Karl Bleibtreu
Ein Faust der That
Tragödie in fünf Akten

[Motto]

»Im Anfang war die That.«

Faust I. Theil.

Personen

Personen.

    • Karl I., König von England.

    • Herzog von Richmond,
    • Graf Lindsay,
    • Sir John Verkley, Royalisten.

    • Sir Thomas Fairfax, Lordgeneral der Parlamentsarmee.

    • Oliver Cromwell, Generalleutnant.

    • Ireton, Kommissar-General.

    • Harrison,
    • Lilburn,
    • Graves,
    • Hammond, Obersten.

    • Joyce, Fähnrich.

    • Earl von Manchester,
    • Lord Montague,
    • Sir Algernon Sidney,
    • Prynne, Schriftsteller,
    • Coke, Generalprokurator, Führer der Presbyterianer.

    • Ludlow,
    • Bradshaw, Führer der Independenten.

    • John Milton, Schriftsteller, Staatssekretär.

    • Bischof von London (stumme Person). Offiziere, Soldaten.

Trachten

Trachten.

DER
KÖNIG: Schwarzes Seidenwamms mit weißen Atlas-Puffen, schwarzsammtne Kniehosen, lange schwarze Lederstiefel.

Goldstickerei. Am Knie das blaue Band des Hosenbandordens, das Großkordonband des Ordens von roter Seide über der Brust. Ein schwarzer Sammtmantel über die Schultern hängend, auf dem ein großer Silberstern eingestickt. Langherabfallendes Haar, feiner Knebelbart, blond. Große Spitzenmanchetten an den Händen, breiter Brabanter Spitzenkragen. An einer goldnen Schärpe hängend ein eleganter Degen, auf dem Kopf des Griffes ein Diamant. Spitzer Sammthut mit Reiherfeder. – Im 4. Akt trägt er einen hermelinverbrämten Purpurmantel. Im 5. Akt stützt er sich auf einen eleganten Stock, ohne Degen. – Seine Züge, wie ihn Van Dyke gemalt. Hohe, vornehme Gestalt.

CROMWELL: Braungelber Büffelkoller, dito hohe Lederstiefel mit Sporen, breiter Brabanter Spitzenkragen. An einem Ledergurt ein langes Schwert in Lederscheide. Brauner Hut mit breiter Krämpe, mit scharlachroter Feder. Gesucht schmucklos und schlicht gekleidet. – Kurze, fast kleine Gestalt, hager und muskulös. Kurzer Stutzbart. Mächtige, etwas grobe Züge. Haltung nachlässig, aber gebieterisch. Dunkelblond.

DIE
ROYALISTEN: in bunten, schmuckreichen Spensern, mit Ringen, Ketten, Bändern und »Liebesknoten« geziert.
Lange Haare.
DIE
PRESBYTERIANER: ernst; braun oder sonst dunkel gekleidet.
Große spitze Hüte, lange Degen, kurzgeschorenes Haar.
DIE
PURITANISCHEN OFFIZIERE UND SOLDATEN: wie Cromwell, nur schmuckreicher und statt des Büffelkollers rote Uniformröcke.

Nur Joyce und seine Leute stets im Küraß mit stählerner Sturmhaube. Alle tragen das Haar kurz, über den Ohren rundgeschoren.

1. Akt

[1] Erster Akt.

In Schloß Holmby. Eine gothische Gallerie. Rechts eine Thür. Links im Hintergrund ein offener Altan.
In der Mitte im Hintergrund eine Treppe, die zu einem Thor hinaufführt. Abendstimmung, vom Abendroth zur Dämmerung, nach und nach zunehmender Mondschein. – Beim Aufgehn des Vorhangs steigen Oberst Hammond und Sir John Berkley die Treppe herunter, an deren Fuß sie von Oberst Graves empfangen werden, vor dem sie sich auf seinen kurzen militärischen Gruß verbeugen. – Oben am Thor bleiben zwei Soldaten
als Wache stehn.

GRAVES.

Guten Abend. Die Herren baten um Einlaß, er ist ihnen gewährt. Zu den Wachen. Abtreten! Die Wachen ab. Mein Name ist Graves.

BERKLEY
sich graziös verbeugend.
Gouverneur dieses berühmten Schlosses und Hüter von Englands Majestät.
GRAVES
mißt ihn kalt.

Sehr wohl. Die Herren wünschen dem König ihre Aufwartung zu machen. Ich bitte um Vollmachten und Beglaubigung.

HAMMOND
stellt sich vor.
Oberst Robert Hammond, Gouverneur der Insel Wight.
GRAVES
sich verbeugend.

Vom Heere der Gottseligen. Herr Kamerad, mir genügt Euer Name vollkommen. Coke kommt von rechts. Aber hier kommt der zweite Bevollmächtigte des Parlaments bei Sr. Majestät, der Herr Generalprokurator[1] Coke. – Sir, Oberst Hammond, Gouverneur von Wight, bittet um Audienz –

COKE
eine kleine schlangenhafte Persönlichkeit, ihre Äußerungen stets mit einem leisen Gekicher begleitend.

Bei Sr. Majestät dem großmächtigsten König von Großbritannien und Irland, hihi, augenblicklich unter Obhut Höchstihres getreuen Parlaments auf Schloß Holmby in der Grafschaft Nottingham.

HAMMOND.
Auf der Durchreise nach meinem neuen Posten möchte mich nur vorstellen und melden, weiter nichts.
COKE.

Weiß, weiß schon. Kenne Euch ganz gut, Oberst Hammond. Wird gern erlaubt, gern erlaubt. Man muß die Formen bewahren, hihi, versteh' schon. Ihr seid ein sichrer Mann und der neuen Ordnung der Dinge ergeben und, hihi, nicht verdächtig der Verschwörung gegen den König und sein Parlament. Auf Berkley deutend. Aber dieser Gentleman .. ein Kavalier, wie mich däucht, seiner wenig gottseligen Kleidung nach ..

BERKLEY.
Sir John Berkley von Berkley-Haus.
GRAVES
den Hut lüftend.
Ah, der Verteidiger von Exeter im zweiten Jahr dieses großen Bürgerkriegs?
BERKLEY.
Der Nämliche.
GRAVES.

Alle Achtung. Wurden als Gefangener auf Ehrenwort nach Frankreich eingeschifft und kehren jetzt zurück, wo der Krieg beendigt?

BERKLEY.

Jawohl, Oberst Graves, beendet ist der Krieg, aber noch nicht geschlossen der Friede. Das Glück der Waffen entschied sich für Euch und wir Königlichen haben uns darein gefunden. Aber, besiegt oder triumphirend, der König bleibt der König. Daher –

COKE.

Hihi, Sir John hält uns eine kleine Vorlesung extempore über Staatswissenschaft. Bleiben wir[2] aber lieber bei nüchternen Thatsachen, hihi. Der König beliebte, sich zu dem verbündeten Nachbarreich vor seinen Unterthanen zu flüchten, und rief die Schotten ins Land. Diese aber, wenig befriedigt von der Gnade Sr. Majestät, welcher auch das schottische Presbyterium anzunehmen verschmäht wie das englische und festhält an dem traurigen Irrwahn der alten bischöflichen Hochkirche – die Schotten, sage ich, –

BERKLEY
heftig.

Verkauften ihren Herrn und König wie geizige Judasse um reichliche Silberlinge an England zurück. Der König ist gekauft und verkauft.

GRAVES.

Mein Herr, Ihr scheint ganz zu vergessen, wo Ihr Euch befindet. Ich ermahne Euch dringend, solche lästerliche Reden zu unterlassen.

COKE.

Ei laßt ihn, laßt ihn! Hihi, die Majestät geruhte also, sich wiederum in den Schooß ihres treuen Volkes zu betten als rechter Vater des Vaterlandes, hihi. Und das Parlament in seiner Weisheit empfahl Allerhöchst- ihm das gute Schloß Holmby als zeitweisen Hofhalt, woselbst der hohe Herr seine erhabene Person ausruht nach den Stürmen des Bürgerkrieges.

BERKLEY
halblaut.
Zur Gewalt fügt Ihr den Hohn.
GRAVES
ihn messend.
Ein kecker Übelgesinnter!
COKE.

Stille, mein süßer Herr! Die Bevollmächtigten des Parlaments, darunter Euer unterthäniger Diener Coke –

BERKLEY.

O, ich kenn' Euch! Früher Advokat, jetzt Generalprokurator des Königreichs! Das schießt in die Höhe .. wie Pilze. Bitt' um Verzeihung!

COKE.

Hihi, der Herr giebt's den Seinen im Schlaf .. oder auch nicht. Doch was ich sagen wollte, wir wachen [3] über der Wohlfahrt des erlauchten Monarchen, recht wie Kindlein über ihren unmündigen Vater ..

BERKLEY
heftig.
Unmündigen!
COKE
tückisch.

Du meine Güte! Ein hitziger, obschon bejahrter Mann, unser Sir John! Und wo in aller Welt, um ad rem zu kommen, verbirgt er uns seine Beglaubigung? Ihr fordert Audienz – mit welcher Vollmacht?

GRAVES.
Ja, Sir, das möcht' ich auch wohl fragen!
COKE.

Ach, mein guter Mann, laßt mich einmal – hihi, wir alten Juristen sind schon so – ein kleines Kreuzverhör anstellen. Von wannen kommt Ihr, schöner Herr? Von Frankreich. Und von wem bringt Ihr Botschaft an den König? Ich möchte wetten, von der Königin selbst? Ah, Ihr verratet Euch, Sir, Ihr habt mit dem Augenlid gezuckt!

BERKLEY
lacht.
Gebt's zu Protokoll! – Spart Euch die Mühe, lieber Herr, ich bin geständig.
GRAVES.
Nun, da haben wir's. Eure Beglaubigung?
COKE.

Sachte, schöner Herr, lasset mich weiter inquirieren. Ein recht anregender Fall. – Wer vom Parlament hat Euch beglaubigt?

BERKLEY.
Keiner.
COKE.
Keiner. Also vielleicht die gesamte Körperschaft?
BERKLEY.
Auch nicht.
COKE.

Auch nicht. Wer hat das Recht, Vollmachten zu geben? Nur das Parlament. Ergo, Ihr habt gar keine Vollmacht. – Oberst Graves, es dürfte doch wohl eine Untersuchungshaft des Verdächtigen angeordnet werden ..

BERKLEY.

Was Ihr klug seid! Und wer sagt Euch, daß ich keine Vollmachten habe? Streckt ihnen ein Papier entgegen.

[4]
GRAVES.
Wer kann die geben außer dem Parlament?
BERKLEY
zeigt auf die Unterschrift.
Der da!
GRAVES
liest.
Was! – Ja, das ist ganz was anders!
COKE
liest.

»Träger dieses Begleitscheins genießt unser volles Vertrauen und überbringt dem Gemeinwohl Wichtiges und Nützliches an König Karl. Wofür wir uns hiermit verbürgen. Oliver Cromwell.« Verbeugt sich tief. Ah – hihi – das ändert die Sache. Der Generallieutnant Cromwell –

GRAVES
eifrig.
Den ich über Alles verehre –
COKE.
Eure Vollmacht klingt wohlgefällig in unsern Ohren. Geht und kommt nach Belieben!
RICHMOND
tritt von rechts her auf.

Sr. Majestät der König – meine Herrn, ich grüße Sie – wird geruhen, hier in der Gallerie seinen abendlichen Spaziergang zu machen.

GRAVES
eilig.

Erlaubt, Herr Herzog, daß ich Euch Oberst Hammond und Sir John Berkley melde, welche dem König vorgestellt zu werden wünschen. Stellt vor. Sr. Gnaden, der Herzog von Richmond.

RICHMOND.

Zeitweiliger Oberhofmeister Sr. Majestät. Ich werde nicht verfehlen. Sir John, erfreut, Euch zu sehn.

BERKLEY
ihm ein Briefpacket reichend.
Ew. Gnaden werden so gut sein, dies Schreiben sofort dem König zu überreichen.
RICHMOND
darauf sehend.
Von Ihrer Majestät der Königin selbst? Ich eile. Ab nach rechts.
BERKLEY.
Und ich warte. Setzt sich auf die Steinbank. Sir, hier ist noch Platz für Euch. Zu Hammond.
[5]
HAMMOND.

Sir, Ihr seid sehr freundlich. Setzt sich neben ihn. Wo mir recht ist, sah ich Euch zuletzt in der Schlacht von Nasey. Ihr kommandirtet mir gegenüber und grifft mein Bataillon mit Euren Kavalieren an.

BERKLEY
den Hut lüftend.

Entzückt, einen Kriegskameraden zu finden, wenn auch auf der andern Seite. Eure Musketiere hielten sich wacker, mein Angriff wurde abgeschlagen. Irre ich nicht, war's nach der mißglückten Attake des Kommissar – General Ireton auf unsern linken Flügel.

HAMMOND.
Ganz recht. Ihr warfet ihn und setztet dann auf unser Fußvolk an.
GRAVES.

Mittlerweile – wenn's erlaubt, sich den Kriegserinnerungen der Herrn anzuschließen – hatte aber unser Cromwell den ganzen rechten Flügel des Königs vernichtet.

HAMMOND.

Jawohl, und nun kam uns im Zentrum Erlösung. Oliver's Schwadronen hieben das ganze Fußvolk des Königs in Stücke. Berkley wendet sich ab.

GRAVES.

Es war eine große krönende Gnade. Verbeugt sich gegen Berkley. Man muß Sr. Majestät Gerechtigkeit widerfahren lassen: Er wandte erst zuletzt dem Feinde den Rücken und focht wie ein Mann.

BERKLEY.

Sagt, wie ein Held. – Ohne Cromwell wäre die Schlacht für euch verloren gegangen; so war's ja auch bei Marston Moor.

GRAVES.

Immer, immer. Wer zweifelt daran? – Ihr kommt vom Lager bei London? Ist er wieder wohl? Ich empfing letzthin einen Brief von ihm, worin er seine Genesung von schwerem Siechtum meldet.

COKE.

Je ja, hihi, die Aufregung unsrer traurigen Spaltungen und Wirren zwischen König, Heer und Parlament [6] zehrt unserm biedern General an seinem kostbaren Leben. Argwöhnisch. Darf man wissen, Oberst, was er Euch schrieb?

GRAVES.

Gern. Es steht kein Geheimnis darin. Ich trag's stets bei mir unter'm Büffelkoller. Zieht einen Brief hervor.

COKE.
Hihi, wie ein Liebesbriefchen. Dieser Schatz muß Euch stolz machen.
GRAVES.

In der That. Liest feierlich. »Sir! Ich danke für die Gunst und Güte in Eurem letzten Briefe. Ich sehe, ich bin nicht vergessen. Und wahrlich, mich in Ihrem Andenken zu wissen, gewährt mir große Befriedigung. Denn ich darf sagen in der Einfalt meines Herzens, ich lege hohen Wert auf die Liebe aller braven Engländer. Wenn ich diese vergessen sollte, würde ich aufhören, ein ehrlicher Mann zu sein. Sir, es hat Gott gefallen, mich aus ernstlicher Krankheitsgefahr zu erretten. Und sehr gern erkenne ich an, daß der Herr in dieser Heimsuchung das Herz eines Vaters gegen mich gezeigt hat. In mir selbst empfing ich den Richterspruch des Todes, auf daß ich lernen möchte, kein Vertrauen zu haben zum Fleisch. Es ist eine heilsame Prüfung, täglich zu sterben. Denn was ist schätzenswert in dieser Welt! Die besten Menschen hängen am Fleisch und ihre Thaten sind noch geringwertiger als ihre Eitelkeit. Das allein finde ich tröstlich, den Herrn zu lieben und sein armes verachtetes Volk, für sie zu handeln, bereit, mit ihnen zu leiden. Wahrlich, wer dessen wert gefunden, hat große Gnade erhalten. Und wer in solcher Festigkeit wohnt, der wird auch teilnehmen an der Glorie einer Auferstehung, die da alles erfüllen wird. Bete für Deinen Freund und Diener Oliver Cromwell.«


Tiefe Stille.
[7]
RICHMOND
von rechts.

Sr. Majestät der König!Alle entblößen des Haupt. Von rechts Karl I., neben ihm Montague und Lindsay.

HAMMOND
zu Coke.
Wer ist der Herr zur Rechten?
COKE.
Der erste Bevollmächtigte des Parlaments bei Sr. Majestät, Mylord Montague.
HAMMOND.
Und zur Linken?
COKE.
Graf Lindsay. Zeitweiliger – hihi – Oberstkämmerer.
KARL
im Eintreten.
Das war eine heiße Schachpartie. Ihr habt mir den Sieg sauer gemacht, Mylord.
MONTAGUE.

Sire, bei Ihnen heißt's, wie von Gustavus Adolfus: Nichts durch ihn verlieren heißt schon viel gewinnen. Wer vermöchte es, einem der besten Schachspieler Europas Stand zu halten!

KARL.

Pah, pah! Politik, mein Bester, Politik – das ist die hohe Schule der Schachkunst. Da haben Wir Unsern bescheidenen Witz geschärft. – Guten Abend, meine Herrschaften! Lüftet den Hut. Sieh da, Unser treuer Gefängniswärter und Kerkerschließer! Nichts für ungut, lieber Oberst. – Ah, Fremde?

GRAVES
stellt vor.
Oberst Hammond, Sire.
HAMMOND.
Auf der Durchreise wollte ich mir nicht die Ehre versagen –
KARL
rasch ergänzend.

Eurem Souverain den schuldigen Respekt zu bezeugen. Sehr erfreulich in diesen Zeiten der Unbotmäßigkeit und der schlechten Manieren. Wir ernannten Euch zum Gouverneur von Wight. Man konnte keinen Würdigeren finden.

HAMMOND
verlegen.
Sire –
COKE
scharf.
Hihi, Majestät, ein Irrtum! Das Par lament ernannte –
[8]
KARL
ihn messend.
Wie sagt Ihr? Ja, man kam Unserm Wunsch zuvor. Wir billigten huldvoll diese Wahl.
MONTAGUE
zu Coke.
Er läßt sich die Dehors nicht nehmen und wahrt seine Haltung bis zuletzt.
KARL
halblaut zu Hammond.

Ihr seid der Neffe Unseres Hofpredigers und Hauskaplans, des ehrwürdigen Dr. Hammond. Das empfiehlt Euch von vornherein Unsrer königlichen Gunst. Ich liebe nicht die Uniform, die Ihr traget, Sir, doch Ihr seid Uns empfohlen als ein loyaler, junger Mann. Laut. Auf Wiedersehn, Herr Oberst! Wir hoffen Euch nicht zum letzten Mal zu sehn. Glückliche Reise! – Lieber Lindsay, reicht mir doch meinen Shakespeare!

LINDSAY
ihm mit tiefer Verbeugung einen Folioband überreichend, den er unterm Arme trug.
Ew. Majestät lasen in der Tragödie von ›König Lear‹. Ich habe ein Zeichen eingelegt.
KARL.

Verbindlichen Dank, lieber Graf. Ja, dieser göttliche Barde ist ein Lehrer der Könige. O Undank, Undank! – »Stürm', stürm', du Winterwind, du bist nicht kalt gesinnt, wie Menschenundank ist.« Als bemerkte er Berkley erst jetzt. Was seh ich! Sir John Berkley? Hochwillkommen! Reicht ihm die Hand zum Kuß.

BERKLEY.
Mein königlicher Herr, so sehen wir –
KARL
ruhig ergänzend.

Uns wieder! Warum nicht? Wir befinden uns hier recht wohl, mein lieber Getreuer. Wie Ihr wissen werdet, erkoren Wir dies feste Schloß zu Unserer zeitweiligen Residenz, von wegen der guten Luft .. Unsere Gesundheit war von den Kriegsstrapazen ein wenig angegriffen. Zum Altan hinausblickend. Welch schöne Nacht! Wie der göttliche Schwan vom Avon so lieblich singt: »Wie sanft das Mondlicht auf dem Hügel schläft!«Setzt sich auf die Steinbank. Herr Gouverneur, ich habe mit Sir [9] John einige Wörtlein im Privaten zu wechseln. Er bringt uns Grüße von Unsrer vielgeliebten Gemahlin. Alle – außer Kark und Berkley – verbeugen sich und gehen ab, die Treppe hinauf durch das Mittelthor. Wohlan, Sir John, Ihr seid der Vertraute Ihrer Majestät der Königin und .. Sarkastisch. Unsres besonders liebwerthen Getreuen, General Cromwell. Ihr habt dem Brief der Königin ein Schriftstück beigeschlossen, welches die sogenannten Bedingungen enthält, die das sogenannte Heer dieses sogenannten Parlaments mir stellt.

BERKLEY.

Sire, Sie wissen, daß zwischen dem Heer unter dem nominellen Oberbefehl des Lord-Generals Fairfax – in Wahrheit unter dem Befehl des Generalleutnants Cromwell – und dem presbyterianischen Parlament ein unheilvoller Bruch bevorsteht. Sofort nach meiner Landung erhielt ich von Cromwell die Einladung, mich zu ihm zu begeben. Das Ergebnis meiner Unterredungen enthält eben jenes Schriftstück, das ich Ew. Majestät unterthänigst zu unterbreiten wagte.

KARL
kalt.
So, so? Das ist ja recht hübsch.
BERKLEY
erstaunt.
Sire?
KARL.
Dieser Cromwell lügt so übel nicht. Wir kennen ihn.
BERKLEY.
Also zweifeln Ew. Majestät an dem, was ich ausgerichtet?
KARL.

Das nicht, Sir. Herr Cromwell braucht mich wohl grade zu einem Schachzug. Aber ich bin kein plumper machtloser Schach-König, der auf fremde Verteidigung angewiesen. Wir sind ihm gewachsen.

BERKLEY.
Majestät, der General Cromwell ist ein Mann –
[10]
KARL.

Auf den sich Keiner verlassen darf. Das wolltet Ihr sagen? Täglich nimmt er gegen Jeden ein anderes Benehmen und eine andere Sprache an. Ihn beseelt nur ein Verlangen: in jedem Falle, wohin sich die Schaale neige, das Haupt der Sieger zu bleiben.

BERKLEY.

Ich beuge mich der höheren Einsicht Ew. Majestät. Allein, ich sollte doch meinen, diese so gemäßigten Bedingungen beweisen doch guten Willen.

KARL.
Gemäßigt, sagt Ihr? Ich finde sie äußerst hart.
BERKLEY.

O Sire, ich bin erstaunt .. Ihre vertrautesten Räte sind andrer Meinung. Bisher sind der Krone noch keine so schonenden Vorschläge unterbreitet. Die der Kammern sind doch weit strenger.

KARL
stirnrunzelnd.

›Streng‹ und ›schonend‹ – das ist die Sprache, mit welcher Rebellen ihren rechtmäßigen Herrn und Gebieter anreden.

BERKLEY.

Ohne Zweifel klingt dies peinvoll für die Ohren jedes loyalen Unterthans. Aber, Sire, es ist doch eben nur eine Machtfrage.

KARL.

Macht! Ich bin mächtiger, gefesselt und entwaffnet und beraubt, als alle Parteien, die sich untereinander zerfleischen. Wie der göttliche Shakespeare so ungemein treffend bemerkt:


»Es ist des Königs Nam' ein fester Turm,
Woran der feindlichen Partei es fehlt.«
BERKLEY.

Es erhebt das Herz, Ew. Majestät erhabenes Gemüt so fest und hoffnungsfreudig zu finden. Allein, Sire, geruhen Sie doch, ich bitte allerunterthänigst, die Bedingungen des Heeres etwas näher ins Auge zu fassen. Bedenken Sie dagegen die Forderungen der Presbyterianer!

KARL.
Es beleidigt Unser Ohr, sie nennen zu hören.
[11]
BERKLEY.

Mit den Vorschlägen General Cromwells verknüpft sich weder die Verbindlichkeit, die bischöfliche Kirche abzuschaffen, noch die Mehrzahl treuer Royalisten durch ungeheure Geldstrafen zu ruinieren. Und die zeitweilige Suspentierung der vollziehenden königlichen Gewalt, welche die Kammern beantragen – was ist's im Grunde als die gesetzlich sanktionierte Mundtoterklärung des Königs auf so lange, als es dem Parlament belieben wird?

KARL.

Redet nicht weiter von dieser dreisten Unverschämtheit, Sir, ich verbiete es. Es stört die königliche Ruhe Unsres Sinnes, an solche Scheußlichkeiten erinnert zu werden. Kommt zur vorliegenden Sache! Das Heer bittet uns in seiner unterthänigen Vorstellung zu Stufen des Thrones, auf zehn Jahre den Befehl über jede bewaffnete Macht und das Recht der Ernennung zu den obersten Staatsämtern aufzugeben. – Doch die Zunge sträubt sich .. fahret Ihr fort, Sir John!

BERKLEY.

Ferner: sieben der vornehmsten Ratgeber der Krone aus dem Reich zu verbannen, keinen Kavalier zum nächsten Parlament wählbar zu erklären, und endlich dem Klerus, möge er nun Bischof der Hochkirche oder Presbyterianischer Prediger heißen, jede bürgerliche Strafgewalt zu entziehen.

KARL
winkt mit der Hand.

Genug, übergenug. Ekelhaft, höchst ekelhaft. – Außerdem ist dies nicht Alles. Herr Cromwell fügt noch allerlei sogenannte Reformen hinzu, lächerliche Schwärmereien, welche gottlob nie auf Erden verwirklicht werden können. Er fabelt von einer gleichmäßigen Verteilung des Wahlrechts und der Steuern, er will das bürgerliche Prozeßverfahren verändern .. ach, noch eine Menge von derlei Vernichtungen politischer, [12] juridischer und commerzieller Privilegien .. kurz, er plant sträfliche Eingriffe in die soziale Ordnung und die Gesetze.

BERKLEY.

Aber Sire, ich versichere Sie, selbst die Urheber dieser Gedanken richten sich hiermit keineswegs gegen die Würde und Gewalt der Krone. Was liegt denn ihr an dem Bestand der faulen Burgflecken, die einen Abgeordneten wählen dürfen wie die größten Städte des Landes! Was liegt der Krone an den skandalösen Gewinnsten der Advokaten und Richter ..

KARL
unterbricht ihn streng.

Sir John Berkley, Ihr seid sehr kühn. Die Gunst Ihrer Majestät der Königin sei Eure Entschuldigung. Mir, mein Herr, Eurem König überlasset es, diese Dinge zu beurteilen, wie der beschränkte Verstand des Unterthanen es nicht vermag. Allerdings, mein Herr, hat die Krone Englands ein gar wichtiges Interesse am Bestehen jener löblichen Institutionen, welche das ehrwürdige Alter früherer Zeiten geheiligt hat. Die faulen oder verrotteten Burgflecken, um den unehrerbietigen Ausdruck des Pöbels zu gebrauchen, sind ein Grundpfeiler der Konstitution von England, da durch sie der Einfluß unsrer treuen Lords auf die Wahlen des Hauses der Gemeinen ermöglicht wird. Und überhaupt .. ich bin gegen alle und jede Reformen. Denn sie alle bezwecken nur, bisher gottlob unbekannte Grundsätze einer allgemeinen Gleichheit einzuführen, und bedrohen hierdurch die von Gott eingesetzte Ordnung der Gesellschaft in ihren heiligsten Grundvesten.

BERKLEY.
Sire, ich .. wenn ich mich vergangen habe ..
KARL.

Nicht doch, Sir John. Wir sind es ja gewöhnt, daß vorwitziger Übereifer Unserm Willen vorgreift. Ihr seid in Gnaden entlassen.

[13]
BERKLEY.
So ist es Ihr Wille, Sire, die Verhandlungen mit dem Heere abzubrechen?
KARL.

O wie wenig vermögt Ihr in meine Politik einzudringen! Ich breche niemals Verhandlungen ab, sondern ziehe sie hin – das ist mein tiefdurchdachtes System, in welches meine Diener sich mit entsprechendem Verständnis einzuleben haben.

BERKLEY.
Majestät ermächtigen mich also, weiter mit Cromwell zu unterhandeln?
KARL.

Immer zu, immer zu, mein Bester! – Das Heer ist schon etwas billiger als das Parlament. Sie werden noch weicher werden. Diese erste Vorlage verwerfe ich rundweg.

BERKLEY.
Sire, Sie sprechen sich höchst unmutig darüber aus, doch ist die gute Absicht unverkennbar.
KARL.

Nichts da! Wenn man wirklich die Absicht hätte, mit mir abzuschließen, so würde man mir Dinge vorschlagen, die ich annehmen könnte.

BERKLEY.
Sire, ich wage anzudeuten, daß die Gefahr einer Weigerung –
KARL
steht auf und mißt ihn majestätisch.

Wer sind Sie, Sir, daß Sie Uns von Gefahren reden? – Nein nein, mein Bester, à revoir, ich ziehe mich zur Ruhe zurück. – Diese Leute können sich ohne mich nicht aus der Schlinge ziehn. Ihr werdet sie bald nur zu glücklich sehn, von selbst billigere Bedingungen anzunehmen, und zwar dann von Mir. Ich überwache die Parteien, und wie Unserer Prüfung Abbild und königlicher Bruder Lear so herrlich dräut: »Der Bogen ist gespannt.« A revoir, mon ami. Geht und liest laut in der Shakespear-Ausgabe, die er wieder mit sich nimmt. Wo war ich doch? Ah, 3. Akt. Liest. »Sprich doch, was ist ein Verrückter?« Lear: »Ein König, ein [14] König!« Erhabener Monarch, wie tieferschütternd! »Ich bin der König selbst!« Wie wahr, wie wahr! Von Gottes Gnaden. Ab nach rechts.

BERKLEY
ihm nachschauend.

»Ja, jeder Zoll ein König!« O, ich kenne auch meinen Lear! Macht Sr. Majestät so fort, so wird er noch auf dem Heu enden wie der – oder wer weiß wo! Mich schauderts zu denken. Draußen langanhaltende Trompetenfanfaren. Ei nun, was ist denn das?

COKE
kommt von oben durch die Thür der Treppe herunter.
Ängstlich. O Herr Jesus, was für eine Welt! Was für ein ängstliches Leben für eine arme Zivilperson!
BERKLEY.
Was giebts denn?
COKE.
Solltet Ihr's glauben? Nicht mal hier ist man seines Lebens sicher!
BERKLEY.

Wie so? Steht der Feind vor den Mauern? Der Feind! Was sage ich da! Was ist denn Freund und was Feind! Wiederum Trompetenfanfaren.

COKE.
Sehr wahr, o nur zu wahr, werter Herr.
MONTAGUE
von oben, wie vorhin Coke.
Bestürzt. Da geht's wieder los mit den verfluchten Trompeten! Sie fordern gebieterisch Einlaß.
BERKLEY.
Wer denn, in drei Teufelsnamen?
MONTAGUE.
Ein ganzes Reiterregiment steht vor dem Thor.
GRAVES
kommt, wie oben, mit einem Adjutant-Of fizier.
Wütend. Ich werd's ihnen beibringen!
MONTAGUE.
Habt Ihr Anstalten zum Widerstand getroffen?
GRAVES.

Natürlich. Die ganze Besatzung ist auf den Beinen. Die Hakenbüchsen sind geladen, die Feuerrohre fertig.

RICHMOND UND LINDSAY.
Kommen, wie oben. Zum König!
[15]
BERKLEY
ihnen entgegen, halblaut.
Ha! Sind's etwa die Unsern? Befreiung?
RICHMOND.
Fromme Täuschung, eitle Hoffnung! Es sind puritanische Eisenseiten.
LINDSAY.
Gouverneur, der Anführer der Leute verlangt Einlaß zu einer Besprechung.
GRAVES.

Sehr wohl, Graf Lindsay. Seid so gut, den Wachen meinen Befehl zu bringen, daß der Kerl sich hierher bemühe.

LINDSAY.
So werden wir doch wenigstens erfahren, worum sich's handelt. Ab nach oben durch die Mittelthür.
BERKLEY.
Aber was soll denn das bedeuten?
GRAVES.
Weiß ich's? Das ist eine tief versteckte Büberei.
MONTAGUE.
Ein Handstreich vom Heere!
BERKLEY.
Vom Heere? Aber ich weiß doch, daß General Cromwell –
MONTAGUE.
Die Generale sind selbst des Heeres nicht sicher.
BERKLEY.

Ich fange an zu begreifen. – Gouverneur, gebt mir Urlaub und Euer schnellstes Roß. Ich selbst will ins Hauptquartier diese Nachricht bringen.

GRAVES.

Sehr wohl, thut das, Sir. Cromwell kann nicht früh genug erfahren .. Zu dem Offizier. Du da, mein Adjutant, begleite diesen Kavalier und schaff' ihn sicher auf die Straße nach London.

BERKLEY.
Besten Dank. Ihr Herren, empfehlt mich dem Könige! Ab mit dem Offizier.
GRAVES
aus dem Altau hinausblickend.
Aha, da ist er, der Herr Parlamentär!
MONTAGUE
ebenso.
Ein strammer Kürassier! Bah, nur ein Cornet, kein höherer Offizier!
[16]
GRAVES
vom Altan hinauskommandierend.

Achtung! Macht Euch zum Feuern fertig! In die Schießscharten! Die Lunten an die Kanonen! Versuchen sie Gewalt, so sollen sie sich die Zähne ausbeißen.

LINDSAY
kommt von oben.
Er folgt mir auf dem Fuße!
RICHMOND.
Wir zum Könige, um ihn au fait zu setzen! Richmond und Lindsay ab nach rechts.
MONTAGUE.

Au qui-vive, meint der edle Herr. Denn das gilt dem Könige selbst. Von oben die Treppe herunter kommt Fähnrich Joyce, von einem Soldaten geführt, der ihm die Parlamentär- Binde von den Augen nimmt. Joyce salutiert stumm und steht in strammer Haltung da. Ich grüße Sie, mein Herr.

JOYCE.
Ich Sie, mein Herr. Vor wem stehe ich?
MONTAGUE.
Den Abgesandten und Bevollmächtigten des Parlaments bei Sr. Majestät.
JOYCE.
Ah, Civil! Ist hier keine Militärperson?
GRAVES.
Das bin ich, Gouverneur dieses Schlosses.
JOYCE
grüßt.
Oberst Graves, wenn ich nicht irre?
GRAVES.
Jawohl. Antworten Sie auf meine Fragen!
JOYCE.
Zu Befehl.
GRAVES.
Wer ist Ihr Befehlshaber?
JOYCE
trocken.
Alle.
GRAVES.
Alle? Was heißt das? Wer führt die fünfhundert Reisigen vor den Thoren dieses Schlosses?
JOYCE.
Niemand. Wir sind alle gleich, alle wie ein Mann.
GRAVES.

Was soll das bedeuten? Fünf Schwadronen ohne Kommandeur? Wo sind Ihre Rittmeister, Ihr Major Ihr Oberst?

JOYCE.

Giebt's nicht, mein Herr. Wir sind Deputierte aller Regimenter, so da wandeln auf dem Wege des Herrn!

[17]
COKE.

Hihi, wenn eine arme Civilperson sich eine kleine Frage erlauben darf – hihi, sprechen die Herren Reuter alle in einem Atem oder erkieseten sie einen Sprecher, der da verkündige den Willen der Heiligen?

JOYCE
mit verächtlichem Blick.

Herr, den zu kennen ich nicht die Ehre habe, – ich stehe hier als sothaner Sprecher. Ich heiße Joyce.

GRAVES.
Welche Charge?
JOYCE
salutiert.
Fähnrich im Reiterregiment Fairfax.
MONTAGUE.
Und was suchen Sie hier, Herr Fähnrich?
JOYCE.
Ich habe mit dem König zu verhandeln.
GRAVES.
Was, mit – ist der Bursche toll?
COKE.
Hihi, demütige Frage einer unwürdigen Civilperson: – in wessen Namen?
JOYCE
ruhig.
In dem meinigen.
MONTAGUE.
Hahaha! Das ist gut!
COKE.
Hihihi! Der Bauer bietet Schach dem König!
GRAVES.
Ich bin nicht gesonnen, mir derlei bieten zu lassen. Ich, der Gouverneur – Draußen zunehmender Lärm.
JOYCE
barsch.

Ich, der Narr! Was giebts da zu lachen? Ich werde euch Ernst lehren, wenn ein Abgesandter vom Heere der Heiligen vom Geiste erleuchtet wird, mit den Großen der Erde zu verhandeln.

GRAVES.

Macht ein Ende mit solchen Fastnachtsspäßen! Herr, wie dürfen Sie – Draußen lautes Jubelgeschrei. Stürzt an den Altan. Höll' und Teufel, was geht da vor?

JOYCE.

Ihren unheiligen Fluch mit Bekümmernis vernehmend, teile ich Ihnen mit, daß die Besatzung von Holmby –

MONTAGUE UND COKE.
Zum Feinde übergeht?Stürzen an den Altan.
GRAVES.
Sie haben die Zugbrücke niedergelassen, die Höllenhunde!
[18]
MONTAGUE.
Die Thorwache macht gemeinsame Sache mit den Reitern!
GRAVES.
J da soll doch gleich – Will fort. Sie Fähnrich da, darauf steht der Tod! Ihre Insubordination –
JOYCE
langsam.
Wissen Sie das so genau?
GRAVES
betroffen.
He? Wie meinen Sie? – Hm! Ah so! Blickt Joyce forschend an.
MONTAGUE
hinausblickend.
Wahrhaftig, die Reiter dringen in den Schloßhof, sitzen ab und die Besatzung –
COKE.
Hihi, sie schütteln sich die Hände. Liebliches Fest der Verbrüderung!
GRAVES
flüsternd zu Joyce.
Im Vertrauen, Herr Fähnrich; das sieht mir ganz aus nach – nach – hm, O.C.?
JOYCE.
Kenne keinen O.C. Verstehe nicht.
GRAVES.

