbringen, Freund?
VALERIO.
Rühre deine Musik, da werden sich die Fräulein sehen lassen.
VALERIA
rührt das Tamburin; Isidora und Melanie treten ans Fenster; für sich.
Ach! das ist sie, das ist Ponces Geliebte; o gerne trete ich zurück.
MELANIE.
Tanze, Mädchen!
ISIDORA.
Singe lieber, du scheinst müde von der Reise.
VALERIA
sie singt, begleitet sich mit dem Tamburin, schreitet dabei zierlich hin und wider, oder steht still, wie es die Pantomime des Wechselgesangs, den sie singt, erfordert.

Da sie in dem Duodrama des Liedes beide Personen spielt, so muß sie die vier ersten Zeilen jeder Abteilung etwas tiefer singen, denn sie sind der Gesang des Liebhabers, der sein Liebchen im Walde einsam träumend findet, die ihn nicht eher erkennt als im letzten Verse.

Was mag dich nur betrüben,

Daß du so traurig denkst?

Du mußt wohl Buße üben,

Weil du die Blicke senkst.


Wie durch die stillen Wiesen
Die Bächlein murmelnd gehn,
Die Blumen, die dran sprießen,
Wie die hinuntersehn,

So seh ich zu, so horch ich zu,
Bin freundlich mit ihnen auf du und du,
Und wollt, daß es mein Liebchen wär;
Ei, das begreifst du wohl nimmermehr.
ISIDORA.
Recht artig.
VALERIA.
Kommt doch ein wenig zu mir in den Sonnenschein.
MELANIE.
Isidore, gehe ein wenig mit, ich möchte mit dem Mädchen plaudern.
[195]
ISIDORA.

Ich wünschte wohl, aber ich weiß nicht, ob es sich schickt. Die Tante könnte uns vielleicht nicht gerne unten finden. Doch gehe du, ich will bleiben. – Melanie ab. – Singe fort, mein Kind!

VALERIA.
Was ist dir nur geschehen?
Daß du so ganz allein
Im dunkeln Wald magst gehen,
Du mußt wohl närrisch sein!

Wie grüne Büsche lauschen
Und Echo wiederklingt,
Was leis die Büsche rauschen
Und froh das Vöglein singt,

So horch ich zu, so ruf ich zu,
Bin freundlich mit ihnen auf du und du,
Und wollt, daß es mein Liebchen wär;
Ei, das begreifst du wohl nimmermehr.
5. Auftritt
Fünfter Auftritt
Melanie und die Vorigen.

MELANIE.
Woher des Landes, kleine Sängerin?
VALERIA.
Ich habe keine Herrschaft mehr, und biete Euch meine Dienste an; ich heiße Flammetta.
VALERIO.

Nehmt das Kind an, Fräulein, sie erquickt uns alle mit ihrem artigen Wesen. Eure Tante, ich kenne sie, ist eine gute Dame, und wird sich ihrer freuen.

VALERIA.
Ich kann singen und tanzen, auch nähen und sticken, und will Euch recht schön putzen.
ISIDORA.
Wenn du nur singst, so ists schon gut. Bleibe nur bei uns.
MELANIE.
Bleibe, Lohn können wir nicht geben, aber du kannst mit uns teilen.
ISIDORA.
Ja, du kannst alles teilen.
VALERIA
vor sich.
Ponce, Ponce.
MELANIE.
Tanze auch ein wenig, dann tanze ich mit.
[196]
VALERIA.
Gleich, ich singe mein Lied nur aus, am Ende gehört ohnedies der Tanz dazu.

Ich kann es wohl begreifen,
Sieh nicht so vor dich hin,
So wirst du wohl begreifen,
Daß ich dein Liebchen bin.

So laß uns tanzen, springen
Im kühlen, grünen Wald,
Die Töne laß erklingen,
Daß alles freudig schallt,

Tur, lu, tu, tu, tur, lu, tu, tu,
Wir leben und schweben auf du und du,
Und wenn es nicht mein Liebchen wär,
Ei, so begriff ichs wohl nimmermehr.

Melanie tanzt am Ende des Liedes mit ihr
ISIDORA.

Schön, recht schön, aber komme herauf, liebe Melanie, ich höre die Glocken von Maultieren, unsre Tante kömmt wohl. Zieht sich zurück.

MELANIE
geht nach dem Tor.
Je, da ist die Türe zugefahren; habt Ihr den Schlüssel, Hausmeister?
VALERIO.
Nein, er ist drinne.
MELANIE.
Isidora, Isidora, wirf mir den Schlüssel herunter!
ISIDORA
am Fenster.
Sie kömmt, ich sehe sie an dem Ende der Allee, ich suche den Schlüssel.
6. Auftritt
Sechster Auftritt
PORPORINO
als Arzt, sehr verstellt.
Hausmeister, geschwind, empfangt die Signora.

Isidora wirft den Schlüssel herunter, er fällt auf ihn. – Valerio ab.
VALERIA
vor sich.
Wie Porporino närrisch aussieht!
PORPORINO
zu Melanie.

Ei, bei solcher Luft, wo es Schlüssel regnet, vor dem Hause, mein Kind! Fühlt ihr den Puls. Der Puls geht sehr schnell, und er läuft gleichsam, Ihr werdet ihm nicht nachkommen können.

[197]
MELANIE.

Er mag gehen, wie er will, Herr Doktor, so geht er Euch doch nichts an. – Meine gespannte Erwartung, und weil ich über die geschloßne Türe erschrocken bin –

PORPORINO.
Ich nehme Euch für krank an – Geht zu Valerien, die in einem Winkelchen sitzt, und scherzt mit ihr.
7. Auftritt
Siebenter Auftritt
Valerio führt die Tante Isabella herein.

ISABELLA
umarmt Melanie.
Willkommen, Liebe!
MELANIE.
Verzeiht, mich hier zu treffen, ich wollte Euch entgegengehen.
ISABELLA.
Es freut mich, so konnte ich dich gleich küssen.
PORPORINO
zu Valerien.

Du kleine Hexe wirst sicher noch verbrannt. Ich sei ein schlechter Arzt, sagst du, und ein guter Mensch? Freilich ich bin heilloser verliebt als in der Heilkunde erfahren.

MELANIE.
Ihr seid sehr gütig, liebe Tante!
ISABELLA.
Wo ist deine Schwester, Liebe?
MELANIE.
Oben.
ISABELLA.
Oben? Geschwinde soll sie herunterkommen; sie fürchtet sich doch nicht vor mir?
MELANIE
ruft hinauf.
Isidore, Isidore, du sollst herabkommen!
ISIDORA
am Fenster, verneigt sich.
Ich freue mich sehr, liebe Tante!
ISABELLA.

Wenn du dich freust, so komme herunter, Kind! Isidora zurück. Aber was ist das für eine kleine Mohrin?

PORPORINO
führt Valerien hervor.

Eine von den Schwarzen; übrigens will ich sie nicht bei Euch anschwärzen, denn sie scheint so gut als schwarz.

VALERIA.
Man nahm mich soeben hier auf, ich bin ein armes Kind, ich habe keine Eltern mehr.
PORPORINO.
Sie ist ein kleiner Widerspruch, sie ist eine schwarze Waise.
ISABELLA.

Du gefällst mir; wenn du willst hübsch lustig sein und dich mit allen gut vertragen, so sei mir willkommen; aber sei wahr und aufrichtig!

[198]
VALERIA.
Ich will euch allen Freude machen und allen aufrichtig begegnen.
PORPORINO.
Ja, Farbe mußt du halten, bekennen oder trumpfen.
VALERIO.
Mache nur, daß sie dich nicht in den Skat legt.
PORPORINO.
Der Bube sticht den Kavalier nicht, Hausmeister.
8. Auftritt
Achter Auftritt
Vorige, Isidora; Melanie führt sie heran.

MELANIE.
Sei nicht schüchtern, Liebe, die Tante ist sehr freundlich.
ISIDORA
nähert sich.
Ich freue mich sehr – Die Tränen in den Augen. meines lieben Vaters Schwester zu sehen.
ISABELLA
umarmt sie.

Auch ich, auch ich, seine lieben Kinder! Wie ihr noch klein waret, hatte ich euch oft auf dem Schoße; nun seid ihr schöne Jungfrauen, nun sind wir Freundinnen. Aber lustig! Ihr seid so schüchtern, wie habt ihr denn gelebt?

ISIDORA.
Hier War ich nie, vor dem Tore, ich bin so gerührt!
MELANIE.
Donna Juanna war sehr strenge.
ISABELLA.

Arme Kinder, nun wollen wir leben in Sonnenschein und freier Luft, und Euer Vater kömmt bald, da wollen wir noch fröhlicher sein. Lustig, Herr Leitarzt! nehmt meine Niècen an den Arm, wir wollen einen freudigen Einzug halten.

PORPORINO
steht gebückt zwischen beiden mit hingebotenen Armen; sie stehen verwundert.
ISABELLA.

Ein Arzt darf sogar verbotene Bücher lesen, scheut euch nicht, Kinder! Mohrenkind, tanze voraus, rühre dein Tamburin!

PORPORINO
der immer in der vorigen Stellung stand.

Meine Damen, ich schwöre euch, Sie geben ihm den Arm. ich bin zwar ein bißchen dumm, aber doch kein Esel zwischen zwei Heubündeln, auch setze ich mich nicht zwischen zwei Stühlen nieder, sondern ich stehe zwischen zwei Feuern. Und soll man wirklich das Eisen schmieden, wenn es warm ist, so gebt mir einige Schläge. Melanie schlägt ihn etwas mit der Hand. – Valeria tanzt vor ihnen hin mit dem Tamburin. Porporino mit den Mädchen nach.

[199]
ISABELLA
zu Valerio.
Nun, lieber Freund meines Bruders, wie geht es mit uns?
VALERIO
nimmt sie bei der Hand.
Es wird mit mir im Tanzen so schlecht gehen, daß es mehr gehen wird als tanzen. Alle ab.
9. Auftritt
Neunter Auftritt
Zwei Diener mit dem Koffer Isabellens, den sie auf dem Rücken ins Schloß tragen.

ERSTER.
Setz ab – was nur so eine Dame Schweres im Koffer haben mag?
ZWEITER.
Das sind die Jahre, das sammelt sich bei so einer Herrschaft von Jugend auf.
ERSTER.
Braucht sie's doch nicht selber zu tragen.
ZWEITER.
Huck auf! Sie heben auf. Da haben wir ihre Vierzig auf dem Rücken.
ERSTER.
Alle Monat ein Hemd – macht zwölf im Jahr – macht vierzig Dutzend – nun wer die auf dem Leibe hat –
ZWEITER.
Daran hat ein Esel genug.
ERSTER.
Und so eine alte Dame auch überflüssig.Beide ab.
10. Auftritt
Zehnter Auftritt
Garten, links eine Statue des Apollo auf einem viereckigen Piedestal, um welches ringsum Bänke angebracht sind. Porporino und Valerio treten ein.

PORPORINO.
Nun, wie geht es dem Hausmeister?
VALERIO.

Nicht besser als dem Leibarzte. Ich habe kein Haus als meines in Sevilla, und an dieses denke ich den ganzen Tag.

PORPORINO.

Und ich habe keinen Leib als den meinen, an den denke ich den ganzen Tag. Besonders seit dem Jahre, daß die Perücken aufkamen, die kosten mir viel Studium.

VALERIO.
Tue sie ab, armer Schelm, bis jemand kömmt.
PORPORINO.

Ich möchte, der Herr Apoll trüge sie statt meiner! Er nimmt sie ab und legt sie auf das Piedestal. So, nun kann ich trocken hinter den Ohren werden – ich opfre sie ihnen einstweilen auf.

[200]
VALERIO.
Es ist ordentlich recht melancholisch hier im Garten, so recht still; nicht wahr, Porporino?
PORPORINO.

Ja, es scheint eine gute, stille Haushaltung, alles an seiner Stelle, im Hause pfeifen die Hausmäuse, und hier die Feldmäuse.

VALERIO.

Du kannst deine Perücke in acht nehmen, daß dir die lieben Hausmäuse kein Mäusehaus dar aus machen. Was das Gras so hoch stellt! – Der vorige Hausmeister war ein Esel.

PORPORINO.

Vermutlich ein verwöhnter, der kein Gras mehr fraß. – Ich wollte nur, Aquilar und Ponce kämen, uns die Zeit zu vertreiben; wahrlich, ich werde nicht eher Hausarzt gewesen sein, bis ich die Mäuse mit dem Gift, das die beiden haben werden, vertrieben habe. Es wird alles freundlich aussehen, wenn sie einen Tag hier sind, wir wollen ihnen einen Esel bohren, der schon in das Gras beißen wird.

VALERIO.

Die Leute sind freundlich und gut, aber auch die Mäuse sind sehr human. Ich konnte die vorige Nacht gar nicht schlafen, ich mußte mit dem tölpelhaften Perez in einem Bette schlafen. So sehr er auch mit Wein zugedeckt war, zog er mir doch immer die Decke weg; da dachte ich dann recht herzlich nach Hause. Was mich so recht daran erinnerte, war eine von den vielen lieben Mäusen; die pfiff ordentlich wie die in meiner Kammer zu Sevilla. Du weißt, sie war schon zu meiner selgen Frau Zeit da, es war, als wäre sie mitgezogen.

PORPORINO.
Ja, ich kenne sie wohl, sie wird jetzt recht allein sein.
VALERIO.
Valeria hört sie nun, dachte ich immer.
PORPORINO.

Die hört jetzt eine andere Gattung – die hört Kirchenmäuse, die singen gar auferbaulich. – Habe ich es Euch nicht gesagt? daß sie das Haus verschlossen und zu Eurer Base ins weiße Nonnenkloster ist.

VALERIO.
Ist sie? Brav – nu sieh, was das Kind auf Ehre hält.
PORPORINO.
Ach, ich wollte, sie wäre hier, sie wäre mein, ich bin des Scherzes so müde!
VALERIO.
Es wäre schön, es wird auch werden. Hier bei den lieben Fräulein wird sie erst recht artig werden.
[201]
PORPORINO.
Artiger? Sie kann nicht. Ich muß ohnedies schon viel artiger werden, um sie einzuholen.
VALERIO.

Ei, laß das; behalte deine Fröhlichkeit. Sieh, da kommen die lieben Leute. Porporino setzt die Perücke auf.

11. Auftritt
Eilfter Auftritt
Isabella, Valeria, die beiden Fräulein und die Vorigen.

ISABELLA.
Nun, liebe Kinder, geht noch etwas im Garten auf und ab, und vertragt euch gut mit Flammetten.
ISIDORA.

Liebe Tante, wir wissen gar nicht, wie uns geschieht, wir haben nie so gelebt. Es ist alles ganz anders.

MELANIE.

Ja, das ganze Gut ist verändert; es ist, als ob der Garten viel lustiger und grüner sei, seit Ihr da seid.

ISABELLA.

Ich teile alle Eure Freude. Hört, heute abend will ich von jeder ein Liebesliedchen hören.Valeria und die beiden Fräulein ab.

12. Auftritt
Zwölfter Auftritt
Isabella, Valerio, Porporino.

VALERIO.
Ihr seid schon recht einig mit Euren Niècen.
ISABELLA.

Die armen Kinder waren so verschüchtert, Ihr glaubt nicht, wie sie mich rührten. Isidore blieb etwas kalt, ihr Feuer ist im Herzen; Melanie ist leichter, ihr Feuer ist in der Welt.

PORPORINO.
Ach, mein Feuer ist auch im Herzen, ich wollte Valeria wäre hier!
ISABELLA.

Geduld, meine Freunde! Ich glaube, heute abend kommen die Pilger noch. Porporino, Ihr müßt ein wenig im Walde herumspionieren. Kommt jetzt herauf, wir wollen das Nötige noch verabreden. Alle ab.

13. Auftritt
Dreizehnter Auftritt
Isidora, Melanie, Valeria.

ISIDORA.

Die Tante ist schon wieder oben, Melanie, sollten wir ihr nicht folgen? Zwar bliebe ich gern noch hier, bleibst du wohl lieber als ich?

[202]
MELANIE.
Ich freue mich so, daß du lebendig wirst und unsre Freude mitgenießest – ich gehe hinauf.
ISIDORA.
Wir sollen ihr heute noch singen; was singen wir dann?
MELANIE.

Wir haben ja noch die weltlichen Lieder, die uns Felix brachte. – Wir haben sie so heimlich lernen müssen, wirst du deine Stimme noch können?

ISIDORA.
Ich glaube wohl.
MELANIE.
Ich kann so etwas nicht behalten, ich will mich ein wenig üben, dann rufe ich dich. Ab.
ISIDORA.

Komme, setzen wir uns hierher, Flammetta, wir wollen reden, damit wir bekannter werden. Sie setzen sich an die Statue. Erzähle mir allerlei von dir.

VALERIA.

Und wenn ich Euch nun etwas von Euch erzählte, was Euch noch nicht bekannt ist? Ihr seid so still und Eure Schwester ist so fröhlich?

ISIDORA.

Ich war selten abends im Freien, der Abend berührt mich still, so antworte ich. Doch, Liebe, was weißt du von mir? Ich glaubte nicht, daß jemand von uns spräche; wir leben so verborgen.

VALERIA.

Wo Schätze tief in der Erde verborgen sind, erscheint oft ein Feuer in der Nacht, auch stellt der Regenbogen seinen Fuß dahin. Das Vortreffliche bleibt nie geheim.

ISIDORA.
Es ist ein schöner Aberglaube.
VALERIA.
Geizhälse glauben noch an ihn, und einen solchen hört ich sprechen.
ISIDORA.

Mädchen, sei nicht so geheimnisvoll, du bist schon ohnedies ein Wunderkind. Du wirst mir bange machen; sage, was hörtest du von mir?

VALERIA.

O – großes Lob! wie stolz und sanft Ihr seid, wie fröhlich, und wie fromm, und schön, wie schön! Ich hörte Eurem Bruder eine Stunde zu.

ISIDORA.

Mein Bruder! Ich Kind, daß ich nicht an ihn dachte; wer kann mich loben als Don Felix? – Wo sahst du ihn?

VALERIA.

Er kam von Euch zurück und war noch ganz gerührt. Es war auf einem Balle, ich hatte mich mit einem kleinen Bürgermädchen hingeschlichen, die mir sehr gut geworden ist.

[203]
ISIDORA.
Mein Bruder sprach so öffentlich von mir?
VALERIA.
Er wurde dazu aufgefordert, denn Ponce, sein Freund, drang mit vielen Fragen in ihn.
ISIDORA.

Du sprichst so abgebrochen, Flammetta, als sollte ich immer staunen. – Ich höre gern von Felix sprechen, und von seinen Freunden – von Ponce hat er mir oft erzählt. Ich hörte immer mit größerer Freude zu, denn Felix liebt ihn sehr; er sagt, daß Ponce unendlich von ihm verschieden sei, und doch so liebenswürdig, darüber habe ich oft gedacht. Erzähle, was du weißt, aber nicht abgebrochen.

VALERIA.

Das Mädchen, das mich hinbrachte, stand mit mir am Eingange, und zeigte mir Don Ponce, sie liebt ihn.

ISIDORA.
Liebt ihn – wer ist dies Mädchen denn?
VALERIA.

Seht, nun unterbrecht Ihr mich selbst. Sie ist ein armes Bürgermädchen, aber sie hat ein gutes, weiches Herz, und Ponce ging lange mit ihr um. Zu diesem Balle selbst hatte sie ihn angekleidet, und freute sich, wie er so zierlich aussah.

ISIDORA.
Ist er ein schöner Mann?
VALERIA.

Ich bin viele Städte durchzogen, und habe keinen schönern Mann gesehen. Er fragte Euren Bruder so dringend nach Euch, und wie dieser so schön von Euch sprach, war er ganz entzückt, und wollte gar nichts anders mehr hören. Meine Freundin war sehr traurig darüber, denn sie liebt ihn sehr.

ISIDORA.
Felix sagte mir oft, er sei sehr wankelmütig.
VALERIA.

Aber er verwandelt sich immer in etwas Schöneres. Da das arme Mädchen sah, wie er sich verändere, ging sie zu ihm hin.

ISIDORA.
Vor allen diesen Menschen?
VALERIA.

Die Liebe könnte wohl dies Mädchen bewegen, ihm die weite Welt nachzufolgen. Aber er lachte über sie, er sagte kalt, es liebe niemand ihn in Sevilla.

ISIDORA.

Er lachte? Flammetta, das konnte er wohl nicht, du hörtest falsch, oder er verstand das Mädchen nicht.

VALERIA.

Ich hörte es wohl, das Mädchen ging mit mir nach Haus, und weinte sehr, – Ponce kam auch nicht mehr zu ihr. Weint.

