[246] Jerusalem
Ein Pilgerabenteuer

[247][249]

Die ernste Erscheinung

Die ernste Erscheinung.

In Wolken und Nebeln erscheinen drei Kreuze, das mittlere trägt den Erlöser, sein Angesicht ist hell erleuchtet, die beiden anderen Kreuze tragen die beiden Schächer; ein Schriftgelehrter steht unter dem Kreuze im dicksten Nebel, in tiefster Dunkelheit.

SCHRIFTGELEHRTER.

Der du den Tempel Gottes zerbrichst und bauest ihn in dreien Tagen, hilf du selber. Bist du Gottes Sohn, so steig herab vom Kreuze.

JESUS.
Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen.
SCHRIFTGELEHRTER.
Andern hast du geholfen und kannst dir selber nicht helfen.
EINER DER SCHÄCHER.
Bist du Christus, so hilf dir selber und uns.
DER ANDERE SCHÄCHER.

Wir empfangen was unsre Thaten werth sind, dieser aber hat keine Sünde gethan. – Herr gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst.

JESUS.
Wahrlich ich sag dir, heute wirst du mit mir im Paradiese sein.
SCHRIFTGELEHRTER.

Wie ist mir, werde ich blind [249] oder verliert die Sonne ihren Schein, welche Finsterniß wird über das Land.

JESUS.
Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hand.

Der Nebel und die Wolken zerreißen, es erscheint das Meer auf welchem ein Schiff voll Pilger nach dem heiligen Grabe.

Die Pilger auf dem Meere

Die Pilger auf dem Meere.

Auf dem Schiffe erscheinen Ahasverus, Cardenio, Celinde unter einer großen Zahl anderer Pilger.

AHASVERUS.
Wie die Anker sind gelichtet,
Und die Segel aufgerichtet,
Hoch im Kreuz an jedem Mast,
Zieht das Schiff schon ohne Rast
Zu dem heilgen Kreuze hin;
Mir nur fehlt der gläubge Sinn
Der durch Gnade und Erbarmen
Kann zu dem Gebet erwarmen.
CELINDE.
Büßen wollt ich in den Leiden,
Von der Sünde wollt ich scheiden,
Doch sie läßt mich noch nicht los,
Heimlich lebt in meinem Schooß
Meiner Sünde Zeugniß fort,
Quälet mich an jedem Ort,
Wechselt Reue mit Verlangen,
Kühnen Muth mit schwachem Bangen.
CARDENIO.
Wie der Thürme goldne Spitzen
Nun zum letzenmal mir blitzen,
[250] Doch die Glocken durch das Meer
Klingen einmal noch hieher;
Wiederhallet noch einmal
In dem Herzen alle Qual,
Sinket dann in Überschwemmung,
Alte Zeit löscht ewge Trennung,
Und ich ahne neues Leben
In des Schiffes bangem Schweben.

Thränen rauschen in dem Weste
Und versunken ist die Feste,
Hohe Berge allzugleich,
Selger Jugend Hoffnungs-Reich,
Schaum der Welle ist mein Haus,
Oben Himmel, unten Graus,
In der öden Wellenwüste
Seufz ich nach des Himmels Küste,
Wo er einst berührt die Erde,
Daß der Sohn des Herren werde.

Sehnsucht meiner sündgen Tage,
Morgenland voll heilger Sage,
Schließe auf dein Wundergrab,
Daß ich steig zu dir hinab,
Daß ich steig zu dir hinaus,
Schuldlos ohne Reu und Graus,
Laß mich Gnad bei dir erwerben,
Sei's im Leben, sei's im Sterben,
Und die heilge Todte finden,
Die mich weckte aus den Sünden.
GELINDE.
Was ich herzte, was mich reute,
Was mich schmerzte und erfreute
Schwindet jetzt vor dem Geschick;
Dunkel wird des Himmels Blick,
Schwarze Wolken ziehn herauf,
Und das Schiff nimmt andern Lauf!
[251]
CARDENIO.
Weil dem Himmel wir gehören,
Darf der Sturm uns nicht mehr stören,
Weil wir uns zum Heil gewendet,
Gottes Gnade niemals endet.
AHASVERUS
zu beiden.
Hoffend seht ihr in die Weite,
Und nach langem schweren Streite
Labet euch der Palmenwald.
Mancher wird darüber alt,
Nimmer noch gelang es mir
Daß ich kam zur Grabesthür,
Stürme, Hunger, Krankheit, Kriege,
Hemmten alle meine Züge,
Daß ich mich noch immer quäle
Um mein Heil, um meine Seele.

Wenige von diesen allen
Mögen hin zum Grabe wallen,
Viele schreckt zurück die Noth,
Andre übereilt der Tod,
Andre zieht der Geiz noch ab
Von dem gnadenreichen Grab;
War dies Schiff die Welt zu nennen,
Sagt, wer möchte Gott erkennen?
Über dieser Welt steht Jene, –
Sünder sind auch Gottes Söhne.

Was da treibet all und jeden,
Hört Ihr in des Volkes Reden;
Leget ab des Hochmutes Sinn,
Wendet euch zum Armen hin;
Was ihr lerntet, half euch nicht
Zu dem ewig wahren Licht,
Doch wo viele sind beisammen,
Zeigen sich der Andacht Flammen,
Wie der Blitz, wo Wolk an Wolke,
Zündet Andacht sich im Volke.
[252]
KAPITÄN.
Platz da alter Jude, hier wollen sich gute Christen hinsetzen.
CARDENIO.
Laßt ihr den Alten mir nicht ungestört, bei Gott es geht nicht gut.
AHASVERUS.
Ich bitte dich mein Sohn, vergiß dich nicht, ich find auf jener Seite meinen Platz.
CARDENIO.
Nicht doch, da schlagen ja die Wellen ein und können dich erkälten.
AHASVERUS.
Mein Gram schlagt noch lebendiger und wärmer.
CELINDE.
Wir setzen uns zu dir auf jene Seite.

Alle drei nach der andern Seite.
KAPITÄN.

Es ist mir lieb daß sie abzogen, es möchte sonst nicht gut gegangen sein, ein Kapitän, seht, ist Gott Vater Sohn und heilger Geist auf einem Schiffe, ihm darf man niemals widersprechen, ein Kapitän ist so was Großes als ich das gar nicht sagen kann, sein Wille ist seines ganzen Schiffes Himmelreich – Gotts Wetter, ich glaube doch, wir kriegen heut noch Sturm.

LICHTERZIEHER.
Es wird alleweile schon so düster, daß einer bei Tage Licht anstecken möcht.
KAPITÄN.

Da kann er was verdienen von der lieben Sonne, Lichterzieher, um Gottes Willen sag er mir was macht er auf dem Meer? ja wenns geschmolzen Talg wäre und unser Tauwerk Dochte, da wärs für ihn so ein gefunden Fressen.

[253]
LICHTERZIEHER.
Nein fressen möcht ichs doch nicht.
KAPITÄN.
Macht mir nicht solche Pfiffe vor. Was will er in Jerusalem, ist er so fromm?
LICHTERZIEHER.

Nein mit der Frömmigkeit da gehts wie mit den Krebsen, seit ich so bei ihm bin, aber seh er nur, sie brauchen in Jerusalem einen Lichterzieher.

KAPITÄN.
Je du mein Himmel was brauchen sie denn in Jerusalem für Lichter – ich denke da ist es immer Tag.
LICHTERZIEHER.

Potz blauer Montag, Ihr fahrt um die ganze Welt und wißt von der ganzen Welt nichts, bei der Auferstehung aus dem Grabe werden allein über zehntausend Lichter verbrannt.

KLEINER BUBE.
Ei das muß prächtig lassen, da muß ich auch dabei sein.
KAPITÄN.
Allerweltskröte, bist du auch da.
REICHER PILGER.

Je du Kleiner, sag mir wo hast du denn gesteckt als wir abfuhren; du bist doch größer als eine Maus und sie haben alle Ritzen nach dir durchleuchtet, sei nur nicht blöde.

KLEINER BUBE.

Seht gnädger Herr, ihr ließet euch eine Schildkrötensuppe kochen, die Schale blieb im Schiffe liegen, darin versteckte ich mich und sprang ins Wasserfaß zu den andern Schildkröten, da hat mich keiner aufgesucht.

[254]
REICHER PILGER.
Böser Bube, wenn meine Schildkröten nun davon absterben, was habe ich dann auf der Reise?
KAPITÄN.

Die Wetterkröte, da werf ich dich gleich über Bord, wer zahlt mir denn die Kosten die du mir machst; hast du was mitgenommen von deinem Vater?

KLEINER BUBE.

Ei freilich. Da hat er meine Frühstückssemmel, dafür bin ich schon oftmals über Fluß gefahren und drüben sind mir alle Wirthe schon bekannt, ich habe eine Base drüben die wäscht für alle.

REICHER PILGER.
Du Narr, wir sind ja ich zum Übersetzen eingerichtet übern Fluß, das geht jetzt übers Meer.
KLEINER BUBE.

Nun wie das Wasser heißt, das ist mir einerlei, sind wir bald drüben, ich muß so gegen Abend noch wieder zu Hause sein, sonst wird der Vater böse, er leidets nicht daß ich zur Base gehe.

REICHER PILGER.
Nun seht den Unverstand! – wir steigen erst bei Jerusalem ans Land, das ist noch weit.
KEINER BUBE.

So sputet euch Herr Fährmann, vielleicht ists gar noch eine Strecke Weges von Jerusalem bis zu der Base.

KAPITÄN.
Du dummer Junge, Jerusalem liegt ja auf einer andern Welt, wir bleiben einen Monat unterweges.
[255]
KLEINER BUBE.

Ach allerliebster Herr Fährmann, da thun Sie mir den einzigen Gefallen und halten ein Bischen still und kehren Sie um, das geht ja gar nicht an, der Vater schlägt mich todt wenn ich die Nacht ausbleibe.

KAPITÄN.
Ja, hat sich was! –
REICHER PILGER.

So armes Volk wächst doch auf wie's liebe Vieh; Junge, wie können wir denn umkehren, das kostete ja mehr als du in deinem Leben je verdienen kannst.

KLEINER BUBE.
Ach Gott, du gnädger Gott wie wird mirs gehen!
REICHER PILGER.

Nun Jüngchen mach doch kein Geschrei, was hast du Großes zu verlieren bei dem Vater, der ist ganz sicher ein armer Lump wie du, ich will dich unterstützen, wenn du mir treu willst sein und aufmerksam mich kannst bedienen.

KLEINER BUBE.
Hab ich denn viel zu thun?
REICHER PILGER.

Nicht viel, wenn du es nur zu der gehörigen Zeit willst thun. Sieh, Morgens trink ich erstlich meinen Quittenschnaps, das ist so ein geflochtenes Fläschchen, steht in dem Schranke rechter Hand, dann trink ich eine halbe Stunde später meinen guten Kaffee mit Rahm, sieh dort, da steht die Kuh die mußt du fleißig futtern und dann melken, die Milch abrahmen ...

KLEINER BUBE.

Das nennt ihr eine Kuh, mein[256] gnädger Herr, ich trau mich nicht heran, das Thier hat Hörner und Pferdefüße, das ist Satanas; so hat die Base mir ihn beschrieben.

REICHER PILGER.

Was ist der Mensch wenn seine Eltern nichts an ihn wenden können, da danke ichs dem selgen Herrn Vater in der Grube noch wie er mich hat so trefflich unterrichtet. – Nun mit der Kuh, das wird sich alles geben, glaub mir mein Sohn, so eine Kuh, in einem Kasten festgebunden, die kann dir keinen Schaden thun. – Nach meinem Kaffee esse ich was Frischgebackenes.

KLEINER BUBE.

Das ess' ich auch recht gern, die Base hat mir immer was beiseit gelegt, und sagte mir der Haase hätt's verloren.

REICHER PILGER.

Ei sieh du Spitzbub, weißt auch schon was schmeckt. Nachher da giebst du mir den Augenbader, die Toilette, warm Wasser, schäumest Seife ...

KAPITÄN.

Segel ein, Segel ein, aufgerefft. Ihr Hunde wollt ihr laufen. Ihr Bestien, will euch mit dem Endchen Beine machen.

REICHER PILGER.
Schrei er nicht wie ein Stier, ich kriege sonst mein Nervenzucken, was giebts?
KAPITÄN.

Krieg er die Schwerenoth, das giebt einen Windstoß, ich sehe in der Luft eine Wetterscheide die Wasserhose zieht uns an.

REICHER PILGER.

Zieht doch aus die Wasserhose[257] daß sie euch nicht mehr anzieht, wir brauchen euch ja jetzt nothwendig, da der Weg so uneben wird.

KAPITÄN.

Halts Maul. Hannes zum Bogspriet. Wie hat sich der Bengel, fällt wie ein Fisch von der Angel, fort ist er. Johann machs besser.

REICHER PILGER.
Aber das leide ich nicht, der arme Mensch soll herausgezogen werden, was hat der arme Mensch gethan?
KLEINER BUBE.
Es soll gleich geschehn, ich kann schwimmen, ich spring ihm nach. Springt über Bord.
REICHER PILGER.

Kleiner Bube, kleiner Bube, was machst du, Wasser hat keine Balken. O du mein Jesus, was ist das für eine vermaledeite Reise, ach wäre ich doch niemals auf den verfluchten Gedanken gekommen fromm zu werden, könnte jetzt so ruhig vor meinem Keller sitzen unter der Laube, mir ein Glas Wein nach dem andern reichen lassen. Zieht doch den Knaben heraus, er ist in meinen Diensten.

KAPITÄN.
Mach er mir kein Bauchweh, fort. Er pfeift.
CARDENIO
zu Celinden.

Sieh dort den schwarzen Riesen, er schreitet durch die Wolken und hütet seine weiße Heerde auf den Meereswogen, die Segel und der Meeresschaum sind in dem Dunkel schwer zu unterscheiden, des freue dich Celinde, wie Meeresschaum tritt sein Fuß unser Schief danieder, wie oft hast du [258] mit Sehnsucht von dem Tod gesprochen, vielleicht will es gesellig uns vereinen, die so getrennt fürs ganze Leben und doch verbunden hält ein wunderbar Geschick.

CELINDE.
Noch weißt du nicht das Schwerste, das mich drückt.
CARDENIO.

O sprich, wenn ich auch durch Mitleid es dir nicht erleichtern kann, so thut das Klagen der gepreßten Seele dennoch wohl.

CELINDE.

Bewahr ich dies Geheimniß treu, so spare ich dir Sorgen, und dies Gelübde that ich heut dem Himmel, es dir nur in dem Augenblicke zu vertrauen, wo's unvermeidlich ist.

CARDENIO.

Wie bist du so besorgt um mich, gedenk wie viel ich tragen kann, da ich so vieles hab verwunden, ich weiß der Himmel legt noch schwere Buße auf; dein Schweigen ist mir Buße.

CELINDE.

Vielleicht war mein Geheimnis nur ein Werk der Bangigkeit, die aus dem leuchtenden Gewitter mir entgegenströmt, davon die Haare sich schon schreckhaft aufwärts richten. Ich wollte diese Stunde wär vorüber, sieh meine Mutter schwebt mir vor dort wo die Wolken so in grauen Zügen durch einander wirren, sie drohet uns: nein Mutter, du hast dein Recht auf mich verloren, seit ich den Himmel hab erkohren.

CARDENIO.

Du schwärmst Celinde, doch schwäme glücklicher, dein Kampf ist ausgekämpft, auch wenn [259] du bist besiegt. In diesem Sturm freut sich mein ganzes Wesen seines Ebenbildes, mich quält hier nicht der Vorwurf allgemeiner Ruhe, der mich in schönen Frühlingsgärten hat erschreckt, sieh die Verwirrung so recht gründlich an, so ist es noch in mir – und es wird Stille folgen auf den Sturm. Sieh diese Welle die hoch über uns sich hinzustürzen scheint, jetzt unter uns laut an des Schiffes Wänden tobt und brauset, so stand ich auch, so wüthete ich auch entgegen aller menschlich ruhigen Verbindung, nach meines Geistes wildem Takte sollt sie springen. Doch sieh wie diese große Welle auch nicht ruhig ist, denn auf der großen regen sich viel tausend kleine, der Wind zieht ihre Spitzen in die Luft und jagt sie uns so scharf wie Hagelkörner in die Augen, so war auch ich nicht ruhig in dem Treiben, wie mancher tolle Einfalt hat mich tagelang gequält zerrissen der unerquicklich blieb, so mir wie andern und kaum den Augenblick den er so lang bereitet füllen konnte.

CELINDE.

Gedenk des Guten auch was du mit kühnem Muth verbreitet und wie ich jetzt gelehnt an dich ein schrecklich Schicksal, furchtsam zwar doch nicht verzweifelnd trage. O gieb mir Trost, ich hab so oft vom Tod gesprochen, ihn mir gewünscht und jetzt, wo er mir nahe ist, da uns ein dünnes Brett von ihm nur scheidet, scheint er mir so ganz schrecklich so ganz unmöglich. Cardenio ich fleh dich an, ich [260] will nicht sterben, ich kann nicht sterben, nicht so vor Gottes Angesicht erscheinen, bedecke mir die Augen wenigstens daß ich dies Schrecken nicht darf schauen; vergebens hab ich diese Furcht in mir zurückgedrängt, sie füllet meine ganze Seele. Ich will nicht sterben, nein ich kann nicht sterben.

CARDENIO.

Du armes Mädchen, du athmest noch, du fühlst noch lebst du ja, kannst du des Sterbens denken, gedenk des Lebens noch viel mehr.

CELINDE.

Ich weiß vom Leben nichts, zum erstenmal Cardenio fühl ich die Worte nicht die du mir sagst, ich seh den Blitz der hoch am Himmel flammt und hoch der schwarzen Welle weißen Schaum nur zeigt. Cardenio, ich fleh dich an errette mich.

CARDENIO.

Halt dich recht fest an mir, laß mich nicht los, wie auch das Schiff mag wanken, was auch mit uns geschehen mag, mit diesem Tuche hefte dich recht fest an mich und bete.

CELINDE.

Du gnädger Gott es hilft, ich fühl mein Herz, es füllt sich wieder. O dieses Elend mußte auch noch kommen über uns, war unser Wille nicht so gut.

AHASVERUS.
Nur meiner Sünden wegen wird euch die Fahrt zum heilgen Grabe schwer.
KAPITÄN.

Was sprecht ihr alter Jude, bei Gott ich glaubs, ihr seht mir aus als hättet ihr den Herrn schon verspottet, es ist ein unnatürlich Wetter. [261] He da Conrad, schmeiß den Stall mit der Kuh über Bord.

REICHER PILGER.

Was soll denn das sein, Herr Jesus, ist hier Gerechtigkeit und alles aus, wo krieg ich morgen Milch zum Frühstück.

KAPITÄN.
Wer weiß ob du nicht morgen selbst ein Frühstück bist für die Fische.
REICHER PILGER.

Wenn Sie so schlechtdenkend sind, da halt ich nicht was ich versprochen, wer weiß es noch ob Sie nicht ungleich sind gefahren, das Schiff geht gar nicht recht wies sollte, ich bin zum Sterben krank, die Medizin ist mir zerbrochen, ach Gott, wie bin ich doch zu diesem Elend gekommen.

KAPITÄN.

Laßt uns zu Gott wenden, wir können nichts mehr thun. Wüßt ich nur ein Gebet, je sackerment mir fällt keins ein, will einen guten Schnaps erst nehmen, dann geht es besser mit dem Beten. Er trinkt. Sind wir gleich Protestanten, wir rufen doch die Heiligen an, Donner und Wetter, ich weiß keinen. He noch ein Schnaps. Taback her.

MATROSE.

St. Elmo soll was gelten in dem mittelländschen Meere, wir nehmen einen Paß von ihm, er ist so richtig wie der Amerikansche Paß. Wein her.

REICHER PILGER.
Meinen Magenwein! nehmt nicht meinen Magenwein, ich kann nicht schlafen ohne Magenwein.
[262]
MATROSE.
Das Wasser ist nicht hart, denn es hat keine Balken, es schläft sich gut darin.
REICHER PILGER.
Ich geb euch hunderttausend Thaler, wenn ihr mich schafft gesund ans Land.
KAPITÄN.

Ein schön Stück Geld, wer eine Brücke schlagen könnte in die Luft, der möcht es sich verdienen, ergebt euch dem Teufel, der kann so was.

REICHER PILGER.
Wie mach ich das?
AHASVERUS.

Bewahre euch der Herr, den Teufel meidet, ich weiß von seiner Macht. Ihr zagenden Verzweifler, ich bin ein schwerer Sünder, werft mich ins Meer, denn mich allein will der Sturm vernichten, mich werft ins Meer, so ist des Himmels Wille rasch erfüllt und ihr könnt ruhig zu dem heilgen Grabe wallen.

KAPITÄN.
Werft ihn hinein, er will es haben.
CARDENIO.
Bei Gott ich leid es nicht, so lang ich noch die Arme regen kann.
REICHER PILGER.
Wir solltens doch versuchen, ob es hilft.
CELINDE.

O schont des alten Mannes, er klaget sich in Wahnwitz an, sein Herz ist ohne Missethat, doch ich bin schuldig.

CARDENIO.
Du scheutest eben noch den Tod und willst dich jetzt für andre opfern.
CELINDE.
Ich häng an dir und ich bin stark.
KAPITÄN.

Fort mit euch dreien, ihr seid Wettermacher [263] wie die Türken, die wissen auch so was der Wolken Lauf zu richten, ich hab es oft gehört.

SCHIFFSLEUTE.
Fort hinaus mit ihnen über Bord, wir habens all bemerkt, sie sind so heimlich und verdächtig.
REICHER PILGER.
Bewahre Gott ihr Leute.
KAPITÄN.
Sonst muß der Kuhstall über Bord.
REICHER PILGER.

Ihr scheint so armes Volk ihr könnt leicht sterben, ich will für eure Frau und Kinder sorgen, schreibt mir nur die Adresse auf.

CARDENIO.

Schweigt ihr Nichtswürdigen, ich fühls daß ich der Menge muß erliegen, doch wehe euch, wer leben soll der lebt im Sterben.

CELINDE.
Geliebter, ja, ich sterb mit dir verbunden.
AHASVERUS.
Erbarmet euch der Jugend.
SCHIFFSLEUTE.
Hinunter in das Meer, fort das Schiff versinkt sonst.
CARDENIO.
Gott verzeihe euch! Ahasverus, Cardenio, Celinde werden ins Meer gestürzt.
REICHER PILGER.
Was habt ihr gethan, Leute das ist große Sünde.
MATROSE.
Hat er es nicht geschehen lassen?
REICHER PILGER.
Ich dachte nicht, daß ihr es würdet thun.
KAPITÄN.

Ich nehm das Volk auf meine Seele, es waren Wettermacher, seht der Sturm läßt [264] nach, die Wolken brechen sich, der Himmel scheint hindurch.

SCHIFFSLEUTE.

Ich seh den Himmel mit seinen Wolken für einen Dudelsack an. Das Meer sieht so schlaff aus wie ein ausgelaufener Weinschlauch.

KAPITÄN.
Zieht die Segel auf.
SCHIFFSLEUTE.
Wir sind so müde. Ich kann nicht stehen.
KAPITÄN.
Das kommt vom Saufen.
REICHER PILGER.

Au weh, wie schmerzt mir der Leib, wie ist mir der Kopf so wüst. Hätt ich jetzt nur meinen Magenwein, ich sage ihnen Herr Kapitän, den zieh ich ihnen von der Fracht ab. Aber ihr Kinderchen weil wir doch unser Leben salvirt haben, so laßt uns singen nun danket alle Gott.

KAPITÄN.
Singt nur, ich habe keine sonderliche Stimme, ich will mir eine Pfeife anstecken.
LICHTERZIEHER.
Sagt doch, was ist denn das für ein großes Schiff, was da hinter dem Vorgebirge herauskommt.
KAPITÄN.

Ein Schiff! Wahrhaftig, war ich blind! Das ist ein Engländer, ein englisch Kriegsschiff wir sind verloren, meine Pässe gelten nicht. Es ist ein englisch Kriegsschiff. Kein Segel ist aufgezogen das kommt von eurer Faulheit ihr Bestien, ihr Hunde, ihr Maulaffengesichter, ihr Bärenhäuter, ja komme einer mir nur nahe.

[265]
MATROSEN.

Wir wollen uns wehren, unser Schiff segelt gut, wenn wir nur erst ein Paar Segel auf haben, unsre Kanonen schießen auch.

REICHER PILGER.
Lieben Leutchen, wehrt euch recht tapfer, ich will unten heruntergehen.
KAPITÄN.

Heiliger Gott, könnte ich nur in die Bosheit, in die rechte Furie kommen. Ja ihr Leute, wir wollen uns brav halten, jeder an seine Kanone, sterben kann unsereiner nur einmal; soll es einmal sein so ist es nicht anders; macht aus der Noth eine Tugend; es ist ein elend jämmerlich Ding um aller Menschen Leben. Ein ferner Schuß. Halt Leute! – Ich kann nicht in die Bosheit kommen. Wie die Verfluchte Kugel sauste, streicht die Segel.

REICHER PILGER
kuckt heraus aus dem Verdeck.

Ist alles vorüber? Sind viele todt? Noch ein Schuß. Au weh, warum sagt er mir nicht daß noch geschossen wird? Zieht den Kopf herein.

KAPITÄN.

Alte fette Schnecke, zieh deinen Kopf herein oder ich tret dich. Ach Kinder welcher Teufel hat die Engländer hergeführt, Kinder kniet nieder und betet.


Ein englisches Boot legt an, Bromly, Lysander mit Matrosen und Schiffssoldaten treten ein.
BROMLY.

Ich glaub hier ist ein Hinterhalt im Schiffe, ihr haltet dicht zusammen, sie möchten uns gefangen nehmen, sie haben sich versteckt.

[266]
LYSANDER.
Da liegen sie in allen Winkeln auf den Knieen. Ergebt euch.
KAPITÄN.
Ach ja mein allergnädigster Herr Engländer, recht gerne.
LYSANDER.

Wie habt ihr euch, wir werden euch nicht spießen wie die Türken, ihr lebt wie wir, das Schiff ist unser.

REICHER PILGER
kriecht hervor.

Mein gnädger Herr ist das gewißlich wahr? Die Herren Englischmänner leben gut, mir haben sie hier alles in dem Sturme ausgetrunken, ein gut Glas Portwein wäre mir willkommen.

BROMLY.

Mein guter alter Herr, das will ich ihnen reichen, sie scheinen mit der Seefahrt noch nicht sehr vertraut, was hat sie auf das rauhe Element geführt?

REICHER PILGER.

Ich wollte nach Jerusalem, nur der Gesundheit wegen, aus Furcht vor einem Schlagfluß, ich meine nun, die Herren Engländer sind zu galant um uns auf unsrer Fahrt zu hindern.

BROMLY.

Mein werther Herr, darüber kann ich ihnen nichts berichten, sehr möglich daß wir jetzt bei Acre landen, das weiß der Kapitän allein. Doch weil sie sich als Pilger uns genannt, sind wohl auf diesem Schiff mehr Pilger, wir suchen drei die uns durch Blut und Freundschaft sind verwandt.

