Des Durch die gantze Welt beruffenen Ertz-Schwartz-Künstlers und Zauberers Doctor Johann Fausts,
Mit dem Teufel auffgerichtetes Bündnüß, Abentheurlicher Lebens-Wandel und mit Schrecken genommenes Ende,
Auffs neue übersehen,
In eine beliebte Kürtze zusammen gezogen,
Und allen vorsetzlichen Sündern zu einer hertzlichen Vermahnung und Warnung zum Druck befördert von Einem Christlich-Meynenden.

[Uberschrifft zweyer Bilder]

[2] Diese Verse stehen,
als eine Uberschrifft zweyer Bilder,
in Auerbachs Keller zu Leipzig.

1. externè.

Der Doctor Faust zu dieser Frist
Aus Auerbachs Keller geritten ist
Auff einem Faß mit Wein geschwind,
Welches gesehn viel Mutter-Kind;
Hats durch sein subtile Kunst gethan,
Des Teufels Lohn empfangen davon.
2. internè.

Vive bibe obgrægare memor
Fauste cujus & hujus
Pœnæ aderat claudo hæc
asterat ampla gradu.

Anno M. D. XXV.
[2]

Unpartheyischer Leser

Unpartheyischer Leser:

GEgenwärtige Blätter solten billig entweder die Wahrheit der Historie des Welt-bekannten Schwartz-Künstlers DOCTOR Johann Faustens, mit unverwerfflichen Gründen behaupten, oder wo dieses ja nicht möglich, die Falschheit derselben der galanten Welt deutlicher vor Augen legen; welches auch Anfangs mein Absehen selbst gewesen. Weil aber so unzehlig viel Schrifften pro & contra davon heraus, die theilsex professo, theils incidenter diese intricate Materie berühret, und nicht ohne Verwunderung viele von denen Gelehrtesten unserer Zeit hierinnen Schiffbruch gelitten, so habe solches zu einer reiffern Meditation ausgesetzet, und bloß die von ihm erzehlten Fata zusammen getragen, damit ich dem Verlangen einiger, welche seine Lebens-Beschreibung nur in etlichen Bogen zu haben gewündschet, ein Genügen thun möge.

[Text]

[3] * * *

UNd soll dieser Johann Faust in dem Anhaltischen Marck-Flecken Sondwedel, von frommen darbey aber armen Bauers-Leuten gebohren seyn, hingegen in Wittenberg einen wohlbegüterten Vetter gehabt haben, welcher seines Vatern Bruder gewesen, der ihn von wegen seines fähigen Kopffs, weil er keine Leibes-Erben hinterlassen, an Kindes-Statt auferzogen, und so fleißig zur Schule gehalten, daß er mit zunehmenden Alter, die Academie zu Ingolstadt besuchen, und nach etlichen Jahren nebst Eilff andern Canditaten den gradum eines Magistri nicht ohne geringen Ruhme seines Wohlverhaltens annehmen können. Allein das damahls in der Päbstl. Finsternüß vor Lutheri Reformation im Schwange gehende Seegen-sprechen,Exorciren und Teuffels-Bannen brachte ihm bald auff andere Gedancken, daß er sich auff die abergläubischen Characteres legte, und an hohen Fest-Tagen, wenn die Sonne früh Morgens aufgienge, das so genannte Crepusculum matutinum gebrauchte; Worzu die üble Conversation mit leichtsinnigen Leuten und häufig herumschweiffenden Zigeunern, zu welchen er sich fleißig gehalten, und die Chiromantie von ihnen erlernen wollen, sehr vieles beygetragen haben mag. Er changirte auch gar sein Studium Theologicum mit dem Studio Medico, und unter diesem Vorwande befleißigte er sich den Himmels-Lauff zu erforschen, lernete Nativität [4] stellen, und suchte denen Leuten, was sie von ihrer Geburts-Zeit an, bis zu Ende ihres Lebens vor Glück und Unglück erleben würden, zu verkündigen. Worinnen er es auch ziemlich weit brachte, und nach und nach ein guter Prognosticant wurde, der sonderlich wegen des Calender-schreibens sich in Ruff sezte. Seine Eltern sahen zwar nebst dem Vetter seine Umsattelung mit mißvergnügten Augen an, er wuste ihnen aber gar bald ein gutes Sentiment von der an sich selbst höchstnützlichen Medicin undAstronomie beyzubringen und sie zu überreden, daß er gleichsam zu diesen gebohren, und weit geschickter als zur Theologie wäre; Welches die IngolstädtischeUniversität durch seine Vermittelung selbst attestiret, und ihm nach verflossenen drey Jahren den Titel eines Doctoris Medicinæ ertheilet, woran zwar viele, auch selbst diejenigen, welche dieser Geschichte noch einigen Glauben beylegen, zweifeln.

Nun ist es nicht zu leugnen, daß er damals in Ansehung seines Fleißes noch viel Gutes an sich hatte, welches die Augen der Leute blendete, indem er seine gottlose Absicht verbergen muste, wo er sich nicht den fetten Bissen von Maule nehmen lassen wolte. So bald aber nun der Vetter die Augen geschlossen, und er Herr von diesem grossen Reichthume worden, so ergab er sich allen Wollüsten; und als er bey mercklicher Abnahme seines Vermögens sich der lüderlichen Gesellschafft entschlagen muste, so lehrte [5] ihm gar der schändliche Müßiggang auff Mittel sinnen, sich durch ein teuffelisches Bündnüß auff der Welt glücklich zu machen. Weswegen er allerhand Astrologische, Chiro- und Nigromantische etc. Schrifften, deren in grosser Anzahl nach seinem schrecklichen Tode gefunden worden, auffgekauffet, oder geborget und abgeschrieben. Doch ehe er die Citirung der Geister anfieng, suchte er seine Complexion, ob sie ihm zu seinen Zwecke geneigt und beförderlich oder hinderlich seyn möchte, zu erkundigen, weil immer ein Mensch glücklicher sey, und eher Geister gewahr werde, als der andere. Darum lase er fleißig im Zoroastre von ascendenten und descendenten Geistern, sonderlich betrachtete er seine Geburts-Stunde mit dem damals gewesenen Einfluß der Sterne, und sande, daß er nicht allein mit einen herrlichen Ingenio begabet wäre, sondern auch, daß die Geister eine sonderliche Zuneigung zu ihm haben solten. Worinnen er noch mehr gestärcket wurde, als er etliche mal nach einander in seiner Stuben einen seltsamen Schatten an der Wand vorüber fahren, und des Nachts in der Schlaff-Ka er viel Lichter hin und wieder bis an seine Bett-Statt gleichsam fliegen sahe, auch vielmals gar leise Stimmen hörte; worüber er sich recht er freuete; nur hatte er nicht so viel Courage dieses imaginirte Gesichte anzureden, sondern vermeynte durch das Crystall-Glas noch mehr Licht zu bekommen, welches er von dem berühmten Crystall-Seher Christoph Hayllingern erhandelt.

[6] Worauf er sich auch bey heiterm Tage auff einen Creutz- oder Scheide-Weg der fünff Gänge hatte, und eine halbe Meile von Wittenberg lag, begab, und allda den gantzen Nachmittag verblieb; wo er bey einbrechender Nacht einen Reiffen mit vielen seltsamenCharacteribus nebst zween andern Circkeln verfertigte, und die Mitternachts-Zeit im Spesser-Walde erwartete; wie sich diese seinen Verlangen nach auch zeigte, so nahm er seine Retirade in den mittelsten Circkel und citirte nicht ohne geringen Mißbrauch Göttliches Nahmens den Teufel. Allein an statt, daß er in Person erscheinen solte, praesentirte sich eine feurige Kugel, welche nahe an dem Circkel mit entsetzlichen Knallen zersprang, und mit einem feurigen Strahl in die Lufft führ, daß er bald von seinen gottlosen Vornehmen abgeschreckt worden. Gleichwohlcontinuirte er seine Beschwörung mit weit härtern Worten, und wurde durch einen ungeheuren Sturm-Wind und vorbeyfahren etlicher mit Pferden bespanneten Wagen, welche wie ein Blitz seinen Circkel vorbey renneten, und ihn mit Staub über und über bedeckten, in neue Furcht gesezt, daß er sich wohl hundert mal gewündschet viel tausend Meilen darvon zu seyn. Wider alles Verhoffen aber sahe er ein Gespenst um den Circkel wandern, durch dessen Erblickung er wiederum etwas Muth bekam, und ihm zurieff: Er solte nur frey bekennen, ob er ihm dienen wolte, oder nicht? welches der Geist mit dem Bedinge, wo er etliche Puncte, die er ihm vorhalten würde, eingienge, [7] die gantze Zeit seines Lebens zu thun verhieß, und Morgens drauff in seiner Behausung zu erscheinen versprach, damit sie von dieser Sache mit einander umständlicher reden könten.