[204]
ISIDORA.

Du bist ein gutes Kind, daß dich das Leid deiner Freundin so schmerzt. Auch mich schmerzt es sehr – sehr; hat er das Mädchen denn jemals wirklich geliebt?

VALERIA.
Ihr kennt das Mädchen nicht, und seid gerührt?
ISIDORA.

Ich weiß nicht, aber dieser Ponce, gerade dieser – ich kannte außer Felix keinen Mann als ihn; doch sah ich ihn nie. Liebte er das Mädchen je? sage –

VALERIA.
Das Mädchen schien es fest geglaubt zu haben, daß er sie liebe; ja, er hatte sie ganz verwandelt.
ISIDORA.
Wie das?
VALERIA.

Sie war vorher geringer, und brauchte weniger im Herzen und im Leben. Aber nun ist sie wohl bald wieder wie ehedem, denn auch Ponce habt Ihr verwandelt.

ISIDORA.
Ich? ich sah ihn nie!
VALERIA.

Valeria sagte mir, er sei ganz anders geworden, er sei lebendig und sanfter geworden, Euer Bild sei in seine Brust wie ein Funken in ein schönes Kunstfeuer gefallen, und tausend schöne Flammen loderten aus ihm empor, die alle alle Euren Namen in ihren hellen Zügen kreisten.

ISIDORA.

Die arme Valeria! Was soll das Spiel mit mir? Auch das wird bald verloschen sein. Das ewige Feuer kreist und sprühet nicht, es war vor der Nacht, und zog als Sonn und Mond und Stern am neuerschaffenen Himmel hin.

VALERIA.

Doch da die Welt aus der Liebe hervorbrach, war da das Feuer nicht einem Kunstfeuer zu vergleichen, das sich in seiner schönen Ordnung in die Planeten entzündete?

ISIDORA.
Doch nie verlosch –
VALERIA.

Wißt Ihr das Ende der Welt, und wißt Ihr das Ende von Ponces Liebe zu Euch? Valeria wird glücklich, wenn Ihr ihn liebt.

ISIDORA
steht auf.

Wer bist du, Mohrenkind? Es ist, als wärst du eine Zauberin, als wär ich dort in der Fontäne eingeschlummert und eine Nymphe sag' mir wundersamen Traum ins Ohr. – Vor wenig Stunden war ich noch allein – und nun bewegt sich eine fremde Welt um mich.

VALERIA.

Verzeiht, wenn man so traulich spricht und sich liebt, von Dingen redet, die beiden lieb sind, so trägt oft das Gespräch, wie ein geheimes drittes Leben, die Seelen wunderbar [205] empor. Doch wißt, Liebe, Valeria hat mich gebeten, Euch zu grüßen. »Wenn sie so hold ist,« sagte sie, »als Ponce sie liebt, so bitte sie, daß sie ihn wiederliebe, mich wird das glücklich machen.« Auch ist sie wieder froh, wie ehedem.

ISIDORA.

Ich werde nimmer diesen Ponce lieben, der meine Freundin so gekränkt, und dieser Ponce – wie will er zu mir gelangen? Mein Vater ist nicht hier, – Felix darf ihn nicht bringen; ich wollte, er hätte von mir geschwiegen, ich wollte, ich wäre bei Valeria! – Felix will ich schreiben, er solle mit diesem Manne behutsamer sein. Auch ich will nicht mehr an ihn denken, denn ich bin schuld an allem.

VALERIA.

Ihr seid es nicht, Ihr seid nicht schuld an Eurer Anmut, und Ponce ist auch nicht schuld, daß er Euch liebt.

14. Auftritt
Vierzehnter Auftritt
Valerio, Vorige.

ISIDORA.

Man ruft mich, Liebe, und deiner Freundin schreibe, daß ich Ponce niemals lieben werde, weil sie ihn liebt.

VALERIO.

Eure Fräulein Schwester bittet Euch, zu ihr zu kommen. Auch wird es dunkel, und da die Mäuse hier im Schlosse so kultiviert sind, daß sie den Gebrauch aller Speisen kennen, so ist es sehr wahrscheinlich, daß auch einige Aerostatiker oder so genannte Fledermäuse unter ihnen sind, drum zieht Euch zurück.

ISIDORA.
Ich gehe; lebe wohl, Flammetta. Ab.
VALERIO.

Du, kleine Silhouette! gehe mit mir, wir wollen uns vor das Tor in die Esplanate setzen und gegen Sevilla gucken. Beide ab.

15. Auftritt
Funfzehnter Auftritt
Porporino schleicht stillschweigend übers Theater weg und giebt mit Pantomime zu verstehen, daß er die Ankunft der beiden Ritter bemerkt.

[206]
16. Auftritt
Sechszehnter Auftritt
Ponce geht ohne Rock und Hut rasch quer über das Theater weg, von der Rechten zur Linken; Aquilar tritt auf, er geht müde, schwer bepackt, auf seinem großen Pilgerhut hat er noch Ponces Pilgerhut sitzen; er hat zwei Pilgerstäbe, zwei Mäntel und die Laute – steht und ruft dem Ponce in die Kulisse.

AQUILAR.
Der Verliebte läuft wie unsinnig; he, Ponce, stehe! Ich gehe keinen Schritt weiter.
PONCE
in der Kulisse.
Wir sind ja gleich dort, es zieht wie ein Magnetfelsen.
AQUILAR.

Gleich dort? Ich spüre nichts als meine Müdigkeit und deine Bequemlichkeit – ich gehe keinen Schritt mehr – nimm deinen Mantel, und deinen Hut – du läufst wie zwei.

PONCE
tritt ein.

Verdammt der Schritt zurück! und folgst du nicht wie zwei, hast du nicht zwei Hüte, zwei Mäntel, zwei Röcke, könntest du nicht folgen?

AQUILAR.
Du bist unerträglich bequem, seit du verliebt bist.
PONCE.

Ach, fühltest du die Last, die auf mir liegt; auch dieses Kleid möchte ich abwerfen, um hinzufliegen.

AQUILAR.
Oho – nackt möchtest du wohl willkommen sein.
PONCE.

Noch mehr als nackt, ermorden möcht ich mich, daß meine Seele in den Himmel schwebe – in den Himmel, sage ich, denn sicher wölbet sich ein seidner Himmel voll selger Träume über ihrem Bette, – ich will nicht selig werden, Aquilar, in keinem Himmel als in diesem.

AQUILAR
wirft Ponces Kleider hin.
Nimm – du bist ja sehr erfahren in der Himmelskunde.
PONCE
kleidet sich an.

Auch das, ich will dich lehren – drei Himmel sind. Der dritte ist der schlechteste. – Der erste Himmel ist über Liebchens Bette, wo Leben, Liebe und Tod sich lösen, wo alles eins nur wird, das ist der höchste, beste Himmel. Der zweite Himmel ist der Himmelwagen oder Totenwagen, in ihm ist Liebe und Leben hin, der Tod fährt einmal noch spazieren, das ist der ganze Spaß. Der dritte Himmel aber ist ein armer Himmel, der alle seine Freude an das Leben versetzte, da ist kein Anfang und kein Ende, kein Leben und kein Tod, da sitzt die Liebe ganz allein – das ist ein [207] langweiliger Himmel – Wirft den Mantel um. Fort, mein Mantel brennt, – es ist heute meine Himmelfahrt – Ab.

AQUILAR.
Stecke nur den Wald nicht an. Ab.
PONCE.
Du Kalter, lösche seine grünen Flammen.Hinter der Szene.
17. Auftritt
Siebenzehnter Auftritt
Valerio und Valeria in der Esplanate auf einer Bank; es ist schon ziemlich dunkel.

VALERIO.
Du hast also meine Tochter gesehen?
VALERIA.
Wie ich Euch sagte, lieber Valerio – Sie reichte mir im Kloster die Suppe.
VALERIO.
Da ist sie wohl ordentlich wie ein Nönnchen – was sprach sie dann?
VALERIA.
Wenig – sie schien traurig zu sein.
VALERIO.

Traurig? Ja, das ist es eben, das ist es – ich bin auch traurig – sieh, meine Tochter ist verliebt – und da ist sie traurig.

VALERIA.
Davon sprach sie nichts; ich fragte sie, ob sie eine Nonne werden wolle. Ei, behüte Gott! sagte sie.
VALERIO.

Ja, ja, Nonne werden, das war auch eine possierliche Frage. – Ei, behüte Gott! sagte sie; das sieht ihr ähnlich.

VALERIA.
Ich fragte sie, warum sie so traurig sei.
VALERIO.
Da sagte sie wohl, ich bin verliebt? Doch das sagte sie nicht – man sagt es nicht was sprach sie da?
VALERIA.
Sie sprach, mein lieber Vater ist verreist, und das tut mir leid.
VALERIO.

Sagte sie das? Komme, Mädchen, Er küßt sie. du bist viel Geld wert, ich lasse dich dafür in Gold einfassen, und trage dich am Finger wie Karfunkelstein.

VALERIA.
Wie Euch das freut! Wenn ich einen Vater hätte, der so gut wäre, ich liefe ihm nach.
VALERIO.
Wenn aber dein Geliebter in der Stadt wäre, machtest du es wie sie, und bliebst dort.
VALERIA.
Wenn aber Euer Mädchen Euch nachliefe, und ihrem Geliebten, wie dann?
VALERIO.

Dann –? Wenn ich es jetzt bedenke, wäre es nicht recht; wäre sie aber da, ich verzieh' es ihr aus Freude.

[208]
18. Auftritt
Achtzehnter Auftritt
PORPORINO
kömmt rechts aus der Allee, singt mutwillig.
Die heiligen drei König mit ihrem Stern,
Sie essen und trinken und bezahlen nicht gern.

Guten Abend, Herodes! guten Abend, Mohrenkönig! die zwei andern kommen schon, der Verliebte läuft wie besessen, der andere muß schon aus einem trägern Klima sein, er kann kaum nach.

VALERIO.
Was schwätzest du?
VALERIA.
Herr Doktor, ihr seid sehr lustig.
PORPORINO
faßt sich.

Man ist nicht grade kein Mensch, wenn man ein Doktor ist, obschon etwas unmenschlich. Ich wollte Euch nur sagen, Herr Hausmeister, die Patienten laufen schnurstracks hierher, und sind schwer verwundet, ich schlich immer um sie herum, und schon wieder – Ab. – Schleicht durch eine andere Kulisse denselben Weg.

VALERIO.
Ich gehe herein, mein Kind.
VALERIA.
Ich komme Euch gleich nach, laßt mich noch ein wenig. Valerio ab.
19. Auftritt
Neunzehnter Auftritt
Valeria allein. Gleich darauf Ponce; es ist dunkel.

VALERIA.

Er kömmt, er kömmt – nun kömmt er! Ach, was hat mir dieser Mann getan, und was kann ich um ihn tun? Sonst liebte er mich, und hielt mich in den Armen – und eine andere nimmt ihn hin, die er nie sah. Unter einem Dache wird er mit mir sein, und mein armes Kind, die Sklavin seiner Geliebten. Ich bin es gern, er soll durch mich zu ihr nur einmal noch, o könnt ich nur ein einzig armes Mal noch ihn umarmen! An seiner Brust soll mir der Sieg entgegenkommen, an seiner Brust, an der mein Mut erlag. Ich höre seine Schritte – er ist es – er redet – nein – wie anders ist seine Stimme –Zieht sich an die linke Seite des Theaters; Ponce erscheint auf der rechten Seite.

PONCE.
Da bin ich armer Pilger nun – wie arm, die ganze Welt legt vor mir.
[209]
VALERIA.
O wenn er es wäre! Ich harre schon den ganzen Tag mit Schinerzen.
PONCE.

Ich höre sprechen – sie harrt mit Schmerzen – o wäre sie es selbst! O Gott, sie harrte eines andern – o Isidora!

VALERIA.

Schweig, banges Herz! er ist es, er nannte ihren Namen, meinen nennt er nimmer – ich will hin, will ihn um einen Kuß betrügen.

PONCE.
Bei Gott, sie ist es, sie liebt schon; ich komme zu der Stunde, die ein anderer versäumte.
VALERIA
lauter ihm entgegen.
Geliebter, mein Geliebter, trete näher!
PONCE
nähert sich.
Wer sollte solchem holden Ruf nicht folgen?
VALERIA
umfängt ihn.
O lieber, einzig lieber Mann!
PONCE.
Verzeiht, ich kenne Euch nicht, ich bin ein Pilger.
VALERIA
hält ihn immer umfangen.
PONCE.
O wäre ich der, der ich deinen Armen bin! Laßt mich, ich bin ein Fremdling!
VALERIA
zurücktretend.

Ein Fremdling – ach! ein Fremdling seid Ihr? Ich irrte mich – verzeiht, – und rühmt Euch nicht, daß Euch an diesem Schlosse ein Weib umarmte. Sie geht schnell ins Schloß.

20. Auftritt
Zwanzigster Auftritt
PONCE
allein; heftig.

Ein Schurke bist du, den dies Weib erwartete – ein Schurke, der solche Liebe nicht empfing, – und ach! so köstlich ist die Liebe, kein Tropfen ihres süßen Giftes soll verloren gehen – was jenem hingegeben war wie Süßigkeit, brennt nun wie Gift durch alle meine Adern! O käme er nun, der schändlich solche Gabe versäumte, er müßte sterben, weil ich ihm das Leben abgewann – ich höre Schritte – war er es vielleicht – dicht hinter diesem ersten Himmel geht der Himmelwagen, und wer nicht in den Arm der Liebe fiel, gehört dem Tod – Er zieht den Dolch.

[210]
21. Auftritt
Einundzwanzigster Auftritt
Aquilar, Ponce.

PONCE
geht auf ihn los und faßt ihn.
Du kömmst zu spät zum Leben, zum Tode eben recht.
AQUILAR
stößt ihn zurück.
Und du kommst zu früh – was willst du mit dem Dolche? Ich glaube, du bist verrückt.
PONCE.
Bist du es, träger Freund? O wärst du doch der träge Feind, den ich erwartete!
AQUILAR.
Ich glaube gar, du willst mich ernstlich verwunden! So ist es nicht bedungen.
PONCE.
Ich bin zerrissen –
AQUILAR.
Nein, abgerissen bist du, hier zu lärmen, wo wir als arme, bedrängte Pilger ankommen sollen.

Man hört hier eine Laute und weiblichen Gesang im Schlosse, in dem einzelne Fenster erleuchtet sind.
PONCE.
O höre, wie zerschneidet das das Herz!
AQUILAR.
Ich finde, daß es Ohr und Herz erquickt, ich höre keinen falschen Ton.
PONCE.

Wie sollten solche süße Lippen falsche Töne singen? Doch sage ich, Des. Menschen Herz ist falsch, den diese klagenden Töne beschuldigen, und falsch ist der, der sie hört, denn ach! ich bin der Rechte nicht.

AQUILAR.
Sei klug – mache, daß wir hineinkommen; wenn wir länger warten, gehen die guten Leute schlafen.
PONCE.
Ach! sie wird heute nicht schlafen können.
AQUILAR.

Wenn du die ganze Nacht hier lärmst, nein! Mache fort, und singe – ich bin schon verwundet Er setzt sich an einen Baum. – langweile mich nicht hier im Dunkeln.

PONCE.

Singen? Bei Gott! ich singe keine Note, mir sind die Lippen so versiegelt, die Augen so geöffnet, weinen möchte ich.

AQUILAR.
Nun so will ich schreien – Ach! – helft!
PONCE.
Um Gotteswillen, schweige! – ich höre ihn.
[211]
22. Auftritt
Zweiundzwanzigster Auftritt
PORPORINO
aus dem Wald.
Ach wenn das Mädchen wüßte,
Daß ich, daß ich es bin,
Der sie so freundlich küßte,
Sie gäb, sie gäb sich hin.
PONCE
springt auf ihn los.
Du kömmst zu spät – ich habe schon genommen, was dir gehört.
PORPORINO.
Hülfe! ins Teufels Namen, mein Herr! seid Ihr ein Mörder, oder Vor sich. mein Nebenbuhler?
AQUILAR
hält Ponce zurück.
Was soll das, Gabriel, so höre auf; ich glaube, du bist verrückt.
PORPORINO.

Ihr habt mir genommen, was mir gehört, das mag wohl sein, Ihr scheint eine Anlage zum Stehlen zu haben, aber das Leben sollt Ihr mir nicht nehmen.

PONCE
Aquilar hält ihn.
So lasse mich doch, er ist es.
AQUILAR.
Ich begreife dich nicht.
PONCE.
Wer seid Ihr? sprecht.
PORPORINO.

Ich bin der Arzt hier aus dem Schlosse, und komme aus dem Walde, der voller Diebe sein soll, aber hier vermutete ich keine.

AQUILAR
läßt Ponce los.

Ach! so seid Ihr besser weggekommen als wir – wir sind arme Pilger, man hat uns geplündert, und ich bin verwundet – mein Freund hielt Euch für den Täter.

PORPORINO.

Mein Herr, seid in Zukunft nicht so hastig im Halten, und Euch danke ich, daß Ihr ihn so schnell festhieltet.

PONCE.
Verzeiht, Herr Doktor, helft uns, schafft uns ein Unterkommen!
AQUILAR
lehnt am Baum.
Ach, die Anstrengung erschöpfte mich ganz!
PORPORINO.
Wartet, ich will rufen, daß man Euch hereinschaffe. Ab.
23. Auftritt
Dreiundzwanzigster Auftritt
Ponce, Aquilar.

PONCE.
Ich danke dir, Freund, daß du meinen Anfall so gut gewendet hast.
[212]
AQUILAR.
Deinen Anfall? Du hast einen erschrecklich dummen Anfall.
PONCE.

Sei zufrieden, wir kommen so hinein. Das Schicksal hat es gut gewendet – ach, Aquilar, wenn du wüßtest, was ich erfahren habe!

AQUILAR.

Ich wundre mich nicht, du hast dich in ein Gemälde verliebt, und könntest über jede Schilderei eifersüchtig werden. Aber auch ich habe etwas Fatales erfahren.

PONCE.
Und?
AQUILAR.
Es ist ein Arzt im Hause, der wird nun immer nach meiner Wunde sehen wollen, die ich nicht habe.
PONCE.
Setze ihm eine Brille mit goldnen Gläsern auf, so sieht er sie nicht.
AQUILAR.
Das ist auch keine Kunst, eine Kunst wäre, sie zu sehen; doch man kömmt.
24. Auftritt
Vierundzwanzigster Auftritt
Vorige, Porporino mit einer Fackel, zwei Diener mit einer Tragbahre.

PORPORINO.
Wo ist Ihre Wunde, mein Herr?
AQUILAR.
Meine Wunde? Sie ist – sie ist –
PONCE.
In der rechten Seite.
PORPORINO.

So gebe Gott, daß Ihr links seid, wie es auch scheint, da Ihr nicht wußtet, daß Eure Wunde rechts ist. Träger, ladet ihn auf. Sie stellen die Bahre hin und wollen ihn fassen.

AQUILAR.
Ich bitte, ich werde wohl noch so weit gehen können.
TRÄGER.
Ei, legt Euch nur auf die Bahre.
AQUILAR.
Auf die Bahre? So weit bin ich hoffentlich noch nicht.
PORPORINO.
Wir wollen Euch schon hinbringen; legt ihn auf die Tragbahre. Sie legen ihn drauf.
AQUILAR.
O Gabriel! ich werde des Teufels –
PORPORINO.
Seid nur geduldig, es wird schon werden.
PONCE.

Ruhig, Fernand, wenn ich nur je des Engels wurde! Sie tragen ihn langsam ab. Du bist ein wahres Bild des Lebens, ein festlich Kleid, das später tragbar wird, und endlich abgetragen.

PORPORINO.
Nun fort, Kerls! Ich hätte in der Zeit eine Festung abtragen wollen. Alle ab.
[213]

4. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt
Kleine Stube im Schloß.

VALERIA.

Habe ich nicht ein kindisches Herz? Nun ist er im Hause, nun bin ich froh und ruhig – ich habe nun alles so lieb, ich möchte ihn und alle Menschen glücklich machen. Wie seine Augen heute morgen voll Tränen stiegen, da er Isidoren ansah. – Solche Tränen weinte auch schon Porporino um mich – und solche Tränen werden alle noch erhört. Mein Herz spricht nicht dagegen – so wie er war, so habe ich ihn geliebt – so wie er nun ist, habe ich keinen Anspruch mehr auf ihn – ich wäre bitterböse – wie schön kann alles werden! Du treuer Porporino, freue dich; du lieber Vater, freue dich – wenns nur zu Ende wäre, mein Herz war nie so voll, so voll Glück für alle, die ich liebe, und liebt Valeria sich nicht auch selbst – da kömmt Porporino. –

2. Auftritt
Zweiter Auftritt
Porporino, Valeria.

PORPORINO.