[267]
REICHER PILGER.
Herr Kapitän, sie müssen doch dem Herrn die Pilger zeigen.
KAPITÄN.
Da stehen sie beisammen, es sind nicht viele.
LYSANDER.
Von denen ist es keiner. O des vergeblichen Bemühens, um uns zu täuschen ist das Meer so groß!
LICHTERZIEHER.
Ach Herr, wenn ich sprechen dürfte, es sind auch noch drei Pilger hier gewesen.
LYSANDER.
Wie sahn sie aus.
LICHTERZIEHER.
Ein ganz uralter Jude mit langem Barte, ein junger schöner Herr, ein junges hübsches Mädchen.
LYSANDER.
Sie sinds, sie sinds, wo haben sie euch denn verlassen?
KAPITÄN.
Es war ein großes Unglück, gnädger Herr, – sie sind beim Sturme vom Verdeck gestürzt.
LYSANDER.
O Himmel welch ein Jammer!
LICHTERZIEHER.

Ihr Herren darf ich reden. Ich sage euch, kein Sturm hat sie herabgestürzt von dem Verdecke; – die Bosheit dieser Leute hats gethan; in ihrer Thorheit meinten sie die Pilger hätten uns den Sturm gemacht, der Alte hatte was von einem Hexenmeister, ich muß es selber eingestehn, allein das ist doch keine Manier, mit Passagieren also umzugehen.

REICHER PILGER.
Ich hab das auch gesagt.
KAPITÄN.

Es ist nicht wahr, ihr habt mir beide[268] nichts gesagt und da es alle wollten, und da der alte Mann sich selber hatte angeklagt, so meinte ich es müßte also sein, es war ein alter Schifferglaube.

BROMLY.

Dir soll dein Recht gesprochen werden ich habe keine Worte meinen Schmerz und meine Wuth zu nennen. Was thaten dir die beiden schönen jugendlichen Zweige eines edlen Stammes, – o es ist unerhört, was roher Aberglaube noch für Wahnsinn zeugt.

LYSANDER.
Sprich du verruchter Mörder.
KAPITÄN.

Ich weiß von gar nichts, ich habs in aller Unschuld so gelitten, der Sturm, die Wellen, das Geschrei die drängten auf den Alten ein, der junge Mann wollt ihn vertheidigen, es gab ein Schlagen das Mädchen hielt sich fest an ihn, sie waren nicht des Stehens auf dem Schiffe sehr gewohnt, sie fielen in das Meer ich weiß nicht wie, weiß einer, wer es hat gethan?

MATROSE.
Der Hannes wars, der von dem Maste fiel ins Meer, er hat schon seinen Lohn.
LICHTERZIEHER.
Nein mit Erlaubniß, das ist nicht an dem, der fiel viel früher.
MATROSEN.
Du willst uns Lügen strafen.
BROMLY.
Schweigt, ein strenges Recht soll über euch gesprochen werden.
LYSANDER.

Es giebt die Rache nicht den herrlich vielgeliebten Mann uns wieder, der hier im ganz gemeinen Schicksal ist gefallen, es war der Frau geliebter [269] Bruder, o könnt ichs ihr verschweigen auf dem Schiffe.

BROMLY.

Du hast noch eine Frau! – jetzt hast du dich verrathen – ich bin verschwiegen – nur nenn mich einmal Freund.

LYSANDER.

Mein theurer Freund wie freu ich mich an deiner Brust die Thränen zu verbergen, die dem Soldaten nicht geziemen.


Sidney kommt mit Soldaten.
SIDNEY.
Ihr bleibet lange, schon glaubte ich ihr fändet Gegenwehr, was hat das Schiff geladen?
KAPITÄN.
Wollne Tücher, Leinenzeug.
SIDNEY.

Das kommt uns sehr gelegen, ihr müßt mir aus dem feinsten Leinen eine Windel schneiden, die Wäscherin von deiner Kompagnie Lysander, hat eben einen schönen Knaben in die Welt gesetzt, ich meine schon daß er dir ähnlich sieht.

LYSANDER.

Mein guter Freund, mein gnädger Gott, o halt mich Bromly, daß ich nicht im freudgen Jubel in das Meer mich stürze, dem armen Schwager nach; ach daß mein Dienst mich hier noch hält, daß ich den ersten Jubel muß versäumen.

SIDNEY.
Ich will ihn jetzt für dich schon thun, du übernimmst ihn auch ein andermal für mich.
LYSANDER.
Und wärs vorm glühenden Munde der Kanone. Er geht ab.

[270]

Die Taufe auf dem Meere

Die Taufe auf dem Meere.

Sidneys Admiralschiff der Tiger, Sidney und Lysander auf dem Verdeck.

SIDNEY.

Seht, werther Graf, ich schwimm doch lange schon auf allen Meeren, doch solche Stille sah ich nie wie heute, die platte Fläche sieht so starr uns an, daß unser Aug es kaum ertragen kann, es sieht zum Himmel dieses große helle Auge unseres Planeten, auf dem wir schwimmen wie ein Stäubchen es ist ein Festtag heute aller Welt, ein Feiertag, den wir auch mitbegehen müssen.

LYSANDER.

Es ist doch wahrlich schade, daß unser Herz sich dem Kalender fügen muß, auch mir ist heut seit jenem frohen Trauertage, der mir den Sohn geschenkt, der Frau den Bruder hat geraubt, zum erstenmal recht frei ums Herz, ich wollt es wäre Sonntag, die Sonne scheint so hell.

SIDNEY.

Zum erstenmal vermiß ich heut des Schiffes Prediger, der in dem Portwein ist ertrunken er sollte uns dein Kindlein taufen, es war ein schönes Fest, ein seltnes Fest, bei Gott ich möcht es bei der Taufe halten und meinen Namen, meinen Sinn mit meinem Segen in dem Kind verdoppeln.

LYSANDER.

Der Vater darf des Priesters Amt verrichten, nichts hindert uns mein gütger Freund in dieses Meeres blauen Spiegel des Knaben Seele in[271] dem Meere der Gnade einzuankern, daß sie kein Sturm des Lebens mag verdrängen und zerscheitern.

SIDNEY.

Ich lieb das Rasche und vor allem liebe ich den Augenblick, mag er uns alles nehmen oder geben, gleich eile ich das Schiff zum neuen Feste zu bereiten, thut Ihr das eure, holt das Kind und denkt auf den Sermon. Ab.

LYSANDER.

Ich soll hier Redner werden, ich weiß kein Wort zu sagen als meine Freude, mein Gebet, daß dieses Kind gesund und rechtlich lebe, gut daß Olympie jetzt kommt, die wird mir rathen können.


Olympie in den Kleidern einer reinlichen Magd tritt mit dem Kinde zu ihm.
OLYMPIE.
Was habt ihr mir befohlen, gnädger Herr?
LYSANDER.

Laß diesen Augenblick die schmerzliche Verstellung, die alle wahre Ordnung in der Welt verwirrt, um dieser Schiffsordnung ein liebend Herz zu fügen. Du meine Magd, die ewig meine Herrscherin! Das schlechte Kleid kann nicht dein hohes Wesen mehr verbergen, ein jeder sieht in dir schon einen höhern Stand; ich denk wir lösen heute dieses Räthsel, wo nach dem Willen Sidneys unser Knabe in christlicher Gemeinde aufgenommen wird.

OLYMPIE.

Ganz überraschend ist mir dieses Wort, ganz heimlich wird es doch geschehen, das Kind [272] ist nicht zur feierlichen Handlung angekleidet, auch fehlt der Prediger.

LYSANDER.

Sieh mich recht an, hab ich nicht etwas Christliches in mir, ich muß als Vater seine Stelle heut vertreten, o rathe mir was ich da sprechen soll.

OLYMPIE.
Mich ängstigt dein Scherz, du nimmst zu leicht, was einer Mutter wichtig ist.

Sidney, Bromly kommen mit der Schiffsbesatzung unter Trommelschlag.
SIDNEY.
Gut, daß ihr schon beisammen. Halt. Singt doch ein frommes Lied ihr Leute, singt.
DEUTSCHE SOLDATEN.
Die Welle ist des Menschen Bild,
Die in dem weiten Meere quillt,
Sie steiget auf und sinket nieder,
Dieselbe kehret nimmer wieder,
DIE ENGLISCHEN MATROSEN
fallen ein.
Ganz allein auf weitem Meere
Schwebt der Briten hohe Ehre,
Hat der Meere Wuth bestritten,
Alles Meer beherrschen Briten.

Briten, auf dem Meer geboren,
Haben Freiheit nie verloren,
In den Stürmen, auf den Wogen,
Hat die Freiheit sie erzogen.

Denn von allen Tyranneien
Wollen sie die Welt befreien,
Gott der Herr hat sie erkoren,
Und die Welt geht nicht verloren.
[273]
SIDNEY.

Hurrah. Hurrah. Hurrah. Setzt die Schaluppe aus, daß wir das Kind eintauchen ins offene Meer zum Zeichen der Taufe.


Sidney, Bromly, Lysander mit dem Kinde und Olympie steigen in die Schaluppe.
OLYMPIE.
Bewahrt mein theures Kind recht sorgsam, ach einen theuren Bruder hat mir schon das Meer entrissen.
LYSANDER.

Vergiß den Schmerz in dieser Feier. Nun fang ich an so gut es gehen will zu taufen. – Dich meinen Sohn, rechtmäßig in der Ehe erzeugt mit dir Olympien von Saalathen.

BROMLY.

O meine Schwester du, ich ahnete es lange, ich bins, dein jüngster Bruder Giron, der dich früh verlassen, erkenne mich, o Gott erkenne mich.

OLYMPIE.

Mein Bruder! ja die Stimme sagt es mir, wenn ich dein kindisch Haupt in diesen ernsten narbenvollen Wangen gleich nicht wiederkenne.

LYSANDER.
Mein theurer Schwager. Umarmung.
SIDNEY.

Freund du weißt, was ich bei deinem Glücke fühle, du weißt wie wir verbunden sind! – wenn mich die Welt nicht täuscht, der Kriegszug den wir so froh begonnen, er wird der größte unsres Lebens, ein groß Geschick will uns zum Glück durch Glück bereiten, sei auch im Glücke mäßig, störe nicht die angefangne Feier dieses Festes mit süßem Kuß des Wiedersehens.

LYSANDER.

Verzeiht, mein Herz ist zu voll, sei [274] dieses Stammeln Gottes Lob, sei dieses Zittern meiner Hände, Dank. Und du geliebtes Kind, das ich zum Zeichen Gottes des Vaters, des Sohnes, des heiligen Geistes ins Meer getaucht, sei auch getauft am Feuer Gottes das im Herzen, auf den Lippen glüht und dieser Kuß sei die Versieglung deines Glaubens, sei deiner Ehre Zeichen der Name Sidney, den ich dir feierlich verleihe, sei meines Bruders Name Giron dir stets erinnerlich des Glücks, was deine Taufe uns verliehen, trage jenen vor der Welt und beide in dem Herzen.

SIDNEY.

Amen. O seht ein gutes Zeichen, ein frischer Wind von Westen löst unsres Laufes Stillestand; er führt uns mit dem Feiertage gegen Akre, wo Großes sich ereignen kann. Auf, frisch ins Schiff, noch giebts der Augenblicke mehr zur Freude, wenn die der Thätigkeit erst wohlbenutzet.

BROMLY.

Es zieht dein Heldengeist entzückend mir durchs Haupt; geliebte Schwester, mit meinen Armen heb ich dich aufs Schiff, wie du als Kind mich sorglich oft getragen.

LYSANDER.
Wie ist uns allen wohl.
OLYMPIE.
O Himmel gieb dem Glücke Dauer.
SIDNEY.
Seid sorgsam über euch, daß keiner euch errathe.

[275]

Das todte Sündenkind

Das todte Sündenkind.

Felsenküste. Cardenio und Celinde in zerrissenen Kleidern.

CARDENIO.

Im Anblick eines Meers vertrocknet meine Zunge, ja sie gehorcht nicht mehr dem Geist, der tröstlich manches Wort dir sagen möchte. Armes Mädchen, ist dieses meine Hand, die ich dir mühsam reiche?

CELINDE.

Sie dienet noch zur Stütze mir, der Schwerbelasteten, da du mein hoher Freund in Schwäche selbst versinkest.

CARDENIO.

Ich hör dich wieder, du bist mir nahe, ich sehe dich, seh deiner Wangen Todtenblässe und deiner Augen ausgestorbnes Licht, und doch bist du mir reizender als sonst in Sinnenlust, du bist der einzge Mensch, so weit mein Fuß dies öde Land durchirrt. O sprich, wo blieb denn diese wunderbare Stadt die sich mit bunten Zinnen von grünen Wäldern rings umwogt, vor unsern Augen in dem Frühlicht zeigte, fast meine ich, daß blinder Irrthum, Wahn und Krankheit schon den Traum und Wirklichkeit in mir vermischt seit uns der Menschen Wahn ins Elend stürzte.

GELINDE.

Es war kein Wahn, ich sah die Stadt, ja das Gewühl der Menschen konnte ich bemerken und schämte mich daß ich halbnackt dort einziehn sollte.

CARDENIO.

Sie schwand wie Morgenwolken in dem Thau, ach wär nur Thau geblieben auf der Wüste.[276] Ein Zweifel hemmet jeden meiner Schnitte, ein Unbestand wie diese ruhelose Meeresöde, erhebet sich vor mir und wie die Möwen niederstreifen, die Fische heben aus der Fluth und tödten in der Luft, so sehn ich mich, so flehe ich hinauf in stummem Jammer, daß uns ein Todesengel aus der Elendsfluth erhebe.

CELINDE.
Nie hätte ich gedacht, daß du verzweifeln würdest wo ich noch hoffe.
CARDENIO.

Ach nicht um mich, dein Elend löscht mir jede Hoffnung aus; dein Körper schwillt von Krankheit und von schlechter Nahrung.

CELINDE.

Ich denk nicht meines Elends das du siehst, nicht meiner wunden Füße, es giebt ein größres Elend das ich in mir trage und das du noch nicht kennst.

CARDENIO.
Was giebts für Noth, die nicht auch mir die Haare auf dem Haupte vorzeitig bleichte.
CELINDE.

Ich trage noch viel härtre Noth, doch ich will schweigen, wie ich mir vorgenommen, bis sie zu dir um Hülfe schreit.

CARDENIO.

Entsetzlich, durch Sturm und Fluth, durch Fels und Dorn treibt uns die Wuth des Schicksals, daß wir entblößet durch die Wüste ziehen wie wilde Thiere, und doch versteckest du dein Inneres, das Einzige was jeder offen zeigen sollte, was uns erhebet über Thiere, die nur am Äußern sich erkennen.

[277]
CELINDE.
Wirst du es wissen, so wirst du wünschen, daß ich es dir verschwiegen hätte.
CARDENIO.

Schweigen – kannst du mit Schweigen es vernichten. Sprich alles aus, dann weiß ich erst, daß du im Geiste mit mir eins; seit aus die Bahn der Tugend schied, darf uns Vertrauen um so enger binden.

CELINDE.
Weh mir, die Tugend schied uns und die Natur verbindet mich noch dir.
CARDENIO.
Diesen Jammer sollte böse Lust bestehen können.
CELINDE.

Ach du versteh mich nicht, es giebt ein größres Elend als die Sünde, der Sünden Folge, Frucht und Ausgeburt. Ach weh mir Unglückseligsten in meiner Schwäche sink ich nieder, in wenig Stunden bin ich Mutter, mein Kind hat keinen Vater dem ich es nennen mag, denn seinen Vater wird der erst Liebesgruß zur Qual.

CARDENIO.

Nun weiß ich alles und erschrecke meiner Blindheit. Ja wohl, es gab noch einen größern Schmerz und über menschliche Erfindung weit hin aus geht wahres Elend. Dich soll ich leiden sehen und verderben durch mich, denn hier ist alle Hülfe fern, ich höre schon das Kindlein schreien an der erstorbnen Brust und drücks umsonst an meine, die ihm nicht Nahrung geben kann, und lauf mit ihm zur Wüste und schrei die säugenden wilden Thiere an. Wie [278] kann ich dir hier in der Wüste helfen, wie weiß ich was dir dienen kann? Schon wird es Nacht. Die Thiere haben ein geheim Erkenntniß von allem was ihnen taugt und schadet, das Lamm sucht kaum geboren unter Steinen süßes Kraut zu seiner Nahrung die Bienen kennen aus der Höh den Blumenkelch der ihnen ist eröffnet, der Mensch hat nichts, nichts, worauf er angewiesen – als Liebe –Leise zu sich. die ward mir nicht!

CELINDE.

Schon fühl ich einen Jammer meine ganze Brust erfüllen, nach Wasser sehnt sich meine Lippe, mein Herz – wie eine Liebe schmerzlich mich so ganz erfüllte, so fühl ich jetzt mit sehnendem Gefühl den einen Durst. O schafft mir einen Trunk, nur einen Tropfen, der am Grase hängt.

CARDENIO.

Hilf Gott, mir schwinden alle Sinne, wohin ich seh nur dürrer Staub und salzig Wasser, doch dort, da bebt es in der Luft, da winket mir ein liebend Bild, da find ich Trost. Ab.

CELINDE.
Ich sitz allein
Im Sonnenschein,
Und wein und wein!
Die Sonn allein
Verläßt mich nicht;
Ihr Angesicht
Sie wendet's nicht,
Und Gott den Herrn
Glaub ich von fern
[279] In ihr zu sehn,
So schön, so schön!
In jeder Well
Sein Bildniß hell,
In meiner Brust
Mir unbewußt
Steht auch sein Bild
So mild so mild!

Eine Gestalt, Olympiens Mutter, erscheint.
DIE GESTALT.
Sei mir gegrüßt
Hier in der Wüst,
Bist unbekannt
Mit Sonnenbrand,
Mit Gram und Noth
Ums tägliche Brot.
CELINDE.
Woher kommst du
In stiller Ruh,
Du freundliche Frau,
Der ich vertrau
Mein ganz Geschick
Beim ersten Blick.
Mein Auge bricht.
Hilfst du mir nicht,
Mein Kindlein klein
Bleibt ganz allein,
Wie wird es schrein,
Allein, allein!
DIE GESTALT.
Die Mutterwehn
Mußt du bestehn;
Das Erstemal
Macht Furcht zur Qual
Es endet Schmerz
So wie der Scherz,
[280] So wie die Nacht,
Eh mans gedacht.
Sei nur nicht bang,
Ich wohn hier lang,
Ich bin allein,
Das macht mir Pein;
Hätt gern ein Kind,
Wenn zieht der Wind,
Wenn ich erwacht
Um Mitternacht.
CELINDE.
Der kalte Wind
Mein armes Kind,
Er tödtet's schnell.
Die rasche Well
Entführt es mir,
Wo blieb ich hier.
DIE GESTALT.
Sieh diese Kluft
Voll Rosenduft,
Und Lagerstätt
Mit weichem Bett,
Da steig hinab.
CELINDE.
Es ist mein Grab.

Sie wird in die Felsenhöhle geführt. Es kommt ein Storch, der ein Kind im Schnabel trägt und in die Felskluft mit eilendem Fluge einstreicht, ihm nach singt eine Wolke ziehender Störche von oben.

Hast du schwer am Kind getragen,
Mußt sie mit den Flügeln schlagen,
Hast du müssen lange reisen,
Mußt sie mit dem Schnabel beißen.
Schone nicht, sie ist jetzt schwach,
Daß die Liebe in der Noth
Reue schmerzlich leidend nach,
Liebe macht so schwer den Tod.
[281]
DER STORCH
streicht aus der Höhle und singt.
In meiner Wuth
In der Reisegluth,
Hab ich das Kind erdrückt,
Weh wie sie zum Himmel nun blickt,
Kann nicht mehr bleiben am traurigen Ort,
Nehmet mich Brüder im Sturme mit fort.

Er fliegt fort.
Die Gestalt kommt aus der Höhle, Celindens todtes Kind auf dem Arme.
DIE GESTALT.
Mir lebst du fort
Du liebes Kind,
Dein schuldlos Wort
Erwacht geschwind
In dunkler Gruft
Und zu mir ruft:
O Mutter mein
Will artig sein,
Ich liege still
Nach Gottes Will! –
Die Mutter dein
Bleibt ganz allein,
Sie büßet ab
An deinem Grab,
Die Milch ihrer Brust
Sie spritzt auf die Gruft,
Ihrer Thränen Lauf
Weckt die Blumen auf,
Ihre Trauerzeit
In der Einsamkeit,
Macht sie schnell bereit
Zur Ewigkeit.

Es kommt ein Chor nächtlicher Pilger.
DIE PILGER.
Kommt gute Frau
Fort auf dem Thau,
[282] Wir sind gesellt
Vom Herrn der Welt,
Seiner Gnade Werk
Vollbringt die Stärk,
Seiner Weisheit Kraft
In uns Geistern schafft.
DIE GESTALT.
Ich eil geschwind
Mit meinem Kind
Zum Thron des Herrn
Beim Morgenstern.

Sie schwebt mit den Pilgern fort.
CARDENIO.

Celinde! – Celinde! – An diesem Felsen hab ich sie verlassen. – Celinde! Ich bring dir einen frischen Trunk, komm schnell, sonst läuft er wie der durch die Fingerritzen meiner ausgedörrten Hände! – Entflossen ist er wieder, weh mir und dir! – Celinde! Er läuft suchend umher. Hat dich der Sturm entrissen, der noch am Ufer wüthet. Willkommen Tod erfaß auch mich, o finde mich, aus Milde nimm mich fort aus dieser Schmerzenswelt.

CELINDE
tritt schwach aus der Höhle.

Cardenio, wo ist mein Kind, mein süßes Kind, trägst du es in den Armen, hast du es in dem Meer gebadet?

CARDENIO.
Unglückliche, dein Kind, trägst du es nicht in treuer Mutterhaft?
CELINDE.
Mein Engelskind! Mein einziges Kind! Wo ist die liebe Frau, die es zum Kuß mir reichte.
CARDENIO.

Du Unglückliche, dein letztes Gut, [283] Vernunft hast du verloren, nicht um dein Unglück zu vergeben, nein um gedoppelt es zu wähnen.

CELINDE.

Es ist kein Wahn, beim heilgen Morgenstern, der in die Fluth sich senkt, ich hab ein Kind geboren. Es ist kein Wahn, noch weiß ich wie du mich verlassen um kühlend Wasser mir zu suchen, die gute Frau hat mich getränket und gespeist.

CARDENIO.

Was fabelst du von einer Frau wohl hört ich in der Wüste Löwen brüllen, sie sahen mich bestürzet an, als ich in meinem Jammer stand vor ihnen und flüchteten sich fort von mir, weh uns wenn sie mein trauernd Haupt verschont, um Kindes lächeln zu zerknirschen. O schwere Nacht, willst du endlich weichen, o armes Kind in Nacht empfangen und geboren, so hast du nie das Licht geschaut!

CELINDE.

Unselger Mann, ach wärst du nur bei mir geblieben, du schütztest nicht dein Kind, du gabst es preis den wilden Thieren.

CARDENIO.

Wohl giebts ein wildes Thier, wogegen ich zu schwach bin dich zu schützen, es ist kein Adler der in hohe Luft die Menschen trägt und an den Fels zerschmettert, nein aus der Tiefe langt er zu dir auf, wo dich die Sünde an die Erde bindet.

CELINDE.

That ich dir unrecht so verzeih der Mutter. Mein Kind! Wie reich wär ich in ihm, mein lang verschwundnes Glück, du wärst mir gegenwärtig, du liebtest mich in ihm und seinen Dank könnt [284] ich mit tausend Diensten abgewinnen. Mein armes Kind, es sah die Frau so mild, so gütig, aus, die es entführt, sie glich Olympien. Mein Kind, mein Kind!

CARDENIO.

Zerfleische nicht den Arm, reiß nicht dein Haar vom Haupte, der Buße Pflicht ist nimmer zu verzweifeln, wir leben über unser Leben schon hinaus, ein geschenktes Jahr. Es wird jetzt hell, jetzt läßt sich an dem Boden sehn, ob wilde Thiere, ob ein Mensch dein Kind geraubt.

CELINDE.
Sieh her! hier glaub ich ging ein Löwe.
CARDENIO.

Es ist mein Fußtritt, halb vom Sturm verweht und keinen andern kann ich mehr er blicken, nicht Spur von Menschen oder Thieren, kein Blut. Wer zeigte dir die Höhle, schön geschmückt von Blumen duftend.

CELINDE.

Dieselbe Frau die mir mein Kind geraubt, doch jetzt besinn ich mich, mein Kind war gar zu blaß, und seine Augen waren fest geschlossen, es hatte keine Wärme, keinen Athem, als sie es mir gereicht, und als sies von mir nahm, da nahm sie mir den Ring, den du mir gestern anvertrauet, als er von deinem Finger fiel, und küßte ihn und sagte dann, es sei der ihre, ich lag in halber Ohnmacht nieder, und wie in einem Buche das zerrissen, kann ich nur langsam was ich sah verbinden.

CARDENIO
knieet nieder.

Sie wars, sie wars, [285] Olympiens Mutter, lob Gott den Herrn, der seine Gnade in der Wüste uns erscheinen läßt. Gedenk der Qual wenn wir dies arme Kind, die Frucht der Sünde in Noth verschmachten sähen. Gelobt sei Gott der Herr, er hats zu sich genommen, er schauet wie die Sonne die durch Nebel bricht, auf Wüsten wie auf Städte nieder, die Menschen wandeln vor ihm wie Gedanken, und er vergißt nicht einen. Ihm sei ein Tempel in der Wüste aufgerichtet und unserm Kind ein Grab.

CELINDE.
Mein Kind, mein Kind, so ist der Herr mit dir, gelobet sei der Herr.
CARDENIO.
Ich fühl mich stark zum Dienst des Herrn, in dieser Einsamkeit will ich mein Leben sühnen.
CELINDE.
Fern ist hier süßes Wasser.
CARDENIO.

Sieh her, wer Gott vertraut den läßt er nicht verschmachten. Kaum heb ich diesen Stein zum Altar auf, so springt ein Quell heraus der mich erfrischt.

CELINDE.

Ich kann nicht von dem Wasser trinken, ich sehe einen blutgen Strahl darin, das Blut von unserm Kinde. Ich soll verschmachten, soll nicht Gnade finden.

CARDENIO.

Verkennst du so das Morgenroth das sich der Meeresfluth enthebt, sieh jene Dattelbäume [286] in der Nähe, die uns der Fels versteckte, vertraue Gott und er verläßt dich nie.

Die Reisenden und die Jungfrau mit dem Storche

Die Reisenden und die Jungfrau mit dem Storche.

Der Kümmeltürke und der Waisenhäuser treten auf, Dienemann führt die Maulesel hinter ihnen her.

KÜMMELTÜRKE.

Das fang ich deutlich an zu bemerken, wenn ich so fortfahre mit spätem Aufstehen frühem Zubettegehen, mit Essen und Trinken, da werde ich wenig Reisebemerkungen nach Hause bringen. Es geht mir ganz eigen, wenn ich so eben Willens bin meinen Sekanten aus dem Kasten zu holen und ein Paar Sonnenhöhen zu nehmen, da tritt mir etwas vor die Augen.

WAISENHÄUSER.
Was denn? Du wirst doch nicht blind von dem weißen Sande in der Wüste?
KÜMMELTÜRKE.

Bewahre Gott, nein ich seh recht gut, aber ich seh zu viel; ich will dir sagen das letzte hübsche Mädchen im Wirthshaus das fällt mir immer wieder ein, wir sind Narren gewesen daß wir so fortgegangen.

WAISENHÄUSER.
Du hast mich ja über Hals und Kopf fortgejagt, kaum konnte ich den kalten Braten einpacken.
[287]
KÜMMELTÜRKE.