Faust acceptirte solches gantz willig / zertrat den Circkel mit Füssen und kehrete, nachdem er drey Stunden lang mit der Beschwörung zugebracht, wiederum mit Freuden nach Hauß. Welchem Versprechen auch der Geist nach langem ängstlichen Warten des Fausts im Mittage nachgekommen, und sich auff unterschiedene Art nahe bey dem Ofen postiret, bis er endlich auff nochmals vorhergegangene Beschwörung des Fausts, sich in einem Menschen-Kopffe gezeiget, und ihm einen tieff-gebückten Reverenz gemacht, unter diesem Vorwande aber, weil er nicht allzuweit von ihm entfernet, nicht weiter gehen wollen. Worübersich Faust ereyfert und mit noch härterer Beschwörung gedrohet haben soll, welches dem verfluchten Geiste unangenehm zu seyn geschienen, weil er seinem Befehle im Augenblicke gehorsam gewesen, ausser daß er ihm neue Angst verursachet, als er das Zimmer in vollem Feuer, welches sich überall ausbreitete, und den Geist in dem gezeigten Menschen-Kopffe, den Leib aber so zottig wie ein Bär gestallt, erblickte, daß auch Faust genöthiget ward den Geist zu bitten, die Retirade wiederum hinter dem Ofen zu nehmen, welches auch geschahe; Faust fragte ihm zwar darauff: Ob er nicht eine andere als diese abscheuliche und greuliche [8] Gestalt annehmen könte: Allein der Geist negirte es, weil er ein Fürst und kein Diener der Höllen sey. Doch wolte er ihm einen schicken, der ihm in allen seinen Begehren nach Hertzens Wunsch willfahren werde, wo er diese fünff Punckte, welche Faust auffzeichnete, auch mit seinem Blute unterschriebe, eingienge. Und waren dieselben folgender Gestalt eingerichtet, daß er


  • I. GOTT und allen himmlischen Heer absagen.
  • II. Aller Menschen Feind seyn, sonderlich derjenigen, so ihn seines bösen Lebens wegen würden straffen wollen.
  • III. Worunter fürnehmlich die Geistlichen gehörten, denen er nicht gehorchen, und
  • IV. Zu keiner Kirchen gehen noch Sacramenta gebrauchen, wie auch
  • V. Den Ehestand hassen, und sich weder in denselben einlassen noch gar ehelich vollziehen solle.

Zum Gratial wolle er ihm die gantze Zeit seines Lebens alle nur ersinnliche Lust verschaffen und zu dem erfahrensten und berühmtesten Mann machen.

So süsse das lezte in Fausts Ohren klange, so bittere und melancholische Gedancken brachte das [9] erste zu wege. Aber worein verfällt nicht der Mensch, wenn er einmal sich dem Teufel ergeben? Was war es also Wunder, daß Faust alles auff die leichte Achsel nahm, und nur die leichtesten als den II. und lezten Articul vor schwer ansahe; Welchen Zweiffel er jedoch bald selbst zu heben wuste, und die blutige Handschrifft auff den Tisch zu legen versprach, nur solte er künfftig in verkleideter Menschen-Gestalt erscheinen; welches auch der Geist zusagte, und darauff verschwand.

Faust aber ergrieff ein Feder-Messer, öffnete an der lincken Hand ein Aederchen, und schrieb mit seinem Blute und eigner Hand diese höchst-verdammliche Obligation:


ICh JOHANNES FAUSTUS, Doctor, bekenne hie öffentlich am Tage, nachdem ich jederzeit zu Gemüth gefässet, wie diese Welt mit allerley Weißheit, Geschicklichkeit, Verstand und Hoheit begabet, und allezeit mit hochverständigen Leuten geblühethat; Dieweil ich denn von GOtt dem Schöpffer nicht also erleuchtet, und doch der Magiæ fähig bin, auch darzu meine Natur von hi lischen Influentien geneigt, zu deme auch gewiß und am Tage ist, daß der irdische Gott, den die Welt den Teuffel pflegt zu nennen, so erfahren, mächtig, gewaltig, und geschickt [10] ist, daß ihm nichts unmöglich, so wende ich mich nun zu dem, und nach seiner Versprechung soll er mir alles leisten und erfüllen, was mein Hertz, Gemüthe, Sinn und Verstand begehret und haben will, und soll an nichts Mangel erscheinen, und so denn dem also seyn wird, so verschreibe ich mich hiermit mit meinen eignen Blute, welches, wie ich gleichwol bekennen muß, daß ichs von dem GOtt des Himmels empfangen habe, daß ich dasselbe, und auch diesen meinen Leib und Gliedmaßen, so mir durch meine Eltern gegeben, und alles was an mir ist, samt meiner Seelen, hiermit diesen irdischen Gott feil trage, und verspreche mich ihm mit Leib und Seele. Dargegen sage ich, vermöge der mir vorgehaltenen Articul ab, allen himmlischen Heer, und was GOttes Freund seyn mag. Zu Bekräfftigung meiner Verheissung will ich diesen allen treulich nachko en; und die weil unser auffgerichtetes Bündnüß Vier und Zwantzig Jahr währen soll, so soll er denn, wenn diese verschienen und verlauffen, dieses sein Unterpfand, Leib und Seele, angreiffen, und darüber zu schalten und zu walten, Macht haben, soll auch kein Wort Gottes, auch nicht die solches predigen, und [11] vortragen, hierinnen einige Verhinderung thun, ob sie mich schon bekehren wolten. Zu Uhrkund dieser Handschrifft, habe ich solche mit meinem eignen Blute bckräfftiget und eigenhändig geschrieben.


Ob das ô homo fuge in seiner lincken Hand eingegraben dreymal von ihm gesehen worden, lasse ich zwar dahin gestellet seyn. Doch ist kein Zweiffel, daß GOtt allerhand Vorstellungen um ihn davon abzuziehen, in seinem Hertzen wird gethan haben, wenn nur Faust nicht vorsetzlich desselben heil. Würckung widerstanden hätte. Der Teufel ließ ihm auch selbst, nach Verfertigung derselben, nicht viel Zeit übrig, es nochmals zu überlegen / sondern holte gar zeitig, in eines grauen Münches Gestalt, die kaum trocken gewordeneObligation ab, und versprach nochmals den schon gedachten gelehrten und erfahrnen Geist, in eben dieser Kleidung künfftig zu schicken, welcher auch Abends nach Tisch-Zeit, als schon alle Thüren im Hause verschlossen, an sein Museum klopffte, und sich nach geheißenem Setzen und gethanener Frage: Was seine Handthierung sey? gegen ihm beschwerete; warum er ihm alle Herrligkeit beraubet, und zu einen Menschen-Diener gemacht? Doch weil er ein Spiritus familiaris, der gerne in Gesellschafft der Menschen wäre, und dem Befehle seines Principalen nicht wohl widerstreben könte, so wolte er ihm getreulich dienen, er [12] solte nur, wenn er seiner benöthiget, Mephistophiles ruffen, er würde nicht weit seyn. Wormit auch Faust wohl zu frieden war, und ihm vor dismal dimittirte. Allein bey der andern Zusammenkunfft wolte er bald mißtrauisch auff ihn werden, warff ihm den ihm nicht zukommenden Habit vor, und wolte ihm gar ein Schellgen anhängen damit er ihn kommen hörte; welches dem Geiste nicht anstehen mochte, denn er expostulirte mit sehr penetranten Terminis mit ihm, daß auch Faust ziemlich gelinde Säiten auffzog, und ihn zu besänfftigen suchte.

