Wer wacht in dieser hellen Nacht

Wer wacht in dieser hellen Nacht,
Und regt um mich die Hände?
Und reißt mich aus der Schlafes Macht?
Ich seh nur weiße Wände,
Die rings der Mondenglanz bescheint,
Am Fenster manches Tröpfchen weint,
Gern küßt' ich die in raschem Lauf,
Wie eisig kalt ist diese Nacht.
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Nach solchem warmen Tage,
Wer hat die Wärme angefacht,
Wer bringt der Kälte Plage,
Bald wärmet mich dein erstes,
Bald wärmet mich dein Händedruck,
Bald deiner Lippen rother Schmuck.
So schleich' ich wie ein Nachtdieb hin
Und geh' auf rechten Wegen,
Die Treue ist mir kein Gewinn,
Der Glaube giebt nicht Segen,
Und selbst der Reichthum mich nur quält
Im armen Land, dem Freiheit fehlt,
Die Liebe einzig lohnet mir
Was ich durch Tugend hier verlier'.

Notes
Aus »Die Verkleidungen des französischen Hofmeisters und seines deutschen Zöglings«, Erstdruck in: Frauentaschenbuch für das Jahr 1824, hg. von Friedrich de la Motte- Fouqué, Nürnberg.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2011). Arnim, Ludwig Achim von. Wer wacht in dieser hellen Nacht. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-07D2-6