Ich dachte es könnte meinem guten Rufe als philosophischem Reisenden gar sehr schaden wenn es auskäme daß ich mich mit Mädchen abgebe; es war dir ein prächtig Mädchen, wie sie sich beim Tanzen schwenkte, das war einzig, glich sie nicht meinem Kaufmannsweibchen in Halle.

WAISENHÄUSER.

Nein Bruder, aber meiner Liesbeth glich sie ungemein, ich habe sie auch gleich bekehrt und in mein Verzeichnis eingetragen.

KÜMMELTÜRKE.
Du bist ein Narr, du konntest ja kein Wort mit ihr sprechen, du weißt kein Türkisch.
WAISENHÄUSER.

Desto leichter geht die Bekehrung, da können sie nicht disputiren, solch Volk muß man nur nicht zu Worten kommen lassen, dann ist altes verloren. Ich tauf sie ganz heimlich, ruf sie, wenn ich mich wasche und wenn sie meinen, ich rede nur so vor mich, so sage ich die Formel her, und wenn ich an die Frage komme, ob sie glauben und entsagen, da nicke ich mit dem Kopfe, das machen sie meist wie die Affen nach, dann drehen sie sich wohl um, da bespritz ich sie heimlich und die Sache ist gemacht.

KÜMMELTÜRKE.

Da hast du einen bequemen Dienst, ich möchte mit dir tauschen; ich soll alles Kraut einpacken, alle Vögel ausstopfen, alle wilde Thiere abledern, das ginge altes noch, aber das verfluchte Bemerkungen machen bringt mich in der Hitze [288] noch um allen Verstand und dabei die Sorge, ob auch kein Paket verloren gegangen und wenn die Hefte der monatlichen Correspondenz ankommen, ob auch kein Druckfehler eingeschlichen der mich lächerlich macht.


Ein alter Mann zieht mit vielen Kindern vorüber.
WAISENHÄUSER.

Sieh einmal wer kommt denn da, ein alter Mönch mit vielen Kindern. Je alter Vater, was macht ihr mit den Kindern, die kleinen Heiden machen ja alle das Kreuz?

DER ALTE.
Mit dem Kreuz aus Bambusrohren
Ging ich von Ostindien aus,
Doch mein Beten schien verloren,
Keiner ließ mich in sein Haus,
Und kein Alter wollt mich hören,
Falsche Götter sie bethören.

Nur ein Kind das sah mich gerne,
Lief dann beim Gebet mir nach,
Daß es Kreuzeszeichen lerne,
Andre machten ihm das nach,
Lernten bald auch die Bedeutung,
Alles das nach Gottes Leitung.

Keiner kann es ihnen nehmen,
Immer liegts in ihrem Sinn,
Daß die Väter sich bald schämen
Finden auch ihr Heil darin;
Kinder werden nun Bekehrer,
Unschuld ist der beste Lehrer.
WAISENHÄUSER.

Das ist ganz nach Pestalozzis Erziehungsmethode; darf ich fragen wo Sie die kennen [289] gelernt haben? Warum eilen Sie so gewaltig, es ist heute recht heiß.


Der Alte mit den Kindern zieht kopfschüttelnd ab.
KÜMMELTÜRKE.
Es ist ein eigen Volk hier, giebt aber gute Bemerkungen.
WAISENHÄUSER.
Aber ich habe sie gemacht, ich habe mit dem Alten gesprochen.
KÜMMELTÜRKE.

Darauf kommts nicht an, sondern wers zuerst aufgeschrieben und das bin ich, seht während ihr gesprochen habe ich geschrieben.

WAISENHÄUSER.
Das leid ich aber nicht, ich schlage dir die Schreibfinger entzwei.
KÜMMELTÜRKE.
Du aussätziger Judenbekehrer.
WAISENHÄUSER.
Du Menschenbetrüger, willst du wieder neue Arten Vögel zusammennähen.
DIENEMANN.

Friede mit euch, wißt ihr denn nicht daß wir schon im Gebiete der berühren Jungfrau mit dem Storche sind.

KÜMMELTÜRKE.
Das sind Chimären.
DIENEMANN.
Da kommt sie schon drei häuserhoch angeschritten, ein Storch geht an ihrer Seite.
WAISENHÄUSER.
Mein Seelen ja, die werde ich auch taufen sollen, aber da muß sie sich bücken.

Die Riesenjungfrau mit dem Storche tritt auf.
JUNGFRAU.

Ihr frechen Männlein wagt das Reich der Jungfrau zu beteten, wo euer Gott nichts gilt; die eine Göttin hochverehrt als Schöpferin der[290] Welt, der in der Schöpfungseil der Mann, der ein unfertig Weibsbild ist, entsprang und sich als böses Übel in die Welt verbreitet hat.

WAISENHÄUSER.
Verzeihen Sie, ich muß Ihnen die Ehre haben zu sagen –
JUNGFRAU.

Schweig Unverstand, erst zeige mir daß du an Klugheit überlegen und rathe mir ein Räthsel, das noch auf Erden nie ein Mensch errathen konnte, sonst tret ich dich in Staub.

WAISENHÄUSER.
Wenns nicht anders sein kann, sonst ist das Rathen nicht meine Sache.
JUNGFRAU.

Gieb Acht. Ich kenne einen Vogel der zieht im Herbste fort und kehrt im Frühling wieder, hat lange rothe Beine und einen langen rothen Schnabel, womit er trefflich klappern kann, hat weiß Gefieder doch vermischt mit schwarzem an den Flügeln, er baut sein Nest auf Dächern und – legt Eier.

WAISENHÄUSER.
Der Storch.
KÜMMELTÜRKE.
Der Storch. Storch, Storch Steiner, hast so lange Beiner.
JUNGFRAU.

Ihr habt nicht recht gerathen, ich muß euch tödten, wie ich der Göttin hab gelobet. Sie tritt beide todt. Du dritter Fremdling mußt auch rathen, sei nicht erschocken über diesen Vorfall, bedenk dich wohl es gilt dein Leben.

DIENEMANN.
Geist meines Freundes Wagner steh mir bei. Schreit auf. Die Störchin!
[291]
JUNGFRAU.

Ich bin verloren, ich bin nun dein, du hasts errathen, die Störchin legt die Eier. Jetzt muß ich dir zu Willen sein, was du begehren magst.

DIENEMANN.
So folge mir nach Deutschland dich fordre ich.
JUNGFRAU.
Weh mir, du willst zur Frau mich nehmen.
DIENEMANN.

Nein Gott bewahre, du bist mir ein Paar Stockwerk zu hoch, komm jetzt nur mit, ich will dich dort für Geld als Riesin zeigen.

JUNGFRAU.
O diese Großmuth bricht den starren Sinn, ich muß dich lieben für so viele Güte.
DIENEMANN.
Bleib mir vom Leibe, von einem Elephanten mag ich nicht geliebkost werden.
JUNGFRAU.
Ich unglückselige ewge Jungfrau.
DIENEMANN.

Ich glückseliger Junggeselle. Was werden mir die Engländer in Acre dafür bezahlen, ich werde berühmt wenn ich eine so wunderliche Riesin aus der Wüste bringe, das wird mich besser nähren als das Eseltreiben, ich binde dich an einen Strick und ziehe dich mir nach.

SIDNEY
tritt von der andern Seite auf.

Soll ich es wagen, bei dieser Türken Wankelmuth und Unverstand und bei der Unbekanntschaft meiner tapfern Brüder mit der Landschlacht viel verschlungner Art dem langgeübten Feinde mich zu stellen, es ist unmöglich wenn ich ruhig überlege und doch giebt mir die Sehnsucht [292] tausend Hoffnungsträume. Erst diese Nacht erschien mir eine Jungfrau mit dem Storche und sagte mir, so wie sie selbst auch dem Entfernten sei verbunden durch dieses Vogels wunderbare Züge, so sei in mir der Meere und des Landes Machtwort fest vereinet; ich sagte ihr, es sei ein leerer Traum, sie aber wollte mir am hellen Tag erscheinen. – Beim Himmel ja, sie steht vor mir.

JUNGFRAU.
Sei mir gegrüßt Sieger von Akre. Sie verschwindet.
DIENEMANN.

Ich bringe hier ein wunderbares Riesenweib mit einem Storche, das hab ich mir durch Klugheit eingefangen und möcht es gern zu gutem Preis verkaufen.

SIDNEY.
Wo ist das Wunderthier?
DIENEMANN.

Wahrhaftig ja, es hat sich losgestreift, der Strick woran ichs führte hängt an einem trocknen Feigenbaum.

SIDNEY.

Bei Gott, so sah ich diesen Traum doch nicht allein, es ist kein Wahnsinn der mich blendete, was auch das Schicksal in die Hand mir giebt, ich will es tragen, will es halten und erfüllen. Ab.

DIENEMANN.

Was ist das heute für ein Tag! – der hört mich nicht, die Jungfer fort, die Freunde todt, ich armer Schelm, ach wär ich nur nach Haus.


Kümmeltürke und Waisenhäuser stehen auf und sehen Dienemann nicht.
[293]
KÜMMELTÜRKE.

Wo ist der Schlingel, der Dienemann wieder mit den Eseln hin, sieh, sieh mein Unglück, da wälzt sich ein Esel mit meiner Kräutersammlung und mit meinen Bemerkungen. Dienemann!

WAISENHÄUSER.
Meinen Esel seh ich gar nicht.
DIENEMANN.
Lebst du noch, nun das freut mich, hast du nicht die Jungfrau gesehen?
KÜMMELTÜRKE.
Hast du nicht nach meinen Eseln gesehen, du Erzesel. Er schlägt ihn.
WAISENHÄUSER.

Meine Katechismen sind alle ins Wasser gefallen, der Esel liegt leer im Wasser, zum Teufel um den unglückselgen Traum von einer Jungfrau, der mich befiel, nun weiß ich nichts von meinem Glauben du unglückselger Dienemann. Er schlägt ihn. Schaff mir Rath wo ich meinen Glauben wiederfinde.

DIENEMANN.
Ich habs gerathen und werde geschlagen und die mich schlagen, die haben nichts, gar nichts errathen.

Reicher Pilger kommt mit dem Lichterzieher ganz leise an.
REICHER PILGER.

Ich höre in der Stadt so was von Schießen munkeln, ich dächte lieber Freund wir gingen etwas in die Wüste bis die Sache vorüber, weit von der Scheibe, sicher vorm Schuß, nachher haben wir immer Zeit ein Tedeum zu singen, viel mehr habe ich so nicht zu verlieren als nein Leben. – [294] Aber nun sehe er einmal wie die beiden so unmenschlich auf den dritten losschlagen, laß er uns etwas auf die Seite gehen.

LICHTERZIEHER.

Gott behüte, den Untdrückten muß man beistehen. Ihr Christen, wie könnt ihr euren Mitbruder todt schlagen, es gibt ja deren so wenige hier gegen die vielen vielen Türken.

DIENEMANN.

Das sag ich auch und noch dazu ihren alten Universitätskameraden und der eine will ein philosophischer Reisender sein und der andere ein Heidenbekehre.

LICHTERZIEHER.
Das hätt ich mit hundert Lichtern nicht in den Leuten gesucht.
KÜMMELTÜRKE.
Es ist auch aus mit der Philosophie, meine Kräuter, meine Bemerkungen, alles in den Dreck getreten.
WAISENHÄUSER.
Mein Glauben, meine Katechismen, alles ins Wasser geworfen. Er weint.
REICHER PILGER.

Ach meine Herren, wenn sie nichts weiter verloren haben, da trösten sie sich, nur haben sie auf dem Schiff meinen Magenwein, meine Pestropfen, mein Confekt aufgefressen, allen meinen Lebensgenuß. Ach meine Herren, wenn sie meiner Meinung sind, so wollte ich behaupten wir wären die unglücklichsten und die edelsten Menschen in der Wüste.


Es erscheinen viele reisende Araber.
DIENEMANN.

Neues Unglück, unsre Araber sind[295] geflüchtet und wie die Heuschrecken jagen die flüchtigen feindlichen Araber über den Sand.

ALLE.
Wir sind verloren.

Die Belagerung

Die Belagerung.

Akre. Sang an einer der abgelegenen Stadtmauern, auf welcher Wachen ausgestellt sind, der Mauer gegenüber sehen wir einen von Kugeln durchlöcherten prachtvollen Gartensaal; das, Marmorbad in seiner Mitte haben die Engländer mit Punsch gefüllt, ein kleines Kind mit Flügeln fährt auf einem zierlichen Kahne darauf umher und schenkt ihnen ein, eine Abtheilung sitzt an einem runden Tische und singt.

ENGLÄNDER.
Rund ist der Tisch,
Die Welt ist rund,
Der Freunde Bund
Sitzt rings noch frisch,
Laßt die Kappen schellen,
Laßt die Hunde bellen,
Laßt die Feinde schießen,
Besser wär es, wenn sies ließen.

Großes Schießen, eine Kugel schlägt ein, einer fällt, sein Nachbar ruft: dein Glas hättst doch noch trinken können, ich trink es auf dein ewges Wohlsein.
ENGLÄNDER.
Rund ist das Glas,
Auf stoßet an,
Und Mann für Mann,
Das wird ein Spas,
Laßt das Glas zerschellen,
Daß die Ohren gellen,
Laßt die Feinde grüßen,
Weil sie uns den Wein noch ließen!

Alle durstige Feinde sollen hoch leben!
[296]
ENGLÄNDER.
Wer ohne Stimm,
Der schrei nur recht,
Das klingt nicht schlecht
Im rechten Grimm.
Jeder treib sein Wesen,
Hexen auf dem Besen,
Feinde mit dem Spießen,
Mädchen mit dem ewgen Küssen.

Es kommen türkische Frauen, welche die Thüren des Harem durchbrochen und die Verschnittenen überwältigt haben, sie gesellen sich zu den Engländern und machen sich durch wilde Küsse deutlich. Olympie, die bei ihnen in Verwahrung gebracht worden, stürzt mit ihrem Kinde heraus und durch den Saal auf die Gasse.
OLYMPIE.

Wohl mir daß ich in deiner Stille züchtge Nacht aus dieser Frauen sträflich Leben bin entwichen, wie sind sie in des Lebens stetem Zwang verwildert, die Freiheit wird in ihnen Frevel, weh dieses Anblicks, sie fechten mit einander um die fremden Männer, die stolz so wilde Triebe einzuflößen, den Mord als Opfer ihrer Lieb annehmen. – Die Noth hat alle Pforten guter Zucht hier aufgesprengt, die Noch macht sich vertraulich mit den Menschen. Weh dort brennt das Krankenhaus, umsonst ist da die Kraft des Wassers, denn immer neue Feuerlinien bezeichnen in der Höh den Weg der Bomben, die alle in die Gluth sich senken und diese Gluth so weit umher zersprengen. O dieser armen Kranken! Was half die Labung, die ich ihnen heut gebracht! Wie mancher fühlte Tod in seinem Blute fiebern und dachte nicht daß ein noch frührer Tod ihm von dem Himmel werde [297] fallen. Ich hör die Klagen der Verzweifelnden und hör den Übermuth der andern, ich sehe ahnend die blutgen Wunden, die diese Rasenden vom Leben reißt. Wie herrlich ist mein Lysander in aller Noth, viel herrlicher noch als im Glücke, da steht er würdig ohne Übermuth, bereit und thätig ohne es zu sagen, sein ganzes Wesen wird zur That. Du heilger Gott gewähre mir was ich dem Mann versprochen als er mit Schmerz erlaubte daß ich ihm folgen durfte in des grausamen Krieges Spiel, gewähre mir daß die Verzweiflung mich nicht fasse, daß ich des theuren Hauptes Sorge nicht vermehre, viel lieber laß mich sterben und sorg für dieses Kind, das auch dem Ebenbild.

DIE ENGLÄNDER
haben sich wieder gesetzt, nachdem sie die Weiber unter sich getheilt und singen.
Faßt mir den Stuhl
Und rutscht dreimal,
Das macht den Saal
Zur Judenschul:
Laßt die Gläser klingen,
Laßt die Kehlen singen,
Laßt die Feinde schießen,
Nichts soll heute uns verdrießen.

Schreib mit dem Fuß
Dir hinters Ohr,
Der größte Thor,
Wer ohn Genuß:
Laßt die Gläser klingen,
Laßt uns dreimal springen,
[298] Laßt die Feinde schießen,
Wir nur wollen richtig schließen.

Nun schließ den Mund
Der Politik,
Brich oder bieg,
Sieh auf den Grund.
Trinken sperrt die Kehlen,
Wer will sich mehr quälen,
Laßt die Feinde schießen,
Zwerge sind es, keine Riesen.
OLYMPIE.

Leichtsinnig sucht sich der gemeine Mensch des Feindes Kraft mit Lügen zu verkleinern, was hab ich nicht gehört von unsern Feinden, wie sie so klein und ausgetrocknet, von Fröschen und von Zuckerwasser knapp genährt, sie würden schon vom Anhauch eines kräftgen Menschen niederstürzen. Ich glaubte das, wie war ich nicht verwundert als ich die ersten lustig durch die Wüste zu uns ziehen sah, so sichern Schritts als ob wir ihnen schon gehörten, da stürzten türksche Reiter auf sie ein, von allen Seiten schienen sie zu fechten und hatten schon in feste Reihen sich geschlossen, wie ein Pallast, der einen Hof umschließt, so drang ihr Viereck unaufhaltsam vor, es war das Feld bedeckt mit türkschen Bunden, es flohn die Türken und wär Lysander nicht mit einer tapfern Schaar von Schiffsoldaten vorgerückt, sie wären mit den Flüchtgen in die Stadt gedrungen. Zwei waren schon voran, verwundet und noch kämpfend entgegen [299] dem Geschick, sie mußten sich ergeben, Lysander rettete sie aus dem Hohn der wilden Menge, sie konnten unsre Muttersprache reden, Lothringer warens, große schöne Männer von sicherm Ansehn gewandt in Reden daß unsre Leute meinten wenn die nicht wären ausgesendet sie zu schrecken, so möchten sie so bald nicht fertig werden mit den andern.

ENGLÄNDER.
Seid doch so gut,
Trinkt nicht zu viel,
Zum ernsten Ziel
Bringt kaltes Blut,
Brennt die Pfropfen an,
Malt den Schnurrbart dann,
Laßt die Feinde schießen,
Also wollen wir sie grüßen.

Was kommt heraus,
Bei allem Wein,
Viel kommt herein
Nichts geht hinaus,
Seht die Löwengrube,
Hier in dieser Stube,
Laßt die Feinde schießen,
Wenn wir sie hierher nur stießen.
EINER.
Drück mir die Hand,
Die Wund drück aus,
Beim hitzgen Schmaus
Flieht kalter Brand;
Wenn ich laut gleich schreie,
Drück mit alter Treue,
Laß die Feinde schießen,
Laß die Wunde sich ergießen!
Au weh! Au weh! An weh!
[300]
OLYMPIE.

Arme Mütter, die euch aufgezogen mit der Sorge reger Wachsamkeit, eure Sorge ist verloren, denn der Muthwill spielt mit eurem Blut. Würfel spielen auf dem Sterbenden die Halbgestorbnen, und sein Leichnam wird ihr Sterbekissen. Tausend, die in Wiegen sorglich eingeschläfert und umhüllt gegen die kalte Luft, werden nackend in die weite Grube an der Schlinge wie die Missethäter hingeschleift, noch am Haar und Zähne drin beraubt, daß sie zieren einen Thoren, der in Ruh sein Geld inzwischen häufte, ihre Güter an sich riß, ihre Frauen hat verführet, ihre Kinder ließ des Elends Raub. Wie ein Holzstoß werdet ihr da unten aufgeschichtet, aber keine Flamme lodert auf, euch zu rächen, euer Grab wird keine Thräne netzen in dem fremden Land. Armer Knabe dich hab ich zum frühen Tod geboren, ja die große Mordwerkstatt fördert rasch die schlimme Arbeit, der Kanonen gleiche Schläge fallen. Ach dein Vater sieht vielleicht in einen offnen Feuerrachen, und jetzt haut der Feuerwerker mit der Lunte auf, – weh, jetzt brennt sie los – wohl mir daß es nur die Furcht, weh mir daß mich Furcht entrissen vom vertrauensvollen Glauben. Keiner kennt ihn, wer auf ihn mag zielen, aber Gott, der kennt ihn, wird ihn schützen, folge ihm mein Sohn auf gleichen Weg der Ehre.

[301]
EIN JÄGER
kommt mit zerschoßnem Rocke und zündet sich eine Pfeife im Saale.
Pro patria,
Heißt mein Taback,
Und mein Verhack,
Das ist ganz nah,
Wie die Feinde rennen,
Fidibus muß brennen,
Laßt die Feinde schießen.
Will mein Leben noch genießen.

Ich bin Prophet
Und thu euch kund,
Es ist zu bunt,
Wie es hergeht,
Durch die Pulverwolken
Bei den Tabackswolken
Laßt den Feind nur schießen,
Nun Adies, die Hörner bliesen.
EIN REITER
tritt ein und hat Zaum und Sattelzeug in Händen, das er traurig betrachtet.
Das schimmlicht Brod,
Das Wasser faul,
Macht todt den Gaul,
Den Schimmel tod,
Könnt ich noch drauf sitzen
Wollt ich hier nicht schwitzen,
Und was hilft das schießen,
Thränen meinem Schimmel fließen.

Er weint.
OLYMPIE.
Was die Mensch bindet,
Lieb und Freundschaft schwindet,
In der allgemeinen Noth,
Brüder senden Brüder in den Tod,
Väter über Söhne
Ohne Schmerzenstöne,
[302] Nur zum Pferde dauert noch des Kriegers Liebe,
Weils ihn in den Tod getrieben,
Ihn errettet, wo er war geschlagen,
Und zum Sieg getragen,
Seines Lebens bessre Hälfte kann ers nennen,
Seine Ehre hat er ihm vertrauet,
Was da furchtlos an das Feuer wagt zu rennen,
Auf den Weg nur schauet,
Ist ihm mehr als Freund und Gott und Glück,
Bringt ihn ehrenvoll ins Vaterland zurück:
Vaterland im Himmel auf der Erde,
Sucht der Reiter nur auf seinem Pferde.
ENGLÄNDER.
Grün ist das Laub,
Das mich umwallt,
Und alles schallt
Und ich bin taub,
In die Weinlaub legen
Wir Musket und Degen,
Laßt die Feinde schießen,
Weil wir in Trompeten stießen.

Trompetenschall.

Alt ist die Zeit,
Wo Bucchus zog,
Doch keiner sog
Sich je gescheidt!
Sauft heut wie Kanonen
Alle ohne Schonen,
Feinde zu begrüßen,
Soll ein Ausfall dies beschließen.

Eine Bombe schlägt durchs Dach, die Soldaten greifen jubelnd zu und werfen sie löschend in den Punschnapf.
ENGLÄNDER.
Es kracht das Dach,
Die Bomb einschlägt
In Punsch gelegt
Erlöscht danach,
[303] Läßt das Platzen bleiben,
Will sich Zeit vertreiben,
Ließ sich hieher schießen,
Um als Stahl im Punsch zu büßen.

Ja rufet all;
Gut ist die Bahn,
Fühlt auf den Zahn
Mit lautem Schall,
Laßt die Kehlen brüllen,
Seht sie fliehn im Stillen
Seht die Feinde fliehen,
Laßt uns mit Musik zum Streite ziehen.

Die Musik voran, jeder mit einem Glase und mit seinen Waffen treten sie heraus und bemerken Olympien.
VIELE.
Guten Tag, gebt uns noch einen Wunsch mit auf den Weg.
OLYMPIE.
Sei Gott mit euch, dann ist der Sieg gewiß.
EINER.
Ich wollte nur sie gäb mir statt aller Wünsche einen Kuß.
ANDRER.
So sags ihr doch.
EINER.
Habt ihr an euern Herrn gar nichts zu bestellen?
OLYMPIE.
O sagt ihm nur mir wäre wohl, er möchte meiner nicht gedenken.
EINER.
Ein Kuß wär ihm schon lieber als der Wunsch.
OLYMPIE.
Jetzt ist zum Küssen keine Zeit.
ANDRER.
So recht, da hast dus Bruder.

Alle ab.
[304]
OLYMPIE.

Alles Edle tritt die Noth danieder und vernichtet alles Schönen Preis, was dem edlen Menschen frohe Gabe Kuß und Händedruck, wird zum leeren Muthwill in dem Kriege; was erzwungen, was die Liebe giebt kann des Krieges wilde Eil nicht unterscheiden und die grimmen Lasterthaten sind vollbracht noch eh sie sind bedacht. Mein armes Kind, du sollst kein Krieger werden, viel lieber send ich dich zu der Braminen frommen Schaaren, die zu der irdschen Nahrung keines Bluts bedürfen. Es wird mein Blut so schwer mir in den Adern und Müdigkeit drückt meine Augenlieder, gewiß, es geht die Sonne auf, es weht so kühl – ach, daß mich jetzt ein Schrecken weckte, denn dieser Schlaf ist über alles schrecklich. –


Indem sie einschläft, erweckt sie der Gesang der Schildwache auf der Brustwehr.
SCHILDWACHE.
Wachend am Felsenhang
Über das weite Land
Rauscht mein Gesang,
Und wie ein Feuerbrand
Steiget die Sonn im Sand
Ehe des Abends Gluth
Kühlet im Blut.

Röthlich die Sonne blinkt,
Schimmert am Flintenlauf,
Rache mir winkt,
Seh ich im schnellen Lauf,
Ziehet ein Schütz herauf,
[305] Schieß ich, so schießt er nicht
Mir ins Gesicht!

Ein Schuß stürzt die Schildwache nieder als sie eben schießen will, die Leiche fällt vor Olympiens Füße, die sich schaudernd davon abwendet.
OLYMPIE.