Kommt, kommt, Ihr wißt mehr, als Ihr sagen wollt. Sagt nur ein Wort, – Ihr handelt in höherem Auftrag?

JOYCE.
Ja, das thu' ich. Im Auftrag des Heeres nämlich.
GRAVES.

Das Heer, das Heer! Das klingt ja recht schön, aber das Heer ist – hm – keine Person, keine Autorität, auf deren Verantwortung –

JOYCE.
Ich handle auf meine Verantwortung.
GRAVES.

Ach, bindet das auf, wem ihr wollt, mir nicht. Wer gab euch die Reiter, wie kamt ihr zusammen? Das riecht nach – nach einem sehr würdigen hohen Haupte, das ich hoch verehre, – sagt nur eins und – hm – O.C., wie?

JOYCE.

Weiß nicht, was ihr mit eurem O.C. wollt! Basta. Stramm. Herr Gouverneur, Schloß Holmby ist genommen. Ergeben Sie sich! Jeder Widerstand ist nutzlos.

[19]
GRAVES.

Hm – eh – Herr Fähnrich, Ihre löbliche Absicht hat meinen vollen Beifall. – Meine Herren vom Parlament, benachrichtigen Sie Se. Majestät.

MONTAGUE.
Das ist Ihre Pflicht, Herr Gouverneur.
GRAVES.

O nein. Was mich betrifft, so gehöre ich zur Armee. Das Heer befiehlt hier. Ich – hm, eh – trenne mich nicht vom Heere. Geht rasch ab. Zu Joyce halblaut. Er soll mit mir zufrieden sein.

JOYCE.
Er? Wer?
GRAVES.
O.C. Geht rasch ab.
COKE.
Hihi, eine Krähe hackt der andern nicht die Äuglein aus.
JOYCE
vor sich hin.

Der alte Fuchs mit seinem O.C.Zieht einen Papierstreifen aus seinem Koller; liest halblaut. »Sodann die Parlamentskerle unschädlich machen und zwar rücksichtslos, worauf den König« – u.s.w. Zerreißt das Papier in kleine Stücke. Zu Befehl! Laut. Meine Herren vom Parlament, jetzt in allem Ernst: Augenblicklich muß ich den König sehen.

MONTAGUE.

Ach, Sie sind nicht gescheidt. Mitten in der Nacht! Zu Coke. Dieser Verräter Graves! Jetzt kommt an uns die Reihe.

COKE.

Sagen Sie uns doch, gefürchteter Krieger –Hinter der Szene Trompetenfanfaren und Geschrei, Hält sich die Ohren zu. Hu! Brr!

JOYCE.
Da hört ihr, was ich zu sagen habe, und zwar in handfestem Englisch.
COKE.
»Hört, hört!« Diese ehrenwerten Mitglieder verstehen »zur Ordnung« zu rufen, das muß man sagen.
MONTAGUE.
Herr Fähnrich, diese Vergewaltigung wird vor den Schranken des Hohen Hauses zur Rechenschaft kommen.
[20]
JOYCE.

Wenn wir nur nicht euch alle in die Schranken fordern, ihr Lauen und Schwachen im Glauben, dieweil ihr die Heiligen des Herrn betrübt! In diesem Augenblick dringen sechs »Eisenseiten« im Küraß, den Pallasch in der Hand, durch die offene Thür und besetzen oben die Treppe. Aha, da seid ihr, meine Bullenbeißer! Richt' euch! Schultert's Gewehr! Gut. Er zieht den Degen. Und nun, Gentlemen, genug geschwätzt! Marsch! Zum Könige! Draußen nochmals Fanfaren und Geschr ei.

MONTAGUE.
Ich erhebe feierlich Protest –
JOYCE.
Sie werden sich sofort in Ihre Gemächer zurückziehen. Weist nach der Treppe.
MONTAGUE.

Wie dürfen Sie wagen, verwegener Mensch –? Im Namen des Gesetzes, Hände los!Richmond und Lindsay stürzen von rechts her herein, den Degen in der Hand.

JOYCE.

Aha, da wird's lebendig im Rattennest! Wir werden euch ausräuchern. – Meine Herren aus London, gutwillig oder nicht, verfügen Sie sich zu Bett und das augenblicklich!

COKE.

Ich gehe, ich gehe. Zu Montague. Herr Kollege, ich bin ein Mann des Friedens und beschwöre Ew. Lordschaft – dieser Kriegsknecht scheint zu jeder Übelthat aufgelegt –

MONTAGUE
verächtlich.

Schon gut, Held der Feder! – Wir weichen der Gewalt. Zu Richmond. Überzeugen sich Ew. Herrlichkeit, daß wir auf unserm Posten bei Sr. Majestät ausharrten bis zuletzt. Wir werden dem Parlament Bericht erstatten und die Hülfe der hohen Häuser anrufen wegen flagranter –

COKE.

Hihi, violatio juris! Die Soldaten lachen, während Montague und Coke die Treppe hinaufsteigen und zwischen ihnen durch oben verschwinden.

JOYCE.
Ruhe! Zu Richmond und Lindsay. Im Namen der Armee! Wo ist der König?
[21]
RICHMOND.
Wer erlaubt sich eine so kecke Sprache?
LINDSAY.
Welcher unziemliche Lärm weckt uns? Wer dringt in den geweihten Bezirk der königlichen Nähe?
JOYCE.

Ich, Fähnrich Joyce vom Regiment Fairfax nebst fünfhundert Kameraden. Wir sind gekommen, um den König in Sicherheit zu bringen. Denn einige Verräter haben sich verschworen, ihn nach London zu entführen, frische Truppen auszuheben und einen neuen Bürgerkrieg zu entzünden. Was alles zu verhindern wir mit Gottes Hilfe gesonnen sind.

RICHMOND.
So? Und was wollen Sie denn thun?
JOYCE.

Das kümmert Sie nicht, Herr Kämmerling. Aus dem Wege, meine Herren! Dort Weist mit dem Degen nach rechts. ist der König und es muß hart zugehen, wenn ich mein Ziel verfehlen sollte.

RICHMOND
hält ihn auf.
Halt, mein Herr! Die Majestät ist schon zur Ruhe gegangen.
JOYCE.

Mir gleichviel. Ich habe lange genug gewartet. Platz da! Er erhebt den Degen. Die Edelleute weichen aus, gehen aber neben ihm her.

RICHMOND.
Sir, Sir, ich bin der Herzog von Richmond.
JOYCE.
Soll Ihnen nichts schaden, mein Bester.Klopft rechts an die Thür.
LINDSAY.
Ich bin der Earl von Lindsay.
JOYCE.
Keine Bange, wir thun Ihnen nichts. Die Soldaten lachen. Ruhe in den Gliedern. Klopft wieder.
RICHMOND.
Haben Sie denn wenigstens Vollmacht?
JOYCE.
O einen ganzen Korb voll.
LINDSAY.
Wir meinen von den Parlamentsgesandten.
JOYCE.

Die Herren aus London werden Wachen vor ihrer Thüre finden. Ich komme von Leuten, die sich vor denen nicht fürchten.

[22]
RICHMOND.
Von welchen Leuten, wenn man fragen darf? Joyce schweigt. Wo ist Ihre Vollmacht?
JOYCE
auf seinen Harnisch schlagend.
Hier. Klopft wieder.
LINDSAY.
So legen Sie doch wenigstens die Waffen nieder!
JOYCE.

Nichts da! Kraft dieser Vollmacht trete ich vor den König! Die Thür öffnet sich plötzlich. Karl I. tritt heraus. Alle weichen zurück, die Lords entblößen das Haupt.

KARL
ruhig.

Ich trete vor Sie, mein Freund, Ich Ihr König. Was wünschen Sie? – Mylords und Gentlemen, was geht hier vor? Zu den Lords. Gezogene Degen in Meiner Gegenwart? Ich bitte! Die Lords verbeugen sich und stecken die Degen ein.

JOYCE
ruhig, Hand am Helm, kommandiert.

Achtung! Präsentiert! Salut dem König! Die Reiter salutieren. Joyce zum Altan hinauskommandierend. Tusch! Fanfare! Unten Trompetentusch.

KARL
winkt unwillig ab.
Genug. – Was ist Ihr Begehren, mein Freund?
JOYCE.

Rührt euch! – Melde Ew. Majestät, daß ich auf Befehl des Heeres erscheine, um Sie von Schloß Holmby fortzuführen.

KARL.
Wie? Ich staune.
JOYCE.

Befürchten Sie nichts, Sire! Die Truppen haben strengen Befehl, Ihrer Person mit all der Achtung zu begegnen, die man der königlichen Würde schuldet.

KARL.

Wirklich? Bei der Behandlung, die Mir zu teil wurde vonseiten Meiner getreuer Unterthanen des Parlaments, überrascht Mich diese Versicherung. – Und was verlangt Mein Heer von Mir?

JOYCE.
Nichts wird dem Könige zugemutet werden, was wider Ehr' und Gewissen ist.
[23]
KARL.

Immerhin ein Fortschritt. Bei Seite zu den Lords. Was dünkt Euch, Mylords? Eine sichtbare Fügung des Himmels, Mich aus den unreinen Händen des Parlaments zu befreien.

RICHMOND.
Ich teile nicht ganz Ihr gnädiges Vertrauen auf die Loyalität des Heeres. Allein –
LINDSAY.
Man muß sich in das Unvermeidliche fügen, damit ist alles gesagt.
KARL.
Nun wohl, Herr – eh, wie heißen Sie doch?
JOYCE.
Joyce, zu Diensten, Majestät.
KARL.

Ich will recht gern mit Ihnen ziehen. An den Altan tretend. Das da unten sind wohl Ihre Leute? – Ei, sehr schön, sehr. Sehen Sie doch, Mylords, welch' prächtige Reiterei!

RICHMOND
hinabblickend.
Verdammt! Wir kennen sie von Edgehill, Naseby und Marston Moor.
LINDSAY.

Die Eisenseiten! Wann werden wir wieder die Klingen kreuzen? Aber alles was recht ist, eine brillante Truppe!

KARL.

Saubere Uniformen, Panzer sehr gut geputzt, Pferde in bestem Zustande. Wirklich ein Genuß für jedes Soldatenherz! Zu Joyce. Ich bin recht zufrieden. Meine Reiterei macht ihrem Rufe alle Ehre.

JOYCE
ein Lächeln unterdrückend.
Zu gnädig, Sire.
RICHMOND
zu Lindsay.
»Meine Reiterei!« Wir kennen ihre Leistungen – auf unserer eignen Haut.
LINDSAY.

Ja wahrhaftig, meine alte Wunde von Naseby brennt .. im Angesicht dieser frechen Psalmbrüder, die uns feierlich zur Schlachtbank predigen.

KARL
wendet sich vom Altan weg.
Nun wohl, Herr Joyce, haben Sie einen schriftlichen Befehl?
JOYCE.

Sire, das Heer hat mich ermächtigt, um den Plänen seiner Feinde zuvorzukommen. Denn siehe, die [24] Heiden trachten, ihre Hand auf's neue im Blut der Gläubigen zu baden.

KARL.

Das sind starke Worte, Herr. So sind Sie also nicht gesetzlich ermächtigt. Denn in England giebt es nur zwei gesetzliche Gebote, die Meinen und die des Parlaments. Haben Sie einen schriftlichen Auftrag vom Oberbefehlshaber, Sir Thomas Fairfax?

JOYCE.
Ich habe den Auftrag vom Heere und in diesem ist der General mit inbegriffen.
KARL.
Nun, der General steht doch wohl an der Spitze des Heeres? Nochmals, haben Sie etwas Schriftliches?
JOYCE.
Sire, ich bitte keine Fragen mehr an mich zu richten. Ich habe genug gesagt.
KARL.

Schön, Herr Joyce. – Man muß gestehen, daß Ihr Auftrag da Deutet über den Altan. in fünfhundert ungemein leserlichen Buchstaben geschrieben ist. – Und wenn es Uns nun belieben sollte, dem in wenig ehrerbietiger Form ausgedrückten Wunsch Unseres Heeres kein Gehör zu schenken?

JOYCE
sich tief verneigend.
So würde ich zu meinem Leidwesen genötigt sein, mich der Person Ew. Majestät zu bemächtigen.
RICHMOND.
Die Hand legen an den Gesalbten des Herrn?!
LINDSAY.
Schrecken sie vor nichts zurück, diese Rebellen?
KARL.

Still, Mylords. – Mein Freund, ich will Ihr Gewissen nicht mit so frevelhaftem Gewaltakt belasten. Ich gehe mit Ihnen. Die Luft dieses Schlosses behagt Mir nicht. – Folgen Sie mir, meine Lords. Er geht die Treppe hinauf.

JOYCE.

Kameraden, richt' euch! Rechtsum, marsch! Stärken wir unsere Seele mit den Worten des Psalmisten: stimmet an, o Brüder, den Hochgesang: »Siehe, der Tyrann ist tief gefallen!« Sie rücken feierlich ab.

[25]

2. Akt

Zweiter Akt.

Lager des Heeres bei St. Albans. – Zelt Cromwells.
In der Mitte ein Tisch mit Schreibzeug, einige Feldstühle. Beim Eintreten oder Herausgehen
durch die Zeltthür in der Mitte sieht man dort eine Schildwache auf und ab gehen. – Cromwell, Ireton, Lilburn stehen, Prynue, Ludlow und Sidney ihnen gegenüber, sitzend.

CROMWELL.
Das Heer auflösen! Mit Verlaub, ist das hohe Haus toll geworden?
PRYNNE.
Sprecht ehrerbietiger vom Parlament! Allerdings will es –
CROMWELL.
Es! Das soll heißen, die Mehrheit, die jede andere Partei niederdrückt, die Gemäßigten.
SIDNEY.

So nennt ihr uns Presbyterianer. Und warum? Die Meisten von uns gehen so weit als irgend einer von euch Independenten.

CROMWELL.
Weiß schon, ihr seid Republikaner und – Lordssöhne, wie Ihr, mein junger Freund Algernon Sidney.
SIDNEY.

Was hat der Zufall, daß ich ein Sohn Lord Leicesters bin, mit meinem politischen Ideal zu thun? Wohl, wir lieben die Freiheit in reinerer Gestalt –

CROMWELL.

Jaja, den Mondschein. Gemäßigt seid ihr nicht in euren hochfliegenden Träu men, das ist schon wahr. Aber gemäßigt seid ihr in allem, was das wahre Gemeinwohl betrifft. Wir Unabhängigen, wir Independenten, [26] wir wollen eine freie Kirche im freien Staat, vollkommene Gewissensfreiheit, unabhängig von Kirchenmauern und bestallten Pfaffen im Talar, Jeder den Herrn suchend in seiner Weise und nach seinen schwachen Kräften. Ihr Presbyterianer in England und Schottland wollt an die Stelle der Hochkirche, die uns alle unter König Karl so grausam belastet, nur eine neue Staatskirche setzen nach eurem Wunsche und Geschmack. Das Königtum möchtet ihr zu Boden halten oder gar ausrotten, aber nur, um die Herrschaft der Maulhelden zu erhöhen. Und da ist nun dies arme Heer euch ein Dorn im Auge, dieweil es der Partei der Gottseligen anhängt und nicht dem großen Presbyterium des Parlaments.

PRYNNE.

Nach dieser Strafpredigt des Generalleutnants Cromwell dürfen wir wohl annehmen, daß er die Sache der Unzufriedenen mit vertritt?

CROMWELL.

Beileibe nicht, o nein! Ich bin den hohen Häusern ergeben mit Leib und Seele, mit Gut und Blut, als der gesetzmäßigen Obrigkeit dieses betrübten Volkes. Ich beklage die Unzufriedenheit des Heeres.

SIDNEY.
Es scheint nicht so.
CROMWELL.
Weil ich die Berechtigung seiner unterthänigen Forderungen anerkenne?
PRYNNE.

Diese unglaublichen Forderungen, in anmaßendem Tone vorgetragen, sind gestern durch eine Deputation von 8 Regimentern dem Haus der Gemeinen übermittelt.

IRETON.
Ja, aber nicht mit Billigung der Ober-Offiziere.
LILBURN.
Außer mir, ich rühme mich dessen.
SIDNEY.

O, Oberst Lilburn, wir kennen Euch. Ihr seid das Haupt der Unruhstifter. »Gleichma cher« nennt ihr euch und träumt von einer Utopia, gleich jener des Thomas Morus.

[27]
CROMWELL.

Laßt das bei Seite! – Aber was mißfällt euch so an den bescheidenen Bitten der gottesfürchtigen Armee?

PRYNNE.
Gottesfürchtig mag sie sein, nach ihrer Art, aber bescheiden gewiß nicht.
SIDNEY.

In der letzten Sitzung wurde beantragt, die unlauteren Geister, welche im Trüben fischen, förmlich von Staatswegen zu bezeichnen –

LILBURN
drohend.
Als was?
SIDNEY
ihn vornehm messend.
»Friedensstörer und Feinde des Staats.«
LILBURN
wütend.

Cromwell, entschuldigt mich! Ihr habt mich als Vertreter des Heeres zu dieser Besprechung geladen. Nach solchem Schimpf hab' ich hier nichts weiter zu suchen. Ich werd's den Meinigen schon melden. Ab.

PRYNNE
zu Sidney.
Das war unvorsichtig.
SIDNEY.

Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil Ihr seht ja, daß wir hier sonst eine klägliche Rolle spielen. – Was sagt der Generalleutnant dazu?

CROMWELL.

Ich ächze und stöhne über die Verderbtheit der Menschen. Draußen Ruf der Schildwachen: »Präsentiert das Gewehr!« Wie, wer naht da? Öffnet den Zelteingang. Se. Exzellenz, der Lord-General, in eigener Person?

FAIRFAX
tritt ein.

Gottes Segen mit uns allen jetzt und immerdar. – Schöne Dinge gehen vor, Generalleutnant, schöne Dinge!

CROMWELL.

Immer gelassenen Gemüts lasset uns den ewigen Wechsel unter der Sonne betrachten. Denn siehe, alle diese Dinge sind ja eitel, im Vergleich mit der Eröffnung des versiegelten Buches und anderen Wundern, die sich vorbereiten. O, über die Nichtigkeit der irdischen Geschäfte! – Nun, was neues in diesem Jammerthal?

FAIRFAX.
Der König ist entführt.
[28]
ALLE.
Entführt?
FAIRFAX.

Ja, von Holmby entführt, und was das Tollste ist, von einem Fähnrich, der fünfhundert Reiter aus allen Regimentern führte.

SIDNEY.
Unglaublich!
PRYNNE.
Erzählt man uns ein Märchen? Ein Fähnrich an der Spitze von fünfhundert Reitern?
FAIRFAX.
Begreife, wer kann! Wie hat er diese Auserwählten aus allen Quartieren zusammenziehen können?
SIDNEY.
Nur durch Einverständnis mit höheren und höchsten Offizieren.
FAIRFAX.
Nun ja, ihr wißt, der Generalrat-Ausschuß der Unteroffiziere und Gemeinen hat große Macht im Heere.
SIDNEY.
Mehr als die Herren Offiziere, wie es scheint?
FAIRFAX.
Hm, hm, das versteht Ihr nicht, Sir Algernon. Wir führen keine Söldner –
CROMWELL.
Sondern englische Bürger.
FAIRFAX.

Ja, aber, Generalleutnant, das find' ich doch seltsam. Statt mir, seinem Obergeneral, seinen Streich anzuzeigen, hat Fähnrich Joyce, der soeben im Lager eingetroffen, Ihnen schriftliche Meldung davon gemacht, die durch ein Versehen in meine Hände geriet. Alle blicken auf Cromwell.

CROMWELL
feierlich.

Gott ist mein Zeuge, daß mir dieser Joyce vor jenem Tage so fremd gewesen ist, wie das Sonnenlicht dem Kind im Mutterleib.

IRETON
für sich.
Sehr wahr.
PRYNNE.
Das ist eine starke Versicherung und man muß ihr glauben. Wer aber hat den Befehl gegeben?
FAIRFAX.

Ich wahrlich nicht. Ich habe solche Dinge nicht gerne. Doch Ihr, Commissar-General, wißt Ihr vielleicht mehr von dieser seltsamen Begebenheit?

[29]
IRETON.
Ich, wie ich frei bekenne, habe den Befehl gegeben, daß man sich des Königs in Holmby versichere.
SYDNEY.
So seid Ihr also der Schuldige?
CROMWELL.
Nun, schuldig wohl eben nicht. Nun es einmal geschehen, muß ich die Maßregel billigen.
PRYNNE.
Aha!
CROMWELL.

Es war durchaus nötig, wenn der König nicht geraubt und dem Parlament wieder zugeführt werden sollte.

PRYNNE.
Wie, Ihr wagt es also, Euch in offenen Gegensatz zum Parlament zu setzen?
CROMWELL.

Behüte Gott! Aber der König wurde in gar zu drückendem Gewahrsam gehalten, was die Seele manches guten Engländers mit Bekümmernis erfüllte.

SIDNEY
halblaut.
Heuchler!
CROMWELL.

Und dann dies arme unschuldige Heer .. ich bemerke großes Verständnis für die Leiden unseres betrübten Israels bei Offizieren und Gemeinen. Und ich stimme in manchem mit ihnen überein. Jaja, Mylord Zu Fairfax. diese Dinge zu regeln hat Gott Euch vorbehalten.

FAIRFAX
erschrocken.
Mir?
CROMWELL.

Ja, Euch. Der Herr stärke Euer Herz. auf daß Ihr ihm Ehre machet. Doch was sag' ich schwacher Erdenwurm! Hat Gott Euch doch seine Gnade deutlich offenbaret!

FAIRFAX.

Hm. Jedenfalls mögen die Herren vom Parlament kund und zu wissen thun, daß ich keinen Anteil an der Entführung König Karls genommen.

SIDNEY.

Das kann man nicht eher glauben, als bis Sie diesen Joyce hängen ließen. Wo ist er übrigens, dieser verwegene Mensch? Man fordre ihn vor.

FAIRFAX.
Er harrt vor der Thür. Öffnet, ruft. Fähnrich, antreten!
[30]
JOYCE
tritt ein.

Zu Befehl! – Friede sei mit euch! Gottes Gruß euch allen zuvor, insonderheit Dir, der Du berufen bist, der Richter zu sein in Israel! Vor Crommell salutierend.

CROMWELL.
Mein Freund, ich kenne Dich nicht.Zu Ireton. Sag' an, Lieber, wer ist dieser Knabe?
IRETON.
Dieses ist der würdige Soldat, Gilbert Joyce mit Namen.
CROMWELL.

Nun denn, Du vorschneller Eiferer, Gilbert Joyce benamset, horche im Geiste der Demut auf das, was Se. Exzellenz Dich fragen wird.

FAIRFAX.
Fähnrich, Ihr so sollt aussagen, daß Ihr keinen Auftrag hattet von mir ..
JOYCE.

Habe das Sr. Majestät auch gar nicht verhehlt. Auf Befehl des Heeres habe ich gehandelt. Befragen Sie doch das Heer, und wenn nicht drei Vierteile mein Verfahren gutheißen, so laßt mich vor meinem Regiment ausknüpfen.

CROMWELL.

Ja, es ist viel Eifer in Israel. Und welche der Geist treibet, die sind Gottes Kinder. Pauli Brief an die Römer.

FAIRFAX.
Hm .. allerdings .. jedennoch .. Die Herren vom Parlament sehen ..
SIDNEY.
Pah, genug. Mein Herr, wir scheinen im Heere gerade so mächtig wie Ihr.
PRYNNE.

Wir empfehlen uns Ew. Exzellenz, um sofort in London zu berichten. Friedensstörer und Feinde des Staats! Sidney und Prynne ab.

CROMWELL.

Der Herr nehme euch in seine gnädige Obhut. Würdiger Ludlow, bleibt Ihr noch einen Augenblick, um guten Rates pflegen.

[31]
FAIRFAX
zu Joyce.
Und wo weilt jetzt Se. Majestät?
JOYCE.
Wir brachten ihn unter sicherer Bedeckung nach Schloß Hampton Court.
FAIRFAX.
So nahe an London? Nun, da gilt's wohl zuvörderst, einen sicheren Gouverneur zu ernennen.
CROMWELL.

Ich dachte schon daran und schlage vor – hier unseren erprobten Freund Ireton, dessen Geist ist gleich meinem Geiste.

LUDLOW.
Sehr wohl, ich werde ihn sofort im Parlament vorschlagen.
JOYCE.

Und ich werde es sofort den Unsern mitteilen, dem Ausschuß der Korporale und Gemeinen. Eine löbliche Wahl!

CROMWELL.

Lieber, Dich hat man nicht gefragt. Geh' mit Gott, geh' mit Gott! Und merke Dir, Freund, es stehet geschrieben: Wer mit seinem Maul herausfährt, der kommt in Schaden.

JOYCE
halblaut.

Begriffen. Laut. Du, der Du gleichest David, dem Sohne Isais, zeuch' dahin auf dem Wege des Heils! Zu Fairfax. Melde übrigens Ew. Exzellenz, daß man Eure Gegenwart heischt bei dem Regimente des Gottseligen, Harrison genannt. Es ist ein Aufruhr unter den Stämmen Juda.

FAIRFAX.
Schon wieder? Das sagt Ihr erst jetzt? Ich komme. Folgt mir. Eilig mit Joyce ab.
CROMWELL.

Der arme, geplagte Mann! Gemütlich zu Ireton. Wir werden diesen Joyce doch wohl zum Rittmeister machen. Ein rüstiges Werkzeug des Herrn. – Hör', Lieber, mach' Dich zu den Truppen und bring' ein Gerücht herum –

LUDLOW
verdrießlich.
Ihr vergesset ganz meine Gegenwart, Sir. Ich bin nicht gewohnt zu warten.
[32]
CROMWELL.

Vergebt, mein vortrefflichster Herr! Ein armer kränklicher Sinn wie der meine, erschöpft durch nächtliche geistliche Betrachtungen, vermag nicht die vielfältigen Händel dieser unruhigen Welt zu überschauen. Denn nicht aus meinem Willen bin ich berufen zu so hohen Thaten. Demütig anerkenne ich die Schwäche und Thorheit meines Herzens, welches nur von Fleisch ist und milde, sintemal ich kein Mann von ehernem Stoffe, sondern nur entflammt vom Geiste in mir, der aber nicht von mir stammt. Darum vergebt, wenn ich in Einfalt des Herzens meinen besten Freund übersehe, der mir ist wie ein Bruder und der bestimmt, große Dinge zu verrichten in Israel, Ludlow der Gerechte mit Namen.

LUDLOW.
Dank' Dir. Du verstehst und würdigst mich.
CROMWELL
rasch zu Ireton.

Misch Dich ins Lager und verbreite: Das Parlament habe alle Vorschläge des Heeres verworfen. Ireton ab. Und nun, Ludlow, wie denkst Du über diese große That?

LUDLOW.
Ich möchte wohl erfahren, mit welchem Recht das Heer so handelte?
CROMWELL.
Bedürfen die Erleuchteten des Rechts? Pfui, das ist ein fleischlich Wort.
LUDLOW.
Ja, aber dann heißt man Friedensstörer und Feinde des Staats!
CROMWELL
heftig.

Wahrlich, ich sage Dir: Diese Leute in London werden nicht eher ruhig sein, als bis das Heer sie bei den Ohren herauszieht.

LUDLOW.

Das, hoff' ich, wird nie geschehen. Der Zorn reißt Dich hin, General. Bedenke, daß Du selbst Abgeordneter bist, nicht bloß Soldat.

CROMWELL.

Ach, mein Freund, vergieb mir die sündige Aufwallung! Der Geist ist willig, aber das Fleisch [33] ist schwach. Ach, es ist ein gar elend Ding, einem Parlament zu dienen. Wird man da von vorwitzigen Menschen angegriffen, wenn auch noch so treu und ehrlich, kann man die Schande nicht abwaschen. Dient man dagegen unter einem General, so bleibt man frei von Neid und Tadel, sofern man seine Pflicht erfüllt.

LUDLOW.

Das heißt übelwollend urteilen über das freie Regiment der Erwählten des Volkes. Ich bemerke nicht ohne Betrübnis in letzter Zeit, Freund Oliver, daß Deine früher so reine Gesinnung mit Mißachtung die natürliche Herrschaft Jener betrachtet, welche durch Bildung und Gelehrsamkeit und Beredsamkeit berufen scheinen, den Staat zu lenken – an Stelle der Monarchia und Aristokratia leerer Geburt und prunkender Titel.

CROMWELL.
Ich? Ich sollte mich also vergangen haben?
LUDLOW.

Wie Ihr bemerkt haben werdet, schwieg ich völlig bei den Vorwürfen, welche Prynne und Sidney Euch ins Gesicht warfen. Doch ich gestehe, mein Geist ist von Zweifeln umdüstert. Solltest Du wirklich Ränke schmieden, wie Deine Feinde sagen?

CROMWELL.
Ränke? Zu welchem Zweck?
LUDLOW.
Umsturz der Staatsverfassung.
CROMWELL.

Ich habe es vorher und stets gesagt und bekenne es jetzt aufs neue: Ich wünsche keine Veränderung der Staatsverfassung.

LUDLOW.
Laß mich Dich katechisieren, mein guter Freund! – Die Einrichtung des kirchlichen Presbyteriums –
CROMWELL.

Wünsche ich in keiner Weise zu stören. Noch mag ich auch nur im Geringsten mich darein mischen, was über sonstige Reformen im Parlament beschlossen wird. [34] Auch strebe ich keineswegs dahin, der zügellosen Freiheit die Bahn zu öffnen, unter dem Vorwand, zarten Gewissen Erleichterung zu verschaffen.

LUDLOW.

Aha, das richtet sich gegen Lilburne und Genossen, die Gleichmacher! Gut, gut. Und wenn nun der Staat eine gesetzliche Einrichtung getroffen hat, –

CROMWELL.

So haben wir nichts weiter zu sagen, sondern uns zu unterwerfen. Ja, ich würde jede Strafe auf mich nehmen, falls sie nur gesetz lich begründet ist.

LUDLOW.

Vortrefflich! Dein gesunder, klarer Sinn, Dein biedrer Soldatenverstand trifft den Nagel auf den Kopf. Gesetzlich – das ist die Hauptsache. Sind das all Deine Wünsche?

CROMWELL.

Alle. Nur das möchte ich wünschen, daß jeder gute Bürger, der friedlich und wohlthätig für das Gemeinwesen wirkte, seine volle Freiheit habe und ermutigt werde. Gerechtigkeit, Sir, nur sie allein erhebt dieses arme Geschöpf, Mensch genannt, diesen Staub und Unflat, zur Kindschaft Gottes.

LUDLOW.
Sehr wohl, mein guter General. Ich finde nichts Sträfliches an Dir.
CROMWELL.

O welcher Schmerz, mein berühmter würdiger Freund! Nach allem, was ich mit Gottes Hilfe für die alte gute Sache gethan, will niemand auf mich hören. Ich bin der Verstoßene – in so schwerer, schwerer Zeit.

LUDLOW.

Nicht ohne Deine Schuld, mein guter Freund. Du krankest an geheimem Ehrgeiz; wasmaßen alle Freigesinnten, die vom sogenannten Königtume nichts mehr wissen wollen, Dir leider mißtrauen. Brich mit allen Zweifelhaften und stütze Dich allein auf die wahren Erleuchteten im Lande, auf uns Republikaner.

[35]
CROMWELL.

Ich weiß, ich weiß, ihr seid eurer gar viele, gegen Hundert allein im Parlament, tapfere Seelen, so sich um Deine berühmte Person schaaren, mein gelehrter und beredter Gönner.

LUDLOW.
Und um Bradshaw.
CROMWELL.

Bradshaw, diese Leuchte der Jurisprudenz, dieser höchst fähige Kopf! Auch ihn zähle ich zu meinen liebreichen Gönnern. – Jajaja, ich werde immer bereit sein, euch zu dienen.

LUDLOW.

Die große Stunde naht. Erklärt Euch, General! Seid Ihr für die Republik oder haftet Ihr noch am alten Aberglauben!

CROMWELL.
Republik! Ein großes Wort!
LUDLOW.

Besinnt Euch wohl, gehet in Euch und erwägt lange! Es wäre unbillig, von Euch zu verlangen, der Ihr ein Ungelehrter seid, daß Ihr diese Theoria gründlich erforscht haben könntet. Aber dafür stehe ja Ich zu Eurer Verfügung. Besuchet mich in nächsten Tagen oder bestimmet sonstwie Zeit und Ort – da will ich Euch demonstrieren mit Argumenten aus alter und neuerer Zeit: Nur auf der Republik beruht der Menschheit wahres Heil.

CROMWELL.

Ich dank' Euch, wahrlich ich dank' Euch von Herzen. Nicht lange werde ich zaudern, Euer so gütiges Anerbieten in Anspruch zu nehmen. Kläret mich auf, ich bedarf der Klärung.

LUDLOW.
Aber bald müßt Ihr Euch entscheiden, mein alter Oliver. Meine Partei wird ungeduldig.
CROMWELL
trocken.

Sie ist überhaupt sehr ungeduldig. Das scheint so eine Eigenheit von ihr und zur – Theorie gehörig So nanntet Ihr's, nicht?. Jaja, wenn auch gegenwärtig eine Wolke über unsern Handlungen liegen mag für manche Augen, so wird Gott doch unzweifelhaft unsre [36] guten Absichten ans Licht bringen. Dafür seid ja auch Ihr ein Werkzeug und so werden wir Euch, wie uns gebührt, die Euch zukommende Ehre geben. Amen.Er macht eine freundlich verabschiedende Bewegung und geleitet Ludlow zur Thüre.

LUDLOW.

Ja, aber .. ich bin im Grunde so klug wie zuvor .. versprochen hast Du eigentlich gar nichts .. und ich fürchte sehr, der Sauerteig royalistischer Gesinnung steckt noch in Dir. Sag' mir doch mal Deine Argumente für ..

CROMWELL
nimmt plötzlich ein daliegendes Kissen und schmeißt es ihm an den Kopf, mit jovialem Gelächter.

Da hast Du eins! Ei Du alter Schäcker, Du willst mit mir Fangball spielen? Laß doch einem schlichten Soldaten sein bischen gesunden Menschenverstand! Republik, Argumente .. Bücherdunst in meiner armen Wachtstube! Hahaha, lasset uns fröhlich sein!

LUDLOW
schmeißt ihm das Kissen zurück, ärgerlich.

Ich bin nicht zum Scherzen aufgelegt. Du bist eine ehrliche Haut, aber ein wenig .. plump. Nun, auf Wiedersehn! Wir sprechen uns bald wieder.Ab.

CROMWELL
allein, halblaut.

Ja, leider! Heute wärst Du endlich abgeschüttelt. Kanzelt dieser feierliche Narr mich von oben her ab, als ständ' er auf'm Professorkatheder in Oxford. Lacht. Ein netter Student ich, dessen Kopf in Schlachten ergraute. – Das paßt ihm wohl, he? O du flott Studentlein, Du grüner Milchbart der Staatskunst! – Holla? Ireton und Berkley treten hastig von rechts herein, die Zeltwand bei Seite schiebend. Ah, hochwillkommen!

IRETON.
Ich bugsierte Sir John wie gewöhnlich durch's Lager in Dein Zelt. Es hat uns niemand bemerkt.
[37]
BERKLEY.

Doch, glaub' ich, ist meine Anwesenheit ruchbar geworden. Ich bemerkte mürrisch verdrießliche Mienen, wo ich vorüberschritt, und ein Korporal brummte mir nach: »Egyptier! Kananiter!«

IRETON.

Seid unbekümmert, Sir John, Ihr steht unter sicherem Schutz und mögt gehen und kommen nach Eurem Wohlgefallen. – Ich laß' Euch allein beim Feldherrn. Draußen werd' ich auf und ab spazieren, um zu wachen, daß man die Zwiesprach nicht störe. Ab durch die Mitte.

CROMWELL.

Setzt Euch, Sir John Berkley. Ihr wisset ohne Zweifel, daß Ihr von jetzt ab als vertrauter Bote andere Straßen hin und her zu wandern habt.

BERKLEY.
Natürlich. Ich komme bereits von Hampton Court.
CROMWELL.
Ei, ei, da habt Ihr wohl ein paar Pferde zu Tode geritten?
BERKLEY.
Nun, so ähnlich. Es galt ja das Wohl des Staates.
CROMWELL
ernsthaft.
Und Ihr seid jetzt die wichtigste Person im Staate.
BERKLEY
eitel.
O Sir!
CROMWELL.

Ist's nicht so? Am guten Einvernehmen Sr. Majestät mit mir hängt die Zukunft, und Euer großes diplomatisches Talent hat dies allein zu Stande gebracht.

BERKLEY
verbeugt sich.
Ein solches Lob aus solchem Munde –
CROMWELL.

