Charlotte Birch-Pfeiffer
Johannes Guttenberg

Personen

[2] Erste Abtheilung.In einem Akt.Guttenberg in Strassburg.Personen:

    • Johannes Genßfleisch, genannt Guttenberg, Patrizier aus Mainz.

    • Bertha zu der eisernen Thür, seine Frau, in Straßburg.

    • Dünne, ein Goldschläger

    • Riefe, ein Bürger

    • Sebaldus, Klosterpfleger zu St. Emeran

    • Lorenz Beildeck, Guttenbergs Diener und Gehülfe.

Zweite Abtheilung.In drei Akten.Guttenberg in Mainz.Personen:

    • Johannes Guttenberg.

    • Johannes Fust, ein reicher Bürger in Mainz.

    • Peter Schöffer aus Germersheim, Formschneider.

    • Lorenz Beildeck, Guttenbergs Gehülfe.

    • Katharina, Fust's Tochter.

    • Frau Barbara, Fust's Base.

    • Else, ihre Tochter.

    • Klara, Pförtnerin im Kloster der Klarisserinnen in Mainz.

    • Bertha.

Dritte Abtheilung.In einem Akt.Guttenberg am Wanderstabe.Personen:

    • Doktor Conrad Humery, Syndikus des Raths zu Mainz.

    • Guttenberg.

    • Bertha.

    • Johannes Fust.

    • Peter Schöffer.

    • Lorenz Beildeck.

    • Stadtsoldaten.

1. Abteilung

1. Akt
1. Szene
Erste Scene
Ein großes, einfaches, alterthümliches Zimmer, mit einer Mittel- und zwei Seitenthüren. Rechts ein hoher gothischer Schrein, links ein Tisch und Stuhl. Dünne, der Goldarbeiter. Lorenz Beildeck, Beide aus der Mittelthür.

LORENZ.

Habt nur ein Viertelstündchen Geduld, ehrenfester Meister. Ich muß erst lauschen, ob es auch der rechte Augenblick sei, denn der Herr ist eingeschlossen in seinem Laboratorium, und da ist mir strengstens untersagt, ihn zu stören.

DÜNNE.

Ei, Freund Lorenz, Ihr habt gut plappern; denkt Ihr, mein Tagewerk sei Müßiggang? – Ich habe wohl mehr zu thun, als hier zu stehen, und einem saumseligen Zahler zu hoffiren. – Ich will mein Geld! –

LORENZ
gutmüthig.
Lieber Meister, was macht Euch denn so ungestüm? –
DÜNNE.

Der sehr ehrsame Herr Klosterpfleger Sebaldus sagte mir vorhin, daß es schlimm um den Guttenberg stände, und daß ich zu meinem Gelde sehen soll, wenn ich's nicht verlieren wollte. Auch murmelt man in der guten Stadt Straßburg so Allerlei von dem Herrn Johannes, daß ich als ein ehrbarer Bürger nichts mehr mit ihm zu schaffen haben mag.

LORENZ.
O Dummheit unter den Menschen! Was murmelt denn das Volk?
DÜNNE.
Daß Euer Herr ein Schwarzkünstler ist – wenn Ihr's denn doch wissen wollt!
LORENZ
lacht laut auf.
Ein Schwarzkünstler, ja, das gebe ich zu, dafür halte ich ihn selbst! –
[3]
DÜNNE
in frommem Entsetzen.

Gott steh' uns bei, er lacht noch! Ich weiß es am besten, wie es um Deinen Herrn steht! Habe ich ihm nicht seit Jahren die seltsamsten Charaktere in Blei und Kupfer schneiden müssen, habe ich ihm nicht Schrauben und Metallplatten gefertigt, wie man sie nur in Folterkammern findet? Damit zwingt er den Teufel, daß er ihm diene! Woher hätte er denn die Gelehrsamkeit? – Hat er doch wie jeder rechtschaffene Junker in seiner Jugend nichts gelernt, als reiten, jagen und fechten.

LORENZ
der immer ungeduldiger wird.

O Unsinn! – Da möchte man doch mit Fäusten drein schlagen! – Wenn Einem Gott einen hellen Kopf, einen beharrlichen, tief denkenden Geist gab, so reißt Ihr Dümmlinge Maul und Nase auf, und weil Euch da die liebe Gottessonne hineinscheint, ohne die Kürbisseele zu erleuchten, so ist Euch der Mann ein Teufelskerl und Hexenmeister! – Nein, da möchte man doch – O Herr Gott, ich muß nur meinen Herrn rufen, sonst vergesse ich aus Zorn und Aerger meinen Eid, und versündige mich gegen den besten Mann im deutschen Reich. – Er geht zur Seitenthüre rechts und klopft. Gnädiger Herr!

2. Szene
Zweite Scene
Man hört von innen einen Riegel zurückschieben. Guttenberg tritt heraus. Vorige.

GUTTENBERG
einfach, in schwarzer Seide, mit schwarzem Sammt verbrämt, gekleidet, mit Stutz- und Knebelbart und langem Haupthaar.

Was soll's, Lorenz? – Ei, guten Tag, Meister Dünne. Er will ihm treuherzig die Hand schütteln, Jener zieht sie zurück. Ihr kommt wohl, mich zu mahnen? Habt noch eine kleine Geduld, es kann nicht lange mehr dauern, so kommt mein Geld aus Mainz. –

DÜNNE
seinen Ingrimm unterdrückend, aber doch sehr gereizt.
Verzeiht, Herr von Guttenberg, meine Geduld ist zu Ende, ich brauche das Meinige.
[4]
GUTTENBERG.

Ei, wie seid Ihr doch heute so barsch und drängt mich. – Gutmüthig und freundlich. Habt Nachsicht mit mir, guter Mann, Ihr wißt ja, ich bin ein ehrlicher Zahler, so fern ich kann! –

LORENZ
herausplatzend.

Lieber Herr, spart Eure freundlichen, redlichen Worte, es könnte Euch sonst gehen, wie im Sprichwort mit den Perlen! – Zahlt, wofern es nur möglich, die hundert Gulden, und werft dann den Ehrenfesten zum Fenster hinaus, denn besser gehört's ihm nicht! –

GUTTENBERG.

Schäm' Dich, Lorenz, was sind das für Reden? Ziemen sie dem christlichen Diener eines ehrbaren Herrn? –

LORENZ.

Der da hat Reden geführt über Euch, die Einem den Teufel ins Blut jagen, ist man auch noch so christlich getauft und lammsfromm wie ich!

GUTTENBERG
sieht Dünne fragend an, der mit finsterem Gesichte da steht.

Ist's wahr, Meister, habt Ihr so Uebles gesprochen über mich, der Euch seit Jahren so manches schöne Stück Geld zu verdienen gab? – Nun – warum solltet Ihr nicht? Ist doch die Welt voll Falschheit und Tücke. Fest. Ich habe kein Geld, nicht einen Heller, aber ich will doch bezahlen. – Er nimmt einen Schlüssel heraus, geht zum Schrein und öffnet. Aus diesem Schrein habt Ihr schon manches Geschmeide hinweggetragen, das seit Jahren und Tagen ein Stolz und Kleinod meiner Ahnen war! Er nimmt einen glänzenden Helm von Gold heraus. Da – nehmt das Letzte! Er betrachtet den Helm wehmüthig. Er war freilich einst der Schmuck eines ritterlichen Hauptes, mein Vater trug ihn auf dem Turnier zu Mainz. – Was da – im Haupt sitzt der rechte Schmuck; was drauf ist, sei's Krone oder Bettlerkappe, macht den Mann nicht um ein Haar besser oder schlechter, wenn's d'runter fehlt! – Kommt, Meister, laßt uns in Eure Werkstatt gehen, dort wandelt mir die Pickelhaube in einen Klumpen Goldes, und zahlt mir heraus, was mich trifft. Gutmüthig lächelnd. Denn ein Paar Gulden mehr für mein [5] Laboratorium, wird meines Altvordern Zier schon liefern. – Er nimmt einen Sammthut mit einer weißen Feder, der auf dem Tisch liegt, dann ein Tuch aus dem Schrein, worein er den Helm verhüllt. Kommt, Meister! Lorenz, hüte mir das Haus wohl, bis die Frau kommt. Beide nach dem Hintergrund.

3. Szene
Dritte Scene
Bertha, Vorige.

GUTTENBERG.

Ei, meine liebe Bertha, da bist Du ja! Er reicht ihr mit einem zärtlichen Blick die Hand. Gedulde Dich, Herzensweib, in zehn Minuten bin ich wieder daheim.


Mit Dünne ab.
BERTHA
sicht ihm nach, seufzt tief, geht dann in den Vorgrund und legt Gebetbuch und Schleier ab.

Sie ist einfach aber sehr anständig gekleidet. Lorenz, was hat der Herr? weshalb geht er von Haus? Er pflegt ja in dieser Stunde sein Laboratorium sonst nicht zu verlassen?

LORENZ
kratzt sich verlegen hinter dem Ohr.
Ja – es ist – der gnädige Herr hat einen nothwendigen Geschäftsgang –
BERTHA
mit sich selbst kämpfend.

Lorenz, treue, redliche Seele – ich muß reden, mein Herz will unter dieser Last erliegen! – Sage mir, was geht vor, was ist's mit unserm Herrn? – Als ich ihn vor acht Jahren hier in Straßburg zum erstenmal sah, da war er wohl ernst und schweigsam, doch rechnete ich dies der Sehnsucht nach seiner lieben Vaterstadt zu, die er gezwungen verlassen hatte nach jener blutigen Bürgerfehde. – Im innersten Gemüth aber wurde er heiter und guten Muths, und sein Vermögen war, wenn auch nicht groß, doch hinreichend, meinen bescheidenen Wünschen zu genügen. Wie glücklich waren wir! Ach! jetzt ist es anders! Täglich wird er unzugänglicher, finsterer; unser Wohlstand ist dahin – täglich mehren sich unsere Sorgen, und was ich heute erfuhr – ach, es wird mir schwer, ich mag's nicht länger bergen! – Sonst, wenn ich mich in der Kirche [6] zeigte, trat wohl manche ehrenwerthe Frau aus den adligen Geschlechtern, manche züchtige Jungfrau von den Patriziern zu mir, und wechselte freundlich Gruß und Rede, und jetzt – flieht Alles scheu meinen Blick, man meidet mich, als laste irgend ein schlimmer Argwohn auf mir Unbescholtenen; mit niedergeschlagenen Augen wandeln die Meisten an mir hin, und vorhin, als die Bürgermeisterin in ihren Stuhl trat, und ich mich freundlich grüßend neige – wendet sie hoffärthig den Kopf, schaut nach der Seite, und dankt nicht! Das Blut trat mir in's Antlitz ob solcher Schmach, ich konnte nicht beten, Gott wird mir's vergeben, und bitt're Thränen rollten auf den Psalter in meiner Hand! – Womit habe ich Schuldlose solche Schande verdient? Was ist es für ein Fluch, der plötzlich alle Ehrliebenden aus meiner Nähe scheucht! –

LORENZ
tief bekümmert.

Der Fluch der Dummheit, der auf dem jämmerlichen Menschengeschlechte haftet! Grämt Euch nicht, edle Frau, glaubt mir's, Ihr habt keine Ursache dazu. Entschlagt Euch nur der quälenden Gedanken. –


Bertha schüttelt den Kopf, sieht ihn forschend an, und geht hinaus.
LORENZ
allein.

Kann ich doch die wackere Frau nicht sehen, ohne daß mir das Herz blutet! so fromm und gottesfürchtig, so treu und züchtig! und ich sollte ihr den Dolch in's Herz stoßen? Nimmermehr! – Ach ginge der Herr doch von hier –!

4. Szene
Vierte Scene
Sebaldus. Lorenz.

SEBALDUS
schleichend, freundlich und sehr sanft.
Guten Tag, mein ehrlicher Lorenz! Ist Eure edle Frau daheim?
LORENZ
für sich.

Gleißnerisches Spinnengesicht! Juckt mir's doch in allen Fingerspitzen, wenn ich ihn sehe. Laut und kurz. Werde sie Euch gleich senden, Herr Klosterpfleger. Ab.

SEBALDUS
allein, giftig.

Ist auch ein so frecher, übermüthiger Bursche wie sein Herr! Aber warte nur, hochmüthiger [7] Guttenberg, wir werden Dir den spröden Nacken schon noch beugen! Wenn's wahr wäre, was der verstorbene Drytzehn im Rausch plapperte! Wenn er wahr und wahrhaftig an der Kunst laborirte, mit hölzernen Tafeln ganze Bücher zu fertigen, die man vertausendfachen kann? Es wäre entsetzlich! So lächerlich die Idee ist, so schrecklich ist sie auch! Unser Kloster lebt nur von der Feder – müßte das nicht alle Schreiber verderben? Und welches Unheil drohte der Welt, wenn eine solche Erfindung die wohlthätige Blindheit zerstreute, welche uns jetzt das Volk unterthan macht! Wenn es mir nur gelänge, die Frau auf meine Seite zu bringen – sie ist fromm – abergläubig – und –

5. Szene
Fünfte Scene
Bertha. Sebaldus.

BERTHA.

Mein lieber Herr Sebaldus seid schönstens begrüßt! Wie erfreut doch der Anblick eines ächten Freundes das Auge, wenn das Herz so schwer von Kummer ist, wie in mir!

SEBALDUS
wieder ganz Gleißner.

Ach, edle Frau, eben der Kummer, der Euch drückt, führte mich in Euer stilles Haus! – Eure gottseelige Hand hat manche Spende für mein armes Kloster mir zufließen lassen; daß ich dies wohl erkenne, obgleich Ihr in jüngster Zeit dieser frommen Pflicht zu vergessen scheint, zeigt Euch mein heutiger Besuch. –

BERTHA
schlägt die Augen nieder, bekümmert.

Ach, lieber Herr und Freund, glaubt mir nur, nicht an meinem Willen fehlt es, wenn Ihr auch heute wieder mit leerer Hand von dannen geht! die Zeiten werden täglich schlechter, – und

SEBALDUS
ernst.
Die Zeiten nicht, die Men schen werden's!
BERTHA
aufmerksam.
Wie meint Ihr das?
SEBALDUS
drückt ihr die Hand und wendet sich mit einem Seufzer ab.
Arme Frau!
[8]
BERTHA.

Um Gott, lieber Herr, was ist mit mir, daß Ihr mich so beklagt? – Redet, nehmt die Angst von mir, die sich plötzlich beengend um mein Herz legt! Droht uns ein Unheil? –

SEBALDUS.

Bertha! Ihr seid eine Frau, an der Gott und Menschen Wohlgefallen haben – aber, seid Ihr denn wirklich blind? Seht Ihr den Abgrund nicht, an dessen Rand Ihr leichtsinnig taumelt? –

BERTHA.
Was martert Ihr mich so unsäglich, redet deutlicher, daß ich begreifen lerne, was Ihr mir wollt. –
SEBALDUS
faßt ihre Hand und sieht ihr forschend in's Gesicht.
Wißt Ihr, was Euer Mann dort in dem geheimnißvollen Laboratorium treibt? –
BERTHA.

Ich habe nie drum gefragt. Guttenberg pflegt sich dort zu verschließen, er sinnt nach über großen gelehrten Dingen, die eines Weibes schwacher Geist nicht faßt; er liebt es nicht, daß man nach seinem Treiben forscht, und so will's einer rechten Hausfrau nicht geziemen, kindische Neugier zu zeigen. – Was Guttenberg thut, kann nichts Uebles sein!

SEBALDUS.

Nichts Uebles? Verschließt man sich mit Angst und Sorge, wenn man auf Gutes sinnt? – Weiß ich nicht aus Eurem eigenen Munde, daß er ganze Nächte dort drinnen sitzt? – Habt Ihr nicht selbst bemerkt, daß er um Mitternacht oft laut sprach, heftig hin und her schritt, und daß es endlich drinnen, wenn der Hahn krähte, stille ward?

BERTHA
bestürzt.

Ich schäme mich, daß ich in der Angst meines Herzens Euch damals meine Kümmerniß mittheilte; mir bangte für Johannes Gesundheit, darum belauschte ich ihn. Aber derlei habe ich lange nicht mehr bemerkt. Seit dem Bündniß mit Drytzehn und Rieffe ist er zwar noch emsiger an jener Arbeit als sonst, aber –

SEBALDUS
sie unterbrechend.

Seit dem Bünd niß? O die Unglücklichen! Drytzehn hat's mit dem Leben bezahlt, sein früher Tod war eine Strafe Gottes, und als er verschieden war, wurde sein Körper schwarz wie das Geheimniß, für [9] welches er jetzt dort Rechenschaft geben muß! Und der Rieffe geht umher, wie ein von Gott und Welt Verworfener!

BERTHA.
Aber um aller Heiligen willen, was wollt Ihr mit alle dem? –
SEBALDUS.

Dich retten, Du reines Lamm, wenn es nicht zu spät ist! – Dein Mann hat sich um weltlichen Gewinns dem Bösen ergeben – er ist ein Schwarzkünstler! –

BERTHA
fährt entsetzt zurück.
Mein Guttenberg? – O Herr Gott! –
SEBALDUS.

Ja, armes unglückseliges Weib, das ist's, warum er sich vor jedes Menschen Blick verbirgt, der Feind ist's, mit dem er in finsterer Nacht verkehrt im einsamen Zimmer! Bücher wollen sie fertigen, das hat der Drytzehn bekannt in der letzten Stunde, mit Teufelskunst sie vertausendfachen und unter das Volk senden, daß der Satan auf geradem Wege einziehe in die Herzen, – darum –

BERTHA.
Nein, nein, das ist unmöglich, das kann nicht sein! –
SEBALDUS.

Laßt mich in sein Laboratorium treten, werft selbst nur einen Blick hinein, so wird sein verruchtes Treiben uns klar werden im nächsten Augenblick.

BERTHA
sicht scheu nach der Thür.