Deine Fräulein sollen in die Stube der beiden flandrischen Musikanten kommen, ihre Tante erwartet sie dort.

VALERIA.
Flandrische Musikanten sind die Pilger? Haben sie schon Musik gemacht?
PORPORINO.
Noch nicht bis jetzt, denn dem einen ist eine Seite zerrissen, und der andre ist verstimmt.
VALERIA.
Ihr werdet sie bald geheilt haben, Herr Doktor.
PORPORINO.

Geheilt? Ach Kind! ich habe, was ihnen fehlt, und kann es ihnen doch nicht geben – ich habe das Herz in der Seite zerrissen, und bin verstimmt.

VALERIA.
Kommt her, ich will Euch heilen, Herr Doktor; seht mir in die Augen!
PORPORINO
umfaßt sie.

Deine Augen sind Flammen und christlich. Läßt sie los. Alles andere an dir magst du von neuem [214] taufen lassen. Sie haben deine Augen allein getauft, als sie dich Flammetta nannten.

VALERIA.

Ja, ich weinte bei der Taufe – und Ihr errötetet, denn Eure Wangen sind auch allein getauft, als man Euch Porporino nannte.

PORPORINO.
O, welche Artigkeit liegt in dir begraben, du schwarzer Sarg!
VALERIO.
Kommt, laßt Euch die christlichen Wangen küssen.
PORPORINO.
Ich gäbe vieles drum, könnte ich dich schamrot machen, schwarzer Engel.
VALERIA
küßt ihn.
PORPORINO.

Du heilst mich nicht, mein Heil ist in Sevilla! Ach, Mädchen, deine Augen hast du doch gestohlen, ihr gestohlen. Die Raben sollen stehlen, was glänzt.

VALERIA.
Glänzt Euer Herz?
PORPORINO.
Nein, es ist schwarz, es trauert.
VALERIA.
So ist es umgekehrt – Ihr stehlt mir sicher meine Augen noch mit diesem Herzen.
PORPORINO.
Deine gestohlnen Augen stehle ich dir, und bringe sie Valerien zurück, die du blind gemacht hast;
VALERIA.
Wer ist dann diese Valeria?
PORPORINO.
Das weiß der Himmel, denn sie ist der Himmel selbst, und ich will selig sterben – drum gehe!
VALERIA.
Ich hindre Euch doch nicht an der Seligkeit?
PORPORINO.

Deine Augen sind Basilisken, Mädchen; ich müßte ein Verbrecher werden, um vor ihnen zu sterben. Valeria ab.

3. Auftritt
Dritter Auftritt
PORPORINO
allein.

Ich muß mich sehr zusammennehmen, sonst verliebe ich mich gar in die Mohrin – das menschliche Herz ist sehr zu Extremen geneigt – aber wer noch keine Dame im Brett hat, darf nicht von Weiß auf Schwarz ziehen. Don Aquilar muß ich nun noch verbinden – aber dann bleibe ich keine Stunde länger hier, dann lauf ich nach Sevilla. Ab.

[215]
4. Auftritt
Vierter Auftritt
Durch Aufziehung des Mittelvorhangs.
Ponces und Aquilars Wohnung.
Aquilar liegt auf einem Sopha, ein dickes Pfühl auf ihn gelegt; Isabella sitzt neben den, Bette, Ponce entfernt auf einem Stuhl, und sieht traurig vor sich hin.

AQUILAR
sich aufrichtend.

Eure Güte, vortreffliche Sennora, ist unstreitig an sich so groß, daß dies Federbett überflüssig wäre – auch empfinde ich einen großen Dank im Herzen, der sich ordentlich mit einer Art von Druck etwas seitwärts zu ziehen scheint.

ISABELLA.

Eure Galanterie übersteigt Eure Krankheit. Wo empfindet Ihr dies Drücken – hier in der Gegend des Herzens?

AQUILAR.
Ich bitte, etwas mehr in der Gegend des Magens, und zwar innerlich.
ISABELLA.
Eure Wunde wird sich doch mit der Hülfe Gottes nicht inflammieret haben.
AQUILAR.
Ich bitte sehr, ich glaube mit der Hülfe eines Kochs könnte eine gute Mahlzeit den Schmerz heben.
ISABELLA.

Aber Euer geschwächter Körper wird keine Mahlzeit vertragen können. Ihr habt wohl heute zuviel gegessen?

AQUILAR.
Ein ganzes Ei.
ISABELLA.

Ei! – ein ganzes Ei – das war auch unmäßig – ein halbes wäre auch genug gewesen – Ihr haltet Euch für hungriger, als Ihr seid!

AQUILAR.
O – ich bin eigentlich so hungrig, daß ich mich gar nicht mehr halten kann.

Ponce steht auf und geht heftig auf und nieder.
ISABELLA.

Mäßigt Euren Schmerz, die Krankheit Eures Freundes ist nicht so gefährlich, als Ihr glaubt – doch soll man gleich nach seiner Wunde sehen.

PONCE.
Verbinden?
AQUILAR.
Nein, man wird nimmermehr meine Wunde sehen; aber ich will nun aufstehen.
[216]
ISABELLA.

Nicht Eure Wunde sehen – ich will sie ja nicht sehen Ihr seid schamhaft auf Rechnung Eures Lebens – doch wenn Ihr aufsteht, will ich meinen Niècen sagen, daß sie wegbleiben.

PONCE
faßt sie und wendet sie von Aquilar weg.
Nein – nein bleibt – wendet Euch so; nun stehe auf!
AQUILAR
springt angekleidet aus den Küssen.
Gott sei Dank, nun seid so gütig, und laßt mir etwas zu essen geben.
ISABELLA
wendet sich zu ihm.
Um Gottes willen! bewegt Euch nicht heftig, setzt Euch nieder. Setzt ihn in den Lehnstuhl.
5. Auftritt
Fünfter Auftritt
Vorige, Isidora, Melanie.
Aquilar will auf alle Weise aufstehen, Isabella hält ihn zurück – Ponce geht Isidoren gerührt entgegen, und küßt ihr die Hand.

ISABELLA
zu Aquilar.
Nehmt eine Grenze der Höflichkeit, Eure Krankheit entschuldigt Euch.
AQUILAR.
O laßt mich meine Pflicht tun!
ISABELLA.

Isidora, Melanie, der kranke Herr möchte euch seine Verehrung bezeugen, ihr entschuldigt ihn. Sie neigen sich.

PONCE
zu Isidora.
Eure Güte ist unendlich, Fremdlinge zu besuchen.
ISIDORA.
Wir besuchen hier den Kranken, das ist Pflicht.
PONCE.
O wüßtet Ihr, wer hier der Kränkste wäre, und verweiltet!
ISABELLA
zu Ponce.
Ich bitte, zerstreut Euch – Ihr werdet uns so auch noch krank.
MELANIE
zu Aquilar.
Ihr befindet Euch besser als heute früh?
AQUILAR.
Durch Eure Gegenwart unendlich – aber eigentlich schlechter – das Ei von heute morgen –
ISABELLA.

Hat Euch krank gemacht. – Ja, es liegt schwer im Magen – aber gleich soll der Wundarzt nach Euch sehen.

ISIDORA
zu Ponce.
Ist die Wunde wirklich bedeutend?
PONCE.
Ich weiß es nicht – ich hoffe es nicht – o Sennora! verzeiht mir.
AQUILAR.
Ich muß ein für allemal sagen, meine Wunde ist zu unbedeutend, daß sie berührt werde.
[217]
ISIDORA
zu Ponce.
Ich verstehe Euch nicht, lieber Freund. Ich soll Euch verzeihen, was?
PONCE.
Daß ich gestern in Euren Armen lag, daß ich so glücklich war –
ISIDORA.
Um Gottes willen! was sprecht Ihr – seid Ihr krank bedenket, wo Ihr seid.
PONCE.
O leider, leider, ich bin nimmer hier willkommen!
ISIDORA.
Ach, liebe Tante, dieser Jüngling ängstigt mich; ich glaube, er ist krank.
ISABELLA.
Was fehlt Euch, der Schrecken hat Euch doch kein Fieber zugezogen?
PONCE
faßt Isidora.
O schweigt, um meiner Liebe willen schweigt, verschweigt mein Unglück!
ISIDORA
macht sich los.
O laßt mich – Tante, seht – seht!
ISABELLA.
Gehe, mein Kind – rufe schnell den Arzt.
PONCE.
O gehet nicht, o bleibt, damit mein Arzt und meine Krankheit mich nicht fliehen – Isidora ab.

Isabella hält Ponce rückwärts die zwei Arme.
PONCE.
O laß mich, ihr versteht mich alle nicht!
AQUILAR
den nun Isabella verlassen, springt lustig auf.
Gott sei Dank! nun habe ich etwas Luft.
ISABELLA.
Melanie, halte ihn – den Blessierten, halte ihn – Hülfe! Hülfe!
MELANIE
faßt Aquilar schüchtern ebenso; er ist gelassen.
Wenn ich nur halten kann, ich habe das noch nie getan.
AQUILAR.
Ihr könnt es schon, o schönes Fräulein, Ihr könnt mich ewig halten.
MELANIE.
Seid ruhig, um Gottes willen, setzt Euch, lieber –
PONCE
vor sich hin, immer gehalten.

Grad ausgestreckt schläft sie, und denkt an Gespräche für ihren künftgen Gatten – o holdes Bild – dein künftger Gatte, er stirbt durch mich, oder ich durch ihn. –

ISABELLA.
Ums Himmels willen, welche Phantasien!
MELANIE.
Meiner ist ganz ruhig, ich lasse ihn los.
AQUILAR.

Los? Bei Gott, laßt mich nicht los, sonst werde ich ein loser Vogel! Wie seid Ihr doch so hold, und wär ich hundert Meilen von Euch, Ihr hieltet mich, seit ich Euch sah. Aber [218] ach, ein anderer Hunger bricht in mir hervor! Er will sie umarmen.

MELANIE.
Um Gottes willen, Tante, er wird auch närrisch!
ISABELLA.
Halte ihn nur fest, – daß er in der Raserei nicht entwischt.
AQUILAR
küßt sie.
O welcher Blitz, der rückwärts schlägt!
MELANIE
läßt ihn los, läuft fort; Aquilar nach.
Jesus – Jesus –
PONCE.
O Fernand, bleibe – Reißt sich los.
ISABELLA.
Da ist der Verwundete entwischt. Läuft ab, schließt die Türe zu.
6. Auftritt
Sechster Auftritt
PONCE
allein.

O lauft zum Guckuck alle, ihr plumpes Volk! das ganze Haus ist breit und unausstehlich – zu ihr allein hat alle Zierde sich gewendet. Wie unter dem gemeinen Haufen scheuen Wildes ein weißer Hirsch mit goldenem Geweih einhergeht, den eine Fee bewohnt, so ragt an stiller Größe sie empor, – und ach! nicht Rast, nicht Ruh, mein Sinnen ewig nach ihr hin, wie stolz sie auf mich niedersah – sie liebet einen andern, und selbst, daß ich in ihren Armen lag, will sie nicht wissen, ist nicht wahr. – Verrückt bin ich, wenn ichs zu glauben wage, und wüßte sie, daß ich so kühn geträumt, so dürfte bald der schöne Traum ein Traum nur sein.

7. Auftritt
Siebenter Auftritt
Ponce; Porporino und ein Diener bringen Aquilar gebunden; mehrere Diener im Hintergrunde.

AQUILAR.
Laßt mich los, sage ich, oder ich breche euch Arm und Bein! O Gabriel, hilf mir doch!
PONCE.
Wie kannst du nur solche Streiche machen?
DIENER
zu Porporino.

Ist das der andere? Der soll auch nicht richtig im Oberstübchen sein: ein schöner Fang, zwei tolle Menschen!

PORPORINO.

Wir wollen ihn noch immer etwas in gebundner Rede sprechen lassen, er phantasiert noch stark, er will uns Arm und Bein brechen, und kann sich nicht rühren; überdies [219] scheint seine Prosa, seine ungebundene Rede grob werden zu können.

AQUILAR.

Du bist fatal, du sprichst, wie ich nur solche Streiche führen könne, und ich kann kein Glied rühren.

PORPORINO
legt abenteuerliche Instrumente auf den Tisch.
Nun werde ich Eure Wunde untersuchen.
AQUILAR.
Ihr wollt mich verbinden?
PORPORINO.
Ja, es ist hohe Zeit, und wenn Ihr es ruhig leiden wollt, soll man Euch losbinden.
AQUILAR.
Gern, aber laßt die Leute abtreten.
PORPORINO.
Geht hinaus, doch wenn ich rufe, kommt – Diener ab. Nun wollt Ihr ruhig sein?
AQUILAR.
Ja – wenn Ihr mich in Ruhe lassen wollt.
PONCE.
Fernand, mache fort, der Lärm bringt mich noch um.
AQUILAR.
Sei nicht so mürrisch. Herr Doktor, ich werde Euch sehr verbindlich sein.
PORPORINO.
Daran zweifle ich nicht, ich habe wohl schwerere Wunden verbunden.
AQUILAR.
Ihr werdet mich sehr verbinden, sage ich, wenn Ihr mich nicht verbindet.
PORPORINO.
Aha – also doch ein Aderlaß am Kopfe nötig? Ihr schwätzt verrückt.
AQUILAR.

Kurz und gut – bindet mich los, und laßt mich unverbunden, – und schafft mir zu essen, ich bin nicht verwundet.

PORPORINO.
Nicht verwundet?
AQUILAR.
Nur hungrig – fünfzig Realen, wenn Ihr schweigt und mir zu essen schafft.
PORPORINO.
Ich stutze – was macht Ihr denn hier – ei, ei – doch wo ist das Geld?
AQUILAR.
Fragt jenen, warum wir uns verstellen! Sprich, Ponce!
PONCE.
O, daß ich mich verstellen muß – daß sie mich nicht kennt!
PORPORINO.
Ich verstehe nicht.
PONCE
zählt Dukaten auf den Tisch.
Versteht Ihr?
PORPORINO.
Noch nicht.
PONCE
zählt fort.
Nun?
[220]
PORPORINO.
Ich habe einen harten Kopf; aber es wird mir klar.
PONCE.
Die Wunde sei nicht bedeutend, werdet Ihr sagen.
AQUILAR.
Und wacker Essen und Trinken sei die einzige Kur, werdet Ihr sagen.
PORPORINO.
Ganz recht, ganz recht, Ihr habt es mir eingeprägt. Steckt ein und geht.
8. Auftritt
Achter Auftritt
Ponce, Aquilar.

PONCE
bindet ihn los.
O wären meine Fesseln so gelöst!
AQUILAR.
Isidora läßt sich wohl nichts einprägen?
PONCE.
Ich bin so ohne Hoffnung, so erbärmlich!
AQUILAR.
Wenn wir nur nicht so schlechte Musikanten vorstellten!
PONCE.
Was kann dir dran liegen?
AQUILAR.
Glaubst du, mir liege so wenig dran, mit dir verwandt zu werden?
PONCE.
Als Musikant bist du es mehr denn als Edelmann.
AQUILAR.

Nein, lieber Gabriel, wie es jetzt steht, haben wir wenig Hoffnung zum Quartett; die Mädchen spielen aus Dur, und wir aus Moll, und du sollst wissen, daß ich verliebt bin.

PONCE.
In ein honettes Weib?
AQUILAR.

Wenn sie das einmal ist, wird sich die Liebe schon mehr gelegt haben – nein; in eine schöne Jungfrau, Melanie de Sarmiento.

PONCE.
Wie ist dir dabei zumute?
AQUILAR.
Das wollte ich von dir hören – und lernen.
PONCE.

O guter Fernand! wenn du noch etwas lernen willst, so liebst du nicht. Wenn du nicht alles weißt und alles vergessen hast, nicht ewig deine Gedanken zu ihr hinziehen, so liebst du nicht. Ist dir nicht, als hättest du in die Sonne geschaut, seit du sie sahst, ist vor deinem Auge nicht ein schimmernder Fleck, wie du es wendest, flieht er mit ihm, und überall ihr Bild, das du nur ansehen kannst – und alles weißt du, was du mit ihr sprachst, die nie mit dir geredet und immer bangt es dir, sie zu verlieren, die du nie besaßest – [221] ein ganzes Leben in schönen, sonnenreichen Tagen und liebestillen Abenden hast du mit ihr gelebt, die nimmer mit dir war – wie sie an deinen Lippen hing, in deinen Armen lag, nur wenige Minuten aus tiefen Lebensnächten, wie sie geflüstert, wie du scherzend ihren Puls gezählt, und dein Aug, ihrem Auge genaht, ihre Blicke fühlte, weil euch die Nacht verhüllt, daß alle Seligkeit nur euch gehöre – ach! in diesem schönen Leben lebst du nur, die Welt versank, es ist nichts gut mehr, nichts mehr bös – alles nur aus dem Herzen ruhiger Erguß in wohltätigen Strömen, alles nur ewiges Empfangen mit süßem, tiefem Durste. – Ist es nicht so, so liebst du nicht.

AQUILAR.
Und wenn sie vor dich tritt?
PONCE.

Und wenn sie vor dich tritt, so bricht der ganze schöne Traum zusammen, du warst im Traum ein Held, und nun, da du sie siehst, bist du so arm, und wünschest, ein Bettler nur zu sein, damit sie gerührt sich zu dir wende und dir einen Pfennig gebe, und dieser Pfennig wird dein höchstes Gut, du wirst ein Geizhals, bettelst immer fort, und hat sie vieles schon gegeben, so schön, so ohne Anspruch, wie der Engel giebt, so hast du einen Schatz gesammelt, und bauest einen Tempel auf, gehst still vor ihr hinein, und betest, denn auf dem Altar steht ihr Bild, und bist du dann recht fromm, so recht ergeben, so steigt sie vom Altare zu dir nieder, und hat dir alles hingegeben – in ihren Armen liegst du, der Tempel, den du dir aus ihren Reizen aufgebaut, erscheint dir wie [die] Welt – die Welt ist schön, Fernand, wenn sie die Liebe neu erschafft.

AQUILAR.

Die Welt ist schön, unstreitig – und mein Hunger ärgert mich nun doppelt; er könnte mich hindern, die schönen Pfennige zu nehmen, die die Liebe, wie du sagst, zu geben pflegt, denn ich hätte große Lust, sie um ein Stückchen Brot zu bitten.

PONCE.
Es kömmt jemand, vielleicht erhältst du Speise.
[222]
9. Auftritt
Neunter Auftritt
Vorige, Valeria mit einer Pastete.

AQUILAR
auf sie zulaufend.

Willkommen, tausendmal willkommen, und wärst du auch ein Teufelchen, so bringst du doch Pasteten! Setzt sich und ißt.

VALERIA.
Ihr seid ja schnell genesen.
AQUILAR.
Sogleich, sogleich.
PONCE.
Du Kleine, bist du lange hier im Hause?
VALERIA.

Seit gestern nur, und doch geliebt, als wär ich Jahre hier, die Fräulein sind so freundlich gegen mich.

PONCE.
O glückliches Mädchen, wie beneide ich dich!
VALERIA.
Ihr wißt nicht, was Ihr beneidet, ich bin sehr arm.
PONCE.

Arm? – Du bist um sie und darfst mit deiner schwarzen Farbe den Glanz von Isidoren erheben; sie giebt dir freundliche Worte? Ach, ich wäre gern wie du ein Diener hier im Hause, ich wäre dann wohl auch geliebt.

AQUILAR
aufspringend.
Au, au, o weh – was Teufels ist das – au!
PONCE.
Was schreist du?
AQUILAR.
Ich habe mir beinahe einen Zahn ausgebissen – ein Goldstück stak in der Pastete.
PONCE.
Leg es beiseite, der Koch hat es verloren.
AQUILAR.
O weh, noch eins, es ist, als wäre ich zum Midas geworden. Ißt behutsamer fort.
VALERIA.
Liebt ihr dann Isidoren?
PONCE.
Kannst du schweigen, bist du treu?
VALERIA.

Ich schweige gern, und bin auch treu – wäre ich ein weißes Mädchen und Ihr liebtet mich, Ihr dürftet dann nicht fragen.

PONCE.
Ich glaube dir; doch weißt du, ob Isidora liebt?
AQUILAR.

Und wieder eins! Höre, Mädchen, wenn du weißt, ob Melanie liebt, so erlaube ich dir mitzuessen, und alle das Gold soll auf dein Teil kommen.