Keine falsche Bescheidenheit, mein wertester Herr. Sie sind unleugbar ein bedeutender Mann, eine unsrer politischen Größen, mit welchen man zu rechnen hat.

BERKLEY.
General Cromwell wird mich noch eitel machen.
[38]
CROMWELL.

Eure gediegenen Ratschläge haben meinen vollen Beifall und ich beeile mich, davon Vorteil zu ziehen. – Genehmigt übrigens meine Entschuldigung, Sir John, daß ich Euch nicht auf der Stelle meinen Gegenbesuch abstatten kann. Ach, diese bänglichen Zeitläufte! Doch wenn mit Gottes Hülfe wir Zwei den Frieden, dies köstliche und tröstliche Kleinod, für König und Vaterland zurückgewinnen, dann, hoff' ich, soll es mein Erstes sein, Euch meine Aufwartung zu machen auf dem Schloß Eurer Väter.

BERKLEY
seufzt.
Berkley-Schloß hat ständige Einquartierung – eine Schwadron des Regiments Harrison.
CROMWELL.

O weh, o weh! Die Heiligen Harrisons! Ihnen ist die Erde zur Beute gegeben sammt ihrer Fülle. Da werdet Ihr Manches vermissen bei Eurer Rückkehr.

BERKLEY.

General – gestatten Sie mir Sir, meine hohe Achtung und Dankbarkeit zu bezeugen für so viel liebenswürdige Teilnahme. Wie schildert man Euch so falsch! Ich werde nicht verfehlen, Sr. Majestät zu berichten –

CROMWELL.

Ach, thut das, mein ausgezeichneter Freund! Wahrlich, Freund darf ich Euch wohl nennen, weil wir gemeinsame Freunde dieses armen Königreichs. – Ja, wie schwärzt man mich an! Und wie hat man mir des Königs Majestät verleumdet! Wehe über all die Ohrenbläser und Zwischenträger!

BERKLEY.
Freudigen Herzens vernehme ich Euch!
CROMWELL.

Nein, Keiner ist über den König mehr getäuscht worden, denn ich Ich wohnte kürzlich einem höchst rührenden Schauspiel bei: der Zusammenkunft des gefangenen Herrn mit seinen Kindern.

BERKLEY.
Es war Ihr Einfluß, General, der dies gestattete.
[39]
CROMWELL.

Ich bin selber Vater, Sir John. Mein ältester Sohn, mein Liebling, wurde dahingerafft in diesem traurigen Kriege.

BERKLEY.

Gar liebliche Töchter, wie ich mir habe sagen lassen. Die Jüngste, so ich nicht irre, wird unser gemeinschaftlicher Freund, Commissar-General Ireton, heimführen?

CROMWELL.

Ihr seid recht berichtet. Die Hochzeit wird nächste Woche in aller Stille vollzogen. Ich hoffe, Sir John, Ihr werdet uns die Ehre geben?

BERKLEY.
Ihr überhäufet mich mit Güte.
CROMWELL.

Ja, der König Karl! Ich bin jetzt überzeugt, daß er der beste Mensch in allen drei Reichen ist. Wir verdanken ihm viel, unendlich viel. Hätte er die Vorschläge der Schotten angenommen und von dort aus wider uns gekriegt, so wären wir ganz und gar zu Grunde gerichtet. Ein leutseliger, menschenfreundlicher, edler Fürst.

BERKLEY.
Ihr überfliegt unsre kühnsten Hoffnungen.
CROMWELL.

Aufrichtigen Herzens darf ich wohl sagen: Gott möge seine Gnade nach dem Eifer abmessen, mit dem ich den Frieden ersehne. Übrigens, Sir, sind alle Offiziere der Armee fest davon überzeugt: Kein Mensch ist mehr seiner Habe und seines Lebens sicher, falls der König nicht wieder in den Besitz seiner oberherrlichen Rechte gelangt.

BERKLEY.
Daß ein Teil des Heeres so denkt, blieb mir nicht unbemerkt.
CROMWELL.

Jaja, ich weiß, Ihr wühlt im Geheimen nach Kräften. Nein, seid nicht betroffen oder verlegen, Sir John, Ihr thut ganz wohl daran.

BERKLEY.
Ah, General, Ihr überwacht meine Schritte?
[40]
CROMWELL.

Bald werden keinerlei Schritte mehr nötig sein, denn ein entscheidender Schritt von meiner Seite wird Sr. Majestät keinen Zweifel mehr übrig lassen.

BERKLEY.

Ich traue vollkommen der Lauterkeit Ihrer Absichten, Herr Generallentnaut. Man wird also von Seiten des Heeres dem König billige Bedingungen stellen?

CROMWELL.

Die billigsten. – Siehe, es stehet geschrieben: Er erregte Mitleid mit denen, die man in die Gefangenschaft fortführete. Und ich gedenke der heiligen Worte: Siehe, ich finde keine Schuld an diesem Menschen.

BERKLEY.

So möget Ihr wahrlich reden von dem gekrönten Märtyrer. Sir, ich liebe Ihre Menschlichkeit, Sir, ich bewundre Ihren hohen Sinn.

CROMWELL.
Doch saget an, edler Herr, Sr. Majestät befindet sich doch wohl in Höchstihrem neuen Hofhalt?
BERKLEY.

Sr. Majestät der König äußerten sich recht befriedigt und werden mit aller schuldigen Rücksicht behandelt.

CROMWELL.
Ich gab dazu den Befehl.
BERKLEY.

Sr. Majestät der König haben geruht, davon huldvollst Vermerk zu nehmen. Allerhöchstderselbe hatte die Gnade, mir gegenüber einige Winke fallen zu lassen, in welcher Form die Dienste des Generals Cromwell zu belohnen wären. Etwa der Titel eines Grafen von Essex –

CROMWELL.

O Sir, beleidigt nicht meine Ohren! Ihr sollt nicht fragen: Welchen Lohn werdet ihr erlangen? Nach solchem allen trachten die Heiden. Unser Lohn steht in der Hand eines guten Zahlmeisters, der da thronet über den Wolken. Nichts mehr davon, ich bitt' Euch!

BERKLEY.
Verzeiht, General, wenn ich Euch verletzte. Kann ich sonst mit irgendwas Eure Güte vergelten?
[41]
CROMWELL.
Hm, o ja, wenn ihr wollt.
BERKLEY.
Befehlt über Euren ergebensten Diener! Was soll ich thun?
CROMWELL.
Nur eine Frage beantworten, nach Eurem ehrlichen Wissen, auf Euer Wort als Gentleman.
BERKLEY.

Gern, wenn es nichts wider die Ehre ist. Die Frage muß wohl bedenklich sein, daß Ihr ein solches Gewicht darauf legt?

CROMWELL.

Ja, sie ist etwas kitzlich. Beruhigt Euch, es handelt sich um kein Staatsgeheimnis. Auch verbürge ich Euch, daß keine sterbliche Seele je wiedererfährt, was Ihr mir auch sagen möget.

BERKLEY.
Gut, ich gebe mein Ehrenwort als Gentleman, falls auch Ihr schwöret –
CROMWELL
trocken.

Mein Freund, ich schwöre gar nicht. Das verrät wenig Heiligkeit. Aber ich verspreche Dir als Christ, daß Dein Geheimnis begraben liegen soll wie im Schattenthal des Todes, im Thale Josaphat. – Abgemacht? Wohl. Ihr kommt vom Hoflager der Königin. Lord Jermyn teilt ihr Lager, nicht?

BERKLEY
springt auf und tritt einen Schritt zurück.
Gott verdamm' meine Augen! – Herr, verstand ich Euch recht?
CROMWELL
kalt.

Überlasset doch das Fluchen und Schwören den Jebusiten und Geraschiten! – Solche Dinge bleiben nicht verborgen. Kurzum, ist Lord Jermyn der Buhle Ihrer Majestät, der Königin Henriette, oder nicht?

BERKLEY
verwirrt.
General, ich .. begreife nicht .. das heißt ..
CROMWELL
ihn gelassen beobachtend.

Es ist also wahr. Denn wüßtet Ihr nichts davon, so säße Eure Hand jetzt am Griff Eures Degens und als ritterlicher Höfling würdet Ihr Euren Handschuh hinwerfen für die Ehre Eurer Herrin.

[42]
BERKLEY
außer sich.
Pest und Schwefel! So weit kam's schon herum!
CROMWELL.

Schade, schade, daß ein Mann mit grauem Bart von der lästerlichen Gewohnheit des heidnischen Fluchens nicht lassen kann. – Beruhigt Euch, nur ich weiß davon durch meine geheimen Kundschafter. Also, Sir, auf Euer Ehrenwort –?

BERKLEY.
Ja, in drei Teufelsnamen. Armer unglücklicher Monarch!
CROMWELL.

Ihre Majestät die Königin Henriette von Bourbon ist eine – – vielseitige Dame. Ireton stürzt herein. He, was soll's?

IRETON.

Berkley, weg mit Euch! Es droht Gefahr. Im Lager ist Aufruhr und man will Cromwell zur Rede stellen. – Man kommt – da sind sie! Berkley nach rechts ab, draußen Lärm. Sie ringen mit der Schildwache!

CROMWELL
die Zeltthür öffnend, mit Ansehen.

Seit wann wird unsern guten Brüdern der Eintritt zu uns verwehrt? Harrison und Lilburn stürzen herein. Ei, ei, wen haben wir denn da? Der getreue Harrison und der ehrliche Lilburn, geprüfte Mitarbeiter an dem großen Werke der Wiedergeburt?

LILBURN.

Gedenke nicht, uns abzuspeisen mit schönen Worten! Ja, ich bin Lilburn, der Freigeborene John, wie das Volk mich nennt. Und dieser Mann, ein auserwähltes Rüstzeug und ein Erweckter –

HARRISON.

Ruhig, geschäftiger Freund, dringe nicht in mich mit schmeichelnden Eitelkeiten! Ein armer Taglöhner und Handlanger an dem großen Werke Englands, Harrison genannt. Du aber, der aufstand, Israel zu befreien, siehe, ich komme Dir als ein Zeichen.

CROMWELL.
Was ist es, daß Du kommst?
[43]
HARRISON.

Israels Licht, Wolken sind über Dir – Saul, der böse Geist ist über Dir, denn Du willst Israel zur Sünde verleiten.

CROMWELL.

Sachte, sachte! Laßt uns einträchtig und erbaulich nach der Wahrheit forschen. Diese Sanftmut des Herzens ziemt uns allen, die den Herrn fürchten. Denn ich dünke mich wie der Geringste, so unserm Paniere sich anreiht. Wir sind alle von Gestern her. So denn auch Ihr, denn es stehet geschrieben: Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet.

LILBURN.
Darum sind wir gekommen, um Dich zu hören, damit Israel bestehen möge gegen seine Feinde.
CROMWELL.

Ist Saul auch unter den Propheten? Wann spricht Lilburn die Sprache der Frommen? Wohl magst Du von unsern Feinden reden, fleischliche Teufel auf Erden und Legionen tobender, höllischer Dämonen. Die Babelhure Rom trotzet auf ihren sieben Hügeln und sie stopfet mit der kalten Suppe ihrer Irrlehren die Mäuler. Niederträchtige Söhne Belials, eingefleischte Übelgesinnte, tragen allerorts stolz ihr Haupt einher im Lichte der Sonne. Dennoch aber wird der Herr uns helfen zu widerstehen, auf daß der böse Feind nicht Schaden thue. Der Bluträcher mit dem gezückten Schwert. ist scharf hinter ihnen her und Jerusalem wird befreit werden aus seiner Gefangenschaft. – Und nun, Brüder, redet was Ihr begehrt!

LILBURN.

Tröstlich klingen Deine Worte, aber wehe Dir selbst, wenn wir rufen müssen: Du bist abgefallen von den Wegen des Heils! Wehe Dir, Jerobeam!

HARRISON.

Willst Du den Stuhl der Tyrannei wieder herrichten auf dem Nacken der Freiheit und sie beugen unter das Joch Benhadads?

[44]
CROMWELL.

Ha! Steigt das Tier der Lästerung aus der Tiefe des Meeres? Wenn auch unwürdig für die heilige Sache Englands mein Schwert zu erheben, so legte man doch den Commandostab in meine Hände. Und darum sollt Ihr weichen weder zur Rechten noch zur Linken, sondern mir folgen, wie nach dem Wort der Schrift sein Gesinde folgte dem Hauptmann von Kapernaum. Bändiget Eure Lippen, sage ich, denn ich bin Der, dessen Hand am Steuerruder.

LILBURN
heftig.
Cromwell –
CROMWELL.

Generalleutnant Cromwell, wenn's beliebt, und Ihr seid hier im Dienst, Oberst, und ich rate Euch zu lauschen, denn der redliche Mann, Thomas Harrison mit Namen, hebt an, uns recht erbaulich zuzureden.

HARRISON.

Ich will meinen Mund aufthun in der Gemeinde. Oliver Makkabäus, Du bist herrlich wie die Ceder am Libanon und mächtig wie der Leviathan –

CROMWELL
unterbricht ihn.
Ich bin nur ein Wurm wie Du. Was weiter?
HARRISON.

Und nachdem Du also erkoren und erhöhet, willst Du Dir wie die Pharisäer den Mund wischen? Hungert Dich nach den Fleischtöpfen der Unreinen? Wälzest Du Dich im Kothe der Unbeschnittenen, in der Höhle des Tyrannen? Soll man Deine Gebeine werfen wie die der Ruchlosen ins Thal der Verwesung, ins Thal Hinuom?

CROMWELL.

Dies ist weder heilsam noch erbaulich. Dieser Mann Harrison vermengt weltliches und geistliches. Sprich Du, ehrlicher Freund, wessen Ihr mich zeihet.

LILBURN.

Nun wohl, es gehet ein Gerücht herum mehr und mehr, daß Du heimlich verhandelst mit dem Manne des Bluts, den sie »König« nennen.

[45]
HARRISON.

In der Sprache der Unbeschnittenen. Du lächelst, Feldhauptmann Jehovas? Sprich, daß nicht ich, den eine innere Stimme führet, Dich als Spötter behandele.

CROMWELL
sich mächtig aufrichtend.

Wie? Was ist das? Wer ist es, mit dem Ihr redet? Kennet Ihr dies Schwert? Das Richtschwert in meiner Rechten? Hab ich es nicht geschmiedet zu Marston Moor und gehärtet zu Naseby im besten Blut der Königlichen, und werd' ich's nicht weiter wetzen und schleifen am Harnisch der Heiden, Schlag auf Schlag, wie der Schmiedehammer auf den Ambos fällt? – Und Ihr, wer seid Ihr?

HARRISON
in Begeisterung geraten.

Ha, Zerobabel! Ja, Marston Moor und Naseby, die ihr klein seid unter den Städten in Juda, ihr seid die Gesegneten und euer Ruhm währet ewiglich. Freudentage, die der Herr seinem Volke gab! Gepriesen seist Du, Oliver, um Deiner Ehre willen!

LILBURN.
Auch ich rühme Dein Schwert. Aber noch ist der Ahab zu fahen. Keine Unterhandlung mit ihm!
HARRISON.
Ich bitte Dich, Feldherr, laß die Bande jenes Mannes strenge sein!
CROMWELL.

Willst Du dem Löwen die Beute abjagen? Wahrlich, ich sage Euch, ich halte Karl Stuart in meiner Hand. Und was bringt Ihr mir noch? Der Geist prophezeiet es mir. Nicht wahr, Ihr verlangt drohendere Botschaft an die Plappermäuler in London?

LILBURN.

So ist's. Unsre gerechten Forderungen sollen sofort gestellt werden. Wo nicht, komme ihr Verderben über ihr Haupt! Wir haben daher –Zeigt ein Papier in seiner Hand.

CROMWELL.

Schweigt! Denn ich habe fleißig nachgeforscht und es ward mir Weisheit gewährt, ihre[46] geheimsten Dinge zu entdecken. Der Geist ist über mich gekommen und hat mir verkündigt. Und darum, Commissar-General Ireton, bitt' ich Euch zu schreiben, was ich – –

IRETON
das Schreibzeug heranziehend und sich zum Schreiben anschickend.
Schon recht. Ich bin bereit.
CROMWELL
diktiert.

»An den Gemeinderat von London. Sehr würdige Freunde! Zum letzten Mal dringen wir auf Befriedigung unsrer Ansprüche als Soldaten Gottes und auf Genugthuung wegen der Verleumdung und Beschimpfung, die auf diesem braven Heere noch wie ein Schandfleck lastet. Wir sind nicht Feinde des Staats noch Friedensstörer.«

HARRISON
an's Schwert schlagend.
Sondern eine gottselige, friedfertige Heerde, die sich nährt vom heilsamen Grase der freien Lehre.
CROMWELL
diktiert.

»Die Sache aber, auf der wir als Engländer bestehn – sind wir etwa dieser Eigenschaft beraubt, weil wir Soldaten sind? – ist die: Wir wollen eine gesetzliche und glückliche Herstellung des Friedens und der Freiheit, welche neuerdings angefochten und von uns errettet wurde.«

LILBURN.
Von uns allen, ja, nicht bloß von einem Manne.
CROMWELL
ruhig fortfahrend.

»Das treuherzige Volk von England ist von Besorgnis erfüllt, wenn das Heer entlassen werden sollte, bevor all die Ursachen getilgt, weswegen dieser trostlose Bürgerkrieg entbraunt. Deshalb, um diese Dinge zu erlangen und zu verteidigen, rücken wir auf Eure Stadt vor.«

LILBURNE
erstaunt.
Das war's ja eben, was wir von Dir fordern wollten.
[47]
CROMWELL.

Was kannst Du planen, was ich nicht lange schon im Geiste geschaut? Fortfahrend. »wir, ein Heer von guten englischen Bürgern, schätzen den Sold, den man uns für 20 Monate schuldet, sehr gering im Vergleich zu dem höheren Interesse, welches wir am öffentlichen Wohle nehmen. Solltet Ihr Euch aber verführen lassen, diese aufrichtige brüderliche Mahnung in den Wind zu schlagen, so sprechen wir uns aller Verantwortung frei für all das Unglück, daß Eurer großen und volkreichen Stadt widerfahren könnte, indem wir unsre Hände in Unschuld gewaschen haben.« – Hast Du's?

IRETON
aufstehend.
Ich hab's. – Unterzeichnet?Hält ihm die Feder hin.
CROMWELL
unterzeichnet.
»Oliver Cromwell.« – Nun Du darunter!
IRETON
zeichnet.
»Henry Ireton.«
HARRISON
ebenso.
»Thomas Harrison.«
LILBURN
ebenso.
»John Lilburn.«
CROMWELL
giebt das Papier an Lilburn.

So und nun berufet ein Sanhedrim der Gottseligen und verleset dies Blatt den Truppen und dann sendet's nach seiner Bestimmung auf Flügeln des Sturmwinds.

HARRISON.

Siehe, Deine Stimme ist wie die Posaune von Jericho. Laßt uns die Breschen Zions ausbessern unter unserm großen Feldherrn!

LILBURN
mürrisch.
Cromwell, Du bist ein großer Mann. Lilburn und Harrison ab.
IRETON.
Du hast sie überwältigt.
CROMWELL.

Du irrst. Sie haben mich überwältigt. Es war nicht meine Absicht, so rasch mit dem Parlament zu brechen. Ob es klug war?

IRETON.
Es blieb keine Wahl.
[48]
CROMWELL.

Möge Gott alles zum besten lenken. Nun gilts Biegen oder Brechen. Mit dem Parlament in offener Fehde, wie stellen wir uns zum König?

IRETON.

Sei sicher, daß ich ihn bewachen werde wie meinen Augapfel. Ich habe schon meine Brigade für morgen nach Hampton Court in Marsch gesetzt, um das Schloß allerseits zu umstellen.

CROMWELL.
Zu nah an London, zu nah am Parlament! – Er ist zwar jetzt in unserm Machtbereich, aber –
IRETON.
Ich sage Dir, keine Macht der Erde soll ihn mir entreißen.
CROMWELL.
Hm, hm, still, still. Wer weiß, ob es nicht das Beste wäre ..
IRETON.
Doch nicht, ihn auf freien Fuß zu setzen?
CROMWELL.

Das nicht. In dem Sinne nicht. Aber hast Du wohl einmal bedacht, daß wir aus aller Wirrnis des Augenblicks erlöst würden, wenn Karl Stuart uns entflöhe?

IRETON.
Wie er vordem zu den Schotten floh?
CROMWELL.

Die Schotten rüsten schon wieder mit aller Macht. Ich fürchte, wir werden bald von ihnen hören. Nun, nach Schottland kann er sich nicht mehr wenden. 'S ist zu weit und unsre Truppen sperren den Weg. Aber nach Süden ..

IRETON.
Ah, Du meinst nach dem Kontinent?
CROMWELL.
Wohl, auf freiem Fuß in Frankreich oder Holland kann er kaum so schaden, wie hier im Lande.
IRETON.
Was! Von dort aus, das Ausland zur Hilfe rufend, würde er ja ewig den Krieg fortschüren.
CROMWELL.

Das fragt sich. Ist eine bloße Machtfrage. Werden wir wirklich Herren im Land, räumen mit [49] dem ganzen Plunder auf und errichten eine feste, neue Regierung, so wird man sich ins Unvermeidliche finden.

IRETON.
Unglaublich! Der allerchristlichste König von Frankreich sollte diese Konjunktion nicht benutzen?
CROMWELL.

Pah, lehr' Du mich die Menschen kennen! Monarchen und Staaten sind auch nur Menschen. Der Erfolg allein entscheidet. Bin ich stark, so werden sie mich anschmeicheln – das ist das erste Gebot jeder Politik.

IRETON.

Du eröffnest mir ganz neue Fernsichten.Cromwell wirft sich in einen Stuhl und gerät in nervöse Zuckungen. Aber was fehlt Dir? Die alte Hypochondrie?

CROMWELL.

O Herr, o Herr! In welche Schlingen werde ich verstrickt! Wie werden sie mich umgarnen mit den kläglichsten Kleinigkeiten! – Ich bin, ja ich bin verloren. Ich ahne, daß mir tausend Hemmnisse bevorstehen.

IRETON.

Ist's möglich? Dieser schwächliche Wimmerer ist der Sieger in zwanzig Schlachten? – Cromwell, ich staune.

CROMWELL.

Ach, das verstehst Du nicht. Es sind nicht die erbärmlichen Dinge selbst .. denn was liegt mir am Leben, was an Ruhe und Glück! Nein, es ist die Verzweiflung, daß all diese elenden Nichtigkeiten mich hindern, meine Kraft zu entfalten, meine Kraft, die ich einsetzen muß zur Ehre Gottes und seiner Heiligen.

IRETON.

Ei zum Teufel – verzeih' mir Gott die Sünde! aber Du machst einen ungeduldig .. das ist ja doch nur der übliche Kampf des Lebens, der Kampf um die Behauptung unsrer Kraft gegen die andern.

CROMWELL.

Trauriger Kampf! Mit heuchelnden Schurken oder Dummköpfen sich herumschlagen müssen – es ist entwürdigend, selbstbefleckend! – Niemand versteht mich, niemand. Und meine Seele nimmt Schaden in diesem [50] Kampf der Selbstsucht, während ich kämpfen will für die Sache Gottes.

IRETON.
Auf, auf! Gekämpft muß werden, so lange wir atmen. Siege!
CROMWELL.

Ja, siege! Das ist leicht gesagt. O, mein Herz ist schwer. Ich ahne meinen Untergang in dieser Wirrnis. Und wer soll führen das arme Volk Gottes?

IRETON.
Du, – wenn Du ein Mann bist und kein flennendes, altes Weib.
CROMWELL.

Junger Mann, Du hast das Rekrutenfieber in der ersten Hitze des Gefechts. Ich bin müde. Was weißt Du von dem langen, langen einsamen Kampf, der hinter mir liegt?

IRETON.
Um so mehr mußt Du gelernt haben, auf alles gefaßt zu sein.
CROMWELL.

Das lernt sich nie. Und da reden Thoren davon, behaglich dem Augenblick zu leben! Das Unvorhergesehene ist das Furchtbare. Das Glück kommt selten plötzlich, das Unglück aber wohl, wie der Dieb in der Nacht. Was fruchtet alle Berechnung, was alle Entsagung, Geduld und Friedensliebe! Giebt man den kleinen Finger, so nimmt der Feind die ganze Hand. Ein ewiges Kämpfen und auf der Hut sein! Ein Zanken um jede Handbreit Erde, um jede Klausel. Die Schildwache draußen ruft »Werda«? Horch, was giebt's?

MANCHESTERS STIMME.
Der Earl von Manchester. Im Namen des Parlaments! Draußen Rufe: »Präsentiert's Gewehr!«
IRETON.
Manchester, Dein früherer Obergeneral? Der laue, unzuverlässige Verräter? Dein Feind?
MANCHESTERS STIMME
draußen.
Einlaß für den außerordentlichen Abgesandten des Parlaments von England!
[51]
CROMWELL.
Tretet ein im Namen Gottes! Manchester tritt ein. Welche Botschaft bringt Ihr, Mylord?
MANCHESTER.
Daß Ihr, General Cromwell, mir stehenden Fußes nach London folgt, zu hochnotpeinlicher Untersuchung.
CROMWELL
erregt.
Warum trachten die Heiden nach meiner Seele?
MANCHESTER.

Das »Warum« thut nichts zur Sache. Aber das »Was« und »Wie«. Abgeordneter Cromwell, Ihr seid angeklagt auf Hochverrat.

CROMWELL.
Auf welche Ursache hin?
MANCHESTER.
Das werdet Ihr erfahren. Folgt Ihr oder nicht?
CROMWELL.
Nicht eher, als bis ich den Grund erfuhr.
MANCHESTER.
Ihr habt keine Bedingungen zu stellen, Abgeordneter. Man wird Euch in offener Sitzung verhören.
CROMWELL.

Und Ihr glaubt, Mylord, ich werde den Schoß meines treuen Heeres verlassen, um in die Fallstricke und Gruben zu fallen, welche die Heiden mir zubereitet? Das sei ferne von mir.

MANCHESTER.

Weigert Ihr Euch zu erscheinen, so wird Eure Schuld als erwiesen betrachtet und Ihr in Eurer Abwesenheit verurteilt werden.

CROMWELL
ruhig.
Das glaub' ich. Und dann?
MANCHESTER.
Dann, Herr Abgeordneter, wird man Eure Auslieferung vom Heere verlangen.
IRETON
lacht auf.
Cromwell – von seinem Heere?
MANCHESTER.
Ihr wißt am besten, daß man Euch auch hier mißtraut. Kurz und gut, wollt Ihr oder nicht?
[52]
CROMWELL.

Ich dulde kein Unrecht in Bezug auf meine Ehrlichkeit und Unbescholtenheit. Gewiß werde ich die Verleumdung entkräften mit meiner Unschuld. Geht, Mylord, ich folge Euch sogleich, falls Ihr mir nur angebt, wie jeder Angeklagte dies verlangen kann, auf wessen Zeugnis hin man also vorgeht.

MANCHESTER.

Gut. Das will ich. In einer Offizier- Gesellschaft hat man kürzlich besprochen, ob es nicht rätlich sei, die Armee zu sichten, um nur Leute zu haben, auf die man rechnen könne. »Ich bin des Heeres sicher«, habt Ihr da geäußert, »aber die Sichtung und Säuberung einer andern Körperschaft ist weit dringender, die des Hauses der Gemeinen.« Die Zeugen, zwei wackere Offiziere, stehn bereits vor den Schranken und warten auf Euch. Es ist der Antrag gestellt, alle Debatten bis dahin zu vertagen, da es sich um die Freiheit und das Dasein des Parlaments handelt. Ihr seid angeklagt, auf Anwendung der bewaffneten Macht gegen die Erwählten des Volks zu sinnen. – So. Ihr seid vorbereitet. Ich gebe Euch zehn Minuten Bedenkzeit. Ich steige zu Roß mit meinem Gefolge und erwarte Euch draußen. Geht ab.

IRETON.
Du darfst nicht gehn.
CROMWELL.

Doch. Ich muß. Jeder andre möchte sich täuschen über die Sachlage, ich nicht. Du wähntest vorhin, Lilburn und das Mißtrauen des Heeres sei durch mich erstickt? Eitler Wahn! Er wird auf's neue erwachen. Klagt mich das Parlament nun förmlich an auf sträflichen Ehrgeiz und Verleitung des Heeres zur Rebellion, so wird dasselbe Heer, das jetzt gegen das Parlament tobt, von mir abfallen. Unsre Verhandlung mit dem König kommt ans Tageslicht und wird mißdeutet. Das Ende wird sein, daß Parlament und Heer sich verständigen [53] um den Preis meines Kopfes. Nein, ich muß der Gefahr Mann an Mann zu Leibe rücken.

IRETON.
Das ist allerdings sehr bedenklich. – Wer hätte das gedacht!
CROMWELL.

Ich. Ich wußte es wohl, daß ich noch stolpern würde über den schmutzigsten Kiesel, den mir das Schicksal in den Weg wirft. – O Herr Zebaoth, hilf mir! – Das Heer läßt sich durch keine Worte bändigen, das Parlament wohl. Mir bleibt nur eine Waffe: Beredsamkeit.

IRETON.
Hm, hm, den Kopf wird's ja nicht kosten.
CROMWELL.
O gewiß kann's den Kopf kosten.
IRETON.
Allerdings, Anklage auf Hochverrat .. O diese Buben! Wer konnte das voraussehen!
CROMWELL
schluchzt.

Wieder, wieder, wieder gezwungen, mit Zwergen und Schlingeln zu balgen! O ich Elender! O Herr, Herr, ich ringe vor Dir im Staube. Willst Du mich verwerfen? Soll dies das Ende sein, so nahe dem Ziel?

IRETON
auf- und abgehend, vor sich hin.
Hilf Dir selbst, so hilft Dir Gott. – Verdammter Zufall!
CROMWELL.

Ach, wie müde bin ich dieses ganzen Getriebes, das unser besseres Selbst entehrt! Säß' ich als armer Landmann auf karger Scholle – nur fern, fern der Welt, einsam und ruhig!

IRETON.
Solch' fromme Wünsche kommen zu spät. Jetzt sieh zu, daß Du nicht bald im Tower sitzest!
CROMWELL.

Mich verteidigen müssen, mich! Vor diesem Gezücht! Gegen solche Horde! Pfui, pfui! Lieber legt' ich gleich mein Haupt auf den Block, als erst meinen Odem vergeuden für meine gerechte Sache! Und sie verstehn mich ja doch nicht, die Kinder dieser Welt, nichts ahnend von göttlichen Stimmen, die uns treiben – treiben – wohin?

[54]
IRETON.

Ins Verderben, wenn Du Dich nicht aufraffst. Du raubst uns allen den letzten Hort, Du reißt uns mit ins Verderben, wenn Du nicht versuchst zu widerstehen. Noch ist nicht alles verloren.

CROMWELL
plötzlich trocken und kalt, steht ruhig auf und gürtet sein Schwert um.

Verloren? Alles? Noch ist nichts verloren. Denn bei mir ist der Herr Herr, den Ihr nicht sehet. – Da ich denn einmal waten muß durch diesen Sumpf, wohlan, so will ich's thun mit Stiefeln und Sporen. Im Kommandoton. Ihr begleitet mich, General Ireton. Ich werde sofort Rede stehn wider die Feinde des Allerhöchsten.

IRETON
begeistert.
Hie Schwert des Herrn und Gideon!
CROMWELL
den Blick nach oben.
Der Herr der Heerscharen!
[55]

3. Akt

Dritter Akt.

Reich ausgestattetes Zimmer in Hampton Court. Rechts eine offene Thür. An der Wand ein Porträt Karls I. von Van Dyk. Es ist Abend. – Karl I. auf einem Prunksessel sitzend, neben ihm Berkley stehend. Vor ihm Oberst Graves, ein Schriftstück
in der Hand, hinter ihm drei Offiziere, alle stehend. Graves verbeugt sich bei Aufgehen des Vorhangs
und blickt den König an. – Pause.

KARL.
Habt Ihr die Vorlesung Eurer Vorschläge beendet? Gut. Ihr könnt gehn. Ich habe Euch nichts zu sagen.
GRAVES.

Sire, wir sind überrascht – die Gründe eines solchen Empfanges sind uns verborgen.Blickt auf Berkley, der ängstlich die Achseln zuckt und dem König besorgte Blicke zuwirft, der diesen kalt ausweicht. Die Deputation des Heeres, als deren Sprecher ich die Ehre habe vor Ihnen zu stehn, ist zu allem bereit, was möglich ist. – Aber, Sire, es muß doch irgend einen Unterschied zwischen Siegern und Besiegten geben!

KARL
hochmütig.
Sieger! Besiegte! – Ihr besitzt wenig Takt, Herr.
GRAVES.

Um Verzeihung, Majestät, aber was würde man sagen, wenn ein Unterschied, wie ich ihn an zudeuten wagte, gar nicht zum Ausdruck käme? Es muß doch wenigstens so scheinen.

[56]
KARL
kalt.

So, so, Nun, die Herren haben mich gehört. Ihre Vorschläge sind für mich wenig annehmbar. Ich bin nicht zufrieden. Unwillige Bewegung der Offiziere, die Graves etwas zuflüstern.

GRAVES
fest.
Es fragt sich, Sire, ob wir zufrieden sind. Das Heer wird nicht weiter nachgeben.
KARL
scharf.

Sir, ich werde General Cromwell ersuchen, mir Bevollmächtigte zu senden, welche mit den Formen vertrauter sind, die einem Könige gebühren, wenn man ihm Petitionen unterbreitet. Die Offiziere in Bewegung.

GRAVES.

Petitionen! Guter Gott, Sire! Man wählte grade mich als den mildesten und Euch ergebensten Sprecher. Möchten doch andre nicht rauher und ungestümer –

KARL.

Rauh! Ungestüm! Das sind ungeziemende Redensarten. Seht Ihr nicht, ihr Herren Deputierten meines Heeres, daß ich meiner Kraft sicher bin? Ihr seid beunruhigt über das, was in London vorgeht.Die Offiziere sehen sich an.

GRAVES
verlegen.

Sire, es ist uns nicht unbekannt, daß in der City Rebellion herrscht und man das Parlament terrorisiert. Aber –

KARL
behaglich.

Jawohl, man verlangt die Zurückberufung des rechtmäßigen Herrn und Königs. Unsre armen Unterthanen, so lange verstockt, sind endlich in sich gegangen. Ich lobe ihre Bußfertigkeit. Die Offiziere sprechen heftig untereinander.

BERKLEY
ihm ins Ohr flüsternd.
Sire, Sire, um Gotteswillen, Ihr verratet Euch.
KARL
halblaut, kalt.
Ich bedarf keines Mentors, mein Bester.
GRAVES
von den Offizieren durch Geberden angespornt.
Sire, Sie irren. – Welche Lage! Das Heer ist entschlossen –
[57]
KARL
stolz.

Was geht das mich an, wozu dies meuterische Heer entschlossen! Zeichen des Zorns unter den Offizieren. Wozu Ich entschlossen bin, das seht Ihr ja. Ich freue mich, meine Unzufriedenheit offen kundzugeben.

BERKLEY
halblaut.
Sire, bedenken Sie –
KARL
höhnisch lächelnd.

Ihr wollt Euch zum Schiedsrichter zwischen Mir und dem Parlament machen. Welche Anmaßung! Ich aber will Schiedsrichter bleiben zwischen Euch und dem Parlament.

GRAVES
der mit den Offizieren bei Seite sprach.
Sire, ist das Ihr letztes Wort?
KARL
beleidigend.

Pah, pah, keine großen Worte mit mir, Mann, jetzt nicht mehr! Beeilt Euch, Eure Ansprüche zu mäßigen! Ihr könnt meiner nicht entbehren, Ihr seid verloren, wenn ich Euch nicht unterstütze.

GRAVES
zu den Offizieren.

Ihr habt gehört? – Rechtsum Kehrt! Alle verbeugen sich schweigend und gehen ab. – Pause. Karl lacht hämisch auf.

BERKLEY
bedrückt.
Sire!
KARL
heiter.

Nun, Eure Weisheit, Lord Nestor, bekümmert Euch der Zorn des Achilles? Haha, vielleicht verwechselt Ihr den mit dem vielschlauen Odysseus.

BERKLEY.

Sire, es steht mir nicht zu, Ihnen die Klugheit des Odysseus zu bestreiten. Allein, ob es nicht unvorsichtig war – Hält inne.

KARL
heiter.

Ich war etwas kurz angebunden, auch habe ich zu viel gesagt. Doch diese Bauern hatten so schlechte Manieren.

BERKLEY.

Die Deputation geht zornig heim, daran ist kein Zweifel. Der trockene, hochfahrende, bittere Ton, das ironische Lächeln Ew. Majestät wird alle, die gegen die Aussöhnung sind, unversöhnlich machen und denen, die [58] dafür sind, wie der Sprecher von vorhin, Oberst Graves, den Glauben beibringen –

KARL.

Daß wir uns weder verständigen noch täuschen können, ganz recht. Ein mattes Ende Eurer diplomatischen Künste, Sir John, hahaha!

BERKLEY
aufgebracht.
Wenn Ew. Majestät selbst all meine Bemühungen vereiteln –
KARL.

Beklagt Euch nicht, Sir John, ich beklage mich ja auch nicht. Gestattet nur, daß der König mit Gottes Gnade seine eigne Politik macht. Sieht auf seine Uhr. Noch eine halbe Stunde! Schon bricht die Dämmerung herein.

