917. Der Weltsjäger

In einigen Gegenden Schwabens wird der ewige Jäger das Weltschjägerle genannt, weil er um die ganze Welt herumjagen und -laufen muß. Seine Gestalt ist zumeist die eines kleinen verhutzelten Männleins in grüner Tracht, wie auch bisweilen der Teufel gedacht wird, der gar oft als grüner Jäger auf die Menschenseelenjagd ausgeht. Dies wird er auch nicht lange mehr tun, denn wenn er einmal in die Schweiz zu einem gewissen hochgelahrten Professor kommt und seine Seele holen will, da wird ihm der Professor aus der Naturgeschichte beweisen, daß er gar keine Seele hat, gerade wie der Kaschper im Puppenspiel vom Doktor Faust, und daß es keine Seelen gibt; da wird der Teufel einen schönen Zorn kriegen.

Das Weltschjägerle muß deshalb ewiglich geisten, weil er immer am lieben Sonntag gejagt hat, und wenn das mancher Sonntagsjäger erfährt, so wird ihm angst und bange werden, andern Sonntagsjägern aber nicht, denn die können nie und niemals geisten, sie wissen nicht, wie sie das anfangen sollen. – Vorzeiten war einmal ein Graf von Württemberg, der ritt in den Wald zu jagen; schau, da rauscht's und braust's im Walde, der erst ganz still war, und auf einmal war das Weltschjägerle hart am Grafen dran, und der Graf war vom Roß gestiegen und stand auf eines Baumes Tolde und fragte: Willt du mich schädigen? – Nein, sprach der ruhelose Geist. Ich will dich nicht schädigen, bin selbst genug geschädiget. War vordem ein Herr wie du, ein Jagdfreund wie du, und verlobte mich ewiger Jagd, das gedieh mir leider zur Erfüllung, denn seit fünfhundert Jahren jage ich nun immer einen und denselben Hirsch. – Wes Geschlechtes bist oder warest du? fragte der Graf. – Solches ist noch niemand offenbaret worden! erwiderte der Geist. – Zeige mir dein Angesicht, ob ich dich nicht erkenne! sprach der Graf. Da enthüllte das Weltschjägerle sein Angesicht, und war selbiges nur faustgroß, und das kaum, verrumpflet wie eine Rübe und verschrumpflet wie ein Schwamm – und es grausete dem Grafen. Der Geist ritt still hinweg, hinter seinem Hirsche drein, und der Graf ritt auch still hinweg und ritt nie wieder jagen.

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TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Sagen. Deutsches Sagenbuch. 917. Der Weltsjäger. 917. Der Weltsjäger. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-22A4-5