VALERIA.
Ich will kein Gold, doch helf ich gerne, wenn Ihr liebt.
PONCE.
Du gutes Mädchen – ach, liebte sie nur keinen andern!
VALERIA.
Wißt Ihr es dann gewiß? Ich weiß es nicht.
[223]
AQUILAR
steht auf.
Wohlan, ich bin gesund – aber das Gold in der Pastete begreife ich nicht.
PONCE.
Fernand, ist es nicht besser, wenn wir schriftlich unsere Liebe bekennen?
AQUILAR.

Wir müssen dann sehr gescheit schreiben, weil man uns vor kurzen noch für unklug hielt, und das ist schwer bei der Liebe.

PONCE.
Es ist kein andrer Weg, die Mädchen fürchten uns seit jener Szene.
VALERIA.
Ich will die Briefe abholen, schreibt nur.
PONCE.

Um deinen Hals leg ich die schönste Perlenschnur, in deine Ohren häng ich goldne Ringe, und Diamanten soll dein dunkler Busen tragen, lieb Mädchen, wenn du hilfst!

AQUILAR.

Hilf! Mädchen, hilf! Sieh, alles Liebesfeuer, was uns armen Jungen im Herzen brennt, soll sich zu strahlenden Geschenken dir verwandeln.

VALERIA
zu Ponce.

Ihr seid ein Jüngling und ein Sänger, Freund; ich kenne eine Gabe nur, mit der Ihr mich belohnen könnt.

PONCE.
Begehre!
VALERIA.
Habt Ihr wohl früher schon geliebt, hat jemals ein gutes Mädchen so von ganzer Seele Euch umfaßt?
PONCE.
Wie fragst du?
AQUILAR.
Wie kann dich das belohnen?
VALERIA.

Habt Ihr ein treues Herz vergessen, hat diese Liebe einer andern Glück verschlungen, so sollt Ihr, ehe Ihr sie beginnt, der guten abgeschiedenen Liebe einen Kuß opfern, und ein frommes Lied singen, wie man die Seele abgeschiedner Freunde ehrt, ehe man in ein neues Leben tritt. Es ist dies eine Sitte meiner Heimat, und soll ich Euch von Herzen dienen und Eure Freundin sein, so müßt Ihr mir an Eurer vorgen Liebe Statt dies Opfer bringen – dann rechnet, daß ich Euer sei.

AQUILAR.
Ich zähle hin und her – die Sitte gefällt mir, und du auch – denn ich küßte dich gern – nu, Ponce –
PONCE
gerührt.

Schön ist die Sitte deines Landes, Mädchen. Nur eine Liebe soll das Leben sein, und wie das Leben eins nur ist, wenngleich die Freunde still hinüberschreiten, so [224] reiche stets die rührende Erinnerung die Hand auch zu den Lieben hin, die nicht mehr sind, und freundlich schlingen tausend Reihen sich mit Ernst und Freud und Schmerz durchs Leben hin – kein Tod ist dann, wir leben alle, all und lieben doch schmerzlich, schmerzlich ist mir dieses Opfer, die neue Liebe reißt so ganz mich in das Leben!

VALERIA.
Wenn du die Vorzeit ehrst, so wird die Gegenwart dich lieben.
PONCE.
So sei es dann –

Er nimmt die Laute.

Hier, wo neue Liebe mich gefangen,
Der ich nimmer, nimmermehr entgehe,
Denk ich gerne deiner, die vergangen,
Süße Liebe voller Lust und Wehe!
VALERIA.
Zürnet seiner nicht, ihr roten Lippen,
Wollet Trost aus andern Küssen saugen,
Denn er scheiterte an fremden Klippen,
Wendet nimmer heimwärts seine Augen.
PONCE.
Wenn das Leben nicht hinaus mich triebe,
Nicht nach Ferne Sehnsucht mich verzehrte,
Blieb ich dir, du Heimat meiner Liebe,
Die mich scherzen, tändeln, küssen lehrte.

Er küßt sie.
VALERIA.
So sei dann feierlich entbunden;
Wie dieses Kusses Feuer leicht verglühet,
So schließen sich der frühen Liebe Wunden
Und neue, schönre Liebe bald erblühet.
PONCE.
Herzlichen Dank! Mädchen, es ist mir beinahe besser ums Herz; willst du mir nun treu dienen?
VALERIA.
So treu als Euer Liebchen Euch einst liebte – und Ihr, mein Herr? Zu Aquilar.
AQUILAR.

Liebes Kind, ich bin so verliebt, daß ich das Summieren vergessen habe, und ich könnte nichts singen als das Lied aus dem Don Juan, der mein Almherr war:

»Und in Hispanien tausend und drei.«

VALERIA.
Das sind zu viele! Lebet wohl, ich hole die Briefe ab. Ab.
[225]
10. Auftritt
Zehnter Auftritt
Ponce, Aquilar.

PONCE.
Das Mädchen ist unser guter Engel.
AQUILAR.

Ich verstehe das viele Gold in der Pastete nicht, so viel kann der Koch nicht aus Versehen hineingebacken haben; ich habe eine Idee darüber, die mir nicht lieb ist.

PONCE.
Das Gold ist unstreitig befremdend.
AQUILAR.

Ich zweifle nicht, daß es ein honettes Almosen sein soll. – Man hält uns für arme Teufel, und will uns die Pille vergulden, oder macht uns eine Pastete ums Gold. – Ponce, das sind die Pfennige nicht, die die Liebe giebt, wie du sagtest.

PONCE.
Nein – es ärgert mich – aber es zeigt von einer schönen Mildtätigkeit der Mädchen.
AQUILAR.
Die Bettler werden sie nicht lieben.
PONCE.
Und doch wäre es schön, wenn wir als bloße Menschen geliebt würden.
AQUILAR.
Als bloße, nackte Menschen? Bettler sind ja meistens ziemlich bloß.
PONCE.
Dir reicht man Almosen, und was mir ward, darf ich nicht besitzen.
AQUILAR.

Gut, daß du mich erinnerst, was ward dir dann, was fehlt dir? Ich habe eben nicht gesehen, daß man dich so vorzüglich begünstigte.

PONCE.

Ach, Fernand! sie liebet einen andern, sie lag in meinen Armen, und gab mir Küsse, ihr Herz schlug an dem meinigen, ach, und all die süße Lust und Heimlichkeit war an mir verschwendet, war nicht mir war einem andern hingegeben;

sie irrte sich in mir.

AQUILAR.
Aber – ich bin ja nicht von deiner Seite gekommen; ich glaube, du träumst.
PONCE.

Mir träumet nicht – o wärs ein Traum gewesen, so wär es mein, was ich erhielt, denn wahrlich, Fernand, ich lebe nicht, seit ich dies Mädchen sah, ich träumte nur, und was du jetzt von meinen Lippen hörst; wie du mich siehst, das ist mein Leben nicht. In süßen Träumen leb ich nur, im tiefen Schlafe trennt die Wolke sich, die zwischen ihr und mir im [226] Leben ruht, durch die ich liebend meine Arme in öde, gestaltlose Ferne nach ihr ausstrecke, im Schlafe trennt die Wolke sich, und wie der stille Vollmond durch die dunkle Pforte, so bricht sie liebeglänzend zu mir herüber, und all mein Dasein glänzt in ruhgem Lichte, still ruht das Leben rings erleuchtet, und mein Gemüt zieht feierlich die milde Bahn der Strahlen zu ihrem Bild, das an dem tiefen, blauen Liebeshimmel steht. Dann ist sie nichts als lindes, ergebendes Widerstreben, wie des Mädchens Busen, der an des Geliebten Brust sich drängt und hinstrebt, sich in ihm zu lösen, hin, wie die Woge strebt, das Ufer zu küssen, und stutzt, und rückwärts eilt, wie die Elemente, die im Liebesstreite ringend die schöne Welt in ihres Kampfes Mitte erzeugen, und rückwärts kehren, jedes unbesiegt. So wird im Traum mir eine Welt von Liebe im Herzen, und wenn der Tag erwacht – und Ponce erwacht, ach! da ist Ponce das Glühefeuer nur, und ferne von ihm sie, das feuchte Element, aus dem die Göttin aller Liebe ewig zeugend steigt.

AQUILAR.

Du sprichst schön, aber lang, lieber Ponce, und schade, daß sie es nicht gehört – doch verwirre dich nicht, was hat sie dir dann gegeben, woher weißt du, daß sie einen andern liebt?

PONCE.

Als ich gestern, von Sehnsucht getrieben, früher als du hier ankam, ging eine Jungfrau unter den Bäumen auf und nieder. Ich merkte aus ihren Worten, daß sie mich für ihren Geliebten hielt, den sie erwartete; sie umarmte mich heftig, und küßte mich, bis sie den Irrtum einsah und mich beschämt verließ.

AQUILAR.
Das dummste ist, daß es auch Melanie gewesen sein könnte.
PONCE.

Nein, es war Isidora, ich nannte sie mit Namen, Fernand, ich lag in diesen Armen, und ein Verbrechen ist es, das mir ihre Jungfräulichkeit vielleicht nie verzeiht.

AQUILAR.

Freilich, dann solche Verbrechen sind Anschläge auf das Leben der Jungfräulichkeit – aber mit dem Schreiben wird es wunderlich gehn – die Dukaten schicke ich ihr zurück; das gute Mädchen hat vielleicht ihre ganze Sparbüchse mit dieser Wohltat erschöpft – übrigens wollen wir [227] heute abend doch nachspüren, ob wir nicht den Liebhaber fangen.

PONCE.
Wissen wollen wir, wer er ist – ja! Komme, lasse uns im Garten weiter denken. Beide ab.
11. Auftritt
Eilfter Auftritt
Garten mit der Statue; die beiden Mädchen sitzen auf der Bank des Piedestals.
Melanie, Isidora.

ISIDORA.
Es ist eine mißverstandene Freiheit, die man uns giebt.
MELANIE.
Wir dürfen sie ja nur verstehen, die Tante meint es sicher gut.
ISIDORA.
Was sie Mildtätigkeit nennt, nimmt beinahe den Charakter der Vertraulichkeit an.
MELANIE.
Ich tat, was ich konnte, aber er küßte mich doch.
ISIDORA.
Ich könnte den Gedanken nicht ertragen, daß mich ein Fremder küßte.
MELANIE.
Den Gedanken? Ich denke nicht an den Gedanken, aber den Kuß mußte ich nehmen.
ISIDORA.
Ich begreife die beiden Leute nicht – Flandrische Pilger, und sprechen so gut kastilisch.
MELANIE.
Ich möchte sie wohl flandrisch sprechen hören, es sind vielleicht vornehme Pilger.
ISIDORA.

Die wurden nicht ohne Bedeckung gereist sein; allerdings ist etwas Edles in ihrem Betragen, und ich kann darum gar nicht begreifen, wie der eine sagen konnte, er habe in meinen Armen gelegen.

MELANIE.
Das war sicher im Fieber.
ISIDORA.
So küßte dich der andere auch wohl im Fieber – ich möchte ihr Gelübde kennen.
MELANIE.

Vielleicht hat deiner eine unglückliche Liebe gehabt, und meiner begleitet ihn; sie reisen vielleicht, um sich zu zerstreuen.

ISIDORA.
Meiner? und deiner? Du sprichst von ihnen wie von Sachen.
MELANIE.
Ich weiß ja nicht, wie sie heißen.
[228]
ISIDORA.
Ich wollte, sie wären wieder weg, und doch habe ich Mitleid mit meinem.
MELANIE.
Sieh da! Sieh da! – Deiner? Da sagst du ja auch wie ich.
ISIDORA.
Ich versprach mich, wir wollen ihnen Namen geben; welcher Name ist dir am liebsten?
MELANIE.
So lustig mir die Benennung »meiner« klingt, so soll meiner doch Juan heißen.
ISIDORA.
Und jener, den du meinen nanntest – heiße Carlos.
MELANIE.
So können wir dann ohne Störung von ihnen reden.
ISIDORA.

Carlos, glaubst du also, habe eine unglückliche Liebe gehabt; ach! dann ist er sehr unglücklich, er ist so gerührt in seinem Wesen.

MELANIE.
Du gleichst vielleicht seiner Geliebten.
12. Auftritt
Zwölfter Auftritt
Valeria, die Vorigen.

ISIDORA.
Woher, liebes Flämmchen, kömmst du?
VALERIA.
Ich sprach die Pilger, sie sind genesen.
MELANIE.
Beide?
VALERIA.
Ich meinte den Verwundeten.
ISIDORA.
Ist nicht vielleicht der andre kränker? Es blickt eine tiefe Melancholie aus ihm.
MELANIE.
Und sein Freund scheint ihn nur zu begleiten.
VALERIA.
Ich glaube, daß Ihr recht gesehen habt.
ISIDORA.

Der Anfall seines Schmerzes in meiner Gegenwart, so sehr er mich auch erzürnte, rührte mich doch sehr; er ist ein schöner Mann.

VALERIA.
Und sein Leiden ist so wunderbar.
ISIDORA.
Weißt du etwas Näheres davon?
VALERIA.
O! es ist rührend, wie er so schön von der Liebe spricht, er muß unglücklich geliebt haben.
ISIDORA.
Wie betrug er sich – was sprach er?
VALERIA.

Sein Freund hat mir entdeckt, daß er immer noch liebt – und daß er nicht glauben kann, daß seine Geliebte ganz für ihn verloren ist, die ihn nicht mehr liebt. Seine traurige Verirrung ist, daß er oft ganz fremde Wesen für seine [229] Geliebte hält, und auch Ihr, liebe Isidora, macht diesen Eindruck heftiger als je auf ihn. Sein Freund versichert selbst, Ihr seid ihr ähnlich.

ISIDORA.
Das macht mich sehr unglücklich.
VALERIA.
Ihr könnt ihn sehr glücklich machen.
ISIDORA.
Wie kann ich das?
VALERIA.
Wenn Ihr ihn ruhig anhört und ihn freundlich von seinem Irrtum abwendet.
ISIDORA.
O gern! wenn er nicht heftig werden will.
MELANIE.
Hat der andere nicht auch so eine Krankheit, die ich wenden könnte?
ISIDORA.
Ei, sieh! wie artig –
VALERIA.
Vielleicht, vielleicht – Zu beiden. Habt ihr mich lieb?
BEIDE.
Lieb, recht lieb.
VALERIA.
Und wollt ihr nicht auf mich zürnen?
ISIDORA.
Wenn du artig bist.
MELANIE.
Und immer die Wahrheit sagst.
VALERIA.

Ach, ich weiß, wie Liebe schmerzt, drum verzeiht, daß mir die Schmerzen dieser Menschen weh tun, und daß sie mir Briefe gaben, die ich euch geben soll.

ISIDORA.
Briefe?
MELANIE.
An uns beide?
VALERIA.
Zürnet nicht, ich liebe euch so sehr.
MELANIE.
Nun, weil du sie bringst, gieb!
ISIDORA.
Aber ich weiß nicht – Valeria giebt jeder ihren Brief.
MELANIE.

Mein Brief ist so schwer. Geschwind, Schwester, aufgemacht, sonst bin ich verloren! Meiner ist schon auf; doch was soll das Gold im Briefe?

ISIDORA.
Auch dieser ist offen.
MELANIE
liest.

O wehe, sie sind beide melancholisch; was soll das Gold? Was soll das Gold? Er dankt für meine Wohltätigkeit, er habe es nicht nötig – und die Liebesschwüre!

ISIDORA.
Und hier – schon wieder die wunderbare Idee, er habe in meinen Armen gelegen.
VALERIA.
Das muß auf ihre Krankheit einen Bezug haben.
MELANIE.
Soll ich laut lesen?
ISIDORA.
Nein, nein! den meinen lese ich nimmer laut – hier, Valeria, gieb den Brief zurück.
[230]
MELANIE.
Und diesen auch – ich kann ihn auswendig – er ist gemein, oder nicht klug mit seinem Golde.
ISIDORA.

Wir dürfen das alles nicht erklären wollen, die ganze Sache könnte mich beleidigen; ich wollte, Felix wäre hier.

VALERIA.
Ich bringe die Briefe zurück, doch seid den armen Unglücklichen nicht unfreundlich!
ISIDORA.
Gieb mir den Brief noch einmal – Liest. Hier, hier, geschwinde weg mit ihm!
MELANIE.
Ich gehe, an Don Felix alles zuschreiben, und bitte ihn, zu kommen.
ISIDORA.
Ich schließe einen Brief mit ein. Valeria und Melanie ab.
13. Auftritt
Dreizehnter Auftritt
ISIDORA
allein.

Ich habe solche Worte nie gehört, und nie einen solchen Mann gesehen – Du böses Mädchen, das ihn verlassen konnte, er geht mit irrer Phantasie umher; ach mir! wie schön ist mir sein Leid, mich fleht er an um Hülfe für sein Herz – und wenn er an mir genesen könnte und nicht mehr träumte, daß ich seine Liebe sei, wer würde mich dann heilen? – Was Ponce an jener armen Bürgerin getan, das tat an diesem Mann ein Weib – wie traurig und wie innig waren die Worte seines Briefs: »Ich lebte nicht, mein Leben war ein ödes, dunkles Meer, da zogst du über mir herauf, du stiller, voller, liebevoller Mond; die Ufer, die freudigen Lebensufer wachen rings in mildem Glanz, und Ebb und Flut ström ich mit Sehnsucht zu dir hin, und flieh ich ohne Ruh in mich zurück. O soll ich nimmer denn ein Mensch geworden sein! o steig aus mir hervor, du Liebes-Göttin!« – Du armer, kranker Mann, o wäre nicht dein Unglück die Bedingnis deiner Liebe!

PONCE
hinter der Szene.
O weh! verhaßter Brief!
ISIDORA.

Das ist seine Stimme; ich wollte, er wäre freundlich und käme zu mir her – er kömmt – ach, ich verliere den Mut! Versteckt sich.

[231]
14. Auftritt
Vierzehnter Auftritt
Ponce hat den Brief in der Hand, Isidora sitzt auf der andern Seite der Statue; er bemerkt sie nicht.

PONCE
sieht in den Brief.

Sind diese Worte nicht freundlich – sind sie nicht flehend? Und hat sie denn kein Herz? – Ach! ist die Liebe dann nur stumm, und ist die Sprache nur fürs tote eben? O dann verstumme, armer Mann – o dann verwandle mich, allmächtger Gott! – Laß mich zur Blume werden, die ihr entgegenduften darf, zur stillen Lilie, die an ihrem Fenster blüht; die Sonne sollte mich nicht erschließen, nur ihrem Auge wollt ich die stumme Lippe öffnen – Er sieht die Statue des Apoll an, hinter der Isidora sitzt. O wäre ich des ernsten Gottes Bild, der sanfte Todespfeile sendet, der alles Lebens, aller Liebe Zauberei beherrscht, der Lieder giebt und Töne, sie würde dann an mir vorübergehen und ihr Gemüt an mir erheben, und ihre heiligsten Gedanken dächte sie vor mir – o Isidora!

ISIDORA
leise und schüchtern hervortretend.
Wer ruft?
PONCE
steht stumm, läßt den Brief fallen.
O heiliger Gott! du bist es!
ISIDORA
hebt den Brief auf.
Hier Euer Brief –
PONCE.
So gebt Ihr zweimal ihn zurück?
ISIDORA.
Er ist nicht mein.
PONCE.
Ach, alles, alles ist ja Euer – nur ich allein nicht.
ISIDORA.
Euer Unglück schmerzt mich sehr!
PONCE.

O alles, alles habt Ihr hingenommen, das ganze Leben habt Ihr gefangen – reizende Sennora – und ich allein, ich stehe bodenlos, und himmellos – und steig und sinke, – bloß ein trauriger Gedanke.

ISIDORA.
Ruht, seid nicht heftig, sprecht gelinde! Auf stillen Wegen flieht der Schmerz allein.
PONCE.
Wie still seid Ihr – und ach, mein Schmerz, er ruht auf Euch!
ISIDORA.
Ihr bewegt mich.
PONCE.
So laßt ihn fliehen, meinen Schmerz!
ISIDORA.
Ihr seid krank, mein Freund.
[232]
PONCE.
Krank und doch im ewigen Genesen, – denn nimmer einzig Heil! wollt Ihr mich heilen!
ISIDORA.

Ihr ängstigt mich – ich bin nicht Eure Liebe – Ihr liebtet mich nicht – ich bin Isidora de Sarmiento – lieber Freund – aber zürnet nicht auf mich. Ab.

15. Auftritt
Funfzehnter Auftritt
PONCE.

Nicht meine Liebe? So ist dies dann nicht mein Leben. – Ich liebte eine andere – Isidora de Sarmiento – habe ich dich nicht versöhnt, Valeria? – Ist dies nur Strafe, muß ich nur diese lieben, weil ich jene verließ – ach, und wie freundlich sie mich hörte, wie sie so gütig war! Wärst du hier, Valeria, du entbändest mich vor ihren Augen meiner Schwüre, vor ihr muß Mann und Weib entsagen – entsagen? – Ein andrer lebt, den sie liebt – ein andrer? – Soll ich leben, da ein andrer so unendlich besser ist als ich?