Das kann ich nicht, er verschließt stets sorgfältig hinter sich – doch nein – die Thüre ist nur angelehnt – jetzt könnte ich – soll, darf ich's? – Entschlossen. Ich muß; ich will Euch überzeugen, daß es nur böser Leumund ist, der ihm die Schandthat ansinnt – es kann nicht sein, in alle Ewigkeit nicht! Sie eilt hin und stößt die Thüre auf. Hu – wie schaurig und unheimlich ist das öde Gewölbe! Ach, wehe mir, was steht denn hier – ein schwarzer Kasten, mit Schrauben und Gewinden – fast anzuschauen wie ein Sarg. – Und welch' wunderbares Geräth dort in der Ecke? ist's doch wie eine Folterkammer – – Sie taumelt zurück. Geht selbst hinein, Herr, ich vermag's nicht, Grabesluft weht mich an, Schauder rüttelt mein Gebein – Sie eilt [10] über die Bühne und sinkt auf der andern Seite in einen Stuhl. O mein Gott, warum faßt mich denn solche Todesangst? –

SEBALDUS.

Ich will es wagen, ich scheue den Satan nicht, mein Sinn ist rein, ich habe den Muth, ihm zu trotzen! Er eilt hinein.

BERTHA.

Ist meine Seele denn nicht mehr rein, daß mein Fuß sich sträubt, jene Schwelle zu überschreiten? – Hat sein Athem schon meinen Sinn vergiftet? – Ach nein, mein Guttenberg kann kein Verlorner sein! Sinnend. Freilich, wenn ich denke, wie dort drinnen allein seine Welt, wie scheu, wie nächtig sein Treiben – Sie sinkt auf die Kniee. O mein Herr und Gott, du siehst diese Angst, nimm sie von mir! –

SEBALDUS
kommt heraus, bleich und entstellt, seine zitternde Hand hält ein Päckchen kleiner Pergamentblätter.

Da, da seht, Unglückliche, und wagt Ihr dann noch einen Zweifel, so seid Ihr seiner Schuld theilhaft, seid verdammt wie er. – Seht diese Menge von Blättern, seht auf dem die seltsamen Charaktere, Figuren, Sterne, und hier ein ganzes Alphabet, und darunter diesen lateinischen Spruch, da – da – und alle Blätter wie das Eine, alle gleich, nicht ein Strich, nicht ein Zeichen verschieden – das haben Menschenhände nicht gemacht, das konnte nur mit Hülfe des Satans geschehen! Wehe mir! – Er wirft das Päckchen auf den Tisch. Das Zeug brennt mir in der Hand! Seht, seht – meine Hände sind ge schwärzt! Weiche von mir Satanas, du hast keinen Theil an mir! Schlägt ein Kreuz.

BERTHA.
Herr, erbarme dich meiner, er spricht wahr! O wäre ich nie geboren!
SEBALDUS.

Besser wäre es Euch, als zu leben in dieser teuflischen Gemeinschaft, wo sich das Auge des Herrn wie der Menschen von Euch wendet.

BERTHA.

O jetzt begreife ich! Furcht, Abscheu, Entsetzen begegnet mir in jedem Blick! Wie soll sich dies Unglück wenden – wo, wo ist da Rettung!!

SEBALDUS.

Nur bei Gott! Faßt Muth, zeigt Eurem[11] Mann den Abgrund, an dem er wandelt! Noch ist es Zeit, noch schläft sein schreckliches Geheimniß in dieser Werkstätte. Fleht ihn an bei seinem ewigen Heil, die Bahn des Verbrechens zu verlassen; der Herr ist voll Langmuth, er wird ihm vergeben! Und gelingt es Euch nicht, den Verstockten zu rühren, so verlaßt ihn, es fordert's Eure Pflicht als Christin und Frau! Wie lange wird der Arm des weltlichen Richters säumen? soll er Euch Beide treffen? Wollt Ihr dereinst sterben mit ihm auf dem Scheiterhaufen? Wollt Ihr verdammt sein mit ihm jenseits?

BERTHA.

O haltet ein, haltet ein! Allmächtiger Gott, Du kennst mein Herz; ich liebe ihn mehr als mein Leben, ich würde sterben mit ihm, wenn's Dein unerforschlicher Wille forderte – aber leben in dieser Gemeinschaft – meine ewige Seligkeit hinopfern, ich kann es nicht! Nach einem kurzen Kampf. Hier, Sebaldus, hier lege ich mein Gelöbniß nieder! Sie legt ihre Hand in seine. Wenn er meine Stimme nicht hört, wenn er gewaltsam fortschreitet auf seiner heillosen Bahn, so schwöre ich – ewige Trennung von ihm! – Der Schmerz, der mich zerreißt, der Gram, der mir am Leben zehren wird, wenn ich athmen muß getrennt von ihm, sei die Buße, die mich mit Gott versöhnt für meine thörichte Verblendung! Es wird ja nicht lange währen; Gott wird barmherzig sein, und es wird bald mit mir zu Ende gehen. Sie verhüllt das Gesicht.

SEBALDUS.

Gott segne Euren frommen Entschluß, meine Tochter; haltet fest an Eurem Gelübde, der Allgegenwärtige hat es vernommen; horcht nicht auf die Stimme des Versuchers in Eurer Brust, schaut fest nach Jenseits.

BERTHA
horchend.

Horch – das ist sein Schritt, er eilt die Treppe herauf – er spricht im Flur, sein liebes Auge wird mich anlächeln, die offene Stirne, das Antlitz voll Milde mich verblenden – In peinlicher Angst. ich kann nicht bleiben! Ach, Herr, mein Gott, vergieb der Schwachen, die Gewohnheit ist zu mächtig, die Täuschung zu süß; ich muß hin weg, muß mich sammeln, meinen Geist im Gebete waffnen gegen meine Liebe![12] – Lebt wohl, Sebald; ich kann Euch noch nicht danken – ich fühle noch nicht, daß Ihr meine Seele gerettet, nur daß Ihr mein Herz zerrissen habt! Da ist er – hinweg! Sie eilt nach der Seite ab.

6. Szene
Sechste Scene
Guttenberg. Lorenz. Sebaldus.

GUTTENBERG.

Bertha! – Was ist der Frau, weinend eilt sie von dannen? – Ah – guten Tag, Herr Pfleger, oder lieber – guten Weg, denn ich sähe es gern, wenn Ihr Euern Weg aus meinem Hause nähmt, Ihr habt mir noch nie was Gutes gebracht. –

SEBALDUS
mit verbissener Wuth.
So? Ei – wie kommt mir denn dieser freundliche Gruß? –
GUTTENBERG.

So oft Ihr geht, finde ich mein Weib verstimmt! Ihr benutzt ihre Frömmigkeit, um Spenden für Euer reiches Kloster zu erpressen, und mißbraucht ihren Aberglauben zu Euren Zwecken! – Geht, gleißnerischer Heuchler, und kommt niemals wieder über diese Schwelle!

SEBALDUS
knirschend.
Sorgt nicht, wer seine Ehre liebt, sucht sicher keine Gemeinschaft mit dem Guttenberg.
GUTTENBERG.

Was war das? – Hinaus, Pfaffenknecht, oder Du fliegst schneller durch das Fenster, als Dein Gedanke die Treppe erreicht.

SEBALDUS
giftig lächelnd.
Ihr werdet an den Pfaffenknecht denken! Er geht ab.
GUTTENBERG
geht zornig hin und her.

Schändliches Gezücht; das Blut steigt mir in die Stirnader, so oft ich die Schlange sehe! Der hat mir den Dünne auf den Hals gehetzt, der wirft mir Steine in den Weg, wohin ich schreite –

LORENZ
der immer gewaltsam an sich hielt, herausplatzend.

Hättet Ihr mir nur erlaubt, ihn durchzuwalken, wie mir's um's Herz ist, er sollte acht Tage lang Fleisch und Knochen in seinem Leibe nicht mehr zu sondern wissen! Gott weiß [13] was der Bösewicht unsrer edlen Frau in den Kopf setzte. Ich muß nur nachsehen, ob die Katze wirklich das Feld geräumt.


Ab.
7. Szene
Siebente Scene
Rieffe. Vorige.

GUTTENBERG
ihm entgegen.
Gott grüße Dich, Rieffe, was führt Dich so früh her?
RIEFFE
schüttelt ihm die Hand, düster.
Ich habe ein ernstes Wort mit Dir zu reden, Guttenberg.
GUTTENBERG.

Herr Gott, ist der Tag bestimmt, mich zu quälen bis auf's Blut? Du siehst bleich und verstört, es liegt Dir etwas Uebles auf dem Herzen! Was ist's, heraus damit! Bin ich doch der geschlagenste Mensch, wenn ich meine Freunde leiden sehe! –

RIEFFE.

Nun, dann wirst Du mir auch nicht zürnen, daß ich Dir mein Herz eröffne, und gerade heraussage, was mir fehlt!

GUTTENBERG.

Da sei Gott für, daß ich einem Freunde gram sei, wenn er mir redliches Vertrauen zeigt! Ich fordere es sogar von Dir.

RIEFFE
nach einem kurzen Kampf.

Nun denn! Guttenberg – laß mich frei von unserm Vertrage, zahle mir mein Geld heraus, ich will Deine Kunst nicht lernen.

GUTTENBERG
fährt zurück und schlägt die Hände zusammen.
Rieffe!
RIEFFE.

Laß selber ab von Deinem Wahn, wir wer den nie etwas erreichen! Schau zurück, Dein ganzes Vermögen verschlangen fruchtlose Versuche, was hast Du gewonnen? – Diese Kunst ist zu hoch für eines Menschen Geist, wir zersplittern Zeit und Geld nutzlos, und das Schlimmste ist – der blinde Aberglaube der Menschen! Sonst war ich ein geehrter Mann, jetzt wendet sich Alles von mir ab – um meiner Gemeinschaft willen mit Dir; man hält Dich – doch [14] was rede ich lange! Der Gram, der Aerger frißt mir am Leben, ich mag nicht mehr in meiner Vaterstadt bleiben! Flehend. Guttenberg – erbarme Dich meiner, laß mich los, gieb mir mein Geld heraus, damit ich die Heimath für immer verlassen kann!

GUTTENBERG
stolz.

Habe ich Dir Dein Geld abgelockt? hast Du Dich nicht in den Bund mit mir gedrängt? – Du kennst unsern Vertrag, vor fünf Jahren sollte keiner fragen dürfen um sein Kapital, und eines ist erst verflossen! – Kummervoll. O ihr schwachen armseligen Köpfe! Ihr wollt die Kunst, die göttliche, aufspüren in ihrer Werkstatt, und weil sie keusch und züchtig sich hüllt in tausend Schleier, weil sie nicht wie eine feile Dirne am Wege sitzt, mit gemalten Wangen und nackten Schultern, wendet ihr euch von ihr, und laßt ab im ernsten Forschen. Fahre hin – ich halte Dich nicht! – Da – Er nimmt eine Börse aus der Brust, öffnet und giebt ihm die Hälfte des Inhalts. Obgleich Du kein Recht hast, es zu fordern – nimm die Hälfte meiner Baarschaft, sie beträgt mehr als Deine hundert Gulden. Du weißt, daß die Werkstatt längst Dein Geld verschlang, dennoch theile ich mit Dir – zieh hin, und sei glücklich! –

RIEFFE
gerührt.
Guttenberg!
GUTTENBERG.
Nimm, nimm – und laß uns scheiden, wir Beide taugen nicht mehr zusammen! –
RIEFFE
nimmt das Geld.

Guttenberg, Du bist ein edler Mensch! Möge doch Gott Dich erleuchten, daß Du umkehrst von der Dornenbahn, die Dich nur ein endloses Irrsal, nie aber zum Ziele führen wird! – Dies ist der heißeste Wunsch, mit dem ich von Dir scheide! Er fällt in seine Arme. Leb' wohl, ich danke Dir! Ab.

8. Szene
Achte Scene
Guttenberg, gleich darauf Bertha.

GUTTENBERG
sieht ihm kummervoll nach.

Auch er verloren! Er war ein guter Mensch – aber schwach! – Wie [15] konnte ich auch bei solchen Köpfen Ausdauer, Ernst und Mannesstärke suchen! –Bertha kommt. Ah, da ist meine Hausfrau! Mein herzliebes Weib, wie verlangt mich's, an Deiner Brust alle trüben Gedanken zu vergessen!


Bertha, bleich, und mit großer Ueberwindung, macht eine abwehrende Bewegung.
GUTTENBERG
sieht sie staunend an.
Bertha, wie bist Du? Bleich, verweint, stumm? – Ach, liebes Weib, Dich drücken schwere Sorgen!

Bertha verhüllt das Gesicht und bricht in Thränen aus.
GUTTENBERG
trübe.

Ja, ja – Du leidest viel durch mich! – Es fängt die Dürftigkeit an, Dich zu bedrängen, mit Mühe nur erhältst Du Dein Ansehen als Edelfrau vor den Augen der Welt, Dein bestes Gewand trägst Du heute und jeden Tag! – Das kümmert mich schwer – aber Gott weiß es, ich kann nicht anders! Sei getrost, theures Weib, es wird bald anders werden; bald sollst Du wieder in dem Reichthum leben, der Deine frohe Jugend umgab; goldene Ketten und Spangen, Atlas und Sammet wird sich finden zum Schmuck für mein Lieb, Du wirst –

BERTHA.

Halt ein, Johannes – nicht nach Ketten, und Spangen, nicht nach Atlas und Seide steht mein Sinn, nicht die Dürftigkeit, die uns drückt, belastet mein Herz; ich bin bereit jedes Loos mit Dir zu theilen, das ein frommes Weib mit dem Manne theilen darf, dem es vor Gottes Altar Treue schwur bis zum Tod! Ach – andere Lasten ruhen auf meiner Brust! – Johannes – Johannes – gieb mir Wahrheit. Rede, sprich – was treibst Du dort in jener finstern Kammer, welche Gemeinschaft ist's, die Dich aus dem heitern Leben jagt, die Dich festhält Tag und Nacht in jenem unheimlichen Raum? dieses Räthsel löse mir, soll ich ferner leben – –

GUTTENBERG.
Bertha, Bertha, was ist mit Dir geschehen? –
BERTHA.

Steh mir Rede, Guttenberg, es gilt meines[16] Lebens Heil, es gilt meine und Deine Seligkeit – ich fordere Antwort von Dir! – Ich war lange verblendet; arglos und vertrauend forschte ich nie nach Deinem Treiben – doch Gott sandte mir den Warner! Johannes, was stehst Du bleich und starrst mich bebend an; spricht das Gewissen also laut in Dir?

GUTTENBERG.

Großer Gott! muß ich nicht erbleichen ob dem schrecklichen Licht, das meine Seele durchblitzt? Bertha – sie haben mir Dein Herz geraubt, sie haben mich um mein Letztes betrogen! –

BERTHA.

Mein Herz! Weich und bebend. O daß sie's könnten, daß sie die Liebe zu Dir mir aus der Brust reißen könnten, wie meine Ruhe, wie meine ganze Glückseligkeit! – Ach, dies Gefühl rüttelt ja an den Grundfesten meines Daseins! Der Mann, der mir Alles ist, ich sehe ihn verloren, verloren für mich, für Zeit und Ewigkeit! Guttenberg, kehre um von Deiner finstern Bahn, sie führt zum Abgrund! Rette Deine Seele, weil's noch Zeit ist! Wende Dich von dem Versucher – Sie stürzt vor ihm nieder. erbarme Dich über Dich und mich! –

GUTTENBERG
will sie aufheben.
Komm zu Dir selbst, Bertha –
BERTHA
fährt entsetzt empor.
Berühre mich nicht, ehe Du aus dem höllischen Bund tratest, Schwarzkünstler – Verlorener!
GUTTENBERG
tritt entsetzt zurück, schlägt beide Hände vor's Gesicht und sinkt in einen Stuhl.
Großer Gott! Pause.
GUTTENBERG.

Dahin also ist's gekommen! So weit haben sie Dich gebracht, verblendetes Weib, daß Du den Mann, der Dich liebt wie seine Seele, für einen Verruchten, für einen hältst, der sich von Gott gewendet! – O, ich habe Vieles schon erduldet um meine Kunst, aber das schneidet mir in's Leben!

BERTHA
bebend, im innern Kampfe.

So laß von dieser schwarzen Kunst – werde wieder, was Du mir warst, ein [17] treuer, liebevoller Mann; strebe nicht nach eitlem Ruhm, nach sündigem Gewinn – kehre um –

GUTTENBERG
springt auf, glühend in edlem Zorn.

Nicht Ruhm, nicht Gewinn – der innere Gott, die Macht des Geistes treibt mich zu dem Werk, das ich berufen bin zu schaffen, und Keiner noch ist der Gewalt im Herzen seines Herzens entflohen!

BERTHA.

Wehe mir – es ist ein böser Geist, der Dich treibt, er führt Dich zum ewigen Verderben –Sie eilt an den Tisch und nimmt die Blätter auf. Da, da, was ist dies, woher diese Blätter, eines wie das andere – Menschenhände fertigten das nicht, das ist ein Werk des Satans!

GUTTENBERG.

Des Satans Werk ist Deine Ver blendung, thörigtes Weib, das keine Ahnung hat von dem Riesenwerk, das allgewaltig sich in meinem Kopf gestaltet! – Er hebt die Blätter hoch empor. Das Ergebniß jahrelangen Sinnens, unermüdeten Fleißes, endloser Ausgaben, ich halte es hier in meiner Hand – es ist wenig, ist Kinderspiel gegen das, was ich schaffen will und muß – und dennoch ist's der Triumph des menschlichen Geistes! – Sieh Weib, daß Du das glauben kannst, daß Du an Satanswerke denkst, daß sich Dein Herz in abergläubischem Wahne von dem Manne Deiner Wahl wenden mag, es ist die Frucht, die reift in der Nacht, die noch die Menschheit deckt, die bleiern die Häupter gefangen hält in dichtem Dunkel! Begeistert. Ich will sie lichten diese Nacht, ich will sie herauf beschwören die Sonne, die leuchtend empor steigen soll über dem Erdball, die Schatten zerstreuend, Licht, Leben, Freiheit bringend! – Ich will das Wort lebendig machen, daß über den ganzen Erdball hin geflügelt, vertausendfacht die Wahrheit ziehe; daß sie dem Irrgläubigen den Tag der Vernunft, dem Betrübten Trost und Hoffnung, dem Unwissenden Belehrung und Erkenntniß bringe! – Ich will die Menschheit lösen aus den Banden der Dummheit, des Aberwitzes, von dem Druck heillosen Pfaffenzwangs. Der Ruhm soll nicht mehr sterben, das Wissen soll nicht mehr [18] modern in staubigen Pergamenten, gehütet von argwöhnischen Mönchsblicken! Die Menschheit soll endlich ihren Erlöser schauen wie er war – Gottes Wort, die heilige Bibel, soll über die Erde wandern, Jedem verständlich, Jedem zum Heil. – Die Kunst des Buchdrucks ist's, der ich mein Da sein weihete, und ist dieser Gedanke eine Ausgeburt des Satans? nun denn – so ist er wahr und wahrhaftig ein gefallener Engel, mag selbst im ew'gen Pfuhl die göttliche Abstammung nicht verläugnen, und ich lasse nicht von meiner Eingebung, käme sie auch von ihm!

