[111] Pariser Traum.

An Constantin Guys.

I.

Von diesem schrecklichen Gefilde,
Das nie ein sterblich Aug erblickt,
Hat ein verweht und zart Gebilde
Noch diesen Morgen mich entzückt.
Der Schlaf ist reich an Wunderträumen!
Durch einer Laune fremdes Spiel
Bannt ich aus den erschauten Räumen
Der Pflanzen regellos Gewühl.
Im Bild, das stolz mein Geist sich malte,
Erfreute sich mein kühnes Herz
An ewger Öde, die erstrahlte
Von Wasser, Marmelstein und Erz.
Es war ein Babel von Arkaden,
Ein niemals endender Palast,
Reich an Bassins und an Kaskaden,
Von Schalen matten Golds gefaßt;
Und Wasserfälle, niederschießend
Gleich einem Vorhang von Kristall,
Sie hingen schwer, ihr Licht ergießend,
An steilen Mauern von Metall.
[112]
Nicht Bäume sondern Kolonnaden
Umgaben schlummerstille Seen,
Wo die gigantischen Najaden
Wie Frauen sich im Spiegel sehn.
Es breiteten sich blaue Teiche
Entlang den grün und rosgen Strand,
Durch tausend nie ermeßne Reiche,
Bis an der Erde fernsten Rand.
Es waren nie erschaute Steine
Und eine magisch-fremde Flut,
Gewaltge Spiegel, hell vom Scheine
Der Wunder, die darin geruht.
Weltströme wie der Ganges flossen
Verstummt im Ruhn des Ätherblaus,
Und ihrer Urnen Schätze gossen
Sie in demantne Schlünde aus.
Ich ließ, des Feeenreichs Erbauer,
Durch eines Tunnels nächtgen Gang,
Mit edelsteingeschmückter Mauer,
Das Weltmeer gehn, das ich bezwang.
[113]
Geschliffen, schillernd und geglättet
War selbst der schwärzen Farben Nacht,
Stolz prangend in die Flut gebettet,
Erleuchtet in kristallner Pracht.
Sonst keine Sterne, keine Flammen
Der Sonne, selbst am Himmelsrand,
Die Dinge all, die wundersamen,
Durchleuchtete ihr eigner Brand.
Und über dieser Welt verloren,
Lag – neuer Schrecken: endlos weit
Dem Auge alles, nichts den Ohren –
Ein Schweigen wie die Ewigkeit!

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2011). Baudelaire, Charles. Lyrik. Die Blumen des Bösen (Auswahl). Pariser Bilder. Pariser Traum. 1.. 1.. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-1F25-9