BERKLEY
nach einer Pause.
Hier muß ein Geheimnis obwalten, das ich nicht ergründe.
KARL.

Ich will's Euch lösen. Berkley, Ihr seid ein loyaler Diener und der Vertraute Ihrer Majestät der Königin, meiner geliebten und geistesgroßen Gemahlin. Wir vertrauen Euch unbedingt. Reicht ihm die Hand zum Kuß.

BERKLEY
küßt sie.
O mein gnädigster Herr, Ihr dürft es.
KARL.
Also freuet Euch mit mir! Sir John Berkley, ehe denn der Tag eine Stunde älter, sind Wir frei.
BERKLEY
starr.
Sire?
KARL.

Das heißt, auf der Reise nach sicherer Zufluchtsstätte. Es beliebt Uns nicht länger, hier als Zankapfel von Parlament und Heer auf dem Präsentierbrett zu liegen. Aus sicherer Ferne werden bald diese aufrührerischen Gewalten das Urteil ihres Herrn und Meisters vernehmen.

BERKLEY.
Sire, erklärt mir.
KARL.

Richmond und Lindsay erwarten uns drüben am Themseufer mit auserlesenen Rossen. Das einzige, was ich anerkennen muß, seit ich in Hampton Court in der Gewalt des Heeres weile, ist die respektvolle Behandlung, die [59] soldatische Anständigkeit im Gegensatz zu den peinlichen Plackereien, mit denen das Parlament mich früher überwachte. Jeder meiner Getreuen konnte gehn und kommen nach Belieben – nun, davon werd' ich wenigstens Nutzen ziehn.

BERKLEY
gemessen.

Allerdings überstiegen die Rücksichten, welche auf Befehl Cromwells besonders sein jetziger Schwiegersohn, unser Gouverneur Ireton, Ihrer erhabenen Person erwies, jede Erwartung. Allein, ich erlaube mir die Bemerkung, daß ein mißglückter Fluchtversuch Ew. Majestät diesem Verhalten gegenüber um so schwerer ins Gewicht fallen möchte.

KARL
kalt.

Ihr erlaubt Euch allerdings recht viel, Sir John, denn Ihr gebt mir da wohl einen Wink, daß ich die biedre Großmut jener Rebellen mißbrauche? Nein, schweigt! Ihr werdet wohl gar wähnen, daß Ihr als Vermittler gleichsam haftbar seid für solchen Vertrauensbruch, wie jene hartgesottenen Sünder es nennen werden, als die heuchlerischen rundköpfigen Schurken, die sie sind? – Beruhigt Euch! Die Kerle selbst wollen mich los sein. Fast glaub' ich, sie wissen um alles. Jedenfalls drücken sie ein Auge zu.

BERKLEY.
Ist's möglich? Dann ist wohl General Ireton auch nicht zufällig gestern Abend verreist?
KARL.

Natürlich nicht! Ich wußte gleich, woran ich war, als er sich gestern um diese Stunde verabschiedete und mich bedeutsam ansah. Denn ich hatte drei anonyme Briefe in verstellter Handschrift empfangen – da lest selbst! Zeigt ihm Papiere.

BERKLEY
liest.

»General Ireton wird verreisen. Die Wachen werden sorglos sein. Von der Stromseite werden die Posten weggezogen.« – Seltsam, höchst seltsam!

[60]
KARL.

Und dazu das! Giebt ihm einen andern Brief. Auch diese Botschaft eines geheimen Freundes folgte dreimal hintereinander.

BERKLEY
liest.
Wie, ein verborgener Gang –?
KARL.

Dort aus meinem Schlafzimmer, der zur Themse hinunterführt. Es hat seine Richtigkeit. Wir haben ihn nach der Beschreibung entdeckt. Dieser Weg also wird mich jetzt gleich zur Freiheit führen. Steht auf und lehnt an der Thür des Schlafzimmers rechts. Bald wird das Signal ertönen. Paßt auf!

BERKLEY.
Und Ew. Majestät faßten diesen kühnen Entschluß so schnell?
KARL.

Ja. Denn es giebt noch etwas anderes, was mich zum Handeln drängt und zwingt. Lest auch das! Reicht ihm ein andres Papier.

BERKLEY
liest.

Wie? Schändlich! Ein Anschlag auf Ihr geheiligtes Leben, Sire? Ein Komplott, an dessen Spitze der unversöhnliche, blutgierige Metzgerhund Harrison?

KARL.

Ja, dieser rundköpfige Schurke, der übrigens bei Naseby eine brillante Attake auf Unser Leibregiment ausführte! Ein Ungeheuer, zu jeder Missethat fähig. – Dreimal kam diese anonyme Warnung und jeder Zweifel daran wird zerstreut durch – lest das! Reicht Berkley ein andres Schreiben. Dies ist eine Kopie, welche General Ireton mir zu nehmen erlaubte, von einem kürzlichen Brief Cromwells an ihn als Gouverneur dieses Schlosses.

BERKLEY.

Ohne Datum? Liest. »Es sind mir Gerüchte von draußen zu Ohren gekommen, wonach ein Anschlag auf die Person Sr. Majestät beabsichtigt sei. Ich bitte deshalb besonders wachsam auf Eure Vorposten zu sein. Wenn etwas derartiges sich ereignen sollte, so müßte das als eine ganz ruchlose That angesehen werden.«

[61]
KARL.

Gezeichnet: Oliver Cromwell. – Was sagt Ihr nun? Bin ich noch meines Lebens sicher. In offener Feldschlacht haben Wir Unsere Person oft drangewagt gegen mörderische Rebellen, aber so zu enden – in der Stille der Nacht erwürgt zu werden von plebejischen Händen – quelle horreur!

BERKLEY.

Hm, hm, ein merkwürdiger Befehl – dahinter steckt mehr – die Wachen will er verstärkt haben und hinterher werden die Wachen von der Stromseite weggezogen –?!

KARL
lacht.

Ja, natürlich, seht Ihr nicht? Er will sich nachher decken vor'm Parlament. Aus dem diplomatischen ins deutliche übersetzt, meint dieser Befehl –

BERKLEY.

Nicht, den König strenger zu bewachen, sondern ihn entweichen zu lassen, um ihn den Händen der Radikalen zu entziehn. So viel ist auch mir klar. Allein – hm, Ew. Majestät wissen, wie fest ich auf die wohlwollende Gesinnung General Cromwells (Ein großer Mann, trotz alledem!) baue – allein, könnte nicht hier eine Falle liegen, Sie zur Flucht zu verleiten, um Sie dabei zu überraschen?

KARL
lacht.

O mein guter Sir John, Ihr seid ein Diplomat der alten Schule und sucht den Fuchs im falschen Loch. Euch fehlt jene politische Logik der Menschenkenntnis, die Euer König – ach, nur zu wohl – in seiner langen, geprüften Regierung erwerben mußte. Was hülfe es denn, meinen Fluchtversuch zu hindern? Ich bliebe derselbe wie zuvor. Die Motive dieser zwei ehrgeizigen Intriguants durchschaue ich wie dünnes Glas. Ihr wißt, worauf ich in der Unterredung mit den Offizieren anspielte In London herrscht offene Empörung, das Parlament wird vom Pöbel und der Miliz gezwungen, für mich und gegen das drohende [62] Heer zu stimmen. Schon gestern, schon heute, schon morgen können die Würfel fallen. London ist zum Kampf bereit und das Heer wird nicht wagen, gegen die gesetzliche Macht des Parlaments zum Schwert zu greifen.

BERKLEY.
Wenn aber, Sire .. die Londoner Miliz kann niemals Cromwells Eisenseiten die Spitze bieten.
KARL.

Ich sage Dir, sie wagen's nicht, die öffentliche Meinung ganz Englands zu beleidigen durch offene Meuterei. Und wenn so, nun, so mögen sie sich gegenseitig die Hälse brechen! Ich aber, ihrem Bereich entrückt, werde aus der Ferne den Frieden diktieren.

BERKLEY
nach einer Pause.

Ich bewundre den Scharfblick und die Geistesgegenwart Ew. Majestät. Und wohin wird Dero Flucht sich wenden?

KARL.
Das werdet Ihr noch hören.
BERKLEY.
Nach Frankreich, wie ich vermute?
KARL.

O nein, nein, wir werden den englischen Boden nicht verlassen. Eine glänzende Eingebung Ihrer Majestät der Königin, meiner erhabenen Gemahlin, die Wir als Unsern vertrautesten und geistvollsten Staatsrat verehren.

BERKLEY.
Ihre Majestät weiß also um diese Flucht?
KARL.

Sie geruhte, dieselbe anfangs sehr dringend abzuraten. Als Wir jedoch mit triftigen Gründen auf Unsern Vorsatz bestanden, rieten Allerhöchstsie dringend von einen Aufenthalt in Frankreich ab –

BERKLEY
in den Bart murmelnd.
Kann mir's denken.
KARL.
Was sagtet Ihr?
BERKLEY.
Ich drückte meinen treugehorsamsten Beifall aus. – Haben Ew. Majestät noch einen Auftrag für mich?
KARL.

Daß ich nicht wüßte! Euren Degen habt Ihr ja bei Euch – auch Wir vertrauen Unserm königlichen [63] Schwert. Berkleys Degen musternd. Ah, ein »Andrea-Ferrara«? Ich ziehe die Toledanerklingen vor.

BERKLEY
verwirrt.
Versteh' ich recht? So soll ich Ew. Majestät begleiten –?
KARL
kalt.

Selbstverständlich. Glaubt Ihr, ich werde allein dies Wagestück unternehmen, ohne einen loyalen Diener zur Seite? Nicht doch.

BERKLEY
verneigt sich.

Der König hat nur zu befehlen. Sire, die Bevollmächtigten des Parlaments bei Allerhöchst-Ihrer Person, die Lords Manchester und Montague, werden Sie bald beim Abendbrot vermissen.

KARL.

Mögen diese ungetreuen Lords nur allein die Mahlzeit verzehren, die sie sich eingebrockt. Von rechts dreimaliger Kukukschrei. Das verabredete Zeichen! So. Erst diese verdächtigen Zeugen ins Feuer! Wirft alle Papiere in den Kamin. Nun folgt mir auf dem Fuße und verriegelt fest hinter uns die Thür! Corragio, corragio! Ab nach rechts.

BERKLEY
folgend.
Gott schütze den König! Ab nach rechts, wo er die Thür hinter sich schließt und drinnen verriegelt.

Längere Pause. Dann dreht sich plötzlich eine geheime Wandthür unter dem Porträt des Königs: Cromwell und Ireton treten heraus, in lange, schwarze Reitermäntel gehüllt. Es ist dunkel geworden.
IRETON
flüsternd.
Niemand hier! Geht an die Thür rechts, findet sie verriegelt. Aha! – Sie sind dran!
CROMWELL.
Oder schon fort! Lauscht. Alles still. Sie sind auf und davon.
IRETON.
Und Du meinst, die Flucht wird glücken?
CROMWELL.
Wie sollte sie nicht! Ihr Ziel ist nah.
IRETON.
Nah? Den Kanal zu kreuzen –
CROMWELL.

Sie gehen nicht nach Frankreich. Ich weiß, wohin. Die Königin hat's geraten. So sicher bin [64] ich meiner Sache, daß ich an den betreffenden Gouverneur bereits einen Brief sandte, aus dem er zwischen den Zeilen für solchen Fall seine Verhaltungsmaßregel lesen kann. Genug. Meine Berechnung täuscht sich selten.

IRETON.
Nie. Ich verlange nichts weiter zu wissen. Nur eins: Bist Du wirklich gesonnen, den König zu retten?
CROMWELL.

Gewiß. Ich werde für die Wohlfahrt meines Landes dem König dienen, so lange es ohne mein eignes Verderben möglich. Das darf man freilich nicht von mir erwarten, daß ich für ihn zu Grunde gehen will.

IRETON.

Und letzteres kann kommen, wenn wir nicht Acht geben. Die ungemessenen Ansprüche dieses Mannes wachsen mit jedem Tag. Ich hab's ihm neulich ins Gesicht gesagt: Wenn wir's redlich meinen, so haben wir wahrlich genug gethan, um von unsrer Aufrichtigkeit zu überzeugen, wenn nicht, so wird niemals etwas genug sein.

CROMWELL.

Ich meine es blutig ernst! Ich bin entschlossen, das Unterhaus zu reinigen und wieder zu reinigen und ohne Unterlaß zu reinigen, bis es endlich bereitwillig ist, die Angelegenheiten des Königs zu besorgen. Wir müssen endlich einmal zu Ende kommen. Ehe ich unterlasse, was ich dem König versprochen habe, würde ich mich mit den Kavalieren, ja mit Spaniern und Franzosen verbünden, um die Ausführung zu unterstützen – mit dem Vorbehalt natürlich, besagten Spaniern und Franzosen nachher eins über die Nase zu geben. – Warum, mein Sohn, betrachtest Du mich mit zweifelnden Blicken?

IRETON.

Und das alles, was Du da sagst, soll man buchstäblich nehmen? Du willst also gegen die Republikaner den König halten, wenn er es ehrlich meint?

CROMWELL.

Unbedingt. Wenn er es ehrlich meint! – Und das werden wir jetzt erfahren. Zieht einen großen, [65] versiegelten Brief hervor. Da, lies mir vor! Ireton schlägt Feuer und zündet einen Kandelaber im Zimmer an.

IRETON
lachend.

'S ist doch ein tolles Stücklein! Der größte Feldherr Englands, wie ein Vorpostenreiter in Feindesland, kundschaftend! Der Fähnrich Joyce wird uns den Streich beneiden!

CROMWELL.

Mein Sohn, kein guter General das, der nicht auch das Handwerk des Gemeinen versteht. Ich habe von der Pike auf gedient. Als ich mit 42 Jahren mich in den Sattel schwang, ein ruhiger Landmann, der den Herrn suchte in stiller Betrachtung, und meine selbstgeschaffene Schwadron von gottseligen Pächtern zudrillte, ich, der ich nie ein Schwert gezückt – wußte ich da, wohin der fromme Eifer für die Freiheit dieses braven Volkes mich trieb? Ahnte ich da, daß ich als Reitermarschall von England den stolzesten Adel Europas auf seinen Vollblutrennern in Grund und Boden reiten würde, daß Prinz Rupert von der Pfalz, der nie Besiegte, vor jedem Anlauf meiner Eisenseiten zerstäuben würde, wie Spreu vor der Windsbraut? Nein, mein Freund, achte nie ein Ding zu gering für Deinen Eifer und verlaß Dich möglichst nur auf Dich selbst – nur so wirst Du zu großen Dingen fähig werden. Wozu also andern auftragen, was man selber thun kann? – Wir hören durch unsre Spione, heute werde ein wichtiger Brief des Königs an die Königin durch einen geheimen Boten abgehen. Wir erfahren Ort und Stunde, machen uns auf, überfallen den Boten und – da ist der Brief! Eine innere Stimme hat mir prophezeit, prüfen wir, ob ich mich täuschte. Wohlan, wir mußten dies letzte Mittel ergreifen, um endlich klar zu sehn.

IRETON
erbricht den Brief.
Ja wahrlich, Du bist ein Prophet. Wie hast Du des Königs Fluchtentschluß vorausberechnet!
[66]
CROMWELL.

Nein, veranlaßt. Ergründe den Cha rakter eines Menschen, so wirst Du seine Tha ten leicht genug berechnen. Hier bleiben durfte er nicht, als Waffe in den Händen des Parlaments, noch auch, nach dem heutigen großen Sieg des Heeres, im Bereich Harrisons und Lilburus. Wenn die Gleichmacher sich seiner durch Mord entledigten, so wäre das ein schreckliches Unglück und bei der Halsstarrigkeit des Mannes könnten die Radikalen gar darauf dringen, ihm den Prozeß zu machen.

IRETON.

Jawohl und wir, wider die selbst das Heer murrt und meutert, wir würden hinterher als die Schuldigen gelten. Ich begreife. Aber hast Du auch wohl bedacht: wenn diese Flucht des Königs ihm zum Verderben ausschlägt, so wird die Nachwelt sagen, Du verstricktest ihn absichtlich darin?

CROMWELL.

Mein Sohn, die Nachwelt geht uns nichts an. Sehen wir zu, wie wir vor unserm eigenen Gewissen bestehn. Ich sage Dir, das Königtum ist noch zu tief im Volke gewurzelt, als daß diese Chimärenspinner mit ihren republikanischen Kindersäbeln es ausreuten könnten. Nochmals: Hält Karl Stuart fest an mir, dem einzigen Anker dieses lecken Staates, so will ich das Reich ihm retten für ein gemäßigtes Königtum in einem freien, reformierten Lande. – Vorwärts, die Minuten sind kostbar. Lies!

IRETON
liest.

»Teurer Großsiegelbewahrer meines Herzens und meiner Pläne! Du sprichst in Deinem letzten Brief die Besorgnis aus, daß ich allzu nachgiebig versprechen würde, was die Übelgesinnten von mir erpressen. Sei ohne Furcht, mein Herz! Beide Parteien suchen mich mit gleichem Eifer zu gewinnen und ich werde mich selbstredend dem Meistbietenden anschließen, dessen Bedingungen[67] am vorteilhaftesten sind.« – Hm, das sind jedenfalls wir?

CROMWELL.
Nur weiter, der Anfang ist vielversprechend.
IRETON
liest.

»Ich beherrsche jetzt die ganze Lage, ich bin der Mann des Augenblicks. So ist denn endlich jene tiefe Staatskunst von Erfolg gekrönt, welche ich erwarb durch gründliches Studium des großen Machiavelli und seines Zöglings Cäsar Borgia, dessen eiserne Herrschaft über den Pöbel ich bewundern muß, obschon er illegitimen Geblüts und daher nicht von Gottes Gnaden zur Regierung berufen war.«

CROMWELL
amüsiert sich.
Eine weise Unterscheidung, gottesfürchtiger Monarch!
IRETON
liest.

»Was meine Versprechungen betrifft, so weißt Du ja, daß ich von kleinlichen Skrupeln mich entbunden fühle, da Wir als Gesalbter des Herrn zur gottwohlgefälligen Durchführung Unsrer höheren Zwecke jene reservatio mentalis für Uns in Anspruch nehmen, welche die römische Kirche ihren Priestern gewährt. Es ist mein Grundsatz, Rebellen niemals Wort zu halten.«

CROMWELL.

O löbliches Mittel, eines Stuart würdig! Es hat Dich herrlich weit gebracht und wird Dich noch bringen, – wohin Du nicht ahnst. Nur weiter! Ich sehe schon.

IRETON
liest.

»Meine Neigung wendet sich den Schotten zu. Sie werden ehenächstens wieder in England einbrechen. Sei überzeugt, daß die beiden verbundenen Nationen bald gegeneinander im Kriege sein werden. Die Schotten versprechen sich die Mitwirkung aller englischen Presbyterianer. Unsre Freunde, die Lords Capel, Langdale, Musgrave und andre gute Kavaliere, halten sich also bereit und bewaffnet, [68] denn sonst würden wir, welche Partei auch obenauf käme, wenig genug zu gewinnen haben. Ein allgemeiner Aufstand der Royalisten wird also mit dem Einbruch der Schotten in nächster Frist zusammenfallen.«

CROMWELL.

Wird er? Ha! Landesverräter, Hochverräter an Reich und Volk, wieder rückfällig, niemals bekehrt – ist das Deine Buße nach den sichtbaren Strafgerichten des Himmels? – Ich bin gespannt auf's Ende.

IRETON.

»Übrigens, m'amie, kenne ich allein meine Lage. Ich werde mich also mit den Schotten verbinden. Was die Burschen Cromwell und Ireton betrifft –« Burschen?!

CROMWELL
grimmig lächelnd.

Was wundert Dich, mein Sohn? Der Horcher an der Wand hört seine eigne Schand. Ich merke schon, wir werden kein geschmeicheltes Porträt bekommen, wenn auch vielleicht weniger lebenswahr, als dort das Bild aus dem Pinsel des geschätzten Van Dyke.Dem Porträt zunickend. Jaja, miß mich nur von oben bis unten mit Deinen falschen, schmachtenden, verschleierten Stuart-Augen, mich elenden Staub vor Deiner Majestät!

IRETON
liest.

»Den Cromwell hab ich einmal im Park gesprochen. Ich empfand eine gewisse Neugier, diesen Phönix des Pöbels in der Nähe zu sehn. Ventre-saintgris, ein kleiner, plumper Bierbrauer mit schlechten Manieren, auf dem Parkett des Hofes einfach unmöglich. Er schien verlegen und geblendet von Unsrer Gegenwart.« – Ha, dieser eitle Pfau!

CROMWELL
kalt.

Derlei Gewäsch, mein Freund, behandle ich mit der gebührenden Verachtung. – Ich hoffe auf noch angenehmere Enthüllungen.

IRETON
liest.

»Sei über die scheinbaren Zugeständnisse, welche ich machen könnte, ganz ohne Sorge. Coeur [69] de mon coeur! Wenn die Zeit gekommen, werde ich wohl wissen, wie man mit diesen Schlingeln umspringen muß.« – Ha, bei der Sonne Josuas, das ist –

CROMWELL
finster.

Sehr witzig. Verunstalte nicht das Handschreiben unseres gütigen und höflichen Monarchen durch unpassende Kommentare, welche nur den Genuß dieses auserlesenen Schriftstücks trüben.

IRETON
liest.

»Die beiden Kerle haben es aufs Bestimmteste abgelehnt, über irgend eine beiden zuzuwendende Gunst oder Gnade zu verhandeln. Sie thäten alles nur aus Liebe zum Vaterland! – Welche Sinnverwirrung! Als ob es ein England gäbe außer Uns, Wir sind das Vaterland! – Der brave Berkley, ein Mann aus der alten Schule, zerfloß darob in Rührung. Wie lächerlich! Sie wollen sich nicht bestechen lassen? Ach, das ist teurer. Wollen später unmäßige Erpressungen üben, unterm Vorwand ihrer Redlichkeit.« – O der Infame!

CROMWELL
verneigt sich leicht gegen das Bild.
Ei ei, ein Menschenkenner, Majestät? Welche Herablassung, uns die Gesinnung eines Stuart zuzumuten!
IRETON
liest.

»Wir haben ihnen den Hosenbandorden versprochen. Parole d'honneur, statt eines seidenen Hosenbandes werde ich sie mit einem Halsband versehen, wenn man ihnen einen hänfenen Strick dreht. Mit dieser tröstlichen Hoffnung bin ich Ew. Majestät ewig getreuer zärtlich liebender Gemahl Karl Stuart.« – Ich ersticke! Das nach all seinen honigsüßen Beteuerungen, all seinen feierlichen Schwüren! Der falsche, ehrlose, meineidige Verräter!

CROMWELL
mit schrecklicher Ruhe.

Sprich gewählter von einem Gesalbten des Herrn! Lacht bitter. »Euer ewig getreuer –« o die keusche Jezabel eines solchen Ahab! O unerforschliches Strafgericht des Allerhöchsten! Er, der [70] alle betrügt, er – – horch, ich höre Schritte auf der Treppe! Rasch fort! Die Flucht wird bald ruchbar werden und wir müssen uns vorbereiten. Du weißt, wen ich hierher lud. Offnet die geheime Thür.

IRETON.

Ich bin noch ganz betäubt. Und Du so ruhig? Trifft ihn nicht endlich ein Donnerkeil, den heuchelnden Tyrannen?

CROMWELL
mit einem plötzlichen Ausbruch von Leidenschaft.
Er soll des Todes ster ben!
IRETON
zurückfahrend.
Wie?
CROMWELL.

Er soll des Todes sterben, ich habe es gesagt. Ruhig. Aber das hat noch Zeit. Unwiderruflich treibt er seinem Schicksal entgegen. Er selber spinnt am Garn des Netzes, das ihn fängt. Denn in uns selber liegt unser Maß und unser Ziel und Ende. – Mach fort! Beide ab durch die geheime Thür. Panse. Dann klopft es an die Thür links. Dann treten Montague und Manchester ein.

MANCHESTER.
Die Majestät ist nicht hier. Weilt wohl in ihrem Schlafgemach.
MONTAGUE.

Nun, wir erwarten ihn ja in einer halben Stunde zum Abendessen. Ihm immer noch zu früh für unsre Nachrichten.

MANCHESTER.
Meint Ihr, lieber Vetter? Die Demütigung des Parlaments –
MONTAGUE.
Wird ihm süß sein, möglich; aber der Sieg des Heeres um so bitterer.
MANCHESTER.

Noch ist es kein Sieg, obschon ich zugebe, daß Cromwells Meisterstreich dem Heere die Trumpfkarten zugespielt hat.

MONTAGUE.

Ich war starr. Ludlow, Bradshaw und ihre ganze Partei fliehen bei Nacht aus London ins Lager des Heeres und rufen es um Schutz an, weil das Parlament [71] von der Hauptstadt gewaltsam eingeschüchert werde. Ungeheurer Entrüstungsauftritt und Begeisterung und Jubel der Soldaten!

MANCHESTER.

Ohne Zweifel hat Cromwell jetzt das Heft in Händen, indem er sich den Schein gesetzlicher Vollmacht sicherte. Der Mensch ist unerschöpflich und ich fange an zu glauben, daß nichts wider ihn fruchtet. Als ich ihn neulich aus seinem Zelt ins Unterhaus schleppte, was er als Abgeordneter nicht weigern durfte, um sich vor den Schranken wegen Hochverrat zu verteidigen, war ich seiner Niederlage sicher. Und wirklich, er kam, allein, schutzlos – und wie endete die heiße Debatte? Mit einem beispiellosen Triumph. Das Haus schien geneigter, seine Angreifer in den Tower zu schicken, als ihn selbst!

MONTAGUE.

Ein ausgemachter Heuchler! Doch er versteht sein Spiel zu spielen, das muß ihm der Neid lassen. Nun, das Heer rückt also auf London vor. Wie unsre Freunde schreiben, sind die Straßen mit Ketten gesperrt, die Miliz rüstet sich mit Musketen und Kanonen zur Verteidigung bis aufs Messer. Heut ist London –

SIDNEY
während der letzten Worte die Thür öffnend.
Genommen. Sidney, Coke und Prynne treten links ein.
MONTAGUE UND MANCHESTER.
Wie, Ihr hier?
PRYNNE.
Ja, wir sind berufen. Wo ist der König?
MANCHESTER.
Noch nicht sichtbar. – Aber, Sidney, was sagtet Ihr? London –
SIDNEY.

Ist genommen. Heut Vormittag sind die Truppen von allen vier Windseiten in Westminster eingerückt mit klingendem Spiel.

MONTAGUE.
Ha und die Miliz –
COKE.

Ist auseinander gelaufen, hihi. Ew. Tapferkeit Mylord Montague, zu dienen: Ein panischer Schrecken befiel [72] ganz London, als die ersten Helme des Leibregiments Cromwell zu Pferd, genannt Eisenseiten, am Horizont sichtbar wurden.

MANCHESTER.
Und das Parlament?
SYDNEY.

Knirschte schweigend ins Joch. Es hat den Generalen Fairfax und Cromwell einstimmig den Dank des Vaterlandes votiert.

MONTAGUE.
Fairfax, diese Puppe in den Händen des furchtbaren Mannes! Cromwell, Du siegst.
MANCHESTER.

Einstimmig! Welche Entwürdigung! Das haben sie erreicht, diese Independenten und Demagogen, diese verruchten Republikaner –

SIDNEY.

Verzeiht, daß ich Euch unterbreche! Wir, mein Freund Prynne und ich, sind Republikaner und keineswegs verrucht.

MANCHESTER
bitter.

Genehmigt meine Abbitte, Sir Algernon! Ja, allerdings, auch Ihr, der Sohn eines Lords, huldigt diesen schwärmerischen Idealen.

SIDNEY.

Ich liebe die Menschheit und die Freiheit, aber ich liebe mein Vaterland mehr. Und darum, weil meine Partei nur Unheil erwartet von der Schreckensherrschaft wüster Schwärmer, darum sitzen wir auf dem linken Flügel der Presbyterianer und stimmen in allen Fragen mit der großen Mittelpartei.

MONTAGUE.
Ich weiß, Ihr seid unsre natürlichen Verbündeten, würdige Freunde. Also nur fest zusammenhalten –
PRYNNE.

Wider den gekrönten Unterdrücker, wie wider den Usurpator. Sie reichen sich die Hände. Horch, ein Trommelwirbel draußen!

MANCHESTER.
Die Wache tritt ins Gewehr. Das muß ein Offizier von hohem Range sein.
[73]
MONTAGUE.
Vielleicht nur unser Gouverneur General Ireton, der gestern Abend verreiste.
SIDNEY.

In der That? Auch Cromwell wurde beim Einzug der Truppen vermißt. Die Thür links öffnet sich, Fairfax tritt ein in Galauniform.

COKE.
Ah, Sr. Exzellenz der Lord-General in eigner Person. Ganz gehorsamster Diener. Alle verbeugen sich.
FAIRFAX.
Gott zum Gruß, Mylords und Gentlemen!Sich umsehend. Ah, noch nicht hier!
MONTAGUE
boshaft.
Ah, Sie suchen gewiß Sr. Majestät, um von Ihrem jüngsten glorreichen Erfolg Rapport zu erstatten?
FAIRFAX
verlegen.
Nein, nicht grade den König, sondern –
MANCHESTER.
Da das freie Parlament, –
COKE
einschaltend.
Durch freie Musketen von jedem Druck befreit, hihi –
MANCHESTER.

Euch seinen Dank votierte, so gestattet auch einem armen Lord und Mitglied des Oberhauses, sich gehorsamst anzuschließen.

FAIRFAX
verlegen.
Nicht doch. Das ganze Verdienst gebührt dem Generalleutnant Cromwell.
MANCHESTER
scharf.
Und die ganze Verantwortlichkeit, – woran Ew. Exzellenz gewiß am meisten liegt.
FAIRFAX
an den Degen fahrend.
Mylord?!
MANCHESTER
ebenso.

Exzellenz?! Die Thür öffnet sich und Ludlow und Bradshaw treten ein. Verlegene Pause. Stumme, kalte Begrüßung.

LUDLOW.

Ich freue mich, Lord-General, Euch zu finden. Mir begegnete auf der Londoner Straße die Deputation des Obersten Graves, die vorgestern vom Lager an Karl Stuart abging.

[74]
FAIRFAX
gespannt.
Was Ihr sagt! Ist die Verhandlung –
LUDLOW.
Wieder gescheitert – zu meinem Bedauern.
SIDNEY
zu Pryune.
Zu seiner Freude, meint er. Jetzt werden sie maßlose Forderungen stellen.
MANCHESTER.
Ich wundre mich, Herr Ludlow, die Retter des Vaterlandes hier zu sehn.
LUDLOW.

Ew. Herrlichkeit wundern sich immer zu viel und werden wohl noch über mehr zu erstaunen lernen. Wir sind auf diese Abendstunde hierhergeladen ins Audienzzimmer Karl Stuarts.

SIDNEY.
Wie auch wir?
COKE.
Zu einer erlauchten Konferenz oder – hihi, es sind ja Heilige unter uns – zu einer Generalsynode.
BRADSHAW.
Von derselben Seite vermutlich?
FAIRFAX.
Wie auch ich, – vom Generalleutnant Cromwell?
MANCHESTER.
Cromwell?!
FAIRFAX.
Ah, Sporenklirren auf der Treppe, das wird er sein.
LUDLOW
öffnet die Thür und ruft enttäuscht.
Bah, es sind nur Lilburn und Harrison! Lilburn und Harrison treten hastig ein.
LILBURN
erbittert.

Nur! Seht doch! Die Zeit wird kommen, wo sich entscheidet, ob die wahren Freunde des Volks das große Wort zu führen haben, oder Ehrgeiz, Verrat und Lüge.

FAIRFAX
mit Ansehn.

Ich muß diese Ausdrücke, wie es scheint in Verbindung gebracht mit einer hochgestellten Persönlichkeit, aufs strengste rügen!

LUDLOW UND BRADSHAW.
Bravo! Hört, hört!
[75]
LILBURN
nachlässig grüßend.

Ah, Ihr' Ehren, Lord-General, ich sah Euch nicht. – Was aber die andern Gentlemen betrifft, die sich hier bemerkbar machen, so werden sie wohl selbst begreifen, daß die Axe sich gedreht hat und ihnen ein beschei dener Ton geziemt gegen die Erwählten des Heeres.

HARRISON.

Siehe, ich verkündige Euch große Freude: Die Heiden sind versunken in die Grube, die sie zugerichtet. Mit Kriegsvolk und reisigem Zeug sind wir gefallen auf die Kananiter. Tausend Seckel Geldes werden ihnen auferlegt als strenge Pön. Denn jetzt kommen die, welche genannt werden »Raubebald« und »Eilebeute«, Jesaias 8, Vers 1. Ach, wie angenehm und lieblich, seine Rüstung anlegen für die Sache des Himmels!

MANCHESTER
zu Fairfax.
Eine solche Sprache duldet Ihr in Eurer Gegenwart?
HARRISON.

Dulden! Ja, wir haben geduldet wie das Opferlamm des Glaubens. Ihr aber seid schlafende Hunde. Leset auf die Brosamen der heiligen Lehre, die ich ausstreuen will!

FAIRFAX.
Ich bitt' Euch, Oberst Harrison, unterlasset diese Predigt!
MANCHESTER.
Er bittet ihn! Nun ist Matthäi am letzten.
LILBURN.

Wir sind hierherberufen, um zum letzten Mal gütlich mit Karl Stuart zu reden. Cromwell, der uns berief, soll aber sich selbst verantworten. Er ist verdächtig. Neulich soll er gesagt haben: »Jetzt, wo ich den König habe, steckt das Parlament in meiner Tasche!« Ich stehe hier im Namen des allgemeinen Ausschusses der Gemeinen und Korporale, und kündige ihm an, daß er das Vertrauen des Heeres gänzlich einbüßt, wenn [76] er noch einen Tag länger im Geheimen mit dem Manne verkehrt.

LUDLOW
feierlich.

Es ist eine verbrecherische Feigheit, einen Abwesenden anzugreifen, der in derselben Stunde sich rüstet, um sein Vaterland von einem fremden Einfall zu befreien.

MANCHESTER.
Wie meint Ihr das?
LUDLOW.

Wisset, die ganze Streitmacht Schottlands steht schon am Humber und verwüstet. Die Häuser haben heut den General Cromwell zum Chef der Nordarmee ernannt und er hat's angenommen. Pause.

MONTAGUE.

Ich teile nicht die politische Gesinnung des Generals, aber zur Verteidigung des Reichs konnte man keinen Besseren wählen. Die Thür rechts wird entriegelt. Ah, der König! Alle entblößen das Haupt, außer Harrison und Lilburn.

ALLE.
Cromwell?! Cromwell und Ireton treten von rechts ein.
HARRISON.
Gegrüßt sei mit den Worten des 41. Psalms: »O Held, gürt' an das Schwert um Deine Hüfte!«
LILBURN.

Ach, dummes Zeug! Seit wann vertritt General Cromwell die Person des Mannes, den sie »König« nennen? Seit wann verschließt er sich mit ihm in sein vertrautes Schlafgemach wie ein Busenfreund seines Herzens und spinnt mit ihm allerlei Anschläge und tritt dann durch die verriegelte Thür, als wäre gar nichts geschehn, unter die achtbaren Männer, die er herbeirief? Berief er sie, um Zeugen zu sein seiner glänzenden Schmach? Alle wenden sich erschrocken von ihm ab.

CROMWELL.

Lilburn, Ihr seid ein dreister Schmäher. Ihr habt – abscheuliche Verleumdungen über mich verbreitet. Doch ich verzeihe Euch.

[77]
LILBURN.

Das ist unnötig. Wenn Ihr wie bisher meine Warnungen in den Wind schlagt, so werd' ich all meinen Einfluß gegen Euch aufbieten. Und dann werden in Eurem Schicksal solche Veränderungen eintreten, wie sie Euch nicht sehr gefallen werden.

MANCHESTER
zu Montague.
Welche Sprache! Muß es dazu kommen, daß wir Cromwell stützen!
MONTAGUE.

Es bleibt nichts anders übrig. Die Sektierer und Republikaner werden sonst übermächtig. Laut. Welche Beschuldigungen gegen einen so verdienten Mann!

LUDLOW.

Den Obersten Lilburn reißt demagogische Wut dahin. Nein, o Cromwell, ich habe Euch unter den Mächtigen Englands als das reinste, von allen persönlichen Absichten freiste Herz erkannt. Ich und meine politischen Freunde stehen zu Dir mit Herz und Hand.

CROMWELL.

Innigen Dank. Ach, was ist der Mensch, daß er sich ein Ziel steckt? Ich hatte Euch berufen, würdige Freunde, um im Geist den Herrn zu suchen und über diese betrübten Händel gemeinsam mit dem König zu verhandeln. Was aber finde ich hier? Der König ist –

ALLE.
Nun?
CROMWELL.
Entflohn!
ALLE.
Entflohn?! Schwere Pause.
IRETON.