BERTHA
entsetzt.

Großer Gott – er lästert, er ist wahnsinnig! Genug – genug! – Ich kann, ich will Dich nicht länger hören! Der Versucher spricht aus Deinen Worten; trat er doch selbst zu dem Erlöser des Menschengeschlechtes – wie soll ich armes Weib ihm länger trotzen! – Guttenberg – Du kehrst nicht um von Deiner Bahn?

GUTTENBERG.
Im Tode nur laß ich von meinem Werke ab!
BERTHA
hält sich krampfhaft an einem Stuhl fest.

So gehe hin, Verlorener! Suche im Weltruhm Ersatz für die verscherzte Seligkeit! Verblendeter! glaubst Du, wenn dieses Werk des Herrn Wille gewesen, wenn er sein heiliges Wort vertausendfacht Preis geben wollte sündigen Augen, er hätte Dei ner bedurft, es zu verbreiten, er hätte nicht längst einen Geist für seine Absicht erweckt? Doch Du bist verloren – was erschüttere ich die Luft mit Seufzern und Bitten! Lebe wohl, Johannes Guttenberg, unsere Lebenswege gehen auseinander – ich kann Dir fürder nicht mehr sein, was ich Dir war – Du selbst hast meinen Schwur gelöst!

GUTTENBERG
erstarrend.
Bertha – Du – Du wolltest – Du könntest von mir scheiden?
BERTHA
legt beide Hände auf die Brust.
So wahr ich hoffe, daß Gott mir meine Gemeinschaft mit Dir vergebe! –
GUTTENBERG.
O Herr, Du prüfst mich schwer!
BERTHA
kaum hörbar.
Kehre um! –
[19]
GUTTENBERG
sich ermannend.
Nimmermehr!
BERTHA.

So lebe wohl, für ewig! – In Thränen ausbrechend. für ewig! ach! ich werde Dich auch dort nicht wiederfinden. Sie wankt mit verhülltem Gesichte ab.

GUTTENBERG
steht wie betäubt, als könne er nicht glauben, was er gehört.

Sie geht – wahr und wahrhaftig, ich habe sie verloren! Er schlägt die Hände vor die Augen, und steht so eine Weile sprachlos. Hinweg mit dir, weichlicher Schmerz, was rüttelst du an den Fugen meines Lebens! –Sich ermannend. Wir sind getrennt auf immer! Ihr Name trete von nun an nie mehr über meine Lippen! Er zieht eine Börse aus dem Busen und legt sie auf den Tisch. Das ist mein Letztes, doch sie soll nicht hungern! Fahre hin, Verblendete! Du bist mir gestorben – wehe mir, und ich kann Dich nicht einmal beweinen! O deckte Dich das Grab, Du lebtest mir doch! nun bist Du todt! Pause. Ich stehe allein, verlassen – gelästert – doch in mir lebt der Muth, der heilige Glaube, daß ich vollbringen werde mit Gott, was ich mit Gott begonnen! Du öffnest mir die Arme, ernste Trösterin – Wissenschaft; du ziehst mich an die keusche Brust, du mütterliche Kunst! Dorthin, wo der Gedanke zu erst vor meine Seele trat, ins Vaterland will ich mich flüchten! rasch vorwärts denn auf meiner dornenvollen Bahn, ich streite ja für Geisteslicht und Freiheit! Dies hehre Ziel, ich will's erreichen, und stünd' es mir am Rande des eig'nen Grabes! Ab.


Der Vorhang fällt.

[20]

2. Abteilung

1. Akt
1. Szene
Erste Scene
Johannes Fust. Peter Schöffer.

FUST
sitzt an einem Tisch, die Stirne in die Hand gelegt, sieht in ein Papier und spricht nach einer Pause.

Ja, richtig ist es, will ich ihm die Zinsen berechnen, so ist es eine Summe von 2000 Gulden! Wenn ich nur mit mir selber ins Reine kommen könnte.

PETER.

Ei, Meister, Ihr seid sonst ein so entschlossener, eisenfester Mann, wie mögt Ihr doch jetzt so engherzig sein, wo es Euer Glück – Euren Ruhm gilt! – Was, wollt Ihr den starrköpfigen Patrizier schonen? –

FUST
steht auf und geht unschlüssig hin und her.

Es ist doch so ein eigen Ding, kein Mensch kann mich drum tadeln, daß ich mein Geld verlange, und dennoch fürchte ich, man möchte –

PETER.

Was ist da viel zu fürchten! – Als Ihr den Guttenberg kennen lerntet, hatte er nicht volle zehn Bogen seiner Bibel zu Stande gebracht, und sein Vermögen war schon erschöpft, wenn Ihr nicht wolltet, wäre es nimmer dahin gekommen, wo es heute ist. Dringend und leiser. Bedenkt nur, wie herrlich Alles steht: Zwei Drittheile des Werkes sind beendet, was bedürfen wir Guttenbergs ferner noch? – Ihr klagt auf seine Schuld, nehmt die Werkstatt mit dem Werke in Beschlag, für das Kapital, und um die Zahlung der schuldigen Zinsen werft Ihr in den Schuldthurm! Indeß er [21] im Kerker sitzt, enden wir das Werk, und unser bleibt die Ehre der Erfindung wie der Gewinn!

FUST.

Ja, Peter, freundlicher lacht uns das Glück nie wieder! Wie wird das Gold aus aller Fürsten Kassen in meine Tasche strömen! Schlag ein, wackrer Junge, Du bleibst mein treuer Gefährte, Du theilst Ehre und Reichthum, Du wirst meiner Käthe Gatte, und neidisch sollen aller Menschen Blicke auf Dich sehen, den der gepriesene Fust zum Schwiegersohn erkor!

PETER
schlägt ein.
So sei es, Meister!
2. Szene
Zweite Scene
Guttenberg, hinter ihm Lorenz, mit einem Pack Pergamente unter dem Arm. Vorige.

GUTTENBERG
einfacher als im ersten Akt gekleidet, ohne goldene Kette und Schwerdt, aber dennoch seinem Stande gemäß.
Guten Morgen, Meister Fust – Gott grüß Dich, Peter.
FUST
finster.
Guten Tag.
PETER
sehr freundlich und demüthig.
Schönen Dank, Herr von Guttenberg. Ei, was führt Euch heute so früh schon her?
GUTTENBERG
fährt mit der Hand über die Stirne.

Nichts Erfreuliches, guter Schöffer! Er sieht Fust an, gutmüthig. Ihr seid mißgemüth, Meister Fust? Das ist mir gar nicht lieb, Herzlich. denn gerade heute hätte ich Euch recht bei froher Laune gewünscht, es ist wahrlich nöthig.

FUST.
Wie das?
GUTTENBERG.

Schaut her – Er nimmt Lorenz das Pergament ab. da sind wir einmal wieder betrogen, ich muß den Druck sistiren, wenn Ihr nicht Hülfe schafft; der neue Transport Straßburger Pergaments, er taugt nichts, ist unbrauchbar – es fließt die Schwärze, und der erste Bogen, den wir abzogen, ist rein verloren!

FUST
reißt ihm das Pergament aus der Hand.

Schändlich[22] – da sind ja wieder 200 Gulden vergeudet! – So giebt's denn ewig Hindernisse, wir kommen nicht vorwärts, und es wird wahr, wie mir es immer ahnte, Geld und Zeit sind nutzlos vergeudet! –

GUTTENBERG
sieht ihn groß an.

Ei, Meister Fust, was führt Ihr für eine Sprache? – Geld und Zeit vergeudet? – Was kommt Euch doch zu Sinne? – Habt Ihr je vernommen, daß das Körnlein, so aus des Säemanns Hand in die Furche fällt, das Haupt gleich wieder als Aehre gen Himmel streckt? – Erst muß Frost und Schnee, Sturm und Gewitter darüber hinziehen, ehe es herausschaut aus der grünen Erde, in Halmen schießt und endlich freudig strotzend zur Erndte reift! – Ist doch, ehe ich mein großes Werk gedeihen sah, gar manches schwere Ungewitter hingezogen über meinem Haupte, und ich hab's festgehalten, aufrecht, kühn dem Sturm entgegen, denn der Herr war mächtig in mir, und sprach aus meinem Innern tausendmal: »verzage nicht, ein treuer Arbeiter findet seinen Lohn!« Und nun, da das Ziel so nahe, das freudige Gedeihen so sichtlich ist, nun seid Ihr kleinmüthig und sagt mir also harte Worte? – Innig. Ei, lieber Meister, seht, das thut mir recht im Herzen weh, und scheint es mir, Ihr habt's nicht wohl bedacht, was Ihr da spracht!

FUST
sich mit Absicht erhitzend.

Was helfen mir Eure schönen Worte, Herr von Guttenberg, und all dies gottesfürchtige Thun und Sprechen! Ich sehe nichts von dem Gedeihen, das Ihr preis't! Bald fehlt's an Typen, bald ist die Druckerschwärze schlecht, jetzt wieder ist das Geld für das Pergament vergeudet, und wer soll es bezahlen, denn ich?

GUTTENBERG
allmählig von seinem gutmüthig offenen Ton zur Kränkung, und endlich zu edlem Zorn übergehend.

Johannes Fust, wäre ich nicht ein armer Mann, Gott weiß es, Ihr hättet von dem Schaden nimmermehr gehört, ich hätte ihn gern aus eigenen Mitteln gedeckt! Ihr wißt, ich kann es nicht! Ihr wißt, ich habe an die Erfindung meiner Kunst, [23] an tausend und aber tausend mißlungene Versuche mein Habe und Gut gewendet. Die Presse hat Alles verschlungen – doch sie wird es wiedergeben tausendfach, und von den schwarzen Feldern wird ein Licht sich breiten durch die ganze bewohnte Erde. Begeistert. Nehmt hin die Erndte meiner Saat, den Mammon nehmt, den sie Euch trägt; doch das Bewußtsein, daß ich dieses Licht erweckt, könnt Ihr nicht rauben, und das giebt mir die Stärke, von Euch gelassen zu dulden, was ich – Gott weiß es, von keinem andern Sterblichen ertrüge!

FUST.

Ihr sprecht so stolz zu mir, als wäre ich Euer Schuldner, Ihr der Gläubiger; doch meine Geduld ist zu Ende, ich sehe, wohin Ihr zielt; Ihr wollt mich um das Meine bringen, und hättet Ihr mit meinem Gold das Werk beendet – so zögt Ihr den Gewinn, und Johannes Fust könnte sehen, wie er statt des vorgeschossenen Kapitals den Spott als Zins bezöge!

GUTTENBERG
anfangs starr vor Staunen.

Was – was muß ich hören! Herr – sprecht Ihr mit mir? Mein Gott, mein Gott, steh mir mit Deiner Gnade bei, – der Mann da ist ja auch Dein Ebenbild, laß mich das nie vergessen! Mit unterdrücktem Grimm. Johannes Fust, Ihr kennt mich seit drei Jahren, Ihr habt mir auf den Grund der Seele geschaut, ich habe Euch mein Geheimniß gegeben, habe die Früchte namenloser Mühen in Eure Hand gelegt. – Ihr könnt mich für keinen Betrüger halten, das ist unmöglich, Ihr wäret denn taub, blind und blödsinnig! Das aber seid Ihr nicht, und also sucht Ihr Streit an mir – Ihr wollt mich reizen – wollt das Blut in mir zu einer That wecken, die mich nachher reute – treibt's nicht weiter, Herr – Ausbrechend. Ihr wißt nicht, was Ihr thut, beim hohen Himmel, Ihr könntet's mit blutigen Thränen büßen.

FUST
plötzlich kalt.

Herr von Guttenberg, wir wollen uns nicht weiter streiten; ich sage Euch mit zwei Worten, was mein Wille, und ferner haben wir nichts mehr zu verhandeln. [24] Als ich Euch vor drei Jahren das erste Geld geborgt, verspracht Ihr mir die Zahlung, wenn das Werk vollendet; doch statt des Endes habe ich bis jetzt nichts erlebt als Quälerei! ich will die Plage länger nicht, und somit fordere ich mein Kapital nebst Zinsen, und das noch heute!

GUTTENBERG
sprachlos vor Schreck, schlägt die Hände zusammen, nach einer Pause.
Das Kapital nebst Zinsen? – Nein, ich habe falsch gehört!
FUST.
Das Kapital nebst Zinsen!
GUTTENBERG.

O Schande über Euch, daß Ihr das Wort aussprecht! – Ich habe nicht um Euer Geld gebeten, Ihr habt mir's angeboten, um mein Geheimniß zu erhaschen. Ihr gabt mir Euer Wort, daß Ihr es erst nach Vollendung der Bibel wieder fordern wolltet, – ich schrieb Euch selbst im Schuldbrief mein Geschäft als Pfand, und schrieb Euch Zinsen zu – Ihr gabt mir Wort und Handschlag, nimmer würdet Ihr weder Pfand noch Zinsen fordern! Ihr wißt, daß ich das Kapital nicht zahlen kann im jetz'gen Augenblick, und fordert Beides nun 1? Ihr seid ein wortloser Mann, ohne Treu und Glauben, ich verachte Euch!

FUST
wüthend.

Die Verachtung eines Betrügers verlache ich! – Ihr werdet zahlen, oder Ihr sollt den Fust kennen lernen!

GUTTENBERG
stammelnd.

Betrüger – ich? – Beildeck – komm, mir wird's Nacht vor den Augen! Plötzlich auffahrend. Mensch – geh mir aus dem Wege – ich habe kein Schwerdt, ich würde Dich, wenn Du mir nahe trittst! –

BEILDECK.

Herr, um Gottes Gnaden willen, faßt Euch, geht von hinnen, laßt mich's nicht erleben, daß Ihr Euch vergeßt um solchen Schuftes willen! – Zu Fust. Nehmt so vorlieb, Herr Fust, es kommt vom Herzen!

FUST.
Mir das, in meinem Haus! Hinaus!
GUTTENBERG
zu sich selbst kommend.

Ja, alter Beildeck, [25] Du hast ein wahres Wort gesprochen. – O, ich durchschaue Euern feinen Plan! – Doch der dort oben lebt – und in mir Muth und Willenskraft! Tretet denn mit mir in die Schranken, es kämpft das Licht ja ewig mit der Nacht. So laß uns sehen, ob Gott – Mit einem Blick tiefer Verachtung auf Fust. ob Teufel siege! Ab.

3. Szene
Dritte Scene
Fust. Peter.

FUST
wüthend, greift nach dem Baret.

Ha, prahlerischer Wicht, die Schmach hast Du mir nicht umsonst gethan! Du rufst mich in die Schranken? – wohl! ich gehe zum Gericht, da wird sich's zeigen, ob ein Wort des reichen Fust nicht besser klingt vor dem Mainzer hohen Rath, als dieses verarmten Patriziers Klage! – Hüte mir das Haus, indeß ich thue was uns frommt. Ab.

4. Szene
Vierte Scene
Peter allein.

PETER.

So mußte es kommen, gereizt mußte Guttenberg werden, um des Alten Zorn zu wecken; nun denkt er in der ersten Wuth Recht zu thun, und kommt er später zur Besinnung, oder regt sich gar sein jungfräuliches Gewissen, dann ist der Schritt gethan, zurück kann er nicht mehr, – mit dem Guttenberg ist er dann auf ewig zerfallen, und meinem stolzen Käthchen werden die Gedanken an den Beschimpften gar schnell vergehn! – Da kommt sie, lesend gar! – Ja, es ist hohe Zeit, daß dieser Guttenberg ein paar Klafter unter die Erde quartirt wird. Er geht nach dem Hintergrund.

5. Szene
Fünfte Scene
Käthchen kommt aus der Seitenthür, in reicher Bürgertracht, hat ein Pergament in der Hand und liest. Peter.

KÄTHCHEN.
O heil'ge Jungfrau, keusch und rein,
Schau in des Herzens tiefen Schrein!
[26] Wie sieht's doch da so finster aus!
Da ist nicht Trost noch Freud zu Haus!
Es ist mein Aug' von Thränen schwer,
Wo nehm' ich doch wohl Balsam her? –
Woher? Kleinmüthig Herze mein,
Zur Jungfrau schau, in mildem Schein
Breit't sie die Arme uns entgegen
Und lehrt uns geh'n auf Gottes Wegen!
Und lehrt das tragen demuthsvoll,
Was Gott befiehlt, ein Christe soll! –

Ach, wie schön, wie herzerhebend ist der fromme Spruch! Wie herrlich ist die Kunst, die der erfand, von dem das herrliche Wort kommt! –

PETER
tritt vor.
So Jungfrau Käthe, schreit's noch etwas lauter in die Stadt hinein.
KÄTHE
verdrießlich.

Was, Herr Peter? – daß der Guttenberg die herrliche Kunst erfand, die mir so viele Freude macht? – Ei, dazu braucht's wohl meine Stimme nicht! – Wenn nur erst das heilige Bibel-Buch fertig ist, dann wird's alle Welt wiederhallen, daß es der Guttenberg ist, dessen Geist der Herr zu solchem Gedanken erweckt! – Weiß man es nicht jetzt schon? – Hat er nicht das fromme Sprüchlein hier gedruckt; hat's ausgestreut in den Kirchen, und Vielen, gar Vielen haben's die frommen Brüder Jesu verständlich gemacht, und sie freuen sich d'ran wie ich, und erheben ihr Herz zur heiligen Jungfrau!

PETER.

Ihr seid eine Thörin, Käthchen! Begreift Ihr denn nicht, daß alles Verdienst Eurem Vater, dem Ehrenmann zukommt? und daß ich wohl auch mein Scherflein zu der edlen Kunst beitrug?

KÄTHE.