Nun war seine erste Sorge, weil die Lebens-Mittel meist verzehret, um deren verspührten Mangel er dieses desperate Refugium ergriffen, wie seine künfftige Haus-Haltung auff das kostbarste eingerichtet werden möchte; welche ihm der Geist bald benahm, und Koch und Kellner zu seyn versprach, nur solte er allerhand Geschirre anschaffen, solche wolte er alle mit dem delicatesten Essen und Trincken anvöllen; keine Magd könne er nicht leiden, aber einen Famulum und gute Freunde mit denen er bißher umgegangen, könne er ihm zu Gefallen und zu seinem Zeit-Vertreibe wohl erlauben. Wegen der Kleidung dürffe er gleichfalls unbekümmert seyn, wenn er allemal ein Verzeichniß von allen, was er verlangte, Abends zuvor auff den Tisch legte, so würde er alles kommenden Tages zu rechter Zeit haben.

[13] Welches Faust fleißig beobachtete, und bey der ersten Mahlzeit vom Geiste ein zierlich vergöldetes Trinck-Geschirr verehrt bekam, wobey er mit sechs oder acht Speisen nebst etlichen Sorten von Weinetractiret wurde. Allein wer wünscht sich wol dergleichen verfluchte Mahlzeit zu geniessen, welche uns zu einen asotischen und teufelischen Leben Thor und Thür öffnet, worein Faust gefallen, und um dieser Ursachen wegen in der gantzen Stadt in Geschrey war, daß ihn auch der Geist selbst, um ihn aus dem Verdacht zu bringen, zu einer eingezogenen Lebens-Art anmahnen muste, und in eigner Person Aecker und Wiesen besser als zuvor, bestellen ließ. Wodurch also sein Credit noch in etwas so lange erhalten wurde, biß er das Gewinnsüchtige Spielen hervor suchte, und entsetzliche Summen Geldes vom Geiste begehrte; worein dieser nicht willigen wolte, sondern hefftigcontradicirte. Faust muste zwar gute Worte geben, doch fruchtete es so viel, daß ihm der Geist hernach niemals bestraffte; Hingegen verbot er ihm die heilige Bibel zu lesen, und von Glaubens-Sachen zu disputiren. Wolte er ja was lesen, so solte er das erste, andere und fünffte Buch Mose, den Hiob / nebenst denen Apocryphis, und im Neuen Testament den Zöllner, Mahler und Artzt (Matthæum, Marcum undLucam) durchgehen; den Psalter den Johannem, und den Schwätzer Paulum aber gäntzlich meiden. In discouriren könne er Themata von Concilien, Ceremonien, Messe und Fege-Feuernehmen; welches Faust, wiewol ungerne, eingieng.

[14] Doch war er nicht von der Krafft, seine Gewissens-Angst gantz und gar zu verstecken; Denn bald fragte er den Geist: Was er Anfangs für ein Geist gewesen? Ob der bösen Geister viel wären? Aus was Ursachen die Teufel von GOtt aus dem Himmel verstossen worden? Ob die Teuffel auch eine Ordnung und Regiment wie weltliche Fürsten unter sich hätten? Wie die Hölle beschaffen, ob eine zu statuiren oder nicht? Bald aber: Was es mit dem Himmel vor eine Bewandniß habe? Wie groß das Ansehen und die Freude der Engel daselbst? Und wie angenehm das Paradies der ersten Eltern anzusehen gewesen? Ob die Teusel ebenfalls hofften einmal selig zu werden? Endlich druckte er gar los, und wolte wissen: Was der Geist wol gethan hätte, wenn er an seiner Stelle gewesen? Ob ihn der Teufel zuvor schon, ehe er dieses Bündniß mit ihm getroffen, wie andre sichere und gottlose Menschen geregieret und geistlich besessen hätte? worvon der Geist wider seine Natur und Eigenschafft sehr wohl raisonirte, und ihm dadurch die Bekümmernis der Seelen verdoppelte. Aber das verstockte und nunmehr an GOttes Gnade zweifelnde Hertz des Fausts ließ auch des Teufels eigene Warnung leer vor bey streichen; Worbey wir GOttes unbeschreibliche Barmhertzigkeit erkennen lernen, daß alle Creaturen, ja der Teufel selbst wider seinen Willen die abtrünnigen Sünder zur Busse vermahnen müssen. Noch ist der [15] ruchlose Mensch bey sehenden Augen blind, und bey hörenden Ohren taub, und widerstehet allen Reitzungen und Lockungen des Heiligen Geistes.

Faust spiclete mit seinen Zottigen Hunde Præstigiæ, welcher mit seiner die Menschen selbst übertreffenden Kunst ihm divertirte. In seinem Hause waren die Zimmer mit Tapeten und schönen Gemählden bezieret; in zwoen Stuben wurde die rareste Zusammenstimmung eines Vogel-Gesangs von allerhand lieblich-singenden Vögeln gefunden; den Vorhof sahe man mit Capaunen, Enten, Indianischen Hünern, Reb-und Hasel - Hünern, Krannichen, Reygern, Schwanen, Störchen, etc. alle von ausser ordentlicher Schönheit und Grösse angevöllet; sein Lust-Garten gleichte sich fast dem Paradiese, welcher von keinen Winter wuste; denn das gantze Jahr grünete das mit allerley Bäumen vermengte Laub und Gras; der schönsten von mancherley Art Trauben behängten Weinstöcke, welche Winter und Sommer reiff, hiengen da, wie auch der prächtigsten Tulpen, gefülten Joseph-Stäbe und Narcissen, ingleichen der vielfärbigen Blumen und Rosen, wurde man daselbst in grosser Menge gewahr; gleich im Eingange des Gartens fielen denen Zuschauern zierlich auffgeführte Granaten-Pomerantzen-Limonien- und Citronen-Bäume, hernach von andern gemeinen, als Kirsch-Aepffel- und Birn-Bäumen, in die Augen; und wer [16] wäre alle Stauden-Gewächse nach der Länge zu erzehlen vermögend? Da in einen Augenblicke die Bäume andere Früchte / als ihre Natur mit sich brachte, herfür gaben: Denn hier trugen etliche Birn-Bäume nebst ihren Birnen Datteln, Kirsch-Bäume Feigen, andere zeitige Castanien etc. Nur bekamen die wenigsten, ausser seine Bekannten, dieses bezauberse Lust-Revier zu Gesichte. Denn ob er wol durch seine grosse Erkeñtniß der Astrologie und Mathematic, in welcher ihm zur selben Zeit keiner gleich gekommen, auch hierinnen was sonder liches præstiren können, so war doch diese verblendete Vorstellung von so gar übernatürlicher Wirckung, daß er besorgen muste, es möchten durch den Anblick derselben die Leute noch mehr in dem von ihm geschöpfften Wahne der Zauberey gestärcket werden.

In der Astrologia suchte er sich im Gegentheile desto bekannter zu machen, in welcher er, durch Beyhülffe seines Geistes, den Zunahmen des andern Zoroastris von andern Astrologis erhielt. Selne Prognostica oder grosse Practica, welche er unterschiedlichen vornehmen Herren dedicirte, stimmeten alle überein. In seinen Calendern fande man alle Jahr ein neues Werck, welches in der Witterung sonderlich accurat; worbey er Zeit und Stunde meldete, wenn dieses oder jenes künfftig geschehen würde- und jede Herrschafft wegen der bevorstehenden Theurung,[17] Krieg, Auffruhr und Pestilentzialischen Kranckheiten besorgt zu seyn, anmahnete. Er erhielte auch was er suchte, denn jedermann hielte seine Reden und Schrifften vor Oracula; Gegenwärtige und Abwesende consulirten ihn, und begehrten sich von ihm entweder wahrsagen oder die Nativität stellen zu lassen; welches leztere unter unzehlig andern mit dem eintzigen Exempel des Prælaten Azzolini zu Pavia erweise, dem er vorher gesagt, daß er bald Cardinal werden würde, und deswegen nebenst dem verbündlichsten Dancke 200. Cronen von ihm, als die Erfüllung geschehen, überschickt bekommen.

