An den Magen

Großmächtigster der irdischen Despoten,
Tyrann, vor welchem man
En Galla nur gebraten und gesotten,
Sich präsentiren kann!
Du bist – und dies macht unsern Grossen Ehre –
Ihr wahres Ebenbild,
Denn du entvölkerst Länder, Flüsse, Meere,
Damit dein Schlund sich füllt.
Allmächtig, wie des weisen Schöpfers Werde!
Ist stets dein Machtgebot;
Denn was nur eßbar ist auf dieser Erde
Verwandelst du in Koth.
Es ist kein Fleckchen unter allen Zonen,
Das dir nicht zinsbar ist:
Du bist es, der den Schweiß von Millionen
Geschäft'ger Hände frißt.
Ein Heer geübter Mörder, Spießer, Würger,
Hältst du dir für und für,
Je mürber die nun beitzen deine Bürger,
Je besser schmeckt es dir.
Du bist der Gott, den alle Völker lieben,
Den alles venerirt,
Nur unter dir ist – wie es steht geschrieben –
Ein Schafstall und ein Hirt.
Dir dienet alles – Juden, Heiden, Christen –
Dich ehrt die ganze Welt:
[116]
Du bist's allein, der weder Atheisten,
Noch Glaubenszweifler zählt.
Dir zollen Berg und Thal und Wies' und Triften
So manches Opferthier,
Und hunderttausend Wohlgerüche düften
Aus jedem Schornstein dir.
In jedem Hause baut man ungefodert
Dir einen Altar auf,
Und täglich zweimal, wo nicht öfter, lodert
Die Opferflamme d'rauf.
Und Priesterinen mit schneeweissen Schürzen,
Sonst Köchinen genannt,
Bemühen sich, das Opfer dir zu würzen,
Das ihre Kunst erfand.
Doch will man dich, der Allmacht Stellvertreter,
In deinem Glanze schau'n,
So muß man dich, wie uns're Erdengötter,
Betrachten im Verdau'n.
Da flieht von dir, wie ein geschreckter Hase,
Selbst die Philosophie:
Kaum so viel Luft, als eine Seifenblase
Enthält, verscheuet sie.
Dir huldigt selbst das edle Gottheitstheilchen,
Das uns im Kopf logirt,
Sobald dich nur dein Amt ein Weilchen,
Das mindeste genirt.
Ja, du gebeutst dem mächtigsten der Triebe;
Denn auf dein Machtgebot
Vergießt der Seladon auch seine Liebe,
Und herzet ein Stück Brod.
Die Menschheit selbst verstummt ob deiner Stimme,
Wenn oft dein Zorn erwacht;
Und Menschen dann in seinem höchsten Grimme
Zu Kanibalen macht.
[117]
Doch Niemand war aus allen, so dir dienen,
Dein Scepter je so schwer,
Als den Poeten: d'rum besang von ihnen
Auch keiner dich bisher.
Auch ich will dir dies Lied nicht dediciren,
Weil deine Majestät
Bekanntlich nichts geruhet zu goutiren,
Was nicht für Hunger geht.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Blumauer, Aloys. Gedichte. Sämmtliche Gedichte. Satyrische, scherzhafte und erotische Gedichte. An den Magen. An den Magen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-3683-E