O ja, Herr Peter! Ihr habt erfunden, wie man schöne Buchstaben von Metall gießt, die der fleißige Guttenberg früherhin in Holz und Blei schnitt. Ei, das ist wohl ein Verdienst, der Meister lobt Euch auch darum, und sagt, Ihr hättet ihm die schwere Arbeit dadurch gar sehr erleichtert 2. [27] Aber so Ihr sagt, mein Vater hätte alles Verdienst, so lügt Ihr! Dem ist nicht so.

PETER.

So? – Als der Guttenberg von Straßburg herkam, hat er da nicht laborirt, Jahrelang, bis all sein Gut dahin und am Guttenberger Hof kein Stein mehr sein eigen war? Wäre Euer Vater nicht zur rechten Zeit erschienen, so hätte Guttenberg längst im Schuldthurm seinen Ehrgeiz und seine Kunst vergessen.

KÄTHE.

Nimmermehr! denn selbst im Schuldthurm bliebe er noch immer der Erfinder – Ihr nur seine Werkzeuge, wie Presse und Typen, wie Druckerschwärze und Pergament! – Schämt Euch, Peter Schöffer, daß Ihr von meines Vaters Gelde redet! Der Vater kann sich glücklich preisen, daß er gewürdigt ward, durch sein todtes Metall dem Manne dienen zu können, der das Todte lebendig, das Lebendige unsterblich macht! – Er giebt Euch ja den Gewinn, Ihr kleinen Seelen – laßt ihm den Ruhm, den Euer Hauch doch nie trüben kann!

PETER.

Ei, ei, Jungfrau Käthe, wie wird Euch denn? Ich kenne Euch nicht mehr?! – Euer Gesicht glüht, Ihr macht Gebehrden, als wolltet Ihr geradezu gen Himmel fliegen.

KÄTHE
glühend.

Höhnt mich nur, Herr Peter, ich verstehe Euch gar wohl! Die Eifersucht läßt Euch den großen Mann schmähen. Ja, hört es immerhin, ich mag Euch nicht, und ich wollte lieber in Guttenbergs Armen als Leiche liegen, denn neben Euch vor dem Altar, den Brautring in der Hand.Immer hitziger werdend. Und wenn es wahr ist, was die Leute sagen, wenn Ihr dem Vater so schön thut meinetwegen, so habt Ihr Euch um eine Seifenblase gequält, denn Euer werde ich nie, niemals, eher mag die Bahre mein Brautbett sein! –

PETER
bestürzt.
Käthchen –
[28]
KÄTHE.

Nicht Käthchen – Jungfrau Katharina bin ich für Euch, Geselle, bin Eures Meisters Tochter, und habe keine Tonne Salz mit Euch verspeist!

PETER
herausfahrend.

Oho, hoffärthiges Jungfräulein, nicht allzu trotzig! Wenn Euer Vater will, bin ich nicht mehr Geselle, bin sein Sohn, und daß er's will, werdet Ihr noch heute erfahren!

KÄTHE
schlägt die Hände zusammen.
Meines Vaters Sohn? – Ach heil'ge Mutter Gottes, der Vater wird mich doch nicht zwingen wollen?
6. Szene
Sechste Scene
Johannes Fust aus der Mitte mit Mantel und Baret. Vorige.

KÄTHE
auf ihn zu stürzend.
Vater, ist's wahr? ich soll den Peter Schöffer zum Mann bekommen?
FUST
finster.
So denk' ich, ja, das ist mein Wille. Der Junge ist Dir zugethan mit ganzer Seele!
KÄTHE.

Vater, ich kann ihn nicht lieben, und zwingt Ihr mich, so muß ich's sagen, ich – ich weiß Euch einen bessern Schwiegersohn –

FUST.
Was? – Was ist das?
KÄTHE.
Ich liebe den Guttenberg, und soll ich den nicht haben, so will ich keinen –
FUST
fährt auf.

Den Guttenberg? – Bist Du von Sinnen? – Denkst Du, der ahnenstolze Patrizier nehme des schlichten Bürgers Tochter zur Frau?

KÄTHE.

Er stolz! O lieber Gott, bin ich denn nur sehend, und alle Andern blind? – Der demüthige Mann, der schweigend seine mühevolle Bahn geht, der Gott allein die Ehre giebt, und züchtig wie eine Jungfrau des Geistes Strahl verbirgt, der leuchtend aus seinem Auge dringt! Er stolz – und stolz auf seine Ahnen! – Wer sind sie denn? – wer kannte sie? was waren sie der Menschheit? Einst [29] wird man sie kennen, einst wird man fragen, wer war der glückselige Vater, der einen solchen Mann Sohn nannte? Einst, wenn der Name Guttenberg über Land und Meer fliegt, wenn Tausende und Abertausende ihren Wohlthäter preisen, dann wird man erfahren, daß ein Guttenberg sein Ahn gewesen; und wäre er der erste seines Namens, so wird eine Zeit kommen, wo kein Kaiser drob erröthen würde, wäre dieser Guttenberg sein Sohn, denn was er für die Menschheit that, nicht Segenvolleres hat des höchsten Fürsten Scepter je geschaffen!

FUST.

Die Dirne ist wahnsinnig! Gott erbarme sich, so hörte ich sie nie! Sie ist herausgeschritten aus dem stillen Kreise, für den ich sie erzogen, sie wäre fähig den eignen Vater zu verderben, gälte es das Glück des heuchlerischen Gleißners, der sie verführte, der das Kind wider den Vater hetzt. –

KÄTHE.

Mein Vater, Ihr thut schweres Unrecht an mir und ihm. Noch nie kam ein Wort von Liebe über seine Lippen, noch nie sprach ich es aus, was mir die Angst dieser Stunde erpreßt! Aber dennoch, ich weiß es, er ist mir gut, und wird ein treues Herz, das ihn so ganz versteht, nicht von sich stoßen.

FUST.
So gehe denn hin und trage Dich ihm an, und nimmt er Dich, so ziehe mit ihm in's Gefängniß.
KÄTHE
starr.
In's Gefängniß?!
PETER
rasch.
Ist Alles schon gethan?
FUST.

Gethan und wahrlich schnell genug, und Alles fügt sich meinem Wunsche. Sie saßen eben beisammen, die Herren Räthe, und mein Bruder obenan.

KÄTHE.
Vater – was – was habt Ihr gethan?
FUST.

Du sollst es wissen, damit Dir die Heirathsgedanken vergehen. Den schlechten Zahler, den Guttenberg, der mich vor wenigen Minuten hier in meinem eignen Hause beschimpft, ich habe ihn eingeklagt, und zahlt er nicht, so mag er im Gefängniß liegen, bis ihm der Hochmuth vergeht!

[30]
KÄTHE.

Ihr habt den Guttenberg eingeklagt, Ihr wollt ihn in's Gefängniß werfen? – O Gott, verzeih mir's, wäre ich doch gestorben, ehe ich dies von meinem Vater erlebt!

FUST.
Käthe!
KÄTHE.

Droht mir, hebt die geballte Faust noch höher, schlagt mich, tretet mich mit Füßen, tiefer kann ich nicht mehr sinken, schlimmere Schmach nicht mehr erfahren, als Ihr mir eben angethan! – Der Mann, der Euch zu sich erhob, der Euch offen und redlich, wie der Herr einst den Häschern, entgegentrat – den wollt Ihr in's Verderben stürzen, die Früchte seines Fleißes ihm stehlen? – nun denn, wenn's so um Euch steht, so mögt Ihr scheiden von dem einzigen Kinde, das Euch noch übrig blieb! Ihr werdet in der letzten Stunde Eures Lebens vergebens nach der Hand suchen, die Eure trüben Augen schließen soll, denn Ihr habt Eurem armen Kind das Herz gebrochen; es wird sich flüchten mit seinem Grame in eine Welt, wo ein milderer Vater seine Arme öffnet – ach, wäre ich schon dort!Sie eilt weinend ab.

FUST
sieht ihr ergrimmt nach.

Was ist das? Was ist aus der Dirne geworden? so spricht sie zu dem Vater? Ich will ihr den Kopf zurecht setzen, so wahr ich Herr bin über mein widerspenstiges Kind! Komm Peter, wir haben einen so großen Schritt vorwärts gethan, daß an keine Rückkehr zu denken ist. Schnell zu meinem Bruder, die Sache soll rasch beendet sein. Beide ab.


Verwandlung.
Zimmer in Guttenbergs Hause.
7. Szene
Siebente Scene
Guttenberg. Lorenz.

GUTTENBERG
tritt aus einer Seitenthür, ein Blatt in der Hand.

Es eilt dem hohen Rath, da ist schon die Ladung, [31] heute noch soll ich vor den Herren erscheinen! Nun denn, frisch auf, ich werde deutsch und vernehmlich reden, von meinem guten Recht weiche ich nicht Haares breit, und Recht muß mir werden.

LORENZ.

Ach, lieber Meister, die da droben verstehen gar mancherlei Künste, das Recht hat eine wächserne Nase, und goldene Finger drehen diese gar leichtlich nach Gutdünken! – Mir graut vor dem Ende!

GUTTENBERG.

Sprich nicht also schlecht von dem hochedlen Rath, es sitzen ihrer Viele darunter, die Ehrenmänner sind! Meine Sache ist so klar wie Gottes Sonne, wie sollte ich bangen für das Ende.

8. Szene
Achte Scene
Käthe. Vorige.

KÄTHE
athemlos, blaß, mit einem Schleier, der ihr Gesicht jedoch nicht bedeckt.
Ach, da seid Ihr ja!
GUTTENBERG
erstaunt.
Jungfrau Käthchen – Ihr – bei mir?
KÄTHE
verwirrt.

Ach, Meister Johannes, ich fühle wohl, was Ihr sagen wollt, und was ich thue, da ich allein zu Euch, dem freiledigen Manne komme! Aber Noth kennt kein Gebot, und Gott, der mein Herz sieht, wird mir verzeihen wie Ihr, wenn Ihr mich erst angehört.

GUTTENBERG
setzt ihr einen Stuhl.
Gefällt es Euch nicht, Platz zu nehmen? Ihr seid bleich und athemlos – was ist Euch widerfahren?
KÄTHE
ohne sich zu setzen.

Nichts, lieber Herr, aber Euch, Euch durch die Schuld – Sie bricht in Thränen aus. ach Gott! ich kann's nicht aussprechen, es bringt mich ja um's Leben!

GUTTENBERG
faßt ihre Hand.

Gutes Käthchen, ich weiß, was Ihr sagen wollt, beruhigt Euch; es ist zwar schlimm gethan von Eurem Vater, aber es wird doch zu Gottes Ehre noch Alles gut werden!

[32]
KÄTHE.

Ach, edler Mann, Ihr wißt nicht, wie es um Euch steht! Rettet Euch, wenn Ihr noch könnt! Habt Ihr denn keinen Freund zu Mainz, der Euch helfen möchte in dieser großen Noth? – Ich Aermste habe ja nichts als das wenige Geschmeide meiner seligen Mutter! Ach, Herr von Guttenberg, Sie wollen Euch in den Kerker werfen, wenn Ihr nicht sogleich bezahlen könnt, Sie wollen Euer Geschäft in Beschlag nehmen, Ihr seid ein verlorner Mann, wenn Euch nicht schleunigst Hülfe wird! Das mußte ich Euch sagen, es trieb mich zu Euch, ich konnte nicht widerstehen! – Mögen die Nachbarsleute mit Fingern auf mich deuten, mag mich mein Vater verstoßen, ich kann nicht leben mit dem Bewußtsein, daß er es ist, der Euch zu Grunde richtet!

GUTTENBERG.

Braves, edles Mädchen! ich danke Euch! – Aber Eure Warnung fruchtet mir nicht; wenn es wahr ist, wenn der Rath also schändlich Recht und Gerechtigkeit mit Füßen tritt, dann ist keine Hülfe für mich! Seit Jahren meiner Erfindung allein lebend, dachte ich nicht daran, mir Freunde zu erwerben; der einz'ge Mann, der mich oft heimsuchte in meiner Werkstätte, der ein freundlich Herz zu mir hatte, der redliche Doktor Humery, ist ferne in den Niederlanden, Gott weiß, wann er wiederkehrt! woher sollte mir wohl die große Summe kommen, die ich Eurem Vater schulde!

KÄTHE
außer sich.

Ja, Humery, der reiche, edle Humery, hätte Euch sicherlich geholfen! Ach, warum muß er fern sein! Guttenberg, jedes Eurer Worte ist ein Messer in meiner Brust, denn ich sehe nirgends – nirgends Rettung! Mann des Lichts, Dein Leben ist Freiheit, und sie wollen Dich vergraben in die Nacht endloser Gefangenschaft! Du kannst nicht athmen im Kerker, Du gehst zu Grunde, sie werden Dir Luft und Sonne nicht mehr gönnen, die Eifersucht schmiedet die Riegel Deines Sarges, Peter Schöffer will mich zum Weibe, und weiß, daß ich nimmer –

GUTTENBERG
staunend.
Die Eifersucht? – Käthchen!
KÄTHE.

O Herr, mein Gott, was rede ich da. ich bin[33] nicht wohl bei Verstande – zürnt mir nur nicht, lieber Herr! ich – Sie schlägt beide Hände vor das Gesicht.

GUTTENBERG
der plötzlich begreift, kummervoll.

Ach nun – ja so, so ist das! Pause. Er winkt Lorenz, der hinausgeht, geht dann ein paarmal hin und her, tritt endlich vor Käthchen bin, die noch immer mit bedecktem Gesichte dasteht. Armes, armes Käthchen! Ach, es wird mir schwer, die Lippen zu öffnen und in einer Wunde zu wühlen, die noch immer blutet! – Käthchen, ich habe ein Weib. –

KÄTHE
läßt die Hände vom Gesicht fallen, starrt ihn sprachlos an, faßt endlich nach der Lehne des Stuhls und stammelt.
O Du mein lieber Gott! –
GUTTENBERG
umfaßt sie und läßt sie sanft in den Stuhl gleiten.

Seid stark, Käthchen, gutes treues Kind, mein Herz ist zum Zerspringen voll, raubt mir nicht die Kraft, die mir nöthig, um zu sagen, was ich muß!

KÄTHE
kaum hörbar.
Und wo – wo ist – Euer Weib?
GUTTENBERG.
Bei ihren Eltern, im Elsaß, sie hat mich verlassen!
KÄTHE
starrt ihn an.
Verlassen – Euch – o nimmermehr!
GUTTENBERG
mit einem schweren Seufzer.
Sie that's! –
KÄTHE
schüttelt den Kopf.
Dann liebte sie Euch nicht!
GUTTENBERG.

Doch, Käthchen, sie liebte mich innig! Aber Irrwahn und Aberglaube waren stärker als ihre Liebe, und sie verließ mich! geängstigt durch heillose Pfaffen, ging sie in's Elend, ihre Seele zu retten. Ich habe seitdem ihren Namen nicht mehr ausgesprochen. Niemand weiß wie elend ich bin, wer achtet auch des armen finstern Mannes, der ohne Klage still seines Weges geht? Ich bin der bedauerungswertheste Mensch, seitdem ich sie verlor, denn ich – kann sie nie vergessen! Er legt die Hand über die Augen.

KÄTHE
zuckt zusammen und fährt mit dem Ausdruck des tiefsten Schmerzes nach dem Herzen.

Nach einer kleinen Pause steht sie [34] auf, tritt vor ihn hin, faßt seine beiden Hände, und sagt, mit Thränen kämpfend, aber doch fest. Gott tröste Euch, lieber Herr, Ihr seid sehr unglücklich! – Doch Eure Wunden werden heilen, Gottes Vaterhand heilt ja alle zerrissene Herzen, Mit geheimer Beziehung. wenn auch nicht hier! – Gefaßt. Denkt jetzt nicht an Euren Gram, sinnt nach, ob es keine Hülfe giebt für Euch.

GUTTENBERG.

Wenn mir meine gerechte Sache nicht hilft, giebt's keine. Sinnend. Ich habe wohl eine Schwester, sie ist im Kloster der Klarisserinnen hier zu Mainz. Sie könnte mir helfen durch Fürsprache bei dem Voigt; aber sie ist mir fremd geworden. – Auch sie hält meine Erfindung für Aberwitz, mein Treiben für strafbar, ich habe sie seit Jahren nicht gesehen.

KÄTHE
verzweifelnd.
Schrecklich! schrecklich!
9. Szene
Neunte Scene
Lorenz. Vorige.

LORENZ
stürzt herein.

Gnädiger Herr, es wird Ernst. Drunten stehen vier Nathsknechte, um Euch, wenn Ihr nicht gutwillig geht, mit Gewalt vor Gericht zu bringen, nun ist kein Aufschub mehr.

GUTTENBERG.
Es scheint dem hohen Rathe Ernst, mich zu verderben. Lebt wohl, Käthchen!
KÄTHE
stürzt weinend vor ihm nieder.

Ach, Guttenberg, Ihr müßt mich ja verwünschen, wenn Ihr meines Vaters denkt! Ihr seht, wie mir zu Muthe ist, geht nicht von mir, ehe Ihr mir vergeben.

GUTTENBERG
hebt sie auf und faßt sie in die Arme.

Käthchen, ich werde dieser Stunde stets mit Dank und Rührung gedenken; mein Schicksal mag sich wenden, wie Gott will, Ihr werdet mir immer theuer bleiben! – Mit Beziehung. Der Vater droben tröste Euer leidendes Herz, und gebe [35] Euch mei nen Glauben, meine Zuversicht, dann könnt Ihr nie zu Grunde gehen! Bewegt. Gott segne Euch!


Mit Lorenz ab.
KÄTHE
allein.

Brich denn, mein junges Herz, weint euch blind, ihr blöden Augen! Bis sie mir die Grube graben, ist's aus mit Ruh' und Frieden! – Ach, wäre der Tag schon da, mein Todtenhemd gesponnen, und läge ich im Sarge, geziert mit schönen Kronen! Doch was denke ich jetzt an mich? Es gilt das Heil des großen Mannes! Guttenbergs Wohl, die Ehre der Menschheit liegt in der Wage, was schwatze ich und beweine mein Geschick! – dorthin den Blick, dorthin die Seele! Erhaben. Frisch auf, Jungfrau, Du kannst ihm noch nützen, was seufzest Du nach dem Tode? Sie eilt ab.


Der Vorhang fällt.
2. Akt
1. Szene
Erste Scene
Lorenz Beildeck.

LORENZ
Es wird bald eilf schlagen, die Messe ist gleich aus! Ich will diesen letzten Versuch noch machen.