Nun wollen wir, ehe wir zu dem erschrecklichen Ende seines Lebens eilen, etliche lächerliche Possen von ihm anführen, und mit dem curiousen Mantel-fahren dreyer jungen Frey-Herren auff das Fürstliche Beylager nach Münster den Anfang machen: Diese brachte Faust ohne Wagen und Pferde auff seinem Mantel glücklich hin, und wieder zurück, ausser einen, der sein versprochenes Stillschweigen gebrochen, und sich als man das Hand-Wasser, damaligem Gebrauche nach, auf Befehl des Fürsten, ihnen auch gereichet, ergebenst bedancket, und deswegen zurücke bleiben, ja gar ins Gefängnüß wandern müssen; dem aber Faust noch vor anbrechendem Morgen des folgenden Tages erlösete, indem er die Leib-Wacht des Fürsten in einen tieffen Schlaff bezauberte, [18] Schloß und Thüre durch seine Kunst öffnete, seinen Mantel um den noch schlaffenden Frey-Herrn warff, unvermerckt damit fortschiffte, und nicht ohne grosse Freude nach Wittenberg zu seinen Vettern brachte, welche ihn mit einer ansehnlichen Verehrung regalirten.

Allein so grosse Summen ihn seine Kunst und der Geist zu wege brachten, so groß wolte manchmal der Mangel einreissen, welches Fausten, auff abgeschlagene Antwort seines Mephistophilis, auff neue List und Räncke zu sinnen nöthigte. Der denn in Beyseyn eines seiner guten Freunde einen Juden anbackte, daß er ihm 60. Thaler auff einen Monat lang vorschießen solte, er wolte sie ihm nebenst der interesse mit danckbarem Gemüthe, (wiewol das Hertz weit darvon entfernet war,) wieder zustellen; in Aussenbleibung dessen aber möchte er sich statt eines Unterpfandes an seinen Fuß halten; welches der Jude, ob es schon ein blosser Schertz, im Ernst annahm, und nach verlauffener Zeit das Seinige forderte, ja gar mit Gewalt, in Gegenwart zweyer Juden, auff des Fausti begehrte nochmalige Vorlesung der Obligation, das Unterpfand ablösete, und das Blut seiner Meynung nach halb-todten Fausti mit einer auffgelegten Salbe stopffete. Allein die Reue kam eher dem Juden als Fausten an, darum warff er den Fuß ins Wasser; welches Fausten Gelegenheit gab, ihn gerichtlich zu belangen, [19] und wurde die Sache per amicabilem compositionem dahin verglichen, daß beyde Theile sich ihrer Anforderung lossagten.

Wie nun dieses Geldchen auch verthan, so muste ein Roßtäuscher auff dem öffentlichen Marckte herholten, dem er ein durch seine Kunst zugerichtetes licht-braunes Pferdt verhandelte, und darbey verwarnete, es vor Verfließung zweyer Tage nicht in die Schwemme zu reiten; Weil er es aber doch that, und im Durchreiten auff einem Büschel Stroh fast ertruncken wäre, so practicirte Faust seine Kunst noch rinmal, und ließ sich auff der Ofenbanck schlaffende von dem ergrimmten Roßtäuscher, ein Bein ausreissen, als er ihm etwas zu hart ziehen mochte, wodurch er aus dem verstellten Schlaffe erwachete und Zeter undMordio schrye, daß der Roßtäuscher über Halß und Kopff den Fuß zurücklassende, das Reißaus spielete.

Fünff Schweine, die sein Famulus Wagner getrieben, und er jedes vor 5. Gülden verhandelt, sind auch wie das Pferd in Stroh-Wische metamorphosiret worden, welche die Säutreiber, wider seinen gethanenen Befehl, in die Schwämme getrieben.

In Leipzig hat er einen artigen Possen gespielet, wohin er sich, die Messe zu besuchen, mit etlichen[20] Polnischen von Adel, welche damals in Wittenberg studirten, und Fausten offt Compagnie leisteten, begeben; allwo sie denn durch seine Kunst geschwind und ohne Schaden angekommen; lieff ihnen gleich ein Haase qveer über den Weg, welches sie vor ein unglückliches Omen auslegten, so begegnete ihnen doch nichts, das sie an ihrer Reise verhinderte. Wie sie nun die Kostbarkeit der Stadt und den Flor der Kauffmannschafft im Augenschein genommen, so wurden sie in einem Wein-Keller gewahr, daß die Schröter ein Faß Wein nicht heraus bringen konten, worüber sie ihr Gelächter hatten, welches das ohnedem grobe Rülpel-Volck noch mehr in Harnisch jagte, daß sie die schimpflichsten Reden gegen sie ausstießen, und ihnen vorwurffen, daß ihre losen Goschen es doch nicht heraus schroten würden: Ja der Herr des Kellers verobligirte sich selbst einen unter ihnen das Faß Wein zu schencken, der seine Worte in der That præstiren könte. Womit Faust gleich zufrieden gewesen, das Faß wie ein Pferd herauffgeritten, und es in einem Wirths-Hause mit unterschiedlichen Studenten ausgesoffen.

Denen Erfurtischen Studiosis hat er nicht allein, als er M. Moirs begleitet, der dahin vocirt worden, die rühmlichen Thaten der Griechischen Helden Menelai, Achillis, Hectoris, Priami, Alexandri M. Ulyssis, Agamemnonis, Ajacis [21] recht anmuthig aus dem Homero erzehlet, sondern sie auch in Person vorgestellet, und mit dem ungeheuren Riesen Polyphemo, der noch dem ässerlichen Anfehn nach einen Schenckel eines kleinen Kindes verschluckte, mit ihrem grossen Schrecken den Schluß gemacht.

Ja er hat gar daselbst im Ercker bey dem Stadt-Juncker des Nachts, bey verschlossenen Thoren, über die Mauren von Prage her, auff ihr Wündschen, sich eingestellet, und ist vor anbrechenden Morgen wieder in Prage gewesen, welches er durch Hülffe seines freßigen Pferdes, oder besser zu sagen, seines Geistes, verrichtet.

Endlich ließ er die Leute auff der Strasse nicht ungevexiret; Als er bey Braunschweig, wo er einen schwindsüchtigen von Adel besuchte, einen Bauren die Räder vom Wagen in der Lufft wegführte, und die Pferde ohne einige weitere Regung niederfallen musten; Wodurch er dem groben Gesellen mit fremden Leuten freundlich umzugehen lehrete, und fast den halben Tag zu thun machte, ehe er die Pferde aufmunterte, und die Räder vor jedem Thore, woselbst sie hingeflogen, wiederum holte.

Einen andern Bauren fraß er gar ein Fuder Heu, als er ihm aus dem Wege nicht weichen wolte noch konte; Und wiederum einen [22] andern vor einen Löwen-Pfennig, statt eines Sallats, ein halbes, und behielten doch, wie man den Schaden besahe, so viel sie haben soltẽn.

Noch lächerlicher war es, als er einen Wirths-Jungen, der ihm zu voll einschenckte, mit Haut und Haar verschluckte, und aus dem Schwanck-Kessel von dem Kühl-Wasser einen guten Pommerischen Trunck auff diesem fetten Bissen that; denn fande man ihm gleich hintern Ofen sitzen, so zitterte und bebte doch alles an ihm, und war überall naß.

In Wittenberg verblendete er etliche Studenten, welche sich vor seiner Behausung um eine leichtfertige Vettel herum schmeißen und 5. gegen 3. gehen wolten, daß keiner den andern sahe, sondern theils über die Steine fielen, und darein hieben, theils an die Wände mit dem Kopffe liefen, und sich also einen jeden zum Gelächter machten.