Wehe – er ist schon todt, ins Herz traf ihn die Kugel, so mußte ihn der Tod erschleichen am entfernten Platze, hier wo alles sicher schien – leisen Tritt hat der Tod, wenn er nur will, auch den der ihn erwartet überschleicht er unverhofft. Halt fest in meiner Seele du freundlicher Gedanke des unbemerkten Überganges, du giebst mir Kraft und Muth zurück. Was sollte ich des Schreckens Stufen zählen wenn dieser unendliche Sprung so unbemerkt geschieht. – Der Sturmmarsch schallt und keiner von den unsern sieht daß dieser Posten unbesetzt, ich will zur Wache eilen, – doch auf, vielleicht ists dann zu spät – vielleicht hat sich der Feind dann unbemerkt der Mauer angenähert; – es ist der Feind von meinem Mann, es ist der meine. Mein Kindlein setz ich hier aufs Moos in diese Felsenhöhlung – es schlummert sanft – leb wohl geliebtes Kind, der blutge Mantel des Erschoßnen soll die Mutterbrust bedecken, – ich setze mir des Todten Mütze auf und sein Gewehr ist noch geladen – ich bin Soldat! – von Furcht in Kühnheit umgewandelt, wie wars im Denken mir so schwer, wie wirds im Thun so leicht; Allwissenheit, Allthätigkeit des ewgen Gottes, wie doch [306] Gott dies beides tragen kann. Und gleich belohnt sich mir der Muth, da seh ich den geliebten Mann, der seit zwei Tagen von mir fern, er ist verloren sieht ihn der Feind wie ich ihn sehe so rastlos thätig Geschütz zu ordnen, die Bresche neu zu füllen. Vor ihm da dringts gewaltig an, vor mir sind wenige und die wenigen zerstreut; – zu hoch ist hier die Mauer zum Ersteigen – sie scheinen auf den Ausgang noch zu harren, sie lassen mir zu müßigen Gedanken Zeit. – Wer mag sich nahen auf dem Schimmel im grauen Überrock, er jagt, er setzt über Gräben; wie eilt er in den Tod, wie oder ist da Leben ihm gewiß? jetzt hält er ruhig still und überblickt als wäre er ein Bild von Stein, er ist nicht groß doch wunderbar von Angesicht, er scheint Befehle auszutheilen, hat eine Karte vor sich ausgebreitet, so sah ich nimmer einen Menschen, es bebt mir innerlich, ist er ein Gott, ist er ein Dämon der rechnet mit der ganzen Welt, es geht ihr Schicksal ernst an ihm vorüber und er erreicht es nicht. Was denk ich über ihn und sollte handeln gegen ihn als Feind. Traf ich doch oft Schwalben in dem Flug, jetzt ist er mir ganz nahe auf dem Korne, mir pocht das Herz, ein flammend Licht umwallet ihn, es flimmert mir wie ein beweglich viel gezacktes Festungswerk vor meinen Augen, klar muß ich sehen – jetzt ist er fort, ein Hügel deckt ihn mir. Unmöglich ist es einem Mutterherzen das edle [307] Menschenleben das ihr so viele Schmerzen kostet zu zerstören, ich kann auf keinen Menschen schießen und kostete es mich das Leben. – Weh eine schwere Kugel schlägt bei meinem Mann herein, gleich sind sie alle auseinander als müßte eine zweite an derselben Stelle fallen, er steht – er schüttelt sich den Mauerestaub von seinem Hute – die Kugel hat den alten Thurm über ihm durchlöchert. – Jetzt gehts im Dampfe unter, der Sturm so dicht gedrängt und durch den Sturmmarsch schallt mir eine fürchterliche Stimme, heilger Gott laß mich und die meinen sterben, doch gieb den Unsern Sieg. – Die Feinde gehn zurück – und wieder vor, ich hör die fürchterliche Stimme wieder, weh die Feinde sind über die Brückenschanze, die Unsern weichen – alles ist verloren – da stellt sich einer mit der Fahne wieder vor, – die Feinde wie geblendet, die Muthigsten von ihnen todt, ich hör nicht mehr die fürchterliche Stimme, der Fähnrich ruft den Unsern zu ihm rasch zu folgen:

Auf der Brücke der Fähnrich die Fahne pflanzt,

Die Fahne wächst und wallet im Wind,

Der Todesreihen so schnelle geschwind

Um sie im Wirbeldampfe tanzt,

Daß ihm der Augen Licht vergeht,

Doch muthig er bei der Fahne steht;

Und keiner wagt sich hin zu ihm,

Er allein im Pulverblitz erschien.

Der Tod, der ihn also nicht fassen kann,

Greift seine gepflanzte Fahne an,

[308] Die hält er, die steht wie ein Eichenbaum,

Der Tod streift hinüber, ein leichter Traum.


Und nun die Bursche sie stehen sehn,
In ihrem Herzen Flammen erstehn,
In ihrem Bart ein wildes Ergrimmen,
In ihrem Herzen ein blutig Beginnen
Und wo der Fähnrich mit der Fahne stand,
Der Sieg sich erst hat vom Feinde gewandt.
Aber die Erde ist noch im Tosen,
Doch geschlossen das himmlische Losen
Und die Unsern im Gewinnen,
Können sich selber nicht besinnen.
Hinter der Feinde flüchtige Menge
Ziehen sie schreiend in wildem Gedränge,
Drängen sich über die Brüder hinab,
Finden im Wasser ein offnes Grab,
Schlagen die Hände noch jubelnd zusammen,
Sinken hernieder wie löschende Flammen,
Gelobt sei Gott auf hohem Himmels-Thron.
Dem Fähnrich sei gnädig Gott der Sohn.

Sie sinkt betend nieder.
Lysander, von der Fahne fast bedeckt, wird von seinen Soldaten in ihre Nähe getragen.
LYSANDER.

Hier setzt mich nieder, hier ist ein stiller Ort; nun geht zum Kampf zurück, ich wollt, ich könnt euch führen; das Meiste ist gethan, doch versäumt das Letzte nicht.

SOLDATEN.

Ihr seid ein tapfrer Herr, ihr wollt doch stets allein sein, so im Streite so im Tode. Lebt wohl für diese Welt, auf Wiedersehn.


Sie gehen.
LYSANDER.

So weit ists doch mit mir noch [309] nicht. – Was macht denn oben jene tiefgebückte Wache, die Memme betet als wenns jetzt Zeit zum Beten wäre; he Schildwach, das Schießen ist Gebet bei den Soldaten.

OLYMPIE
die sich aufgerichtet und zu ihm eilt.
Licht der Sonne, mein Mann trug dort die Fahne er hat gesiegt, er stirbt.
LYSANDER.
Ha, die zarte Stimme in dem rauhen Kleide, bist du's Olympie? Wo ist mein Kind?
OLYMPIE.
Dort schläft es ruhig unterm bebenden Felsen, es weiß von meinem Unglück nichts.
LYSANDER.

Ich wollte doch daß es mein Glück gesehen, wie ich die Stadt errettet, wie ich errettet Sidney, als ihn ein Bajonett durchbohren wollte.

OLYMPIE.

Du bist zu großem Werk von Gott geweiht und ich zu großen Schmerzen, du sagst mir nichts von deiner Wunden Schmerz, wie nagst du so das Leben das uns verbunden mit hartem Herzen jetzt verachten.

LYSANDER.

Bei Gott ich lebte noch recht gern dir und dem Knaben, auch glaube ich es steht so übel nicht mit mir.

OLYMPIE.

So wird mir wohl, hier ist ein Trunk den der Übermuth im Saale stehen ließ, er kann wohl dich laben. Sie bringt eine Schale mit Punsch aus dem Saale.

LYSANDER.

Hab Dank, das nenn ich Wohlthat, [310] ich lebe wieder auf, es jagt das Blut durch meine Glieder. Weh mir, wie brennt der Schmerz so krampfhaft in den Wunden und kühlt dann wieder durch die Glieder, es ist als lebte ich in zweien Zonen hier zu gleicher Zeit, es trennt sich alles, du hältst wie eine Brücke alles noch zusammen, ja da steh ich fest, halt! – mir nach, dort unten braust das Schicksal ewig, ewig sind geschieden diese Völker. O Weib, was hast du mir für einen giftgen Trank gereicht?

OLYMPIE.

Lysander, es haben hunderte davon getrunken ohne Schaden, hör mich, was drehst du dich so heftig von mir fort, kommt keiner mir zu Hülfe! Der euch zum Sieg geführt liegt von der Raserei bezwungen.

LYSANDER.
Bidibum, bidibum, bidibum,
Es geht ein Trommelschall im Reich herum
Es zieht aus allen Ecken
Ein schweres Kriegeswetter,
Bald wird der Thürmer wecken,
Wo sind dann unsre Retter,
Es wirds der Thürmer sagen,
Wo es hat eingeschlagen.
OLYMPIE.
Es ras't der Mann, es schreit das Kind, der Jammer lähmt mir alle Glieder.
LYSANDER.
Zwei Stunden weit von hier,
Da gehts nicht gut, da werden wir geworfen,
Es rasselt schon die Spritze,
Sie spritzet heut Granaten,
[311] In unsers Feuers Hitze,
Wer hat so schlecht gerathen,
Im Stürmen ist kein Rasten,
Dabei das strenge Fasten.
OLYMPIE.
Helft, helft, ich halt ihn nicht, er nagt die dürre Erde.

Viele rufen in der Entfernung Victoria.
LYSANDER.
Die Männer stehn am Feuer,
Es schmilzt das Wachs vom Barte,
Das Leben ist nicht theuer,
Nimm eine Schweineschwardte,
Häng sie als Panzer über,
So schützt sie dich mein Lieber.
Wer übrig ist geblieben,
Hat wenig sich zu freuen,
Zur Einsamkeit getrieben
Wird ihn sein Sieg gereuen,
Im Grabe liegt mein Wappen
Mit tausend Narrenkappen.
OLYMPIE.

Wenn er mich einmal nur recht angeblickt, er müßte mich doch wieder kennen, stets wendet er sein edles Auge fort.

LYSANDER.
Hab ich mich hier begraben,
So soll mich keiner haben.

Sidney kommt mit Gefolge.
OLYMPIE.

Erbarmt euch Herr des Schwerverwundeten dem alle Hülfe fern, ein scharfer Hieb in sein geliebtes Haupt hat ihn in wilde Raserei gesetzt.

LYSANDER.
Zwei Stunden, sag ich euch, von hier, da gehts uns übel, schicket Hülfe nach.
[312]
SYDNEY.

Schickt alle Reiterei den unsern nach, wohl mag es sein daß sie sich allzuweit gewagt, des Feindes Rückzug schien geordnet. Das war besorgt, nun denk an dich.

LYSANDER.
Nun will ich sterben.
SIDNEY.

Nein edler Freund, dir bin ich mein Leben schuldig, ich will die Schuld so weit es mir vergönnt, mit treuer Sorge für dein Leben abbezahlen, leb auf in meinen Armen, und dieser Lorbeerkranz den mir der Türken frohe Menge dargebracht, er kühle deines Hauptes Wunde, du hast ihn ganz verdient.

LYSANDER.

Es drückt der Kranz die schrecklichen Gestalten nieder die in mein Auge stürmten, ich kenn euch wieder, dich edler Freund, dich edles Weib, ich will nun wieder leben; wo war ich eben, von einer Feuersbrunst umgeben und konnte keinen Fuß zur Rettung fortbewegen, ich glaub es war die Fahne die so feurig mir erschien, gieb sie dem Regimente wieder. Was thut der Feind?

SIDNEY.
Er ziehet sich zurück, der Türken und der unsren viele verfolgen ihn.
LYSANDER.
Wenn nur die Unsern nicht zu hitzig sind, könnt ich nur nach.
SIDNEY.
Jetzt sorg für dich, ich übergebe dich den Händen dieses wackern Arztes.
OLYMPIE.
Ich les in jedem seine Blicke Tod.
ARZT.

Die Wunde ist nicht tödlich, doch gefährlich,[313] bei Wunden an dem Haupt läßt sich so schnell noch nichts verkünden, doch tödlich wär dem Kranken jetzt das Fieber das in der Gegend wüthet, ein Nachlaß schlecht verscharrter Leichen, sobald ihr seid bei Kräften ja möglichst bald müßt ihr die Stadt verlassen.

LYSANDER.

So führt mich nach Jerusalem, es sehnet sich mein Herz dahin, am Grabe des Erlösers möchte ich genesen oder sterben, auch dich geliebtes Weib und unsern Sohn möcht ich aus dieses Krieges Nähe führen.

OLYMPIE.
Es ist mein liebster Wunsch nach jener Stadt des ewgen Heils zu wallen.
SIDNEY.

Ich folge eurem Ruf, der mich wie eine Himmelsstimme hat ergriffen, ich zeichne dieses Kreuz mit meines Freundes Blut auf meinen Mantel ich will die müßge Zeit dem heilgen Dienste weihen wer folgen will zum heilgen Grabe thu desgleichen; dir armer Freund hat schon der Feind ein blutges Kreuz auf deine Brust gezeichnet.

LYSANDER.
Ich hab sie nicht bemerkt die Wunde auf der Brust, sie schmerzte nicht.
SIDNEY.
Bereitet euch dem Herrn ein frommes Herz zu bringen, er hat so viel für uns gethan.

Viren und Bromly kommen leicht verwundet.
SIDNEY.
Auch ihr seid schon mit blutgem Kreuz bezeichnet, wir ziehen alle gen Jerusalem.
[314]
BROMLY.

Ja Feldherr, bessres Glück mag dort uns segnen, als jetzt bei dem Verfolgen, zwei Stunden weit von hier verloren wir viel tapfre Männer durch die Übermacht.

LYSANDER.
Und durch den Übermuth. Gott hat so viel für uns gethan, gelobt sei Gott.
VIREN.
Wenn du ihn loben magst, du Schwerverwundeter, da stimm ich ein.
OLYMPIE.

Aus grünen Zweigen ist die Bahre jetzt bereitet, die mir das Theuerste zur Heilung tragen soll, jetzt hebt ihn sanft hinauf und ich bin deine Bahre süßes Kind, komm in der Mutter Arme.

ALLE.
Hebt den Held auf grüne Zweige,
Hütet ihn vor jedem Stoß,
Ach was war auf Erden groß,
Das sich nicht zur Erde neigte.
Nur das Kreuz, das steht am Himmel,
Ewig immerdar erhöht,
Wo ein ewger Friede weht,
Unten nur stürmt Kriegsgetümmel.

[315]

Die Versuchungen in der Wüste

Die Versuchungen in der Wüste.

1. Wüste in der Nähe prächtiger Ruinen. Ahasverus und der kleine Bube, der von dem Schiffe ins Wasser gefallen, liegen im Gebete vor einem Kreuze.

BUBE.

Unser täglich Brod gieb uns heute. – Ehrwürdger Vater, hätten wir nur Brod und dürften wir heute nur essen, ich bin gar hungrig, zu Hause kriegt ich immer Leckerbissen wenn Fasttag einfiel, hier krieg ich nichts.

AHASVERUS.

Mein Sohn, des Glaubens Anfang ist die treue Folgsamkeit, die keiner Prüfung Gründe zu erfragen trachtet, geh in den Wald pflücke Datteln, doch ohne sie zu kosten, die bringe her, daß wir nach Sonnenuntergang ein Abendessen uns bereiten.

BUBE.
Ich bin so schwach daß ich kaum gehen kann, doch folg ich eurem Willen. Ab.
AHASVERUS.

Daß ich den Knaben an dem Strand belebte, wo ich halbtodt ward hingeschleudert giebt mir neues Leben, ich schäme mich in seiner Gegenwart die alten bösen Grillen auszusprechen, der ewge Widerspruch muß vor ihm schweigen, so wie mein schmerzlicher Verlust vor diesen Überbleibseln eines mächtgen Volks und großer Zeiten, vor dieser nichtgen Ewigkeit des Menschenwandels. Die Säulen die einst bestimmt waren Gebälk und köstlich Bildwerk hochzutragen, sie stehen noch, das Herrliche was sie [316] getragen ist versunken, das Volk ist bis zum Namen erloschen, doch leben mir verständlich manche wunderbare Zeichen heilger Einsiedler in diesen Trümmern auf wenn gleich ihr Leichnam von dem Roß der flüchtgen Araber zertreten ist; in allem Erdenleben herrscht Vergänglichkeit, nur in der Liebe, in dem Christenthum ist Dauer, es baut sich überall das Festeste zur Kirche, Noch mahnt mich jeder Tritt an frommer Christen Streiten um den Besitz des heilgen Grabes, hier glänzen Waffen fremder Zeiten durch den Sand, doch sind sie mit dem Kreuz bezeichnet mir vertraut, es finden sich in jedem Kloster Bücher die aller Welt verloren und staunend les ich von der Kraft der Heiligung von frommen Büßern die viel lange Jahre auf Säulen standen, ihr Beispiel wird mich in dem strengen Fasten stärken.


Er setzt sich auf einen Stein und liest still vor sich, bald führen böse Geister, die den Reisenden aber unsichtbar, den Kümmeltürken, den Waisenhäuser, Dienemann, den reichen Pilger, den Lichterzieher, alle im Gefolge eines reichen Lords vor ihm über.
LORD.
Hier haltet still, hier will ich zeichnen, sehr malerisch ist dieser Punkt.
KÜMMELTÜRKE.
Ein guter Platz zum Essen.
LORD.
So eßt.
REICHER PILGER.

Sie sind ein sehr erhabner Herr, erst haben Sie uns die Freiheit gegeben und [317] dann geben sie uns noch so gut zu essen, in meinem Leben trank ich keinen besseren Porter, wir wollen schnell decken.

WAISENHÄUSER.

Der Stein ist gut dazu. Wer sitzt denn da? ein alter Einsiedel liest im Buch; wer seid ihr alter Mann, ich hab euch wo gesehen oder seid ihrs etwa nicht. Wie steht es mit eurem Glauben, seid ihr ganz ordentlich getauft.

AHASVERUS.
Memento mori.
KÜMMELTÜRKE.

Er darf nicht reden wie es scheint, vielleicht versteht er uns auch nicht, biet ihm ein Biefsteck an und dieses Glas voll Porter, das wird er schon verstehn.

AHASVERUS.
Memento mori.
LORD.

Fragt ihn, ob ich ihn mit ein Paar tausend Guineen unter die Arme greifen kann unter der Bedingung daß er mir seinen Bart verkauft.

AHASVERUS.
Memento mori.
LORD.

Der Mensch verdirbt mir alle gute Laune wenn ich noch länger bleibe muß er sich mit mir baxen; laßt ihm die Hälfte aller Lebensmittel hier zurück, wir ziehen weiter. Schnell, es ist kein Wetter heut zum Zeichnen, sondern nur zum Hängen.

REICHE PILGER.

Ei das gesteh ich, noch ehe wir gegessen, die Herren Englischmänner haben doch immer ihre Eigenheiten.

[318]
LORD.
Fort. Die Teufel ziehen ihre Maulthiere weiter.
AHASVERUS.

Fort sind sie, mich in der schrecklichsten Versuchung hier zu lassen, da keine Schaam mich hält, wie schrecklich lüstet mir nach diesem Fleisch, ich fühle es schon auf der Zunge, wie es den Gaumen saftig füllt, was ist das für ein Unterschied, ob ich ganz unwillkührlich es zu essen meine, ob ich es wirklich in den Mund mir stecke.


Er will hastig zugreifen, in dem Augenblicke ruft der Bube aus der Ferne: Vater, Vater, schnell setzt der Alte sich zu seinem Buche hin.
BUBE.
Ach lieber Vater welch ein Glück!
AHASVERUS
für sich.

Wohl ists ein Glück daß er gekommen noch ehe ich gesündigt hatte, fast wie ein Gnadenruf, der eben noch das Richtschwert hält.

BUBE.

Noch bin ich außer Athem – denkt Vater – nicht weit von uns da wohnen Menschen, Menschen, Menschen, Gott sei gelobt dieselben Menschen die mit dir im Schiffe waren.

AHASVERUS.

Für diese Nachricht sprech ich dich vom Fasten frei, jetzt stärke dich mein Sohn mit diesem Trunk, es pocht mein Herz, dann führ mich hin zu ihnen.

BUBE.
Kommt mit, ich habe sie ganz deutlich sehen können, das Essen hat nachher Zeit.
[319]
AHASVERUS.
Zieh nicht so an dem Mantel, ich kann nicht mit.
BUBE.
Es sind ja Menschen da, wie könnt ihr noch so langsam sein.

Beide ab.
2. Wüste, wo wir Cardenio und Celinde verließen, doch haben sie sich jetzt zwei Einsiedeleien erbaut, die eine ist aus Zweigen in den Zweigen eines hohlen Baums erbaut, in dessen Höhlung die andre eingerichtet. Cardenio und Celinde in Thierfelle gekleidet, sitzen auf zwei entfernten Steinen, Celinde bereitet Früchte zum Mahle, Cardenio liest laut aus einem alten Buche.
CARDENIO.

Als nun der fremde Ritter Gregorius die Feinde des Reiches also niedergeworfen, da zwang der Rath und das Volk die traurige Königin ihm ihre Hand zu bieten die der Ritter mit hoher Freude annahm. Die Hochzeit geschah in großer Fröhlichkeit des Volks, die Königin aber blieb traurig und sie wußte nicht warum denn sie liebte den Ritter über alles. Als nun die Hochzeit vorbei war lebten sie in Eintracht und großem Segen; der Ritter aber ging täglich in seine Kammer, verschloß sich eine Stunde und betete für seiner Ältern Seelen. Eine Kammerfrau bemerkte aber daß er allweg guten Muths war wenn er in die Kammer ging und allwegen traurig wenn er hinaus ging, da schlich sie sich eines Tages in die Kammer, verbarg sich darin und sah wie er das Täflein aus dem Schranke holte, dabei betete und weinte. Bald darauf wußte sie es ihm auf Befehl [320] der Königin, der sie alles erzählt, mit List zu entwenden, weil sie es für das Bild einer Geliebten gehalten; als aber die Königin das Täflein ansichtig wurde, da erblich sie, denn sie ersahe daß sie ihres Mannes Gregorius Mutter sei, den sie mit ihrem Bruder in kindischer Unwissenheit erzeugt und auf Befehl des Abtes mit dem goldnen Täflein ausgesetzt hatte, das ihm gebot alle Tage eine Stunde für die Seele seiner Ältern zu beten. Als Gregorius dieses Schreckniß erfahren, da sahe er ein wie wohl ihm der Abt gerathen, der ihn von aller Welt abmahnete und zu sich ins Kloster geladen hatte.

CELINDE.
Wär mir die Mahnung je gekommen, ich wär von aller Schuld befreit geblieben.
CARDENIO.

Zu spät war jetzt der Rath, aber nicht unnütz. Gregorius gedachte wo er sein Heil finden könnte; seiner Frau und Mutter die in ihrer Seligkeit verzagte, sprach er Muth ein, weil Gott Barmherzigkeit weit und groß sei wie der Himmel über uns, dann nahm er traurigen Abschied von ihr, schrieb seine Sünde auf das Täflein, nahm es zu sich und ging aus eine Wüste zu finden wo er büßen könnte. So kam er an den See zu einem Fischer, der ganz allein wohnte, den fragte er ob er kein Wüste wisse wo ihn aussetzen könnte. Der Fischer fürchtete sich aber, weil Gregorius ein starker rüstiger Mann war und meinte er hätte was Böses im Sinne, [321] darum sagte er ihm er möchte nur in seinen Kahn treten, er wolle ihn auf einen wüsten Stein bringen, wo er gute Buße singen könnte. Da lief Gregorius voll Freuden mit ihm und das goldne Täflein entfiel ihm unbemerkt ins Gras, der Fischer aber fuhr ihn untugendlich auf einen wilden Stein und schloß ihm seine Beine mit einer Kette daran fest, warf dann den Schlüssel ins Meer und rief: Wenn ich den Schlüssel wieder finde so hast du deine Sünden gebüßet. Gregorius fügte sich ohne Widerstand in dieses grausame Beginnen, er blieb auf dem Stein von dem er weit in den See sehen konnte, hatte keinen Schirm gegen Sturm und Regen, kein Getränke als den Regen, keine Nahrung als den Sturm und so lebte er siebzehn Jahre durch Gottes hohen Willen.

CELINDE.
Siebzehn Jahre nach Gottes Willen.
CARDENIO.

Unterdeß war der Papst in Rom gestorben und zwei fromme Männer sagten in der Entzückung, sein Nachfolger heiße Gregorius von dem wüsten Steine; und sie gingen aus ihn zu suchen und kamen durch Gottes Geleit zu dem Fischer der ihn so elendiglich ausgesetzt, der aber nichts von so einem Mann wissen wollte. Der Fischer fing ihnen zur Abendmahlzeit einen Fisch und in des Fisches Bauch fand er den Schlüssel den er ins Meer geworfen; da viel es wie Schuppen von seinen Augen, er bekannte wie er einen Mann der sich Gregorius genannt, auf [322] einen wüsten Stein untugendlich ausgesetzt, fuhr mit den frommen Männern nach dem wüsten Steine, schloß den frommen Mann los, der keine Klage über ihn führte. Gregorius stand frisch und kräftig auf und erschien ihnen so hoch und mächtig wie es dem Nachfolger des heiligen Petrus geziemte, er hatte eine tiefe Höhle in den Felsen gesessen; sie sagten ihm ihr Begehren und er fügte sich in Demuth dem himmlischen Ruf, fuhr mit ihnen ans Land und als er es mit ihnen betreten, sah er sein verlornes güldnes Täflein unter Nesseln schimmern, er hob es mit Thränen auf, seiner Sünde eingedenk, als er es aber beschaute, fand er alle Sünden die darauf verzeichnet gewesen ausgelöscht, sie war glatt und rein als sollte er von neuem anfangen zu leben und er lebte als ein frommer Papst heilig und unsträflich und vergab kraft seines Amtes seiner Mutter alle Sünde, die sie unwissend begangen.

CELINDE.
Mein Gott wie werd ich solcher Buße fähig werden.
CARDENIO.

Du kennst noch nicht dein bessres Leben ganz, schon freuts mich alle Morgen wie du den Herrn begrüßest mit Gesang, als wenn er vor dir ständ in leiblicher Gestalt, so singest du inbrünstiglich mit Herz und Mund.

CELINDE.

Doch ist vergebens mein Gebet, daß er von bösen Träumen mich erlöse, da find ich mich[323] in alter Sünde wieder und Gottes Gnade will es niemals löschen, wie ich in deinem Arm geruht.

CARDENIO.

Auch mich, auch mich entzückt der schlimme Traum, seit ich dich büßen seh und leiden entsagen, fasten, beten, da ist der Vorwurf, der in meiner Seele gegen dich bestand, erloschen, ich möchte sagen daß ich dich zu lieben angefangen, doch weiß ich daß ich dich nicht liebe, sondern nur Olympien in dir, dem Tode schon vertraut gehör ich täglich mehr dem Leben an, ich sage dir es weht ein wunderbar Vergessen in dieser warmen Luft, ich möchte neu zu leben hier beginnen, das Vergangne paßt nicht mehr zu meinem Wesen, ich war es nicht; war ich in Raserei als ich noch unter Menschen wüthete, ich weiß es nicht, doch fühl ich mich gesund.

CELINDE.

Du greifst mir ins Herz und weißt es nicht, ich seh in deinen reinen Zügen die güldne Tafel deines Lebens von aller Sünde rein.

CARDENIO.

Ach nein du treue Seele, noch finde ich mich nicht so rein und schwere Prüfung muß ich noch bestehen, erst wenn ich kann in deinen Armen ruhen und deiner nicht begehren, dann bin ich rein der ewgen Liebe ganz ergeben.

CELINDE.

Gewiß du kannst die schwerste Prüfung schon bestehen, ich flüchte mich vor allen bösen Träumen und Gedanken in deine Arme.


Sie stürzt in seine Arme.
[324]
CARDENIO.

Du wunderbare Tugend, so hast du unsre Herzen ganz bezwungen, ich seh dich jetzt so nah, was uns geschieden war doch alles nichts, wir beide sind von andrer Art, zutraulich fallen wir einander in die Arme, gleich Engeln, die sich über einem Grabe mit ihren Flügeln sanft verschränken, zwei Zwillingen in einer Mutter Leibe ähnlich, so mütterlich umfaßt uns diese süße Luft.

CELINDE.

So läßt du endlich los vom harten Willen, der mich von deiner Nähe Nachts gebannt nur darum plagten mich die bösen Träume, weil deine Nähe sie von mir nicht bannte, jetzt leb ich wieder ewgen Frieden, ich fürchte nicht des Bösen Lust, des Guten Herrlichkeit wird mich nun ganz durchdringen. Fahr hin mein Geist, was fürchtest du, fahr hin mein Geist, was säumest du.

CARDENIO.

Du windest krampfhaft deine Hand um meinen Nacken, es bleichen deine Wangen, du stirbst, o nimm mich mit zu deiner Herrlichkeit.

CELINDE.

Nimm diesen Abschiedskuß, Vielgeliebter, dein Athem ist mir Himmelshauch, dem Himmel bin ich in deinen Armen so nah, o trag mich auf dein Lager, da will ich sterbend dir von meiner Liebe sagen.

CARDENIO.