Er geht hin und her. Was für ein freundlicher Sonntag, wie Alles zu den Thoren strömt, wie hell die Sonne scheint! Nur ihm nicht, dem wackern Mann. O Herr Gott! siehst Du denn all den Gräuel so lächelnd an, und es verfinstert sich nicht der Tag? Pause. Wenn ich nur wüßte, wie die Käthe jetzt gesinnt ist gegen meinen armen Herrn! Nun, sie kommt ja aus dem Hause Gottes, sie war immer mild und herzlich, sie wird es auch heute sein! – Es gehen mehre gut gekleidete Bürger und Frauen [36] über die Scene. Sieh da, der Dom entleert sich, der Gottesdienst ist aus – dort, ja dort kommt sie; aber der Judas Ischarioth ist mit ihr. Grimmig. Nun ist mein ganzer Plan für heut verdorben! O Herr, dort oben, nur die einzige Gnade verleihe mir, daß ich ihm und dem Schurken Fust das Genick brechen darf, dann will ich ja gerne nichts mehr von Dir bitten. Er zieht sich zurück und beobachtet die ganze Scene aus der Ferne.

2. Szene
Zweite Scene
Frau Barbara. Else, ihre Tochter. Käthchen. Peter Schöffer.

KÄTHE
anders gekleidet als früher, mit Schleier und Gebetbuch, bleich.

Herr Schöffer, wolltet Ihr nicht einen andern Weg aus der Kirche nehmen? Und wenn Ihr gerade die Straße gehen müßt, gefiele es Euch nicht, die Seite da drüben einzuschlagen?

PETER
kummervoll.
Aber, Käthchen, wir gehen ja einen Weg, warum soll ich nicht an Eurer Seite bleiben?
KÄTHE.

Der Herr schütze mich, daß ich jemals Eure Wege wandeln sollte! – Ich will auch von Euch nicht ferner gefolgt sein!

BARBARA.

Aber, Mühmchen, warum seid Ihr denn so hart gegen den ehrenwerthen Herrn, was verschlägt uns seine Begleitung?

KÄTHE.

Es will einer züchtigen Jungfrau nicht ziemen, mit einem jungen Mann aus der Messe zu gehen, es wäre denn ihr Bräutigam.

ELSE
kichernd.

Ei, stelle Dich nicht so, Käthe, das weiß ja ganz Mainz, daß der Herr Peter Deines Vaters Schwiegersohn werden wird! Was zierst Du Dich denn?

KÄTHE.
Da sei Gott für, daß ein so ungleiches Paar zusammen komme; das wird nun und nimmermehr geschehen.
PETER
betroffen und seinen Zorn verbeißend.

Käthchen, [37] schont meiner doch vor den fremden Leuten! Es ist ein so freundlicher Tag, Alles ist fröhlich, und Ihr könnt so finster und hart sein?

KÄTHE
ausbrechend.

Ein freundlicher Tag? Aber er, den Ihr um Ehre und Freiheit brachtet, liegt im Schuldthurm! Alles ist fröhlich, aber der edelste Mann vergießt Thränen des Ingrimms! o der unauslöschlichen Schmach, könnte Fust's Tochter sich des Sonnenlichts noch freuen! –

BARBARA.
Käthchen, wie wird Euch, die hellen Thränen laufen Euch über die Backen!
KÄTHE.

Ja, Base, mögt Ihr's hören und mögt's der ganzen Stadt wieder erzählen: ich habe keinen Theil an meines Vaters That! – Der da ist's, der ihn zu Allem verleitet! – Guttenbergs Unglück komme über ihn!

BARBARA.

Gott verzeih mir die Sünde, Käthe, was redet Ihr! – Der Vetter that sehr wohl daran, den bösen Schuldner in den Thurm zu werfen, und sich seines Geschäfts als Eigenthum zu bemächtigen; sollte er das Seine verlieren? Wahrlich, es steht Euch schlecht an, also von Euerm Vater zu sprechen.

KÄTHE.

Wie, Muhme, Ihr könnt – doch was verschwende ich meine Worte, Ihr versteht freilich meine Sprache nicht! Laßt uns gehen. Herr Peter, zieht Eure Straße, und verfolgt mich nicht weiter!

PETER.
O, Käthe, Ihr verfahrt schlimm gegen mich, möge es Euch nie gereuen. Er eilt ab.
ELSE.

Das sage ich auch; ich weiß nicht, was Du gegen den hübschen jungen Menschen hast, wenn er mich wollte, ich nähme ihn gleich!

KÄTHE.
Nimm ihn, ich danke Dir's.
BARBARA
giftig.

Freilich, meine Else wartet nur auf das, was die Jungfrau Muhme übrig läßt. – Ich – ich – nun, am heiligen Sonntag will ich mich nicht ärgern, aber es kommt wohl die Zeit, wo ich bei dem Herrn Vetter mein Wörtlein anbringen kann, und dann dürften ihr die Ohren [38] tüchtig klingen! Nun, Else, laß uns nach Hause gehen, denn wir verstehen ja doch die gelehrte Sprache nicht, die Jungfer Käthe spricht! Beide schnell ab.

LORENZ
tritt vor.

Gott sei Dank, das Gesindel ist weg und gönnt einem ehrlichen Menschen Luft! – Ach, wie oft suchte ich Euch zu nahen, doch immer vergebens!

KÄTHE.

Wackrer Lorenz, seh' ich Euch endlich wieder! Ach, wie geht mir das Herz auf, wenn ich doch Einen finde, der es redlich mit ihm meint! –

LORENZ
ihre Hond ergreifend, herzlich.

O, Jung frau Käthe, das muß ich Euch sagen! Wie brav seid Ihr doch, wie kann eine solche Lilie neben dem Schierling blühen!

KÄTHE
dringend.
Was macht Dein Herr?
LORENZ.

Das fragt Ihr und kennt den Guttenberg? – Mit freudigem Muth ging er damals an's Werk, er ahnte nicht, daß er seinen Prozeß verlieren könnte, denn er glaubte noch an Recht und Gerechtigkeit auf Erden. – Als sie ihm aber seine Presse nahmen, und der Fust ihn in den Schuldthurm werfen ließ, da war es aus mit ihm, das hat sein Herz gebrochen und seinen Muth! Drei ewig lange Monate sind verschwunden, Niemand kümmert sich um den Aermsten! – Die Kerkerluft zehrt an seinem Leben, er siecht hin in dumpfem Jammer! – Der Fust und Schöffer haben sich fleißig dazu gehalten, heute vernahm ich, das Bibelbuch sei fertig. Bald wird die Erfindung die Welt mit Staunen füllen, der Ruf fliegt jetzt schon durch's deutsche Land, und der Mann, von dem das Licht ausging, liegt vergessen hinter eisernen Riegeln und verzweifelt an Gott und Menschheit!

KÄTHE.
O haltet ein, Ihr brecht mir das Herz!
LORENZ.

Ich kann Euch den Kummer nicht ersparen, denn ich komme mit einer Bitte an Euch, und muß Euch sagen, wie es um Guttenberg steht, daß ich Euch rühre!

KÄTHE.

MICH wollt Ihr rühren! Ach, Lorenz, könntet Ihr mir in die Seele schauen, Ihr würdet die überflüssigen Worte sparen! Sprecht schnell. Was kann ich thun? [39] Habe ich mir nicht zu den Füßen meines Vaters die Hände wund gerungen um die Freiheit des edlen Mannes! Und blieb nicht bis heute Alles vergebens?

LORENZ.

Hört mich an. Ihr wißt ja doch, daß Euer Vater sich des Geschäfts bemächtigte als Pfand für das Kapital, doch damit begnügte er sich nicht – für die Zinsen, die er zu 400 Goldgulden anschlägt, hält er den Herrn gefangen. – Wenn wir ihm nur die Freiheit schaffen könnten, dann würde Gott wohl weiter helfen. – Er wollte mir nicht gestatten, mich an seine Schwester zu wenden, er hofft von keinem Lebenden was Gutes mehr! – Ich aber, als ich ihn täglich mehr verkümmern sah, faßte mir ein Herz, und that hinter seinem Rücken, was er nie gestattet hätte. – Ich ging zu den Klarisserinnen, doch die Schwester Agnes liegt seit Wochen an einem schweren Siechthum darnieder, und ich konnte sie nie zu sprechen bekommen. Ihr, Jungfer Käthe, seid ein frommes Mägdlein, könnt reden klar und eindringlich; wenn –

KÄTHE
ihn unterbrechend.

Ich das Wort für Guttenberg führen wollte? – O, guter Lorenz, von Herzen gerne! Wenn mir das glückte, der finstern Nonne das harte Herz zu rühren, wenn sie ihm helfen würde, wie gern wollte ich barfuß bis gen Hildesheim zu Maria Gnad' wallfahrten? – Es ist bald Mittagzeit – ich bin jetzt unbeachtet, zu den Klarisserinnen sind nicht hundert Schritte. Freudig. Ja, ich will den Versuch machen! Gott wird mich stärken, er sieht die Angst meines Herzens, er wird mir Worte auf die Zunge legen, wie ich sie brauche! Was ich erbitten will, ist ein gutes Werk, eine edle That, er kann mich nicht verlassen! Sie läuft schnell ab.

LORENZ
sieht ihr nach.

Wackres Mädchen! Nun, der Herr wird seinen Segen geben, denn wenn der Mann zu Grunde gehen sollte, verzeih' mir's Gott, so ist das Vaterunser, das ich jetzt beten will, das letzte, so über meine Lippen geht! Ab.


[40] Verwandlung.
Ganze Tiefe des Theaters. Kreuzgang im Kloster der Klarisserinnen zu Mainz; man sieht durch die Säulen des Hintergrundes in einen Kirchhof, der mit hohen Bäumen besetzt ist, auf den Gräbern blühende Lilien. Rechts und links im Hintergrunde, ohngefähr in der fünften Coulisse, zwei gothische Thüren, von welchen die eine in das Innere des Klosters, die andere in die Kapelle zu führen scheint. – In der Mitte des Kirchhofs steht ein kolossales Kreuz. Im Vorgrund rechts ein Betstuhl
vor dem Bilde der heiligen Jungfrau, welcher in einer gothischen Nische steht; links zwischen der ersten und zweiten Coulisse eine Thür. Sobald verwandelt ist, hört man hinter der Scene einen lateinischen Choral von Frauenstimmen, erst entfernt, dann immer näher kommend. Die Thür rechts wird eröffnet, die Aebtissin der Klarisserinnen schreitet voran, ihr folgt der Zug der Nonnen, Paar und Paar, jede trägt eine brennende Wachskerze in der Hand, welche mit kleinen Blumenkränzen umwunden ist; hinter der Aebtissin wird eine Kirchenfahne getragen, auf welcher die heilige Klara abgebildet; mehrere Fahnen beschließen den Zug, der sehr langsam, fortwährend singend, über die Bühne schreitet, ohne jedoch in den Vorgrund zu kommen. Der Zug geht durch den Kreuzgang und verschwindet auf dem Kirchhof; der Gesang verhallt. Die Nonnen tragen weiße Gewänder mit schwarzen Skapuliren, weiße Kopfumhüllung und dichte schwarze Schleier darüber. Sobald die Bühne leer ist, tritt aus der Pforte in der ersten Coulisse.
3. Szene
Dritte Scene
Schwester Klara. Käthchen.

KÄTHCHEN.

Ach, Schwester Pförtnerin, ich flehe Euch bei allen sieben Nothhelfern an, laßt mich mit der hochwürdigen Mutter Agnes sprechen; ich habe gar ein schweres Anliegen, und es eilt. – Mir ist das Herz voll zum Zerspringen, sprecht nur ein freundliches Wort!

KLARA
bedächtig.

Mein feines Jüngferlein, das wird schwer halten! Die ehrwürdige Mutter ist seit Monden von einem gar bösen Gebreste gequält! Dies Siechthum hat ihr [41] der Kummer über den Teufelsbanner Guttenberg zugezogen; auch ist heute das Begräbniß einer unserer Schwestern, das mit Prozession und Gebet begangen wird! Sie will es in ihrer Zelle feiern, weil ihre Kräfte zu schwach –

KÄTHE
angstvoll das goldene Gürtelschloß abmachend.

Macht nicht so viel Worte, fromme Schwester, hier, seht dies reiche Gürtelschloß mit dem Behänge, ich verlobe es der heiligen Klara, laßt mich nur zu ihr!

KLARA
nimmt es und besieht es wohlgefällig.

Schönen Dank, gottseliges Mägdelein, unsere Patronin wird's Dir reichlich belohnen; nun, ich werde mein Möglichstes thun, um Dir den Eintritt bei der ehr würdigen Frau Mutter zu verschaffen. – Durch die Thür im Hintergrunde, aus welcher die Nonnen kamen, ab.

KÄTHCHEN.

Guttenberg ein Teufelsbanner! Ach, du mein Gott, da werde ich harten Boden finden! – Wo nehme ich nur den Muth her, vor der strengen Nonne mein Herzeleid auszusprechen? – Wenn ich sie mir denke mit dem finstern eingetrockneten Gesicht, den kalten Zügen, dem harten in Aberglauben verknöcherten Herzen! wird mir ihr Anblick nicht alles Vertrauen in die pochende Brust zurückjagen? Pause. Ja, wenn sie ihm gliche, dann müßte es mir wohl leicht werden, sie zu rühren! Aber wie darf ich das hoffen?

4. Szene
Vierte Scene
Bertha. Käthchen.

BERTHA
als Klarisserin gekleidet, bleich und ernst, aber sehr mild.
Bist Du es, Jungfrau, die nach der Mutter Agnes verlangt?
KÄTHE
siebt sie mit freudigem Staunen an und sagt nach kurzer Pause.

Sie ist's! Sie kommt heraus! Nein, nein, das ist keine finstre Nonne, kein hartes kaltes Gesicht! Auf dieser Stirne wohnt das Mitleid, diese trüben Augen kennen Thränen! Auf sie zueilend und vor ihr niederkniend. Ach, ehrwürdige [42] Mutter, Ihr werdet ihm helfen, Ihr müßt es! Habt Erbarmen mit dem edelsten Manne, rettet Guttenberg!

BERTHA
zuckt schmerzlich zusammen.
Gutten berg?! –
KÄTHE.
Wer sonst, was könnte mich zu Euch führen, als die schwere Bedrängniß Eures Bruders?
BERTHA.

Meines Bruders? – Du bist im Irrthum, Mägdlein, ich bin nicht seine Schwester – meine Freundin Agnes sendet mich zu Dir, um Dein Anliegen zu vernehmen, sie selbst vermag es nicht, sie hütet seit Monden ihre Zelle! durch ein frommes Gelübde hat sie sich verlobt, nicht eher die freie Luft wieder zu athmen, bis Gott das Herz des unglücklichen Bruders wenden, bis er ihn auf den Pfad des Heils zurückführen werde!

KÄTHE.

Großer Gott, die eigene Schwester glaubt ihn solcher schweren Sünde schuldig! – O Aberwitz der Menschen! so schmählich versündigen sie sich an einem Mann, auf dem Dein Geist so sichtbar ruht! – Sie soll sich geißeln, soll fasten und beten, um die Sünde abzubüßen, die sie an dem Bruder begeht; sagt ihr das, fromme Schwester, er bedarf ihrer Gelübde nicht! der fromme Mann steht rein vor Gott! Sie hebt die Hand zum Schwure auf. das schwört hier eine reine Magd vor seinem heiligen Angesicht, möge er mich verlassen für Zeit und Ewigkeit, wenn ich unwahr rede.

BERTHA
in heftiger Bewegung.
Wer bist Du, die solche Rede wagt? – Was willst Du von uns?
KÄTHE.

Katharina Fust ist mein Name, die Toch ter des Mannes bin ich, der Guttenbergs Geheimniß stahl, und ihn beraubt hinabstieß in Kerkernacht und Elend – vielleicht in den Tod. Die Schaamröthe, die jetzt meine Wangen deckt, sie brennt für meinen Vater! – O möge Euch die Verzweiflung einer Tochter rühren, die mit diesem Bekenntniß vor Euch treten mußte. Guttenberg ist der edelste, reinste Mensch, ihn zu retten ist meines Lebens Ziel, rette ich doch zugleich die Seele meines Vaters von ewiger Verdammniß, und seinen Namen von dem Fluche der Nachwelt.

[43]
BERTHA.

Guttenberg wäre rein? – O, Mägdlein, Dein Auge ist verblendet! – Ihn umstrickt ein finsterer Bund, der ihn zum ewigen Abgrund reißt, er ist verloren für alle Ewigkeit, er ist dem Feind des Menschen verfallen!

KÄTHE
außer sich.

Gott – Herr – Vater dort oben! gieb mir die Sprache deiner Engel, daß mein Wort siege, gieb mir das Herz des Lammes, daß meine Geduld so unerschütterlich werde, wie mein Wille ihm zu helfen! Glühend, aber ohne unedel im Zorn zu werden. Ehrwürd'ge Frau, wie mögt Ihr die reine Bildung, mit der Euch Gott begnadet, durch solchen Aberwitz schänden? – Doch ich vergebe es Euch, Ihr kennt ihn nicht, Ihr habt nicht mit ihm unter einem Herzen gelegen, wie die Schwester, Ihr habt vielleicht sein Antlitz nie gesehen, nie das treue Auge, aus dem der Strahl vom Himmel siegend leuchtet! Hat doch die eig'ne Gattin ihn im finstern Wahnsinn verlassen, was klage ich Euch, die Fremde, um ihres Irrwahns an!

BERTHA
heftig.
Die Gattin? – Wie, was weißt Du davon, rede, sprich!
KÄTHE.

Ja, die Gattin, die der große Mann zu sich erhob, die er liebte, und noch liebt! Starrt mich nur an mit bebenden Lippen, auch ich erstarrte! – so blöden Geistes war das Weib, das an seinem Herzen geruht! – er ein Teufelsbanner! er dem Feinde des Menschen verbunden! – Habt Ihr je gehört, Ihr Kleingläubige, daß der Satan zum Wohl der Menschheit, zum Ruhm des Herrn seine Hülfe böte? – Habt Ihr je gehört, daß Einer ein Bündniß schloß mit ihm, um wie Guttenberg sein Leben in Kummer und Noth, in Sorgen für das tägliche Brod, in ewiger Entsagung zu vertrauern? Pracht und Reichthum, Wohlleben und Ueppigkeit ist der Lohn, den Satan hienieden giebt Denen, die ihm dienen; Guttenberg ist reich – an Jammer, das Stroh seines Kerkers ist das üppige Lager für sein krankes Haupt. – Der Satan ist gegen ihn, darum erliegt er seinem Geschick! – Daß sich das Herz seines Weibes von ihm wandte, daß seine [44] Feinde siegen, das war Satans Werk, und geht er ganz zu Grunde, dann erst jubelt der böse Feind, denn Guttenbergs heilvolle Erfindung zerstört ja die Macht der Hölle, und öffnet dem Licht des Herrn die Wege, daß es dringe in den finstersten Winkel der Erde!