Ja, die Majestät ist entflohn. Es muß gegen 9 Uhr gewesen sein. Die Art und Weise kann verschieden angenommen werden. Ich will darüber nur sagen, daß Sr. Majestät zum Abendessen erwartet wurde, wozu ich ihn abzuholen eilte, da ich soeben von kurzer Abwesenheit zurückgekehrt war. Da vermißte ich den König überall und fand endlich nur Sr. Majestät Mantel im Schlafzimmer zurückgelassen. Mich däucht, er wird durch eine [78] geheime Gallerie, die ihm verraten worden, über die Hintertreppe durch das Mauergewölbe nach der Wasserseite entkommen sein. Wir haben natürlich sofort ans Parlament berichtet und auch sonst die nötigen Schritte gethan. Er kann uns schwerlich entrinnen.

HARRISON
hitzig.

Eilet, setzet ihm nach mit Roß und Wagen! Jaget ihm nach von Dan bis Bersaba! Treffet ihn mit der Schärfe des Schwerts, gleich wie Assahol wurde umgebracht von Abner auf dem Weg zum Berge Ammah, welcher vor Giah liegt, unweit der Einöde von Gideon. Greift aus Schwert. Zeichen des Schreckens und des Abscheus unter den Anwesenden.

CROMWELL.
Barbarischer Mann! Bist Du ein Tier der Wüste, daß Du also im Grimme redest?
HARRISON.

Verflucht sei, wer dem Sisera zur Flucht verhalf! Denn es stehet geschrieben: Verflucht sei, wer sein Schwert vom Morde zurückhält!

MANCHESTER.
Vom Mord? Wagst Du vom Mord zu reden wider den Gesalbten des Herrn?
HARRISON.

O fleischlicher Edomit und Amorit! Wanderndes, verirrtes Schaf! Ihr Alle, Ihr vom Zivil, seid Solche, denen das Thun der Heiligen ein Greuel! Wer ist denn dieser Ahasja? Ist er nicht ein elend Geschöpf, entartet in Koth und Staub, so an pestilenzialischen Komödienbüchern unheilig sich ergötzet, vornehmlich an dem Meister aller Unzucht, William Shakespeare genannt? Siehe, es stehet geschrieben –

CROMWELL
ihn streng unterbrechend.

Daß der Oberst nicht kommandieren soll vor seinem Feldhauptmann. Seid unterthan der Obrigkeit, die Gewalt über euch hat, denn solche ist von Gott. Du stehst nicht auf der Kanzel, Thomas Harrison, und ich gebiete Dir wie vor der großen [79] Schlacht von Naseby, als Du vor der Front Deines Regiments mit Deinem Feldprediger zanktest: Horche augenblicks auf mein Kommando! Marsch marsch zur Attake oder das Kriegsgericht! – Willst Du gehorchen oder nicht? Er weist ihn in die Reihe der andern zurück.

HARRISON.
Zu Befehl. Er tritt zurück.
MANCHESTER.
Bravo, das nenn' ich Kriegszucht!
COKE
zu Montague.
Hihi, der ruft zur Ordnung, wie keine Präsidentenschelle.
SIDNEY
zu Prynne.
Ein großer Mann!
PRYNNE.

Die gewaltige Stimme einer tiefen, heroischen Seele! Aber beugen soll er uns doch nicht, denn die gute, alte Sache ist größer als er.

BRADSHAW
spöttisch zu Lilburn.
Nun, Sir, Ihr seid so stumm? Lilburn schaut finster zu Boden.
CROMWELL
der die Versammlung gemustert hat, leise zu Ireton.

Dieser Schleicher da, der Coke, hält immer noch zu Sidney und Prynne. Das giebt zu denken. Er wäre ja zu Ludlow übergegangen, wenn er unsres Sieges sicher wäre.

IRETON
leise.
Der Schlaue wartet offenbar, wie sich im Norden das Waffenglück entscheiden wird.
CROMWELL
grimmig.

Ja, die Schotten sollen mir dies alles bezahlen! Laut, sehr liebenswürdig zu Coke. Herr Generalprokurator, Ihr seid am meisten unter uns gewohnt, amtliche Dokumente öffentlich zu verlesen. Unser gelehrter Freund wird uns daher durch Vortrag des Briefes erfreuen, den Sr. Majestät in höchstihrem Schlafgemach zurückließen und den wir in seine Hände legen. Reicht Coke ein Schreiben.

COKE.

Hihi, das Wohlwollen eines so großen Generals ehrt einen armen Diener des Rechts. Liest. »An die beiden [80] Häuser meines Parlaments. Würdige gestrenge Herrn und Diener! Ich habe in letzter Zeit unter allerlei Einschränkungen und Geringschätzungen zu leiden gehabt.«

IRETON
laut.
Der Lügner! Man hat ihn behandelt wie ein rohes Ei.
CROMWELL.
Zur Ordnung!
COKE
liest.

»Es scheint so, als ob der Gehorsam der Leute gegen ihren rechtmäßigen Gebieter täglich bedeutend nachläßt. Sobald sie indessen zur rechten Gesinnung zurückkehren, werden Wir sogleich durch die Wolke der Zurückgezogenheit hindurchbrechen und uns geneigt zeigen, Vater des Vaterlands zu sein. Womit ich bleibe Euer gütiger König.« Pause. Alle lachen entweder laut oder lächeln.

MANCHESTER
zu Sidney.
Beim Jupiter! Die Majestät muß nicht mehr recht bei Sinnen sein.
LILBURN
ungestüm vortretend.

Was brauchen wir weiter Zeugnis! Wir haben es augenscheinlich mit einem Verrückten zu thun. Nein, Sir, ich dulde keine Unterbrechung bei Verteidigung der alten, guten Sache, als ein freier Sohn dieser Jusel. Mit den Stuarts kann überhaupt nicht mehr verhandelt werden. Gott hat sichtbarlich ihr Herz verhärtet, sie sind ein verloren Geschlecht. Das siegreiche Heer hat jetzo die Verpflichtung, das Land nach seiner ursprünglichen Überzeugung einzurichten. Der Staat muß von Grund aus geändert werden. Alle gläubigen Stimmen flehen zuvörderst die öffentliche Rache herab auf das Haupt jener Delinquenten, die dem Manne dienten. Alle gefallenen Lords sollen ihren thörichten Stolz auf den Block des Henkers beugen, als verfallen dem Kriegsgericht.

MONTAGUE.
Das geht nimmer an. Das Unterhaus hat nicht das Recht, irgend einen Lord zu richten.
[81]
COKE.
Ganz recht, Ew. Herrlichkeit. Hihi, kraft der hochgelobten Magna charta und der Gesetze des Reichs.
MANCHESTER.
Ein Pair kann nur von Pairs gerichtet werden.
LILBURN.

O, daß man es anhören muß, dies spiegelfechtende Sophisteln! Ja, Ihr Lords, ich lebe im Glauben, daß bald der Tag kommen wird, wo wir den größten aller Lords hängen werden, sofern er's verdient – und er verdient es hundertfach! – ohne Seinesgleichen als Jury zu bemühen.

HARRISON.

Am großen Tag im Thale Josafat, wo die Großen gerichtet werden, auf daß ihr Blut diene als Mörtel des neuen Jerusalem. Denn also spricht der Herr Herr –

LILBURN.

Ach laß mich zufrieden mit Deiner fünften Monarchie! Noch warten bis dahin? Ich sage, der Tag wird in Bälde anbrechen, wo wir redliche und feste Richter finden, trotz all Eurer Magna Charta.

MANCHESTER.
Das ist Hochverrat gegen die Kon stitution des Reichs.
LUDLOW.
Sprich Du! Cromwell, Du schläfst?
CROMWELL
gelassen zu Fairfax.
Möchten Ew. Exzellenz als Vorsitzender nicht die ordentliche Verhandlung eröffnen?
FAIRFAX
stehend.

Ich erkläre die Versammlung für eröffnet. Setzt sich Alle setzen sich. Mylords und meine Herren! Ort und Stunde scheinen günstig über die ungesäumte Vorlage eines neuen Vertrages mit Sr. Majestät zu beraten, sobald sein demnächstiger Aufenthalt nach dieser überraschenden Entweidung ausfindig gemacht worden.

LILBURN.

Ich bitte ums Wort. – Keine Zeit und kein Ort ist günstig oder passend, um mit einem so treulosen, unerbittlichen Tyrannen zu unterhandeln. Es wird [82] stets zu früh oder zu spät sein. Wer das Schwert gegen diesen König zückt, muß die Scheide ins Feuer werfen. Der Friede mit ihm würde stets zum Verderben ausschlagen, das heißt zum Verderben der redlichen Leute.

FAIRFAX.

Ihr führt da eine heftige Sprache, Oberst Lilburn, und wegen des Ausdrucks »Tyrann« muß ich Euch zur Ordnung rufen. – Die Herren von der Presbyterianer-Partei werden um ihre Ansicht gebeten.

PRYNNE.

Ich unternehme nicht die Verteidigung des Königs, nein. Aber ich erhebe mich gegen die angeblichen redlichen Leute – als ob wir andern unredlich wären! Diese Redlichen wird der Friede freilich ins Verderben stürzen, denn der Krieg macht ihr Glück.

IRETON
heftig.
Wem gilt das?
HARRISON.
Siehe, ich höre den Lästerer. Man steinige ihn!
CROMWELL.
Ruhe! Und Ihr, Herr Prynne, wägt Eure Worte.
PRYNNE.
Ihr schüchtert mich nicht ein.
MONTAGUE.

Noch mich. Das Volk ist vom Kriege ruiniert. Es will nicht mehr als Nährstoff für das Feuer dienen, in dem diese Salamander allein zu leben wissen.

HARRISON.

Nennest Du uns Salamander, Mylord? Wahrlich ich sage Dir: Du und deinesgleichen, Ihr seid Skorpionen, so man zertreten muß. Und also verkünde ich Euch zum andern mal: Jener hat Euch mit Ruthen gepeitscht, wir aber werden Euch mit Skorpionen züchtigen.

MANCHESTER
aufspringend.
Das wagt der Mensch zu sagen!
HARRISON.

Wagen! Tausend wie Dich, Mylord Graf, fordre ich vor meines Degens Spitze jetzt hier in dieser Zeitlichkeit und dereinst in der großen Schlacht im [83] Thale Armageddon, wo Gott den Weizen sondert von der Spreu.

MANCHESTER.
So spricht er mit mir, dieser unbotmäßige Schwärmer, mit mir, seinem alten General!
IRETON.
Oho, erneuert nicht diese Erinnerung, Mylord, sie erweckt nur unliebsame Erörterungen!
HARRISON.

Siehe, die Söhne Baals rühmen sich ihrer Schande. Wo warest denn Du, wenn die Gottesfürchtigen unter Deinem Befehl die Amalekiter verbannten? Wer war's, der zur Schlacht gezwungen ward am langen Graben von Marston Moor, als Oliver jählings beim Sinken der Sonne den Prinzen Rupert überfiel mit den Schwadronen der Gläubigen? Ha!

IRETON.

Wohl mögen Deine Augen funkeln, Kamerad Harrison, da Du gedenkst jenes Abends. Wo war da der Earl von Manchester? Gezwungen folgte er Cromwells Siegesroß. Und als nun Olivers Racheschwert das ganze Heer des Königs erschlug wo es stand, wer verbot die Verfolgung durch die Mondscheinnacht, auf daß kein Mann mehr entrinne? Der Earl von Manchester. Das war sein Anteil am Siege Oliver Cromwells auf dem Felde von Marston Moor. Manchester will das Schwert ziehn.

CROMWELL.

Ruhe, im Namen Gottes! – Das sind alte Geschichten. Laßt sie ruhn. – Siehe da, auch Sir Algernon Sidney, dieser wackere Jüngling, wünscht uns mit seinem Rate zu erfreuen, wie ich merke.

SIDNEY.

Allerdings. Ich teile ganz die Ansicht der Vorredner, der ehrenwerten Mitglieder meiner Partei. Das Volk von England ist des Heeres satt und seiner Überhebung. Es will die Blutigel, welche sich Streiter Gottes nennen und die das Volk doch nur in seinem Dienst anzuwenden beliebte, nicht mehr als seine Herren mit seinem [84] Blut und Marke füttern. Das Volk ist frei und mag keine Knechtschaft mit einer neuen vertauschen. Cromwell beschwichtigt die drohenden Offiziere.

LUDLOW.

Redensarten! Ihr Herren Presbyterianer wollt die Vertreter der wahren Freiheit unterdrücken, das ist Euch die Hauptsache. Allein, heut werden wir erfahren, wer unsre Freunde und wer unsre Feinde sind.

BRADSHAW.

Ja, um deutlicher zu sprechen: Wir werden sehn, wer der Partei des Königs und wer der des Volkes angehört.

COKE.

Hihi, gestatte diese würdige Versammlung auch einem unwürdigen Diener des Gesetzes etwelche bescheidene Wörtlein. Herr Sprecher! – wollte sagen, Herr General! – ein ehrenwerter Redner hat uns in zwei Parteien geteilt. So hoffe auch ich – hihi – das Recht zu haben, ein Gleiches zu thun. Ja, Herr Sprecher, es giebt Leute, die den Frieden wollen, und zwar diejenigen, welche durch den Krieg verloren haben. Es giebt auch solche, die den Frieden verwerfen, und zwar die, welche durch den Krieg gewonnen haben. Hihi! Ich erlaube mir daher vorzuschlagen, daß die Gewinner die Verlierer für ihre Verluste entschädigen. So werden wir – hihi – alle wieder auf gleichen Fuß kommen, denn sonst – hihi – werden wir nie das Ende dieses Wirrwars sehn.

ALLE
mit verschiedenem Ausdruck lachend.
Haha! Hört, hört!
SIDNEY.
Brav gesprochen, alter Coke!
CROMWELL
beiseit zu Ireton.
Das von diesem feigen Manteldreher? Sie müssen sich sehr stark fühlen.
MONTAGUE.

Die Herren Independenten schmeicheln sich nur, daß die Annäherung ihres Heeres uns vor Furcht erstarren mache. Aber wir lassen uns nicht durch diesen Kunstgriff täuschen, wir werden in London selbst mit dem Monarchen unterhandeln.

[85]
LUDLOW.

So? Und wer garantiert Euch denn, daß London selbst nicht auf eigne Faust mit diesem Wüterich Frieden schließt über Eure Köpfe weg, ja um den Preis Eurer Köpfe?

MANCHESTER.
Wie meint Ihr das?
BRADSHAW.
Indem man ihm die Häupter des Parlaments zum Opfer bietet.
CROMWELL.

Also geschah es, da die Samaritaner die siebenzig Söhne Ahabs dem Jehu überlieferten. Weislich gesprochen!

IRETON.
Man höre auf die Stimme des Weisen! Welche Bürgschaft giebt Euch überhaupt das Wort des Königs?
LUDLOW.
Er hat zwanzig Meineide geschworen.
BRADSHAW.
Ihr dürft Euch nicht auf ihn verlassen.
SIDNEY.

Ich bin ganz entgegengesetzter Ansicht. Nicht nur glaube ich, daß wir Karl Vertrauen schenken dürfen, sondern auch, daß wir gar nicht anders können.

MEHRERE.
Wie das? Oho!
SIDNEY.

Wenn Ihr nicht wißt, in welcher Lage Ihr Euch befindet, so gestattet mir, Euch in wenigen Worten aufzuklären. Euer Geld ist alle, die Flotte in Empörung, das Parlament verachtet. Unsre früheren Freunde, die Schotten, zürnen uns bitter und brechen soeben mit einem großen Heere über unsre Grenze. Die Neigung Londons und des Reichs hat sich vom Parlament und Heere abgewandt.

IRETON UND LUDLOW.
Oho!
CROMWELL.
Laßt ihn reden! – Schluß?
SIDNEY.

Nun, ich überlasse Euch selbst zu beurteilen, ob dies ein sicherer Zustand sei. Es scheint vielmehr höchste Zeit, alles aufzubieten, um uns aus solchen Schlingen zu befreien. Pause.

[86]
CROMWELL
ruhig.

Die Schotten lasset aus dem Spiel! Die gehören mir. Euer demütiger Diener Oliver Cromwell empfing, wie Ihr wisset, von den beiden hohen Häusern die Weisung, allsogleich wider den Reichsfeind aufzubrechen und ihn aus dem Lande zu jagen, wozu mit Gottes Hilfe ich entschlossen bin. Das ist mein Amt. Das Eure, den inneren Feinden nachzuspüren. Pause. Alle verbeugen sich. Wie ich merke, will mein würdiger Freund, Prynne der Schriftsteller, seinen Gefühlen Luft machen. Schütte unser altbewährter Märtyrer der Freiheit sein Herz aus in den Busen teilnehmender Brüder!

PRYNNE
steht auf.

Ich danke dem sehr glorreichen und ehrwürdigen General für seine Teilnahme und werde, also ermutigt, nicht hinterm Berge halten. – Herr Sprecher .. ich meine, Herr General .. man weiß, daß ich für den Frieden reden will und schon beschuldigt man mich der Abtrünnigkeit, mich, der vor Jahren den schwersten Kampf gegen die Tyrannei des Hofes bestand. Ja, man nennt mich einen königlichen Günstling.

MANCHESTER.
Schändlich!
SIDNEY.
Tapfrer Held der Feder, der für unser aller Freiheit gelitten!
PRYNNE.

Ich will Euch nochmals erzählen, welche Gunst ich je vom König erhalten habe. Er hat mir zweimal aufs Unmenschlichste die Ohren kürzen lassen und mich dreimal an den Pranger gestellt. Meine Werke hat er vor meinen Augen durch Henkershand verbrennen lassen und mir armem Manne zweimal unerhörte Geldstrafen, je 5000 Pfund Sterling, auferlegt. Acht Jahre hat er mich eingekerkert. Dort mußte ich schmachten ohne Freunde und Bücher und Feder und Tinte, zuweilen wurden mir die notwendigsten Nahrungsmittel vorenthalten. Nun, wenn [87] mich irgendwer um solche Zeichen königlicher Gunst beneidet, so will ich glauben, daß man mich mit Grund als Apostat behandelt. Ist da irgendwer? Tiefe Bewegung der Anwesenden.

LUDLOW.
Niemand, niemand! – Schändlicher Despot!
LILBURN.
Nieder mit dem Menschenschinder!
HARRISON.
Nieder mit dem Gottverfluchten!
PRYNNE.

Nun wohl, meine Herren, und dennoch mahne ich zum Frieden. Herr Sprecher .. um Verzeihung, Herr General .. man giebt vor, daß wir vom Parlament verloren seien, wenn wir das Heer mißvergnügt machen. Allerdings haben die Feldherrn kürzlich verlauten lassen, sie würden die Waffen niederlegen und dem Parlament nicht länger dienen, falls wir auf unsrer Ansicht beharrten.

FAIRFAX.
Hm, hm .. nicht so ganz.
CROMWELL
trocken.
Vielleicht doch. – Fahret fort, Herr Prynne.
PRYNNE.

Da fragen denn Kleinmütige wohl: Was wird aus uns werden, wenn unsre Kämpen uns schutzlos unsrem Schicksal überlassen? Nun, verhielte sich das so und müßte es so kommen, so gestehe ich offen, daß ich wenig auf den Schutz so unbeständiger und meuterischer Diener gebe. Was könnte uns daran gelegen sein? Doch ich zweifle nicht, daß Gott und das Königreich für uns streiten werden, wenn das Heer von uns abfällt. Und werden wir das Heer noch sonderlich nötig haben, falls wir uns mit dem König verständigen können?

IRETON
die Faust ballend.
Verräter!
PRYNNE.

Verräter Du selbst! Hoffentlich bedürfen wir eurer Unterdrückung nicht länger. Kommt der Vertrag zu stande, ich wiederhole es, so seht zu, wo ihr bleibet. [88] Sei's wie es sei, fiat iustitia, pereat mundus! Wir werden unsre Pflicht thun und den Ausgang Gott überlassen.

DIE PRESBYTERIANER.
Heil Prynne! Hört ihn, hört ihn!
LILBURN.
Schwachköpfiger, kleinmütiger Faselhans! Statt Rache predigt er Unterwerfung!
HARRISON
feierlich.

Unser Bruder ist vom Glauben abgefallen. Wehe! Und dreimal Wehe über ihn!Alle reden heftig durcheinander.

CROMWELL.

Ireton, komm her! Ein Wort mit Dir! – Dieser gute Mann, der Prynne – Du liebe Zeit, ein gelehrtes Haupt, aber hitzig! – muß beseitigt werden, auf daß er nicht etwa Schaden thue. Solltest Du daher (Was Gott verhüte!) im Dienst des gemeinen Wohls jene Säuberung des Parlaments für nötig erachten, von welcher Du mir gesprochen ..

IRETON
lächelt, ihn ansehend.
Ich verstehe.
CROMWELL.

Was verstehst Du? Was giebt's da zu verstehen? – Gott ist mein Zeuge, daß ich von dem, was sich da in meiner Abwesenheit vorbereitet, nichts wissen mag. Versteh' mich wohl! Ist das große Werk einmal ausgeführt, so freue ich mich darüber und bin wohl damit einverstanden und alsdann muß es aufrecht erhalten werden.

IRETON.

Ich begreife vollständig. Und Prynne, nicht wahr, soll mit auf die Liste der 130 Unterhaus-Mitglieder kommen, die wir als ungesunde Stoffe ausscheiden wollen?

CROMWELL.

Ich, mein Freund, ich rate nur. Thu Du, was der Geist Dir befehlen wird. Es klopft draußen stark. Poch, poch! Was giebts da? Alle horchen.

JOYCE'S STIMMME draußen. Botschaft an General Fairfax!

[89]
FAIRFAX.
Eintreten! Joyce tritt ein. Es ist der ehrliche Joyce!
JOYCE
ihm ein Papier überreichend.

An Sr. Exzellenz den Obergeneral vom Generalrat der Armee zur schleunigsten Überbringung. Stellt sich den andern vor. Rittmeister Joyce vom Regiment Fairfax!

MONTAGUE.
Jaja, kennen wir.
COKE.
Damals Fähnrich, heut Rittmeister – hinc illae lacrymae!
FAIRFAX
das Papier lesend.

Nein, das übersteigt alle Begriffe! Das Heer faßt über unsern Kopf Beschlüsse? – Wie, Rittmeister, und dieses Schriftstück ist wirklich schon an's Parlament abgegangen?

JOYCE.
Zu Befehl, heut. Wird diesen Abend zur Beratung im Haus der Gemeinen vorgelegt.
CROMWELL.
Ei ei, was hör ich!
JOYCE
salutiert.
Zu Befehl. »Ergebenste, aber einmütige Vorstellung dieses armen Heeres.«
CROMWELL.
Gerichtet wider die Gottlosen! Sehr löblich! – Laßt hören, Exzellenz, was unsre Heiligen fordern.
FAIRFAX.

Ihr werdet Euch wundern. Liest. Zuvörderst verlangen sie, alle Verhandlungen mit dem König seien als unnütz und schädlich sofort abzubrechen.

MONTAGUE.
Warum nicht gar!
FAIRFAX.
Der König dürfe überhaupt nicht mehr zur Regierung gelangen, sondern müsse – hm –
ALLE.
Nun?
FAIRFAX.
Vor Gericht gestellt werden.
MANCHESTER.
Vor Gericht?!
HARRISON.
Der Herr hat ihn verworfen und stürzet ihn von seinem Gestühle.
[90]
LILBURN.
Das nenn' ich gesprochen wie Männer.
LUDLOW.
Wie freie Männer!
FAIRFAX
liest.

»Artikel 2.« Aber nein, lieber Cromwell, lest Ihr. Ich traue meinen Augen nicht mehr.Reicht ihm das Papier.

CROMWELL
liest mit lauter, kräftiger Stimme.

»Des Königs Söhne sollen aufgefordert werden, sich dem Parlament zu stellen. Erscheinen sie nicht, so sind sie der Thronfolge verlustig zu erklären und unberechtigt zur Regierung. Die Krongüter sind sämmtlich einzuziehn.«

COKE.

Hihi, das letztere ist die Hauptsache. Immer ein schlaues Auge auf die Dinge dieser Welt – hihi, das nenn' ich echte Gottseligkeit.

PRYNNE.
Meiner Treu, die Burschen werden üppiger mit jedem Tag.
HARRISON.

Die Krongüter – herrlich gedacht! Den Gläubigen gehört die Beute ihres Bogens und Speers. Wer hat dieses gottesfürchtige Traktätlein aufgesetzet?

JOYCE.

Zu Diensten, Ew. Ehren – sintemal es kein Geheimnis ist – Kaplan Peters, Feldprediger im Leibregiment Cromwell.

HARRISON
begeistert.

Der Peters ist ein großer Heiliger. – O fahre fort, Richter Israels, in dieser erbaulichen Ergießung!

CROMWELL
zu Joyce.

Was gaffest Du noch, mein Sohn, wie die müßigen Buben, so da Maulaffen feilhalten auf den Gassen Askalons? Abtreten!

JOYCE.
Zu Befehl. Ab.
CROMWELL.

Also Artikel drei: »Alle Urheber des letzten Kriegs sind ebenfalls vor's Kriegsgericht zu stellen, nur die gemeinen Soldaten zu begnadigen.«

MANCHESTER.
Das wird ja immer besser!
[91]
CROMWELL.

»Artikel vier: Der rückständige Sold soll den Truppen ausgezahlt und der Sold fernerhin regelmäßig entrichtet werden.«

SIDNEY
lacht.

Jawohl, bis zum jüngsten Gericht! Ein stehendes Heer von Erzengeln in Permanenz auf Kosten des Staatssäckels!

COKE
lacht.
Hihi, da guckt der Pferdefuß vor – es ist eine Erbauung!
HARRISON
furchtbar.

Lachest Du, Wurm, in Deinem fleischlichen Sinn über die Gerechtigkeit der Kinder Gottes? Wahrlich, ich sage Dir –

CROMWELL
barsch.

Ich habe Dir schon verkündigt, Harrison, Du sollst das Predigen unterlassen, wo Zeit und Ort es nicht gebeut. Still! – »Fünftens und letztens: Das gegenwärtige Parlament entspricht weder der Stimmung des Volkes noch der Lage des Staats. Drum sollen neue freie Wahlen ausgeschrieben werden.«

SIDNEY.
Aha, das ist der Hauptschlag!
CROMWELL.

Still, hört zu Ende! »Niemand darf gewählt werden, der die vorstehenden Wünsche dieses armen Heeres nicht vorher angenommen hat. Nur so wird dies arme Land zu einem dauerhaften Frieden gelangen und ferneres Blutvergießen verhütet werden.« Er reicht das Papier an Fairfax zurück.

MONTAGUE.
Das ist unerhört!
PRYNNE.
Freie Wahlen! Der Wolf, dem das Lamm das Wasser trübt!
SIDNEY.
Freie Wahlen! – Kurz und gut, jede dieser Bedingungen muß –
LILBURN
ungestüm.

Angenommen werden. Machen wir endlich ein Ende! Ja, meine Herren, Bedlam ist für die Narren bereitet und Tophet für die Könige. Jesaias 30 –

[92]
HARRISON
nickt.
Vers 33. Sehr erbaulich.
LILBURN.

Der Unsrige – ich meine den sogenannten König – hat sich jüngst so betragen, als sei das Narrenhaus für ihn der einzig geeignete Aufenthalt. Ich trage daher darauf an, daß sich niemand mehr in Zukunft an ihn wende, sondern daß man die öffentlichen Angelegenheiten ganz ohne seine Mitwirkung besorge.

LUDLOW.

Ganz recht. Es gilt mir gleich, welche Regierungsform man festsetzt, sobald es darin nur weder Könige noch Teufel giebt.

MANCHESTER UND MONTAGUE.
Zu Fairfax. Zur Ordnung!
FAIRFAX.
Ich muß rügen –
IRETON
ihn unterbrechend.

Der König hat seinem Volke Schutz und Sicherheit verweigert, indem er die Vorschläge der hohen Häuser verwarf. Wir schulden ihm nur so lange Gehorsam, als er uns beschützt.

COKE.
Hihi, der edle Herr hat seine eigne Lesart der Gesetze.
MANCHESTER.
Das sind demagogische Irrlehren.
BRADSHAW.

Im Gegenteil, das ist das wahre Recht, kein römisches Jus, aber gut englisch. Wenn der vereidigte Schirmherr der Gesetze uns seinen Schutz versagt, ist es an uns, ihm den Gehorsam aufzukündigen.

LUDLOW.
Und ohne ihn den Staat zu ordnen.
SIDNEY.

Meine Herren, meine Herren, bedenkt, was Ihr sagt. Erwägt die Sachlage mit Redlichkeit. Wenn wir das Ansinnen der Herren Independenten annehmen, so heißt dies, soweit es von uns abhängt, das Parlament auflösen.

LUDLOW.
Wie das?
SIDNEY.

Sehr einfach. Weigern sich die Könige, unsre Petitionen und Adressen anzuhören, so involviert dies nach [93] der Konstitution die unverkennbarste Verletzung aller parlamentarischen Prärogative. Mein gelehrter Freund hier Auf Coke deutend. wird dies bestätigen.

COKE.

Hihi, natürlich. De facto ist dadurch das hohe Haus bereits aufgelöst, ohne daß seine Auflösung de jure ausgesprochen.

SIDNEY.

Sehr gut. Aber auch, indem wir beschließen, ferner keine Botschaften des Königs zu empfangen und ihm keine mehr zuzusenden – was thun wir anders, als dadurch erklären, daß wir überhaupt kein Parlament mehr sind?

LUDLOW.
Und so sprichst Du, Algernon Sidney, der Du Dich einen Republikaner nennst?
SIDNEY.

So thu ich, aber hoffe dabei ein Staatsmann zu bleiben. – Jawohl, was lächelt der General Cromwell? – Die Zeit ist für solche Ideen noch nicht reif.

HARRISON.
Siehe, die Saat ist reif und unsre Sicheln werden brav mähen auf dem Felde der Gottlosen.
LILBURN.

Der Tag des Gerichtes ist näher als Du denkst, blaublütiger Lordssohn. Nicht in Deinem Cicero und Demosthenes steckt die Republik, sondern in den Piken und Musketen der Volksarmee.

MANCHESTER
erhebt sich.
Ich kann dies nicht länger hören.
MONTAGUE
ebenso.
Noch ich.
PRYNNE.
Und Ihr, Oliver Cromwell, Ihr schweigt zu allem?
COKE.
Hihi, befragen wir das Orakel!
CROMWELL
erhebt sich plötzlich und spricht scharf und bestimmt.

Herr Vorsitzender und Ihr andern dieser erleuchteten Versammlung, sofern Ihr Gott vor Augen und im Herzen habt! Erhebet Eure Herzen zu Ihm und verbannet alle Menschenfurcht!

[94]
HARRISON.
Lang lebe, Du Sproß vom Stamme Isais! Verderben über Saul! Mag seine Stelle wüste werden!
LUDLOW.
Sprich uns vom König! Du kennst ihn genau.
CROMWELL.

Der König, Ihr Herren, ist ein Mann von vielem Geist, von nicht gewöhnlichen Gaben, aber so versteckt, so falsch und verräterisch, daß ihm niemand trauen kann. Ja, ich wage zu sagen, daß es gar nicht möglich ist, ihm je zu trauen.

LUDLOW
bedeutungsvoll.
Du mußt's wohl wissen, General.
SIDNEY.
Solltest Du besondre Erfahrungen gesammelt haben?
CROMWELL
ruhig.

Die, welche Ihr alle kennt, genügen mir. – Während er uns seine Friedensliebe versichert, unterhandelt er insgeheim mit den Schotten, um die Nation in einen neuen Krieg mit unsern Nachbarn zu verwickeln.

LILBURN.
Landesverräter!
IRETON.
Zweifelloser Hochverrat!
MANCHESTER.
Wie man's nimmt. Ist dies verbürgt?
CROMWELL.

Ich habe die Beweise in Händen. Alle royalistischen Aufstände der letzten Zeit nährt der König; ja er muntert sogar Lord Ormond auf, den Bürgerkrieg in Irland auf's neue zu entfesseln.

SIDNEY.
Den er öffentlich abschwört?
PRYNNE.
Ja, mein junger Freund, das sieht ihm ähnlich.
CROMWELL.

Nun wohl, die Stunde ist erschienen, wo es allein beim Parlament steht, dies arme Land zu retten und zu regieren. Mit demselben Mut, mit derselben [95] Treue werden Euch die Männer wiederum verteidigen, die Euch einst mit ihrem Blut gegen so viele Gefahren geschützt.

HARRISON.

Wider Eglon, den Moabiterkönig, wider die Kananiter, Jebusiter, Amalekiter und die Söhne Midians. Denn siehe, der Richter Israels, Oliver Cromwell mit seinem fleischlichen Namen, zog einher vom Gebirge Ephraim und kam über sie mit Roß und Wagen, auf daß er die Heiden ausrotte vor dem Angesichte Jehovas.

CROMWELL.

Schweig, Harrison. Wie oft gebot ich Dir, auf der Erde zu wandeln, wo es irdische Dinge gilt! Geh nicht spazieren im neuen Jerusalem, wenn der alte, böse Feind die Anbeter Baals zu listigen Tücken reizt! Er sieht die Presbyterianer drohend an.

MANCHESTER.
Nennest Du uns Anbeter Baals? Giebst Du uns schimpfliche Titel?
CROMWELL.

O weh, o weh! Die alte Schlange ist immer noch mächtig in mir. Jawohl sollten wir friedfertig zusammenleben auf diesem armen Sitze irdischer Sünde und Sorge. Lasset uns nicht heftig eifern und hadern, wir alle, die wir berufen sind, die Hand an den Pflug zu legen. Ich demütige mich vor Euch, meine Brüder! Es thut meiner armen, hungrigen Seele wehe, die Ergießungen zurückzuhalten, welche dieser sündige Fall erfordert. Gern schöpfte ich einen Labetrunk aus dem Strome, so am Wege fließet, indem wir den gesegneten Augenblick ergriffen, wo so viele ehrwürdige und gelehrte Männer guten Rates pflegen, um den Text auszulegen in den Worten der Schrift: »Selig sind die Friedfertigen!« – Ach, wir alle sind nur gebrechliche Geschöpfe, deren Odem in ihrer Nase ist und die gar bald zur Abrechnung berufen werden. Doch, um zu den Dingen dieser Welt zu kommen:Er verändert [96] plötzlich den Predigerton und reckt sich empor. Hütet Euch, in den Streitern des Allerhöchsten den bösen Glauben zu erwecken, daß sie verraten seien – ja, verraten und der Wut des Pharao ausgeliefert und preisgegeben, den sie besiegt mit dem Schwerte Gideons!

PRYNNE.
Wenn nur kein schlimmerer Pharao uns selber ans Messer liefert!
CROMWELL.

Ganz recht, mein vortrefflichster Sir. Ein schlimmerer Pharao, weissagt der würdige Mann. Ja, das mag er wohl sagen. Jener alte Pharao, so da thronet in der Hölle und in den Herzen der armen Sterblichen – der Geist des Unmuts und des Zweifels und der Zwietracht. Dieser Pharao, – Bruder Harrison wird ihn bei Namen kennen –

HARRISON
feierlich.
Satan.
CROMWELL.

Satan. So ist's. Dieser schlimmere Pharao, Ihr guten Leute, wohnt in Euren eignen Seelen. Darob vernachlässigt Ihr Eure eigene Sicherheit und wachet nicht länger über der dieses armen Volkes, welche doch auch die unsrige ist. Satan verblendet Eure Augen, so daß Ihr dies gottselige Heer der Gläubigen hinausstoßen möchtet in die Wüste als Sündenbock. Aber wahrlich, ich sage Euch: Dies wird nicht geschehn. Denn also spricht der Herr Herr: »Ich will meine Gnade lassen leuchten über Dir ewiglich.« Und also zum andern mal: »Ich habe einen Bund gemacht mit Dir.«

SIDNEY.
Mit Dir persönlich, wie?
HARRISON
finster.
Soll ich diesen Sohn Jehus nicht unter die fünfte Rippe schlagen?
CROMWELL.

Nimm es hin als eine Prüfung, liebreich! – Ja, Du törichter Jüngling, ja, Ihr Lauen und Zweifler, fürchtet, fürchtet, daß die Verzweiflung uns treiben [97] könnte, unsre Rettung darin zu suchen, daß wir Euch verlassen, Euch, die Ihr Euch selbst verlassen würdet. Ich zittre, ja ich zittere es zu sagen und überlasse Euch allein zu beurteilen, wie verderblich Euch ein solcher Entschluß sein müßte.

SIDNEY.
Nur noch ein Wort: Mit welchem Recht, kraft welcher Vollmacht handelt dies »arme Heer«?
CROMWELL.

Kraft des Gesetzes der Notwendigkeit. Wahrlich, kraft der Macht des Schwertes. Er legt die Hand an den Degen und setzt sich. Tiefe Stille.

MANCHESTER
verbeugt sich.

Wir werden die Willensäußerung des sehr ehrenwerten Generalleutnants gewiß dem Parlament, insonderheit unsrer Partei, nicht vorenthalten. – Nicht so, Mylord Montague?

MONTAGUE.

Ganz der Meinung Ew. Herrlichkeit. Fürs erste haben wir wohl nichts weiter zu unterhandeln. – Nicht so, Mr. Prynne?

PRYNNE.

Diese »ergebenste Vorstellung« des »armen Heeres« raubt uns ohnehin jede weitere Entschlußfähigkeit. – Was meint der Herr Generalprokurator?