Ich laß dich nicht, ich dränge mich an dich, ich halt dein Leben fest mit allen Kräften jedes Glied erwärme ich an meiner Brust eh das Feuer [325] meines Herzens nicht erloschen eh sollst du nicht in ewger Kälte starren. Ich küß dein Herz, jetzt schlägt es wieder, du schlägst die Augen auf.


Ahasverus von dem Knaben gezogen tritt auf.
CELINDE.

O sieh die Todten kommen schon zu uns, wir sind in einem neuen Leben der Liebe offen ohne Zwang, seid uns gegrüßt ihr theuren Todten wir schwebten all auf einem Schreckensschiffe, hier schweben wir in stiller Bahn durch Himmelsluft als freundliche Gestirne.

AHASVERUS.
O wär ich todt, um euren Frevel nicht zu schauen.
CELINDE.
Weh mir, du lebst, weh mir, ich lebe noch. Sie reißt sich aus Cardenios Armen.
CARDENIO.
Weh mir ich glüh in böser Lust und wähnte mich von Tugend hoch verklärt, Zauberei hat uns getäuscht.
AHASVERUS.

Ach ihr habt euch selbst betrogen, viel von Heiligung gefabelt. Augen habet ihr zum Sehen, seht wie ich euch hab gefunden, nach den alten Freuden, nach den alten Sünden strebend, und wie findet ihr mich wieder, büßend und der Buße spottend, eingedenk der alten Sünden, von der Tugend noch so ferne, als ein Auge von dem andern, nahe – und doch können sie sich nimmer sehen.

BUBE.

Was klagt ihr Leute, sind wir doch beisammen, was flieht ihr euch, wir sind so wenige beisammen, [326] o wären viele tausende nur hier, da wollt ich beten tagelang.

CARDENIO.

Die Einsamkeit verwirret unsre Sinne ich sehne mich zu christlicher Gemeine, sprich du ehrwürdiger Greis an dessen Brust ich meine Schwäche lehne, sprich du was ich soll thun, ich bin zu schwach zu allem Guten, mein Zutraun zu mir selbst ist mir in dieser Prüfung ganz entschwunden.

AHASVERUS.

So ist die Prüfung schon an dir vollendet, dein ganzes Wesen sinkt in Demuth nieder vor einer höhern Macht, die über dir, der Weg zum heilgen Grabe steht dir offen, nehmt Abschied von den Hütten, von dieser Schule eures Glaubens.

BUBE.
Glück auf, wir ziehen wieder zu den Menschen, wie ist doch alle Welt so gar nichts gegen Menschen.
CARDENIO.
Gern folgt ich deinem Ruf, doch in der wilden Tracht erscheinen wir den Menschen nicht andächtig.
AHASVERUS.
In rauhen Fellen ist Johannes auch erschienen, der Christus hat verkündigt.
CELINDE.
Ich bin zu schwach um noch zu Menschen zu gelangen, kaum kann ich noch den Weg zum Grabe gehen.
AHASVERUS.
Der Glauben stärkt, wie wär ich aus dem ergrimmten Meer lebendig an das Land gekonnten.
[327]
BUBE.

Leicht wie in der Wiege ward ich drin geschaukelt, setzte mich mit sanften Armen auf den grünen Rasen nieder, ich fühlte mich verwandelt und doch war ich noch derselbe.

AHASVERUS.

Was vermögen Elemente gegen die Verfluchten, gegen die Begnadeten, nur wer sie geschaffen kann sie zähmen und vernichten.

CARDENIO.

Ich folge dir und nehme Abschied von der langen Einsamkeit die der Erinnerung so ganz entschwindet, die mich hat umgeschaffen.

CELINDE.

Ihr Schmerzenswege seid zum letztenmale begrüßt, begrüßt du Denkmal meines Sündenkindes, begrüßt du süßer Quell der mich nach bittern Thränen mild erquickte, begrüßt ihr Bäume deren Frucht uns kärglich nährte, nie lebte ich so schwere Tage, nie hat die Trennung so mein Herz beschwert.

CARDENIO.
Wahrheit ist daß wir noch elend, eilen wir zur ewgen Wahrheit, die da lohnt die schweren Mühen.
AHASVERUS.

Größre Mühe einer wartet in der öden sandgen Wüste, glühend von dem Wind durchschritten, der verdorrt woran er streifet.

CELINDE.
Wehe mir, wehe.
BUBE.
Preiset, wer vorangegangen,
Durch der Wüste tiefen Sand,
Denn er war von Gott gesandt,
Daß sein Schweiß den Staub besprenge,
Und es blüht der Blumen Menge
[328] Allen, die ihm nachgegangen,
Schön bezeichnend auf den Wegen:
Schauen wir in Blumen Segen.

Er schmückt das Kreuz mit einem Blumenkranz und trägt es voran, alle folgen ihm.

Die Aussicht nach Jerusalem

Die Aussicht nach Jerusalem.

Ein Brunnen in der Wüste, an welchem ein weiblicher Kopf in Marmor aus einem Röhrlein das Wasser ausströmen läßt. Ein Zug Mahomedaner und ein Zug Christen begegnen sich dort und, während sie ihre Kameele trinken lassen, unterreden sie sich, so weit sie einander in aller Kürze verstehen können.

MAHOMEDANER.
Wohin, wohin ihr Fremdlinge?
CHRISTEN.
Nach Jerusalem zum heilgen Grabe.
MAHOMEDANER.
Bald seid ihr da, schon könnt ihrs sehen.
CHRISTEN.
Gelobt sei Gott, der Anblick stärkt die Müden.
MAHOMEDANER.
Uns stärkt er nicht, die schwarze Kirche macht uns traurig, wir eilen nach der Herrlichkeit.
CHRISTEN.
Wohin geht ihr?
MAHOMEDANER.

Nach Mecca, zum Grabe des Propheten, da duftet Weihrauch aus den Felsenspalten, die Häuser sind mit Gold gedeckt, sein Sarg hängt an dem Himmel, getragen von unsichtbar ewger Kraft.

CHRISTEN.

Wunderbar ist stets die Lüge, doch [329] die Wahrheit wunderselten und doch überall, Wahrheit ist das größte Wunder.

MAHOMEDANER.
Was ist Wahrheit ohne Glauben?
CHRISTEN.
Was ist Glauben ohne Wahrheit?
MAHOMEDANER.
Wer für seinen Glauben stirbt, hat Wahrheit.
CHRISTEN.
Wer für seine Wahrheit lebt, hat Glauben.
MAHOMEDANER.
Lebt wohl.
CHRISTEN.
Sterbt selig.

Sie ziehen nach entgegengesetzter Richtung beide fort. Ein hagrer Mohr kommt mit der Theorbe aus einer Höhle, setzt sich auf einen Stein vor dem Bilde am Brunnen nieder und singt.
MOHR.
Weiße Schöne, ach erwache,
Schlage deine Augen auf,
Sieh ich hielt so lange Wache,
Ließ dem Wasser seinen Lauf.
Ewig kühles Wasser springet
Aus dem süßgespitzten Mund,
Doch der Sonne Feuer dringet
Nimmer in der Linien Rund.

Alle Sinne sind geschlossen,
Doch die Seele ist ein Hauch,
Wo das Wasser ist geflossen,
Fühl ich deinen Athem auch;
Kommen Morgens erste Strahlen
Klinget er mit süßem Ton,
Doch für alle meine Qualen
Giebst du nie der Liebe Lohn.

[330] Schöne Nonne in der Wüste,
Die du alle mild getränkt,
Ach versteinert sind die Brüste,
Und dein Herz ist Gott geschenkt.
Ach ich möcht wie du versteinen,
Meine Augen thränen helle,
Und die Thränen die sie weinen,
Mischen sich mit deiner Quelle.

Sie schlägt die Augen auf, sie lebt, sie lebt, ich sterb vor Freuden. Er stirbt.

Ein Einsiedler kommt aus einer andern Höhle, berührt den Sterbenden.
DER EINSIEDLER.

Der Liebende fand seines Leidens Ende, doch ich, der von der Lieb zu Christus brenne, ich finde nicht mein Himmelreich, täglich scharr ich Todte ein, wann werd ich lebendig sein.Er begräbt ihn und singt.

Hast mich oft gestöret,

Als du warst bethöret

Von der irdschen Lieb,

Wenn ich Bücher schrieb,

Doch will ich dich legen

In der Liebe Segen;

Die lebendge Quelle

Fließ um dich so helle,

Mag dein Grab umspühlen,

Um dein Haupt zu kühlen.

Ermattet sink ich in den Sand, als sollt ich mein Grab gleich finden, ich sinke immer tiefer es löschet [331] aus der Sonne Schein, o nimm mich auf Herr Jesu Christ, weil du für uns gestorben bist.


Bei diesen Worten entschläft er in Verzückung, Jesus sinkt vom Himmel herab mit blutenden Wunden am Kreuz, er senkt sich auf ihn, berührt ihn mit seinem Munde und mit seinen Wunden, denen sich gleiche Wunden an dem Körper des Mönchs öffnen, Christus erhebt sich langsam in unendlicher Herrlichkeit von Engeln, der Einsiedler erwacht.
DER EINSIEDLER.
Was öffnet meinen inneren Sinn,
Was öffnet meine Augen,
Der Heiland schwebt verkläret hin
Und alle Hügel rauchen:
Was ich erflehet gab er mir,
Die Wunden sein die trag ich hier.

Mich zeichnet seine Gnadenhand
Mit seinen bittern Schmerzen,
Ich bin durch gleichen Schmerz verwandt,
Ich fühl mich kühn im Herzen,
Ich kenn ihn in der blauen Höh
Und mich erkenn ich an dem Weh.

Der Nägel Wunden allzumal,
An Händen und an Füßen,
Und in der Seit des Speeres Qual,
Fühl ich frisch blutend fließen,
Doch in dem Herzen fließt die Gnad,
Die mich mit Blut bezeichnet hat.

Wasch mir nicht meine Wunden aus
Du frommer Quell mit Thränen,
Dies ist der schönste Blumenstrauß
Und Lohn vom süßen Wähnen,
[332] Ich lächle meiner innern Lust
Und bin der Wahrheit mir bewußt.

Gar wunderbar gestalten sich
Die Berge meinen Blicken,
Ganz anders sehen sie auf mich,
Seit Wunden mich beglücken,
Sie legen alle Flügel an
Und tragen mich schon himmelan.

Er sinkt in Ermattung nieder.
Der Bube mit dem Kreuze, Ahasverus, Cardenio und Celinde schleichen mühsam nach der Quelle.
CELINDE.

Gelobt sei Gott für diese Tropfen Wasser, doch noch umsonst ergießet sich ein Strom in meinen Mund, er löschet nicht den Durst, er schwindet wie ein Tropfen auf dem glühend heiße Stein. Ich kann nicht weiter, hier muß ich den Geist aufgeben!

CARDENIO.
O nimm mich mit zu jener ewgen Ruhe.
CELINDE.

Ein Fieber dürret meinen Mund wie Leder aus, die Füße sind voll Schwielen, Disteln haben mich zerrissen, ich bin in unserm Büßungsjahre des Gehens fast entwöhnt, ein jeder Schritt zieht mir mit Schmerz den Hals zusammen, wie welke Blätter deren Zweig gebrochen.

BUBE.

Ich weiß nicht wie ihr also klagen könnt, ich fühle nichts von Müdigkeit, ich meine daß wir wenig erst gegangen sind.

[333]
AHASVERUS.

Du trägst das Kreuz unschuldig, dich stärkt der Herr, ich muß auf meinen Knieen mühsam weiter kriechen, so tief bin ich herabgedrückt, doch find ich hier noch einen größern Leidenden, seht hier den Schwerverwundeten an Händ und Füßen, in der Seite, doch schaut er uns noch kräftig an.

MÖNCH.
Ein großes Wunder ist an mir geschehn, ihr seid gesendet um es zu verkünden.
CARDENIO.

Ehrwürdges Haupt, wir werden hier verschmachten, wir werden nicht zu Menschen dringen, wir werden nicht am heilgen Grabe Gnade uns erflehen, wir sind verstoßne Sünder, Gott hört nicht wenn wir beten.

DER EINSIEDLER.

Er höret auch den schwersten Sünder, er hat auch mich erhört, er hat mit seinen Wunden mich bezeichnet, zum ewgen Zeichen daß ich sein geworden, verkündet das in aller Welt, an meinem Grabe sollen große Wunder noch geschehen, an euch zuerst. So wahr ich sterbe sehet ihr das heilge Grab. Er stirbt.

AHASVERUS.
Sein Athem ist entflohen.
CARDENIO.

Er ist schon kalt, als war er lange abgestorben und seine Worte schon ein Ruf aus jener Welt. O Wunder der Liebe.

CELINDE.
Es dringen Flammen aus dem Boden von blauem Glanz.
AHASVERUS.
Es sind der Wüste Ätherquellen.
[334]
CARDENIO.

Es scheinen Himmelsflammen die den ewgen Geist verkünden, durch ihn wirken, sie zehren schnell den heilgen Leichnam auf und tragen ihn zur Auferstehung in den Himmel.

CELINDE.
O wunderbarer Geist. Welch eine wunderbare Liebe.
CARDENIO.
Verschließ mich nie der Liebe,
Verschließ mich nie dem Geist,
Der alle unsre Triebe
In seinen Willen reißt.

Der alle kann vereinen
Und die Beschwerde löst,
Und uns nach langem Weinen
Vom öden Ufer stößt.

Der uns geführt durch Wüsten
Den Heiligen zu schaun,
Er schrecket in den Lüsten,
Bewachet das Vertraun.

Wir sehn viel Inseln scheinen
Im milden Abendstrahl,
Und sie sind voll der Seinen,
Bald sind wir in der Zahl.

Gestärket wir erstehen
Von unsern Knieen auf,
Und muthig weiter gehen
Zum Grab im raschen Lauf.

Es zeigen uns in Lüften
Die Seinen unsern Weg,
Sie führen den Geprüften
Mit Feuerkraft hinweg.
[335]
BUBE.
O folgt mir schnell, hier wird mir wunderbar im Herzen.
CELINDE.
Das letzte Grün verschwindet auf der Felsenhöhe, dürr steht der Feigenbaum am Wege.
BUBE.
Nie war der Himmel mir so nah.
CARDENIO.

Kaum glaub ich meinen Augen, im ernsten Thale schimmert eine Christenstadt, bezeichnet mit dem Kreuz auf weiten Trümmern, und jeder Berg scheint schmerzlich hohem Angedenken lang geweiht, denn jeden Gipfel krönen die Kapellen. In ernstlicher Betrachtung schweifen Männer durch das Feld. Es ist schon lang daß ich der Menschen Städte nicht gesehen, doch dieses scheint mir eine Gottesstadt.

BUBE.

Ich kann mein Kreuz von dieser Stelle nicht erheben, es wurzelt fest an dieser Erde und ist verzweigt dem Himmel; hier will ich leben, hier will ich sterben, in jenes frommen Mannes Fußstapfen treten, seine Wunden rühmen, zu diesem Kreuze beten das uns zum heilgen Grab geführt.

CARDENIO.
Wo wir auch sterben, ist Christus hülfreich nah, die ganze Welt ein heilig Grab.
AHASVERUS.

Doch hier ist er gestorben, hier ist sein Grab, hier wird sich alles lösen, was noch dein Dasein umhüllet, seht nach Jerusalem, die lang ersehnte Stadt, dort ziehen wir bald friedlich ein.

CARDENIO.
Du scheinst verklärt.
AHASVERUS.

Erfüllet ist was ich gelobt, erst [336] wenn ein Kind in eines Heiligen Fußstapfen sei getreten aus eignem Trieb, da dürfe ich der Sünde frei sein, da dürfte ich dir alles sagen mein Sohn, mein Sohn, o mein Cardenio, du Frucht meiner Sünde. Du heilger Gott, hier laß mich noch nicht sinken wie Moses in dem Anblick des gelobten Landes, mein Sohn, mein Sohn, mit dir möcht ich zu jener Kirche ziehen, es glänzt ihr Kreuz im rothen Abendstrahl; Jerusalem wie ist dein Anblick groß und traurig in des Sünders Brust. Komm an mein Herz du Sohn, du vielgeliebter, dir möchte ich ein lieber Vater sein und dir muß ich die frühe Schuld bekennen.

CARDENIO.

Verwundert ruhe ich an deiner Brust und tiefgerührt, es freuet mich daß du so herzlich wirst, mir süße Namen giebst; es thut mir wohl Vater dich zu nennen und deines Alters schwere Träume von der Seele fortzuschmeicheln. Gieb deinen Segen mir.

AHASVERUS.

Geliebter Sohn, was ich dir sage ist kein Wahn des Alters, du bist mein Sohn, von mir in frevelnder Gewalt erzeugt an dieser Stelle.

CARDENIO.
O wehe mir daß ich nur der Gewalt mein Leben danke, darum war so gewaltsam auch mein Leben.
AHASVERUS.

Beschau dies Marmorbild das [337] einen milden Strahl ins Marmorbecken sendet, auch ihr habt dieser Wohlthat all genossen und habt sie nicht erkannt in euern Schmerzen.

CARDENIO.

Alte Zeit kommt mir zurück, ich denke Olympiens bei diesem Bilde, doch denke ich noch mehr der wunderbaren geistigen Gestalt, die mir den Ring in jener Nacht verehrte.

CELINDE.
Sie ists, die mir mein todtes Kind mit tröstlich sanftem Wort genommen.
CARDENIO.
O sprich du edles Bild, wie nenn ich dich, wie soll ich dich begrüßen?
AHASVERUS.

O nenn sie Mutter, sie ists die dich geboren, du hast in deinem Herzen von ihrer Unschuld und von meinem Frevel. Zu deiner Mutter kannst du beten doch mich verfluche nicht mein Sohn.

CARDENIO.

Hast du mich nicht zur Besserung geführt? Es stammt der Geist aus sich, was er verbrochen muß er selber büßen, nie trägt der Vater Schuld des Sohnes; ich fleh zu dir in kindlichem Vertrauen, erkläre mir das Räthsel meines Daseins.

AHASVERUS.

Mir wird so schwer die Reihe meiner Sünden, meiner Leiden dir Sohn zu beichten, ich fürchte dich von meinem Herzen zu verscheuchen.

CARDENIO.

Nur dieses eine gieb an, wenn Jene meine Mutter war die mir als Geist erschienen, ist auch Olympie dein Kind und meine Schwester?

[338]
AHASVERUS.
Wohl ist sie deine Schwerer doch nicht mein Kind.
CARDENIO.

O welchem Abgrund hat der Zufall mich entrissen; was sag ich Zufall, wo unter höchster Weisheit Lebende und Todte wandelten. Gelobt sei Gott.

AHASVERUS.

Kannst du noch Gottes Führung loben so kann ich dir vertrauen. Anthea, deine Mutter, eine griechische Pilgerin zum heilgen Grabe, ward hier das Opfer meiner wilden Lust, ungläubig ihrer christlichen Gesinnung begriff ich kaum die Unthat, ich zog mit ihr die ich als Frau erkannte, weit nach Georgien, wo ein versprengtes Judenvolk in abgelegnen Bergen hauset, aus dem auch ich entsprossen. Der Russen Kriegsglück führte sie unser Thal und deine Mutter sammt dir ward mir geraubt. An ihr hing meine Seele, ich folgte ihr durch alle Welt, doch erst als sie nicht mehr auf Erden wandelte da fand ich ihre Spur. Dich hatt ich früher schon an einem Feuermal erkannt, ein Prediger hatte deiner sich erbarmt als schwärmende Kosacken dich auf der Flucht zurückgelassen; ich lohnte reichlich ihm was er an dir gethan, ich sah dich oft und freute mich an mancher Ähnlichkeit mit deiner Mutter, doch deine wilden Augen machten mich besorgt.

CARDENIO.
O der Erfahrung die uns treulich warnt und niemals retten kann.
[339]
AHASVERUS.

In mancherlei Verkleidung ging ich umher und fand auf einem Grab Antheas Bild, ich hörte wie ein edler Mann sie den Kosacken abgekaufet und mit ihr vermählt gewesen. Olympie, Viren und Gyron, sie waren dieser Ehe Frucht. Nun weißt du alles. Dies Denkmal hab ich ihr erbaut, ich habe ihren Glauben angenommen, ich bin Christ, doch wagte ich mich nie zum heilgen Grabe, es hielt mich ein Gefühl unheiliger Gesinnung des alten Judentums Gewalt, das noch in zweifelhaften Augenblicken den Christus in mir kreuziget. Antheas Stimme mahnte mich zum Guten, und wenn es mir gelingt zum heilgen Grab zu dringen, es ist ihr Werk. Darum laß uns nach dieser großen Stunde rascher eilen.

CARDENIO.
Wo ist Celinde?
AHASVERUS.

Sie gehet schon voran zum Grabe neu gestärkt, bald gehen wir mit hellen Sternen ein, leb ewig wohl geliebtes Bild.


Beide ihr nach.
DER BUBE.
Meerstern ich dich grüße,
Gottes Mutter süße,
Allzeit Jungfrau reine
Mit dem Gnadenscheine.

Ein großer Zug Engländer unter Sidneys Anführung stimmt in den Gesang dieses Liedes vorüberschreitend ein. Olympie [340] geht neben einem Kameele, worauf Lysander liegt der das Kind trägt.
OLYMPIE.
Geliebter Freund du hast wohl Durst, ich hol dir einen frischen Trunk.
LYSANDER.
Sieh, dort bringt der Knabe schon den Becher klar gefüllt. Wer bist du Kind?
BUBE.

Ich bin Einsiedler bei diesem Brunnen, der Reisenden zu dienen ist verpflichtet, auch geb ich jedem auf den Weg ein Wort ders hören will.

OLYMPIE.
Du scheinest mir nicht fremd, sprich gutes Kind.
BUBE.
Ihr werdet finden an dem heilgen Grabe was ihr längst aufgegeben.
OLYMPIE.
Hab Dank, doch wag ich nicht das Wort zu deuten.
LYSANDER.

Sieh unser Kind streckt seine Hände nach dem Kopfe an dem Brunnen aus, und macht ein freundliches Gesicht wie es nur dir zu zeigen pflegt, der Kopf ist ähnlich dir.

OLYMPIE.

Und meiner Mutter noch viel mehr, sie war in diesen Gegenden, es ist ein wunderbares Land. Der Zug geht fort.

DER BUBE
singt.
Lehr durch reines Leben
Nach dem Weg zu streben,
Daß wir Jesum sehen
Aus dem Grab erstehen.

Der Lord mit dem Zeichenbrette, der Waisenhäuser und der Lichterzieher setzen sich auf den Felsen.
[341]
WAISENHÄUSER.
Nun sind wir doch noch morgen zum großen Feste am heilgen Grabe.
LORD.
Gewiß nicht.
WAISENHÄUSER.
Gnädger Herr, das ist ja das Ziel unsrer Wallfahrt.
LORD.
Was wollt ihr da?
WAISENHÄUSER.
Man hat doch so viel davon sprechen hören.
LORD.
Thoren, wo tausende ihr Ziel gefunden da sucht ihr Spaß, wir gehen nicht hin, wir sind Protestanten.
WAISENHÄUSER.
Wir können aber alles mitmachen wie die andern.
LORD.

Elender, deiner Neugierde zu gefallen willst du deinen Glauben verläugnen, mitmachen was wir für leere Thorheit halten, ich will dich zwingen daß du kein Schurke wirst.

LICHTERZIEHER.
Aber Herr, ich muß wegen meiner Profession nothwendig hinreisen.
LORD.

Dir ists erlaubt, ihr aber seht noch einmal recht dahin, denkt aller Mühe die wir überstanden, eh wir hieher gelangt; seht hin, nicht wahr es ist doch alles nichts und Sokrates und Plato haben uns viel Besseres gelehrt und Christen sind doch nur verdorbne Juden, und Christus ist ein guter Mann gewesen, doch daß er auferstanden, das sei um gar nicht mehr zu glauben, so sprecht ihr ja Herr Waisenhäuser, [342] es giebt noch viele gute Menschen in der Welt die auch nicht auferstanden, was kümmert euch dies eine Grab.

WAISENHÄUSER.

Herr Jesus, ich habe ja das alles nicht so böse gemeint, es waren so Redensarten, denn sehe ich auf den Geist des Protestantismus, so braucht er eigentlich nichts von all dem zu behaupten was ich so gesagt habe, weil ich die Herren Engländer immer für Freigeister gehalten.

LORD.

Wollt ihr nun wegen eurer Neugier nach dem heilgen Grabe den Geist, der so viel tausende belebte, auf einen neuen Leisten eurer Dummheit schlagen, seht euch nur an, auf welchen Leisten ihr geschlagen, von allem Herrlichen was das Christenthum dem Menschen war, ist nichts an euch geblieben mit schwachem Witz dreht ihr der Bibel Goldgewebe auf, um alle Löcher euerer Systeme erst zu flicken und zeigt uns dann, daß so durchlöchert sei das heilge Wort und predigt ihr dann eure eignen Worte, so weiß man nicht, ob mehr gesündigt durch die Zeit, die man so leer bei euch vollbracht, ob mehr gesündigt durch verruchte Lüste die einem bei der Langeweile eingefallen. Es muß noch Strafe für euch geben in der Welt. Marsch in die Wüste.

WAISENHÄUSER
vor sich.

Das ist doch ein infamer Kerl, man möchte fast katholisch bei ihm werden, [343] aber was hilft es einem, die Katholiken sind jetzt alle protestantisch geworden.

BUBE.
Dulcis Jesu, pie deus,
Ad te clamo licet reus,
Praebe mihi te benignum,
Ne repelas me indignum
De tuis sanctis pedibus.

Ein Schäferknabe und ein kleines Schäfermädchen kommen weinend gelaufen.
SCHÄFERMÄDCHEN.
Ich kann mich gar nicht umsehen so muß ich weinen.
SCHÄFERKNABE.
Wenn ich nur wüßte was wir unserm Herrn gethan; daß er dich geschlagen verzeih ich ihm nimmermehr.
BUBE.
Ihr Kinder, wie geziemt sich solche Bosheit.
SCHÄFERMÄDCHEN.

Ja seht nur, heut hatten wir wie uns der gute Alte hier befohlen, ein viertel Stündlein nur gebetet als die Glocken gingen, ein Schaf war uns in dieser Zeit entlaufen, wir riefens aller Orten, es war nicht aufzufinden und als wir ihm das Unglück klagen ...

SCHÄFERKNABE.

Da sagt er uns von dies und das, wir hätten uns wohl wieder viel geküßt daß wir nicht um uns sehen können.

BUBE.
Wie, küßt ihr euch so viel?
SCHÄFERMÄDCHEN.

Wir thun's so viel wir [344] können, doch diesmal wars, weil wir gebetet hatten, daß wir der Heerde nicht gedenken konnten.

SCHÄFERKNABE.

Da schlägt er uns und jagt uns aus dem Hause, morgen ist das große Fest, ach nehmt uns auf in eure Klause diese Nacht, wir suchen morgen einen andern Herrn.

BUBE.
Ich will euch einen andern Herrn sagen, der nimmt euch gern in seinen Dienst.
SCHÄFERMÄDCHEN.
Dienst du ihm auch?
BUBE.
Je freilich dien ich ihm von ganzer Seele.
SCHÄFERKNABE.
Doch seh ich deine Heerde nicht.
BUBE.
Ich bin ein Lamm in seiner Heerde, er treibt mich zu der besten Weide in den Himmel.
SCHÄFERMÄDCHEN.