BERTHA
im furchtbarsten Kampf.

Halt ein, Mägdlein, halt ein! – Deine Worte dringen mir in die Brust, wie sieben Schwerdter, und meine Seele blutet aus der Todeswunde! Seit Jahren kämpfe ich mit Zweifeln und Todesangst! Wenn Du wahr sprächest, wenn er, was er that, zu Gottes Ehren gethan –

KÄTHE
entzückt.

Er that's, er that's. O haltet dies Gefühl fest in Eurer Brust, wenn es auch schmerzt, im Schmerz liegt Heilung! Da, da les't. Sie zieht ein Blättchen aus der Brust. Dies fromme Gebet war das Erste, was aus seiner Hand hervorging, aus seiner Seele floß der herzerhebende Spruch!

BERTHA
reißt ihr das Blatt aus der Hand, lesend.
O, heil'ge Jungfrau, keusch und rein,
Schau in des Herzens tiefen Schrein!
Wie sieht's doch da so finster aus!
Da ist nicht Trost noch Freud zu Haus!
Es ist mein Aug' so thränenschwer,
Wo nehm' ich doch wohl Balsam her? –
Woher? Kleinmüthig Herze mein,
Zur Jungfrau schau, in mildem Schein
Breit't sie die Arme uns entgegen
Und lehrt uns geh'n auf Gottes Wegen!
Und lehrt das tragen demuthsvoll,
Was Gott befiehlt, ein Christe soll! –

Sie läßt das Blatt fallen, bricht in Thränen aus, und verhüllt das Gesicht, indem sie in den Betstuhl sinkt.
KÄTHE.

Kann in einer Seele, die Satan verfallen, solch inniges Gebet entstehen? Kann solcher Trostspruch aus dem Pfuhl der ewigen Sünde heraufsteigen?

[45]
BERTHA.

Nein, nein, nein! Es fällt wie Nebel von meinen Augen, Guttenberg ist schuldlos, rein vor Gott, wir aber sind mit so schwerer Sünde belastet, daß nichts unsere Seelen jemals entsühnen kann!

KÄTHE
entzückt.

Gott hat Euer Herz gerührt, er hat Euch schon vergeben, denn er würdigt Euch, Euer Unrecht zu erkennen! – Jetzt helft, spart keine Mühe bei der Oberin! Guttenberg liegt im Kerker, weil er meinem Vater 400 Gulden für Zinsen verschuldet. Der arme Mann hat Niemanden auf der weiten Erde, der sich sein erbarmte! Euer Kloster ist reich, Schwester Agnes brachte ein schönes Mitgift, es kann ihr nicht schwer werden, das Geld zu erhalten, und ist er nur frei, dann hebt auch sein kühner Geist wieder die Schwingen, und es kann noch Alles gut werden!

BERTHA
springt auf.

Ja, so Gott mir hilft, will ich ihn retten, wenigstens aus der Kerkernacht, die ihn umgiebt! – Ach, es ist so wenig, was ich für ihn thue, und es ist dennoch Alles, was ich zu thun vermag!

KÄTHE.

Es ist viel, unaussprechlich viel. – Ihr gebt ihm das Höchste, was der Himmel dem Menschen gab, die Freiheit!

BERTHA
ausbrechend.
Ach, was ich ihm nahm, kann ich ihm niemals wiedergeben.
KÄTHE.
Wie? – Ihr kennt ihn!
BERTHA.

Mägdlein, Du hast mehr an mir gethan, als ich Dir lohnen könnte, und lebte ich tausend Jahre! – Du hast mir den Weg gezeigt zur Sühne eines schweren Frevels, – Gott möge Dir dafür den Pfad zur höchsten Glückseligkeit zeigen! Du verdienst jedes Glück, das frommer Unschuld werden kann. Wende Deine klaren Augen von mir, Jungfrau! – Mögen diese Thränen bei Dir für mich sprechen wie dort – ich bin die Sinnverwirrte, die ihn elend machte, ich bin Guttenbergs Weib! – Ab.

[46]
5. Szene
Fünfte Scene
Käthchen steht eine Weile starr und sprachlos.

KÄTHCHEN.

Sie – sein Weib! Sie bedeckt das Gesicht. Pause. Was weine ich, was stockt mein Blut im Herzen? – so nährte ich noch sündige Hoffnung – so war sie noch nicht getödtet diese Liebe, die ich so tief begraben hatte in mein gebrochenes Herz! – Sie sieht ihr nach. Diese hohe Gestalt, diese edlen Züge – wie sollte er sie nicht lieben?Begeistert. Und ich habe sie ihm wiedergegeben, ich habe ihre Seele erleuchtet, das Werk seiner Befreiung ist mir gelungen – was weine ich denn,Schluchzend. warum ist mir denn, als sollte ich mir gleich zur Stelle mein Grab suchen? –


Man hört hinter der Scene den Choral von Frauenstimmen. Käthe steht lauschend, ihre Züge werden milder, sie tritt ganz in den Vorgrund, die Nonnen ziehen wie vorhin, von dem Kirchhof kommend, im Hintergrunde vorüber.

Was ist das? da wandeln die frommen Frauen den Kreuzgang hinab, mit wehenden Fahnen und brennender Kerze. Sich besinnend. Ach ja, sie begraben eine Schwester mit Prozession und Gebet. Sie faltet die Hände und sieht ihnen betend nach, bis sie vorüber sind. Wie mild und ernst sind ihre Züge, der Friede wohnt in diesen stillen Mauern, Ruhe blickt aus ihren Augen, des Lebens Stürme liegen hinter ihnen gefesselt, Wunsch und Klage sind ihnen fremd!


Pause. Der Gesang zieht sich nach und nach mehr in die Ferne, sie geht mit gesenktem Haupt ein paar Schritte, bleibt in der Mitte der Bühne stehen, faltet die Hände über der Brust, und scheint zu beten. – Ihre Züge werden ruhig, – plötzlich scheint ein Gedanke in ihr aufzusteigen.

Wie sagte sie? Gott möge Dir den Pfad zur höchsten Glückseligkeit zeigen? Entschlossen. Er hat mir ihn gezeigt, der Pfad liegt offen und geebnet vor mir! Des Vaters Sünde werde ich sühnen, die strafbaren Wünsche meines Herzens büßen, und beten für sein Wohl, bis einst die Lilie auf meinem Grabe blüht, und ewiger Friede die Entsagende belohnt! – Ja – mein himmlischer Vater, ich will den Pfad [47] betreten! –


Sie sinkt langsam, die Hände zum Gebet über der Brust gekreuzt, auf die Knie. Der Gesang tönt in der Ferne fort, bis der Vorhang fällt, ohne jedoch den Dialog zu stören.

Ende des zweiten Akts.

3. Akt
1. Szene
Erste Scene
Fust. Frau Barbara.

BARBARA.

Wie ich Euch sage, vielgeehrter Vetter, so unziemlich hat die Käthe von Euch gesprochen! Ich halte es für meine Pflicht, Euch dies zu berichten, denn es könnte Euch leicht in der Stadt zum Schaden gereichen; man hört ohnedem so Allerlei munkeln über Euern Prozeß, es heißt, Ihr hättet den Guttenberg um das Geheimniß gebracht, hättet ihn darum in den Kerker prozessirt, um mit seinem Kalbe ungestört pflügen zu können, und was der hämischen Redensarten mehr sind. Aber wenn nun Eure eigene Tochter –

FUST
geht unruhig hin und her.

Schmähsüchtiger Pöbel! Sie sollen sich hüten, daß ich Keinen auf solchem Wort ertappe, oder ich will ein Exempel statuiren lassen, das den Andern das giftige Maul schon stopfen soll! Aber, die Käthe – da habt Ihr Recht. – Der Sache muß ein Ende gemacht werden! – Geht einmal in's Untergeschoß, Muhme, ich will Ernst in meinem Hause zeigen, und dazu brauche ich keine Zeugen!

BARBARA
heuchlerisch.
Nun, macht's nur nicht gar zu schlimm, werther Vetter. Jugend hat nun einmal nicht Tugend. Ab.
[48]
2. Szene
Zweite Scene
Fust, gleich darauf Käthe.

FUST
ruft nach der Seitenthür.
Käthe, komm heraus!
KÄTHE
wie vorhin gekleidet, nur ohne Haube und Schleier.
Was wollt Ihr, Vater?
FUST
glühend vor Zorn.

Dir sagen, daß meine Langmuth ihr Ziel gefunden. – Ich weiß Alles, die Muhme war hier. Mit meiner Geduld ist's vorbei. Heute um acht Tage wirst Du zum erstenmal mit Schöffer aufgeboten, und sprichst Du nun noch ein unziemliches Wort gegen ihn, so sollst Du bei Wasser und Brod so lange im dunkeln Keller fasten, bis Dir die rechten Gedanken kommen, ich will Dein verstocktes Gemüth heilen, so wahr ich Johannes Fust heiße!

KÄTHE
ruhig, ohne alle Schärfe.

Mein Gemüth ist geheilt, Vater, und die rechten Gedanken sind gekommen! – Ist das Euer unwiderruflicher Wille, daß ich Schöffers Weib werden muß?

FUST.

So ist's! Willst Du nicht aus meinem Hause gestoßen, mit meinem Fluche belastet sein, so wirst Du Peters Ehefrau! Hier giebt es keinen andern Weg!

KÄTHE.
Doch, Vater, es gäbe noch einen, das Grab wäre eine sichere Freistatt gegen Zwang und Unrecht!
FUST.

Suche Dir die Freistätte, ich will Dir lieber ein stattliches Begräbniß spenden, als Dich in schaamloser Liebe für einen elenden Betrüger der Schande verfallen sehen!

KÄTHE
zuckt schmerzlich zusammen, sagt aber sanft.

Betrüger, er? Vater, wie mögt Ihr solch hartes Wort aussprechen? Wer weiß es wohl besser, als Ihr selbst, daß der Guttenberg kein Betrüger ist!

3. Szene
Dritte Scene
Peter. Vorige.

PETER
trägt ein großes dickes Buch in Quartform, mit rothem Sammet überzogen, silberbeschlagenen Ecken, und schwerem silbernem [49] Schloß.

Meister, hier ist Euer Werk, prachtvoll gebunden, wie Ihr es anbefahlt; so wird es wohl würdig sein, dem Kaiser überreicht zu werden, und der Lohn wird nicht ausbleiben, um den Euch alle Welt beneiden soll!

FUST
nimmt ihm das Buch aus der Hand.

Ha! herrlich, prächtig – ich danke Dir, Peter! – Er legt es auf den Tisch und legt die Hand darauf. Gedruckt, vollendet! Ja, Peter, mein Lohn wird sicherlich groß sein! – Aber auch Du sollst nicht leer ausgehen, Du, der mir endlich das mühevolle Werk fördern half. – Hier steht die Verstockte, deren Starrsinn Dich bis jetzt unglücklich machte – meinen Willen hat sie nun gehört, in acht Tagen seid Ihr aufgeboten, und zwei Tage später getraut!Streng. Umarme Deinen Bräutigam!

KÄTHE
schüttelt den Kopf.

Vater, habt nur eine kleine Geduld, es kommt der Augenblick immer näher, wo ich mich sehnend in die offenen Arme des Bräutigams stürzen werde! – Vater, ich habe nur noch eine Bitte an Euch. Sie tritt zum Tisch und legt die Hand auf die Bibel. Schenkt mir das Bibelbuch zur Mitgift!

FUST
auffahrend.
Was soll das, führst Du schon wieder spitze Reden?
KÄTHE
ernst und feierlich.

Es ist ernst gemeint, Vater. Ihr kennt mich! Schenkt mir die Bibel zur Mitgift, ich verlange weiter nichts von Euch.

FUST.

Das Prachtexemplar? Du träumst wohl, Dirne? An Deinem Hochzeitstage sollst Du den Wunsch erfüllt sehen, doch dieses Buch geht noch heute an den Kaiser ab, und soll mir goldene Früchte tragen.

KÄTHE.
Mögt Ihr sie nimmer pflücken die Früchte, die dies Werk seinem Schöpfer trägt!
FUST
zornig.
Käthe!
PETER
leise zu Fust.

Meister, seid vorsichtig, seht das Mägdlein an, aus ihren Augen spricht etwas, das mir nicht gefällt! Käthe ist zum Tisch gegangen, sinkt in den Stuhl und starrt auf die Bibel.

[50]
4. Szene
Vierte Scene
Barbara. Vorige.

BARBARA
eilig.

Mein werther Herr Vetter, drunten in der großen Stube sind zwei Herren vom hohen Rathe, sie verlangen nach Euch, und zwar in Sachen des Johannes Guttenberg; geht eilig hinab.

FUST
erschrocken.
In Sachen des Johannes Guttenberg? – Was soll das heißen?
PETER
leise.
Seid gefaßt, Meister, zeigt keine Furcht.
FUST
richtet sich auf.

Vielleicht denken sie mich weich zu machen! – Komm, Peter, wir wollen ihnen zeigen, daß sie keinen Schwächling in mir finden. Beide ab.

BARBARA
zu Käthchen.

Sieh, sieh, der Vetter ist doch tüchtig erschrocken! – Käthe hört sie nicht. Die Jungfrau Muhme steht da wie eine Mondsüchtige, giebt nicht Rede noch Antwort! Na, sehe schon, daß ich hier überflüssig bin! Will einmal hören, was es denn drunten giebt, man weiß ohnedem nicht, was man von der ganzen Geschichte denken soll! Sehr laut. Ade, Jungfer Käthe, werde Sie sobald nicht wieder belästigen. Ab.

5. Szene
Fünfte Scene
Käthchen allein.

KÄTHCHEN
stand von dem Augenblicke an, wo Barbara eintrat, in tiefem Sinnen; bei den letzten Worten fährt sie auf, und sieht ihr wie betäubt nach, dann sieht sie sich ringsum.

Alles fort. Ich bin allein! – Sie tritt unter die Mittelthür und sieht hinaus. Niemand hier, horch, des Vaters Stimme tönt laut und heftig! – Wieder vorkommend. Der Augenblick ist günstig! Vater, Du giebst mir meine Mitgift nicht? – Nicht? – So wenig fordere ich, mein ganzes Heil hätte ich drum eingesetzt, und Du giebst mir's nicht? – Sie reißt sich rasch die Schürze ab, schlägt sie um die Bibel, faßt das Buch in beide Arme und ruft. ich aber nehme sie, und denke den Raub dort oben zu verantworten! Sie eilt zur Seitenthür ab.


[51] Verwandlung.
Guttenberg's Gefängniß; im Hintergrunde ein hölzerner Stuhl, daneben ein Tisch, rechts ein einfaches Ruhebett mit einer wollenen Decke. Dämmerung.
6. Szene
Sechste Scene
Guttenberg allein.

GUTTENBERG
er sitzt an dem Tisch, sein Bart ist länger als früher, sein Gesicht ist bleich; einige Bogen Pergament liegen vor ihm, auf welche er tiefsinnig niederschaut.

Nach einer Pause steht er auf. Es ist kein Zweifel, es muß sich mit der Zeit ein Mittel finden, um die Buchstaben klarer zu sondern, und die Reihen enger zusammen zu rücken, ohne der Deutlichkeit zu schaden. Stehen bleibend. Bin ich nicht ein Thor, ich quäle mich mit Plänen, mit Verbesserungen meiner Erfindung, und werde nie in meinem Leben wieder eine Presse besitzen, vielleicht nie mehr der Freiheit mich erfreuen! Er tritt zu einem kleinen vergitterten Fenster. Wie lacht die Sonne so hell und mild – wie stolz fluthet dort der Rhein, frei strömt er durch das Land, dessen Ufer er segnet! Er legt die Arme übereinander. Dort wandeln die Menschen fröhlich über die Brücke, die bunten Festtagskleider flattern lustig um sie her im frischen Winde, und Keiner denkt des Guttenberg, der sehnend aus seinem finstern Thurm die Arme in die Weite breitet, und hier schmachtet, ein siechendes Opfer finstrer Grausamkeit! – Er legt die Hand über die Augen, nach einer Pause. O bedaurungswerthes, blindes Geschlecht der Menschen! So ächtest Du denn ewig Deine Wohlthäter, und drückst ihnen für jedes große Werk den glühenden Stempel Deines Undanks auf, daß er, Dich schändend, weithin durch die Nachwelt leuchte! – Und dennoch bebt der Genius nicht vor dem Brandmal zurück, und erweckt Dir wieder und ewig wieder dort Erndten, wo Du mit rohem Fuß die Saat zertratst! – So war's von Anbeginn, so ist es noch, und so wird's blei ben; von der Gegenwart erwarte Keiner Lohn, der in Zukunft leben will!

[52]
7. Szene
Siebente Scene
Lorenz. Guttenberg.

LORENZ
unter der Thür.
Na, brummt nicht, Stockmeister, die Gesellschaft seines Dieners könnt Ihr ihm ja wohl gönnen!
GUTTENBERG
ihm entgegen, reicht ihm die Hand.
Gott grüße Dich, mein treuer Lorenz, bringt mir Dein ehrliches Gesicht doch immer Trost!
LORENZ
küßt seine Hand.

Ach, mein lieber gnädiger Herr, wie habe ich mich nach dem Sonntag gesehnt, wo mir mein neuer Herr vergönnt, Euch zu besuchen! – Ich mußte ja wohl in fremde Dienste gehen, denn Hunger thut weh, und beisammen könnten wir nun einmal für jetzt nicht bleiben. Er wischt sich die Augen mit dem Aermel aus. Und Ihr seid doch so gut gegen einen alten Diener, der nichts kann, als Euer Schicksal beweinen! Doch es muß anders werden, es wird anders, ich habe eine gar frohe Hoffnung!