16. Auftritt
Sechszehnter Auftritt
Ponce; Aquilar wirft den Brief mit dem Golde an die Erde.

AQUILAR.
Da bin ich auch.
PONCE.
Ich wollte, du wärst im Himmel, und ich, und die ganze Welt!
AQUILAR.
Auch im Himmel würden uns die Mädchen die Hölle heiß machen.
PONCE.
Was sagte Melanie?
AQUILAR.

Sie sagte – sie verachte mich mit dem Golde – und als ich fragte: Ohne das Gold? sagte sie: Das ist zu spät!

PONCE.

Und mich bemitleidet Isidora auf eine bezaubernde Weise, sie sagte: sie sei es nicht, die ich liebe, sie bedaure meine Krankheit!

AQUILAR.

Ich glaube immer fester, daß beide ihre Liebe schon haben. Du weißt, im Walde hörten wir einen Mann, der ein Liebeslied sang – wir wollen heute abend doch zu erfahren suchen, wer die Glücklichen sind.

PONCE.

Ich möchte wissen, wer er ist – mein Feind – vielleicht der einzige, der mein Freund sein könnte! Beide ab.

[233]
17. Auftritt
Siebenzehnter Auftritt
MELANIE.

Da liegt der wunderliche Brief mit dem Golde wieder – ich tripple herum, und weiß nicht, was ich soll ich habe gar keine Ruhe mehr, er ist ein schöner Mann, aber daß er auch so eine seltsame Art von Liebe hat, daß er meint, ich hätte ihm die Dukaten gegeben, – vielleicht hat es die gute Tante getan, und er ist nur im Irrtum, – da kömmt ja mein Schwesterchen. –

18. Auftritt
Achtzehnter Auftritt
Melanie, Isidora.

ISIDORA.
Liebe Melanie – wie ist dir?
MELANIE.

Mir? mir ist es etwas langweilig! Ich ging im Garten herum, und wußte nicht, was ich sollte, und endlich stand ich hier, wo soeben die Fremden gestanden waren, und es war mir, als sei ich ihnen nachgelaufen – da stehe ich dann vor dem dummen Briefe – und weiß wieder nicht, was ich soll.

ISIDORA.
Hast du an Felix geschrieben, und mein Zettelchen mit eingeschlossen?
MELANIE.
Alles.
ISIDORA.
Ich wollte, diese Leute wären fort, und doch –
MELANIE.
Und doch?
ISIDORA.

Und doch wollte ich, sie wären keine Fremde, und wären nicht krank. Sieh, da kömmt Flämmchen, die hat vielleicht Trost für uns.

19. Auftritt
Neunzehnter Auftritt
Valeria, die Vorigen.

VALERIA.
Nun, ihr lieben, holden Ärzte, was machen unsere Kranken?
ISIDORA.

Immer krank, ach, und wüßte er, wie er so schön in seiner Krankheit ist, wie schön er spricht, er würde nicht gesund.

[234]
MELANIE.

Und hätte mein Patient die fixe Idee mit dem Golde nicht gehabt, ich wüßte nicht, wie er vernünftiger sein könnte.

VALERIA.
Habt Ihr denn nicht gefragt, was er damit wollte?
MELANIE.

Ich glaube nicht – ich gab ihm sein Briefchen hin, und war so angst und bang, daß ich davonlief, es war hier im Garten – wie ich um den Busch herum war, ging [ich] ganz langsam, aber er kam nicht mehr.

VALERIA.

Ich komme soeben von eurer Tante, wo ich die beiden sah. Die Tante will, ihr sollt ihnen den Schlüssel von eures Bruders Garderobe bringen, daß sie sich ein wenig umkleiden können – Hier ist er, wer will ihn bringen? Die Schwestern sehen sich an.

ISIDORA.

Aber wird Felix nicht ungehalten sein, wenn wir über seine Kleider schalten und walten, wie wir ihnen schon seine Wohnung einräumten.

MELANIE.

Die Pilgerkleidung ist allerdings so breit – es werden ganz andere Leute sein in Felix seinen schönen Kleidern. Aber ich glaube gar, Felix hat die Kleider hier, die wir ihm gestickt haben; es wäre wunderlich, wenn sie diese Kleider anzögen.

ISIDORA.
Ich fürchte, wir würden durch diese Kleider zu vertraut mit ihnen werden.
VALERIA
den Schlüssel hebend.
Geschwind, wer will den Schlüssel bringen?
MELANIE.
Tust du es lieber, Isidora?
ISIDORA.
Mir ist es gleich.
MELANIE.
Wenn ich dir einen Gefallen damit tue –
ISIDORA.
Ziere dich nicht, gehe, gehe!
MELANIE.
Wenn du glaubst, es mache mir viel Spaß –
VALERIA
giebt ihr den Schlüssel.
Fort, fort, geschwind!
ISIDORA
sie drängen sich fort.
Ei, wie gern sie es tut!
MELANIE.
Nun, wenn es euch freut, mit Gewalt! Ab.
[235]
20. Auftritt
Zwanzigster Auftritt
Valeria, Isidora.

ISIDORA.

Lieb Mädchen, ich habe heute viel an deine unglückliche Freundin gedacht – die arme Valeria – ich habe auch Felix geschrieben, er solle Ponce zanken – ach, dieser Ponce!

VALERIA.
Dieser Ponce? Ihr habt doch nicht vergessen, wie dieser Ponce Euch liebt?
ISIDORA.

Hier an der Statue saß ich vorhin, als der Fremde seine wunderbare Liebe und seine Trauer ergoß; er sprach in schönen Worten, Flamma!

VALERIA.
Und Ihr wart freundlich gegen ihn?
ISIDORA.
So freundlich als ich konnte. Da ich merkte, daß meine Freundlichkeit aufhörte, verließ ich ihn.
VALERIA.
Aufhörte? Warum hörte sie denn auf? War er Euch unangenehm?
ISIDORA.

O Himmel, nein, das kann er nimmer – aber es ward mir bang – es war keine Freundlichkeit mehr – ich wünschte, er verwandle sich in Felix, ich hätte ihm dann um den Hals fallen können – aber so ist er nur krank – ich bin ein schlechter Arzt – Flammetta, es war mir plötzlich, als sei er gar nicht krank – als liebe er mich wirklich – da ging ich von ihm weg, und dachte an die arme Valeria.

VALERIA.
An die arme Valeria? was dachtet Ihr?
ISIDORA.

Ach, wie muß es erst einem armen Mädchen sein, wenn sie unglücklich liebt! Sie kann nicht fortlaufen, nicht reisen, – sie muß immer stumm fortleiden!

VALERIA.

Valeria würde ganz ruhig sein, wenn sie wüßte, wie hold Ihr seid; und wenn Ihr Ponce lieben werdet, wird sie glücklich sein.

ISIDORA.

Ponce – still, still, ich will von ihm nichts wissen – ich hasse ihn, wie ich das Mädchen hasse, das meinen armen Pilger so unglücklich machte – wenn ich machen könnte, daß zur Strafe der böse Ponce und das böse Mädchen sich ineinander verliebten!

VALERIA.

Und Valeria erhielt', was sie will – und der Pilger verwandelte sich in einen reichen Grafen, und seine Krankheit würde sein Ernst – und?

[236]
ISIDORA.

Schweig, schweig! du machst mich ganz verwirrt! Du und der Fremde, seit ihr im Hause seid, habe ich ohnedies keine Ruhe mehr; wenn du nun noch so verwickelte Sachen sprichst! – Wo nur Melanie bleibt, sie wird doch nicht so lange bei den Pilgern verweilen?

VALERIA.
Da kömmt der gute Hausmeister. Ich bin ihm recht gut, er hegt mich und pflegt mich.
ISIDORA.
Auch ich mag ihn leiden, er ist immer so fröhlich wie die Ehrlichkeit.
21. Auftritt
Einundzwanzigster Auftritt
Ich muß bemerken, daß dieser Akt Nachmittag gegen drei Uhr an fängt, in der vorhergehenden Szene schon Abend wird und es nun schon ziemlich dämmert. Vorige, Valerio.

VALERIO.

Donna Isidora, Ihr werdet oben verlangt – Ihr werdet Eure Augen nicht genug auftun können über die Herrlichkeit – die beiden Fremden schlagen die Laute und singen dazu, und tanzen und sprechen Flandrisch, und sind so schlank und zierlich in der veränderten Kleidung – Ihr fehlt allein noch, um die Freude zu vollenden.

ISIDORA.
Das Gelübde der beiden muß so leicht sein, als die Wunde des einen war.
VALERIO.
Wenigstens sind sie selbst leichter als ihr Gelübde.
ISIDORA.
Guten Abend, ihr Lieben! Ab.
22. Auftritt
Zweiundzwanzigster Auftritt
Valeria, Valerio.

VALERIO.

Gute Kinder sind das, du dunkles Flämmchen, du hast dein Glück gemacht, und ein ehrliches, stilles Haus ist das; aber ich kann doch nicht recht froh werden, und war diesen Nachmittag sehr traurig.

VALERIA.
Was fehlte Euch dann, Lieber?
VALERIO.
Alles, ich bin eigentlich ganz allein.
VALERIA.
Ei, bin ich dann nicht Eure gute Freundin?
[237]
VALERIO.

Ja, aber meine gute Tochter nicht – und da habe ich heute nachmittag an einem Briefe für sie geschrieben, und wollte ihn heute abend hineinschicken; über dem Schreiben ging aber die Zeit so hin, daß es nun schon dunkel ist und er heute nicht kann hingetragen werden.

VALERIA
giebt ihm die Hand.
Glaubt, ich wäre Eure Tochter, und gebt mir den Brief; ich will Eure Tochter werden!
VALERIO.
Warte noch ein wenig, da wird es ganz dunkel, da kann ich nicht sehen, daß du schwarz bist.
VALERIA.
Ihr seid ein guter, höflicher Mann!
VALERIO.
Ha, ha, hast du gemerkt, daß ich das Sprüchwort nicht vorbrachte: Bei der Nacht sind alle –
VALERIA
hält ihm den Mund zu.
Artig, Väterchen!
VALERIO.
Du sagtest heute morgen, du hättest ein Lied für mich gemacht; singe mirs nun!
VALERIA.
Setzt Euch hierher – ich verstecke mich, damit es Euch täuscht.
VALERIO
setzt sich an die Seite der Statue, gegen die rechte Kulisse über.
VALERIA
setzt sich auf die entgegengesetzte Seite, fängt an zu singen.
Nach Sevilla, nach Sevilla –
VALERIO
im Schlosse erleuchtete Fenster und Musik.

Still, mein Kind – halte noch ein wenig ein – ich will mich erst recht bedenken – hier diese Bank ist die Bank vor meiner Türe – vor mir Nachbars Garten – dort die erleuchteten Fenster und die Musik, das ist des Tanzmeisters Pallero Haus, wo Valeria tanzen lernte, und du bist Valeria, kömmst eben vom Tanze.

VALERIA.
Wartet, ich komme! Geht fort.
VALERIO.

Ein gutes Mädchen – Pfeift rufend. Nun könnte sie doch kommen, ich habe gern, daß sie hübsch tanzen lernt, ihre Mutter tanzte wie ein Engel, auch ich konnte es so ziemlich, doch zuviel macht Ernst aus Spiel – Pfeift rufend.

VALERIA
kommt von der Schloßseite her, hüpft und trallert eine Tanzmelodie.
Guten Abend, Väterchen – Küßt ihn.
VALERIO.

Gehe hinein, Kind, du bist warm, die Luft ist kühl, kleide dich wärmer an, – sing mir ein Liedchen durchs Fenster, dann komme heraus zu mir!

[238]
VALERIA.
Ich komme gleich wieder. Geht auf die andere Seite der Statue.

Nach Sevilla, nach Sevilla,
Wo die hohen Prachtgebäude
In den breiten Straßen stehen,
Aus den Fenstern reiche Leute,
Schön geputzte Frauen sehn,
Dahin sehnt mein Herz sich nicht!

Nach Sevilla, nach Sevilla,
Wo die letzten Häuser stehen,
Sich die Nachbarn freundlich grüßen,
Mädchen aus dem Fenster sehn,
Ihre Blumen zu begießen,
Ach, da sehnt mein Herz sich hin!

In Sevilla, in Sevilla
Weiß ich wohl ein reines Stübchen,
Helle Küche, stille Kammer,
In dem Hause wohnt mein Liebchen,
Und am Pförtchen glänzt ein Hammer.
Poch ich, macht die Jungfrau auf!

Hier nähert sich Porporino, giebt Zeichen der Verwunderung über den Gesang; er ist nicht als Doktor, sondern in seiner rechten Kleidung.

»Guten Abend, guten Abend –
Lieber Vater, setzt Euch nieder!
Ei, wo seid Ihr dann gewesen?«
Und dann singt sie schöne Lieder,
Kann so hübsch in Büchern lesen,
Ach! und ist mein einzig Kind.
VALERIO.
Gut, hübsch, komme heraus, liebes Kind, komme!
VALERIA.
Gleich! Sie tritt hervor.
23. Auftritt
Dreiundzwanzigster Auftritt
Vorige.

PORPORINO
umfängt die vortretende Valeria.
Guten Abend, Engel, Valeria!
[239]
VALERIA.
Ei, was fällt Euch ein? Herr Doktor!
VALERIO.
Da bist du drein geplumpt. Flammetta spielte mir Komödie, als wäre ich zu Hause.
PORPORINO.

Komödie? Freilich, es ist nur Komödie – aber nun auch keine Minute länger – ich bin auf dem Wege, ich gehe nach Sevilla, heute nacht noch, und setze mich vor die Haustüre auf die Bank.

VALERIA.
Ihr, Herr Doktor?
PORPORINO.

Ja, ich habe Geschäfte dort – und will es nicht länger verbergen und aushalten, ich will zu Valerien.

VALERIO.
Die ist aber im Kloster.
PORPORINO.
So gehe ich ins Kloster.
VALERIA.
Ins Nonnen-Kloster?
PORPORINO.
Wenn sie mich nicht hineinlassen, so werde ich eine Nonne.
VALERIO.
Wenn du mit aller Gewalt hin willst gehen, so grüße sie, und bringe sie her.
PORPORINO.
Ich habe auch einen Brief von Isidora an Don Felix bei mir; lebt wohl!
VALERIA.
Ich gehe ein bißchen mit.
VALERIO.
Aber nicht weit! Du weißt, es ist nicht richtig im Walde.
VALERIA.
Sie sehen mich nicht bei der Nacht.
VALERIO.
Wenn du nicht bald kömmst, kannst du nicht herein.
VALERIA.
Ei, Ihr macht Eurer Tochter die Türe doch auf!
VALERIO.

Ja, wenn sie zur rechten Zeit kömmt. Nun lebe wohl, Porporino, mache aber heute nacht nicht zuviel Lärm vor dem Kloster. Ab.

PORPORINO.
Geschwind, Nachtvogel!
VALERIA
singt.
Nach Sevilla, nach Sevilla! Beide ab.
24. Auftritt
Vierundzwanzigster Auftritt
Isidora, Melanie.

MELANIE.
Hier ist Flammetta nicht, aber ich wollte jemand anders wäre hier.
ISIDORA.
Wer könnte das sein?
MELANIE.
Ach! Felippo, und –
[240]
ISIDORA.

Und Carlos, meinst du? Nein hier – jetzt wäre es nicht gut, die schöne Musik, der Tanz, alles das könnte ihnen das Wort zu sehr reden – Flammetta wird schon oben sein.

ISIDORA.
Es wird schon spät, komme – Scherzhaft. Gute Nacht, Carlos!
MELANIE.
Gute Nacht, Felippo! Beide ins Schloß.
25. Auftritt
Fünfundzwanzigster Auftritt
Ponce, Aquilar treten plötzlich hervor.

PONCE
nicht ganz laut.
Gute Nacht, Carlos? Gute Nacht, Felippo? Haben wir euch, ihr glücklichen, verdammten Namen!
AQUILAR
ruft ihnen nach.
Gute Nacht, Melanie! Gute Nacht, Isidora!
VALERIA
geht hinten aus dem Walde schnell übers Theater weg und ruft.
Gute Nacht!
AQUILAR.

Hörst du, Ponce! sie glaubten, ihre Liebhaber grüßten noch einmal, und antworten. Gewiß haben die Glückseligen ihren Weg hier durch den Wald genommen – komme, komme!

PONCE.
So ist es wahr?
AQUILAR.
So komme doch!
PONCE.
O Isidora, verzeihe mir!
AQUILAR.
O Melanie, ich verzeihe dir es nimmer!Wollen abgehen. Halt! ich höre sprechen, sie nähern sich.
PONCE.
Die Mädchen entfernten sich ja grüßend.
AQUILAR.

Ja, aber sehr laut, sie wollten vielleicht nur den Horcher täuschen – der Gruß schien mir für die Liebe zu laut.

PONCE.

Du sprichst wahr, die Liebe flüstert nur, und zu allem, was wirklich in ihr ist, dazu braucht sie das klingende, verräterische Wort nicht; nur die einsame Liebe ertönt, wo zwei sich einigen, da sprechen Blicke und –

AQUILAR.
Und wenn es dunkel ist? da sieht man die Blicke nicht.
PONCE.

O laß es dunkel sein, erkläre nicht, wie Liebe spricht in der Dunkelheit – als sie mich umarmte, küßte, ach! da war es dunkel.

[241]
AQUILAR
lauschend.

Still, ich höre flüstern, die ein Stimme fragte die andere, ob sie den Schlüssel hätte; ja, zu allen Türen, war die Antwort, zu allen Türen, die wir unsrer Liebe öffnen.

PONCE.

O wehe – verstandst du recht? – Lauter. O! armer Felix, deine Schwestern sind Buhlerinnen bei Nacht – komm, laß uns zurück, über seiner Ehre zu wachen.

AQUILAR.
Sprich leiser; so ist dies Haus dann nicht mehr das Haus unsrer Geliebten?
PONCE.

Nein, und doch – o ich wollte, die ganze Welt wäre liederlich und lasterhaft; ich schnitte dann den beiden Herren die Hälse ab, und die Mädchen machten sich nichts draus, und ließen uns statt ihrer ein.

AQUILAR.

Du bringst mich auf einen Einfall – die Mädchen erwarten ihre Geliebten; wir wollen ihnen zuvorkommen.

PONCE.
O Himmel, es wäre schrecklich, es wäre viel gewagt es wäre völliger Triumph – ich fasse es nicht!
AQUILAR.
Wenn nur die Mädchen uns umfassen – komme!
PONCE.
Was sind wir?
AQUILAR.
Waghälse, die sich gern an schönen Hälsen wiegten.
PONCE.

Grad ausgestreckt liegt sie, und denkt auf Gespräche an ihren künftgen Gatten – o Gott – und solche Träume soll ich stören!

AQUILAR.

Ins Teufels Namen! lamentiere nicht – ich weiß nicht, ob Melanie grad oder schief liegt, darum will ich es sehen! Fort! Beide ab.

26. Auftritt
Sechsundzwanzigster Auftritt
Felix und Lucilla, die als Mann gekleidet ist.

FELIX.
Hier ist das Haus, wo wir sicher sind, wo uns die Liebe glücklich macht.
LUCILLA
stößt mit dem Fuß an den Brief mit dem Gelde.
Da hat jemand Geld verloren – und Papiere.
FELIX.

Gieb, ich will es zu dem Briefe stecken, der mir im Walde gegeben ward; morgen sehen wir, was es ist.

LUCILLA.
Ich bin immer noch so scheu, hier ins Haus zu gehen.
FELIX.
Wir haben viel gewagt – die Liebe lohnt alles.
[242]
LUCILLA.
Wenn Isidora und Melanie nur nicht böse werden!
FELIX.
Ei, bös? Sei klug!
LUCILLA.
Bist du sicher, daß uns niemand hört?
FELIX.

Die alte Tante schläft hinten hinaus – die Mädchen vorn, und die sollen es ja wissen, – ich weiß ja Weg und Steg komme!

LUCILLA.
Hast du gehört, was vorher hier gesprochen wurde?
FELIX.

Ich bitte dich, vergesse es – sie sprachen Böses von den lieben Mädchen – es wäre traurig – und wer macht es besser? Sind wir selbst auf Wegen, die das Geschwätz billigen würde? Komme! Beide ab.

27. Auftritt
Siebenundzwanzigster Auftritt
Ponces Stube, dunkel. Ponce, Aquilar, eintretend.

PONCE.

Tue, was du willst! Genug, daß ich meines Unglücks versichert bin. Ihr Glück, das Glück der Liebenden zu stören, ist fürchterliche Sünde.