Das muß ein gut Leben sein, könnt ich ein Lamm sein in einer Heerde, es nährt der Mutter Brust und süßer Kräuter Spitzen, und ist es müde, so trägt der Schäfer es in seinen Armen und bringet es zur Mutter.

SCHÄFERKNABE.
Ich werd ein hüpfend Böcklein, das ist prächtig, o sag, wann fängt das an?
BUBE.

Ihr seid es schon, was fragt ihr lange, da oben in der freien Luft, da zieht die ganze große Heerde, da ziehen wir mit, das wollen wir in den Gebeten von unserm süßen Hirten flehn, laßt uns ein Lied zu seiner Ehre singen, singt mir nach:

Jesus süßer Seelenhirte,

Ach ich armes Schäflein irrte,

[345] Doch ich ging dir nicht verloren,

Freundlich hast du mich gerufen,

Und zu deinen Himmels Thoren,

Treff ich weidend schon die Stufen.


Die drei Kinder küssen sich und blicken ins Wasser.

Der Harem des Pascha von Jerusalem

Der Harem des Pascha von Jerusalem.

Ein türkisches Familengemälde.
Der Bassa am Schreibtische, seine Frauen um ihn her, Verschnittene bestellen mancherlei Papiere an ihn.

BASSA.

Wenn es nicht so viel einbrächte mit denen Pässen der Christen, ich jagte sie heute noch zur Stadt hinaus, ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht und nun ist gar der englische Admiral angekommen, der Akre gerettet hat. Hört, dabei hätte ich sein mögen. – Cavallerie marsch, marsch, marsch.

FAVORITE.
Nu nu Papachen nicht so hitzig, wenn Sie nun vom Pferde gefallen wären wie neulich?
FATME.

Hör Papa, du mußt lächerlich aussehen mit einem großen Degen in der Hand, kratze du dir denn auch dabei den Kopf?

BASSA.

Dummes Ding, du glaubst nicht wie ich sonst zu Pferde saß, so fest wie du mich küssest. Sieh Wetterhexe, da hast du mir meine Pfeife wieder umgestoßen, könnt ihr denn nicht einmal stille sitzen.

FAVORITE.
Sitzt still ihr Mädchen oder ich gebe euch selber Schläge.
[346]
FATME.
Schlagen darf sie mich nicht, das leidest du nicht Papachen, nicht wahr?
BASSA.

Wenn sie dich schlägt, ich will dir schon zu Hülfe kommen, du bist ein folgsam Kind, läßt dich mit guten Worten um den Finger wickeln, wenn andre nur so wären.

FAVORITE.

Mein gnädiger Herr, Sie treiben Ihr Wesen jetzt allzu offen; bedenken Sie wohl daß ich des Sultans Nichte bin und wenn ich nur ein Wort darüber verliere, so könnten gewisse Leute, die allerlei Profit gemacht haben mit den Christen, eine seidne Schnur bekommen daß ihnen der Taback nicht mehr schmeckte.

BASSA.

Immer wie Schießpulver fährt sie heraus, was thu ich ihr denn dumme Gans, ich sitze in den Akten bis über die Ohren und weiß selbst nicht was ich spreche, ich antwortete euch blos, sonst seid ihr auch nicht zufrieden.

FAVORITE
weint.

Ach hätte ich das je gedacht, als ich in hoher Pracht erzogen, als noch mit Rosenwasser meine Windeln ausgewaschen wurden, meine Haare mit Rosenöl balsamirt wurden, als mein Spieltisch eine große Bisampaste war, als jedes Schnupftuch mit Dukatengold gestickt war und jedes Hemde mit Rosen bemalt, als ich bei hohen Festen mit fünfzig Shwals so schwer einhergegangen, – wer hätte je gedacht daß ich so einem rohen miserablen Menschen [347] sollte zugetheilet wer den. Unselges Loos der Fürstenkinder!

BASSA.

Beim Alla, was thu ich dir denn, bin ich dir je untreu gewesen, hast du nicht alle Tage deinen Kaffee vors Bett ...

FAVORITE.

Ja wärst du mir noch untreu, ich drehte dirs Genick gleich um, ja daß du es nur sagen kannst, dafür muß ich dich mit der Nadel zeichnen.


Sie reißt ihm eine Schmarre übers Gesicht.
BASSA.

Du Wütherich, das ist kein Spaß, ich kann hier meinen Namen nicht in Ruhe schreiben, he, Achmet leg mir Pflaster aufs Gesicht – ists erst vernarbt, da scheint es aller Welt ein Säbelhieb.

ACHMET
leise.

Die schöne Frau, die mit dem Admirale eingeritten, sie heißt Olympie und wohnt im Nonnenkloster, es wäre leicht sie dort zu rauben.

BASSA.

Still, still, ich komme gleich heraus, laß dir nichts merken. Laut. Ich dachte hier ein Stündchen ruhig meine Morgenpfeife auszurauchen, so gut wird mirs nicht, ich kann hier meinen Namen nicht ordentlich unterschreiben.


Ab mit den Verschnittenen.
FAVORITE.
Gottlob den alten Narren sind wir wieder los, er klebte wie Pech, ich mußte Gewalt brauchen.
ROXANE.

Ein kluges Weib ist doch der höchste Schatz, wie ist uns mancher Scherz vergönnt in deinen [348] Schutz, jetzt wollen wir ein artig Spielchen machen, oder wenn es dir gefällt so hol ich deinen Sohn.

FAVORITE.

Ach laß den Krüppel bei den Sklaven, er wird dem Vater gar zu ähnlich, wie viele schöne Kinder würden um uns leben, wenn wir in Freiheit wären.

FATME.
Das werde ich dem Bassa wieder sagen, der wird sich wundern über deine Liebe.
ALLE.
Sie will uns angeben, schlagt sie todt.

Sie schlagen Fatmen.
FATME.
Herr Bassa, liebster Herr Bassa, aller liebster Herr Bassa, zu Hülfe, sie schlagen mich todt.
BASSA
kommt.
Was für Spektakel ist da wieder, kann meine Akten nirgends schreiben.
FATME
heult.
Väterchen steh deiner Toter bei; sie schlagen mich todt, weil ich ...
ALLE.

Sie hat dich gelästert, sie hat dich einen schwachen Mann genannt, sie hat uns gelästert, wir leidens nicht.

BASSA.

Nun sieh du dummes Ding, um deine Narrenpossen soll ich mir heut den ganzen Tag versäumen, soll ich dir alles hingehen lassen. Ich wills dich lehren, Er kneipt ihr in die Backen. sieh, da hast du eins, ich kann auch strafen. Nun will sie künftig artig sein?

FATME.
Ich habe aber nichts gethan?
BASSA.
Sie will noch reden, nun wahrhaftig, [349] da lauf ich gleich davon, ich hab heut mehr zu thun. Ab.
FAVORITE.

Es wird was Rechtes sein, was er zu thun hat, gleich läßt er alle Straßen sperren mit Ketten, wenn er den Sultan nur ein paarmal recht betrügen will. Hör Fatme, du kannst nichts gegen unser Lärmen, dein Schmeicheln ist verloren.

FATME.

So ists mir auch einerlei, wie es hier geht. Er ist kein Mann der Bassa, glaube ich, so elend mich hier zu verlassen, nachdem er mir so oft gesagt, ich sollte hier auf Ordnung halten; ach könnt ich nur heraus ins Freie, einmal nur.

FAVORITE.

Und darum füge dich zu uns und diene frei; viel Hunde sind der Hasen Tod, der Sultan mag sich noch so listig stellen, wir wissen doch zu weilen Rath zu schaffen; so mancher Pilger, der zum heilgen Grabe zog, hat erst bei uns das Leben kennen lernen.

FATME.
Ich muß mich schon in deinen Willen fügen, so halt ichs länger doch nicht aus.
FAVORITE.

Du mußt durch Dienste deinen Willen zeigen, heut geb ich dir die Wache an dem hohen Fenster mit dem Spiegel, all was vorüberzieht mit Klugheit zu betrachten. Zieht eure Schuhe aus ihr Frauen, du Fatme nimm sie mit und zieht ein Mann vorüber, der dir recht gefällt, so wirf den Schuh herunter, [350] er wird ihn nehmen und dem Pförtner bringen, der weiß dann schon was unsre Glocke schlägt.

FATME.

Gebt her die Schuhe, doch mein' ich nicht, daß einer jener Christen mir gefallen könne, die Mutter hat sie mir so häßlich stets beschrieben. Ab.

ROXANE.
Was gilt die Wette, sie glaubt an ihre Mutter bald nicht mehr.
FAVORITE.

Ich meine sicher, heute wirds hier lustig werden, ich möchte etwas spielen, doch nichts, wobei man stille sitzt. Zeigt her, wer hat den kleinsten Fuß, zeigt erst den rechten, dann den linken, – ihr fallt, wir wollen uns auf weichem Boden rollen. Jetzt laßt uns tanzen, ihr zweie müßt die tiefgedämpften Trommeln schlagen, ich will den Bassa spielen, wenn er das Schnupftuch wirft.


Es beginnt ein zierlicher pantomimischer Tanz, in welchen sich jedes Mädchen durch zärtliche Bewegung vor der Favorite auszuzeichnen sucht, sie wählt aber Roxane, die am zudringlichsten sich darstellt, alle lachen; einige Verschnittene, die ins Zimmer getreten, schütteln mit dem Kopfe.
FATME
läuft eilig herbei.
Mehr Schuhe, mehr Schuhe, ich habe meine beiden auch weggeworfen.
ROXANE.
Wie bist du erhitzt. Sachte, sachte.
FATME.

Mehr Schuhe, es sind noch über funfzig draußen, lauter Propheten von Alla gesandt, dreißig sind schon im Hause – seht da kommen sie.


Sidney, Viren, Bromly und viele Engländer treten ein.
[351]
SIDNEY.

Gebt Achtung, ob Olympie hier irgendwo verschlossen, ganz unbegreiflich ists, wer sie geraubt, – sie wars gewiß, die uns die Zeichen mit den Schuhen gab. Für sich. Erst jetzt fühl ich so ganz wie ich sie liebe, da ich sie in verruchten Armen glaube.

VIREN.
Seht da viel schöne Frauen wunderlich erschrocken in den Winkel eng zusammengedrängt.
SIDNEY.

Wer gab dies Zeichen uns, wars nur ein Zufall, daß der zierlich kleine Schuh mir in die Hand gefallen.

FATME.

Ich wars, ich wars, ich warf sie von dem Thurm herab, um euch hinauf zu locken, ich habe euch zuerst gesehen, doch weiß ich auch, wen ich von euch vor allen anderen erwählen möchte.

FAVORITE.

Das kommt dir gar nicht zu, was übrig bleibt ist dein. Sie ist nur meine Dienerin. Ihr seid hier alle mein ihr Christen, wie Vögel eingefangen sitzet ihr auf Leben und auf Tod, ein Ruf von mir so seid ihr niedergehauen von unserer Wache, so seid denn folgsam, lieben Vögel, ihr sollt hier bessres Futter als in der Freiheit finden, ihr seid in meinem Schutz.

ROXANE.

Jetzt sind wir alle gleich, sie hat nichts mehr zu sagen als wir alle, wenns gegen die Befehle unsres Bassa geht. Ich wähl mir diesen hier. Zu Sidney.

[352]
FAVORITE.
Den laß ich mir gewiß nicht nehmen, der ist mein Augapfel.
FATME.
Nein er ist mein.

Die Favorite schlägt auf beide, alle fallen über sie her, großes Getümmel, wobei der Bassa mit Olympien eintritt.
BASSA.

Alla, Alla wende weg die Augen, welche Schande seh ich hier, fremde Männer bei de Weibern, sagt wer ließ euch hier herein?

OLYMPIE.
Sidney, Rettung, Rettung.
SIDNEY.

Ich sterbe hier, wenn ich euch nicht befreie. Bassa, diese edle Frau ist gewaltsam uns entrissen und gewaltsam nehm ich sie zurück.


Er entreißt Olympien dem Bassa.
FAVORITE.

Recht ihr edlen weisen Christen, nehmt uns alle diesem Manne, den wir hassen und verachten, hängt ihn auf an seinem Barte.

BASSA.
Welche Kühnheit, sprecht wer seid ihr?
SIDNEY.

Ich bin Sidney, eures Kaisers Freund, der bei Akre hat gesieget, ich bin Sidney, wollte euch begrüßen und verfehlte nur die Thüre. – Mädchen zauset nicht den Alten so gewaltig, daß er mit mir reden kann. Sagt, wer gab euch Recht uns diese Frau zu rauben?

BASSA.

Ach es war so heiße Liebe, laßt das gut sein, sie ist euer, ihr seid Sidney, Blitz der Schlachten, euch gehören meine Weiber alle, wählet nach Gefallen, außen darf es niemand wissen, aber mir ists[353] Seelenwonne, einen Sohn von eurer Art hier zu meiner Ehre erziehen, und er theile all mein Erbe.

FAVORITE.

Unsers Herrn Wille mag geschehen, Herr verschmähet mich nur nicht, seht mich hier zu euren Füßen tief erniedrigt, wie das Weibchen des Fasanen, wenn ihr Liebling kommt gelaufen.

OLYMPIE.

Welch ein Greuel, nach des Klosters keuschem Frieden, Sidney bringet mich zu meinem Manne, oder zu des Klosters reinem Himmel.

SIDNEY.

Bassa nach der Christen Glauben darf ich nicht mit Heiden mich vermischen, nehmet unberühret eure Weiber all zurück, doch ermahnet sie zur Zucht. Nur die Christin nehm ich mit in meinem Schutze, schwört mir daß ihr keinen neuen Plan sie zu rauben, zu verführen wollt in eurer Seele dulden.

BASSA.

Nimmermehr, hätt ich gewußt, daß ein Mädchen euch so werth, selber würd ichs euch bewachen, mir sind hundert einerlei.

ALLE WEIBER.
Alla strafe diesen Mann.
OLYMPIE.
Sidney führt mich eilig fort, wie viel Dank bin ich euch schuldig.
SIDNEY.
Daß ich lebe dank ich eurem Manne.

[354]

Das Nonnenkloster in Jerusalem

Das Nonnenkloster in Jerusalem.

Olympie, die Äbstissin und viele Nonnen auf einem Altan, der von Weinreben beschattet ist und weit über die Gegend hinaus schaut.

DIE ÄBTISSIN.
Gelobt sei Gott und Sidney daß du uns und deiner Freiheit bist zurückgegeben danke das dem Herrn.
OLYMPIE.
Du weißt, verehrte Mutter, meines Mannes Leiden; ich kann nicht fröhlich sein.
ÄBTISSIN.

Sieh liebe Tochter, deine Schwermuth zu erheitern, hab ich dich hier auf den Altan geführt, die Fröhlichkeit des Glücklichen kann ich von dir nicht fordern, doch das begehre ich, daß du dich nicht dem Trost verschließen möchtest. Sieh auf aus den verweinten Augen, wie dort der Palmenwald vom warmen Wind bewegt in seiner Farbe ewig wechselt, er scheint ein fernbewegtes Meer.

OLYMPIE.

Ach wär ich noch auf weitem Meer und wär es Nacht und Sturm, Lysander ständ mir doch zur Seite, in hoher Thaten Ahnung froh, gesund, jetzt seh ich überall Zerstörung, wie Grabessteine schimmern jenes Tempels Trümmer.

ÄBTISSIN.

Sieh dort den rothen Mohn, der hell durch alle Trümmer der Zerstörung flammet, sieh dort die gelbe Ginster unterm dunkeln Zederndache.

OLYMPIE.

Ach darum möcht ich mich im eng beschränkten Raum verschließen, ich fühle meinen[355] Schmerz in allem, ich fühle mich in jener Zedern Dunkelheit, ob unter ihrem Schatten Glückliche, ob Unglückliche drunter weilen, ob Blumen blühen oder Gräber aufgerissen werden, sie müssen immer trauern. Bei jenen Knochen, die so feurig glänzen, da denk ich an Lysanders Blut, ich denke des verlornen Bruders Cardenio, den ich zuerst gesehen in der Kirschenzeit.

ÄBTISSIN.

Sieh an dein lächelnd Kind, es weiß von der Erinnrung nicht, es lebt der Hoffnung und der Gegenwart. Was spielt ihr mit dem Kleinen?

NONNE.
Wir spielen jetzt das kleine Jesulein mit ihm.
ANDRE NONNE.

Sieh nur, wie hübsch es ist, wie froh, nun ihm der Kleider Last genommen, wir haben ihn ins Krippelein gelegt, hätt ich doch nie gedacht, da so ein Kind gerade so aussieht, wie es gemalt ist in der Kirche, es ist doch gar ein heilig Wesen um ein Kind.

NONNE.
Was sollten denn die Maler es viel anders malen als es ist, das wär ja thöricht.
ANDRE NONNE.

Du hast wohl recht. Wenn es nur mir ein Wörtchen wollte sagen, wie Christus that den andern Kindern. Hör Bübchen, thu ein kleines Wunder, ach Wunder möcht ich gar zu gerne sehen, so eins wie Christus einem armen Kinde in seinem Röckchen Wasser holte, nachdem das arme Kind den Topf zerbrochen und seiner Mutter Schmähung [356] fürchtete, oder wie er einst die Schlang zwang das Gift selbst auszusaugen, das sie dem Knaben eingebissen.

EINE DRITTE NONNE.
Der Kleine braucht kein Wunder mehr zu thun, er ist recht schön so wie er ist, auch ohne Wunder.
ANDRE NONNE.

Wenn er nun Wunder thun will, sprich, wer solls ihm wehren, wir müssen ihm gehorchen, es ist der Bräutigam.

ÄBTISSIN.

Verliert euch nicht in eurem Spiel, ihr Mädchen, man sieht, daß es was Neues für euch ist ein Kind zu pflegen, müßtet ihr vom Morgen bis zum Abend für so ein Dutzend Schreier sorgen, ihr würdet sie nicht mehr für euren Herrn und für den Seelenbräutigam erkennen.

NONNE.
Mir wär die Mühe schon ganz recht.
ANDRE NONNE.
Weißt du was er mir eben in das Ohr geflüstert hat, ich sag es aber nicht.
DRITTE NONNE.
Mir darfst du es schon sagen.
ANDRE NONNE.
Er sagte mir, ich sei die Frömmste.
DRITTE NONNE.
Das hat er mir viel früher schon gesagt, der kleine Schelm.
OLYMPIE.

Ihr guten Mädchen, ich wünscht euch allen Kinder zur Erziehung, ihr würdet ihnen frohe Jugend geben; ehrwürdge Mutter, ich wüßte gar nichts Schöneres für eure heilige Bestimmung, [357] als der verlassnen schlechterzognen Kinder euch hier anzunehmen.

ÄBTISSIN.

Oft habe ich daran gedacht, doch ist die Zahl der Christen hier nicht groß, die meisten nähren sich von frommen Pilgern, der Lebensunterhalt ist leicht erworben, zu einer Schule wäre wohl Gelegenheit, doch fehlt es uns an Frauen, die gleich dir ein männliches Erkenntnis in der Sprache, in der Schrift mit eingezognem stillen Sinn verbinden; ach könntest du uns werden eine Lehrerin?

OLYMPIE.

Du überschätzest mich, verehrte Frau, doch wahrlich, wenn mich nicht ein lieber Mann der Welt verbände, wie gerne blieb ich hier an diesen heilgen Stätten, den Kindern heilge Schrift zu lehren, woraus sie unsers Herrn Größe erkennend fühlen könnten. Welche Angst ergreift mich plötzlich – wunderbar, du ewger Gott gieb mir Stärke.

NONNE.

Seht da den großen schwarzen Zug der Christen, der sich mit festlichem Gesang durch jene Rosenbüsche zieht zu jenen Lilienhügeln, wo schon so viele Pilger schlafen.

OLYMPIE.

Es ist in Begräbnis, es ist Lysander, der begraben wird, gewiß, es sagts mein Herz, er weilt nicht mehr auf dieser Erde, denn ich erkenne sie nicht mehr, sie scheint nur fremd, kein Werk aus Gottes Vaterhand.

[358]
ÄBTISSIN.

O meine Tochter, du Bedauernswerthe, laß jetzt die Andacht zu dem Herrn deine ganze Seele füllen; wie ein Meer das in ein Bergwerk bricht, so muß die Andacht deiner Seele Schätze der fremden Welt verschließen, dich erfüllen mit lebendger Kraft.

OLYMPIE.

Ach er ist todt, ach warum riß mich Sidney grausam von des Kranken Seite, ich hätte seine Schmerzen lindern können, ich wär in gleicher Pest mit ihm gestorben.

ÄBTISSIN
übergiebt ihr das Kind.
Du solltest deinem Kinde leben.
OLYMPIE.
Weh mir, ich seh des Vielgeliebten Züge, den ich nun nimmer wiederseh.
NONNE.
Ach wie vergänglich ist die Welt da draußen, zieh ein bei uns!
ÄBTISSIN.

Sei ruhig liebe Tochter, schone dich, es war sein letztes Flehen, dir sanft von seinem Tode zu berichten, er segnete sein Schicksal daß er mit seinem Leben so hohes Weltgeschick gelenkt, er starb in Gottes Licht, er rief, daß du am heilgen Grabe würdest Trost des Herrn finden.

OLYMPIE.
Im Grabe bald!
PFÖRTNERIN
kommt.
Ehrwürdige Mutter, ein Fremder will euch sprechen.
ÄBTISSIN.
Ich komme.

[359] Sprachzimmer im Nonnenkloster. Sidney und die Äbtissin.
SIDNEY.

Seid mir gegrüßt, ich sage euch in wenig Worten mein Verlangen. Lysander hat auf seinem Sterbebette Olympien mir empfohlen; ich liebe sie, wenn erst des Schmerzes Krampf vorüber, da sagt ihr das, nach meinem Schicksal sei sie mir das Liebste auf der Welt, kann sie mir Lebensglück gewähren so könnte mich ein Wort von ihr beglücken, doch was sie auch bestimmte, wohin sie auch verlangt, ob sie mich meiden will, ich unterwerfe mich und will vollbringen was sie befiehlt.

ÄBTISSIN.
O welche freie Frau möcht eure Hand ablehnen!
SIDNEY.

Der Himmel will manch Sonderbares an mir zeigen, – ich habe zum Ertragen Muth. Gott sei euch gnädig, und der lieben Hausgenossin. Ab.

Die drei Alten in Jerusalem

Die drei Alten in Jerusalem.

Nacht in der Nähe der Kirche des heiligen Grabes. Drei alte Männer treten zusammen in der Nacht.

ERSTER ALTER.
Einer der durch die Pforte gegangen.
ZWEITER ALTER.
Einer der aus dem Grabe gekommen.
[360]
ERSTER ALTER.
Eins und eins sind zwei.
DRITTER ALTER.
Einer der durch die Luft gezogen.
ERSTER ALTER.

Einer und einer und noch einer sind drei, drei sind die Gemeinde. Du, der durch die Luft gezogen, wie heißt das Wort des Tages?

DRITTER ALTER.
Zwischen weiß und schwarz, zwischen kalt und warm, schwebet der Mensch, besser kalt als schwarz.
ERSTER ALTER.
Was bringst du von den Menschen?
DRITTER ALTER.
Wie immer.
ZWEITER ALTER.
Nichts Gutes.
DRITTER ALTER.
Sidney hat sich rückwärts gewendet.
ERSTER ALTER.
Zu wem?
DRITTER ALTER.
Zu Olympien.
ZWEITER ALTER.
Sie ist zu Gott gewendet.
ERSTER ALTER.
Ich werde ihm tröstlich erscheinen. Aus einander, auf Nimmerwiedersehn, gute Nacht.
ZWEITER ALTER.
Auf Allesvergessen, gute Nacht.
DRITTER ALTER.
Bis zum jüngsten Tag, gute Nacht. Alle drei auseinander fort.

Die Juden kommen von allen Seiten angeschlichen.
RABBI.

Kümmt kümmt ihr Juden, hier sieht euch niemand, hier legt das Feuer an, da sollen erst [361] die Christen Wunder sehen wenn ihre Kirche brennt über ihnen.

JUDE.
Ich weiß nicht wies mir geht, ich schlag mir die Knöchel ab, es kommt kein Funken, bin ich blind?

Ahasverus, der sich mit Cardenio und Celinde mühsam herangeschlichen.
AHASVERUS.
Siehst du das Licht des Herrn nicht?
JUDEN.
Wir sind verrathen, fort, fort. Sie fliehen.
AHASVERUS.

Euch wird das Feuer noch erreichen. Hier meine Kinder laßt mich ruhen, ich finde Ruhe wieder in dem Herzen, seit mich der Herr zur Rettung seines Heiligthums bestimmte.

CARDENIO.
O nimm mich mit zu deiner Ruhe Vater.
CELINDE.
Auch mich.
AHASVERUS.

Cardenio geliebter Sohn, du bist zu einer hohen Freude noch bestimmt; mich lasse hier in höhrer Hand, ich habe alles überlebt, ich sterbe.

DIE DREI ALTEN
kommen.
Er ist unser, weicht von ihm.
AHASVERUS.
Euer Antlitz darf ich schaun.
DIE DREI ALTEN.
Und des Meisters Angesicht.
AHASVERUS.
Selig, selig, wer den Herren schauet,
Ach es weicht die dunkle Erde,
[362] Kinder, Kinder ihm allein vertrauet,
Segnet Schmerzen dieser Erde,
Meine Thränen, meine Leiden
Sind erblüht zu ewgen Freuden.

Er stirbt.
CARDENIO.
Wehe uns, er stirbt.
CELINDE.
Wehe, wehe, hier an seiner Seite wird mir wohl.
DIE DREI ALTEN.
Weicht von ihm, denn er ist unter den Seinen, schreitet weiter noch ins Leben eh ihr wagt zu ruhn.

Die drei Alten tragen die Leiche fort, Cardenio und Celinde bleiben betend liegen.

Die Nacht in der Herberge zu Jerusalem

Die Nacht in der Herberge zu Jerusalem.

Eine Schmiede.

SIDNEY.

Von meinen Freunden ist noch keiner in der Kirche, keiner mehr zu Hause, ich sehe jetzt wie es den Kreuzesfahrern alter Zeit ergangen, nach jahrelangem Harren in der Wüste, wie sich die größre Schaar in wilder Lust zerstreut, statt der Erreichung ihres nahen Ziels, der Sicherung des heilgen Grabes zu gedenken; es gehn die Leidenschaften allgesammt zugleich im Menschen auf, das höchste Streben wecket das Gemeinste. Auch mir? Nein bei Gott, es ist ein anderes Gefühl was mich Olympien zugeführt, erst morgen soll ich ihren Willen wissen, erst morgen, o [363] gäb es kein Gebet und keinen Kirchendienst, ich überlebte nicht den Zweifel der so mein ganzes Wesen hat zerrissen, daß ich die ganze Welt in diese Wunde könnte legen. Ab.


Viren und Bromly kommen lustig gelaufen.
BROMLY.
Das nenn ich mir ein schönes Leben in der heilgen Stadt.
VIREN.

Was Teufel ich habe mir das Schienbein an dem Ambos ganz zerstoßen. Hör, seit Olympie von uns fern im Kloster, da ist kein Heil bei uns, ich fall in alle meine alte Sünden wiederum zurück, ich spiele ...

BROMLY.

Mit Geld und Mädchen. Das war verfluchte Wirthschaft bei dem Bassen, ich hoffe daß die Eine, Fatme, noch zu mir kommt, ich hör schon leise Tritte.