GUTTENBERG
finster.

Ich hoffe nichts mehr! Das Mark in meinen Beinen vertrocknet, wie mein Glaube an die Menschheit, – der Fust wird sein Spiel bald ganz und gar gewonnen haben –

LORENZ
ausbrechend.

Der Bösewicht, der gottvergessene, schaamlose Bösewicht! Euer Werk, das heilige Bibelbuch ist vollendet, und wird schon verschickt an aller Welt Enden!

GUTTENBERG
in der heftigsten Bewegung.

Vollendet mein Werk und ohne mich! Ich habe den Baum gepflanzt, gepflegt mit Angst und Liebe, habe jede Blüthe mit sorglichem Aug' gehütet, nun sind die Früchte gereift, und ich erndte sie nicht, sehe sie nicht einmal! Jedes Blatt, jeder Buchstabe ist mir lieb geworden, mit Stolz und Wonne weidete sich mein Blick an dem gedeihenden Werk, es tritt endlich leuchtend hervor aus der Nacht, und ich rüttle vergessen an von Eisenstäben meines Kerkers! – Er sieht empor. Herr, [53] ich klage dich nicht an, ich murre nicht. Plötzlich zur Weichheit übergehend. Du siehst mein starkes Herz gebrochen, du siehst Thränen mein männliches Auge schänden – dein Wille ist geschehen, der Gut tenberg ist todt! – Er sinkt schluchzend an Lorenz Brust.

LORENZ
fest.

Nein, Herr, der Guttenberg stirbt nie, er lebt in seiner Erfindung, und begräbt auch die undankbare Mitwelt ohne Thränen seinen Leib, die Nachwelt wird seinen Geist heraufbeschwören mit Jubel und Segensruf, und was man Euch jetzt versagt, durch ferne Jahrhunderte werdet Ihr's erndten!

GUTTENBERG
sich hoch erhebend.

Ja – ja, Lorenz, ich fühle es, unter heiligen Schauern zieht die Ahnung in meine Brust, ich werde nicht un tergehen! Ich Thor, was klage ich denn? – Feigling, was haderst du mit Gott und Welt? – Ist nicht mein Ziel erreicht? – Wollte ich denn um meines elenden Selbsts willen das Große, das Erhabene schaffen? – Sollte es nicht zur Ehre Gottes, zum Wohl der Menschheit vollendet sein? – Begeistert. O Herr, nun verstehe ich dich, du hast mir vergönnt, das Höchste zu erreichen, dieses Bewußtsein sollte mein Lohn werden! es ist vollendet, ist gethan, und dankend sinkt dein Werkzeug in den Staub zurück, aus dem ein Strahl deines Lichtes es in's Leben rief!

8. Szene
Achte Scene
Bertha, als Klarisserin, tief verschleiert. Käthchen, legt gleich beim Eintritt die verhüllte Bibel auf das Tischchen im Hintergrund. Vorige.

GUTTENBERG
sieht sie staunend an.

Wie, was seh' ich? – Neckt mich ein Traumgesicht? Er eilt auf Käthchen zu. Katharina – Ihr in meinem Kerker, Eure milden Züge erhellen noch einmal meine Nacht! – Und wer ist die Nonne? Was bringt Ihr mir?

[54]
KÄTHE
mit bebender Stimme, in seinem Anblick versunken.

Ach, theurer Herr, was sie Euch bringt, mir däucht, es kommt gerade noch zur rechten Zeit! Wie habt Ihr Euch verwandelt! Doch Eurer Prüfung schwerste Zeit ist um! Ehrwürd'ge Schwester, naht Euch doch, und laßt es ihn endlich wissen.


Bertha wankt in heftiger Bewegung näher, und reicht ihm mit zitternder Hand eine Pergamentrolle.
GUTTENBERG
sieht sie befremdet an.
Wer seid Ihr?

Bertha deutet mit abgewandtem Gesicht auf Käthchen.
KÄTHE.
Es ist Eure Schwester Agnes!
GUTTENBERG
rasch auf sie zu.

Ist's möglich? – Du Agnes, Du? Endlich willst Du doch den verlassenen Bruder wiedersehen? Er will ihre Hand fassen.


Bertha weicht zurück, und bedeckt das Gesicht mit beiden Händen.
KÄTHE.

Quält sie nicht mit Fragen, lieber Herr! ihr Herz blutet ob dem, was sie an Euch verschuldet! Gott hat ihre Seele erleuchtet, sie ist genesen von dem sünd'gen Wahne, der sie umstrickt, voll Reue naht sie Euch! Sie hat Dispens erhalten, um Euch zu führen, wenn Ihr folgen wollt, Euch zu geleiten zu einer friedlichen Freistätte. Ein heiliges Gelübde legte sie ab, auf diesem weiten Weg weder die Lippen zu öffnen, noch ihr Ant litz vor eines Menschen Blick zu entschleiern. Durch diese Entsagung hofft sie zu sühnen, was sie an Euch verbrach.

GUTTENBERG.

Ist mir's doch immer noch, als ob ich träumte! Mich führen, bin ich denn frei? – Und Du, meine herzliebe Agnes, lagst Du denn nicht darnieder in schwerem Siechthum?

KÄTHCHEN
mit Beziehung.
Wohl lag sie in schwerem Siechthum, doch Ihr seht, sie ist genesen! les't doch, ich bitte Euch! –
GUTTENBERG
öffnet das Pergament, woran ein Siegel hängt, lies't.
Es ist meine Freilassung, wie konnte das geschehen?
[55]
KÄTHCHEN
auf Bertha deutend.

Sie hat Euch befreit, sie will Euch aus dem Kerker führen, und in ein Land, wo Eurem müden Geiste Friede und Erholung werden soll! Begeistert. Ja, Guttenberg, es wird noch Alles gut! Am Ende Eures Pfades seh' ich den grünen Lorbeerkranz, und offen liegt die Bahn, auf der Euch die ewige Gerechtigkeit siegend leitet.

GUTTENBERG
schüttelt das Haupt.

Ja, offen liegt die Bahn – ich wandle sie am Bettlerstabe! – Mir mangelt Alles, was mir nöthig, um mich wieder zu erheben; jetzt erst, in diesem Augenblicke empfinde ich im innersten Kern meines Lebens, daß die Freiheit, die sie mir nahmen, nicht der schlimmste Raub war, der an mir begangen ward. Ich bin frei – und gehe doch gefesselt und gelähmt von dannen! – Meine Seele, mein Leben bleibt hier zurück! Den Ruhm der Erfindung, die meines Daseins Ziel, sie haben ihn mir entrissen, verlachen würde man den Bettler, träte er mit solchen Ansprüchen vor den hohen Rath; meine Bibel darf ich nicht vollendet schauen, Bitter lächelnd. mir bleibt nicht einmal so viel, um mir ein Exemplar des Werks zu erkaufen, das ich mit Tausenden bezahlt. Resignirt. Für diese Zeit ist's aus mit mir. –

KÄTHE.
Guttenberg, wollt Ihr mir einen Wunsch erfüllen?
GUTTENBERG.
Ihr fragt mich, Käthchen? – Habe ich das um Euch verdient?
KÄTHE
zieht ein Schreiben aus der Brust.

Wenn Ihr den Zufluchtsort erreicht, den Ihr an ihrer Hand wohl bald finden werdet – wenn in Euer gepreßtes Herz einmal wieder die Freude einzieht – dann denkt des armen Käthchens zu Mainz, und sendet diesen Brief aus Eurer neuen Heimath an Johannes Fust, meinem Vater! Aus Eurer Hand soll er ihn empfangen.

GUTTENBERG
sieht sie verwundert an.
Käthchen!
[56]
KÄTHCHEN
dringend.
Versprecht Ihr mir's?
GUTTENBERG.
Ich verspreche es Euch!
KÄTHCHEN.

Nun, so lebt wohl, Guttenberg, und vergönnt mir, Euch den Stab zu reichen, an dem Eure Seele sich erheben wird. Sie geht nach dem Hintergrunde, wo sie die Bibel niederlegte, reißt das seidene Tuch ab, und hält mit beiden Händen das Buch aufgeschlagen empor. Johannes Guttenberg, schaut her!

GUTTENBERG
sieht in freudigem Erstarren auf das Buch, faßt es mit zitternden Händen an, und schreit laut auf.

Die heilige Bibel – Gottes Wort – das erste Buch – mein Werk – mein Werk! – Er stürzt auf beide Kniee, hebt das Buch gen Himmel und ruft begeistert. O Gott – o großer Herr der Welten – im Staube dankt dir der Staub, den du unsterblich schufst! – Ich habe mein Ziel erreicht, mein Werk vollendet geschaut, mein Leben ist gelebt, jetzt laß mich enden! Er sinkt mit dem Gesichte vorwärts gebeugt auf die Bibel.


Bertha sinkt laut weinend an Käthchens Brust, und fällt dann vor ihr nieder.
KÄTHCHEN
entzückt.

Ich habe diesen Augenblick gesehen, der Lichtstrahl leuchtet freudig durch mein ganzes künft'ges Leben! Sie umschlingt Bertha, indem sie dieselbe zu sich erhebt.

GUTTENBERG
springt auf und schlägt beide Arme über das Buch.

Jetzt fort – laßt mich fliehen mit meinem Schatz, weit fort von hier! weit fort von allen Menschen! – Ich habe hier nichts weiter mehr zu suchen; Haß, Verfolgung und Undank laß ich hinter mir – und hoch über dem Pfuhl schwebt Dein Bild, Zu Käthchen gewendet. Du reine Taube, die mir gegeben, was kein Wort Dir lohnen kann, den rückkehrenden Glauben an Gott und Menschheit! O, diese Wohlthat ist namenlos! Leb' wohl, mein Käthchen – Er umschlingt sie, mild. Friede sei mit Dir, gedenke Deines Bruders! Aus Deiner Hand empfing ich den Begleiter, der meine Stütze sein wird, wenn ich wanke, das Kissen meines Hauptes, wenn ich ruhe, der Trost meiner Seele, wenn ich verzage – denn [57] es ist das Buch der Bücher, der Quell des Heils! In seine ewig klaren Fluthen will ich mich versenken, bis die kranke Seele mir gesundet! – Gott sei mit Dir! – Nun, Schwester, führe mich denn, muthig vorwärts!


Er faßt Bertha's Hand und zieht sie mit sich fort, Lorenz folgt.
Käthe steht mit ausgebreiteten Armen und sieht ihm nach, dann eilt sie zum Fenster.
Der Vorhang fällt.
[58]
Fußnoten

1 Historisch.

2 Historisch.

3. Abteilung

1. Akt
1. Szene
Erste Scene
Guttenberg. Bertha, verschleiert. Nachher wird Lorenz sichtbar, der aber nur aus der Ferne seinen Antheil an der Handlung zu erkennen giebt, bis späterhin.

GUTTENBERG
in dem rechten Arm die Bibel, in der linken Hand einen knotigen Wanderstab, von Bertha unterstützt, mit sichtbarer Mattigkeit, doch ohne hinfällige Schwäche, sein Gesicht ist blaß, wie im vorigen Akt, sein Collet auf der Brust geöffnet, so daß man den ganzen Hals und einen Theil der Brust sieht; sein Haupt etwas vorwärts gebeugt.

Ich bin müde, liebe Schwester, recht müde! Halte mich deshalb nicht für schwach und feige, ich trage mein Geschick, die Seele ist nicht matt, der elende Körper nur ist ein treuloser Knecht! So lange schon entbehre ich die erquickende Luft, das reine, ungetrübte Licht des Tages, Empfindungen so vieler Art haben im Laufe dieser kurzen Stunden mich bestürmt, und der Gang, den ich jetzt thue, wird mir auch schwer, obgleich mich das innerste Herz dazu treibt! – Erräthst Du denn nicht, wohin wir gehen?


Bertha schüttelt mit dem Kopf.
GUTTENBERG.

Agnes, regt sich denn nicht auch Dein Herz freudiger auf diesem Pfad? – Ist's nicht der Weg nach Bieberich, den wir als frohe Kinder Hand in Hand so oft gewandert? – den ich als Jüngling später in ernsten Gedanken ging, indeß ihr nur auf die Stimme heitrer Jugendlust und ihrem Rufe lauschtet? – Den väterlichen Weingarten will ich noch einmal betreten, ehe ich scheide auf immer [59] von der lieben Vaterstadt, das stille Weinhüter-Häuschen besuche ich, wo zuerst der Gedanke in mir aufstieg, dem ich meine ganze zeitliche Glückseligkeit geopfert! – Dort saß ich an einem Abend wie der heutige. Wir hielten eben Herbst, Alles tobte um mich her beim lauten Mahl, ich aber schaute tiefen Sinnens auf einen schweren goldenen Siegelring, den mir der sel'ge Vater an demselben Tage verehrt; ich faßte Brod zusammen, knetete es zu einem festen Knäul, und drückte spielend das Siegel drein. Als ich nun sah, wie die Buchstaben, die sich verkehrt und seltsam auf dem Ringe umschlangen, nun plötzlich klar und deutlich im Abdruck mir entgegen blickten, da war's, als zucke mir's durch alle Nerven, und der Gedanke wachte in mir auf: Wie, sollte man nicht wie diese einzelnen Zeichen, viele Tausende und aber Tausende in eine Linie bringen, ganze Worte und Sätze eben so leicht abdrucken können, als diese wenige Zeichen 1? – Ich verließ die laute Menge, schlich in den dichten Laubengang, und sann, und sann! Von da an ließ mir's nimmer Ruhe, und trieb mich fort durch's ganze Leben – und so zeugte ichEr erhebt die Bibel. dieses Werk! Begeistert. Drum will ich noch einmal hin, und die Wiege meines Gedankens schauen! Abgespannt. – Komm, Agnes, komm, und führe mich, denn wahrlich, mir fehlt die Kraft allein zu gehen.


Bertha schlingt den Arm um ihn und zieht ihn nach links.
GUTTENBERG
bleibt stehen.

Schwester, was ist mit Dir, Du kennst den Weg nicht mehr nach unsers Vaters Garten? – Dort rechts hin geht er ja hinaus.


Bertha steht bestürzt und senkt das Haupt.
GUTTENBERG
kummervoll.

O, Schwester, warum kann ich mich doch Deines Opfers nicht erfreuen! Ich kenne Dich nicht mehr! Seit Jahren fern von Dir, erinnere ich mich kaum noch Deiner Züge, doch Deine liebe Stimme würde ich gleich wieder erkennen! Warum hast Du durch Dein Gelübde [60] die Kluft noch erweitert, die unnatürlich zwei Herzen, die sich angehören, so lange schied?


Bertha ist in der heftigsten Bewegung.
GUTTENBERG.
Du willst büßen, was Du an mir verschuldet, und strafst durch Deine Buße mich mehr als Dich!

Bertha wendet sich im heftigsten Kampfe von ihm, und geht verzweifelnd hin und her.
GUTTENBERG
sich ermannend.

Du bist bewegt, es peinigt Dich Angst und inn'rer Kampf! Ich löse Dein Gelübde – Du thatest es ja um meinetwillen – sprich, bei Gottes Gnade flehe ich Dich an! – Sage mir wenigstens, wohin Du mich bringst, und ob Du, wenn ich das Ziel erreicht, noch ferner bei mir weilst?


Bertha verneint es und zeigt auf Mainz zurück – dann legt sie die Hände über die Brust, und macht ein Zeichen, daß sie beten wolle im Kloster bis an's Ende.
GUTTENBERG
erschrocken.
Du kehrst in Dein Kloster heim?

Bertha bejaht.
GUTTENBERG.
Dann also stehe ich ganz verlassen?

Bertha deutet gegen den Himmel.
GUTTENBERG.
Er ist mir nah – ja – ich fühle das – und doch ist mein Herz verwaist! – Wohin denn führst Du mich?

Bertha steht einen Augenblick unentschlossen, dann zieht sie ein Blatt aus dem Gürtel und reicht es ihm.
GUTTENBERG
liest.

Einen Geleitsbrief für mich in's Elsaß? – In's Elsaß? – Wo sie ist, mein verirrtes, ach – und doch so heiß geliebtes Weib? – Nein, Schwester, nimmermehr – ich will sie nie mehr sehen! Die Unglückselige, soll ich ihr Dasein ganz vergiften? – Ist sie nicht schon beklagenswerth genug? – Wenn mich der Zufall ihr vor die Augen führte, wenn sie mein Elend sähe, meine bleiche Wange, mein trübes Auge, das sie anklagt – müßten nicht tausend Messer durch ihr Herz schneiden, ob meinem Jammer – denn –Plötzlich weich. was sie mir auch gethan – gut war sie, meine Bertha! O, mein Weib! –

[61]
BERTHA
außer sich.

Nein, nein, mein Herr und Gott, die Buße ist zu schwer – ein menschlich Herz kann sie nicht tragen! Sie wirft den Schleier zu rück.


Guttenberg fährt sprachlos zurück und starrt sie an.
BERTHA.

Johannes, sieh, auch diese Wange ist verbleicht, mein Auge verloschen in Thränen – meine Stimme bricht in dem Schrei des bittersten Weh's – vergieb, vergieb, Du Reiner, und laß mich zu Deinen Füßen sterben! –


Sie sinkt vor ihm nieder.
GUTTENBERG.
Bertha, Bertha! O, mein Gott!

Er verhüllt das Gesicht und sinkt auf die Rasenbank.
BERTHA.

Was ich litt, das kannst nur Du ermessen, denn ich liebe Dich, wie Du mich. Die Herzensangst um Dich, die Sehnsucht nach Dir trieb mich aus dem stillen Haus der Eltern, sie erbarmten sich meiner, und gaben mir das Wenige, was sie zu geben hatten! Ich pilgerte nach Mainz, denn mich zog es hin, wo Du weiltest! Im Kloster der Klarisserinnen, bei Deiner Schwester, suchte ich Trost und Kunde von Dir! Ach! was ich dort vernahm, bestätigte meinen Irrwahn, und Agnesens Verblendung zerfleischte mein Herz noch mehr! Unter dem Gewande der Nonne suchte ich endlich Ruhe; mein Noviziat war seinem Ende nahe! In wenigen Tagen sollte meine Einkleidung vor sich gehen! Da sandte Gott mir den Engel in der frommen Jungfrau, der die Nacht von meiner Seele nahm! Guttenberg, mir ward es vergönnt, Dich zu retten. – Doch meine Buße sollte sein, daß Du es nie erfahrest. – In meiner Eltern stilles Haus will ich Dich führen, dort in den blühenden Thälern, in dem kleinen friedlichen Schloß wird Deine kranke Seele genesen; wir sind zwar verarmt, doch aber reich genug, Dir eine Freistatt zu bieten, wo Dich nicht Hohn noch Verläumdung mehr erreichen soll! – Hast Du dies Ziel erreicht, so kehre ich in's Kloster heim, und büße in Demuth, was ich an Dir verbrach!

