Grablied

1818.


Geht nun hin und grabt mein Grab,
Denn ich bin des Wanderns müde,
Von der Erde scheid' ich ab,
Denn mir ruft des Himmels Friede,
Denn mir ruft die süße Ruh'
Von den Engeln droben zu.
Geht nun hin und grabt mein Grab,
Meinen Lauf hab' ich vollendet,
Lege nun den Wanderstab
Hin, wo alles Ird'sche endet,
Lege selbst mich nun hinein
In das Bette sonder Pein.
[194]
Was soll ich hienieden noch
In dem dunklen Tale machen?
Denn wie mächtig stolz und hoch
Wir auch stellen unsre Sachen,
Muß es doch wie Sand zergehn,
Wann die Winde drüber wehn.
Darum, Erde, fahre wohl!
Laß mich nun in Frieden scheiden,
Deine Hoffnung ach! ist hohl,
Deine Freuden werden Leiden,
Deine Schönheit Unbestand:
Alles Wahn und Trug und Tand.
Darum letzte gute Nacht,
Sonn' und Mond und liebe Sterne!
Fahret wohl mit eurer Pracht!
Denn ich reis' in weite Ferne,
Reise hin zu jenem Glanz,
Worin ihr erbleichet ganz.
Ihr, die nun in Trauern geht,
Fahret wohl, ihr lieben Freunde!
Was von oben niederweht,
Tröstet froh des Herrn Gemeinde;
Weint nicht ob dem eitlen Schein:
Droben nur kann ewig sein.
Weinet nicht, daß nun ich will
Von der Welt den Abschied nehmen,
Daß ich aus dem Irrland will,
Aus den Schatten, aus den Schemen,
Aus dem Eitlen, aus dem Nichts
Hin ins Land des ew'gen Lichts.
Weinet nicht, mein süßes Heil,
Meinen Heiland hab' ich funden,
Und ich habe auch mein Teil
In den warmen Herzenswunden,
Woraus einst sein frommes Blut
Floß der ganzen Welt zugut'.
Weint nicht: Mein Erlöser lebt,
Hoch vom finstern Erdenstaube
Hell empor die Hoffnung schwebt,
[195]
Und der Himmelsheld, der Glaube,
Und die ewige Liebe spricht:
Kind des Vaters, zittre nicht!

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TextGrid Repository (2011). Arndt, Ernst Moritz. Grablied. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-057A-F