Ein moderner Reisender tritt auf.
BROMLY.
Geliebtes Wesen du hasts gewagt?
REISENDER.
Ich habs gewagt und bin recht glücklich durchgekommen.
BROMLY.
Hol Sie der Teufel, ich dacht es wär ein andrer.
REISENDER.

Es schadet gar nichts, im Gegentheil es ist mir lieb daß ich euch treffe, ihr müßt mit mir noch einmal auf den Hügel vor der Stadt, ihr glaubt nicht welch ein Anblick durch dies Dunkel dringet. Ernst röthlich schimmert durch die hohen Fenster[364] der Grabeskirche Licht, rings schwanken all die Lichter der Menschen die durch alle Straßen schweifen, die Sterne selbst sie schimmern zweifelhaft daneben.

BROMLY.
Das mag wohl wahr sein, es ist kurios.
REISENDER.

Wo jetzt die Kirche steht in hoher Pracht mit ihrer Kreuzesfahne durch die Nächte leuchtend wie die Wolke über der Stiftshütte, das war sonst außerhalb der großen Stadt, ein öder Raum zur Hinrichtung der Sünder schauerlich geeignet. Doch Christi Tod, wie er den Tod vernichtet, hat auch des Todes alte Stadt zerstöret, dies Judenvolk das nur durch Sonderung von allem etwas war, das mußte untergehn seitdem die neue Lehre sie mit der Welt verband.

BROMLY.
Wahrhaftig, das ist sehr möglich.
REISENDER.

Nachdem die Stadt des Frevels war zertrümmert, die alles Herrliche was ihr geboren frech vernichtet hatte, da zog die Sehnsucht von Millionen Seelen das heilge Grab zu sehen viel tausend arme Menschen rings um diesen Felsen wiederum zusammen, die Stadt ward nun erbaut wie um den Thron, wo sonst der Missethäter Grabesstätte war.

BROMLY.

Gewiß, der Aberglaube ist doch auch zu etwas nutze, es bliebe manche Wüste unbewohnt, wenn mancher nicht den Leib kasteien wollte, auch hat [365] dies Wallen nach dem Morgenland so manche Kunst verbreitet und manche sonderbare Völkermischung.

VIREN.
Wir legens beide an auf solche Mischung, das wird ein sonderliches Völkchen werden, Faunen, Satyrn.
REISENDER.

Gut daß die Leute euch hier nicht verstehen. Ich kann euch nicht verstehen, wenn ihr auch nichts von unsrer Religion gehalten, wie könnt ihr euch mit leichterfundnem Witz die ernste Pracht von diesen Tagen rauben und glaubet mir, wenn ich so phantasire hier vor mich, da fällt mir doch zuweilen ein, es möchte nahe sein der Antichrist, mit ihm der Untergang der Welt.

BROMLY.

Das wär doch einzig, das möcht ich noch erleben, das Sterben muß zum bloßen Spaße werden wenn alles untergeht.

VIREN.

Du bist ein rechter Frevler, sieh nur, wenn die Apostel-Bilder dich verständen, weil sie am Pfingstfest aller Sprachen Gabe einst empfingen, seit Mesmer ist das leichtlich zu erklären, wenn Petrus nun sein Schwert gezogen, Matthäus seine Axt um dir den Mund zu stopfen.

BROMLY.
Ich wollte mich mit ihnen boxen. Au weh mir, Gott verzeih.

Ein Kameel hat durch die Wand voll Löcher übergegriffen und in Bromlys Haare gebissen.
DER REISENDE
schlägt nach dem Kameel, es zieht [366] den Kopf zurück.

Je will die Bestie ruhig sein. Seht starker Geist der eben noch dem Antichrist getrotzt, seht her, ein hungriges Kameel das euer struppig Haar für Heu hat angesehen, hat euch mit Geisterhand erschüttert.

BROMLY.

Bei Gott, wie konnts auch anders sein, so unnatürlich kam mir das Gebiß aus hoher Luft, es freut mich daß es so natürlich war.

VIREN.
Du glaubst doch auch an Geister.
BROMLY.

Aus meiner Kindheit blieb mir noch ein Grauen in der Mitternacht, wer kann den alten Sauerteig verdauen.

REISENDER.

Wohlan, dies Geisterreich sei auch ein Kindermährchen, graut euch denn nicht vor dem gewaltgen Geisterreich, von dem ihr nur ein Hauch, das euch sogleich in Richts vergessen kann, wenn ihr euch gegen euren Ursprung frech empört.

BROMLY.

Das ist zu hoch, ich habe Lust zu schlafen und fürchte schon der Schmiede frühes Hämmern, das ist mir schrecklicher als euer Nichts.

REISENDER.
Nun Frieden dann für heute, ich bin sehr müde.
VIREN.
Ich schlafe schon.
CARDENIO UND CELINDE
singen vor der Thüre.
Laßt euch rühren,
Öffnet eure Thüren,
[367] Ach erbarmet euch der Armen,
Gott wird eurer sich erbarmen,
Wir sind ohne Geld und Gut,
Unsre Tritte voll von Blut,
Unsre Kleider naß von Schweiß
Von der weiten Pilger-Reis',
Unsre Kehlen hart vom Staube,
Unsre Herzen voller Glaube,
Ach eröffnet eure Thür,
Wir vergehen sonst allhier.
REISENDER.
Wir wollen sie doch zu uns fühlen.
BROMLY.

Es geht nicht, alles wär verrathen wenn dann mein Mädchen käme, laßt sie, sie bringen uns nur Krankheit Staub und Ungeziefer.

VIREN.
Geht weiter ihr Leute.
CELINDE.
Laßt uns nicht vergebens flehen,
Können nicht mehr weiter gehen,
Wohlthun ist der Christen Pflicht,
Christen ach, verstoßt uns nicht.
VIREN.
Die Stimme rührt mich wie aus alter Zeit.
BROMLY.
Du träumst schon wieder, marsch fort ihr Leute oder seht ich laß die Hunde auf euch los.
CELINDE.
Ach erbarmet euch.
VIREN.
Es ist mir ganz als hörte ich Celindens Stimme, doch die liegt in dem tiefen Meere.
REISENDER.

Bromy ihr seid ein harter Mann ein Türke wäre milder. Wie oft hab ich die Türken mühsam steigen sehen auf ihres Hauses Dach um kleine [368] Störche aufzufüttern, die von den Alten allzufrüh verlassen; die armen Pilger sind von aller Welt verlassen.

BROMLY.

So thut doch selber etwas für die Armen wenn euer Herz in Mitleid übergeht, das Reden wird euch auch nichts helfen.

REISENDER.

Das ist sehr sonderbar, ich bin bestimmt zum Reden, ihr zum Handeln, doch laßt sie diesmal immerhin nur draußen, sonst dringen gleich ein hundert dieser Pilger ein und kochen, waschen trompeten bei den heiligen Bildern, da kommt noch wohl ein lustiger Erzähler und schwätzt die ganze Nacht, und einer spielt die Orgel, läuft lustig allen über ihre Beine, das sind so alte Späße die mir ganz verhaßt, die ganze Luft wird zum Gestank, es ist doch besser daß sie draußen bleiben. Gute Nacht.

DER SCHMID
tritt ein.
Gelobt sei Jesus Christus, wacht auf ihr Herren, schon ziehen viele Pilger in die Kirche.
REISENDER.
Laßt uns in Ruhe, wir sind so eben nur zur Ruh gekommen.
SCHMID.
Nun meinetwegen. Er fängt an zu arbeiten.
REISENDER.
Ja bei dem Lärmen ists unmöglich noch zu schlafen.
SCHMID.

Mir thut das nichts ich muß heut früh anfangen, die Esel die gestern hin nach Bethlehem [369] gezogen, die haben ihre Eisen all auf dem Magnetenberg verloren.

REISENDER.
Magnetenberg? Wo liegt denn der, ich habe auch davon gehört.
SCHMID.

Er ist sehr leicht zu finden, eben daran wenn eurem Esel alle Eisen abfallen; er ragt nicht sehr hervor, er liegt wie ich euch sage zwischen hier und Bethlehem, ich muß es doch wissen, ich bin Postmeister hier, es ist meine beste Station da giebts die wenigsten Fußreisenden.

REISENDER.
Da möcht ich hin.
BROMLY.

Wie könnt ihr doch das dumme Zeug nur glauben, es ist ja ganz unmöglich, der Kerl macht sich mir einen Spaß, er spricht von einem Berg wo viele Eisen abgelaufen werden.

REISENDER.

Unglaube und Betrug verstehen sich einander stets. Sagt doch ihr listiger Herr Schmid, was werft ihr da für Sand aufs Eisen?

SCHMID.
Das hat der Herr uns einst gelehrt als er noch unter uns gewandelt.
REISENDER.
Erzählt doch, das muß artig sein.
SCHMID.
Mit seinen Jüngern ging unser Herr
Den armen Leuten zu geben Lehr,
Dieweil die Reichen nicht auf ihn hören,
So muß er sich wohl zu den Armen kehren.
Er kam nach heißem Tage spät
Ins Dorf, wo alles schon schlafen thät,
[370] Doch kam er bei einer Schmiede vorbei,
In der war noch ein groß Geschrei.
Gleich thät sich der Herr dahin begeben,
Der Schmid sich wollte dem Teufel ergeben,
Er hatte ein sprödes und hartes Eisen,
Das ließ sich gar nicht zusammenschweißen,
Er brannte umsonst die theuren Kohlen
Und schrie, ihn soll der Teufel holen,
Und seine neun Kinder all' dazu,
So hätt er doch endlich ein wenig Ruh.
Er fluchte die Teufel all aus der Hölle,
Den Jüngern ward bange auf der Schwelle,
Er ließ schon den Blasbalg so grimmig blasen,
Als hülf ihm der Teufel mit seiner Nasen,
Es thät das Feuer so grimmig knacken.
Als wollten die Teufel ihn gleich anpacken.
Sankt Petrus sprach, der hitzige Mann.
O Herr thu den in ewigen Bann.
Auf daß er die frommen Leut nicht necke,
Die Ehleut aus erstem Schlaf nicht schrecke.
Da lächelt der Herr, zu Petrus spricht:
Du hast kein Kind und weißt noch nicht
Wie armen Leuten beim Kindergeschrei,
Wenn der Brodschrank leer, zu Muthe sei,
Du ziehst herum und läßt mich sorgen,
Wo ich ein wenig Essen mag borgen,
Und meinen Segen thue daran,
Daß es uns alle sättigen kann. –
Dann tritt er zum Schmid ganz freundlich ein
Und frägt ihn, was dieses Fluchen soll sein,
Und spricht zu ihm: Sanft, sanft mein Freund. –
Der Schmid in seiner Erhitzung meint,
Er hab ihm gerathen Sand zu nehmen
Und will sich eilend dazu bequemen,
[371] Vom Boden kratzt er ein wenig Sand
Und streut ihn aufs Eisen mit seiner Hand,
Das in den Kohlen roth erglüht.
Er hat sich nicht umsonst bemüht,
Es ließ das harte spröde Eisen
Sich nach der Gluth im Sande schweißen,
Das dankt er dem Herren mit allen Ehren,
Es thät ihn der Sand zum Christen bekehren.
Jetzt weiß es ein jeder; doch es erfand
Des heiligen Wortes Mißverstand,
Man brauche zum Schweißen des Eisens den Sand:
Denn alles sich zum Guten kehrt,
Was uns die Frömmigkeit gelehrt.
REISENDER.
Ein guter Spruch, der alle Tage zu gebrauchen.
SCHMID.
Der Henker hols, da schwatze ich und schmiede nicht mein Eisen, da es glüht. Er schmiedet.
BROMLY
der eingeschlafen war.

Marsch, Feuer. Seid ihrs? Nun die Nacht war auch wie eine Stunde bei meinen französischen Sprachmeister recht langweilig verloren, die Mädchen haben mich gefoppt.

VIREN.

Ich träumte von Celinden, mir ward so weh ums Herz, ich sah sie bettelnd stehn vor meiner Thür und kannte sie und kannte sie auch nicht; ein Mensch mag noch so vernünftig sein, im Traume ist er dennoch toll. Wahrhaftig, schon blitzt der Tag am Nachbarfenster.

REISENDER.

O seht wie triumphirend steigt die Sonne an dem Ölberg dort in ihrem Strahlenwagen, [372] es scheint der Hügel eingebrannt auf ihrem Wege, schon öffnen sich die Gräber, frommer Einsiedler Kapellen im dürren Sand gehauen, sie steiget aus dem Grabe, wie läuten ihr die Glocken froh entgegen, die Fenster glänzen feurig von ihr wieder, die Pilger ziehn mit Kreuzen und mit Fahnen, noch gehn sie schwer belastet mit Gelübden, bald kehren sie erleichtert und erheitert in innrem Frieden heim. Ihr ganz Ungläubigen, ihr werdet schamroth vor dem Blick der Wahrheit und möchtet glauben dürfen und glaubet heimlich.

BROMLY.

He da, in meiner Kapitulation steht nichts vom Glauben, bei Nacht bei Tage, zu Land und zu Wasser soll ich seiner Majestät dienen, weiter nichts.

REISENDER.

Nehmt nur den Glauben an wie fremde Sprache, wenn ihr in fremdem Land gewesen allmälig wird euch schon der Sinn erwachen.

BROMLY.

Du machst es heute unerträglich, erst messe deine Klinge mit der meinen, eh du den Glauben so abmessen willst.

REISENDER.

Barbar und Heide bist du, aber du wirst sehn, daß dich ein höhrer Arm in meine Klinge stößt; ich glaube fest daran, ich weiß es – es wäre Mordthat, wenn ich mit meiner Klinge dir begegnete. Glaubt und ihr werdet selig. Ab.

BROMLY.
Was war denn das?
[373]
STIGMA
eintretend.
Ich komm mit einem Auftrag von dem Herrn, der eben fortgegangen.
BROMLY.
Ich bin zu jeder Zeit bereit, hat er mir Ort und Zeit bestimmt.
STIGMA.
Es kann hier gleich geschehen. Ich bitte ziehn Sie nur das Röckchen aus.
BROMLY.

Was nimmt der Kerl für sonderbare Instrumente aus seiner Tasche, ich glaub es ist ein Scharfrichter aus Privatliebhaberei.

VIREN.

Sieh zu, er will nach alter Sitte dir dein Wappen mit dem Kreuz bezeichnet, auf den Arm punktiren, daß jeder glauben mag daß du gewißlich hier gewesen.

STIGMA.

Ja das ist hier Gewohnheit schon seit Jahren und keiner wagt zu zweifeln, ein jeder kennt mein Zeichen und keiner wagts mir nachzustechen.

BROMLY.
Verfluchter Kerl so glaubst du wohl, dein Zeichen habe noch mehr Kraft als meine Worte.
REISENDER
hineinschreiend.

da seht ihr, jeder soll dereinst dir glauben auf dein Wort, daß du hier in Jerusalem gewesen, warum willst du denn unserem Herrn nicht glauben daß er uns selig machen kann.

BROMLY.

Komm nur herein, ich glaubs dir zu Gefallen, du bist ein guter Mensch wahrhaftig, es thut mir leid, wenn ich was hitzig worden, jetzt wein nur nicht, du bist die beste Seele, ich war ein ungemeines Vieh.

[374]
REISENDER.

Es rührt mich tief die harte Seele so erweicht zu sehn, daß Gott mich hat erleuchtet zum Guten dich zu führen, komm neuer Jünger Christi, komm zum Feste, die Glocken lauten schon zum drittenmal.

Der Ritterschlag am heiligen Grabe

Der Ritterschlag am heiligen Grabe.

Die Kirche des heiligen Grabes in der Frühe nur wenigen Pilgern eröffnet, die in den einzelnen Kapellen vertheilt, theils beten, theils die heiligen Überbleibsel von dem Leiden Christi, sein Kreuz, die Säule, an der er gegeisselt, beschauen.
Viren und Bromly kommen zusammen und lesen in Briefen.

BROMLY.

Ein für allemal gesagt, der Glaube geht mir nicht recht ein, was sie mir hier gezeigt, das thut auf mich noch keine Wirkung; mit ausgehungertem Magen, wie hier die meisten Pilger, da sieht man freilich manches; ich habe gut gefrühstückt, bin nun fest. Das Wunder mit dem Lichtanzünden ist ein Skandal, wer weiß, die Priester schämen sich desselben wohl, doch müssen sie es wegen dieses allgemeinen Glaubens jährlich wiederholen. Ja freilich schlag ich einen in die Augen, so sieht er Licht, solch Licht wirds heute geben; die Armenianer und die Griechen balgten sich schon in des Bassa Saale heute Morgen tüchtig um den ersten Platz am heiligen Grabe, die Hälfte ist gebläut, zerschunden und zerkratzt, ein schöner Anblick für die Christenheit.

[375]
VIREN.

Ich halt nicht viel auf Mönche und auf Priester, doch, das ist des Glaubens herrlichster Triumph, wenn er durch schlechte Priester nicht entstellt, durch gute nicht erhöhet werden kann, wenn wie der Fixstern er im Fernrohr und mit bloßen Angen gleich erscheint.

BROMLY.

Mir kommt der Glaube wie die Sonne vor, die längst herunter ist gesunken untern Horizont, wenn sie am größten scheint; macht sich der Glaube gar zu breit, da ist gewiß nichts an ihm, der Glaube in den ersten Christen, das war ein ander Wesen, wenig Worte, viele Thaten, jetzt wiederholen sie ein Halleluja tausendmal mit sauerem Gesicht.

VIREN.

Das Halleluja kann ich gar nicht leiden, ich muß dabei an Halle denken; der Traum in dieser Nacht, die Briefe haben mir den alten Grundmorast schnell aufgerührt, ich ahnete im Traum die Briefe.

BROMLY.
Was schreibt man dir?
VIREN.

Es ist nichts Wichtiges, und doch er greift es mich. Für einen Spottpreis hat Nathanael mein groß Familienhaus gekauft, es ist der Sohn des Juden Nathan, der am Cardenio gestorben, darauf hat er sich einen Grafentitel angeschafft und ein Paar Klöster, ein Mönchs-, ein Nonnenkloster als der Mindestfordernde sich zur Verpflegung übernommen, das alte Volk in meinem Haus zusammengesperrt und die vermehren sich darin nach Herzenslust. Pamphillo, [376] ein lustger Freund Cardenios, hat sich zum Abt darüber setzen lassen und treibt sein Wesen drin in lustiger Erfindung.

BROMLY.

Je das ist ja unendlich lächerlich, ich platz vor Lachen, komm ich nicht ins Freie; begleit mich Bruder, sieh nur den Bruder Reisenden mit einem großen Kräuterbündel und zwei Lämmern durch diese Hallen zu dem Altar milder Gaben schreiten.

VIREN.
Herr Voyageur.
DER REISENDE.
Jetzt hört, nun hab ich fertig meine Zueignung der Opfer.
Als ich ein sinniger Knecht des Herrn, die Welt mir erschauet,
Lag mir in mystischem Duft, tief am Altare das Herz,
Doch da entzündet mein Flehn der Kerzen eine, die höchste,
Streifig leuchtete sie durch in Jerusalems Nacht,
Und ich sahe die Stäubchen durchzuckt von Freuden im Hirne,
Und ich beschrieb es so gern wie mir der Staub noch so lieb.
Doch da haben die Ritter der Wallfahrt gar höhnend gelachet,
Und ihr Lachen verdarbs, wirbelnd den ewgen Staub.
Traurig befürchtete ich zu sinken ins mystische Dunkel,
Denn die Flamme sie war ohne den Staub mir nicht lieb.
Aber da zündet sich hell die Flamme der anderen Seite,
Blumen die sah ich verwelkt, nirgend ein Opfer das lebt,
Und die Ritter sie schwanden wie leere Gestalten im Zwielicht,
Und das heilige Grab war von Pilgern so leer.
Doch da rief mir von oben, denn eben das Höchste war helle,
Jene, beschrieb ich sie wem, der sie nicht selber gesehn:
Lasse den Staub, wer des Staubes, nehme was Eins und verbunden
Drücke ans höhere Herz Blumen und Thiere mit Lust.
BROMLY.
Zum Teufel, ich weiß ja das Ganze, du hast es uns täglich wiedergekäut.
[377]
VIREN.

So viele Mühe gabst du dir, dein elend Opfer zu beschönen, es ist kein Bettelweib im Orte, die nicht was besseres an diesem Fest verehrte.

BROMLY.

Ich möchte deine Braut nicht sein, ich glaub, du bringst ihr welke Blumen und ein langes Lied zur Morgengabe.

REISENDER.

So stört ihr mich in meinem Glück, doch seht gleich stört der Himmel euch in eurem Spott, seht Sidney ernst den Gang hinunter schreiten, gleich seid ihr ernst und weichet ihm.


Alle drei ab.
SIDNEY.

Schon heller Tag! – Das waren große Stunden, da kämpfte tief in sich mein ganzes Wesen und kann ich nicht zum Tage kommen so weiß ich doch, wo mich das Dunkel drückt. – Es scheint die Kirche mir jetzt enge, hat sich mein eignes Wesen so gedehnt? – so wüst, so weit ist mir im Kopfe, als hätte ich in andrer Welt geschwebt. O wunderbare Rechenschaft vor unserm eignen Wesen, wer richtet, wer warnt uns, was scheuen wir in uns, ist denn nicht alles, was aus uns stammt, aus einem Wesen? – Es kann nicht sein – es ist ein doppeltes Gewebe und durch das Netz gemeiner Fäden schlinget sich das Silber und das Gold des höhern Lebens, an dem die Sonne glänzt und das kein Feuer kann verbrennen. – So lang die Neugier mich von einem Bild zum andern trieb, und Wunderschauer mich ergriff von tausendfachen [378] Zeichen jenes heilgen Lebens in dem engen Kreise, das alle Welt vom Tod erlöst, da ließ sich diese Gegenwart ertragen und wie ich mir verschwand so ward die Welt mir größer. Doch wie ich sah den Felsenriß, der nach dem Tod des Herrn seine Macht verkündete, da hab auch ich gefühlt daß ich noch Großes Herrliches zu Gottes Ehre oft mir zugeschworen und wie das alles jetzt so fern von mir im Nebel ruht. Es ging die eigene Bestimmung mir so ernst vorüber, ich wollte mit den Hoffnungsbildern eigner Schöpfung reden, doch meine Zunge, wie von einem Schlag gelähmt, sie rief denselben fremden Namen, Olympie, da wendeten sich die Gestalten fort von mir und kannten mich nicht mehr. Ach dieser Name, dieser Name bezeichnet mir jetzt jeglichen Gedanken und alles ist in ihr und all mein Willen ist von ihr erschöpft, der Eimer steckt so fest im irdschen Sand, daß meine Kraft ihn nicht mehr von dem Boden hebt, o du Erlöser erlös meine Seele von dem Übel irdscher Liebe. Im Glück und Unglück hab ich Gott erkannt und war sein treuer Sohn, doch in des Zweifels Drang erkenn ich dich Erlöser und deines Lebens Wahrheit, du schauest die Gedanken, du kennst des Menschen wandelbar Gemüth, o Herr, du kennest meinen ernsten Willen, laß mich in deiner Gnade stehen, laß nicht mein festes helles Werk in dunkler Liebe irrend untergehen, ist unvereinbar meiner Thaten Lauf mit meiner Liebe Glück, [379] laß nicht mein höhres Streben untergehen in der Vergänglichkeit. O Herr gieb mir die Klarheit wieder und die Kraft, gieb mir ein einzig Zeichen deines Willens, noch immer hab ich deinem Triebe mich veschlossen, ich harre nur auf dich, auf deinem Leidenwege will gern mein Herz verbluten, sein Blut vermischen mit dem deinen, doch lasse meine Stirn noch in der Schlacht an deiner Treuen Spitze leuchten. O Herr du läßt mich nicht, ich fühle deine Nähe, gewiß du giebst mir bald ein Zeichen deines Willens.


Der Guardian des Klosters, einer der drei Alten, tritt zu ihm.
GUARDIAN.

Geendet ist mein Morgendienst mit Gottes Hülfe, ich komm zu dir zurück mein vielgeliebter Sohn. Ich zeigte dir zuletzt den tiefen Riß im Felsen, du sahst in dieser Kirche weitem Raum, um dieses heilgen Grabes Rand, das Leben des Erlösers in treuer Darstellung erscheinen, wir führen alle Pilger durch sein heilges Leben, damit die Seele ganz begreife, ganz durchdrungen werde von seinem Geist, der sich in seinem Leben wie in seinem Tode gleich gespiegelt, der uns das ewig wechselnde und ewig gleiche Jahr mit seiner hohen Deutsarnkeit erfüllt und tausend Wunder an uns thut, wogegen alle, womit der heilge Ort verherrlicht und begnadet ist, schier ganz verschwinden. Was ists daß jährlich fromme Schwalben uns so viele Ölbeern bringen, die Lampen zu erfüllen, die heute [380] von dem heilgen Licht entflammet werden, doch was ist dieser Dienst der kleinen Vögel, wenn wir es mit dem Trost vergleichen, den er dem Frommen im Gebete in die Seele träufelt, da geht dem Menschen auf das wahre Licht in alles Lebens Zweifeln; was ist das Licht, das aus dem Grabe steiget, gegen jenes das allen Gläubigen aus seinem Tod im Herzen flammet, dies alles was ihr seht ist nur ein Bild des innern Lebens, mag dieses nicht die wahre Stätte sein, wo er gestorben, mag Erdbeben diese heilgen Stellen ganz dem Aug entrücket haben und nur ein frommer Sinn in diesen Steinen seines Lebens Spuren sich erträumet haben, o dieses Träumen ist das schönste Zeichen tiefer innerer Bedeutung, sie werden tausend rohe Sinne auferwecken aus des gemeinen Lebens ewigem Genießen; doch selig sind wie Christus spricht die glauben und nicht sehen, doch wenige erreichen dieses Glaubens Höhe.

SIDNEY.

Das spricht wohl gegen unsern Glauben, wir schämen uns des Wunderbaren in dem Leben und achtens nur in der Vergangenheit.

GUARDIAN.

Es läßt sich manches sagen gegen euch, ihr urtheilt früher als ihr habt empfunden, doch ihr seid stark in euerm Glauben, ihr glaubt an Christus, das ist genug, wir alle weichen hier in allerlei Gewohnheit ab, in allen den Begriffen, da fällt uns eure Lehre gar nicht auf, wir ehren sie wenn sie euch genüget.

[381]
SIDNEY.

Mir genügt sie nicht ehrwürdger Vater, mir fehlt bei uns ich weiß es jetzt bestimmt dies äußere mich immer wieder mahnde Reich des Herrn; die innere Andacht kann in jedem Gläubigen erwachen; was hilft der Wille ohne That, der in Gedanken wie ein Fluß im Sande sich verirret und verliert. O sagt was ist bei uns de Glaubens wegen noch geschehen? Ein jeder braucht ihn nur für sich in müßgen Augenblicken, die Welt hat keine Freude mehr an ihm; daß ich zum heilgen Grabe bin gewallt, das würde unsern Predgern Thorheit scheinen und wären sie nun hier, statt aller heiligen Erhebung erzählten sie von eueren Gebräuchen wie von Wahnsinnspossen. Heut als ich in der Nacht den Vollmond scheinen sah durch diese bunten Scheiben, da fühlte ich daß uns bei allem Reichthum, der aus dem Ost und West der Wahren Pracht uns lockt gar vieles fehlt; nie hätte ich zu dieser Zeit gewacht als zum Geschäft, wir wissen nur durch Stille unsern Feiertag zu heiligen, doch meine Feier müßte jubelnd sein und alle Zeit umfassen, der herrlichste Gesang, der schönsten Bilder Pracht müßt alle Elemente unterworfen zeigen, und was ein frommer Sinn erfunden das müßte nicht als Neuerung besprochen werden, nein, frei und offen müßte es sich zeigen und gleiche Sinne locken und verbinden, oder still in sich verblühn.