COKE.
Hihi, ich meine gar nichts.
SIDNEY.

Ich aber meine, daß uns nach dieser salbungsvollen Warnung oder auch Drohung des Generals Cromwell gar nichts übrig bleibt, als die Unterredung abzubrechen und mit unsern Parteigenossen umgehend zu beraten.

MANCHESTER.

Der sehr ehrenwerte Algernon Sidney hat unser aller Ansicht formuliert. Ich habe die Ehre, mich Ew. Exzellenz und dieser hohen Versammlung zu empfehlen. Manchester, Montague, Prynne, Coke und Sidney verbeugen sich stumm und gehen ab.

CROMWELL.
Der Segen Gottes geleite Euch!
[98]
LUDLOW.
Alles abgekartet Spiel!
FAIRFAX.
Mit Sr. Majestät, meint Ihr?
LUDLOW.
Ich versichere Euch, es ist so.
FAIRFAX.

Ihr meint, es sei im Werke, die Sache zu verraten, für die so viel Blut – ach, allzu viel Blut – geflossen ist?

LUDLOW.
Man will um jeden Preis Frieden schließen.
BRADSHAW.
Man wird dem Jerobeam nach seiner Flucht nur mildere Bedingungen vorschreiben.
FAIRFAX.
Hm, und wenn der König nun die Bedingungen hält? Alle lachen.
BRADSHAW.
Pah, das glaubt Ihr selbst nicht, General.
LILBURN.
Der und halten, was er verspricht! Geschehen Zeichen und Wunder?
LUDLOW.

Es wär' das erste mal! Er wird einfach die Ausflucht wählen, daß er als Gefangener sich nicht gebunden achte, erzwungene Bedingungen auszuführen. Was meint Ihr, General Cromwell?

CROMWELL
salbungsvoll.

Nach meinen Erfahrungen mit diesem sündigen Manne – wann wird er wandeln auf dem schmalen Pfad des Rechts? Trocken, scharf. Übrigens ist das alles müßiges Gerede. Selbst die, so am meisten zum Unterhandeln drängen, kümmern sich gar wenig darum, den Ahab zur Erfüllung seiner Pflicht zu nötigen.

FAIRFAX.
Und worauf zielen sie also hin?
CROMWELL.

Ihr einziger Zweck ist – – doch warum sollte ich der Einsicht erleuchteter Heiligen vorgreifen? Vielleicht irre ich in meiner schwachen Vernunft. Was dünket Euch, Bruder Harrison?

HARRISON.

Siehe, die Söhne der Finsternis thaten sich zusammen und berieten, wie sie die Kinder Gottes vertilgen möchten. Und siehe, da erkannten sie in Ahab [99] und seinem unheiligen Ruhm vor den Menschen ein erkorenes Werkzeug Belzebubs.

CROMWELL.

O Bruder, Du hast, vom Geiste getrieben, eine klare Leuchte aufgesteckt in unsrer Nacht des Zweifels. Sprich Du, mein Sohn Ireton!

IRETON.

Um die fromme Weissagung Kamerad Harrisons in meine schlichte Einfalt zu übersetzen: Das Parlament will weiter nichts, als des Königs Namen und Ansehn zur Vernichtung des Heeres benutzen.

CROMWELL.

Derb und offen sprach unser Freund. Siehe, so spricht die Zunge der Wahrheit derer, so da wandeln in den Wegen des Lichts. Meine demütige Ansicht ist nun die: Er erhebt sich plötzlich und legt die Hand aus Schwert, mit kurzem, befehlendem Ton. Das Heer hat die Macht erkämpft, es muß sich derselben bedienen, um sein Verderben und das der Nation zugleich abzuwenden. Setzt sich. Zustimmende Bewegung.

IRETON.
Das war ein Wort!
HARRISON.
Beim Heere ruht alle Gewalt, so von Gott ist. Zeuch das Schwert, Du Richter Israels!
FAIRFAX.

Hm, ich gestehe zu, Freund, daß Ihr die Wahrheit sprecht. Und im Notfalle, – wohlverstanden, im Notfall – bin ich ja bereit, für das Wohl des Staates die mir untergebene Macht zu gebrauchen. Doch – hm – ich muß klar und positiv dazu aufgefordert werden.

LUDLOW.
Von wem?
FAIRFAX.
Nun, von – irgend einer gesetzgebenden Gewalt, ordnungsgemäß. Murren.
LILBURN.

Gesetzgebende Gewalt? Wir sind das Gesetz. Die Euch untergebene Macht? Wer untergab sie Euch? Wir – Cromwell da!

IRETON.
Ordnungsgemäß? Wo ist denn Ordnung?
[100]
LUDLOW.
Nein, dies genügt nicht.
BRADSHAW.
Ihr seid lau im Eifer, Lord-General.
HARRISON.
Die Lauen sind dem Herrn ein Greuel und Scheuel. Er speiet sie aus von seinem Munde.
LILBURN
aufspringend.
Was soll uns alles das! Die große Stunde ist da.
LUDLOW.
Die Gemeinen von England müssen sich als souveräne Gewalt erklären.
BRADSHAW.
Ja wohl. Da habt Ihr dann Eure gesetzgebende Gewalt, Sir Fairfax.
LILBURN.
Wo sind die verheißenen Reformen, he? Warum griff das Volk zu den Waffen für das Parlament?
HARRISON.

Volk Englands, sammle Dich zu Deinen Gezelten! Siehe, die Posaune bläset vom Gebirge her. Nieder mit Pharao und seinem Pompe!

LILBURN.

Wozu nützt ein König? Wozu nützen Lords? Das sind menschliche Erfindungen, eitle Eitelkeiten. Gott hat uns alle gleich gemacht. Jawohl, Sir Fairfax, ich sag's Euch in den Bart. Tausende von redlichen Leuten werden ihr Blut vergießen für diesen Grundsatz. Morgen wird dem Unterhaus meine große Petition überreicht. Ich habe 40 000 Unterschriften.

IRETON.
Pah, 5000 Pferde würden mehr Eindruck machen.
HARRISON.
Das Rüstzeug Zebaoths nahe sich mit Roß und Reisigen und Wagen!
FAIRFAX
erhebt sich.

Meine Herren, meine Herren, ich darf dies nicht länger hören. Noch ist der König der König, noch bin ich sein General .. für das Parlament.

LUDLOW
zu Bradshaw.
Ein Verdächtiger.
BRADSHAW.
Cromwell – warum schweigt Cromwell?
IRETON.
Der Weiseste zögert mit seiner Stimme?
[101]
LUDLOW.
Sprich Dich aus wie ein Mann!
HARRISON.

Thu Dich hervor, Du Rüstzeug Zebaoths! Warum fesselt der Herr Deine Zunge? Siehe, lieblich tönen die Worte des Propheten.

FAIRFAX.
In der That, Generalleutnant, Ihr würdet uns einen Dienst leisten .. aller Augen schauen auf Euch.
CROMWELL
ruhig, sitzenbleibend.
Da mein Vorgesetzter befiehlt, so spreche ich nach meiner demütigen Einsicht.
LUDLOW UND BRADSHAW.
Hört, hört!
HARRISON.
Lauschet, ihr zwölf Stämme! Siehe, der Löwe Judas schreitet herfür und erhebt seine Stimme.
CROMWELL
trocken, kurz.

Der Augenblick ist noch nicht gekommen. Man lasse die Verhandlungen ihren Fortgang nehmen, man lasse die Frucht reifen. Die Gefahr muß erst offen zu Tage treten, deulich für Jedermanns Blick. Dann gilt es handeln. Ein jegliches hat seine Zeit und jedes Vornehmen unter dem Himmel seine Stunde. Pause.

LUDLOW.
Ich beuge mich.
IRETON.
Das entscheidet.
HARRISON.
Wer wollte widerstreben? Es geschehe, was der Herr ihm eingiebt!
FAIRFAX
aufatmend.

Generalleutnant Cromwell, Ihr fandet wieder das rechte Wort. Selbst unser widerspänstiger Freund Lilburn beugt sich Eurer höheren Einsicht.

LILBURN.
Nicht ich! Wer sagt das? Nein und nochmals nein!
CROMWELL.
O mein Bruder, fahre so fort! Einst kommt wohl auch Dein Tag von Damaskus!
FAIRFAX.
Die Versammlung ist aufgehoben. Niemand hört auf ihn.
LILBURN
zu Cromwell.
Und ich schlage doch los, ich!
[102]
CROMWELL
mit donnernder Stimme.

Zu meinen Füßen, Drache! Denn ich bin der, so auf dem Stuhle sitzet! – Kommissar-General Ireton, Oberst Lilburn ist Euer Gefangener! Er ist ein Empörer wider das Kriegsgesetz und weigert den Gehorsam. – Oberst Harrison, folgt mir! Ich werde mich den Unzufriedenen stellen und ihre Rädelsführer in Gewahrsam bringen. Schweigt, Lilburn! Wen der Herr lieb hat, den züchtiget er. – Kommt, meine Brüder, lasset uns eine Erbauungsstunde halten und im Gebete ringen nach Erforschung des göttlichen Willens! Dieses arme Heer wird inne werden: Wer sich erhöhet, der soll erniedrigt werden! Wer aber sich erniedrigt, der soll erhöhet werden. Die Zukunft Englands gehört weder der Krone noch den Lords. Es wird eine Zeit kommen, wo es weder König noch Lords in England giebt. – Den Schotten soll es nicht glücken, ihr hierarchisches System uns Engländern aufzudringen. Ich werde das Schwert gegen sie ziehen. Siehe, es ist gegürtet um meine Lende. Siehe, es dürstet danach, sie zu vertilgen mit seiner Schärfe. Wie, sind wir nicht noch dieselben, wie bei Edgehill, Naseby und Marston Moor? Wie Stoppeln waren sie vor unserm Schwert. Vorwärts! Schon morgen brechen wir auf gen Norden wider die Feinde Gottes! Der Herr hat sie in unsre Hände gegeben. Lasset uns beten! Betet und reitet schnell und schüttet frisch Pulver auf die Pfanne! Amen. Sela. Gott will es, ihm allein die Ehre! Er geht rasch ab, mit königlicher Haltung. Alle folgen begeistert.

FAIRFAX
sich erhebend, kleinlaut.
Die Versammlung ist aufgehoben.
[103]

4. Akt

Vierter Akt.

Auf Schloß Carisbrooke auf der Insel Wight. –
Ein Saal, rechts und links Thüren. In der Mitte ein Thronsessel unter einem Baldachin, auf welchem König Karl I. sitzt. Vor ihm stehen Montague und Sidney, hinter ihm Richmond und Lindsay, etwas abseit der Gouverneur Oberst Hammond. – Es ist Abend. Aus den gotischen Bogenfenstern sieht man das Meer.

KARL
sitzend.

Meine Herren Bevollmächtigten, ich habe nichts mehr hinzuzufügen. Seit ich mich hierher auf die Insel Wight zurückzog, machte ich Zugeständnisse, so viel ich konnte. Ich trete den Befehl über die bewaffnete Macht auf zwanzig Jahre an das Parlament ab, ich verspreche feierlich, in Irland alle Feindseligkeiten aufhören zu lassen. Ja, ich gehe soweit, die Gesetzlichkeit des Widerstandes, welcher den Bürgerkrieg herbeigeführt, einzuräumen. Weiter aber gehe ich nicht, ich erkläre es im Namen meiner Ehre und meines Glaubens.

MONTAGUE.

Sire, darf ich nochmals inständigst bitten, die Vorlage in pleno anzunehmen? Ich versichere Ew. Majestät, daß, wenn der Vertrag einmal abgeschlossen ist, der Teufel selbst ihn nicht brechen könnte.

KARL
kalt.

Nennt Ihr das einen Vertrag, Mylord? Seid so gut Euch an den Streit in der Komödie zu erinnern, [104] wo einer von beiden Kämpfern sagt: Es hat ein Kampf stattgefunden und auch keiner, denn es sind drei Streiche versetzt worden und ich allein habe sie alle drei erhalten. So geht es mir grade auch.

MONTAGUE.
Was meinen Ew. Majestät?
KARL.

Ich gestehe Eure meisten Vorschläge zu, ich verwerfe nur eine sehr geringe Anzahl davon, aber Ihr macht mir kein einziges Zugeständnis.

SIDNEY.
Die Abschaffung des Episkopats der Hochkirche –
KARL.

Kann ich nicht zugeben sowohl aus Gewissensüberzeugung wie im Interesse meiner Gewalt. Und ebenso muß ich die Strenge zurückweisen, womit man meine Hauptanhänger verfolgen will.

MONTAGUE.

Und doch, Sire, können wir Presbyterianer, wenn auch politisch gemäßigt, im kirchlichen Punkt weder Mittelweg noch Zögerung gestatten.

SIDNEY.

Und was die Züchtigung der Schuldigen betrifft, – wir sind weit entfernt, so viele Ausnahmen von der Friedensamnestie zu verlangen, wie die Unversöhnlichen der Volkspartei. Allein auf einer Auswahl von sieben Schuldigen müssen wir bestehen, denn nach so viel dem Lande zugefügten Unbilden muß die besiegte Partei gesetzlich deren Verantwortlichkeit erleiden.

KARL.

Meine Abneigung wird unüberwindlich bleiben gegen so viel engherzige Vorurteile. Ich gleiche dem Kommandanten, der von seinen Vorgesetzten keinen Beistand mehr erhielt und daher die Festung übergeben durfte. Er aber sagte: Sie können mich nicht unterstützen, wenn ich es brauche, mögen sie es also thun, sobald sie können. Unterdessen werde ich die Festung halten, bis einer von[105] ihren Steinen mein Grab bedeckt. – Ich werde für die bischöfliche Kirche Englands das Gleiche thun.

MONTAGUE.

Sire, Sie sehen uns tief bewegt, aber wir flehen, nochmals zu bedenken, daß die Kammern schon fünfmal votiert haben, die Zugeständnisse Ew. Majestät seien ungenügend.

KARL.

Mylords, ich kann nicht anders und muß Sie hiermit entlassen. Teilen Sie meinem Parlament meinen Willen mit.

SIDNEY.
So bleibt uns nichts übrig, als uns von Ew. Majestät ehrfurchtsvoll zu verabschieden.
KARL
erhebt sich.

Mylords, Sie kommen, sich von mir zu trennen, und ich glaube kaum, daß wir uns je wiedersehen werden, aber Gottes Wille geschehe. Ich sage ihm Dank, ich habe meinen Frieden mit ihm gemacht, ich werde ohne Furcht mich allem unterwerfen, was nach seinem Ratschluß die Menschen über mich verhängen.

MONTAGUE
bewegt.
O Sire!
KARL.

Ja, Mylords, indem Ihr von Eurem König Abschied nehmt, könnt Ihr nicht verkennen, daß Ihr in meinem Sturz den Eurigen als nahe bevorstehend vorausseht. Ich bitte Gott, daß er Euch bessere Freunde schenken möge, als ich gefunden habe. Das ganze gegen mich und die meinen angezettelte Komplott liegt klar vor meinen Augen. Nichts betrübt mich mehr, als das Schauspiel der Leiden meines guten Volkes und das Vorgefühl der Übel, welche ihm jene Männer bereiten, die stets vom öffentlichen Wohle reden und doch nur ihr eigenes Wohl, ihre heuchelnde Ehrsucht sättigen wollen. – Und hiermit, ob auch schwerlich unsre Hoffnung auf Frieden sich erfüllt, lasset uns in Frieden von einander scheiden. Er geht rasch ab nach rechts. Lindsay folgt ihm.

[106]
MONTAGUE.

Ich bin aufs tiefste erschüttert. Wie er so einsam dastand, sich selbst genügend! Wie mit dem Stolz seines Blickes sich die Traurigkeit paarte! Sein Haar ist ergraut.

SIDNEY.

Größe ohne Macht in Haltung und Stimme! Er ist unfähig, gegen sein Schicksal anzukämpfen, aber er läßt sich auch nicht zu Boden drücken. Wie gewandt er seine Hilfsquellen hervorhob, wie fest und wie sanft er auf alles einging! Er hat bewunderungswürdige Fortschritte gemacht.

RICHMOND.
Ach nein, der König war stets derselbe, nur Ihr habt es zu spät erkannt.
SIDNEY.

Laßt uns eilen, vielleicht nimmt das Parlament noch in zwölfter Stunde die Zugeständnisse als genügend an.

MONTAGUE.

Wahrlich, durch unsre ewigen Sitzungen sind wir in eine schöne Lage gekommen. Das ganze Reich ist zu einem Parlament geworden.

SIDNEY.

Jawohl, das Heer hat uns nun lange genug gelehrt, was wir thun müssen, und möchte dies noch länger fortsetzen. Die City, die Provinzen, die verabschiedeten Offiziere – alle stellen uns täglich vor, was wir beginnen sollen.

MONTAGUE.
Warum? Weil wir selbst nicht wissen, was wir zu thun haben.
HAMMOND.

Warum, wenn man fragen darf, vermissen wir heute den dritten Herrn Bevollmächtigten, den Generalprokurator Coke?

SIDNEY
zuckt die Achseln.
Er ist gestern plötzlich abgereist, indem er Erkrankung vorschützte.
HAMMOND.
Das heißt: Er ist –
RICHMOND
ergänzt.
Zu den Independenten übergegangen?
[107]
MONTAGUE.
Es scheint so, Herr Herzog. Ein schlechtes Zeichen! Coke weiß stets, wo der Wind herweht.
SIDNEY.

Ja, Herr Herzog, es ist alles verloren, wenn die Unterhandlung nicht abgeschlossen und der König nach London zurückgekehrt ist, ehe das Heer und Cromwell Zeit erhalten haben, wieder dorthin zu gelangen.

HAMMOND
hustet.
Hm!
MONTAGUE.

Wie beliebt? – Sr. Majestät weiß natürlich von den jüngsten Vorgängen? Welchen Eindruck machten auf ihn die wunderbaren Triumphe Cromwells?

RICHMOND.
Mylord, er glaubt nicht an Gerüchte.
SIDNEY.
Ah, der Herr Gouverneur konnte ihn ja darüber aufklären?
HAMMOND
kalt.

Ich hielt es nicht für angemessen, des Königs Gemütsstimmung durch ihm peinliche Mitteilungen zu trüben. Doch bitte ich Ew. Gnaden Zu Richmond. mich sofort Sr. Majestät zu melden, um meinen Fehler wieder gut zu machen.

RICHMOND
wendet sich zum Gehen.

Ihr habt nur zu befehlen, Herr Gouverneur. – Ich selbst bitte mich auf eine Stunde zurückziehn zu dürfen, um einen Abendspaziergang zu machen.

HAMMOND
argwöhnisch lächelnd.
Hm? Gut. Sie können gehen, Herr Herzog.
RICHMOND
verbeugt sich und geht nach rechts.
Halblaut. Wittert er etwas? Ab nach rechts.
MONTAGUE.

Lebtwohl, Oberst Hammond. Wir hoffen die Insel Wight doch noch einmal in nächster Zeit zu betreten als Herolde des Friedens.

SIDNEY.

Was meinte der arme Herr damit, daß er kaum hoffe, uns je wiederzusehn? – Ihr lächelt, Oberst? Wißt Ihr um den Sinn?

[108]
HAMMOND
ruhig.
Er plant eine neue Flucht.
SIDNEY.
Wie? Allerdings, die Insel Wight liegt am Kanal nach Frankreich.
HAMMOND.
Darum beehrte mich der König ja damals huldvollst nach seinem Entweichen von Hampton Court.
SIDNEY
ihn messend.
Wähnte er vielleicht, Ihr würdet ihn nach Frankreich einschiffen?
HAMMOND.

Das nicht. Er wollte fürs erste hier bleiben. Allerdings nährte er die Hoffnung, ich würde seinen Aufenthalt fürs erste verhehlen.

SIDNEY.
Das hätte Euch den Kopf kosten können.
HAMMOND
kalt.

So klug bin ich selbst, Sir Algernon Sidney. Ich empfing den hohen Herrn mit allen Ehren aber zeigte den Vorfall sofort dem Parlamente an .. und dem General Cromwell. Letzterer hatte mich übrigens schon vorher gewarnt, daß bei einer etwaigen Flucht die Insel Wight der wahrscheinlichste Zielpunkt sei.

SIDNEY.
Ah, Ihr korrespondiert mit ..?
HAMMOND.

Ich genieße diese Ehre. – Doch ich halte Ew. Herrlichkeiten auf. Dero Pferde und Dienerschaft warten schon geraume Zeit und die Boote zum Festland. Die Flut steigt. Deutet durchs Fenster.

SIDNEY.

Jaja, und hier Weist lächelnd auf den Thronsitz. ist's Ebbe. Zu Montague im Abgehen. Er will uns los sein, warum wohl? Sidney und Montague mit stummem Gruße ab.

HAMMOND
allein.

Murmelt vor sich hin. Was soll ich thun? Was soll das werden? In Dinge von so hoher Bedeutung verwickelt, auf ganz unbetretenen Pfaden wandelnd, fehlt mir nicht der rechte Geist des Glaubens und die Furcht des Herrn? Bethört mich nicht Menschenfurcht in ungehöriger Weise? Darf ich nach meiner eignen, armen [109] Weisheit wählen? Nein. Wie schreibt heut früh der sichtbar Erkorene des Schicksals? Er zieht einen Brief hervor und liest halblaut. »Teurer Robert! Jetzt kann ich Gott sei Dank frei schreiben. Ich sah nie tieferen Sinn und weniger Willen, ihn in unchristlicher Weise zu zeigen, als in Deinem Verhalten. Ich weiß, Du hast schwere Prüfung überstanden, aber Du sollst dabei nicht verlieren. Laß Deine ernste Aufgabe Dich nicht verwirren! Wenn Gott sie Dir auftrug, so ist es wohlgethan. Unsre fleischlichen Gelüste umstricken uns, sie lassen uns sagen ›schwer‹, ›ernst‹, ›angenehm‹, ›leicht‹. Waren es nicht solche Beweggründe, die Robert Hammond veranlaßten, aus dem Heere zu scheiden, um sich auf die ruhige Insel Wight zurückzuziehn? Doch jetzt soll Dein Benehmen derart sein, daß es dem Namen Gottes zur Ehre gereicht; dafür preisen wir den Herrn mit Dir und für Dich. Das Haus der Gemeinen, sehr empfindlich gegen das Verfahren des Königs, hat beschlossen: Man wird keine Adresse mehr an ihn verfassen, niemand soll sich mehr an ihn wenden, bei Strafe des Hochverrats, niemand darf etwas vom König überbringen. Ich hielt es für gut, daß Ihr dies unter der Hand sofort wisset.«Steckt den Brief ein. Die Angelegenheit naht ihrer Katastrophe. Und ich – Karl und Lindsay kommen von rechts.

KARL
halblaut zu Lindsay.

Laßt uns warten! Ehe ich das Königreich verlasse, muß ich mit den Schotten zum Abschluß kommen. Ihre Forderungen werden um so größer werden, wenn sie mich außerhalb der Gewalt der Armee sehen. Denn jeder sucht von mir soviel zu erpressen, als er kann. Aufsehend. Sieh da, zu Ihren Diensten, Oberst! Sie wünschen mir eine Botschaft auszurichten, wie mir der Herzog soeben sagte?

HAMMOND
feierlich.
Im Namen des Parlaments.
[110]
KARL
lächelnd.

Ei, ei, da wollen wir sie mit gebührenden Zeremonien empfangen. Setzt sich auf den Thronsessel. Redet, Sir!

HAMMOND.

Das Parlament hat für gut befunden, Euch die krönende Gnade zu berichten, welche den Ruhm der englischen Waffen gesegnet hat.

KARL
bitter.
Den Ruhm des Herrn Cromwell vermutlich. Also, ich bin gespannt.
HAMMOND.

Es hat Gott gefallen, seine große Macht zu zeigen und in zwei heftigen Schlachten bei Preston und Warrington dem General Cromwell den vollkommensten Sieg zu geben. Das ganze Korps der Kavaliere unter Sir Marmaduke Langdale ist vernichtet, das ganze Heer der Schotten zersprengt. Fast der ganze hohe Adel zählt unter den Erschlagenen und Gefangenen. Und obschon das Heer der gottseligen Veteranen kaum die Hälfte so stark als der Feind, streckten die Trümmer desselben bald darauf die Waffen. Nachdem also die Macht der Widersacher gebrochen, drang unser glorreicher Feldherr in Schottland ein, eroberte die Hauptstadt Edinburg und schloß daselbst Frieden, sowie ein neues Bündnis mit der republikanischen Partei unseres Nachbarreiches, welche nunmehr daselbst den Staat beherrscht. Das Parlament von England preist den Herrn für diese unaussprechliche Gnade und votierte dem hochedlen General ein Jahrgehalt von 2500 Pfund, auf welches derselbe jedoch, gleich seinen früheren Vermögensopfern bei Ausrüstung seiner Soldaten, zu Gunsten des Gemeinwesens verzichtet hat. – Dies ist alles, was ich dem König vom Parlament zu berichten habe, auf daß der König sich freue mit seinem Volk, weil der Landesfeind aufs Haupt geschlagen. Pause. Draußen Hornfanfaren.

[111]
KARL
mit Fassung.

Ich dank' Euch und genehmige gern den Wunsch meines Parlaments, indem ich meine Genugthuung und meinen königlichen Beifall ausdrücke wegen der Erfolge englischer Waffen. – Ja, dieser Cromwell ist ein großer General, nie verkannte ich diese Thatsache.

HAMMOND
lauschend.

Mich däucht, ich höre das Horn eines Kuriers. Wahrscheinlich Botschaft vom Parlament. Erlaubt, daß ich nachsehe. Ab nach links.

LINDSAY.

Kommt es Ew. Majestät nicht auch so vor, als ob der Ton unsers Gouverneurs trockener und frostiger klinge wie früher?

KARL.
Mein Freund, man hat mich an Demütigungen gewöhnt. Ich merke nicht mehr darauf. Pause.
LINDSAY.
Mit den Schotten ist's also aus. Es ist dunkel geworden. Lindsay zündet einige Kerzen an.
KARL.

Die Hand meines Gottes liegt schwer auf mir. Soll nicht der Kelch an mir vorübergehn? – Noch immer nicht das Postschiff aus Frankreich gekommen? Ich erwarte einen Brief meiner Gemahlin, der wie gewöhnlich durchgeschmuggelt werden soll. O Henriette, o meine Liebe! – Lieber Lindsay, rezitiert mir doch das Madrigal noch mal, das Ihr gestern beim Wettdichten verfaßtet.

LINDSAY.
Sire, die müßige Ausgeburt unsrer unbeschäftigten Stunden.
KARL.

Ach, man muß auch faullenzen können, wir haben uns genug mit Qual und Mühe abgenutzt. Gähnen ist besser, denn Seufzen. – Bitte, das Madrigal!

[112]
LINDSAY.

Nur zu schmeichelhaft, Sire! Rezitiert, indem er eine am Fenster liegende Guitarre ergreift und einige Akkorde darauf anschlägt.


Alles ist im Leben treulos
Und verläßt das Liebste reulos,
Sonne selbst am Himmel weilet
Länger nicht als einen Tag.
Und das Meer ebbt von den Küsten,
Schwalben sich zur Heimfahrt rüsten.
Nie die Frau von dir enteilet,
Die an deinem Herzen lag,
Wenn sie Glück mit dir geteilet,
Aber auch des Schicksals Schlag.
KARL.

Ach, wie zart und wie wahr! Ihr habt mir wohlgethan, lieber Graf. Ja, gemeinsames Unglück schmiedet fester zusammen. O mein Weib, meine Kinder! Wann werd' ich euch wiedersehn! Wie, feuchte Augen, guter Lindsay? Laßt das, es muß ertragen sein. Wißt Ihr kein andres Liebesliedlein? Mein Herz schmachtet nach etwas natürlichem, unter so viel künstlichen Spinngeweben der Politik.

LINDSAY.
Sie befehlen. Rezitiert, zu Guitarren-Geklimper.

Die Sonne in Bächen
Kann wieder sich spiegeln,
Die jauchzend brechen
Aus Felsenriegeln.
Gefühle voll Wonne
Die Augen mir feuchten,
Der Liebe Sonne
Mag auf sie leuchten.
Es quellen mir Lieder
[113] Aus tiefster Seele.
Ich liebe wieder,
Umsonst ichs hehle.
KARL.

Vielleicht wäre besser zu setzen: »Wie Philomele«. Es klingt melodischer. Oder irgend ein andrer Reim, wie »Fehle« oder »Kehle«.

LINDSAY
rezitiert.
Also:

Ich liebe wieder,
Wie Philomele.
Nun blühet an Hecken
Ein neuer Flieder,
Einen Mai mir zu wecken
Im Herzen wieder.
Die Blüten treiben,
Zu sinken wieder,
Nur eins wird bleiben,
Das sind meine Lieder.
KARL.

Charmant, ganz charmant, lieber Graf. Sie brillieren wie unsre Hofpoeten, wie Davenant und Herrik. Reicht mir die Guitarre, auch ich weiß ein Lied .. Rezitiert.


Mit hellem Gesange
Wirbt jetzt der Fink,
O sei nicht bange
Und werbe flink.
Nicht immer ist Lenz. O freie
Im Maie!
HAMMOND
die Thür aufreißend, barsch.
Da ist Ihr Gesandter zurück! Schlägt die Thür hinter Berkley zu, der rasch eintritt.
LINDSAY
auffahrend.

Frecher Patron! Das war Absicht, nicht mißzuverstehen. Foi de gentilhomme, ich werde diesen Plebejer züchtigen.

[114]
BERKLEY
sehr ernst.
Laßt das, Graf. Wir haben ernsteres zu thun. Auf die Guitarre deutend. Der König amüsiert sich?
KARL.

Mißgönnt Ihr uns die kleine Erholung? Lang, lang ist's her, daß die Stimme der Musen vom Kriegsgeschrei erstickt, daß die Laute nicht mehr tönt in unserm Palast, der, ach, als Tempel aller schönen Künste galt.

BERKLEY.

Und aller französischen Buhlerei und frivolen Müßiggangs, und als Quelle aller Sittenverderbnis, – wie die bösen Puritaner den Hof titulierten.

KARL
kalt.

Ich sehe, Sir John, Könige in Trübsal teilen das Los aller Gefallenen. Ihre Freunde geben ihnen gute Lehren post festum, diesen Fußtritt der Schadenfreude. Wir versahen uns andrer Dinge zu Euch.

BERKLEY
bewegt.
O königlicher Herr, vergebt mir! Nur wahre Treue und wahrer Schmerz reißen mich hin ..
KARL.

Es ist wahr, es konnte manches anders sein. Es ging etwas leicht her. Meine erhabene Gemahlin, Henriette von Bourbon, an den Glanz des französischen Hofes gewöhnt ..

BERKLEY
einschaltend.
Und an den Absolutismus des Louvre. In England ging das nun und nimmer an.
KARL.

Erspart Euch solch unfruchtbare Kritik, Sir John, ich bitt' Euch nochmals, und vornehmlich gegen Unsre geistesgroße Gemahlin, deren Anschauung über die Unumschränktheit des wahren Königtums von Gottes Gnaden Uns erleuchtete und erhob.

BERKLEY
halblaut.
Und stürzte.
KARL.

Kurz, lassen wir das! Es herrschte ein etwas lockerer Ton, aber feinste Sitte .. ach, vom Ernst haben wir seither ja nur zu viel geschmeckt. Doch zur Sache! [115] Euer Gesicht ist unheilverkündend, Herr Gesandter. Was bringt Ihr mir? Ihr saht Cromwell im Lager –

BERKLEY.

Bei Windsor, ganz recht. Er ist seinem Heer voraufgeeilt, das in Eilmärschen von Schottland zurückkehrt.

KARL.

Warum so eilig? Bereiten sich neue Dinge vor? – Lieber Lindsay, Ihr sucht wohl den Herzog auf? Sein Spaziergang dauert etwas lange. Lindsay ab.

BERKLEY
ausbrechend.
O Sire Sire, rettet Euch! Er fällt vor ihm auf die Kniee.
KARL.

Pah, pah, was soll diese Deklamation? Wir stehn nicht auf der Liebhaberbühne. Steht auf! Was begab sich?

BERKLEY
steht auf.

Ich begab mich zu dem siegreichen General, um ihm Glück zu wünschen und seine Versprechungen zurückzurufen. Er empfing mich aber öffentlich im Generalrat der Offiziere. Ireton grüßte mich nur durch ein geringschätziges Lächeln und Cromwell gar nicht. »Wir sind das Heer des Volkes und des Parlaments« sagte er in strengem Ton. »Wir haben keine Antwort auf die Vorschläge Eures Gebieters. Geht, Sir, was habe ich mit Euch zu schaffen?« Ich wußte genug. Sire, wenn Ihr Euer Leben liebt, so flieht ohne Verzug!

KARL.
Mein Leben?! Überall wittert Ihr Mörder.
BERKLEY.
O nein, eine andre Gestalt .. in rotem Mantel, verlarvt mit schwarzer Maske ..
KARL.
Sir?! Ihr rast. Was soll das heißen? Will man mich morden?
BERKLEY.
Nein, Euch den Prozeß machen.
KARL.

Den Prozeß?! Mir?! Dem König?! Geht die Welt unter? Und da seht Ihr schon den Henker im roten Wams wie ein Gespenst am lichten Tage?[116] Lacht gezwungen. Ihr seid kurzweilig und sorgt für Erheiterung.

BERKLEY.
Sire, Sire, Ihr kennt diese Leute nicht.
KARL.

Ich kenne die Menschen, mein Guter, und die Geschichte. Wer wagt sich an das gesalbte Haupt, das eine Krone trägt? Man hat wohl von hohen Häuptern gehört, die im Kerker umgebracht oder ins Kloster verbannt, doch vor öffentlichem Bekenntnis so unerhörten Frevels schraken selbst die Frechsten zurück. Königsmord – welch unnatürlicher Greuel!

BERKLEY
rasch.
Maria Stuart!
KARL.

Die hochselige Majestät, meines Herrn Vaters unglückliche Mutter, wurde von der Königin Elisabeth Majestät gerichtet. Das ist etwas andres. Wer aber soll mich richten?

BERKLEY.
Sire, Sire, was fragen jene danach! Sind ja Republikaner.
KARL.

Republi – so etwas giebts wirklich? Außerhalb des überspannten Gehirns einiger Ketzer, für die der Scheiterhaufen zu gut? Gevierteilt und gerädert und die Eingeweide aus dem Leib gerissen, daß sie brüllen – das wäre der Richtspruch einer wahrhaft besorgten väterlichen Regierung über solche Ungeheuer. Republik? Was ist das für ein Ding?! So 'was giebts ja gar nicht. Ja, wahrlich, aus solcher Drachensaat geht ein Geschlecht hervor, aus welchem dereinst Königsmörder herangezüchtet werden. Es ist hohe Zeit, daß man diesem Unfug ein Ende macht. – Sir John, ich habe die Bills des Parlaments teilweise angenommen, doch wohlgemerkt, nur in meiner Zwangslage. Obschon ich daher versprach, daß Irland die Waffen niederlege, schrieb ich an unsern Vizekönig Lord Ormond, er möge außer Sorgen sein und sich um meine [117] Bewilligungen nicht kümmern. Die werden nichts auf sich haben und wahrhaftig auf nichts hinauslaufen.

BERKLEY.
Aber Ew. Majestät versprachen doch –
KARL.

Versprachen! Was will das weiter sagen! So lange ich nicht von jedem Zwang befreit bin, hat Ormond lediglich den Befehlen meiner Frau zu gehorchen und nicht den meinigen. – Und was meine Flucht von hier betrifft, so bereitet Sir William Hopkins, der an der Küste kreuzt, seit lange alles Nötige vor. Ich machte das große Zugeständnis von heute nur, um dies Manöver zu erleichtern. Sonst hätt' ich überhaupt nicht nachgegeben, um so mehr meine Gemahlin, deren erprobter politischer Scharfblick mir Richtschnur ist, mich beschwört, hier auf's äußerste Stand zu halten. Liest einen Brief, den er aus der Brusttasche zieht.

BERKLEY
halblaut.

Damit er nur ja nicht zu ihr kommt! O, die elende Metze! Soll ich ihr Spiel nicht aufdecken? Laut. Sire, die Ratschläge der Königin erwiesen sich keineswegs immer als heilsam. Im Gegenteil –

KARL.

Sir, dies übersteigt jede Geduld. Mich mögt Ihr schulmeistern, aber jede Rüge gegen die erhabene Person Ihrer Majestät, deren Vertrauen zu genießen Ihr Euch rühmtet, müßte als schnödeste Anmaßung zurechtgewiesen werden. Liest wieder in dem Brief, den er dann einsteckt.

BERKLEY
verbeugt sich stumm, murmelt.

Wo er vertraut, wird er verraten, und wo man ihm vertraut, betrügt er. Laut. Ew. Majestät gaben, irre ich nicht, Ihr Ehrenwort –

KARL.

Nicht zu entfliehn? Ich gab es Rebellen. Das bindet nie. Nein, Sir, meine Gefangenschaft würde mir jetzt das Herz brechen, denn ich erniedrigte mich zu einer Herablassung, die nur durch meine Flucht gerechtfertigt werden [118] kann. Richmond und Lindsay stürzen von links herein. Heda? So ohne Etikette?

