Staatsdauer

Ich sende ein Fähnlein voll Wohlgeruch
Dir, Liebchen, die Zeit zu vertreiben,
Fern muß ich von dir noch bleiben,
Dir duft' es im spielenden Flug.
Ich schicke der Freunde wohl manchen hin,
Zu schaun, ob das Fähnlein noch flieget,
Mein fröhliches Herze nicht trüget,
Dein's flattert in spielendem Sinn.
Das Fähnlein ich legte in's Hügelein,
Wo Ameisen laufen ich sehe,
Da klagete Nachtigall Wehe,
Die Ameisen laufen im Hain.
Sie hatten ihr wandernd die Brut verzehrt.
Sie raubet nun rächend die Kleinen,
Sie haben nicht Zeit zum Vereinen,
Mit beiden nicht lang' es so währt.
Im Haufen, da sah's sonst wie Ordnung aus,
Da bauten sie dunkele Gänge,
Sie schwitzten im engen Gedränge!
Nur davon noch duftet das Haus.
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Sie schmetterten manche mit Lasten todt,
Und keine von allen durft' muchsen,
Verstohlen nur mochten sie schluchsen,
Das Dunkel ließ munkeln von Noth.
Die Königin müßig erdenkt den Bau,
Sie weiß nur allein um die Gänge,
Wozu ist die Länge der Gänge?
Wozu der gewaltige Bau?
So fragen die Männer, die denkend sind,
Die andern alle noch sinnen,
Sie glauben es schon zu ersinnen,
Einhaltend mit Arbeit geschwind.
Ach wohl, wer die Zukunft ersinnen will,
Der siehet die Gegenwart schwinden,
Ei wisset, sie sollten sich winden
Die Gänge zum Brautgemach still.
Die Königin selbst die versprochene Braut,
War noch vom Schwure gebunden,
Zur Liebe sie war erst verbunden,
Wenn herrlich die Kammer erbaut.
Die Königin ärgert zu Tode sich,
Die Ameisen frierend verschmachten,
Ja weil sie zu viel sich bedachten,
Ja weil sie nur dachten an sich.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2011). Arnim, Ludwig Achim von. Gedichte. Ausgewählte Gedichte. Lieder aus einem ungeschriebenen Romane. Staatsdauer. Staatsdauer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-10A1-9