XIV. Makel.

Man spricht von einem Spiegel, der duldet keinen Rost;
Und eine Blume giebt es, die knickt ein einz'ger Frost;
Ein Kleinod, das nur einmal die Kunst des Meisters schuf,
Sich, Spiegel, Blume, Kleinod, das ist – der gute Ruf.
Dort steht ein Bilderkrämer, vom allem Volk umdrängt;
Vom Faustus hat er Thaten im Holzschnitt ausgehängt.
Auf dieser Bilder einem frisst Faust ein Fuder Heu,
Das Bild, wie Faust den Rosskamm betrügt, hängt gleich dabei.
Und Faustus geht im Zimmer ingrimmig, wild umher.
»Wer thut mir solchen Schimpf an, solch ungeheuern, wer?
Ich, ein gemeiner Gauner, der Gaukelkünste treibt?
Ich, Faustus? Der den Geistern der Nacht Gesetze schreibt?!« –
»Geh, Wagner! Eile! Fliege! Abkauf ihm seinen Kram!
Erstick' die freche Lüge! Weh! Mich erstickt die Scham!
Mephisto!!« – und der Diener ist gleich dem Ruf zur Stell';
»Fluch Dir, Du tückischlistger, Du teuflischer Gesell!«
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»Bewahrst Du so den Ruhm mir? Verhöhnst Du meine Macht?
Und was mich tief erniedrigt, dess hast Du nimmer Acht!
Fort! Reisse den in Stücken, der mir die Ehre stahl!
Umgarn' ihn, halt' ihn, quäl' ihn mit Deiner ärgsten Qual!«
So Faust mit glühnden Wangen und zornigzitternd spricht,
Doch ruhig steht Mephisto; er weicht und wanket nicht.
Er steht und blickt mit Lächeln auf den zornvollen Mann,
Als fessl' ihn an den Boden ein mächt'ger Zauberbann.
»Bist Du der Faustus?« spricht er: »der kühn durch Wolken fliegt?
Der über alle Kräfte der Wesenmutter siegt?
Bist Du der Faustus? Himmel und Hölle fasst Dein Drang?
Dir macht ein armer Krämer mit schlechten Bildern bang?«
Und Faustus donnert zornlaut: »Dess soll mich Keiner zeihn,
Mich Keiner fähig halten solch niedrer Gaukelein!
Was soll die Nachwelt glauben, wer ich gewesen sei,
Wird ihr auf solchen Bildern entstellt mein Konterfei?«
»Kühn nach dem Höchsten strebt' ich mit meiner ganzen Macht;
Und dieser Gottheit hab' ich mein Höchstes dargebracht!
Weh, hing sich solcher Makel an meines Namens Schall!
Das wär' mein schwerster Jammer, das wär' mein tiefster Fall!«
›So sättigt Dich die Frucht nicht des Glücks der Gegenwart?
Du wirbst auch um den Nachruhm und schiltst mich darum hart?
Wohl! Nachwelt soll Dich richten, Dein Wille soll geschehn!
Die Bilder – will ich vernichten, es soll sie Keiner sehn!‹
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Mephisto ruft's voll Hohnes, und schwindet, Schatten gleich;
Ihm nach blickt Faustus finster, freudarm und unmuthreich.
»Die Nachwelt – soll mich richten? Mein Wille soll geschehn?
Weh, wenn solch niedre Geschichten zu ihr einst übergehn!«
»Fort! Fort von hier! Hier trag' ich kein Menschenantlitz mehr!
Mein Name läuft besudelt von Haus zu Haus umher,
Ein ränd'ger Hund, den Bosheit und Bubenwitz entblösst,
Den Jeder mit Verachtung, mit Füssen von sich stösst!«
»O guter Ruf, Du Perle, die sanft, bescheiden glänzt,
Im Goldreif reinen Wandels bist Du fest eingegrenzt;
Wenn Frevel Dich herausbricht aus Deinem sichern Port,
Dann gehst Du leicht verloren, und rollst für immer fort.«
»Leicht trübt den Ehrenspiegel ein Fleck, der nimmer weicht;
Den aus dem goldnen Buche des Lebens Keiner streicht.
Vom Markt ins Haus getragen sticht mich ein Skorpion,
Und Jener brennt als Wundarzt die Beule mir mit Hohn.«
»Wer reinigt mir die Ehre von jenem Rostfleck, wer?
Wer stellt verwelkte Blumen frischblühend wieder her?
Die Blumen hat vernichtet der Frechheit eis'ger Frost,
Und bittre Galle reicht mir des Satans Hohn zur Kost!«
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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Lyrik. Faustus. Ein Gedicht. 14. Makel. 14. Makel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-27D0-8