AQUILAR.
Sind wir nicht Liebende? stören diese Herren unser Glück nicht?
PONCE.
Wird sind nicht geliebt.
AQUILAR.

Wenn ich die Sache so einrichten könnte, daß Isidora ihren Geliebten ruhig empfangen könnte – freilich, auf die habe ich keine Rechte.

PONCE.
Schweig, tue was du willst – ich gehe morgen nach Flandern zur Armee!
AQUILAR.
Ohne dich zu erkennen zu geben?
PONCE.

Wozu die Prahlerei? Tue das Deinige – auf mich hat kein Mensch mehr Rechte, seit Isidora einen andern liebt.

AQUILAR.

Ich gehe auf gut Glück! Sollte ich durch Zufall sehen, ob Isidora grad oder schief im Bette liegt – so werde ich es Ihnen hinterbringen, Herr Ponce! Ab.

28. Auftritt
Achtundzwanzigster Auftritt
PONCE
allein.

Valeria! – Valeria! mir wird schwer gelohnt doch auch das ist gut – alles ist gut – ich will dreinschlagen, so hat der König einen neuen Diener – es ist lustig, weil mich [243] das Mädchen nicht liebt, liebe ich das Vaterland – man muß auch gar nichts haben oder alles, um ein Vaterland zu haben. – Lange, lange Weile, o ich möchte die Stühle zusammenbrechen, um zu arbeiten, – ich will mein Testament machen, denn wahrlich, ich liege in den letzten Zügen! Er schlägt Feuer. Wie die Funken so lebendig sprühen, ein schönes, kurzes Leben! Auch ich habe gesprüht, kein Licht an mir gezündet! Er steckt das Licht an. – So, mein liebes Licht, brenne, solange ein Fäserchen an dir ist – da ist ja auch noch das Testament meines Onkels, das mich um eine Million reicher macht; ich habe diese wichtigen Geschäfte über der Liebe ganz vergessen – da kann ich die Formeln absehen, es unterhält mich! Ihr alten Ponce alle – ich bin der letzte Ponce Mit dem Licht und Testament nach der Nebenstube. Feuer schlagen will ich, Feuer schlagen bei der Armee, bis kein Stahl und Stein mehr an mir ist! Ab.

29. Auftritt
Neunundzwanzigster Auftritt
Felix, Lucilla. Es ist ganz dunkel.

LUCILLA.
Hier werden wir also bleiben heute nacht?
FELIX.

Ja hier, wo ich schon oft recht froh und traurig war. Gleich hier neben in der Stube steht ein Ruhebett für dich, und ich bleibe hier auf einem Stuhle.

LUCILLA.
So zeige mir den Weg in die Stube, ich könnte mich stoßen.
FELIX.
Verzeihe, ich liebe dich so, daß ich immer glaube, du wüßtest alles, was ich weiß.
LUCILLA.
Du bist etwas unzufrieden?
FELIX.

Was ich von den Mädchen hörte, stört mich – komm! Er führt sie, kömmt an einen Stuhl auf dem Kleider liegen. Da liegen ja meine Kleider, wer tat sie hierher? Die ganze Stube scheint mir verändert.

LUCILLA.
Du bist vielleicht irre gegangen – ich sehe durch eine Spalte in der Türe Licht in der Nebenstube.
FELIX.
Licht?
LUCILLA.
Es spricht – Lauscht. »O Isidora, o Isidora!«
FELIX.
Wie, so wäre es wahr – höre recht!
[244]
LUCILLA
lauscht.

»Zweitausend Dublonen dem alten Valerio viertausend dem Porporino zur Ausstattung« – es ist ein Sterbender – man macht ein Testament – höre! – »Valerien mein ganzes Hab und Gut, wenn ich sterbe.«

FELIX.
Aber um Gottes willen! – wer soll das sein?
LUCILLA.
Ich bin so müde, Lieber!
FELIX.
Setze dich dort in den Stuhl, liebes Kind, ich bin ganz verwirrt.
LUCILLA.
Gehe, Lieber, und erkundige dich bei deinen Schwestern!
FELIX.
Du hast recht – bleibe nur ruhig. Geht nach der Türe.
30. Auftritt
Dreißigster Auftritt
Aquilar, Vorige.

AQUILAR.

Bist du noch da? He, mein Herr! nun ist es zu spät; ob Isidora gerad oder schief im Bette liegt, willst du wissen, – o ich Glücklicher, ich Glücklicher, warum gingst du nicht mit!

FELIX
faßt ihn bei der Kehle.
He, Schurke, Ehrenräuber!
AQUILAR
ringt mit ihm.
Ei, Ihr! Herr Felippo, seid es, Ihr seid irr gegangen – aber auch an mir seid Ihr irre.
FELIX
ruft.
Licht! Licht!
AQUILAR.
Die Klingen los, die Klingen sollen leuchten!
LUCILLA.
O Gott, o Gott!
AQUILAR.
Ei, sieh, doch eine der Damen hier!
FELIX.
He, aus der Nebenstube heraus, Herr Testamentarius!
31. Auftritt
Einunddreißigster Auftritt
Vorige, Ponce in Hemdärmeln mit dem Lichte; alle in der höchsten Verwunderung.

AQUILAR.
Um Gottes willen, Felix! ei, und Lucilla! ich gratuliere.
FELIX.
Ihr, Ihr seid es, aber Himmel!
PONCE
umarmt ihn.

Ja, wir und – du! Gottes Segen über dich – und Fluch über uns! So haben also wir deinen Schwestern Unrecht getan!

[245]

5. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt
Garten mit der Statue, sehr frühe. Valerio und Valeria.

VALERIO.
Hörst du nichts klimpern oder quieken, Flämmchen?
VALERIA.

Ich höre nichts – auf was wartet Ihr nur, und was soll ich dabei? Ihr hättet mich wohl noch ein bißchen schlafen lassen können, es ist noch kühl. Sie hüllt sich ein.

VALERIO.

Ja, es war eine unruhige Nacht, eine ungezogne Nacht, so recht nach der neuen Sitte. Hörst du immer noch nichts klimpern oder quieken? Die Mohren sollen ja so ein vortrefflich Gehör haben.

VALERIA.
Ei, wie soll es dann klimpern und quieken?
VALERIO.
Es soll klimpern und quieken wie eine Hochzeit, die in der Ferne übers Land zieht.
VALERIA.
Wessen Hochzeit? Sprecht doch!
VALERIO.

Das weiß ich selbst noch nicht. Heute, mein Kind heute ist ein herrlicher Tag, und wenn Porporino Valerien mitbringt, so ist die Freude vollkommen. Sage, was war das heute nacht für ein Partikularlärmen? Die Hauptsache weiß ich: der Sohn aus dem Hause hat die Tochter aus einem andern Hause entführt und in dieses Haus gebracht. Aber ich hörte auch deine Stimme, du zanktest.

VALERIA.
Ei, der eine Pilger wollte in der Fräulein Stube!
VALERIO.

Nun sage mir noch einer einmal, daß die großen Herren nicht gradeaus sind, – und du jagtest ihn gehörig?

VALERIA.

Natürlich! Jetzt höre ich Geräusch im Walde, aber keine Musik, keine Hochzeit, die über Land zieht; und wer sollte auch so frühe Hochzeit halten?

VALERIO.

Ei, liebes Kind, es ist manchmal in aller Frühe hohe Zeit. Aber ich will dir nun sagen, worauf ich eigentlich warte. Ich warte auf Hülfstruppen und Musikanten, denn heute ist ein wunderlicher Tag, ein wetterwendscher Tag, der nicht wissen wird, wozu er sich entschließen soll. – Es ist wahrscheinlich, daß die entführte Jungfrau verfolgt und wir belagert werden; da müssen wir uns null wehren. Auch ist [246] es möglich, das alles gut abläuft und die Leute sich heiraten, und da müssen wir tanzen. Gieb nur acht, ob, du nichts klimpern hörst.

VALERIA.
Wißt Ihr denn das alles zum voraus?
VALERIO.

Nein – darum eben harre ich auf ein Zeichen vom Himmel, denn sieh, morgens so ganz früh glaubt die Zukunft, die Menschen schliefen noch, und exerziert sich einstweil, wie sie's machen soll; ja, aber bei mir da müßte sie früher aufstehen. Nun beobachte ich, was es geben wird. Klimpert es in der Ferne wie Musik, so bedeutet es Hochzeit; klimpert es wie Schwerter, so giebt es Krieg.

VALERIA.

Aber wenn es gar nicht klimpert, wie jetzt, was bedeutet es wohl dann? – Da kommt ein Mann, das war das Geräusch.

VALERIO.
Ein Mann, kein Phänomen, der wird reden können; desto besser, auf den wartete ich eigentlich.
VALERIA.
So habt Ihr mich wohl nur zum besten gehabt?
VALERIO.
Ei freilich, du sollst ja die Beste sein, so will es die Moral.
2. Auftritt
Zweiter Auftritt
Vorige; Alonso, ein Schulmeister.

ALONSO.
Seid Ihr der Hausmeister? Hier ist ein Brief an Euch.
VALERIO
liest.

Gut! Ich mache Euch mein Kompliment, Herr Schulmeister. Es ist mir leid, daß Ihr so frühen Auftrag erhieltet.

ALONSO.
Früh gesattelt, spät geritten! Was man früh lernt, kömmt einem spät zustatten.
VALERIO.
Nur nicht zu spät! Wieviel streitbare Männer habt Ihr im Dorfe?
ALONSO.

Ach, die lassen sich zählen, besser als die Prügel, die sie von ihren streitsüchtigen Weibern kriegen mögen.

VALERIO.

Die Prügel mögen den Takt und die Taktik in sie schlagen, denn die Ordre im Briefe des gnädgen Herrn lautet Liest. »Der Herr Schulmeister wird Euch eine Anzahl Musikanten stellen, welche, ehe sie ihr freundliches Spiel anfangen, voll feindlichem Ernst zu sein scheinen.«

[247]
ALONSO.

Alles das zusammen wird Mühe kosten. Lasset uns erwägen, voll feindlichem Ernst – voll? Nun, das wäre zu haben, wenn Ihr eine gute Portion Wein zum besten gebt; feindlich? Ja, auch so – volle Leute werden grob und prügeln sich untereinander, leider, leider! Ernst? Das ist nun der böse Punkt; es wäre selbst nicht zu hoffen, nein, es wäre schrecklich, wenn es einem Besoffen Ernst wäre! Hui, das gäbe der Lehre von Gutem und Bösen eine böse Wendung!

VALERIO.
Nun, das wird sich alles finden, wenn Eure Musikanten nur gut spielen.
ALONSO.

Ich will sie Euch zusammenzählen, ob sie gut zusammen zählen oder zusammen spielen werden, muß der Himmel verfügen, denn es sind einige theoretische Genies unter ihnen, die alles schlechter zeigen als die andern, aber dafür wieder alles besser wissen; – in meinem Dorfe sind drei Lautenschläger, aber nur eine Laute.

VALERIA.
Wenn sie nur nicht alle drei auf der einen Laute schlagen wollen.
ALONSO.
Eher stünde zu erwarten, daß sie sich um die eine Laute schlügen.
VALERIO.
Hier im Schlosse sind zwei Lauten.
ALONSO.

So wäre geholfen, – dann habe ich einen Geiger, der etwas mager und auf der E-Saite nicht ganz capable ist.

VALERIO.
Gott gebe dann, daß er nicht verheiratet sei!
ALONSO.

Oder Gott nehme ihm seine Frau, denn sie ist allein schuld, sie hat ihm diese E-Saite oft gebrochen. Dann habe ich einen Pfeifer, der von der Armee zurückblieb, weil er die schnellen Märsche nicht vertragen kann.

VALERIA.
Er wird wohl nur Leichenmärsche blasen können; der paßt nicht zur Hochzeit.
VALERIO.
Er hat wohl die Schwindsucht, weil er die schnellen Märsche nicht blasen konnte?
ALONSO.

O! er mußte leider so viel blasen, daß er keine Zeit zum Pfeifen behielt, er ist sehr dick, und da es zu schnell in den Krieg ging, bekam er unterwegs die Verschwindsucht, verirrte sich in ein Kornfeld, und fand den Weg nach Haus; bei der Armee glaubt man noch jetzt, er sei unterwegs geschmolzen, übrigens ist er ein pfiffiger Pfeifer.

[248]
VALERIO.
Summa Summarum?
ALONSO.

Summa Summarum, mit diesen Fünfen und mehreren aus der Gegend, welche aber nur biskayische Tänze spielen können, wird ein Dutzend zusammenzubringen sein. – Gott gebe, daß sie zusammenbleiben!

VALERIA.
Zusammen pausieren werden sie vortrefflich.
VALERIO.

Diese schlechten Musikanten und guten Leute also werden sich unter Eurer Anführung im Walde versammeln, wo sie sich womöglich so still als möglich verhalten werden; Ihr sollt einem jeden ein Seitengewehr verschaffen, ihre Instrumente werde ich von einem hier empfangen und verwahren bis zur gehörigen Zeit; im Walde werdet ihr Essen und Trinken finden, damit der Hunger euer Stillschweigen nicht bricht, und Ihr, Herr Alonso, stehet vor die Nüchternheit.

ALONSO.
Ich werde so mäßig sein, daß ich noch vor ihnen stehen kann, wenn sie noch so trunken wären.
VALERIO.

Seht, mein Freund, ich werde Euch ein Zeichen mit einem ordinären Horne geben, dann kommt ihr alle hierher, und sollte ich nicht zugegen sein, so werdet ihr in allem diesem Mohrenkinde, welches an Weisheit viele übertrifft, Folge leisten.

ALONSO.

Ich sehe sie mir an und merke sie mir, damit ich sie unter den vielen weißen Menschen nicht verliere. In einer Stunde soll alles bereit sein.Ab.

VALERIA.
Aber wozu alle die Anstalten?
VALERIO.
Zu großen Freuden! Komme herein, daß ich dich unterrichte! Beide ab.
3. Auftritt
Dritter Auftritt
Stube im Schlosse. Isabella, Felix.

ISABELLA.

Ihr habt einen raschen Schritt getan, lieber Neffe! Die Familie ist mächtig, die Ihr Euch zu Feinden machtet.

FELIX.

Die Liebe ist mächtiger als alle Familien, und ich habe mir die Liebe zum Freunde gemacht. Das Schicksal begünstigt mich schon durch Eure Gegenwart; mein Vater tat mir Gutes, ohne es zu wissen, durch diesen Wechsel.

[249]
ISABELLA.

Euer Vorurteil für mich freut mich, ich biete Euch zu allem meine Hülfe recht gern. – Ihr habt einen Überfall von den vielen Freunden der Familie aus der Nachbarschaft zu erwarten, besonders, da Eure Braut noch einen Prätendenten hat, und dieser wird nicht zögern.

FELIX.
Was glaubt Ihr, würdige Tante, daß zu tun sei?
ISABELLA.
Ihr müßt Euch gleich vermählen, damit Eure Feinde schon unauflösliche Bande finden.
FELIX.
Ich will gleich nach unserm alten Freunde, dem Dechant, reiten, und ihn herüberholen.
ISABELLA.
Lieber Neffe – Ihr seht ein, Eure Schwestern können in diesem Sturme nicht schicklich hier bleiben.
FELIX.

Ihr habt recht, besonders, da meine Freunde die Ungezogenheit hatten, sich hier als Pilger einzuschleichen.

ISABELLA
lächelnd.

Und ich beinahe vermute, auch in der Mädchen Herzen! Ich will also mit den beiden Fräulein sogleich nach Saragossa, wo Ihr herkommt, – ich kenne die Mutter der Entführten.

FELIX.
Ich kenne sie nicht, Lucilla war immer bei ihrer Tante in Sevilla.
ISABELLA.
Sie ist eine gute Frau, und ich will das Meinige beitragen, die Familie zu versöhnen.
FELIX.
Ihr seid unser guter Engel in dieser Verwirrung!
ISABELLA.
Ich gehe lieber, mich zur Reise anzuschicken.
FELIX.
Ich weiß nicht, wie ich alle Eure Güte verdienen werde.
ISABELLA.

Ihr wisset ja nicht, ob ich ganz uneigennützig handle. Ihr seid der erste Sarmiento, der entführt – ich bin die erste, die entführt ward, aber man holte mich wieder ein, und da ich weiß, wie unangenehm dies ist, so will ich Euch unterstützen.

FELIX.
Eure schöne Laune selbst in dieser Verwirrung macht mich lustiger.
ISABELLA.

Lebt wohl, lieber Neffe, ich eile zur Mutter, und hoffe so einig mit ihr zu werden als Ihr mit der Tochter. Ab.

FELIX.
Dank, herzlichen Dank!
[250]
4. Auftritt
Vierter Auftritt
FELIX.

Ich habe nicht geglaubt, daß eine Tante so human sein könnte. – Ich will doch erst die Briefe lesen, die ich im Walde erhielt, und zusehen, was ich im Garten fand – Erbricht den Brief von Melanie und Isidora an ihn und liest.

5. Auftritt
Fünfter Auftritt
Lucilla, Voriger.

LUCILLA
umarmt ihn rücklings.
Was liest du, Lieber?
FELIX
küßt sie.
Guten Morgen, schöne Beute!
LUCILLA.
Ei, die Beute geht ja nicht freiwillig mit.
FELIX.
Also holder Überläufer!
LUCILLA
sie nimmt den Brief und liest.

Was steht in dem Briefe? Deine guten Schwestern rufen dich um Hülfe an gegen zwei Pilger, aus denen sie nicht klug werden können; Melanie schrieb: »Sie sind so liebenswürdig und unklug; komme bald, lieber Felix, sonst steckt es an.« – Hier ist aber noch ein Zettelchen von Isidora. Liest. »Lieber Felix, Du hast mir immer so viel von Ponce erzählt, und wie ich alles liebe, was Dir angehört, hatte ich einen stillen Bund mit diesem Ponce errichtet – diesen Bund habe ich gebrochen, und auch Du sollst Deinem Freunde weniger verzeihen, denn ich weiß, daß Ponce ein armes Bürgermädchen mit Liebe täuschte, und daß dies Mädchen nun sehr unglücklich ist, – auch weiß ich, daß dieser Ponce mich liebt, mich, die er nie sah, und dies um Deiner gütigen Schilderung willen, wie mußt Du mich nicht lieben, lieber Felix! Ich kenne Ponce nicht, und will ihn nie sehen, doch gestehe ich gern, meine Phantasie hat ihn immer allen Männern vorgezogen. Sprich ihm nicht mehr von mir, tadle mich vor ihm, damit er seinen Sinn von mir wendet; kannst Du, guter Bruder, so führe ihn zu seiner ersten Liebe zurück, daß er die Tränen des treuen Kindes trockne. Diese Sache beschäftigt meine ganze Seele. Der eine der Fremden, der sich hier aufhält, ist unglücklich durch Liebe, sehr unglücklich, ich bin ihm sehr gut – ein schöner Wahn läßt ihn in mir seine untreue Geliebte sehn – ich wollte, ich wäre stark genug, ihn sich selbst wiederzugeben, – aber Felix! [251] das will nicht gelingen, ich muß ihn vermeiden, er ist mir sehr gefährlich – komme bald, gleich, zu Deiner bedrängten Isidora.«

Aber Felix! wie ist da zu helfen, sie liebt den Pilger, und haßt Ponce!

FELIX.

Ponce muß unterliegen, der Pilger muß siegen – nun lesen wir, was wir im Garten fanden –Er untersucht. Ei, noch einer dabei – an Isidoren – Ponces Hand – Liest. Gott! wie anders lautet das – er ist entzückt, er fleht um Verzeihung, daß er in ihren Armen lag – er lügt!

LUCILLA.
Das ist eine Verwirrung! Liest den Brief mit dem Golde. An Melanie.
FELIX.
Das ist Aquilars Hand.
LUCILLA
liest.

Er dankt fürs Geld, preist ihre Mildtätigkeit – Ei, Felix, wie ging das hier zu – auch er preist mit poetischen Worten die Minuten, die sie ihn in den Armen hielt, und er sie küßte.

FELIX.

Ich begreife das alles nicht und die Reden gestern im Garten, und was Aquilar sprach, als er gestern abend ins Zimmer trat – Lucilla, was ist das?

LUCILLA.
Dinge, über die man schweigen muß! Hast du deine Schwestern gesprochen?
FELIX.

Ja, sie sprechen wunderbar unbestimmt über die beiden; doch habe ich ihnen noch verschwiegen, wer die Pilger sind. Was die Mädchen sagten, lautete wie Liebe, die sich selbst nicht traut.

LUCILLA.
Und deine Freunde?
FELIX.
Brennen vor Liebe.
LUCILLA.