GUARDIAN.

Du hast ein großes Wort gesprochen,[382] du fühlst was allem Glauben unsrer Tage fehlt, nicht deines Volkes Glauben nur allein, das thätig Strebende das alles anpaßt und den Glauben bindet und nicht als angewohnte Überlieferung das ewig Neuerschaffene im Herzen kennet. Doch sieh, auch unserm Glauben fehlt jetzt diese Kraft, wir zehren auch von einer reichen Vorzeit Überfluß und legen keinen Wein der Zukunft ein und plötzlich wird der Keller dann geleert sich finden – und darum bleib bei jenem ernsten Glauben der dich bei Akre hat gestärkt, die Welt muß ihn durchlaufen eh sie sich schaffend dehnen kann, – doch findest du in deinem Volke oder in der Fremde viele die jenen hehren Mondenschimmer kennen, der dich durch wunderbarliche Geschichten in den Fenstern angeblickt, die achten was die Sinne reizt und sich nicht dran versündigen, da binde sie in treuer Freundschaft fest zusammen, dein Land giebt Freiheit allem Glauben, so sollt es sein in aller Welt. Doch glaub ich nicht daß du zu diesem Werk berufen.

SIDNEY.

O sprich wozu bin ich berufen, in Zweifeln irret meine Seele; kann ich das Glück und auch die That erfassen, das sage mir mit einem Wort, ich nehme es als eine Stimme aus der höhern Welt, bedenk ob du dazu berufen bist dies Wort mir zu verkünden.

GUARDIAN.
Ich bins. Nur im Entbehren findest du die Kraft. Ab.
[383]
SIDNEY.

Weh mir, er sprach das Wort, weh mir, o haltet mich ihr Mauern, warum ist mir so Schweres aufgebürdet, warum soll ich entbehren wo Schuldige genießen, im seligen Genuß den Herrn erkennen. Weh mir, da kommt sie lieblicher als je, und nahet sich als hätte sie in Liebe mich erwählt, was soll ich sprechen zu der Vielgeliebten.


Olympie und die Äbtissin treten auf.
ÄBTISSIN.

Du siehst ihn liebe Tochter, sprich jetzt zu ihm so wie dein Herz dir sagt, ich kann ihm deine Worte nicht verkünden.

OLYMPIE.
Mein gütger Freund.
SIDNEY.
O sprecht von meiner Güte nicht, o sprecht von meiner Liebe.
OLYMPIE.

Ich soll in heilgen Grabe einen Bruder finden, so ist mir einst verkündet, ich finde euch, o seid mein Bruder, mein vielverehrter Bruder, das Unglück hat mein irdisch Dasein ausgelöscht, laßt mir den Frieden eines stillen Klosters; unwerth bin ich dem frischen Leben einer neuen Welt das in euch strahlt.

SIDNEY.

O setzt mich nicht so tief herab daß ihr mich trennt von euch, ach eure Demuth ist so grausam wie der Stolz in andern Frauen.

OLYMPIE.

Sollt ich in Demuth nicht vor euch erscheinen? Ich will den Kindern lehren Gebet und Schrift, die Sprache und den Glauben, ihr edler Freund, ihr redet zu der Welt in Thaten, sie glaubt[384] au euch, wir sind vereint, wir sind getrennt, getrennt vor dieser Welt, in höherm Sinn verbunden, so hat die ewge Weisheit über uns beschlossen.

SIDNEY.

So ists beschlossen – und so sollt es sein, ich bin vernichtet und doch rufe ich, so sollt es sein; o gebet nur ein Zeichen der Gewißheit, nur ein Angedenken daß eine höhre Hand uns trennt.

OLYMPIE
übergiebt ihm ihr Kind.

Hier ist das schönste liebste Angedenken, mein einzig Kind, es soll dem Vaterlande dienen, ihr sollet ihm ein Vater werden, mit diesem Schmerzenskusse geb ichs euch, es soll der Welt gehören, in allen seinen Kräften sie erkennen, ein Frauenkloster ziemet nicht dem Knaben, führt es zu Thaten ein ins Leben, ich bin dem Himmel scholl vermählt. Ab nach dem Chore.

ÄBTISSIN.

Gott schenk euch Trost, es ist des Himmels Werk, nicht meine Überredung, daß diese fromme Seele in den Orden eingetreten. In diesem heißen Land ist ihre Andacht schnell erblüht, sie ist die erste reine Lilie auf dem Grabe Christi die ich geschaut, ihr seid das erste Christenschwert dem ich vertraue. Ab nach dem Chore.

SIDNEY.

Ich sollt ein Schwert des Ewgen sein und fühl sein Schwert in meinem Herzen. O könnt ich weinen, doch das versagte mir sogar der Herr zum Trost. Weh mir da ich so ungeheure Schmerzen kann ertragen, ich fühle daß dies nicht die [385] letzten sind. – Gelobt sei Gott in der Verzweiflung, gelobt sei Gott, jetzt weiß ich was ich muß. Ab.


Der Bube als Einsiedler gekleidet mit einer Kreuzfahne tritt ein von vielen kleinen Hirten und Hirtinnen begleitet, mühsam schleichen ihm Cardenio und Celinde nach.
HIRTINNEN.
Wir haben Jesus wohl erkannt,
Da er mit uns gespielt,
Daß er vom höchsten Gott gesandt,
Das haben wir gefühlt,
An seiner Blicke Wunderkraft,
An seiner Worte Meisterschaft.
HIRTEN.
Erst war er klein, dann ward er groß,
Doch macht er sich von uns nicht los,
Er sprach noch wie in alter Zeit,
Als er berühmt so weit und breit.
BUBE.
Wir gehen ihm nun treulich nach,
Bis wir erreicht sein heilges Dach.
ALLE.
Die Welt wird jährlich wieder jung,
Die Weihnacht hell von Freuden klung,
Da sangen wir so hoch so tief,
Als noch der kleine Jesus schlief,
Wir grüßten ihn als arme Hirten
Und unsre Schäflein sich verirrten,
Wir suchten sie in allen Landen
Und als wir sie dann endlich fanden,
Da seufzte Jesus schon am Kreuze,
Da reute uns die weite Reise,
Doch als der Herr dann lag im Grab,
Da sank uns allen der Wanderstab.
Wir harren an dem Grabesthor
Bis er zum Himmel steigt empor.
[386]
BUBE.
Ich pflanze meine Fahne ein
Hier an des Herren Grabesstein.
CARDENIO.
Du heilger Gott, ich glaub ich bin im Grabe, es ist so dunkel hier.
CELINDE.
So ruhen wir zusammen, wo reine Liebe wohnt, dem irdschen Trieb entladen.
BUBE.

Noch lebet ihr auf Erden, wir sind gewürdigt das irdische Leben unsers Herrn anzuschauen, des Lichtes Wunder zu erblicken.

CARDENIO.

Du heilger Gott, gieb mir die Stärke unsre Kerzen mit diesem heilgen reinen Lichte zu entzünden, daß ich darauf mag sehen in dem Sterben, wenn mir die Augen löschen aus.

CELINDE.
Laß mich in deine Augen sehen.
BUBE.

Schleicht hier zur Seite armen Freunde, ihr seid so schwach und bald wird sich die Kirchenthüre öffnen. Sie treten auf die Seite.


Es öffnet sich die Kirchenthüre, geführt vom Guardian tritt Sidney herein, paarweis folgen alle andern Engländer und einige Pilger.
CHOR DER NONNEN
Kirchengesang.

Veni sancte spiritus, reple tuorum corda fidelium et tui amoris in eis ignem accende, qui per diversitatem linguarum cunctarum gentes in unitate fidei congreavit. Alleluja. Alleluja.


Die Griechen und Armenianer drängen sich gegen einander durch zwei Thüren.
[387]
GRIECHEN.
Nein wir halten vor die Fahnen, uns gebührt die Gnadennähe an des Grabes heilgem Rand.
ARMENIANER.

Allen Christen steht der Himmel offen, allen Christen ist das Grab des Herrn eigen, denn es starb der Herr für alle Seelen. Haltet eure Fahnen vor, dränget zu der heilgen Quelle, unser Blut gehört dem Herrn denn er gab für uns das Blut.

GRIECHEN.

Griechische Männer zeiget eures frommen Sinnes wandellose Festigkeit, eurer Ahnherrn hohen Muth, der im Heidenthum gegolten, wie viel höher jetzt für Christus.

CARDENIO.
Schont der Schwachen die zum Heil sich sehnen. Euer Drängen reißt mich nieder.
ARMENIANER.

Dränget wie zu Gottes Gnade durch die schwarze Finsterniß, wie zum Lichtstrahl, wie das Kind zur Mutterbrust.

CELINDE.

Harte Männer tretet ihr den heilgen Mann mit Füßen, zu dem Heile zu gelangen. Weh Cardenio du bis verloren.

GRIECHEN.

Haltet fest an euerm Glauben, steht wie Mauern fest gekettet, und die Lebenden die Todten sollen noch verbunden stehen.

CARDENIO.

Weh mir. Weh! Mein Gott mein Herr, welche Marter, welch Zerfleischen unter dieser Christen Füßen. Gnädger Gott beschütz Celinden.


Der Sturm wird im Dunkel immer schrecklicher, Cardenio [388] und Celinde werden niedergedrängt, der Bassa mit seinen Türken sucht vergebens sie zu trennen, als die Wuth am höchsten erhellt sich der hintere Theil der Kirche, das heilige Grab erscheint geöffnet, ein blendendes Licht schwebt darin, alle
stürzen erschrocken nieder und rufen: Gnade!
CHOR DER NONNEN
Kirchenegesang.
Erstanden ist der heilge Geist,
Der aller Welt ein Tröster heißt. Halleluja.
Und wär er nicht erstanden,
So wär die Welt vergangen.
Es gingen drei heilge Frauen
Des Morgens früh im Thauen.
Die Weiber kamen zu dem Grab,
Sie brachten Salben mit hinab.
Sie suchten unsern Jesum Christ,
Der von dem Tod erstanden ist.
Und in dem Grab zwei Engel sahn,
Die trösten die Frauen lobesan.
»Ach Engel, liebe Engel fein,
Wo find ich denn den Herren mein?«
Er ist erstanden aus dem Grab,
Heut an dem heilgen Ostertag.
»Zeig uns den Herren Jesum Christ,
Der von dem Tod erstanden ist.«
So tretet zu der heilgen Statt,
Wo man ihn hingeleget hat.
Seht an das Tuch, darin er lag
Gewickelt bis zum dritten Tag.
»Wir sehens wohl zu dieser Frist,
Zeigt uns den Herren Jesum Christ.«
Seht an das Licht in dunkler Zeit,
Das ist der Herr, der ist nicht weit. Halleluja.

Der kleine Bube hat Cardenios Licht zuerst angezündet, [389] Celinde zündet das ihre daran, alles drängt sich ihn, er erscheint hell erleuchtet.
CELINDE.
Du lebst noch, siehst das Licht? Ach unsrer Wunden Blut fließt hier zusammen.
CARDENIO.

Lobt Gott der große Wunder wirkt, der wilde Sturm der Christen zu dem heilgen Grabe hat mich in Staub getreten und erleuchtet.

OLYMPIE
kommt vom Chore herab.

Mein Bruder, mein Bruder, so jammervoll zerschmettert muß ich dich hier wiederfinden, du armer Märtyrer.

CARDENIO.
Du bists, du liebst mich, du er kennst mich, wie hast du mich so brüderlich erkannt.
OLYMPIE.

Dem Pflegevater hat es uns verkündet – doch sprich jetzt nicht, schon eilen fromme Schwestern deine Wunden mild zu salben.

CARDENIO.

Auf Erden hilft mir nichts, dir sah ich noch so freudenhell ins Auge bei diesem heilgen Licht, und diese Freude ist so sturmlos, ist so sicher. Sieh hier Celinden, sie ist zum Heil gelangt.

VIREN
kommt.

Weh mir, sie ists! So muß ich dich Celinde hier in Noth und Elend sehen, mit Blut bedeckt, von falschen Christen hier zerschmettert.

CELINDE.

Wir wurden nirgend aufgenommen in der Nacht, ich muß verschmachten und fühle mich so glücklich, wir wurden hier im Heiligthum der Kirche in den Staub getreten, ich fühl mich glücklich in dem neuen Lichte.

[390]
VIREN.

Jetzt weiß ich alles, von meinem Lager bist du fortgewiesen, die ich nach meinem Lager tausendmal ersehnt, ich hörte deine Stimme und folgte ihr doch nicht, o Gott so hab ich deine Stimme oft vernommen und bin ihr nicht gefolgt. Du Heilige verzeihe mir, dein Wandel bricht die Kälte meines Herzens, ich fühl den warmen Strom des Heiles in mir rinnen. Er kniet nieder bei ihr.

GUARDIAN.
Kann ich euch Armen hülfreich sein, ich bringe Öl und Wein.
CELINDE.
Gieb einen Tropfen Öl in meine Schläfe.
GUARDIAN
er giebt ihr die letzte Ölung.
Zieh hin in Frieden.
CELINDE.
In mir so tief verschlossen,
Was brennt so lichterloh,
Hat mir die Welt erschlossen,
Und macht mich einzig froh,
Ich möchte ihn wohl schauen
Der dort im Innern haust,
Ich konnt mich ihm vertrauen,
Als mich der Sturm umbraust.

Er hob mich über Wogen,
Er trug mich übers Eis,
Mit Jesu bin ich gezogen
So froh in heilgem Fleiß.
Er hat in dunkeln Träumen
Mein schwaches Herz erfüllt,
Wenn hoch die Wellen schäumen,
Ein Tropfen Öl sie stillt.

[391] Dies letzte Öl soll geben
Dem Tode Lebensmuth,
Den Schranken mich entheben,
In seiner innern Gluth;
Durchs Dunkel werd ich sehen
In Seines Lichtes Kraft,
Und leitend euch beistehen,
Frei von des Leibes Haft.

Ihr Licht verlöscht, sie stirbt.
VIREN.

O leite mich auf deinen frommen Weg, wie du mich sonst geleitet zu dem Bösen. Die Heilige stirbt, sie ist gestorben, – schon ist sie todt; was will ich auf der Erde, an ihrem Grab werd ich der Jugend Thorheit erst betrauern.

CARDENIO.

Fahr wohl du Mitgenossin schwerer Prüfungszeit, hier sterb auch ich, hier bin ich nah dem Paradiese, doch kann ich noch nicht sterben, die Mutter wird mir hier erscheinen und mich zur Ruhe bringen. Geliebte Schwester sprich, wem lasse ich dich hier, ist denn Lysander fern von dir?

OLYMPIE.

Er ist im Himmel – ich bin im Kloster, bete singe und lehre Gottes Wort den armen Kindern, mein Kind wird wachsen unter Sidneys Augen.

CARDENIO.

So ist für alle wohl gesorgt. Geliebte Schwester leb in Frieden, was mich wie schuldge Liebe einst zu dir gebannt, das war des Blutes Stimme die uns verband; in böser Lust nur ist sie mißverstanden, die Mutter sei gepriesen die uns mit geistgem Flügel hat beschützt, o könnt ich ihr mit diesem heilgen [392] Lichte Ruhe geben für die zweifache Ehe um die sie leidet, es würde ihr den Weg zum Himmel zeigen. Sie kommt. O Mutter, nun ist alles mir gewährt dir bring ich die geweihte Kerze zum Opfer dar, du wirst mich führen durch des Todes Sturz, du hast ihn überstanden, was ich verbrochen habe ich gebüßt o Jugendlust, so bleibt auf Erden nichts von mir als Liebesgruß.


Die Mutter erscheint, nimmt sein Licht, sein Leichnam sinkt nieder, seine Lichtgestalt verschwindet mit ihr durch das geöffnete heilige Grab.
GUARDIAN.
Nahe sind wir hier
Dem Paradiese,
Durch des Grabes Thür
Ging ein Riese,
Wo der Felsen bis zum Grund
Ist zerrissen,
Daß wir seinen ewgen Bund
Innig wissen,
Die Erlösten gehen ein
Durch den offnen Grabesstein,
Gehen ein zum Paradies,
Das der Heiland uns verhieß.
BROMLY.
Heiliger Gott, es war meine Mutter, dir nach du vielgeliebte Mutter, hinab in den Felsenschooß.

Er will nach dem heiligen Grabe, der Guardian hält ihn.
GUARDIAN.
Schmerz verwirret deine Sinne.
BROMLY.

Laß mich sterben, laß mich untergehen,[393] Thorheit, Frevel, Glaubensleere haben dieses Herz befleckt, nun die Wahrheit mir erschienen, flieh ich nichts so sehr auf Erden als mich selber. Gott und Christus habe ich geleugnet, meine Lust war mir der Himmel, nimmer wird der Himmel mir verzeihen.

GUARDIAN.

Endlos ist des Himmels Gnade ist die Reue tief und dauernd, aus dem Saulus ward ein Paulus, aus dem Spötter alles Glaubens wird ein Retter unsres Glaubens.

BROMLY.

Zeig mir Wege unersteiglich, die ich für den Glauben soll erklimmen, zeig mir Inseln unerreichlich, Meere die mein Glauben soll durchschwimmen, fort ins Meer und aufs Gebirge, mit Gazellen will ich klettern, daß mich zählt zu ihren Rettern, Christi ewge Gnadenkirche.

VIREN.

Kann nicht sprechen, kann doch handeln, Tod und Liebe mich verwandeln, für den Glauben will ich sterben und die ewge Lieb erwerben.

REISENDER
tritt mit einem Schwert ein.
Nein noch ist nicht das heilge Grab verloren,
Aus dem das ewge Leben quillt,
Ha meiner Andacht Strömung schwillt
Und kühnen Plan hat brausend sie geboren,
Der Himmel hat zum Ritter mich erkoren,
Das Heidenthum soll untergehen,
Ein Engel wird an meiner Seite stehen,
Ich hab es bei dem heilgen Grab geschworen
Und sollt ich kämpfend untergehen
Wird nimmer doch der Thaten Ruhm verwehen.

Er kniet am Grabe.
[394] Sidney, das Kind Olympiens auf dem Arme, kommt mit einem Pilgerzuge zu dem Guardian gezogen.
SIDNEY.

Ich weiß die trauervollen und die wunder baren Zeichen, die diesen Tag erschüttern, der schmerzerfüllten Seele geben sie die Klarheit und die Kraft, Begeisterung zur That zurück; die Gemeinschaft aller Geister, die zu allen nieder wirket, ihre Rechenschaft und Gnade füllet mich mit Zuversicht und ich fühl, ich bin in ihren Händen nur ein Werkzeug, und ich möcht ein Zeichen nehmen, daß sie meine Lehnherrn sind.

GUARDIAN.
Was begehrst du?
SIDNEY
kniet nieder.
Ich begehr ein Ritter von dem heilgen Grab zu werden.
GUARDIAN.

So schwöre mir daß du ein freier Mann daß du zu jeder Zeit mit deines Leibes Kraft mit deines Geistes Weisheit den Glauben schützen willst.

SIDNEY.
Ich schwörs.
GUARDIAN.

So sei ein treuer Ritter deines Herren Jesu Christi, ein Schützer seines heiligen Grabes, zum Zeichen rühre ich dich an mit diesem heilgen Kreuzesstamm, woran er für uns alle hat gelitten, ich gürte dieses Schwert um deine Lenden und hänge diese Kette um den Hals, die Kette bindet dich, das Schwert beschütze dich, es giebt dir Kraft, wem du vertraust, durch Ritterschlag zu gleicher Gnade ihn zu erheben.

SIDNEY
steht auf.

Ich danke Gott, in dessen Namen du dieses Werk vollbracht und wer sich tüchtig[395] glaubt zum großen Werk, den wird mein Schwert berühren, es tödtet die Unwürdigen.

BROMLY.
Auf Segen oder Tod knie ich hier nieder.
SIDNEY
schlägt ihn dreimal mit dem Schwerte.
Du stehst als Ritter auf.
VIREN.
Ich bin bereit zum Sterben.
SIDNEY
schlägt ihn dreimal mit dem Schwerte.
Du stehst als Ritter auf.
VIREN.
Ich bin bereit zum Sterben.
SIDNEY
schlägt ihn dreimal mit dem Schwerte.
Du stehst als Ritter auf.
DER REISENDE.
Ich will das heilge Grab befreien von des Türken Macht.
SIDNEY
erhebt das Schwert.
Erst thu's, dann sags!

Der Reisende wendet sich beschämt fort und zieht in alle Welt und spricht vom Christenthum in tausend Worten, aber seine Worte haben keine Kraft des ewigen Lebens, weil seine Liebe ohne That ist, von ihm kommen alle neuen poetischen Christen, ich rede von denen die es nur in ihren Liedern sind.
SIDNEY.

Er flieht vor einer höhern Hand, ich hab das Schwert geführt wie bei den andern, doch übergeb ich es zum Angedenken dieses Wunders, das meines Weges mich versichert, Olympien, der tiefbetrübten, die bei der Leiche ihres Bruders trauert, in heilgen Mauern sei es aufbewahrt.

OLYMPIE.

In meiner Hand wird dieses blutge Schwert zum Kreuz, ich geh damit voran die Todten zu bestatten, sie sollen ruhn bei jenen ersten Christen die dieses heilge Grab befreit.

SIDNEY.

Ich trag Lysander, meinen Retter, den Gefährten meiner Thaten, meinen Freund zu Grabe, er [396] ruh an Gottfrieds Seite, ihr Freunde singt ein freudig Lied, er hat erreicht, wonach sein edles Herz getrachtet.

DIE ENGLÄNDER.
Schwenket hoch die Freudenfahn
Über unserm Heldentodten,
Denn er fiel auf großer Bahn,
Und er ruht bei großen Todten,
Ruht bei Gottfried,
Der befreit das heilge Grab,
Gottes Fried
Sank auf ihn herab.
Heilger Krieg
Kränzte ihn mit Sieg.
Lasset alle Trommeln schallen,
Alle Pfeifen fröhlich klingen,
Das Gewölb muß wiederhallen,
Laßt uns volle Becher bringen,
Gebet Feuer
Bei der Feier,
Rufet ihm ein dreifach Hurrah,
Singt dem Herrn Halleluja.
VIREN.

Ich trage die Geliebte hier zu Grabe ihre Schönheit, fast erlöscht in Kummer, blühet aus dem Tode neu hervor, sie ruh an Balduins Seite den Schönheit in dem Leben hochbeglückt.

CHOR DER NONNEN.
Unschuld stehe für die Schuld,
Die hier still zu Grab getragen,
Reue bringt ihr ewge Huld,
Und kein Sünder soll verzagen,
Decket sie mit Blumen zu,
Ihre Seele finde Ruh.
BROMLY.

Ich trage meinen unbekannten Bruder hier zu Grabe und sehe staunend noch in den erblaßten Zügen ein Wunderbild von jeder Kraft, die einst in[397] ihm gebunden war, doch wie ein Samenkorn auf dürren Fels gestreut, ist nichts auf Erden von ihm aus geblühet, mag seine Seele hoch im Himmel blühen.

ALLE.
Leise tönet unsre Klage
Um den Starken, Großen, Kühnen,
Der die frischen Lebenstage
Nicht mit Thaten konnt verdienen,
Sondern sie in Liebes Bann
Nur nach Thränen messen kann,
Christus hat die Lieb gebrochen,
Die nur mit dem Tod gekettet,
Und der Tag ist angebrochen
Der ihn von dem Tod errettet,
Ewger Liebe hohes Licht
Seiner Augen Dunkel bricht.
SIDNEY.
Olympie nimm der Trauer und des Abschieds Kuß, er schließet meinen Mund für jede Frau.
OLYMPIE.
Ich bin die deine im Gebet. Sie küßt ihn.
CHORGESANG.
Als die Jünger in dem Dunkel saßen
Trat der Herr zu ihnen ein,
Und ein Grauen thät sie alle fassen,
Daß es sei ein Geisterschein,
Doch er sprach: Was seid ihr so verstöret,
Fühlt die Narben meiner Hände,
Daß ihr aller Welt die Wahrheit lehret,
Bleib ich bei euch bis zu dem Weltende.
Selig wer mich nicht gesehn und glaubet,
Auf ihn baue ich mein Haus,
Weil die Welt ihm nie den Glauben raubet,
Er besteht des Todes Graus.
CHOR.
Selig sind die glauben
Und nicht sehen.
GEGENCHOR.
Ich will sehen
Und will glauben.
[398]
CHOR.
Was ist Sehen
Ohne Glauben?
GEGENCHOR.
Was ist Glauben
Ohne Sehen?
STIMME AUS DEM HEILGEN GRABE.
Ihr sollt sehen in dem Glauben
Und mit Feuer tauf ich euch,
Und der Tod soll keinen rauben,
Der geschaut mein ewges Reich.
Mit dem Speere will ich stechen
In der Schlange Feueraug,
Und mit meinem Schwerte brechen
Ihrer Flamme schwarzen Ranch.
Helles Licht bricht durch die Wolke,
Blaue Luft euch froh umquillt,
Wer da steht in meinem Volke
Ist gedeckt von meinem Schild.
Hängt euch an die goldnen Sporen,
Seht der Füße Wunden an
Und ihr gehet nie verloren,
Flüchtet nie von eurer Bahn.
Seht mein Kreuz, das wird zum Schwerte,
Kommt der böse Antichrist,
Und ich schütze meine Heerde
Gegen alle Teufelslist.
Ähnlich möcht er sich mir stellen,
Aber seht mein Wappenschild,
Sehet seine Schandgesellen,
Sehet eurer Todten Bild.
Wer in diesem Kampf gefallen
Für mein irdisch heilges Haus,
Den wird hohe Ehr umwallen,
Denn er steigt zu Gott hinaus.
Lasset die Posaunen klingen,
Eh der jüngste Tag begann,
Diese Helden sollen dringen
[399] Zu dem Himmelsthor hinan.
Gott mit seinem Richterschwerte,
Schon den weiten Raum bewegt,
Und im Zittern eurer Erde
Sie zu Grabesrittern schlägt.
Seht zum Zeichen ihrer Ehre
Schwebt ein Kreuz von leichtem Licht
Über ihres Leichnams Schwere,
Frei zum Himmel aufgericht.

Drei helle Kreuze erscheinen über den Gräbern Lysanders, Celindens und Cardenios.
CHORGESANG.
Wir glauben und wir sehen
Der Brüder ewgen Lohn,
Sie stehn vor Gottes Thron,
Als Ritter in den Höhen.
Kein Tod schlug sie darnieder,
Der Herr schlug sie zu Rittern,
Die Erde hebt die Glieder,
Es muß das Todte zittern.
Die hohen Kreuzessfammen,
Durchstrahlen Zions Mauern,
Und stürzten sie zusammen,
Wir stürben ohne Trauern.
Der Mittelpunkt der Erde,
Ist Christi heilges Grab,
Es rufet uns herab
Der Schöpfung ewges Werde

Das Erdbeben endet.
DER DICHTER.
Schaffen zeigt sich im Verwandeln,
Ernst verwandelt sich in Spiel,
Dieses ist der Worte Ziel,
Doch des Lebens Ziel ist Handeln.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2011). Arnim, Ludwig Achim von. Dramen. Halle und Jerusalem. Jerusalem. Jerusalem. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-09C9-E