RICHMOND.
Sire, Sire .. ich zögere, es zu melden ..
KARL.
Nun, was giebts?
RICHMOND.
Alle Thore sind geschlossen, alle Wachtposten verdoppelt.
LINDSAY.

Jedem Fremden ist der Zugang verboten, laut eben ausgegebener Ordre. Und sämmtliche Diener vom Hofhalt Ew. Majestät .. das Wort stockt mir auf der Zunge ..

KARL.
Wie, was wollt Ihr sagen? Doch nicht ..
LINDSAY.

Ja, sie erhalten soeben Weisung, die Insel sofort zu verlassen. – Doch sieh, da kommt ja der Gouverneur! Hammond tritt auf.

KARL
ihn finster messend.
Um sich zu rechtfertigen?
HAMMOND
kalt.

Ich wüßte nicht. Vor wem sollte ich mich rechtfertigen, als vor meinem gesetzlichen Gebieter, dem Parlament von England, dessen Befehle ich ausführe und weiter nichts? – Sir John Berkley, Sie haben sofort abzureisen, Sir.

BERKLEY.
Woher dieser plötzliche –
HAMMOND.

Das geht Euch nichts an, Sir John. Aber ich gebe Euch fünf Minuten Zeit, das Schloß zu verlassen. Eure Sachen werden Euch nachgeschickt.

BERKLEY.
Ich widersetze mich einer Ungesetzlichkeit, die nach dem Habeas corpus
HAMMOND.

Wir stehen heute alle unter dem Kriegsgesetz und alle andern Akte sind suspendiert, null und nichtig, Dank Sr. Majestät. – Herr, wird's bald? Oder soll ich Sie mit Gewalt –

BERKLEY
dem König die Hand küssend.

Lebtwohl, mein königlicher Herr, und seid sicher, daß alles, was Eure Getreuen vermögen, zu Ihrer Befreiung –

[119]
HAMMOND.
Herr, hinaus! Sie konspirieren vor meinen Augen mit dem Gefangenen?
KARL.

Eilen Sie, mein Freund! Unser Schließer wird ungeduldig. Auf Wiedersehn? Berkley ab. Und nun, Herr, was geht hier vor? Soll auch ich vielleicht meine sieben Sachen packen und zu anderen Kerkern wandern?

HAMMOND.
Es ist nicht meines Amtes, das zu wissen.
KARL.

Aber Eures Amtes ist's, mich auf diese Art zu beleidigen? Wo sind Eure Befehle? Oder ist es eine Eingebung des Geistes?

HAMMOND.
Hm, Ew. Majestät haben die Vorschläge des Parlaments verworfen.
KARL.

Gabt Ihr mir nicht Euer Ehrenwort, Euch in jedem Fall meiner Würde gemäß zu betragen? Giebt es etwas Verächtlicheres, als die Herabwürdigung eines angestammten Souverains?

HAMMOND.
Ich habe nichts festes versprochen.
KARL.

Ihr seid voller Ausflüchte. Sir, man frevelt wieder mich, wie keinem Gentleman und keinem Christen geziemt.

HAMMOND
geht.
Ich werde mit Ew. Majestät reden, wenn Sie in besserer Stimmung sein wird.
KARL.

Stimmung! Ich schlief vergangene Nacht sehr gut. Soll ich bei diesem Auftritt etwa gute Laune bewahren?

HAMMOND.
Sire, ich habe Sie sehr höflich behandelt.
KARL.
Und warum jetzt nicht mehr?
HAMMOND
nach einer Pause.
Sire, Sie sind zu hoch.
KARL.

Ei, dann trägt wohl der Schuhmacher die Schuld. Doch, ma foi, ich merke nicht, daß er meine [120] Absätze höher gemacht hat. Geht unruhig auf und ab. Haha, die Absätze! Jaja, der Schuhmacher! Zu hoch! Seht mir! So redet man mit dem König von Großbritannien und Irland. – Wird man mir wenigstens erlauben, auszugehn, um frische Luft zu schöpfen?

HAMMOND.
Sire, ich darf dies nicht gestatten.
KARL.

Wie, nicht einmal das? Also ein gemeiner Gefangener, ein Staatsverbrecher? Ist das die Treue, die Ihr mir schuldet? Sind das Eure Schwüre? Redet! Hammond schweigend ab. Richmond und Lindsay, was sagt Ihr dazu?

RICHMOND.

Darf ich offen reden? – Nun wohl, Sire, ich habe bereits Kunde, daß Truppen von allen Seiten anrücken. Überall herrscht eine geheimnisvolle Bewegung. Soeben nahm ich einen Soldatenmantel, kam durch alle Posten und kehrte ohne Hindernis zurück. Was glaubt Ew. Majestät .. doch es steht mir nicht zu, einen Rat zu geben ..

KARL.
Ich befehle es.
RICHMOND.
Nun denn, ich sage, daß sich das Heer Ihrer Person bemächtigen will.
KARL.
Sie sollten es nochmals wagen? Unmöglich!
LINDSAY.

Ich beschwöre Sie, mein Herr und König, uns zu glauben. Richmond kennt die Parole, wir haben in der Nähe Pferde und einen Nachen.

RICHMOND.
Und sind bereit, unter dem Schutz der Finsternis Sie Ihren Wächtern zu entziehn.
KARL.
Wie, Ihr drängt mich, die Flucht zu ergreifen?
RICHMOND.
Ja, sofort, in dieser Stunde und um jeden Preis.
KARL.
Bedenket die Gefahr der Entdeckung!
[121]
LINDSAY.
Ich wiederhole, daß Pferde in der Nähe stehn und uns ein Schiff erwartet.
RICHMOND.
Die Nacht ist pechschwarz, wie gemacht zur Flucht, und ich sehe kein eigentliches Hindernis.
KARL.

Nein, nicht doch .. sie haben mir ihr Wort gegeben und ich ihnen das meinige. Ich werde es nicht brechen.

LINDSAY.

Unter »sie« und »ihnen« verstehen Sie das Parlament, Sire? Aber es hat sich ja alles verändert! Es ist ja das Heer, das Ew. Majestät ins Gefängnis werfen will!

KARL.
Das thut nichts, ich werde mein Wort nicht brechen.
RICHMOND
Lindsay ins Ohr.
Um seine Schwäche zu bemänteln. – Sire, Sire, was fruchtet diese unzeitige Bedenklichkeit!
KARL
unschlüssig.

Wenn Ihr meint .. aber nein, wenn man sich meiner bemächtigt, so muß man mich schonen. Denn ohne mich kann keine Partei ihre Herrschaft fest begründen.

RICHMOND.

In der That? Sehn Sie sich vor, Sire! Diese Leute richten sich nicht nach solchen Grundsätzen. Erinnern sich Ew. Majestät nur an ihr früheres Verfahren.

KARL.

Da habt Ihr Recht. Laßt mich bedenken .. gleichviel, ich will es lieber doch nicht thun. Es wäre meiner Würde kaum angemessen. Gute Nacht, Richmond. Gute Nacht, Lindsay. Ich werde schlafen, so lange ich kann.

RICHMOND.
Ich fürchte, Sire, nicht lange.
KARL.
Wie es Gott gefällt. Er will gehn.
RICHMOND.
Horch! Alle lauschen. Die Zugbrücke knarrt. Sie senkte sich.
[122]
LINDSAY.
Hufschlag! Das sind Berittene.
KARL.
Sieh zu, was es giebt! Es klopft links an der Thür.
RICHMOND.
He, werda?
STIMME HARRISONS.
Öffnet!
LINDSAY.
Wer seid Ihr, was wollt Ihr?
STIMME HARRISONS.
Offiziere vom Heere, die den König sprechen müssen.
KARL.
Empfangt Ihr sie! Ab nach rechts.
STIMME HARRISONS.
Öffnet oder wir legen Euch die Thür in die Halle.
RICHMOND
öffnet.

Wozu der Lärm? Harrison tritt ein. Er ist in reicher Uniform, ein Samtbarett auf dem Kopf, im Büffelkoller, eine karmoisinrote Schärpe um den Leib. Was steht zu Diensten?

HARRISON.
Wo ist Der, so man »König« nennet?
RICHMOND.
Sachte, sachte! Sr. Majestät wird so gleich erscheinen. Zu Lindsay. Verdammt!
HARRISON.

Diese Schlangenbrut umkleidet sich mit Flüchen. Seit Satan vom Himmel fiel, fehlte es ihm nie an Geschäftsführern.

LINDSAY.
Irre ich nicht, mein Herr, focht ich bei Naseby Euch gegenüber? Seid Ihr nicht der Oberst Harrison?
HARRISON.

Also nennen mich die Kinder dieser Welt, sintemal ich also benamset bei meinem Eintritt in dies irdische Jammerthal, vor dem Tage meiner Wiedergeburt im Geist und in der Wahrheit. – Siehe, der König in Ägypten nahet.

KARL
tritt ein.
Herr Offizier, Ihr Auftrag lautet?
HARRISON
ruhig.
Herr König, ich habe Befehl, Euch von hier wegzubringen.
[123]
KARL.
Befehl, von wem?
HARRISON.
Vom Heere.
KARL.
Immer dies vieldeutige Wort! Das Heer ist keine Staatsperson.
HARRISON.
Wozu hadern, fleischlicher Mann? Siehe, Recht hat Der, so da Macht und Gewalt hat.
KARL.

O fromme Weisheit! Klug wie die Schlangen, doch nicht sanft wie die Tauben! – Wohin wollt Ihr mich führen?

HARRISON.
Nach dem Schloß.
KARL.
Es giebt viele Schlösser. Ich folge Ihnen auf jedes.
HARRISON.

Es soll kein Schloß mehr geben in England für und für, bis daß wir einziehn in das Schloß des neuen Jerusalem. Nach dem alten Sitze des Unglaubens, im Land der Philister, Windsor mit Namen, geht unser Weg.

KARL
beiseite, zu Richmond.

Gott sei Dank, man wird also zugänglicher. In Windsor hat mir's immer gefallen, es wird mich entschädigen für meine bisherigen Leiden. – Wer ist dieser gut aussehende Soldat?

RICHMOND.
Es ist der Oberst Harrison, Sire.
KARL.
Harrison? Was sagt Ihr? – Mein Gott!
LINDSAY.
Es schmerzt mich, Ew. Majestät so bestürzt zu sehn.
KARL
faßt sich.
Hm – ah bah – es geht noch mit der Bestürzung. Ich bin nicht erschrocken, nein. Aber ..
RICHMOND
Harrison betrachtend.
Freilich ist's der gräßliche Kerl, der keinen Pardon giebt. Er läßt die Gefangenen abschlachten.
KARL.

Es ist nicht das. Aber wißt Ihr, daß dieser Mann der nämliche ist, der mich in Hampton Court ermorden wollte?

[124]
LINDSAY.
Wie, der Verruchte? Gott schütze den König!
KARL.

Jawohl, ich war davon unterrichtet. Und doch erinnere ich mich nicht, ihn je gesehen, noch ihn irgendwie gekränkt zu haben. Wahrhaftig, dieser ein same Ort wäre ganz geeignet für solch ein Verbrechen. Ich könnte, ma foi, leicht überrascht werden und möchte nicht unvorbereitet sein. Nun, vertrauen Wir Gott und Unserm eigenen Schwert.

RICHMOND.
Sire, verzeihen Sie – mich däucht, der Oberst ist wirklich in dem Auftrag hier, den er angiebt.
KARL.

Es mag sein. Er geht auf Harrison zu und betrachtet ihn. Mein Herr, ich folge sogleich. Zu Lindsay. Der Mann hat ein echtes Soldatengesicht. Ich bin, wie man weiß, ein Gesichtskenner. Der sieht nicht wie ein Meuchelmörder aus. Draußen Trompeten.

HARRISON
der die ganze Zeit über abseit an der Thüre stand, stampft plötzlich auf.
König Karl Stuart, es ist Zeit abzureisen.
KARL.

Gut, gut, zeigt nur den Weg. Ihn vertraulich unter den Arm nehmend. Sagt, Oberst, ist's wahr, daß Ihr einen mörderischen Anschlag gegen meine Person plantet?

HARRISON.

Falsche Gerüchte von Ohrenbläsern unter den Moabitern und Baalspfaffen. Was ich gesagt habe und was ich wiederhole, ist bloß dies: Die Gerechtigkeit kennt kein Ansehn der Person und das Gesetz ist verbindlich für die Großen wie für die Kleinen. Sela.

KARL
läßt seinen Arm los.

Hm, so? – Mut, Mut, Mylords, laßt uns aufbrechen. Gottes Güte ist allerorten sichtbar. In sechs Monaten wird der allgemeine Friede wiederhergestelll sein. Wo nicht, so werden mir die andern Königreiche wieder zu all meinen Rechten [125] verhelfen. Ich habe nur noch die Karten auszuspielen, wovon die schlechteste hinreicht, um alles zurückzugewinnen.

HARRISON
öffnet die Thür.

Man sieht Soldaten Spalier bilden. Achtung! Nehmt den Gefangenen in die Mitte! Marsch! – Stärken wir uns mit den Worten des Psalmisten, Psalm 52: »Was trotzest Du denn, Du Tyrann, daß Du kannst Schaden thun?«

KARL
sich umwendend, schnell.
Ich aber stimme an Psalm 56: »Gott sei mir gnädig, denn die Menschen wollen mich versenken.«
[126]

5. Akt

Fünfter Akt.

Ein Gemach im Palast Whitehall zu London. Im Hintergrund ein großes, bis zur Erde niedergehendes Fenster, durch das man die Dächer der heutigen »Parlamentsstraße« sieht. In der Mitte ein schwarzer Tisch, an welchem sitzen Manchester, Montague, Sidney in schwarzer Tracht. (Alle in diesem Akt auftretenden Personen sind schwarz gekleidet, außer Offizieren und Soldaten.) Rechts ein großes Thor, von woher man Murmeln wie von Reden, unterbrochen von Lärm, vernimmt. Links führt das Zimmer in eine Galerie, die in der linken Kulisse beginnt. Alles ist schwarzverhangen, Wände und Thüren. Am Fenster schwarze Gardinendecken. – Es ist Nacht. Ein schwarzumhangener Kandelaber brennt.

SIDNEY
nach rechts deutend.
Schändlich! Hört dies Gebrüll eines fanatischen Pöbels und einer frechen Soldateska!
GESCHREI VON RECHTS.
Gerechtigkeit! Hinrichtung!
MONTAGUE.

Gerechtigkeit und Hinrichtung! Als ob die beiden Dinge in diesem Fall zusammenfielen! Setzt dieser angemaßte Gerichtshof das Todesurteil durch, unerhört in den Annalen der Geschichte, so wird ein Justizmord verübt, zum Abscheu der spätesten Zeiten. Gott sei gelobt, daß wir drei daran unbeteiligt!

MANCHESTER.

Es hat dem Unterhaus beliebt, meinen Namen in die Verordnung der hochnotpeinlichen Untersuchung [127] zu setzen. Aber eh ich als Kommissar und Beisitzer bei einer solchen Niederträchtigkeit fungiere, eher soll man mich in Stücke reißen.

MONTAGUE.

Es giebt kein Parlament ohne den König, der König kann also kein Hochverräter gegen das Parlament sein. Hochverrat gegen das Volk! Hat man je so 'was gehört! Mit Spitzfindigkeit und roher Gewalt wollen sie das Beil schleifen für den angestammten König. Laß sehen, ob es nicht in ihrer Hand zerbricht.

SIDNEY.

Was mich betrifft, so habe ich mich als erwähltes Mitglied des Obergerichtshofs aufs heftigste dem Prozesse widersetzt und dem angeblichen Gericht, wo ein Bradshaw als Lord-Oberrichter und ein Coke, dieser Renegat der Mittelpartei, als General-Anwalt fungieren.

MONTAGUE.

Daß Coke zu Cromwell überging, ist das schlimmste Witterungszeichen. Gleichviel! Wir drei sind ausgetreten und haben unsre aufgedrungenen Mandate niedergelegt – mehr können wir nicht thun. Und wieviele sind stillschweigend ausgeblieben, die nicht lieben, sich in Sachen auf Leben und Tod zu mischen! Sie wagen nicht offen zu protestieren, aber sie willigen auch nicht ein.

MANCHESTER.
Welch' Ende nimmt diese fürchterliche Nachtsitzung, zu der das Volk ganz Londons herbeigeströmt!
MONTAGUE.

Hier in Whitehall, dem alten Königspalast, wo jetzt Cromwells allerhöchste Herrlichkeit und Heiligkeit sein Hauptquartier aufschlug! Der neue König von England! Die Thür rechts wird geöffnet und Oberst Graves stürzt herein, von Hammond gefolgt.

HAMMOND
ihn am Arme zurückhaltend.
Wohin wollen Sie?
GRAVES
außer sich.
Haben wir denn Herzen von Stein, sind wir Menschen?
[128]
HAMMOND.
Sie stürzen sich und uns ins Verderben.
GRAVES
heftig.

Gleichviel, es thut nichts. Kostet's mir auch das Leben, ich muß den Schritt thun. Von rechts stürzen Cromwell und Ireton herein. Da kommen sie, aber ich kann nicht anders.

CROMWELL
ihn anfahrend.
Oberst, seid Ihr bei Sinnen? Wo denkt Ihr hin? Könnt Ihr Euch nicht ruhig verhalten?
GRAVES.

Nein, ich kann mich nicht ruhig verhalten.Bradshaw, Harrison, Ludlow, Coke und mehrere andere Kommissarien in schwarzer Tracht von rechts.

SIDNEY.
Was ist vorgefallen?
HAMMOND.
Der König verlangt zu antworten, aber man schneidet ihm das Wort im Munde ab.
GRAVES.
Die Roheit der wachthabenden Soldaten gegen den unglücklichen Mann übersteigt jede Möglichkeit.
BRADSHAW
in schwarzem Talar, mit schwarzer Mütze, eine goldne Kette um den Hals, als Vorsitzender des Gerichtshofs.
Oberst Graves, Ihr seid für diese Störung verantwortlich.
GRAVES.

Mylord Oberrichter, mein Gewissen ist nicht erleuchtet genug, um mir das Zurückweisen aller Forderungen des Gefangenen zu gestatten. Ich bitte und beantrage –

IRETON
drohend.
Was!
GRAVES
ruhig.
Daß der Gerichtshof sich zurückziehen möge, um darüber zu beraten.
IRETON.
Nichts da!
HARRISON.
Nieder mit dem Abtrünnigen!
BRADSHAW
ruhig, seinen weißen Amtsstab erhebend.

Halt und Ruhe! Generalleutnant Ireton und Generalmajor Harrison stehen nicht vor ihren Rekruten. Da ein Mitglied es wünscht, muß der Antrag beraten werden. – [129] Mein gelehrter Freund, der Generalanwalt, wird bestätigen –

COKE
nickt.
Als juristischer Beirat – hihi – muß ich dies bejahen.
IRETON
zu Cromwell.
Höhepunkt der Gefahr!
LUDLOW
ebenso.

Mit dem obersten Gerichtshof ists vorbei, sobald man sein Verfahren aus seiner eignen Mitte anficht. Hier handelt sich's um den Kopf des Königs oder unsre eignen Köpfe.

HARRISON
ebenso.
Soll ich diese Rechts-Perrücken da mit ihrer unzeitigen Bedenklichkeit zum Fenster hinauswerfen?
CROMWELL.

Ruhig! – Sieh da, Graves flüstert mit Hammond. Das ist auch ein Lauer. Graves, Hammond, Sidney, Montague, Manchester und einige Kommissare reden links zusammen; Cromwell und die Seinen rechts.

BRADSHAW.

Sind die Anwesenden schlüssig geworden? Dann werde ich also den gesamten Gerichtshof hierher berufen –

COKE.
Zu einer geheimen Sitzung, hihi, die etwas langwierig ausfallen dürfte.
JOYCE
von rechts.

Man hört, wie er die Thür öffnet, lauten Lärm und das Geschrei »Hinrichtung!« Herr Präsident, der Gerichtshof wird unruhig und das Volk dazu. Die Galerien toben.

CROMWELL
rasch.

Wozu seid Ihr da, Major Joyce, als dies Gesindel zu bändigen? Abtreten! Wir kommen sofort. Joyce ab. Was beraten, was abstimmen! Stürzt auf Graves zu. Herr, ich fordre Rechenschaft für dies unkluge, alberne Vorgehen, das lauter Unordnung und Verlegenheit anstiftet. Was soll's, was habt Ihr vor? Wehe Euch für all diese Verwirrung!

[130]
GRAVES
bestürzt, stammelnd.
Ich – nein, der König – ich bin ja Euer treuer Anhänger – jedoch –
CROMWELL.
Was schwatzt Ihr da und haltet uns auf? Antwort! Wird's bald?
SIDNEY
zu Graves.
Nehmt Euch zusammen! Fassung!
GRAVES.

Hm, ich meine nur, man soll dem König das Wort nicht verbieten, schon aus bloßer Menschlichkeit. Verteidigen darf sich doch der gemeinste Verbrecher.

CROMWELL.

Verbrecher, ja das ist er! Der Räuber unsrer Rechte, der Mörder unsrer Brüder und Söhne, die ihr edles Blut vergossen im Kampf wider seine Tyrannei. Menschlichkeit wo sie hingehört, nicht gegen ein unmenschliches Ungeheuer!

MONTAGUE.
Das ist zu viel!
CROMWELL.

Ihr schweigt. Habt hier überhaupt nicht dreinzureden. – Herr Präsident, rufen Sie dies störrige Mitglied zur Pflicht zurück und gehn wir!

GRAVES.

Herr Präsident, die Vorschläge des Königs, von denen er reden will, sind vielleicht befriedigender als alle bisherigen.

CROMWELL.
Lächerlich!
GRAVES.

Wir suchen doch am Ende nur gute und sichere Bürgschaften, und die, welche der König anbietet, müssen wir wenigstens kennen.

CROMWELL.
So? Unsinn.
GRAVES.
Man schuldet ihm wenigstens, ihn anzuhören und die einfachsten Regeln des Rechts zu beobachten.
CROMWELL
barsch.

Das sind also die hochwichtigen Gründe, uns so zu stören! Endlich sind wir darüber belehrt. Der Herr Oberst läßt ganz außer acht, daß wir es mit dem unbeugsamsten Menschen zu thun haben. – Der [131] König ist der Undankbarste der Sterblichen. Wir sollen uns wohl hier durch den Eigensinn eines einzigen Mannes hemmen und beeinflussen lassen? Eure Hartnäckigkeit, Graves, bezeugt Euch als verdächtig.

GRAVES
stammelt.
Nein doch, General –
CROMWELL.

Recht gern möchtet Ihr wohl Euren alten Gebieter retten. O wir schauen der ganzen Geschichte auf den Grund.

GRAVES.
Ich beschwöre, Sir, ich versichere –
CROMWELL.
Ach was! Endigen wir, meine Herrn, und kehren wir zu unsrer Pflicht zurück!
GRAVES.
General –
CROMWELL.
Sir, wenn Ihr klug seid, so zieht Ihr einfach Euren Antrag zurück.
GRAVES
verzweifelt.
Nun gut, meinethalben! Da niemand mich unterstützt, so –
CROMWELL.

Basta, basta! Verliert keine Worte mehr! Immer vorwärts, alter Junge! Drängt Bradshaw kordial nach rechts, alle folgen. Alle ab außer Sidney, Manchester, Montague.

MONTAGUE.
So hat er die Diskussion im Keim erstickt.
MANCHESTER.
Wieder ein Meisterstreich des Schurken!
SIDNEY.
Jetzt ist der König verloren, unwiderbringlich.
MONTAGUE
an der Thür.
Horch! Bradshaw redet.Pause.
MANCHESTER
ebenso.
Jetzt erhebt sich Cokes krähende Stimme.
SIDNEY.
Das bedeutet Vorlesung des Urteils. Pause.
MANCHESTER.
Da schreit die Bande wieder!
MANTAGUE.
Der Jubel dringt bis hierher!
GESCHREI DRAUßEN.
Gerechtigkeit, Hinrichtung!
[132]
SIDNEY.

Pfui, diese Roheit! Die Thür rechts wird weit aufgerissen und man vernimmt lauten Lärm. Nach und nach treten Cromwell, Ireton, Bradshaw, Harrison, Ludlow, Graves, Hammond ein, nebst anderen Mitgliedern des Gerichtshofs.

BRADSHAW.

General Cromwell, Sir, ich muß dies ernstlich rügen. Ich bitt' Euch, Eure Leute besser im Zaum zu halten.

LUDLOW.

Die Soldaten benehmen sich schimpflich, wie man es von ihrer ruhigen Mannszucht und Frömmigkeit niemals erwarten konnte. Die einen werfen dem Manne ihre brennenden Pfeifen vor die Füße, die andern blasen ihm Tabaksdampf ins Gesicht. Und alle schreien sie ihm Verwünschungen in die Ohren. Ich hasse Karl Stuart, aber grad deswegen wünsch ich nicht, ihn zum Märtyrer zu machen.

MANCHESTER
vortretend.
Als wenn er das nicht wäre ohnehin! Das gefällte Urteil ist rechtsungültig.
IRETON.
Was! Wen haben wir denn da! Den verstockten Übelgesinnten, Manchester?
MANCHESTER.
Ich bin der Earl von Manchester und verlange die meinem Range gebührende Achtung!
MONTAGUE.
Auch ich protestiere gegen das Urteil.
SIDNEY.
So auch ich.
CROMWELL
höhnisch.
Lasset die Kindlein zu uns kommen!
BRADSHAW.

Mylords, wir gestatten weder Euch noch irgend einem andern, die Gerichtsbarkeit des Hofes zu bestreiten, der da zu Gericht sitzt durch die Ermächtigung der Gemeinen von England, denen auch der König wie all seine Vorgänger auf Leib und Leben verantwortlich ist.

MONTAGUE.
Das leugne ich. Zeigt mir irgend ein Beispiel!
[133]
CROMWELL.

Herr, wir sind nicht hier, um Eure Fragen zu beantworten. Verantwortet Euch selbst gegen die Beschuldigung –

MONTAGUE.
Gegen welche?
IRETON.
Daß Ihr für Versöhnung mit dem König geredet habt.
MONTAGUE.
Ich rühme mich dessen.
CROMWELL.

So? Nun, das Unterhaus hat vorhin in offener Sitzung, während der Gerichtshof hier tagte, beschlossen: Alle Mitglieder, die wie Ihr gesinnt, auszustoßen. Wie gefällt Euch diese Neuigkeit?

MANCHESTER.

Das ist der Jungfern-Speech der demokratischen Anarchie! Zum Glück gehören Kollege Montague und ich dem Oberhause an –

CROMWELL
ihn unterbrechend.

Auch dafür weiß man Rat. In derselben denkwürdigen Sitzung von heut Abend hat soeben das Unterhaus förmlich und feierlich nach ausgiebiger Debatte das Haus der Lords abgeschafft. Zeichen begeisterten Beifalls unter den Anwesenden.

MONTAGUE.
Ah, das ist zu arg!
MANCHESTER
entrüstet.
Man kann nicht länger in diesem Lande leben. Ich gehe ins Ausland!
CROMWELL
finster.

Das mißrat ich Euch. Ein Freund seines Vaterlands bleibt daheim, denn sonst möchte er als Feind gelten. Verstanden? – Die Lords haben sich den großen Ereignissen nicht gewachsen gezeigt. Das Volk ist die Urquelle aller Gewalt und die vom Volk Gewählten sind die oberste Gewalt in England.

JOYCE
von links her aus der Gallerie eintretend, grüßt militärisch, zu Bradshaw und Cromwell.

Melde dem Lord-Präsidenten und dem kommandierenden General, daß der [134] Gefangene Karl Stuart in sicherer Bedeckung abgeführt und von mir in sein Haftgemach befördert wurde.

CROMWELL.

Stärke er sich denn die kurze Spanne Frist, die ihm noch bleibt, zu dem sauren Lohne seiner Blutschuld. Ist der Bischof von London bei ihm, Major Joyce?

JOYCE.
Zu Befehl. Er betet mit ihm nach den Bräuchen des alten Aberglaubens.
CROMWELL.

Fern sei es von uns, einem irrenden Bruder denjenigen geistlichen Trost zu versagen, den er nach seiner schwachen Einsicht schmackhaft findet! Hätte Karl Stuart nur selber so christlich und duldsam gedacht und gehandelt, so stände er heute nicht vor irdischen und bald vor seinem göttlichen Richter. Wir gewähren ihm gern, was er uns versagte. Denn ich will, daß die Welt es wisse: Wir Puritaner sind streng, aber niemals tyrannisch.

MANCHESTER.

Was, niemals –! Ihr, die ihr eine gesetzliche Gewalt errichtet wie von Dieben und Straßenräubern – Hält inne. Was ist das? Draußen vom Fenster her heftiges Hämmern und Pochen.

JOYCE
gleichgiltig.
Die Zimmerleute erbauen das Schafott des armen Sünders. Bewegung der Anwesenden.
MONTAGUE.
Entsetzlich! So soll das Ungeheure denn geschehn? In wessen Namen?
LUDLOW.
Im Namen des guten englischen Volkes, von welchem jener Hochverräter zum König gewählt.
MANCHESTER.
Gewählt! Seid tausend Jahren ist England ein Erbkönigreich und ist niemals ein Wahlreich gewesen.
CROMWELL
kalt.
So wird's es also von jetzab werden.
SIDNEY.
Unter König Cromwell? Bewegung.
[135]
HARRISON.
Man stopfe dem Lästerer den Mund!
SIDNEY.

Mit der Erde des Grabes, wenn ich schweigen soll in Verteidigung der guten, alten Sache. Ihr untergrabt Eure eigenen Zwecke, die zum Teil die meinen sind. Das Volk wird einen Widerwillen gegen die Republik fassen. Ein plötzlicher Aufstand wird den König zu retten –

CROMWELL.
Es wird sich keiner rühren. Ich sage Euch, wir werden ihm den Kopf abschlagen samt der Krone dazu!
SIDNEY.

Thut was Ihr wollt! Ich kann Euch nicht hindern, werde aber an der ganzen Geschichte keinen Anteil nehmen.

CROMWELL
trocken.

Das ist um so betrübender, als der Staatsrat des Reichs, der soeben vom Parlamente eingesetzt, auf Vorschlag des gewählten Vorsitzenden des Staatsrats, Eures Dieners Oliver Cromwell, den Namen Sir Algernon Sidneys zu den Seinen zählt.

SIDNEY
betroffen.
Ich – bin –
CROMWELL.

Ein Mann von Talent, den das Vaterland nicht missen kann. Ihr werdet Euch noch besinnen. Was aber das Loos dieses unseligen Stuart betrifft, so ist zwar Whitehall von Truppen umstellt und mein edles Heer würde jede Rebellion in der Wiege erwürgen. Allein, um den Tisch rein zu machen, haben wir mit Gottes Hilfe verfügt, daß der Verurteilte sofort bei Tagesanbruch dort draußen auf dem Platz vor Whitehall angesichts der Häuser des Parlaments gerichtet werden soll.

MANCHESTER.

Bei Tagesanbruch? Jetzt gleich? Und Zahllose bestreiten die Kompetenz des Gerichts überhaupt! Das nennt Ihr ein anständiges Verfahren?

[136]
BRADSHAW.
Sir, man redet nicht von Kompetenz vor dem höchsten aller Gerichte, dem Volk von England.
MONTAGUE.

Nicht der Hälfte des Volks! Wo ist seine Zustimmung? Selbst der Lord-General Fairfax – wo ist er? Er hat zu viel Verstand, um hier zu sein.

IRETON
zuckt die Achseln.

Oder zu viel Furcht. Er möge sich auf seine Güter zurückziehn. Das wahre Haupt des Heeres steht hier! Deutet auf Cromwell.

COKE
eintretend von rechts.

Mylord Präsident, empfanget, hihi, das Erkenntnis des hohen Gerichtshofs in aller Form Rechtens. Legt ein Dokumentpapier auf den Tisch. Gegeben unterm Insiegel des hohen Hauses der Gemeinen.

BRADSHAW.
Ich bitte die Anwesenden zu unterschreiben.
MONTAGUE.
O mein Gott, bedenket, ich flehe Euch an .. nur etwas Aufschub ..
GRAVES UND HAMMOND.
Ja, etwas Aufschub!
IRETON.
Hat er nicht die Stunde der Gnade versäumt aber und abermal?
CROMWELL.

Er hat die Gnade ausgeschlagen, sein Blut komme auf sein Haupt! Er konnte errichten Jehovas Thron, er ward zu schwach befunden. Wahrlich, ich sage Euch: Eine Zeit des Bluts muß kommen vor der Zeit des Heils.

COKE
verdreht die Augen.
Das Blut der Heiden, die den Baalim dienen, ist dem Herrn ein süßes Speisopfer.
BRADSHAW.

Alle Seelen im neuen Jerusalem preisen diesen glorreichen Tag des Opfers, da der Fürst der Gottlosen soll ausgerottet werden.

LUDLOW.
Gott hat in seinem Zorn den Königen erlaubt zu herrschen.
[137]
HARRISON.

Jener Egyptier, der vor dieser Zeit einen Aufruhr erregte und viele tausend Mörder in die Einöde führete, – dem Herrn verbannt soll er werden mit all den Seinigen, wie der verfluchte Achan erschlagen ward im Thale von Achor samt Söhnen und Töchtern, Ochsen und Schafen und allem Lebenden, das ihm gehört!

JOYCE.

Was sind denn Könige! In der Höhle von Mackede wurden die fünf Könige von Moab überliefert in die Hände Josuas, des Sohnes Nun.

CROMWELL.

Also vorwärts an's Werk! – Hoho, die Herren dableiben! Ihr wollt Euch wohl drücken, hahaha! Hält einige Kommissarien auf, die weggehen wollen. Nur immer 'ran hier, 'ran! Alle Mann an's Ruder!

MANCHESTER
zu Sidney.
Ich erkenne Cromwell nicht wieder. Seine sonstige Würde und nun!
MONTAGUE.
Solch lärmender dreister Übermut!
SIDNEY
lächelnd.
Merkt Ihr nicht, daß diese Munterkeit nur erkünstelt, um den andern Mut zu ma chen?
BRADSHAW
unterschreibt.
»John Bradshaw.«
IRETON.
»Henry Ireton.«
CROMWELL.
»Oliver Cromwell.« – Heda, Gevatter! Malt Ludlow, dem er die Feder reicht, einen Tintenbart. Hahaha!
LUDLOW.

Alter Spaßmacher, sei nicht so grob! – »John Ludlow.« Harrison, Graves und Joyce unterschreiben. Hammond will zur Thür hinaus.

CROMWELL
ihn packend.

Hoho! Diesmal soll man uns nicht entwischen! Steckt Hammond die Feder in die Hand und zwingt ihn, von Ireton unterstützt, zum Unterschreiben. Hehe, Herr Generalanwalt Coke, fürchtet Ihr Euer eigenes Erkenntnis? Bekennt Euch zu Euren Werken!

COKE
verzweifelt unterschreibend.
Hihi! Mehr als gehängt kann man nicht werden!
[138]
CROMWELL
barsch.

Wer spricht vom Hängen! Ja, hoch soll er hängen wie Haman, wer da nähret den Sauerteig böser Gesinnung! Immer 'ran hier, die Herrschaften! Alle noch Anwesenden außer Sidney, Manchester und Montague unterschreiben. Und nun bringt das Blatt denen, die noch da drinnen im Gerichtssaal hocken und sich verkriechen möchten aus Menschenfurcht. Bradshaw geht hinein. Und nun die letzte Akte dieses ewig denkwürdigen Prozeßtags: Der Befehl an den Henker! Euch, Major Joyce, der Ihr den Mann eskortiert, kommt es zu, die Ordre zu schreiben.

JOYCE
erschrocken.
Nein, General, nein. Das thu' ich nicht.
IRETON.
Was! Ihr macht uns Schande. Eben will's Schiff in den Hafen einlaufen und Ihr zieht die Segel ein?
JOYCE
fest.
Ich beharre bei meiner dienstlichen Weigerung. Es kommt einem Höheren zu, die Weisung aufzusetzen.
CROMWELL
schreibt in fliegender Hast am Tisch.

Pah, pah! So muß man alles selber auf sich nehmen. Da! Harrison, unterzeichne Du als Vorgesetzter. Harrison unterzeichnet das ihm gereichte Blatt und reicht es Joyce, der sich verbeugt und abgeht. Cromwell laut und feierlich. Lasset uns nicht ankämpfen wider den höchsten Willen. Das Werk des Herrn darf nicht Stückwerk bleiben. Der Baum der Ungerechtigkeit liegt am Boden, dieweil wir die Axt an die Wurzel gelegt.

MONTAGUE.
Nesseln wachsen, wo Nesseln gesät.
CROMWELL
donnernd.

Hinweg! Die Gewaltigen führen das Schwert nicht umsonst. So ich Euch zur Rechenschaft fordre, da werdet Ihr nicht bestehn vor dem Angesicht [139] meines Zornes. Montague und Manchester ab. Was Euch betrifft, Sir Algernon Sidney, so erwarten wir Euch morgen wieder im Haus der Gemeinen. Zugleich mit dem Beilschlag, der den Mann des Blutes trifft, wird die Republik ausgerufen.

SIDNEY
freudig.
Die Republik? Eiserner Mann, auch das schon im Geheimen vollbracht? Er verbeugt sich.
CROMWELL.