Welches denen schreyenden Bauren auff einer Kirch-Weyh ebenfalls so ergieng, die ausser der Stube wohl reden / aber in der Stube mit aufgesperrten Mäulern nichts vorbringen kunten. Und dem in der Stadt Heilbrom von der Weyde kommenden und nach seiner Art blöckenden Viehe sperrete er die Mäuler auff, und ließ sie nicht eher schreyen als biß sie seiner Wohnung vorbey, [23] daß er selber darzu lachen muste, wenn eine Magd zur andern rieff: je Elße, Annel, Ursel, hat denn deine Kuh auch ein auffgesperrtes Maul?

Wie groß mag nicht die Verwunderung gewesen seyn, da er in dem auff dem Berge liegenden Städtgen Boxberg den am Himmel stehenden Regen-Bogen mit der Hand ergriffe, und sich, wo es denen auff die Franckfurther Messe reisenden Kauff-Leuten, in deren Gesellschafft er sich befand, gefiele, auff solchen setzen und fortfahren wolte.

Noch kunte er in der Franckfurther Messe nicht vertragen, daß vier Gauckler es ihm in vielen Stücken, wo nicht zuvor, doch zum wenigsten gleich thaten. Denn diese hieben einander auff einer auff der Erden liegenden Decke die Köpffe ab, liessen den abgeschlagenen Kopff durch einen darzu bestellten Barbierer waschen, gaben den Kopff denen Zuschauern in die Hände, und satzten solchen wieder auff dem Leib, da denn eine Lilie aus den auff dem Tische stehenden Topffe heraus sprang, und Kopff und Leib wiederum vereinigte. Solches war nun dreymal in der That præstiret worden; Wie aber der Maitre darvon seine Kunst gleichfalls zeigen wolte, und schon niederknyete, so gehet Faust unsichtbar hin, und schlitzet den Lilien-Stengel des Meisters, und gehet unvermerckt davon. Welches verursachte, [24] daß er, nachdem sie alles, wie mit dem vorigen vorgenommen, todt blieb, und niemals zu erwecken war.

Durch solche seine Zauberey ward er Stadt- und Land-kundig, dannenhero ihm viele gottseelige und gelehrte Leute, und unter andern einer von seinen Nachbarn von seinen teuffelischen Leben abzustehen, vermahneten, er wolte in sich gehen und Busse thun. Aber höchster GOtt! wäre es ihm ein rechter Ernst und nicht eine Cains- oder Judas-Reue gewesen, so würde er dem H. Geist besser gefolget, und den neuen Versuchungen des Teufes stärckern Widerstand gethan haben, als daß Faust sich wieder von neuem dem Satan ergeben, und die andere teuffelische Obligation mit seinem Blute schreiben dürffen; noch aus einer Höllen-würdigen Rachgierigkeit gegen diesen alten und um seine Seel und Seeligkeit wohlmeynenden Nachbar so undanckbar seyn dürffen. Denn ob gleich dieser GOttes-Mañ den Polter-Geist in seinem Hause nur verhöhnete und ihm lachende zurieffe, daß er die Zeit seines Lebens keine schönere Music als diese gehöret, welche er ohne Zweiffel in einem Wirths Hause von denen vollen Bauern und niemals nüchternen Zech-Brüdern gelernet, ja gar fragte: Ob es eine Concerte? Wenn ihm die Noren zu continuiren beliebten, so wolte er den Text darzu singen; und deswegen das unvergleichliche Lied: Durch Adams [25] Fall ist gantz vorderbt etc. gantz durch sange, nach dessen Endigung aber weiter gegen ihm fortfuhr und sagte: Nun Meister Satan wie gefällt dir dieses Lied? Warum hast du dich nicht mit deiner Englischen Sti e an einen Fürstlichen Hofe gemacht, wo man sie mehr als ich æstimiret. Du befürchtest wohl, du möchtest aus der Capelle wie aus dem Himmel verstossen werden? Und gleichwol wilst du die Leute in ihren Häußern mit deiner nichtswürdigen Kunst turbiren? Geh, geh, du Schandfleck? ich sage, geh, geh und packe dich, und spare deinen schönen Gesang biß zur Aufferstehung der Todten und Erscheinung des allgemeinen Richters, der wird dich in eine solche himmlische Capelle versetzen, wo die höllischen Flammen zum Loche heraus schlagen werden. Als der Geist selbst zu weichen gezwungen ward, so mochte er doch, durch GOttes heilige uns unbekannte Zulassung, denen Mord-Stichen des Teufels nicht entgehen, sondern bekam eine gehlinge Lähmung an Händen und Füssen, daß er darüber inner Jahres Frist die Erde kauen muste.

Und was soll ich von Fausts eignen Leben melden? war solches nicht nach seiner schein- heiligen Bekehrung weit gottloser als zuvor? Denn nunmehr äffete er sie nicht nur, sondern verunruhigte sie Tag und Nacht. In Gotha verunreinigte er Valentin Hohenweyers Ehe-Bette, [26] und als der Wirth ihm deswegen das Hauß zu räumen nöthigte, so verbannete er einen Polter-Geist in dasselbige, welcher ein solches Poltern und Rumoren im Hausse anfieng, daß niemand mehr darinnen bleiben wolte, ja der Wirth muste selbst die Wirthschafft aufgeben und es leer stehen lassen.

Zwar erbarmete er sich eines Priester-Sohns von Wasserburg, und nahm ihn wegen der grossen Kälte, und dessen üblen Kleidung, zum Famulo an; solches wäre aber auch nicht geschehen, wenn er nicht aus des Schülers eignen freyen Berichte vernommen, daß dieser Bastart der Zucht seines verhurten Vaters entlauffen, und zugleich aus dessen Complexion schlosse, daß er eines verschmitzten Kopffs sey, und sich sehr wohl für ihm schicke; welches auch gewiß erfolget, und hat sich dieser Christoph Wagner gleichfalls dem so genannten Geiste Auerhahn mit seinem Blute verbunden.

Es gab auch noch mehr solche Schwartze-Kunst-treibende Vögel, sonderlich in denen Klöstern; In deren eines zu Halberstadt Faust zum Abte geruffen ward, um von ihm noch mehr darinnen zu prosiriren. Wie aber Faust an sich hielt, so consulirte der Abt seinen im Crystall habenden Geist, ob es Faust gut oder böse meynete; Von welchem er zur Antwort bekam, daß er es zwar [27] gut meynte, doch würde er sich gegen ihm, weil er sich dieser Kunst auch rühmte, nicht sehr bloß geben. Wolte er seinem Rathe folgen, und ihn davor von seinen Banden lossprechen, so solte er Fausten um seinen Hund bitten, der ebenfalls ein Geist, und grössere Künste als er verstünde, worein endlich Faust, wiewol ungerne, und nicht länger als auf 3. Jahr willigte. Welchen Termin der Abt nicht einmal erlebte, sondern durch eine hitzige Kranckheit dem Teufel zu theil wurde. Weil Faust selbst nicht heyrathen durffte, so vertrat er die Stelle eines Kuplers, und verband ein paar Adeliche Personen mit einander, die gantz contrairer Meynung waren; Denn seine Kunst brachte die Dame auf gantz andere Gedancken, daß sie ihn hernach weit mehr liebte, als sie ihn zuvor gehasset.

Ob nun wohl Faust sich in alles melirte, so ist es doch zu verwundern, daß er einen von Adel bey Zwickau nur mit leeren Worten gespeiset und nicht den Hauß-Koboit vertreiben wollen, da es doch andere Zauberer nach vieler Meynung, fast wider den Ausspruch Christi: Daß kein Reich, das mit sich selbst uneinig, bestehen könne, durch GOttes uns unbekannte Zulassung verrichtet.