Bemerke, daß Ponce deine Ankunft segnete und laut gestand, er habe den Mädchen Unrecht getan. Das Ganze mag Eifersucht und Mißverständnis sein. Doch rufe deine Schwestern und die Ritter, mache sie bekannt miteinander, schnell! so wendet sich alles.

FELIX
klingelt.
Du hast recht! Diener tritt auf. Meine Schwestern!
DIENER.

Die gnädige Tante ist vor einer Viertelstunde mit den Fräuleins abgereist, alle meine Kameraden begleiteten sie, sie bittet Euch, zu eilen.

[252]
FELIX.
So ist es dann zu spät, die beiden Fremden rufe mir.
DIENER.

Diese sind soeben dem Hause hinausgelaufen, ich wollte ihnen das Frühstück bringen, und erzählte von der Abreise der Damen, da sprangen sie wie Raketen aus den Betten, warfen sich in die Kleider und stürzten dem Schlosse hinaus. »Wir müssen sie einholen, um Verzeihung flehen«, schrie der eine. Sie liefen ins Blaue hinein, ohne nur zu fragen, wo die Damen hin seien.

FELIX.
Geschwind ein Pferd gesattelt! Diener ab. Es ist nun zu spät, ich muß weg!
LUCILLA.
Du! wohin?
FELIX.

Nach dem Dechant, der uns verbindet. Du mußt mein Weib sein, ehe uns die Feinde einholen. Verzeih, Geliebte, daß ich dich schon jetzt über andere vergaß.

LUCILLA.

So eile nur, eile! ich bin ja gern dein Weib, auch ist nichts zu fürchten. Ist es nicht die Liebe, die zwischen jenen waltet, und was wird vollenden als die Liebe?

FELIX.

O Lucilla, wie sprichst du wahr, wie wahr spricht die Liebe aus dir! Ich armer Schelm werde doch nichts tun, wo die Liebe waltet. Lebe wohl, meine Braut, ich muß dich aufgeben, süße Braut, ich muß dir untreu werden, ich sehe dich nicht wieder! Umarmt sie.

LUCILLA.

Ich sehe dich nicht wieder, lieber Bräutigam, ach! kein Scheiden ist süß, als wenn Braut und Bräutigam scheiden!

FELIX.
Weil der Bräutigam den Priester holt. Lebe wohl! Ab.
6. Auftritt
Sechster Auftritt
LUCILLA
allein.

Ist je ein sterbliches Mädchen in einer solchen Lage gewesen, und in aller Unschuld? und ohne im mindesten verdrießlich, traurig oder bang zu werden? Felix weiß eigentlich gar nicht, wo er dran ist, vielleicht muß er mich noch gar erkämpfen, und ich werde immer ganz ruhig zusehen. Wer nur mein andrer Bräutigam sein wird? O Liebe, o Not, bewegt mich doch, nehmt mir doch diese Seelenruhe! Die Zärtlichkeit des ganzen Geschlechts wird an mir scheitern. [253] Ich will mich nur traurig stellen, damit man mich nicht etwa gar für einen verkleideten Mann hält. Setzt sich in einen Winkel, nimmt das Schnupftuch vor die Augen.

7. Auftritt
Siebenter Auftritt
Lucilla, Valerio, Valeria. Letztere hält eine Liste in der Hand und eine Feder, Valerio ein Tintenfaß.

VALERIO.
Dito, ein weinendes Frauenzimmer – lies, Adjudant, was du bis jetzt aufgeschrieben.
VALERIA.
Aber Ihr seid auch heute gar zu komisch, Valerio.
VALERIO.

Es wird dir noch vieles in der Welt gar zu komisch vorkommen, ehe du aufhörst, ein gar zu komisches Mädchen zu sein. Wenn der Scherz taugen soll, so muß er Ernst enthalten. – Also nenne mich nicht mehr Valerio, denn ich bin nun Kommandant dieses bald belagerten Schlosses; gewöhne dich an diesen Titel, wie ich dich schon lange Adjudant nenne.

VALERIA.

Solange aber Porporino und Eure Tochter nicht zurück sind, könnt Ihr ja die Zugbrücken nicht aufziehen lassen, die ohnedies gar nicht da sind.

VALERIO.
Sprich nicht so vor der Prinzessin, die wir bewachen, du unehrerbietiger Adjudant!
LUCILLA.
O der Schmerz, der Schmerz! Lacht. Ha, ha, ha, verlassen – verraten – ha, ha – belagert!Lacht.
VALERIO.
Sieh, da hast du schon der Prinzessin ihren gerechten Schmerz verdorben.
VALERIA.
Denn sie muß lachen, wo sie weinen sollte.
VALERIO.

Still, es giebt allerlei Nationen unter den Weibern, die nicht so einseitig sind als so eine Mohrin. Nähert sich Lucillen. Gebt Euch zufrieden, Ihr steht unter meinem Schutze, und wenn mein kleiner Adjudant etwas frevelhaft spricht, so ist dies nur schlecht übersetzte Vorsichtigkeit.

LUCILLA
lacht.
Ihr werdet meinen gerechten Schmerz nicht beruhigen. Lacht.
VALERIO.

Ihr sollt die beruhigende Einsicht in alle Verteidigungsanstalten haben. Lies also, was wir notiert haben!

[254]
VALERIA.

Ihr wart heute schon so früh lustig, Herr Kommandant; die Vögel, die so früh pfeifen, trifft abends der Jäger.

VALERIO.

Ei was, du wirst mich nicht mutlos machen, sie werden schon kommen, ich habe für sie das Hinterpförtchen aufgelassen.

LUCILLA.

Ihr wolltet das Inventarium der Festung vorlesen, mich zu beruhigen. Geschwind ans Werk, die Beruhigung ist mir nötig! Lacht.

VALERIO.

Ich habe wohl von einem schmerzlichen Lächeln gehört, aber Dero schmerzliches Lachen ist mir bis jetzt noch nicht vorgekommen. Ihr erlaubt, daß ich Euch vor allem notieren lasse, denn ich muß vor Euch stehen; schreib, Adjudant!

VALERIA.
Diktiert!
VALERIO
diktierend.
In der Festung anwesende Standespersonen, die nicht im Verteidigungszustande sind.
LUCILLA.
He, Ihr werdet mich doch nicht unter die Invaliden setzen wollen?
VALERIO.

Schreibe also: Nicht invalide, bloß durch Geschlecht gebrechlich. Diktiert. Donna Lucilla, Kleinod und Preis des Kampfs; Zustand: wird durch sein Lachen auch in der größten Verzweiflung die Besatzung ermuntern. Lucilla lacht.

VALERIA.

O! mäßigt Euch, wir sind noch sehr munter, greifet unsre beste Munition, Dero Lachen, nicht zu sehr an. Valerio, Valeria, Lucilla lachen nacheinander.

VALERIO.
Ja, ja, wir sind alle noch sehr mutvoll; lies das Verzeichnis, Adjudant!
VALERIA
liest ab.

Hoffentliche Freiwillige, welche in dem Augenblicke vermißt werden. Perso nen: Don Gabriel Ponce de Leon, Duca Fernand de Aquilar. Zustand: Nicht ganz richtig. Be satzung: Valerio de Campaces, Kommandant. Zustand: Vacat.

VALERIO.
Schreibe hin – Eigenlob sieht nicht gut aus.
VALERIA
schreibend.
Sieht nicht gut aus.
VALERIO.
He! vergiß Eigenlob nicht, denn ich sehe doch ziemlich aus.
LUCILLA
lacht.
Ha, ha – ach, Felix – Felix!
VALERIO.

O! er ist sicher nicht vergessen, der Herr Adjudant [255] überging ihn, um Euch die alten Wunden nicht aufzureißen. Stößt Valerien an. Schreibe ihn hin, lies weiter!

VALERIA
liest.

Personen: Flammetta, Adjudant. Zustand: Kohlrabenschwarz, wird den Feinden schrecklich vorkommen; Gott wolle, daß der Schrecken sie nicht bleiche!

LUCILLA.
Gut, und die Gemeinen?
VALERIO.
Die Besatzung ist so vornehm, daß der Kommandant außer einem alten Bedienten der allergemeinste ist.
VALERIA
liest.
Weiter – Proviant-Verzeichnis.
VALERIO.
Hierzu rufe den Kellermeister und Hausmeister.
VALERIA
ruft zur Türe hinaus.
Kellermeister, Hausmeister!
VALERIO
ruft.

Hier – das war nur des Zeremoniells halber. Die Speisekammer und der Keller, diese Hauptbatterien, diese angreiflichsten, kitzlichsten Posten, durften nur dem Kommandanten vertraut sein.

8. Auftritt
Achter Auftritt
[Alter Diener, die Vorigen.]

DER ALTE DIENER.
Ich sehe Staub auf der Heerstraße.
VALERIO.
Sahst du Waffen glänzen, Fahnen wehen, Geräusch?
DIENER.

Es glänzt nichts und weht nichts, Geräusch auch nicht, es trippelt nur wie ein paar tausend Füße, und blärrt.

VALERIO.
Es ist doch kein Kriegslied, das gesungen wird?
DIENER.
Ei behüte, das wäre ja die verkehrte Welt, wenn die Schafe Kriegslieder sängen.
VALERIO.

Nein, mein Freund, ich versichere dich, die Schafe singen oft Kriegslieder. Doch gehe; wenn du Menschen siehst, so schließe die Tore, bis auf das hintere Türchen.

DIENER.

Hier ist auch der Schlüssel zu des gnädigen Herrn Rüstkammer, die vielmehr eine Rostkammer sein mag; auch hütet Euch dort vor den Ratzen, Ihr müßt etwas trommeln, ehe Ihr hineingeht, die Trommel habe ich hier vor die Türe gestellt. Aber sagt, lieber Herr Valerio, ist es wirklich so gefährlich?

VALERIO.
Kannst du schweigen?
DIENER.
Wie ein Fisch.
VALERIO.
Ich auch! Gehe und tue, was ich befahl!Diener ab.
[256]
9. Auftritt
Neunter Auftritt
Vorige [ohne den alten Diener]

LUCILLA.
Ihr haltet ja strenge Subordination!
VALERIO.
Der gute Soldat wisse nie, was er tue.
VALERIA.
Und der gute Spion wisse nie, was er spioniert.
VALERIO.
Sei nicht so vorlaut, sonst wirst du mich noch in Harnisch bringen.
VALERIA.

Brav, es ist nötig, daß ein guter Krieger im Harnisch sei; also kommt, kommt in die Rüstkammer, ich will die Trommel holen. Ab.

LUCILLA.
Ich gehe mit in die Rüstkammer.
VALERIA
hat die Trommel umhängen.
Nun fort, gegen die Ratzen!
LUCILLA.
Wir wollen alle drei Harnische anlegen.
VALERIO.

O tapfre Zeit! wo ruhmentglüht ein alter Diener, und ein närrisch Mohrenkind, und ein entführtes Mädchen nach den alten Waffen der braven Ritter Spaniens greifen.

LUCILLA.
Ihr werdet ja ganz feierlich!
VALERIO.

Ja, ich habe manchmal Unpäßlichkeiten, für die kein Aderlaßmännchen die rechte Ader zeigt. Ich meine die poet'sche Ader.

LUCILLA.

Ihr seid ein lustiger Alter, und du bist ein freundliches Mädchen, ich will euch die Geheimnisse meines Herzens vertrauen; seht, ich bin eigentlich gar nicht traurig, ich bin von allem unterrichtet. Kommt, den Spaß zu vollenden!

VALERIO.
Ach! wäre nur Valeria und Porporino hier, so wären unsrer fünf.
LUCILLA.
Alle gute Dinge sind drei.
VALERIA.
Ja, laßt uns alle drei guter Dinge sein!Rührt die Trommel; alle ab.
10. Auftritt
Zehnter Auftritt
Garten mit der Statue.
Alonso und der dicke Pfeifer kommen aus dem Wald; sie tragen die Instrumente herbei.

PFEIFER
zu Apollo.
Ist dies der Herr, der sie in Empfang nimmt? Legt die Instrumente auf das Piedestal.
[257]
ALONSO.
Pfui über einen Pfeifer, der seinen Gott nicht kennt!
PFEIFER.
Nun, so sage ich dann: Unser tägli ches Brot gieb uns heut!
ALONSO.
Du bist ein Nimmersatt; haben wir nicht Essen und Trinken im Walde erhalten?
PFEIFER.

So kehre ich die Sache um, und sage: Unser heutiges Brot gieb uns täg lich. Doch kommt, damit unsre Gesellen uns nicht zu sehr zurücklassen, oder zu wenig zurücklassen. Ihr wißt, der Geiger ist stark in den Fugen und hohl in den Rippen. Er könnte dem kalten Braten ein paar Rippen aus den Fugen reißen, und wir müßten dann pizzikando an den Knochen pausieren.

ALONSO.
Du sprichst triftig. Beide ab.
11. Auftritt
Eilfter Auftritt
Ponce, Aquilar, außer Atem.

AQUILAR.
Das ganze Schloß ist leer, wie ein ausgeblasenes Ei!
PONCE.
Auch hier niemand?
AQUILAR.

So ist es dann nicht übertrieben, wenn wir sagen, das ganze Schloß ist leer, seitdem die Mädchen weg sind. Es ist verdammt, daß wir sie nicht einholten!

PONCE.
Laß es uns als ein Glück ansehen, so brauchen wir uns nicht zu schämen.
AQUILAR.
Der Teufel schäme sich und seh es für sein Glück an, Mensch, wie sprichst du?
PONCE
immer gelassen.
Ich bitte dich, schweige still, und störe mich nicht!
AQUILAR
immer heftig.
O Himmel, deine Geduld! sie fehlt mir noch zu meiner Ungeduld.
PONCE.

Fernand – in mir ist eine fürchterliche Sanftmut, und eine große Ruhe schlummert in mir – wecke sie nicht.

AQUILAR.

Der große Riese Faulheit schläft in dir – o den erwecken Kanonen nicht – und wahrlich, ich möchte es, es ist mir recht zum Totschlagen – o brave, fabelhafte Zeit! wo bist du? Ich möchte Alt- Kastilien von ein halb Dutzend Lindwürmer säubern.

[258]
PONCE.

Fernand! du bist es, der alles verdorben hat; du hast durch deinen Vorwitz der Mädchen Ehre gekränkt.

AQUILAR.
Brav, ich habe deiner Göttin Ehre gekränkt – laß es eine Herausforderung sein!
PONCE.

Ich fordre keinen Menschen mehr heraus, und wisse es, von mir ist ebenso in Zukunft nichts zu fordern – das ist vorbei!

AQUILAR
heftig.

Vorbei? Vorbei? Ins Teufels Namen seis vorbei! In mir brennt helle Wut – o Ponce, ich bitte dich, laß dich erbittern!

PONCE.

Erbittern wird dein Zorn mich nie. So laß mich ruhn! In meinem Herzen ist ein wunderbares Leben, meine Liebe wird zu Grabe getragen, und alle guten Wunsche meiner Seele wandeln mit. Sei ruhig, Aquilar, o! störe nicht den feierlichen Zug. Bald wirds vorüber sein, dann bin ich einer wie die andern alle, habe weiter keine Sehnsucht mehr, mein Leben hinzupflanzen in seinen eignen Boden, wo es nur gedeiht; dem ersten Besten gebe ich mich hin, und sollte nicht der König und sein Land das erste Beste sein?

AQUILAR
spottend.

Bei Gott! das ist erbaulich – so wollte ich doch lieber vor Liebchens Tür erfrieren! Höre, Ponce, hast du dir auch schon einen Hund gekauft, der sich auf des Helden Grab zu Tode hungert?

PONCE.

Der Liebe Haus hat keine Tür als Auf- und Untergang. Den Hund? Ich werde mir ihn kaufen, um jenen auf das Maul zu schlagen, die von Freundschaft sprechen.

AQUILAR.

Brav, es wird, es wird! Das war bitter –Sieht an die Statue. Da liegen ja auch Pfeifen, um die Liebe auszupfeifen; gieb Achtung, Freund, ich blase deiner Liebe einen Leichenmarsch.

PONCE.

O lasse diese Pfeifen ruhn, denn sie regieren diese Welt. – Auspfeifen kannst du die Liebe nimmer, da jeder Ton die Liebe ist, welche den Mensch auspfeift.

AQUILAR.

Die Pfeifen regieren die Welt? So habe ich denn endlich die Welt unter den Fingern, ich will mich rächen und sie an falschen Tönen verzweifeln lassen – Nimmt die Pfeife.

PONCE.

Lasse ab, ich bitte dich; wer nicht liebt, versteht die Töne nicht, – o blase nicht! Aquilar lamentiert auf der Pfeife. [259] O höre auf, gieb unsrem stummen Mißton keine Worte! Aquilar dudelt fort. Ich bitte, Aquilar, hör auf! o laß den Riesen meines Unmuts schlummern – ich sage dir, du erbitterst mich.

AQUILAR.

So habe ich das Mittel doch gefunden – ei, ich wäre doch begierig, das zu sehn – dein Übel wäre also nichts als die schlummernde Disharmonie. Dudelt und läuft um die Statue herum.

PONCE
erbittert, läuft ihm nach.

Ich sage, steh, du empörst mich – Steht. O Gott! o Isidora! – warum hat dieser Tor dich von mir gewendet? Höre auf! –Aquilar auf der andern Seite dudelt fort. O alle Mächte, infamer Mensch, stehe still, du rennst in meinen Degen! Er zieht.

AQUILAR
wirft die Pfeife weg und zieht.

Gut! so wollt ich dich, zwei Leben vor der Klinge – Fechten. Komm, braver Ponce! laß unsrer Liebe ein Ende machen – Fällt aus. Isidora, ich bohre ein Loch in deine Residenz, daß du herauskannst!

PONCE.
Melanie, dein schlechter Tempel stürze über dir zusammen. Fechten.
AQUILAR.

Du fichst so matt; warte, ich will dich reizen. Springt hinter die Statue, nimmt die Pfeife in den Mund und ficht dudelnd.

PONCE.
Teufel – !
12. Auftritt
Zwölfter Auftritt
Valeria, Lucilla, Valerio; geharnischt, alle mit langen Hellebarten und geschloßnem Visier, letzterer sehr abenteuerlich. Valerio und Lucilla schlagen mit den Spießen zwischen die beiden, Aquilar entfällt die Pfeife, Valeria reißt Ponce zurück.

VALERIO.
Wollt ihr Ruhe haben! – Schöner Trost, wenn die Besatzung uneins wird!
LUCILLA.
Wendet euren Mut gegen die Feinde an.
AQUILAR.
Alle gute Geister loben Gott den Herrn! O weh, Rittergespenster – sie handeln mit alt Eisen!
PONCE.
Was soll die Maskerade?
VALERIO.
Besser das alte Eisen als das kalte.
AQUILAR.
Da waren wir eben dran.
[260]
VALERIA.
Wir sind Freunde; kommt herauf, das Schliß zu verteidigen!
PONCE.
Gegen wen?
AQUILAR.
Sie wollen uns als Ratzengift gebrauchen; du weißt, es sind viele Mäuse hier im Schlosse!
VALERIO.

Spottet nicht – Ihr wißt, Don Felix, Euer Freund, hat seine entführte Braut hier und ist weggeritten, einen Prediger zu holen; nun aber ist ein Überfall von dem andern Bräutigam und der Familie zu erwarten, und wir verteidigen das Schloß.

AQUILAR.
Ihr seid wohl die Nachtwächter aus der Gegend?
VALERIO.

Nein, unsres Herrn Don Felix treue Diener! Nachtwächter sind keine hier im Schlosse, sonst würden gewisse Unordnungen nicht begangen worden sein; doch wir fordern euch auf, eures Freundes Sache zu verteidigen!

AQUILAR.
Er stichelt auf uns.
DIENER
außer Atem gelaufen.
Ich sehe Staub, und Leute zu Pferde!
VALERIO.
Hast du die Zugbrücken gleich herabgelassen?
DIENER.
Ach! ich hätte es ja gern getan, wenn nur welche da wären; die Tore habe ich aber zugemacht.
VALERIO.
Nun stelle dich ans Hintertürchen, und fragt einer unsrer Freunde nach mir, so rufe mich.
DIENER.
Verzeiht, wer seid Ihr denn?
VALERIO.
Ich stelle den geharnischten Hausmeister vor. Diener ab.
PONCE
nimmt seinen Degen.
Bringt mich vor die Türe Lucillens!
LUCILLA UND VALERIA.
Wir sind ihre Diener, wir werden mit Euch hingehen.
AQUILAR.

Ich werde vor das Tor gehen und ihnen wie ein mörderischer Sphinx, der diese Burg bewacht, halsbrechende Rätsel aufzubeißen geben.