So hat denn Gottes Güte den Traum Eurer Nächte erfüllt. Seid Ihr mit mir zufrieden? Nun, meine Herren, gehe jeder heim und durchwache den dämmernden Tag in brünstigem Gebet! Lasset mich hier weilen bis zum Morgen. Ich bringe dem Herrn ein Dankopfer für diese große krönende Gnade. Wahrlich, ihm allein die Ehre! Er ist ein Schild der Hilfe und ein Schwert der Fürtrefflichkeit.

COKE
für sich.
Plaudite, amici! Der Komödiante bleibt sich treu.
LUDLOW.
Thue, was in Deinen Augen wohlgefällig ist! Alle ab, außer Cromwell und Harrison.
HARRISON.

Ich, Bruder Cromwell, harre aus bei Dir in der Stunde der Prüfung! Lasset uns ernstlich die Ursachen dieser Fügung erforschen und unter gnädiger Führung des Herrn prüfen, ob irgend jemand sein Gewissen belastet habe. Cromwell ist am Tisch auf einen Stuhl gesunken, das Haupt auf die Hände stützend.

CROMWELL.

Setz' Dich daher! – O Bruder, meine Seele ist müde bis auf den Tode. Wahrlich, diese schwierige Hülle des Leibes ist uns eine Last. Laß uns nicht die Hände falten zum Schlaf, auf daß wir nicht in Anfechtung fallen.

HARRISON
zieht eine Bibel hervor.

Laß uns befragen das Wort Gottes! Schlägt auf. Siehe hier, ich halte [140] Dir vor jenes gute Wort, »Buch der Sprüche« 1 und 23: »Wendet Euch zu meinen Worten: ich will ausgießen meinen Geist unter Euch.« Ja, Bruder Oliver, ein Schritt der Sünde führte Dich und die, so Dir trauten, in Wirren, um unsre Herzen und Hände zu entkräften. Du erfülltest uns mit Spaltungen, Unordnungen, Tumulten und andern bösen Werken. Die Mittel, welche Du mißbrauchtest, fielen auf uns zurück.

CROMWELL
etwas unwirsch.

He? Von wannen dieser Angriff? Was war so einschneidend verderblich für die heilige Sache, in welcher ich mit so großen Erfolgen gesegnet?

HARRISON.

Daß Du einst mit dem Ahab verhandelt hast hinter dem Rücken der Gläubigen. Entzogen nicht Deine herzlichsten Freunde in der Nation Dir ihre Zuneigung, dieweil Du Dich abseits wandtest vom Pfade der Ehrlichkeit? O Frucht des Bedientenlohnes abtrünniger Herzen! Ergriff uns nicht böse Eifersucht untereinander, bereit, uns zu zerreißen und zu zerstückeln? Sprachen nicht unsre Feinde: »Sehet, das ist der Tag, auf den wir gewartet haben?« Und von solchen Plänen getragen, bereiteten sie das allgemeine Verderben vor und dräueten Vernichtung dem Werk unsrer Hände.

CROMWELL.

Meine Absicht war rein und friedenvoll, zum Heile dieser armen Nation. Machten nicht damals einige zur Nachahmung das Beispiel des Herrn Christus geltend, welcher sein Leben besiegelte durch Leiden?

HARRISON.

Niedrige Menschenfurcht, weltliche Verhandlung mit Deiner eigenen überschlauen Weisheit! Du hast uns entfernt vom Glauben und erwecket den Zorn des Herrn! Und das erzeugte in uns allen ein mächtig Gefühl von Reue und Abscheu vor uns selbst. Und [141] Gottes Güte, welche zu erkennen wir erschaffen wurden, gedachte Deiner begnadeten Seele im Zustand Deiner Erniedrigung und nun erfreuten wir uns im Herrn mit Bangen und Zittern. Diese Stellen der heiligen Schrift sind mein Trost gewesen: Schlägt die Bibel auf. Leset Jesaiah 8, 10, 11, 14, leset das ganze Kapitel!Räuspert sich.

CROMWELL
der sehr unruhig geworden ist, steht auf und bläst den mattbrennenden Kandelaber aus.

Laß das, mein Bruder, ich bin bibelfest im Text. Predige frei und laß uns im Dunkeln weilen mit unsern lichten Gedanken, auf daß in äußerer Finsternis der Geist sich heller sammle. – Ja, wohl wahr! Wenn wir an unsern Gott denken, was sind wir dagegen! O seine Gnade gegen die ganze Gemeinde der Heiligen, der verachteten Heiligen! Laß sie doch spotten! Ach, wären wir nur alle heilig! Die besten von uns sind arme, schwache Lämmer.

HARRISON
näselt.

Wir leben, Ihr wisset wo: in Meschik, das heißt Harren, in Kedar, das da heißet Finsternis. Meine Seele ruht in der Versammlung der Erstgeborenen, mein Leib in Hoffnung.

CROMWELL.

So ist's. Wahrlich, kein armes Geschöpf hat der Gründe mehr, zu zeugen für seinen Gott, denn ich. O ich liebte Finsternis und haßte Licht. Ich war ein Haupt, ich war das Haupt der Sünder. Er ließ mich schauen Licht in seinem Licht! Gelobt sei sein Name! Bete, mein Bruder, bete für mich, daß Er, der ein gutes Werk in mir begann, es vollende am Tage der Erfüllung!

HARRISON.

Hm! Gott erbarmte sich Deiner mit sonderlich süßer Stärkung. Und ich bin Dein Bullenbeißer und wären auch so viele Satanssöhne, wie Haare auf meinem Kopf, so will ich sie doch in ihren Schanzen [142] angreifen, körperlich und unkörperlich, mit der Bibel und mit dem Schwert. Du aber hüte Dich, Oliver, daß Du nicht den Sitz der Abgötterei wieder erhöhest und abscheulichen Götzendienst von Baalspfaffen, auf daß nicht dies Babelschloß hier, Whitehall mit Namen, wo Du jetzo Dein Zelt aufschlugest, wiederum werde zu einem geheimen Stall, um die Kälber von Bethel zu mästen!

CROMWELL
der während der letzten Zeit unruhig auf und abging, bleibt stehn.
Barsch: Generalmajor Harrison, was soll diese Predigt? Bleib bei der Sache, ich bitte mir's aus!
HARRISON.

Generalmajore mich nicht, als wäre ich ein Weltkind. Ich bin Dein Bruder Harrison, so Dich ermahnet .. ha, was schleicht heran? Ist's der Versucher, der unsichtbare? Von der Gallerie her tritt Milton ein.

CROMWELL
aus Schwert greifend.

Ich glaube nur an Gespenster von Fleisch und Bein. He, Du da, bist Du der Leibhaftige oder ein Übelgesinnter? Es ist so dunkel, daß man nichts erkennen kann.

MILTON.

Ich bin John Milton. Man sagte mir, ich würde Euch hier finden, wenn Ihr Cromwell seid. Ich glaubte nicht, Euch im Dunkeln zu treffen. Meine Augen sind halb erblindet durch Studien und Nachtwachen – verzeiht also, wenn ich Euch nicht sehe.

CROMWELL.
Thut nichts, wenn's Herz nur helle ist. Ich erkenn' Euch an der Stimme. Was wollt Ihr von mir?
MILTON.

Euch danken von ganzer Seele, daß Ihr meinen heißen Wunsch erfülltet, mein Wirken nutzbar zu machen für des Staates Gemeinwohl. Ich erfuhr soeben in dieser aufgeregten Nacht, daß ich auf Eure Empfehlung zum Staatssekretär ernannt bin.

[143]
CROMWELL.

Schon recht. Habe seit lange ein Aug' auf Euch. Eure Schriften dröhnen wie klirrender Stahl. Wir brauchen einen solchen Schriftgelehrten. Der eine zieht vom Leder, der andre zieht die Feder. Eure Sprache stampft wuchtig einher wie ein Cromwellscher Kürassier und Ihr packt die Dinge mit derbem Büffelhandschuh – nicht wie die eiteln Poetaster und Sophisten der Kavaliere, deren Geschmier einem Spitzenhandschuh gleichet, der moschusduftig ein Barettlein schwingt, reiherbebuscht und mit güldnen Zierraten befranst. Wir brauchen Euch, John Milton. Sagt doch, Ihr habt das Hochgericht über diesen sündigen Mann des Blutes begeistert gebilligt in Eurem »Bilderzertrümmerer.« Ihr seid ein reiner, schlichter Mann .. aber sagt doch, stehet nicht geschrieben: »Wer Blut vergießet, deß Blut soll wieder vergossen werden«, und zum andernmal: »Die Rache ist mein, ich will vergelten?«

MILTON.

Wie, Du große Leuchte und Flammensäule, die da Israel leitete über das rote Meer .. herrscht die Wolke des Zweifels über Dir?

CROMWELL.
Nein nein, ich .. ich wollte Dich nur prüfen, John Milton. Sagt, Milton, wie geht es Euch sonst?
MILTON.

Ich habe einen Leib der Sünde und des Todes. Aber bei aller Gebrechlichkeit trotzet unser sündhafter Zustand der Verdammnis und wartet auf Erlösung. Jeden Tag habe ich Ursache, reichlich zu preisen den Herrn und mein Fleisch zu strafen – und in letzterer Beziehung habe ich einige Übung.

CROMWELL.

Ich weiß, Du bist ein tugendhafter Heiliger und wirst zur Vollkommenheit gelangen. Ja, wir alle an unserm Teil standen sichtbarlich unter der [144] Vorsehung und dem Zeichen Gottes, unter dem wir obsiegeten. Er war mitten unter uns.

MILTON.

Ja, Er, der im brennenden Dornstrauch gewohnt hat auf dem Horeb der Verheißung, er ließ sein Licht scheinen über Dir. Er kann und will vollenden, was er begonnen. Fand Gott Dich nicht heraus, da Du durch unsre Mitte schrittest unbekannt und unerkannt?

CROMWELL.
Wahr, wahr. Und diese heutige That wird wohlgefällig sein vor seinem Angesicht?
HARRISON
ärgerlich.
Wer fragt so? Ein heidnischer Thor?
CROMWELL.

Teurer Harrison, Du und ich, wir waren niemals würdig, Wächter göttlicher Entschlüsse zu sein. Laß diesen heiligen Mann reden! Nicht wahr, es ist sicher, daß Gott sich nimmer offenbart hätte, um die Gottlosen zu erheben? Für sie giebt es keinen Frieden. Zeichen auf Zeichen haben wir, daß es schlecht gehen wird mit jenen und ihren Genossen. Aber da reden sie von Gesetzlichkeit –

MILTON.

Die Wohlfahrt des Volkes ist oberstes Gesetz. Das Heer und Du, Ihr seid die höchste gesetzliche Gewalt, von Gott selbst ins Leben gerufen. Denn die Gesetzlichkeit dieses großen Kampfes beruht in ihm selbst, des Kampfes zwischen Licht und Finsternis.

CROMWELL
brütend.

Ganz recht, so ist's. Und sehet diese Kette von Ereignissen – hängen sie nicht eng zusammen, klar und deutlich? War's nicht höchste Vermessenheit, uns auszurotten, uns Arme, die wir Puritaner heißen? Und siehe da, wir stellten unsre Sache dem Vater des Lichts anheim und riefen zum Gott der Schlachten und das Glück der Waffen war unser. Ja, der große Gott hat sich herabgelassen, in diesem [145] kleinen Heere zu erscheinen unter meinem demütigen Banner.

MILTON.

Und er wird ferner mit Dir sein. Cromwell, hüte Dich vor den Menschen! Laß allein die Stimme in Deinem Busen sprechen! Alles, was in dieser Welt glänzt von Namen, Titeln und Ansehn, ist wider Dich. Dennoch aber erzittre nicht, weil Du Deinem großen Gotte dienen mußt. Nicht der Kampf heißt Gott versuchen, sondern kämpfen ohne Glauben. Die das Herz erleuchtende Macht ist der Glaube und mit dem Widerstande wächst der Glaube.

CROMWELL
einfallend.

Und es ist christlich, daß derjenige, welcher nicht erleuchtet ist, Vertrauen habe zu denen, welche es sind, und nicht leichtfertig richte! Das merke Dir, Harrison! – Ja, fragen wir, ob nach solchen Erfolgen, gegen welche viele Geschlechter nichts ähnliches aufweisen können, tüchtige Männer in unklaren Entschlüssen enden sollen? Die glorreichen Siege Gottes sollen anderen Samen tragen.

MILTON.

Jo triumphe! So schreite vorwärts, priesterlicher Krieger, in dem Harnisch Deines lautern Gewissens gewappnet, unbeugsam, bis Du fällst auf dem Felde der Ehre! Sei ein guter Hasser! Der Rose Duftgebet ist vor dem Thron des Höchsten nicht lieblicher wie das Blut der Söhne Belials. Schwach sein ist das einzige Elend.

CROMWELL.

Ha, was sagst Du da? Das war eine Eingebung. Geht im Dunkeln auf ihn zu und drückt ihm die Hand. Ich danke Dir.

MILTON
begeistert.

Wenn die Posaune des jüngsten Gerichts die Toten erweckt auf dieser stolzen Insel, die so fruchtbar an großen Männern wie keine außer der [146] heiligen Erde von Hellas, möcht' ich so an Deiner Seite stehen Hand in Hand, als Zeugen der guten alten Sache. Wenn ich Worte fände, die entflammen wie eine edle That, dann wüßt' ich armer Scribifax, was unsterblich fortwirken und unvergänglich bleiben wird von John Milton dem Puritaner. Er entschwindet im Dunkeln nach links.

CROMWELL
ihm nachschauend.

Das Hochgefühl eines ganzen, edlen Lebens! Gehe hin und sei gesegnet! Draußen heftiges Hämmern und Pochen. Ach wieder diese boshaften Stimmen aus der Unterwelt!

HARRISON
näselnd, nähert sich ihm.

Unterwelt, ja wohl! Laß Dich nicht irreführen ins Dunkel! Bruder, wir sind hier einträchtig beisammen wie im Schattenthal des Todes, im Thale Josaphat.

CROMWELL
vor sich hin.

Weh mir, ich allein in dieser Nacht, allein mit einem Verrückten! – Was fürcht' ich denn? Dieser Mann, den Gott selbst verleugnet hat – doch – hat Zimri Friede, der seinen Herrn erschlug? Was plagt mich der alte Ammenglaube an eines Königs Unverletzlichkeit? Ich wollte, des Mannes Blut wär' nicht an meinen Händen. Doch kann ich sein Schicksal ändern? Er trägt Unglück auf seinem Gesicht; es war ihm vorbestimmt. Und ich – was ist mein Loos? Stehts in den Sternen geschrieben? Laut, heftig. Wohl ist's eine große Sache, sich zu erheben über der Menschen Scheitel. Aber nur Haß und Neid und Eifersucht erntest Du damit. Ich habe für dies Volk von England getrotzet dem Feuer und Stahl, und jener nun bald verstorbene Mann hat sie geplagt wie die Backsteinbrenner Egyptens. Und jetzo, wo ich diese Herde dem wahren Hirten überlieferte, der freien Kirche im freien Staat, und sie weide im Thale Gosen, jetzo blicken sie scheel und [147] knirschen in ihren Bart: Hoho, Königsmörder, Vatermörder!

HARRISON.

Hm, was hör' ich! Immer denkst Du nur an Dich selbst. Aber da ist genug in unsres Vaters Hause und er verteilt es. Christus nimmt Gestalt an in uns allen.

CROMWELL.

In uns allen? Hm, sicherlich. Jedoch .. nicht so, wie Du meinst. Scharf. Ah, ich merke, Generalmajor Harrison, Ihr schlagt Euch zu den Gleichmachern, gleich Eurem Freund Lilburn, der im Tower sitzet, um sich von seinen Irrlehren zu bekehren?

HARRISON.

Ja, leider sitzet er. Vernünftele nicht, Kaltherziger! Ja, Du hast ihn verbannt an den Ort, wo Heulen und Zähnklappern wohnet, indeß Du im Lande jubilirst, wo Milch und Honig fleußt. Ich sage Dir, unser gottseliger Oberst Lilburn wird seine Ketten –

CROMWELL
streng.

Behalten, bis er vernünftig wird. Grade wie der aufreizende Prynne, dieser Schriftsteller des ewigen Verneinens, der alles anficht, was nicht in seinem hohlen Schädel ausgebrütet. Beide, er und Lilburn, haben Pamphlete verbrochen, worin sie »Englands neue Ketten« bewimmern. Ich aber werde die ganze schlechte Presse in Bande und den Kanzelrednern Eurer Partei das Handwerk legen mit eiserner Hand. Was wollt ihr »Gleichmacher« denn eigentlich noch?

HARRISON.

Siehe, Verblendeter, wir sind die Männer der fünften Monarchie und harren auf Christi Wiederkommen und die Herniederkunft des Reiches Gottes auf Erden. Lies Buch Daniel, Kapitel 7.

CROMWELL
verächtlich.

Lies das Buch der Menschheit, Kapitel Alpha bis Omega! Nun, und was werdet ihr neuen Mosesse thun mit Israel?

[148]
HARRISON
hat das Gesicht mit den Händen bedeckt, jetzt ruft er fanatisch.

Jetzt ist es mir eingegeben, jetzt werd' ich Dirs sagen. Dies Heer wird die Monarchie vernichten nicht nur hier, sondern auf der ganzen Erde. So werden wir der Rückkehr nach Ägyptenland Einhalt thun.

CROMWELL
kalt.

Mein Freund, die Fleischtöpfe Ägyptens haben doch auch ihr Gutes. Dies abgemagerte Volk sehnt sich, wieder fett zu werden.

HARRISON.

Wie, wer ist dieser Gleißner und Zöllner, ist 's ein Blendwerk der Hölle in Cromwells Maske? Fleisches-Dienst im Mund eines Heiligen?

CROMWELL
stolz und gebieterisch.

Eines Herrschers. Ja, mein Freund, ich werde die Sache des heiligen Gottes und seiner reformierten Kirche über die ganze Welt hin fördern wider die katholische Politik derer von Habsburg und Bourbon. Ihr aber störet mich nicht bei meinem gewaltigen Werk oder ich will Euch fragen, was der Spruch bedeutet: Ehre, dem Ehre gebührt!

HARRISON
fauatisch.

Eure Mäuler werden gestopft werden, weil ihr solche Frage stellt. Siehe, die Wiedergeburt der Schöpfung naht, alle Menschen werden freiwillig ihren Besitz aufgeben – Cromwell lacht. Werda? Harrison zieht das Schwert und dringt gegen die Gallerie, von woher Sporengeklirr und hastige Schritte tönen. Es ist mittlerweile Morgen geworden. Ireton kommt von links.

IRETON
hastig.

Still, ich bin's, Ireton. Der Tag bricht an. Ich bin beauftragt, dem Volk die Urkunde der Hinrichtungsakte zu verlesen.

CROMWELL
halblaut.
Dem Volk? Bah!
IRETON.
Es steht draußen Kopf an Kopf, um an dem meineidigen Volksverderber das Recht vollstreckt zu sehn.
[149]
CROMWELL.

Bah, wenn es gälte, mich köpfen zu sehn, würden noch mehr da sein! Ireton öffnet langsam das große Fenster. – Er tritt an die Brüstung und prallt zurück. Ah, das Schafott!

IRETON
kalt.
Schwarzverhangen und der Henker im roten Kleid. Es macht sich gut. Entrollt ein Pergament.
CROMWELL.
Ja, Du bist von Eisen, Du! – Lies nur zu!
IRETON
an der Brüstung stehend, gebietet mit der Hand Schweigen.

Draußen Trommelwirbel. Er liest mit erhobener Stimme. Männiglich kund und zu wissen: »Dies ist das einstimmige Urtel des Gerichtshofs in Sachen des Volks von England wider Karl Stuart, weiland König. – Nicht zufrieden mit den zahlreichen Eingriffen, welche bereits seine Vorgänger gegen Rechte und Freiheiten des Volkes gewagt, hat er den verruchten Plan genährt, die alten Grundgesetze dieser Nation vollständig zu vernichten. Außer andern verwerflichen Mitteln hierzu hat er mit Feuer und Schwert einen grausamen Krieg angesponnen, wodurch das Land kläglich verwüstet, der Staatsschatz erschöpft, der Handel zu Grunde gerichtet, und viele Tausende vom Volke getötet worden sind, sowie auch unendliche andere Unthaten ausgeführt. Für alle welche Hochverrätereien besagter Karl Stuart schon längst hätte zu strenger und verdienter Rechenschaft gezogen werden müssen. Er ist nun überwiesen, überführt und verurteilt und soll er als Tyrann, Verräter, Mörder und öffentlicher Feind der Menschheit den Tod erleiden durch Trennung des Hauptes von seinem Leibe, was allsogleich zu geschehen hat.« Er tritt zurück. Draußen Summen wie von großen Volksmengen.

[150]
CROMWELL
ergriffen.

Sie ist also da, die große Stunde ist da! Trommelwirbel von links. Joyce kommt eilig von dort, ein großes Schwert übergeschultert. Sieh da, der Herold des Todes!

JOYCE.
Platz da, Platz! – Der Zug kommt gleich hinter mir!
CROMWELL
zu Harrison.

Laß uns dort in die Nische treten! Es lüstet mich, den Mann zu sehn auf seiner letzten Pilgerfahrt durch dieses Jammerthal.Er tritt mit Harrison in eine Nische, die ihn verbirgt. – Pause. Plötzlich beginnt draußen das Armesünderglöcklein zu läuten. Von links dumpfer Trauermarsch. Soldaten marschieren, je zwei und zwei, herein und bilden Spalier. – Trompetentusch. Der König Karl, sehr elegant gekleidet, festen Schritts, tritt auf, an seiner Seite der Bischof von London im Talar. – Joyce und Ireton nehmen ihn in die Mitte.

DIE SOLDATEN
schreien.
Gerechtigkeit! Vollstreckung! Hinrichtung!
KARL.

Arme Leute! Für einen Schilling würden sie ebenso gegen ihre eigenen Offiziere schrein. Er schreitet auf das Fenster zu.

JOYCE
ihn aufhaltend.
Halt! Dort steht das Schafott! Erschrecken Sie nicht!
KARL
auf Joyce's blankes Schwert weisend.

Ich habe keine Furcht davor. – Seht Ihr nicht, daß ich geputzt bin wie ein Bräutigam zu seinem Freudenfeste? Ich gehe zu unserm himmlischen Vater. – Bezähmen Sie Ihren Schmerz, Mylord Bischof! Wir haben keine Zeit, uns damit zu beschäftigen. Denken wir an unsre große Angelegenheit! Ja, ich bin vorbereitet, vor Gott zu erscheinen, dem ich in kurzer Frist Rechenschaft ablegen muß. Reden wir nicht mehr von jenen Elenden, die nach meinem Blute dürsten. Ich verzeihe ihnen [151] allen, denn die Schurken wissen nicht, was sie thun. Joyce nähert sich ihm. Was wünschet Ihr, mein Freund?

JOYCE.

Der gottselige Mann Peters, Feldkaplan im Leibregiment Cromwell, bietet Euch seine Dienste an auf dem letzten Gange.

KARL.

Ich danke. Sagt ihm, nachdem er so oft gegen mich gebetet, könne er beim Todeskampfe seines Königs nicht für mich beten. Geht! Ja, Mylord Bischof, ich habe eine gute Sache für mich und einen gütigen Gott. So strenge ich mich prüfe, darf ich in Demut von mir sagen, ich war ein edler Mensch, .. der seine Schwächen hatte. Das Volk wird mich beweinen als Märtyrer seiner Freiheit.Das große Fenster wird geöffnet. Ob wohl dieser Cromwell je im Shakespeare las? Die Mordnacht Macbeths, der den gnadenreichen König –

JOYCE
vortretend.
Sire, es ist Zeit.
KARL
tritt ans Fenster.

Nur noch ein Schritt voll Angst, doch kurzer Dauer; eine lange Reise von der Erde zum Himmel. Lebtwohl, Mylord Bischof. Bringt meine letzten Grüße Ihr, bei der meine letzten Gedanken weilen, meiner erhabenen Gemahlin. Sagt ihr, wie ihre keusche Treue, Liebe und Weisheit mein Leben verschönt hat, wie ich ihrer würdig mein königlich Blut verströme. – Nein nein, keine Schwäche mehr! Ich gehe zu einer unverwelklichen Krone über. Am Fenster stehend, schaut er hinaus. Sieh, das Volk! Darf ich es anreden?

JOYCE.
Ich weiß nicht, ob – Er tritt in die Nische zu Cromwell.
CROMWELL
leise.

Ferne sei es von uns, dieser armen Seele zu wehren. Vielleicht bereuet sie ihre Hartherzigkeit und ihre Missethaten. Joyce tritt zum Könige und macht ein bejahendes Zeichen.

[152]
HARRISON
flüsternd.

Geht er nicht einher, wie einer, der vom Fetten genährt und vom Süßen getränkt und gekleidet in Purpur und feine Leinwand? Ha, der böse Feind ist körperlich erschienen. Willkommen, willkommen! Das Todenglöcklein verstummt.

KARL
spricht, am Fenster stehend.

Möge niemand glauben, daß ich mich der Schuld unterwerfe wie der Strafe. Meine Pflicht gegen Gott und gegen mein Land erheischt, mich rein zu bekennen als guter König und guter Christ. Der Gesalbte des Herrn ist zu morden, aber nicht zu beugen. Mit meinem letzten Odem behaupte und bezeuge ich vor dem König der Könige: ich habe Recht gethan. Die Verachtung der Rechte des Souverains ist der wahre Grund unsres großen Unglücks, das über alle hereingebrochen. Das Volk darf keinen Teil an der Regierung haben, nur unter dieser Bedingung kann die Welt bestehn. Und in diesem unerschütterlichen Glauben befehle ich mich in Gottes Hand. Er schreitet hinaus. Joyce, Ireton u.s.w. folgen.

CROMWELL
mit Harrison allein, vortretend.
Fahre er dahin in seinen Sünden!
HARRISON
hallucinierend.

Es nahet, es nahet die Stunde, wo der gräßliche Drache losgelassen aus dem Abgrund, wo er gefesselt lieget. Und es wird ein Donnern und Blitzen.

CROMWELL
lauschend.

Horch! – Ich mag nicht hinsehn. Er kniet nieder .. jetzt legt er sein Haupt auf den Block .. jetzt faltet er wohl die Hände, die verblendete arme Seele sendet ein Stoßgebet zum Himmel – ha! das Beil fällt!

HARRISON
jauchzend.

Stürze, Babylon, wie Dein Gebieter Nebukadnezar! Draußen anhaltendes dumpfes Murren und Murmeln einer großen Volksmenge.

[153]
STIMME DES HENKERS
draußen.
Dies ist das Haupt eines Verräters!
HARRISON.

Und die Asche soll geworfen werden in den Bach Kidron, auf daß das Land gereinigt werde von der alten Verkehrtheit. Die Kirchenglocken setzen mit dumpfen Schlägen ein bis zu Ende des Aktes.

CROMWELL
ans Fenster tretend, mit fester Stimme.

Der große Staatsverbrecher ist gerichtet. Sein Leichnam liegt in seinem Blute. Cynisch. Es war ein Körper von guter Konstitution, der ein langes Leben versprach. – Was schaudre ich? – Sind dies nicht die wunderbaren Werke Gottes? Hat er nicht zerbrochen die Zuchtrute des Unterdrückers, wie in den Tagen von Midian – nicht mit Gewändern, die in Blut getaucht, sondern durch den Schrecken des Herrn? Sind unsre Gewänder in Blut getauft? Ja, in dies Blut des Tyrannen, wie in Taufwasser des Jordan. – Was also sollten wir schaudern, warum und wovor? Ob wir wohlgefällig den Menschen dieser Welt, was thuts! Gott ist mächtiger denn alle Verleumder. Kommt doch an, all ihr Kleingläubigen, zielet hierher auf mein verfehmtes Haupt! Ich aber sage euch, und sollt' ich selbst zu dieser Stunde mein Blut dem Blute dort draußen mischen: Dies ist nichts anderes als die Hand Gottes. Ich preise Ihn, der mich behütet hat wie seinen Augapfel, daß Könige sollen vor mir verworfen werden. Sorgen wir nicht, was die Menschen machen aus dieser That. Mögen sie wollen oder nicht, sie müssen den Willen Gottes ausführen. Und wir werden arbeiten für unsere Nachkommen. Das Endurteil erwarten wir von ihnen, und das wird von Dauer sein! Ich weiß, daß mein Erlöser lebt und daß er mich rechtfertigen wird. Wo sind die Feinde Englands und die Schmäher der Freiheit? [154] Auf, daß ich sie zerschmettere im Namen des Herrn, der mich geführet hat auf allen meinen Wegen. Nimmer will ich vergessen, wie Er mein blindes, wüstes Herz erleuchtet hat und meine saure Arbeit begnadete und seine Macht offenbarte .. in mir. Er kniet und betet.

HARRISON.

Der Herr hat als Kometen Dich ausgesteckt in seiner Nacht und Du warst eine feurige Zuchtruthe und Geißel über Adoni Besek samt den Syrern und Edomiten. Aber Licht – Licht ist nirgends als in der fünften Monarchie, die da kommen wird.

CROMWELL
erhebt sich, kalt, höhnisch.
Weißt Du das so gewiß?
HARRISON.
Du sprichst wie die Heiden und Blinden. Aber sollen die Blinden sein über die Lebenden?
CROMWELL.
Nennest Du mich einen Blinden?
HARRISON
verzückt.

In Mauern von Jaspis und zwölf Thoren von Perlen werden die Heiligen in ihrer Gloria herrschen. Wisse, das tausendjährige Reich bricht an.

CROMWELL
bitter.
Und wieviel Jahre dieses armen Gemeinwesens der Republik von England?
HARRISON.

Das sind müßige Fragen. Ein Ertönen der Posaunen, ein Klirren und Ausströmen ist in der Luft. Das Reich der Heiligen beginnt und wir beide, Feldherr Israels, sind als Pfeiler Zions erwählt.

CROMWELL
höhnisch.
Werden wir auch mit gehörigen zeitlichen und geistlichen Einkünften ausgestattet?
HARRISON
feurig.

Und Du fragest noch! Die Erde wurde den Heiligen gegeben samt ihrer Fülle und zu dem Heiden spricht der Herr: Du sollst zur Beute gegeben werden. Sag doch, Feldherr, wie stehet es denn mit den Gold- und Silbergefäßen des verstorbenen Mannes?

[155]
CROMWELL.

Hebe Dich weg von mir, Satanas! Denn Du bist mir ärgerlich. Willst Du mich versuchen in der Stunde der Trübsal?

HARRISON.

Wie, sagest zu Deinen Freunden: Raca! Ich kenne Dich nicht!? Man soll dem Esau seine Erstgeburt nicht nehmen.

CROMWELL.

Der redliche Knecht ist seines Lohnes wert, aber er soll nicht mahnen, so lange noch Arbeit zu vollenden im Weinberg. General Harrison, wir sind ein Hebel, das wissen wir wohl, und ihr seid von uns bestimmt, noch manche Raupen zu zerdrücken, zum Schirm der Trauben Kanaans. Aber harren sollet ihr mit Geduld und euch wappnen mit Gehorsam, bis sich mein Ruf erhebet zum andernmal: »Israel, Jakob, aus Deinen Gezelten!«Mystisch. Wie, bin ich nicht der erwählte und bestellte Kämpfer, um den Drachen zu bewältigen in der großen Schlacht von Armageddon, wo die Heiligen zusammenstoßen mit den zahllosen Legionen der Hölle?

HARRISON
hallucinierend.

Armageddon! Wenn die Stimmen der Engel alle Vögel unter dem Himmel rufen, um sie zu füttern mit dem Fleisch der Häuptlinge und der Krieger, der Rosse und Reiter?

CROMWELL.

Jawohl! Und der Geist hat mir verkündet: Thomas Harrison soll den linken Flügel kommandieren und ein Regiment zu Fuß vom Zentrum.

HARRISON
begeistert.
Ha, so sind meine geheimsten Wünsche Dir offenbart? Bin ich bestimmt zu so hoher Gnade?
CROMWELL.

Du bist. Harre des Tages, wenn die sieben Drometen erschallen und die Pfeiffen von Jezer! Immer den Fuß im Steigbügel, sag ich Dir! Und gehorche dem Wink meiner Brauen! Denn ich bin Der, dem geoffenbaret [156] wird, und ich bin der Reiter des Herrn, der geweissagt in der Offenbarung Johanni.

HARRISON
überzeugt.

Ja, Du bist der apokalyptische Reiter! Jetzt erkenne ich Dich. Du hast Macht über die ganze Erde. In Staub mit allen Feinden Olivers! Ab.

CROMWELL
allein.

Er tritt aus Fenster. Die Sonne geht glänzend auf. Wer die Hand legt an das Rad der Zeit, darf nimmer hinter sich schauen. Ich schaudre nicht vor Schatten, vor Schatten, die der Wahn erzeugt. Denn aus dem Schatten meiner Dunkelheit erhob mich kein leerer Wahn und kein Zufall des Glücks, sondern das fiebernde umdunkelte Gewissen meines Vaterlands, und gemeinsam mit seinem Schutzgeist stieg ich empor aus der Finsternis in das blendende Licht. Und der Herr wird mich aufrecht halten, auf daß ich erfülle, wozu ich gesandt. Wozu? Nun, am weitesten kommt der, welcher nicht weiß, wohin er geht. Sie werden mich schmähen von Aufgang bis Niedergang, sie werden mein Andenken begraben im Koth ihrer viehischen Dummheit. Die Knaben! Ja, einem Knaben gleichen sie, der den Ozean mit Steinen wirft, um damit zu ergründen, was kaum des Forschers Senkblei je erreicht. Ja, einem Knaben gleichen sie, der hinausfährt in schwacher Barke und dann prahlt nach der Heimkehr, er habe die Welt umsegelt. Was wißt ihr vom Meer und seiner majestätischen Tiefe und seinem grollenden Sturmgesang? Was von der Welt und ihren Grenzen? Und was, ihr Knaben, wisset ihr von mir? Ja wahrlich, meine Werke sind von morgen und nicht von heute her. Ich werde nicht dahinschwinden, wie der Blitz durch Sommerwolken zuckt, ohne daß der Donner folgt mit der weithinhallenden Stimme, der Donner und der Donnerkeil.

[157]
LUDLOW
erscheint in der Fensteröffnung von außen her.

Er winkt mit der Hand nach außen. Im Namen des Parlaments und des souverainen Volkes! Die Glocken schweigen. Es ist durch die Erfahrung bewiesen, daß in diesem Lande das Königtum unnütz, lästig und gefährlich ist. Darum ist es abgeschafft von diesem Tage an. Gegeben im ersten Jahre der durch Gottes Hilfe wiederhergestellten Freiheit! Es lebe die Republik! Er verschwindet in der Tiefe.

DRAUSSEN JUBELGESCHREI.
Es lebe die Republik! Es lebe Oliver Cromwell! Das Glockenläuten hebt wieder an.
CROMWELL
fest und stolz.

Ja, wahrlich wie Moses muß ich ringen, das Volk zu führen aus der Knechtschaft. Er kniet und betet. Herr Zebaoth, ich schreie zu Dir aus dem Staube irdischer Not. Nicht fallen kann ich aus der Gnade, dieweil ich einstmals in der Gnade war, da deine innere Stimme mich berief auf dem Feld meiner Väter, gleich dem Hirtensohne Isaïs. Was heut geschehn, that ich aus bestem Willen, nach bestem Wissen, nicht ohne bittern Kampf und sauren Schweiß und schwere Nachtwachen. Und ich thäte es noch einmal. Liegt aber etwas von Schuld in dieser großen That, was da Sühne heischt, so flehe ich, aufrichtig, denn Du siehst mein Herz: Laß die Buße fallen hienieden auf mein Haupt allein! Was aber von Segen und Ruhm daraus entsprießet und was ich Großes that und Größeres verrichten werde, das schenke nur und das lohne diesem geprüften Volk, das tapfer und treu darbte und stritt für die gute alte Sache unter mir, deinem Knecht. Siehe, du siehest die Thaten an und nicht die Worte, gleich jenen des frömmelnden Ahab, des Pharisäerhäuptlings, der sich auf dich berief bei seinen Freveln und von hinnen fuhr an den Ort der Verdammnis, mit dir versöhnt wie er wähnte in seinem eiteln Sinn. Wohlan, Thaten gelobe ich [158] dir und keinen Lippendienst, Thaten eines lebendigen Königs statt jenes schwachen Toten. Siehe, ich gelobe es, denn ich fühle die Kraft in mir: Ein Fürst soll erstehen, wie ihn dies Eiland noch nimmer sah. Herrschen soll es über die Meere und als Schrecken Europas gebietend wachen über der Freiheit des Worts. Ich will sein der Protektor des Rechts und des Geists und die Erde soll erzittern vor der Schärfe des Schwerts von England, und die Fürsten der Erde staunen, was deine Hand vollbracht durch mich, deinen Knecht. Die Glocken setzen mächtig ein. Herr Gott, du bist unsre Zuflucht für und für. Ehe denn die Berge worden und die Erde und die Welt geschaffen worden, bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit!

[159]

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TextGrid Repository (2012). Bleibtreu, Karl. Dramen. Ein Faust der That. Ein Faust der That. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-3615-4