7.

In Monte Cassino sagte mir einmal
Ein feiner Benediktiner: Ihr Deutschen
Hättet nie aufhören sollen, katholisch
Zu sein.
Ich machte die schönste meiner Verbeugungen und fragte:
Warum?
Mein Herr! entgegnete er, ihr Deutschen seid
Romantiker, Schwärmer im Grunde des Herzens.
Ich sah euern Kaiser. Ich sprach ihn. Dio mio!
Niemals noch hörte ich so ritterlich reden
Vom heiligen Benedikt und seiner Inbrunst
In diesen Gewölben: vom Kreuz; vom Licht
Des Glaubens und der Liebe; von der Wonne,
Ein Christ zu sein.
Das nennen Sie Romantik? fragte ich. Er lächelte
Und sprach:
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Bei euch. Ihr sprecht von diesen großen Dingen,
Die uns zwar heilig, doch gewissermaßen
Gewöhnlich sind, so, wie die Dichter von Geliebten sprechen,
Die sie verloren haben:
Mit banger Zärtlichkeit, erinnerungsbeglückt,
Scheu hoffend, kummervoll und träumerisch.
Wie Männer von der ersten Liebe reden,
Die sie verstoßen haben, redet ihr,
Dem Anschein nach nicht glücklich in der Ehe,
Die euch »Vernunft« gebot, von den Geheimnissen
Des wahren Glaubens.
Was schließen Sie daraus? war meine Frage nun.
Er sprach:
Was ich schon sagte: Euer deutsches Herz
Ist grundkatholisch. Jener Wittenberger,
Oh, daß er Papst geworden wäre! Glauben Sie
Es einem, der den Doktor Martin kennt:
Ein großer Papst ging, ach, mit ihm verloren.
Ich war der Gast des heiligen Benedikt und schwieg.
Doch revidiert ich in der Nacht mein deutsches Herz und fand
Es zwar romantisch und voll Schwärmerei,
Doch weder protestantisch noch katholisch.
Christus war drin, doch Aphrodite auch.
Ich fand den heiligen Franz, fand Luther, fand
Sogar ein Stückchen Herrenhut: doch das
Lag alles tief im Schatten. Hell stand, hoch,
Gehämmertes Gold, der stolze Eremit
Von Sils-Maria.

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TextGrid Repository (2011). Bierbaum, Otto Julius. Gedichte. Ausgewählte Gedichte. Blätter aus Fiesole. 7. [In Monte Cassino sagte mir einmal]. 7. [In Monte Cassino sagte mir einmal]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-302A-C