Hingegen Schätze zu graben verleitete ihn manchmal seine eigene Noth wenn der Geist nicht gnug Geld hergab, und soll er auff Einrathen des [28] Geistes in einer alten verfallenen Capelle bey Wittenberg mit einen irdenen Topff einen Schatz gehoben haben, in welchem viel angezündete Lichter und eine grosse feurige Schlange zur Verwahrung gelegen, die er beschworen, und die Kolen mit nach Hauße genommen, daraus an Werthe über 1000. Thaler güldene und silberne Müntze worden.

Und als der Leipzigische Magistrat auff einer Oster-Messe dem Cardinal Campegio viele Ehre erwiese, und unter andern auch eine Jagd anstellete, so fuhr Faust und Mephistophiles mit vielen Hunden begleitet in die Lufft, und jagten für allem Bolcke in der Lufft, welches dem Ehrwürdigen Herrn so wohl gefallen, daß er Abends sein Gast gewesen, und ihm grosse Ehre in Rom angeboten, wo er sich dahin begeben wolte, so er aber abgeschlagen.

Wo es wahr ist, was von Maximiliano I. erzehlet wird, daß er sich zu Inspruck von D. Fausten Alexandrum M. mit seiner Gemahlin, wie Saul sich Samuelen von der Hexe zu Endor zeigen lassen, davon der erste in einen köstlichen Harnisch erschienen, und dem Käyser einen tieff-gebückten Reverence gemacht; die andere aber in einem Himmel-blau-sammeten und mit Orientalischen Perlen gestückten Stück sich vor ihm gedemüthiget, und die im Leben gehabte Wartzel [29] am Halse noch gehabt; Auch sich recht sehr erlustiget, als ihm Faust unverhofft früh Morgens einen bezauberten Saal zugerichtet, welcher Fausts eigenen Garten übertroffen, aber nur nicht lange gedauret hat. Und gar vergnügt gewesen, als in dem grossen Speise-Saal ein Gewölcke hinein gerauschet, gleich als wenn es regnen wolte, bald darauff aber sich in weiß und blau vermischt; worbey der volle Mond und alle Sterne in schönster Klarheit zu sehen, und die Sonne durch das Gewölcke recht geblitzet, und einen Regenbogen über der Käyserlichen Tafel formiret, und sich zulezt wie der Käyser aufgestanden mit Donner und Blitz geendiget. So muß man erstaunen, wie dieser sonst löbliche Käyser hierüber keinen Abscheu gehabt.

Eben an diesem Hofe hat er einen Ritter den Baron von Hard, als er zum Fenster heraus gesehen, und eingeschlaffen, auff Zureden anderer, zum andernActæon gemacht, wovor er sich rächen wollen, aber hierüber noch ärger angelauffen; Denn ihn packte ein Hauffen geharnischter Ritter an, welche Faust gezaubert und commandirte, auch den Ritter nebst seinen Leuten zu Kriegs-Gefangenen machte, aber wieder los ließ, nachdem er ihnen anderes Gewehr und andere Pferde vor die ihrigen gegeben, welche, so bald sie ins Wasser gekommen, zu Strohwischen wurden.

[30] Einen andern Freyherrn, der seinen Sitz zu Helpeda bey Eißleben hatte, wuste er schon freundlicher zu begegnen: Denn er verschaffte ihm eine schöne Musiqve von allerhand Vögeln, und lehrte zween von seinen Vogel-Stellern, wie sie aus der Vögel Schreyen, Fliegen, Schnattern und Pfeiffen künfftiges Wohl und Weh abnehmen könten; welche Vögel aber alle, zwey Jahr vor dem erbärmlichen Ende dos Fausts, nach und nach verflogen seyn.

Der schwangern Gräfin von Anhalt stillete er gar bald ihre Sehnsucht nach frischem Obste, denn sein Geist füllete die drey vor das Fenster gesezte silbernen Schüsseln in währender Mahlzeit mit Weintrauben, Aepffeln und Birnen; Ja bey seinem Abschiede præsentirte er ihnen auf dem Rombüchel ein mit einem Wasser-Graben umgebenes Schloß, in welchem Wasser Schwanen, Reiher, Enten und dergleichen schwamen, und im Hofe Affen, Meer-Katzen, zahme Bähre, Gemsen, Strauße etc. giengen. Drauff sezte er ihnen ein herrliches Früh-Stücke vor, wobey die allerangenehmste Musiqve von allerhand Instrumenten zu hören war. Doch ehe die hohe Gesellschafft wiederum zurück gekehret, so hörten sie ein grosses Knallen, und sahen dieses schöne Schloß sich im Feuer verzehren, ihnen aber kam ein solcher starcker Hunger an, daß sie von neuem frühstücken musten.

[31] Und einen von Adel aus Dreßden, der sich vor seiner Sclaverey mit einem Fräulein versprochen, soll sein Geist, aus Commiseration des Fausts, aus der Türckey geholet haben, als er gehöret, wie man ihn vor todt hielte, und die Braut sich schon anderweit vermählet, durch welches Ankunfft die Ehe zertrennet worden, weil dieser das Vorrecht vorgeschützet, und der bißher gewesene Ehe-Mann durch Faustens Kunst zum Ehestand untüchtig gewesen.

Auf einer Fast-Nacht soff Faust mit etlichen Studenten bis in die Nacht hinein, und fuhren auff einer Leiter, jeder auff einer Sproße in des Bischoffs von Saltzburg Wein-Keller, wo sie ein Glas nach dem andern ausleereten, biß der Keller-Meister darzu kam, und sie vor Diebe schalt, dem aber Faust, als sie wie der wegfahren wolten, und jedes eine Flasche mit Weine zu sich gesteckt, bey den Haaren mit fortführte, und auff dem höchsten Gipffel eines grossen Baumes satzte, von welchen er mit grosser Mühe und Arbeit herunter gebracht worden.

Des andern Tages wolten sie es wieder anfangen, wo sie es gestern gelassen, traffen aber bey Fausten nur ein gekocht Stück Rind-Fleisch an; Der denn bey ihrer Ankunfft durch seinen Geist die delicatesten Speisen verschaffte, worunter auch zwischen zwey Braten ein Kalbs-Kopff [32] stund, welcher, als ihm ein Studente auf Fausts Bitte zerlegen solte, zu schreyen anfienge: Mordio! Helfio! Au Weh! was hab ich dir gethan? Darauf ließ sich die angenehmste Musiqve hören, und sprangen und hüpffeten die Gläser darzu. Darnach ließ er den Hauß-Hahn herein bringen, dem er zu trincken gab, daß er natürlich zum Tantze pfiffe, dar zu die in die Stube gesezten irdenen Töpffe tantzen und an einander stossen musten, daß sie sich selbst zerbrachen; Endlich machte ein alter Affe vollends den Kehraus.

Als die Abend-Mahlzeit herbey rückte, so steckte Faust eine Stange zum Fenster hinaus, worauf sich Drosseln, Lerchen, und Groß-Vögel satzten, die sie haschten, pflockten, und sich zurichteten.

Den Donnerstag nach der Fastnacht gaben sie zu, und tractirte sie Faust eben so herrlich als wie die vorigen Tage. Worbey unter andern Kurtzweilen auch dreyzehen Affen tantzten, und hernach durch die Fenster sprangen. Endlich beschlossen sie mit einer Schlitten-Fahrt dieses Larven-Spiel; Denn weil sich desselben Tages ein grosser Schnee geleget, so richtete er durch seine Zauberey einen grossen Schlitten in forma eines Drachen zu, auff dessen Kopffe Faust, und in der mitten die Studenten sassen, auff dem Schwantze aber vier poßierliche Affen gauckelten,[33] unter welchen einer eine Schalmeye pfiffe, und der Schlitten lieff von sich selbst, ohne Beyhülffe einiger Pferde.

