VIII. Frage und Antwort.

Im grünen Walde wandeln zwei Männer, kühl umrauscht,
Da wird von hohen Dingen manch ernstes Wort getauscht.
Der Eine für sein Wissen sucht reichlichen Gewinn,
Dem reicht des Trugs Narzissen der zweite listig hin.
Belehrung ist ein Saatkorn, das Früchte trügt mit Lust;
Täuschung ist eine Giftsaat, geworfen in die Brust.
Belehrung ist die Tochter der Wahrheit und des Lichts,
Der Lüge Kind ist Täuschung, ein buntbemaltes Nichts.
Und Faustus zu Mephisto: »Wer hier sich dingt den Knecht,
Der fragt nach dessen Herkunft mit Fug und Vollem Recht.
Ich weiss, Du bist ein Dämon, doch sage: welcher Art,
Wess Ursprungs und was alles Dir unterworfen ward?«
›Der Stolzeste der Stolzen riss uns in seinen Fall;
Nun schweben wir verbreitet, wie Luft und Licht, im All.
Wir sind es, die mit Schönheit die Belladonnen schmücken,
Damit die Menschenkinder sie desto gier'ger pflücken.‹
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»So sä't Vernichtungskeime die Sippschaft, die verdammte?
Und wären Deines Gleichen noch viel vom gleichen Amte?«
›Zahlreich, wie Bienenschwärme, verderblich abgesandt
Sind wir, wie Sternenheere; wie Kies am Meeresstrand.‹
»So zahlreich? Nun, dann sage: wo weilt, wo wohnet Ihr?«
›Wir ruhen in Metallen, erfüllen Pflanz' und Thier,
Das Kleinste wie das Grösste dient uns als Unterthan;
Zur Wollust uns übt rastlos Zerstörung ihren Zahn.‹
»Und welches war die Ursach, das sprich mir, jenes Falles,
Der Unheil zeugend fortwirkt auf Dich, auf mich, auf Alles?«
›Faustus, der Drang, sich ähnlich der Gottheit stolz zu blähn;
Du weisst wohl, das auch Menschen sich Gleiches unterstehn.‹
»Noch hat mich nicht befriedigt, was Du mir hast vertraut:
Den Anblick dessen schildre, den froh der Engel schaut.«
›Seit wir verworfen worden von jener Himmelsmacht,
Sank uns der Mond Erinnrung, blieb uns nur dunkle Nacht.‹
»So rede von den Engeln, die selig sind mit ihm!
Was ist im Geisterhimmel das Amt der Seraphim?« –
›Sie schaun das Vaterantlitz, das heilge, sonder Hülle,
Endlos in Kraft und Schönheit, in göttlichreicher Fülle.‹
»Und von den Cherubinen und Thronen gieb mir Kunde!«
›Suchst Du des Lichts Geheimniss, Faust, im Dämonenmunde?
Des Lichtes Boten freuen sich an der Macht des Herrn,
Wir aber nennen, denken, verkünden sie nicht gern.‹
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»So schweige mir vom Himmel, daraus man Dich verstiess;
Doch wirst Du treu mir künden: wo liegt das Paradies?«
›So weit ist das entlegen, dass Du mit Deines Gleichen
Auf Schwingen selbst des Sturmwinds, es nimmer mögt erreichen.‹
›Vier heilge Ström' umarmen das gottgeliebte Land;
Sie werden Glaube, Liebe, Hoffnung und Treu' genannt.
Inmitten hebt die Kronen der ewge Lebensbaum;
Gedenkst Du dort zu wohnen, Faustus? – Ich glaub' es kaum.‹
»Höhnst Du? – Gleich sag' mir Antwort auf andre Fragen an:
Wärst Faustus Du gewesen, was hättest Du gethan?«
›Mit Deinem Sinn? Das Gleiche, dann brach ich jede Pflicht;
Mit meinem Sinn? – da schweige mein Mund, – ich weiss es nicht.‹
»Moralmann, blieb Dir Hoffnung? Was hab' ich dann gewagt?«
›Schr wenig, Faustus, wenig, drum sei nur unverzagt!‹
»Sprich, Diener: von der Hölle, was ist das für ein Ort?
Man träumt von ihren Qualen, sprich, warst Du lange dort?«
›Die Hölle ruht im Nachtgraun, das Keiner noch durchschaut,
Und Kunde hat gegeben, wie sie gefügt, gebaut.
Der Hölle Qualen müssen in sich die Sünder tragen,
O quäle mich nicht länger, nicht Dich mit solchen Fragen!‹
»Ha, bist Du schon ermattet? Erschöpft Dich die Begier
Das Dunkel zu durchdringen, die ewig wach in mir?
Weshalb denn klopft' ich donnernd an Eure Pforten an,
Als weil sich meiner Sehnsucht kein Lichtthor aufgethan?« –
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»Ich suche nur Erkenntniss, den Baum, der Dir bekannt,
Um den sich Deine Klugheit dereinst als Schlange wand!«
›Dir soll Erkenntniss werden, so viel ich geben kann,
Doch zum Schulmeister wähle Dir einen andern Mann.‹
›Was willst Du von den Engeln, vom Paradies, von Gott?
Spott ist nur Deine Frage, wie meine Antwort Spott.
Was fragst Du nach der Hölle, bangt Dir vor ihrer Gluth?
Du hast doch Ammenmährchen zu läugnen sonst den Muth?!‹ –
Im grünen Walde wandeln zwei Männer schweigend hin,
Der eine finster blickend mit unmuthdüstrem Sinn,
Trüb dämmert ihm die Ahnung von des Gefährten List,
Und dass für manch Geheimniss kein Thor erschlossen ist. –
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TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Lyrik. Faustus. Ein Gedicht. 8. Frage und Antwort. 8. Frage und Antwort. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-26E5-6