Das Lied vom heiligen deutschen Lande

1813.


Es klang von hohen Ehren
Ein heller Wunderklang,
Wie längst verschollne Mären
Er durch die Seelen drang,
Wie Wasser aus den Tiefen
Zum Himmel schäumend sprühn,
Wie Geister, welche schliefen,
Die Mitternacht durchziehn.
So faßt' es alle Herzen,
So klang's durch jede Brust,
Voll heißer Weheschmerzen,
Voll heißer Wonnelust;
Wie Menschen in Gewittern
Den Glanz des Höchsten sehn,
Mit Freude und mit Zittern
In seiner Macht vergehn.
Denn Gott, der alte Retter,
Der droben wandeln geht,
Erschien in Blitz und Wetter
In hehrer Majestät;
Als Richter wollt' er kommen
Herab vom Himmelreich,
Drum freut euch all ihr Frommen,
Ihr Frevler, werdet bleich.
[163]
Wer kann die Taten sprechen,
Die Gott der Herr getan,
Wodurch er Schanden brechen
Und Ehren lohnen kann?
Wer zählt die edlen Toten,
Die trotzig auf das Kreuz
Sich kühn zur Sühnung boten
Im süßen Himmelreiz?
Wer zählt die Wundertaten,
Die Preise mannigfalt,
Die also schön geraten
Durch Gottes Allgewalt?
Der Wahn ist nun zerstoben,
Zermalmt die Tyrannei,
Der Mensch blickt hin nach oben
Und jauchzet: Wir sind frei!
Das war der Klang der Ehren,
Das war die Wunderzeit,
Die, selig im Gebären,
Sich ihrer Wehen freut;
Das brauset in den Tiefen,
Das blitzt am Firmament,
Die Geister, welche schliefen,
Jetzt jedes Kind erkennt.
Sie schreiten schön gerüstet
Daher im Himmelschein,
Und jedes Herz gelüstet
In ihrer Schar zu sein;
So wie die Kindlein eigen
Der lieben Mutter sind,
Naht ihnen frommes Neigen
Ein jedes Menschenkind.
Der erste ist der Glaube,
Er trägt den Kreuzesbaum
Und blicket von dem Staube
Hinauf zum Sternenraum:
Hienieden ist sein Sehnen
Und seine Freude nicht,
Der Himmel nur lockt Tränen
Von seinem Angesicht.
[164]
Von allen Himmelsbräuten
Das allerschönste Kind
Geht Hoffnung ihm zur Seiten,
Gar lieblich, zart und lind:
Sie weiß nichts von der Erden
Noch von der Erdenfreud',
Will gern ein Engel werden
Und trägt ein grünes Kleid.
Die dritte heißt die Liebe,
Trägt einen Dornenstrauch
Und saugt mit süßem Triebe
Der roten Rosen Hauch:
Sie meldet, daß im Leide
Die höchste Wonne blüht,
Drum Wehmut mit der Freude
Ihr als Geleite zieht.
Es wandeln still und leise
Die Himmelsboten drei,
Gar hold ist ihre Weise
Wie Kinderspiel im Mai,
Sie spielen tausendfaltig
Dahin im Ernst und Scherz,
Daß Gottes Kraft gewaltig
Entflammt das Menschenherz.
Und mit Posaunenschalle
Ertost es durch die Welt:
Ihr Völker, kommet alle!
Gott führet an, der Held.
Hinein, hinein mit Freuden!
Hinein ins blut'ge Feld,
Für Recht und Licht zu streiten!
Gott führet an, der Held.
Du hast es wohl vernommen,
Mein heil'ges deutsches Land;
Du Vaterland der Frommen,
Nach Helden viel genannt,
Du zogst den kühnen Degen
Mit Gott für heil'gen Krieg,
Und über dir war Segen,
Und neben dir stand Sieg.
[165]
O Land der alten Treue!
Mein deutsches Vaterland!
Du hast des Himmels Weihe,
Du hast sein Unterpfand:
Halt fest mit starkem Sinne,
Was Gott der Herr dir gab,
Des Himmels reine Minne,
Die ist der Heere Stab,
Die ist der Heere Fahne,
Ihr Stahl und ihre Burg
Und ficht im hehren Wahne
Die Todesschlachten durch;
Die sei in allen Tagen
Im Frieden und im Streit
Dein Wollen und dein Wagen
Nun und in Ewigkeit.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2011). Arndt, Ernst Moritz. Gedichte. Gedichte. Das Lied vom heiligen deutschen Lande. Das Lied vom heiligen deutschen Lande. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-061D-8