GUTTENBERG.

In's Kloster? – So willst Du mich[62] zum zweiten Mal verlassen? – Nein, meine Bertha, nein – so will es Gott nicht; das Weib gehört zum Manne, das ist ihr angeborner Platz; komm, herzliebe Frau – Er breitet die Arme aus. Du bist mir ja das Theuerste auf Erden, komm, und sei wieder mein!

BERTHA
in zitternder Freude an seine Brust sinkend.
Johannes! Sie halten sich umschlungen.
GUTTENBERG.

So, so ist's recht! Mit kindlicher Freude sie betrachtend. Da habe ich ja meine Hausfrau wieder! – Er nimmt ihr den Schleier vom Haupt. Fort mit der klösterlichen Umhüllung, laß mich Dein reiches Lockenhaar sehen, das so oft meine Freude war! Er faßt ihren Kopf mit beiden Händen. O, Weib, wie schön bist Du in diesen Thränen, die Dir über die blassen Wangen rollen, wie beseligend strahlt mir der liebe Blick bis in's Herz hinein! bist meine Bertha noch, ja, ja, Du bist es noch, Plötzlich die Arme zum Himmel hebend. und du bist noch mein alter lieber Gott, denn ich halte meine Bibel, im Arm, und drücke mein trautes Weib an's Herz! –


Er preßt sie mit dem linken Arm fest an die Brust.
LORENZ
stürzt in ungestümer Freude vorwärts, faßt Guttenbergs Hände und preßt sie an die Lippen.

Mein Herr, mein lieber, theurer Herr, verzeiht dem alten Lorenz, den Ihr zurückschicktet, und der, Eurem Befehle ungehorsam, Euch von weitem folgte, weil er nicht mehr leben kann, ohne Euch! Ach, liebe Frau Bertha, redet doch ein freundlich Wort, daß er den treuen Diener nicht verstoße! Ich theile mit Euch jedes Schicksal, ich will hungern mit Euch, wenn es sein muß, nur laßt mich bei Euch sterben!

GUTTENBERG
erschüttert.

Bleib denn, mein Freund! Er reicht Lorenz links, Bertha rechts die Hand und sieht Beide mit leuchtenden Blicken an. So wären wir drei denn wieder vereint in Noth und Sorge, in Freud' und Leid! Bertha sinkt an seine Brust, Lorenz zu seinen Füßen. Sieh einmal, die Freude ist mächtiger, als der Schmerz, ich bin recht matt, recht matt! Ich muß wohl ein wenig ruhen, ehe wir weiter gehen, sonst [63] kann ich den Garten nicht mehr erreichen. Er geht, von Bertha und Lorenz unterstützt, nach dem Hügel, läßt sich dort auf ein Knie sinken, und legt das Bibelbuch zu seinen Häupten, nach der Stadt hin gewendet. Schaut doch dort hin, wie schön die Abendsonne mit mildem Strahl die Thürme des herrlichen Doms beleuchtet! Da liegt das goldene Mainz in stolzer Ruhe, und die grünen Fluthen des Rheins spiegeln freudig das prächtige Gebilde wieder! O, Vaterstadt, geliebte, theure Vaterstadt, nach der ich jetzt vergebens in Sehnsucht meine Arme breite, ich klage dich nicht an, es kommt einst der Tag, wo sich des Irrwahns Nebel lichten, dann wirst du meinen reinen Namen ohne Makel sehen! Er sinkt ganz nieder, mit dem Haupt auf die Bibel. Habe Geduld, mein liebes Weib, ich werde wohl bald erkräftigt sein – Er entschlummert.

BERTHA
rückt ihm die Bibel zurecht, und streicht ihm das Haar von der Stirn.

O, mögest Du sanft schlummern, theurer Herr, möge Gottes Friedens- Athem Dich umwehen! – Er, der den Baum mit Blüthen schmückte, der duftend Dir zum Obdach dient, der mild die Sonne sinken läßt nach heißen Tages Schwüle, er wird uns auch den Weg zur Ruhe führen! – Sie beugt sich über ihn. Er schlummert süß, sanfte Athemzüge heben seine Brust!

2. Szene
Zweite Scene
Humery. Vorige.

HUMERY
tritt auf, will über die Bühne schreiten, bleibt stehen, und sieht mit Staunen die Gruppe im Vorgrund.
BERTHA
ohne ihn zu bemerken, sinkt auf die Knie.

O, Gott und Vater dort, der meinen Irrwahn also väterlich gelöst, schau gnädig auf den armen Mann hernieder, dem nichts geblieben als das Fleckchen Erde, auf dem du ihm tröstenden Schlaf gesendet, und das heilige Bibelbuch zum Kissen seines müden Hauptes! Erquicke seine matten Glieder, laß ihn nicht ganz versinken, der dich so innig liebt, erhöre deine weinende Magd, daß sie an deiner Gnade deine Vergebung erkenne! Sie neigt das Haupt auf die Brust und betet still.


[64] Lorenz hat gleich, als sie sich niederließ, das Haupt entblößt, hält das Barett in der Hand, und betet mit.
HUMERY
tritt weiter vor.
Herr meines Lebens, er ist es!
BERTHA
springt rasch auf.

O, stille, lieber Herr, wer Ihr auch seid, habt Mitleid mit einem armen Wanderer, der sanft hier schlummert nach langen Kampfes Mühen! –

HUMERY
faltet die Hände, tief erschüttert.

Ein armer Wanderer, dem nichts geblieben, als die Erde, worauf er schlummert, das Bibelbuch, das er gedruckt, das Dach des Himmels über seinem Haupte, und der Bettlerstab zu seinen Füßen! – und der dennoch schläft mit lächelndem Gesicht, auf dem Haß und Rachedurst auch nicht eine finstere Falte zog! – Großer Gott! könnte ich die ganze Menschheit zu dieser Stelle führen, daß sie schaamroth sähe, was ich jetzt schauen muß unter heißen Thränen! O, Guttenberg, Du großer Mensch, wie schwer hat Neid und Habsucht an Dir gefrevelt!

BERTHA.
Ihr kennt ihn, Ihr kennt den Unglückseligen, den verarmt und verkannt die Vaterstadt verstößt!
HUMERY
sich erhebend, laut, so daß Guttenberg erwachend auffährt.

Nicht die Vaterstadt ist's, die ihn verbannt, die Macht der Bosheit ist's, ein Feind nur, der im Bunde mit Gold und Arglist seine Ränke spann, und manches helle Auge zu täuschen wußte. – Erhebt Euch, Guttenberg – seid stark und hört mich! kennt Ihr mich?

GUTTENBERG
sich von Bertha unterstützt erhebend.

Wie sollte ich nicht? Ach, lieber, ehrenwerther Herr, wie oft habt Ihr mich heimgesucht in meiner Werkstatt in bess'ren Tagen, wie oft hab' ich geseufzt nach Euch! ja wäret Ihr zu Mainz gewesen!

HUMERY.

Wo der Teufel seine Schlingen legen will, weiß er die Wege zu säubern! Als mich vor vier Monden der hochwichtige Prozeß unsers gnädigsten Kurfürsten nach den Niederlanden führte, da ahnete ich nicht, daß ich Euch [65] so wiederfinden sollte! Auf die Brust schlagend. Nun aber bin ich wieder da, und sie sollen dort drinnen Auf die Stadt deutend. hören, daß der Humery daheim ist. Als ich gestern zurück kam, rief mich meine Pflicht zuerst gen Bieberich, dort erfuhr ich Euer jammervolles Geschick, Viele von dem Hofgesinde schwatzten Allerlei, daß Ihr ein Betrüger und schlechter Zahler, und daß Ihr den Fust um die Ehre der Erfindung bringen wollen! ich aber stand auf und sprach gar deutlich und vernehmlich! – Ich sagte dem gnädigen Fürsten, der allezeit hellen Kopfes war, und das Herz an der rechten Stelle hat, wie es um Euch steht, daß Ihr der Betrogene seid, und daß ich für meine Aussage bürge mit Gut und Ehre, mit Leib und Leben. – Das drang dem edlen Fürsten durch das Herz, und einen Gruß hab' ich für Euch in meiner Tasche, der Euch, denk' ich, freuen soll! – Begeistert. Guttenberg, ein Main zer steht vor Euch, vertretend Eure Vaterstadt! Die Ehre meiner Mitbürger, die Ehre der gesammten Menschheit will ich retten, die Wahrheit soll siegend in ihre Rechte treten, Ihr sollt Euch erheben von dem Kummer, der Euer Haupt gebeugt, doch nicht zerschmettert. Nehmt meine Hülfe an, mißhandelter Mann, würdigt mich, die Hand zu fassen, die Euch freudig rettet – kehrt um, wendet der Vaterstadt den Rücken nicht; nehmt mein elendes Metall, baut Euch eine neue Presse 2, zeigt, wer der Erfinder Eurer großen Kunst ist, und laßt mir die Freude, daß einst die Nachwelt sage: nicht seine Mitbürger, nicht die Vaterstadt, eine Schaar Gottloser nur hat Guttenberg verfolgt, und ein deutscher Mann war's, der ihm den Sieg erkämpfen half.

GUTTENBERG
starr vor Freude.

Eine neue Presse wollt Ihr mir bauen, ich soll nicht müßig durch's Leben gehen, ich soll mein Werk noch selber fördern zur Vollendung, meine Ehre retten vor den Augen der Menschen, zeigen, daß ich kein elender Betrüger bin? – O, Herr, Freund, Bruder – [66] Er sinkt in seine Arme. nehmt mich auf, erfüllt Euer Wort, Ihr gebt mir zum zweitenmal das Leben – jetzt erst bin ich frei, denn mein Dasein hat seinen Zweck wieder gefunden, mein Ziel ist erreicht!

BERTHA
sinkt zu Humery's Füßen.
O, edler Mann, könntet Ihr in meine Seele sehen, meine Lippen sind stumm!
LORENZ
zugleich.
Herr, Gottes Segen über Euch!
3. Szene
Letzte Scene
Fust. Schöffer. Stadtsoldaten hinter ihnen. Vorige.

FUST
athemlos.

Hier ist der Bösewicht, der Verführer meiner Tochter, greift ihn, Ihr Leute, im Namen des hohen Raths zu Mainz!

HUMERY
faßt Fust am Arm, und tritt zwischen die Soldaten, die Guttenberg umringen.

Zurück hier! im Namen des Rathes zu Mainz zurück, ich, der Syndikus des hohen Rathes, befehl' es Euch! Die Soldaten treten zurück.


Lorenz begleitet diese ganze Scene mit der seinem Charakter angemessenen heftigen Theilnahme.
Guttenberg steht ruhig und staunend.
Bertha umfaßt ihn, sobald Fust auftritt, und legt das Gesicht an seine Brust.
HUMERY
donnernd.

Wen wollt Ihr verhaften, den Guttenberg, den Mann, den Ihr freventlich betrogen, und in's Unglück gejagt? – Wie wagt Ihr noch solch neues Vergehen, und schmäht den Namen des Rathes, der von solchen Schandthaten unmöglich Kunde haben kann?

FUST.

Führt nicht so hohe Reden, Herr Syndikus – es giebt Leute zu Mainz, deren Wort weiter klingt, als das Eure! Er zieht ein Pergament hervor. Hier ist der Verhaftsbefehl mit meines Bruders, des Senators Namen, für den Verführer meiner Tochter – laßt sehen, was Ihr dem entgegenstellt!

HUMERY
nimmt eine Schrift aus dem Gürtel.

Hier, dieses Dokument bestätigt, daß Se. Durchlaucht unser gnädigster [67] Kurfürst von Nassau, Adolph der Zweite, den Herrn Johannes von Guttenberg unter ihren Hofstaat aufgenommen, mit Gehalt und Verköstigung, bis an seines Lebens Ende. Guttenberg faßt in stummer Freude seine Hand, dieser fährt fort. Hier, seht's mit eignen Augen, Guttenberg steht von nun an unter des Kurfürsten alleiniger Gerechtsame 3!

BERTHA
zu Humery tretend.
O Herr, was thatet Ihr für uns!
FUST
starrt indeß Bertha an, die in freudigem Staunen sich von Guttenbergs Brust erhob.
Sie ist es nicht!
PETER.
Nein, nein, es ist nicht Käthchen!
FUST
zu Guttenberg, der gleichfalls seine Ueberraschung und Freude kund gab.

Bösewicht, sprich, wo hast Du mein Kind! – Alle Welt weiß, daß sie zu Dir in den Kerker ging, daß sie, in Nonnen- Tracht verhüllt, Dir aus der Stadt folgte! Sie ist verschwunden, nirgends fand man sie – Du hast mein Kind verführt, wo ist sie, sprich?

GUTTENBERG.

Unwürd'ger Mann, von allem Uebeln, das Ihr mir gethan, ist dieser Argwohn das Schlimmste. Ich weiß es nicht, wo Eure Tochter weilt, und dennoch kann ich Euch vielleicht Kunde von ihr geben – nehmt dieses Blatt – Er zieht den Brief aus dem Busen. Der Augenblick ist da, der mein Versprechen lös't, – nicht also, Bertha? –Umschlingt Bertha. O, jetzt verstehe ich dich, du fromme Jungfrau!

FUST
erbricht den Brief und lies't.

»Vater! Ihr habt so Uebles gethan, daß ich Euch nimmermehr zur Seite wandeln kann! Durch Guttenberg erhaltet Ihr die Botschaft, daß Ihr Euer letztes einziges Kind verloren – Seine Stimme zittert heftig. Im Kloster der Klarisserinnen bete ich um Vergebung für Euch, und um Ruhe für mein krankes Herz! Stört mich nicht, mein Entschluß ist unerschütterlich, und der Arm der Kirche schützt eine [68] fromme Nonne gegen jede irdische Gewaltthat! – Gott tröste Euch, wie er mich getröstet!« Mein Kind, mein Kind! mein einziges Kind!

PETER.
So war denn Alles umsonst! O, Käthchen, so bist du mir doch verloren! Vater, weint an meiner Brust.
FUST.

Nicht Vater nenne mich – Du bist's, der mir sie stahl! O wehe, daß ich sagen muß, ich hab's verschuldet!


Er sinkt auf den Hügel, Peter steht finster neben ihm.
GUTTENBERG
bewegt.

O reines, engelgleiches Mägdlein, warum mußtest du das Opfer dieser finstern Thaten sein! Er legt die Hand über die Augen.


Bertha umschlingt ihn weinend.
HUMERY.

Es straft die Schuld des Vaters sich in dem Kinde, und nur des Kindes Opfer mag den Vater sühnen! Gott ist so milde als gerecht, er hat Balsam für jede Wunde, die er schlug. Erheitert Euer Antlitz, Guttenberg, und dankt dem Allgerechten, der Euch so wunderbar, durch Nacht zum Licht geleitet!

GUTTENBERG
faßt seine Hand.
O Herr, was danke ich Euch Alles!
HUMERY.

Du nicht sollst mir's danken – ich that es nicht für Dich, der Menschheit that ich's, und mir selbst zur Ehre! Wehe dem Zeitgenossen, der Dich verstieß, die Nachwelt wird ihn richten, denn Guttenberg, Du bist ein großer Mann!


Glühende Abendröthe verbreitet sich über die Bühne. Man hört aus der Ferne her Glockentöne, die das Abendgebet einläuten; es müssen mehrere Glocken sein, worunter eine dumpf klingt.
HUMERY
nimmt feierlich das Baret ab, legt die Rechte auf Guttenbergs Haupt, der demüthig, mit gesenktem Haupt dasteht, die Hände über seiner Bibel gefaltet, richtet dann die Blicke zum Himmel und spricht ernst mit tiefer Rührung.

Horch, der eherne Mund der Glocken bestätigt meine Rede, im Abendgebet hebt sich die fromme Seele andachtsvoll zum Herrn empor, und glühend wie der Sonne letzter Strahl entfaltet die Begeisterung ihre Schwingen! – Mir ist, als öffne sich der Zukunft[69] dunkles Thor, im Glanzmeer dort seh' ich ob Deinem Haupt die Krone der Vollendung schweben, und Worte klingen mir herüber, wie sie kommende Geschlechter Dir segnend spenden!


Das ferne Geläute dauert fort bis zum Fallen des Vorhanges.
Bertha sinkt, während dies geschieht, mit gefalteten Händen auf die Kniee, so daß sie an der andern Seite von Humery kniet. Fust verbirgt das Gesicht mit beiden Händen. Peter starrt finster zur Erde.
Die Sonne sank indessen ganz, brennende Abendröthe verbreitet sich über die Bühne.
HUMERY.
Was einst Pallas Athene dem griechischen Forscher verhüllte,
Fand der denkende Fleiß, deines Gebornen, o Mainz!
Völker sprechen zu Völkern, sie tauschen die Schätze des Wissens,
Mütterlich sorgsam bewahrt, mehrt sie die göttliche Kunst.
Sterblich war einst der Ruhm, sie gab ihm unendliche Dauer,
Trägt sie von Pole zu Pol, lockend durch Thaten zur That! –
Nimmer verdunkelt der Trug die ewige Sonne der Wahrheit,
Schirmend schwebt ihr die Kunst, wolkenverscheuchend voran!
Nachwelt, du segnest den Edlen, dem so viel Großes gelungen,
Jedes nützliche Werk ist ihm ein Denkmal des Ruhms 4!

Guttenberg steht mit gesenktem Haupt. Bertha bleibt in ihrer betenden Stellung. Fust und Schöffer behalten ihre Stellung von vorhin.
Der Vorhang fällt.
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Fußnoten

1 Historisch.

2 Historisch.

3 Historisch.

4 Dieses sind die Worte auf Guttenbergs Denkmal im Guttenberger-Hof zu Mainz.

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TextGrid Repository (2011). Birch-Pfeiffer, Charlotte. Dramen. Johannes Gutenberg. Johannes Gutenberg. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-350F-B