Bey einem so grossen epicurischen Leben konte es freylich nicht anders seyn; Faust muste wieder sein Verspechen einen Appetit nach Weiber-Fleische bekommen. Er verliebte sich auch in eine schöne doch arme Magd, welche bey einem Kramer in seiner Nachbarschafft dienete, die ihm aber ausser der Ehe nichts erlauben wolte, weswegen er sie zu ehelichen willens war, und darüber mit dem Geiste hart zusammen kam, und doch noch mit seinen Kopffe durchzutringen vermeynete. Da aber alle Angeln an Thüren zersprangen, und das gantze Hauß in vollem Feuer stunde, so wurde er genöthiget sich gegen dem sichpraesentirenden Lucifer zu demüthigen und um gutes Wetter zu bitten. Welches er auch mit Versprechung alles Gehorsams erhielt, und kurtz darauf, aus sonderbarer Gnade des Lucifers, die schöne Helena aus Griechen-Land zur Beyschläfferin erhielt, mit welcher er einen Sohn gezeuget.

Daß dieses Succubi angekommene Wehen und endliche Geburt keine natürliche, wie etliche statuiret, sondern eine blosse Verblendung gewesen, lehret uns Faust selbst: Denn ob er schon diesen untergeschobenen Teufel fast mehr als väterlich liebte, so übergieng er ihm doch in seinen [34] lezten hinterlassenen Willen, wohlwissende, daß Mutter und Sohn von gleicher Eigenschafft, welche nach seinem Tode nicht lange auff der Welt herrschen würden. Und sezte an dessen Stelle seinen in Boßheit gleichkommenden Famulum in einem vor Notario und Zeugen auffgerichteten Testamente zum völligen Erben ein, daß ihm Hauß und Garten nebenst aller Baarschafft an Hauß-Rath, silbernen Bechern etc. mit einem Worte, liegendes und fahrendes zufallen solle.

Besonders recommendirte er ihm, auff sein Bitten und Begehren, wo er mit ihm gleiches Standes, Kunst und Geschicklichkeit werden wolte, seine Bibliothec, und darunter seine Nigromantische Schrifften, auch verschaffte er ihm einen Geist, der sich Auerhahn nennete, und Wagnern in Gestalt eines Affens zu dienen verhieß. Damit er ihn nun nach seinen Tode in unvergeßlichen Andencken erhielte, und seine wunderlicheavanturen in der Welt bekannt würden, so solte er alle seine bißherige Fata zusammen tragen, worinnen sein Auerhahn gute Dienste leisten könte, und nicht eher an Tag geben, als bis er diese Welt qvittiret. Welchen dieser Wagner treulich nachgekommen seyn, und alles, was wir von ihm wissen, auffgezeichnet haben soll. Unter welchen auch drey Prophezeyungen zu finden, so sich von Fausten herschreiben, in welchen er, was künfftig in Geistlichen, Weltlichen und[35] Hauß-Stande vorgehen werde, vorher verkündiget. Es wäre zu weitläufftig zu erforschen, in was vor Werthe solche zu halten? und ob der Teuffel künfftige Sachen vorher wissen könne? Genung wenn wir sagen, daß es ihm gantz leichte gewesen die Reformation Lutheri vorher zu sehen; weil zu seiner Zeit das gröste Seuffzen unter dem harten Joche des Pabstthums zu hören, und die gottlose ja sodomitische Aufführung der Pfaffen eine Einsicht von nöthen hatte.

Als nun seine Vier und Zwantzig Jahre bis auff einen Monat verlauffen, so fande sich erst recht die bittere Todes-Angst, welche ihn weit mehr als einen Ubelthäter, der alle Augenblicke die angedeutete Straffe seines Todes gewärtig seyn muß, marterte: Denn hier kündigte ihm der höllische Lucifer selbst das Todes-Urthel an, saate ihm seine Dienste auff, und hielt ihm seine Missethaten für, welche verdienten, daß er laut seiner Obligarion mit Leib und Seel dafür büße, und des zeitlichen und ewigen Todes auff eine entsetzliche Weise stürbe. Daß er ihm aber nicht die Schuld seiner Verdammnüß zuschreibe, so citire er ihn vor das strenge Gericht GOttes, wo er Red und Antwort geben möge: Ob er kein Recht zu dem ihm mit seinem Blute unterschriebenen Pfande habe. Worüber er fast vergehen wolte; und ob ihm gleich der Teuffel selbst zuredete, daß seine Traurigkeit nur das Hertze noch [36] mehr beschwere, und ihm sein eigner Famulus noch einige Hoffnung zur Seeligkeit machte; auch deswegen in Geheim einen gelehrten Magister nebst seinen guten Bekannten holen wolte, welche ihm mit Göttlichen Troste beystehen möchten, so wolte doch nichts verfangen.

Nun überlegte er erst mit einer Cains-Reue, was er gethan, wie er um so wenige Zeit, ja um einen einigen Augenblick gegen die Ewigkeit zu rechnen, die himmlische Freude verschertzet, welche aber ohne Glauben auff das Verdienst Christi war. Drum ist es nicht zu verwundern, warum kein Trost gehafftet, welchen ihm der Theologus aus der Schrifft zusprach, und ihm darthat, daß ohnerachtet seine Sünden so groß, daß sie nicht grösser seyn könten, sie doch GOttes unaussprechlicher Gnade im geringsten nicht beykämen; Er solte nur dem höllischen Mörder in Glaubens-voller Zuversicht Christi theuer vergossenes Blut entgegen halten, wie solches auch seine Sünden getilget, und die von ihm ausgestellte blutige Hand-Schrifft ausgelöschet.

Es schiene zwar als wenn er sich viel geruhiger zu Bette legte; Allein der Teufel, der am besten wuste wo es ihm saß, verhöhnete nur seine Frömmigkeit, und gab ihm den Rath gar eine Münchs-Kutte anzuziehen, damit er überall geistlich aussähe; Hülffe es ihm gleich nicht viel, so [37] verkleisterte es doch der Leute Augen, daß ihn jedermann diese wenige Zeit über vor so heilig als vor dem gottlos halten würde. Nur solte er sich mit keiner leeren Hoffnung speisen, sein Sünden-Maaß wäre voll, GOttes Barmhertzigkeit und Christi Verdienst hätte er mit Füssen von sich gestossen, wie könte er sich denn solches nunmehro zueignen? Zu dem wäre er nicht so wohl um seine Seeligkeit, als vielmehr um seinen Tod, bekümmert, daß ihm selbiger so gar geschwinde dieser angenehmen Welt entzöge.

Welchen von Teufel gemachten Scrupel der Theologus ihm folgendes Tages wiederum zu benehmen suchte, und ihm eingab, daß er gegen dem Teufel nicht heucheln solte, sondern frey bekennen, daß er ein armer und grosser Sünder sey, der ein hartes Urthel verdienet, doch stünde es nicht bey dem Teuffel, es nach seinem Gutdüncken einzurichten; Verklagen könne er ihn wohl, aber nicht verdammen; GOtt wäre der Richter und nicht er. Und weil der himmlische Vater allen Menschen JEsum Christum zu einem rechtlichen Beystande gegeben, der uns von Sünde, Todt. Teufel und Hölle erlöset, und bey seinem himmlischen Vater mit unabläßlichen Seuffzen vertrete, so gehörte er auch unter diese Zahle; drum möchte er immer anklagen, ja gar verdammen, wo er könte, Christus wäre hier, der ihm gerecht machte. Faust hingegen kehrte den Schluß um, [38] und glaubte, er hätte es zu grob gemacht, GOtt könte nicht in Ansehung seiner Gerechtigkeit alles mit barmhertzigen Augen ansehen, sonst müste folgen, daß die Teufel ebenfalls ein Ende ihrer Qvaal sehen würden. Worüber derTheologus nicht wenig erschrocken, und ihm viel Exempel der grösten Sünder zu einem Furbilde fürgehalten, welche alle Vergebung der Sünden erlanget. Und hätte er gleich den Tauff-Bund gebrochen, und Leib und Seele dem Teufel verpfändet, so wäre sie ja nicht seine, also könne der Teufel desto weniger Anspruch daran machen.

