Sturmlied

Wild stieß der Sturm durch die Nacht.
In den schwarzen Aesten der alten Eiche
Harfte er gellend ein Tanzlied der Kraft:
Ueber die Berge und Wässer und Wälder,
Hussahojoh!
Schwing durch die Nacht ich mich, flügelfroh singend,
Hussahojoh!
Tannen zerknick ich wie dürres Schilf,
Aecker zerwühl ich wie Haufen Sands,
Fangeball spiel ich mit Felsgestein
Hussahojoh!
Auslösch ich die Lichter, anfach ich die Flammen,
Mit Wolken umball ich die blinkenden Sterne,
Gebirge von Wogen aufthürm ich im Meere,
Zu schlingenden Schlünden hinblas ich die Schiffe,
Hussah!
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Dann spiel ich mit treibenden Trümmern gelinde,
Und, müde, werd ich zum säuselnden Winde,
Und singe wie Wiegenlied leis und weich.
Ich küsse die blinkenden Blüten am Baume,
Ich tändle am wogenden Halmackersaume
Und glätte die Wiesen sammetgleich.
Das ist meine Kraft, die ich löse und binde;
Krieg kreisch ich im Sturme, – im schaukelnden Winde
Bin ich ein stillfroher Friedereich.

Notizen
Erstdruck in: Erlebte Gedichte, Berlin (Issleib) 1892, bzw. in: »Nemt, Frouwe, disen Kranz«. Ausgewählte Gedichte, Berlin 1894.
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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2011). Bierbaum, Otto Julius. Sturmlied. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-2F62-2