VALERIO.

Es kam auch gar zu schnell – ich muß geschwinde die Hülfstruppen zusammenblasen –Nimmt ein Kuhhorn. Geht nur, geht – nehmt die Pfeifen mit – Bläst wie ein Kuhhirt.

AQUILAR.
Ihr wollt doch nicht erst jetzt die Herden eintreiben lassen?
VALERIA.
Fort, fort! Alle ab mit den Instrumenten bis auf Valerio.
[261]
13. Auftritt
Dreizehnter Auftritt
Valerio bläst: ut, ut, ut. – Der Schulmeister Alonso, hinter ihm der dicke Pfeifer und magre Geiger, dann die übrigen Musikanten, alle mit Seitengewehr aus der linken Kulisse, dem Walde; der Geiger nagt an einem Bratenknochen.

ALONSO.
Ich stelle Euch hier meine Familie vor; sucht sie zu verwenden, wie Ihr könnt!
VALERIO.
Macht fort, kauet aus, und laßt die Knochen hier!
PFEIFER.
Wenn die Knochen hierbleiben sollen, werde ich wohl allein mitgehen müssen.
GEIGER.
Schweige still, du Blasbalg!
VALERIO.

Blasbalg, schweige still, und Knochen, schweige still! Aber lege deine Knochen ab, du bist zu rachsüchtig! Weil du kein Fleisch auf den Rippen hast, meinst du an einem andern ehrlichen Knochen dürftest du keines lassen. Kommt!

ALONSO.

Nun, wie sollen wir uns verhalten? Seht, diese sind die Lautenisten, und diese die Biskaiyer, die können gut zuschlagen.

PFEIFER.
Ja, Trumpf, mit der Karte auf den Tisch beim Spiele.
GEIGER.
Kannst du dein Maul nicht halten?
VALERIO.
Still, ihr habt immer etwas!
PFEIFER.
Er? Er hat sein Lebtage nichts, er versäuft alles.
ALONSO.
Das war gesalzen, das war gesalzen; da trinkt es sich gut drauf.
VALERIO.

Kommt, und wenn ihr nicht ruht, so zwinge ich den Knochen, dich Pfeifer aufzuessen, dann wird er eine Karbonade. Alle ab.

14. Auftritt
Vierzehnter Auftritt
Ein großer Vorsaal im Schloß, rings Türen.
Ponce, Lucilla, Valeria.

PONCE.
So wolle Ihr dann wirklich geharnischt bleiben, Lucilla?
LUCILLA.
Ja, ich und meine Kammerfrau, wir sind so sichrer, und mitten im Getümmel vermutet man mich nicht.
VALERIA.
Aber was war denn die Ursache Eures Gefechts?
[262]
PONCE.
Berührt die Wunde nicht! Ich gehe einen Augenblick nach meiner Stube. Links in eine Türe.
VALERIA.
Dieser Mann ist sehr niedergeschlagen, er ist ein edler Mann.
LUCILLA.
Liebt ihn Isidora nicht?
VALERIA.
Sie liebt ihn, aber weiß nicht, wer er ist.
PONCE
kömmt aus der Stube, sein Testament in der Hand.

Zu Lucillen. Meine Dame, verkennet meinen Unmut nicht, es ist nicht Mutlosigkeit – ich habe viel verloren, – dies ist mein Testament – ich stelle es Eurer Gesellschafterin zu. Giebt es Valerien. Sollte ich im Kampfe fallen, und solltet Ihr, Lucilla, eines andern als meines Freundes Felix werden, Zu Valerien. so werdet Ihr es Don Felix einhändigen, daß er es vollziehe!

VALERIA.
Euer Testament?
PONCE.

Ich bin ohne Liebe, Freundin, und dem Untergange nah. Was soll das Gold? Denn ohne Liebe ist ja kein Besitz; doch ich höre Getöse – Lucilla und Valeria treten hinter ihn vor die Türe rechts.

LUCILLA.
In dieser Stube, soll es scheinen, sei Lucilla.
PONCE.
Gut, ich stehe hier mit bloßer Klinge!
LUCILLA.
Das klingt so fürchterlich um ein Mädchen.
PONCE.

Um das Weib klingt es allein, die Liebe ist allein im Weibe, die Liebe allein ist Klang, und ohne sie ist alles stumm, auch Ponce wird bald verstummen.

VALERIA
aus der Fülle des Herzens.
Du armer Ponce!
PONCE.

O wie das klang! von Euren Lippen; Ihr wißt nicht, liebe Jungfrau, welche Stimme der Euren gleicht – o Valeria! wie denke ich dein! – sie kommen!

15. Auftritt
Funfzehnter Auftritt
Die Vorigen, Valerio, Alonso, die Musikanten.

VALERIO.

Brav, brav, ihr Kinder, das sieht tapfer drein, – Zu den Musikanten. ihr verteilt euch links und rechts in die Stuben, und wer von den Feinden hineinkömmt, den faßt ihr! Diese beiden Stuben stellen gleichsam Mausefallen vor.

GEIGER.
So müßt Ihr den Pfeifer in Stocke reißen, denn die Mäuse gehen nur nach Speck.
[263]
PFEIFER.
Der Geiger wird wie eine hungrige Katze die Mäuse fangen, um etwas in den Leib zu kriegen.
VALERIO
schiebt den Pfeifer und einige andere in die Stube rechts.

Hier ist also die Mausefalle. Wenn ich mit dem Fuß stampfe, wißt ihr, was ihr zu tun habt – Schiebt den Geiger und die andern in die Stube links. und hier ist also die Mausekatze; wenn ich das Zeichen mit dem Fuße gebe, so wißt ihr, was ihr zu tun habt.

DIENER
kommt.

Es hat sich am Hinterpförtchen eine alte Zigeunerin eingefunden, sie will mit Euch sprechen; sie sagt, sie bringe dem Hause Frieden.

VALERIO.

Gehe hinab, Adjudant, und ist sie kein Spion, so bringe sie herauf! Man muß den Finger Gottes achten, sonst schlägt er einem auf die Pfoten. Valeria und Diener ab. So könnte dann der Feind in Gottes Namen kommen!

PONCE.
Ich bin bereit.
DIENER
stürzt herein.
Ach, um Gottes willen! um Gottes willen! sie kommen, sie kommen! alle durchs Hinterpförtchen herein.
VALERIO.
Schurke, packe dich, halt sie auf, da sollten sie ja nicht herein! Diener ab.
PONCE.
Ruhig, ich empfange sie. Geht gegen die Tür.
16. Auftritt
Sechszehnter Auftritt
Getöse.
Vorige, ein Ritter mit einer Maske, in einem schönen reichen Kleide, mehrere Edelleute mit ihm.

PONCE
gelassen entgegen.
Steht! was ist Euer Begehr? daß Ihr so ungezogen in ein fremdes Haus dringt.
RITTER
heftig.

Ungezogen Ihr selbst! Ich komme mit gezogenem Degen, ich komme nicht ungezogen – ich komme in kein fremdes Haus, ich komme, meine Braut zu holen – Donna Lucilla, die Don Felix de Sarmiento mit Gewalt entführte – ich habe den Willen der Mutter.

PONCE
gelassen.

Ihr könnt den Willen der Mutter nicht heiraten, Lucilla will Euch nicht – Ihr holt hier keine Braut – den Tod könnt Ihr hier nur holen.

[264]
RITTER
ironisch.
Seid Ihr vielleicht mein Tod? Ha ha, ein galanter Tod, willkommen, Tod!
PONCE
steigend.

– Valeria tritt im Hintergrund herein. Willkommen, Tod! Ihr seid der meine, oder ich der Eure, das werden unsre stählernen Zungen aussprechen – laßt ab und geht zurück! Bedeutend. Ich schwöre Euch, wir holen beide keine Bräute hier – steht ab! Ihr wißt nicht, wen Ihr vor Euch habt – Traurig. Ich bin zu sterben willens – ich wage alles – nehmt Euch in acht – o Isidora!

RITTER
steigend.

So wende ich dann Euer Wort – ich wage alles – ich bin zu sterben willens – o Lucilla! Nein, ich kann nicht lügen – ich spreche laut – o Valeria! Steigend. Ficht, Ponce! – ich bin Porporino – ich sterbe hier – wo ist Valeria? wo? ficht! Er dringt auf ihn ein, Ponce wirft den Degen hin, Valeria reißt Porporino zurück.

VALERIO
auf ihn zu.
Du, du bist es! Was sprachst du? Valeria! wo ist sie?
PORPORINO.
Nirgends, in ganz Sevilla nicht!
VALERIO.
Ach, ach! Läuft ab.
17. Auftritt
Siebenzehnter Auftritt
Vorige, Isabella mit Isidora und Melanie.

PONCE
der verwirrt stand, läuft auf sie zu.
O Gott! Ihr, Ihr! o Isidora, zu dieser Stunde?
ISABELLA
zurückweisend.
Ruhig, mein Herr! erwartet!
PORPORINO
faßt Ponce.
Wo ist Valeria – he, Mensch! – wo ist sie?
PONCE
drängt ihn bescheiden zurück.

Auf Ehrenwort, lieber Porporino, ich weiß es nicht; doch schwöre ich, ich suche sie mit dir am Ende der Welt!

PORPORINO.
Genug, wenn Ihr es nicht wißt; Ihr wärt imstande und liebtet sie wieder!
[265]
18. Auftritt
Achtzehnter Auftritt
Vorige, Valerio und eine alte Zigeunerin mit einer großen Pelzmütze.

VALERIO.
Beruhigt euch, hier ist ein Weib, die uns alles lösen will.
PONCE.
Hier ist keine Zeit zum Scherz – sag, Porporino.
ZIGEUNERIN
in der Mitte.
Zerhaut mich in Stocke, wenn ich nicht helfe, ihr habt mich!
VIELE.
Das läßt sich hören!
19. Auftritt
Neunzehnter Auftritt
Vorige; Aquilar führt Donna Juanna herein.

AQUILAR.

Wie, hier ist der Feind schon, ich habe einstweilen einen alten Spion gefangen – Sieht Melanie, geht auf sie los.

PONCE
zieht ihn zurück.
Ruhig, wir sind hier am Vergleich!
JUANNA.

Aber Gott und Herr, welche Verwirrung, welch Getöse, die Herren alle, präsentiert doch Stühle! Man setzt ihr einen Stuhl.

PONCE.
Sitzt und schweigt!
JUANNA.
Welche Redensarten! Bin ich unter Christen, ich, mich, Donna Juanna, Grazia, Gabriele?
AQUILAR UND ANDERE.
Schweigt, still, still! sprich, Zigeunerin!
ZIGEUNERIN
zählt die Anwesenden.
Es fehlt noch einer.
PONCE.
Don Felix ist es.
20. Auftritt
Zwanzigster Auftritt
Vorige, Don Felix und der Prediger.

FELIX.

Welche Menge! mit gezogenem Degen! Wo ist mein Nebenbuhler? – wo ist Lucilla? Er zieht. Was soll das alte Weib in der Mitte? Donna Isabella, auch Ihr, was soll das?

ISABELLA.
Dort steht der Prätendent.
FELIX.
Porporino, du? Es ist nicht möglich!
PORPORINO.
Seid ruhig!
[266]
ALLE.
Schweigt, laßt die Zigeunerin sprechen!
ZIGEUNERIN.
Wenn Schwarz in Eisen sich verhüllt
Und weiß aus diesem Eisen kehrt,
Hat sich ein freundlich Herz enthüllt
Und jeder hat, was er begehrt.

Wenn aus dem Pelz ein Herrscher steigt,
Der jedem wieder nehmen kann,
Was die Entwicklung ihm gereicht,
So wird aus einem Weib ein Mann.
PONCE.
Was soll das?

Wenn Schwarz in Eisen sich verhüllt
Und weiß aus diesem Eisen kehrt –
PORPORINO.
Hat sich ein freundlich Herz enthüllt,
Und jeder hat, was er begehrt!
FELIX.
Schafft das Eisen weg, alle weg!
VALERIA
tritt in die Mitte, nimmt den Helm ab, sie ist wieder weiß.
VALERIO.
Jesus – Valeria – ach, mein Kind!
PORPORINO.
O Valeria, Valeria! Umarmung.
PONCE.

Valeria, du, du warst die Mohrin selbst – o Engel!

ISIDORA, MELANIE umarmung. Flammetta, Engel, du, du bist das Bürgermädchen – du Valeria! Freudengetümmel um sie.

VALERIA.
Laßt mich, ich will euch noch alles erklären – ach, die Freude – willkommen, alle, alle!
VALERIO.
Deswegen hast du es so natürlich gemacht – ei, mich so anzuführen!
PORPORINO.
Und mir die Angst einzujagen!
ISIDORA, MELANIE. So seid Ihr Ponce! Ihr Aquilar! in Zukunft seid artiger, Herr Pilger!
PONCE.
Wir sind es selbst – verzeiht der Leidenschaft – Valeria, o du Engel!
PORPORINO.
Ei, laßt sie – bist du mein – ganz mein?
VALERIA.
Ja, ja!
PORPORINO.
O, ich verzeihe dir alles!
VALERIO.
Hat sich was zu verzeihen; ei, du Kind – du Tausendkind!
FELIX.
Aber wo ist Lucilla – um Gottes willen! wo ist sie?
LUCILLA
entmaskt.
Hier! Umarmt ihn.
[267]
ZIGEUNERIN.
Still!

Wenn aus dem Pelz ein Herrscher steigt,
Der jedem wieder nehmen kann,
Was die Entwicklung ihm gereicht,
So wird aus einem Weib ein Mann.
VALERIA
nimmt ihm den Pelz ab.
PONCE.
Der Automate, der Ritter, der uns herschickte –
FELIX.
Der mich zur Entführung beredete –
SARMIENTO.
Ist dein Vater!
FELIX, ISIDORA, MELANIE umarmung. Vater! lieber Vater! Ihr, ach! lieber Vater! usw.
JUANNA.
Don Sarmiento, geliebter Bruder! o dios! welche Verwirrung!
PONCE.
Ihr habt uns zu Euren Töchtern geschickt.
AQUILAR.
Steht für die Leidenschaft, Ihr habt uns verführt.
SARMIENTO.

Ruhig, nun kömmt erst was ganz Neues! Isabella, Lucilla, Porporino! Sie treten herbei. Hier, Lucilla, ist dein Bruder: Porporino ist mein Sohn!

VALERIA.
Euer Sohn?
PORPORINO.
Vater, Vater, Ihr seid es selbst! o, nicht mehr Findelvater!
SARMIENTO.

Isabella ist dein Mutter, und nun mein Weib! Ich schickte sie als meine Schwester her, damit ihr eure Mutter kennen lerntet.

JUANNA.
Ei, wegen dem Unsinn mich ins Blaue hineinzujagen! Am Ende bin ich auch jemandes Kind!
SARMIENTO.
Ich beredete dich, Felix, Lucillen zu entführen, um dich aus der Zärtlichkeit zu jagen.
LUCILLA
Isabellen an der Hand.
Und ich wußte alles, stellte mich nur so, die Mutter war auch unterrichtet.
FELIX.
Habe ich dich doch!
VALERIA.
Porporino, da du Ritter bist, willst du mich noch? Er umfängt sie lächelnd.
SARMIENTO.

Isidora, liebst du Ponce? Ponce, liebt Ihr Isidora?

Stehen einander gegenüber, schlagen die Augen nieder, Ponce kniet – Isidora hebt ihn auf. Melanie, liebst du Aquilar? Aquilar, liebst du Melanie?Beide ebenso. Lucilla, liebst du Felix? Felix, liebst du Lucillen? Beide ebenso. Isabella, wir [268] lieben uns, so sage ich dann das Letzte – Aquilar, Ponce, ich verspreche euch meine Kinder, lernt sie näher kennen, und rührt euch für das Vaterland!

VALERIA.
Don Ponce, hier, nehmt Euer Testament, – wißt, ich war es, die Ihr vor dem Schlosse umarmtet.
PORPORINO.

Don Ponce, ich war der Schneider und Maler; Duca Aquilar, ich war der Arzt, und habe Euch Eure Bestechungsdukaten in die Pastete gebacken.

PONCE, AQUILAR. Wir sind glücklich.

VALERIA
zu Porporino.
Sei nicht böse. Küßt Ponce.
PONCE
singt.
Wenn das Leben nicht hinaus mich triebe,
Nicht nach Ferne Sehnsucht mich verzehrte,
Blieb ich dir, du Heimat meiner Liebe,
Die mich scherzen, tändeln, küssen lehrte.
VALERIA.
So sei dann feierlich entbunden!
Wie dieses Kusses Feuer leicht verglühet,
So schlossen sich der frühen Liebe Wunden
Und neue schönre Liebe ist erblühet.
VALERIO
stampft mit dem Fuß.
Laut. Laßt es euch gefallen!

Die Musikanten treten, links und rechts, spielend hervor. – Alle schließen einen Kreis; Porporino und Valeria in der Mitte tanzen Solo, die andern um sie her.

Zugabe

[269]

Zugabe

VALERIA.
Noch einmal trete schüchtern ich hervor –
Ich schäme mich, so ganz allein vor euch
Und ohne Vater oder Freund zu reden.
O wär ich von dem Harnisch noch umgeben,
Geschlossen das Visier, ich wäre kühner!
Die andern sagten, einem guten Mädchen
Wird wohl der Leser leichter es verzeihen
Als uns, die nicht nach jedes Menschen Wunsch,
Nur wunderliche, bunte Leute sind,
Und selbst Juanna, die von Schicklichkeit
Und dem, was Damen wohl geziemen mag,
Seit langen Jahren viele Fälle kennt,
Spricht, daß es wohl in meiner Rolle liegt,
Wenn ich, die alle heut beglückte, auch
Noch einem fernen Freunde Freude mache,
Der unter euch, ihr lieben Leser, uns
Der Liebste ist, weil er sich unsichtbar
In unsrer Abenteuer Schicksal mischte.
O! fragt mich nicht, wer dieser Ferne sei,
Denn erstens hat man mir es selbst verschwiegen
Und dann muß auch dem Herzen, das den Freund
Sich in dem Zauberspiegel gütger Phantasie
So nahe wähnt, die Frage schmerzlich sein,
Die du aus deiner Wirklichkeit, o Leser,
In seine Träume weckend rufst. Es geht
Nachtwandelnd der Verliebte auf dem Dach
So kühn nach seines Glückes Kammerfenster –
O! nenne seinen Namen nicht, du läufst Gefahr,
Daß er vom Dache fallend auf dich fällt.
So schweige dann, und laß den Freund mich grüßen,
Der, als ich und die andern dieses Spiels
Des Lebens erste Szenen kaum erlebt,
Mit unserm Vater an der Wiege stand,
Den Feen gleich, die gute Kinder wiegen.
Da er bemerkt', wie Porporino, Ponce und ich
In wunderlicher Liebe Lieb und Streit
[270] Die Arme nacheinander streckten, uns nicht faßten,
Da glaubte er, wir seien Drillinge
Und wurden zum Beschlusse ein Terzett
Vor unsrer unbekannten Mutter singen,
Zu der er uns Juanna scherzhaft vorschlug.
Doch waren wir ihm lieb, und unserm Vater,
Der wegen unsrer eignen Art und Weise
In Sorgen oft und oft in Unmut lebte,
Hielt lächelnd er die wilde Hand zurück,
Die seine Schande in uns töten wollte.
Du teurer Ferner sahst ihn lächelnd an,
Und um dies Lächeln hat er damals schon
Sein ganzes Leben freudiger gefaßt.
Dir dank auch ich, Valeria, das Leben.
Du hast nach uns am Rheine ihn gefragt,
Wo du und Sonnenschein und froher Wein,
Des Herzens harten Fels ihm tönen ließen.
Wie weislich, Güt'ger, dort für uns zu bitten!
So zürne nicht, daß du uns so, nicht besser,
Vor dich, Geliebter, kühnlich treten siehst!
Wir sind nur wild gewachsen, ohne Zucht;
Du hieltst den Vater fest, sich selbst erziehend
Für deine Liebe hat er uns versäumt –
Durch dich nur sind wir und durch uns nur so.
Auch laß mich, da du gütig zu mir blickst,
Noch unter dieses gütgen Blickes Schutz
Die freudige Nachricht, Lieber, mit dir teilen!
Denk' unsre Freude; von derselben Schwelle
Und zu derselben Zeit geht in die Fremde
Von dir ein frohes, liederreiches Kind;
So sind wir dann zur Wanderschaft Gesellen,
Und wollen uns wie unsre Väter lieben;
O liebe mich, wie ihn, der dich nur liebt!

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TextGrid Repository (2012). Brentano, Clemens. Dramen. Ponce de Leon. Ponce de Leon. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-4091-0