Es hatte auch das Ansehen, als wenn ihm der Teufel mit seinen Versuchungen nicht mehr so starck zusezte, und Faust lase fleißig in der Bibel, in welcher er sich die vornehmsten Macht-Sprüche, um des Teufels Angriffen tapffern Widerstand zu thun, auffgezeichnet hatte. So bald aber der Teufel von der Vorsehung GOttes mit ihm disputirte, daß Gottlose und Fromme von GOtt erschaffen worden: Weil er denn weder zur Seeligkeit erwehlet, noch von Anfange darzu versehen, was wolte er erst vergebne Pfalter machen? Einmol wäre gewiß, wer einmal zum ewigen Leben erkohren, der käme darein, und könte niemalen vorsetzlich sündigen. Und so wäre es auch mit denen Verdammten beschaffen, die sich keiner Erlösung zu erfreuen, sie möchten nun Gutes oder Böses thun, bekehrt oder in ihren [39] Sünden dahin sterben; indem GOtt einmal diese Ordnung gemacht, und es darbey lasse. Wiese nicht die eigene Erfahrung, daß GOtt gleichsam schlaffe, und sich des menschlichen Geschlechts gar nicht mehr annehme. Und wo er ihm ja nicht glauben wolle, so würde ihn seine Nigromantie und Nativität- stellen selbst überzeigen, daß er wahr geredet. So bald verlohr sich alle bißher gehoffte Andacht, und schloß aus der Astrologie, weil alles Gestirn des Himmels ausweise, was dem Menschen Gutes und Böses begegnen solle, solcher Lauff aber bis ans Ende der Welt währe, und der Mensch ebenfalls GOttes Geschöpff, so folge daraus, daß eine Vorsehung und Erwehlung zu statuiren.

Aber du irrest, möchte ich mit dem dich tröstenden Geistlichen sagen, denn daraus müste folgen, GOtt wäre ein Liebhaber der Sünde und ärgster Feind unserer ewigen Wohlfahrt, welches doch wider die Schrifft ist, ja alle seine Lockungen zur Busse waren vergebne Sachen, weil einem zur Hölle Verdammten alle Bekehrung nichts helffen, einem Auserwehlten aber deren Unterlassung nichts schaden würde. Allein dein verstocktes Hertz ist nicht auff die rechte Bahn zu bringen, du klagest, seuffzest und heulest, und gleichwol ergreiffst du nicht die rechten Mittel deiner Seeligkeit. Ist es nicht genung, daß GOttes Barmhertzigkeit dir seine hülffreiche Hand bietet, [40] und Vier Wochen Raum zur Busse gicbet, gewiß ohne GOttes heilige Verordnug hätte dir der Teufel nimmermehr vor der Zeit den Kauff auffgekündiget. Oder sage mir doch, war es ein göttlicher, natürlicher oder teuffelischer Traum, als du im Schlaffe viel taufend höllische Geister einhertreten sahest, welche alle feurige Schwerdter in denen Händen hatten dich damit zu durchbohren, einer aber dir zurieff: Nun Fauste, wir sind bereit dich einmal an den Ort zu bringen, von welchem du offt mehrere Wissenschafft zu haben verlanget hast; wir aber haben solches biß bieher versparen wollen. Nun wirst du selbst sehen, was für ein mächtiger grosser Unterscheid seyn wird unter denen Verdammten und Auserwehlten, welches dir etwan vor diesem gleich einer Fabel und Mährlein gewesen. War es nicht eine göttliche Warnung? daß die höchste Zeit vor der Thüre dem Teufel abzusagen.

Doch was will ich fragen, wem nicht zu rathen ist, dem ist auch nicht zu helffen. Es ist dir ja kein rechter Ernst, gienge dir deine Bekehrung recht zu Hertzen, so würdest du dich nicht aller Gesellschafft entschlagen, und dem Geistlichen dich weiter zu besuchen, nicht verbieten. Wilst du in der Einsamkeit deiner Andacht desto besser nachhängen? Warum sagest du denn bey jedem Trost-Spruche: Das gehet mich nicht an? Weist du nicht, daß wo der Zaun am niedrigsten,[41] am allerleichtesten drüber zu steigen ist? Und wo das Hertz mit Schwermüthigkeit beklemmt, daß solches in der Einsamkeit desto eher zu überwältigen? Greiffst du doch selbst nach dem Messer, und wilst dich entleiben, aber warte, warte! es wird dir noch nicht so gut, du wirst zu einer härtern Rache vorbehalten. So gehts allen verruchten Sündern, ihr auffgewachtes Gewissen wollen sie durch einen Selbst-Mord stillen.

Wie ihm nun der vorhabende Selbst-Mord zweymal fehl schlug, so gieng das Klagen und Seuffzen von neuen an, er schrye Pfuy! du schändlicher Teufel, wie lange wilt du mich Verdammten noch auffhalten? Ach! ich armer trostloser Mensch bin nicht werth, daß ich den Himmel noch anschauen soll, ja, daß mich der Erd-Boden trägt, und gleichwol läst man mich nicht sterben. O! Ewigkeit! Ewigkeit! wie schauert mir die Haut, wenn ich an dich gedencke. Will mir doch hier schon die Zeit zu lang werden, was wird nicht erst dort geschehen.

Endlich waren von den 24. Jahren kaum 24. Stunden übrig, als ihm der Lucifer in eben der Gestalt, in welcher er ihm zuerst erschienen, seine verfluchte Obligation zeigte, und ihn erinnerte folgende Nachtparat zu seyn, damit er sein Unterpfand holen könne. Wie ihm hierbey zu Muthe gewesen seyn mag, kan man leicht erachten; [42] Alles stritte wieder einander, und Faust saß ohne alle Empfindung fast schon halb entseclet da, biß er wieder in etwas zu sich selbst kam, und fast vor Kleinmüthigkeit vergehen wolte, daß ihm auch sein bißher gewesener Geist Mephistophiles mit diesen Worten auffmuntern muste: Mein Fauste, sey doch nicht so kleinmüthig, daß du von hinnen fahren must, gedencke doch, ob du gleich deinen Leib verliehrest, ists doch noch lang dahin, ehe du vor dem Gerichte GOttes erscheinen wirst; du must doch ohne diß sterben, es sey über kurtz oder lange, und ob du schon etliche hundert Jahr, so es möglich wäre, noch lebtest, so würde dieses grosse Alter dich doch nicht der Verdammnüsi entziehen. Stirbst du gleich als ein Verdammter, du bist es nicht alleine, auch nicht der erste. Gedencke an die Heyden, Türcken und alle Gottlosen, die in gleicher Verdammnüß mit dir seyn, und zu dir kommen werden. Sey behertzt und unverzagt, und erwege die Verheissung unsers Obristen, der dir versprochen, daß du nicht, wie andere Verdammten leiden sollest.

O! ungewisser Trost, und gleichwol bist du vermögend Fausten in eine gantz andere Forme zu gießen, und ihn wiederum gantz freudig zu machen. Als welcher des Morgens früh den Magistrum nebst etlichenStudiosis. so seine vertrautesten Freunde gewesen, auff das Dorff Rimlich invitiren ließ, und sie daselbst herrlich tractirte, [43] und selbige bat, diese Nacht draussen zu pernoctiren, weil er ihnen nach der Abend-Mahizeit was Geheimes zu referiren hätte; Worein sie gewilliget, und mit grosser Bestürtzung anhören müssen: Daß er zwar von Jugend auff mit einem herrlichen Ingenio begabt, aber nicht damit zu frieden gewesen, sondern viel höher steigen und andere übertreffen wollen, weswegen er sich auff die schwartze Kunst gelegt, in welcher er mit der Zeit so hoch gekommen, daß er einen unter den allergelehrtesten Geistern erlanget. Jedoch solche Vermessenheit sey ihm zu lauter Unglück ausgeschlagen, und zu einen solchen Fall, daß er wie Lucifer aus dem Himmel verstossen worden.

Denn als der Satan in allen willig gewesen, so hätte er auch gar leicht erhalten können, daß er sich denselben mit Leib und Seele auff die aller gotteslästerlichste Art verpfändet, welche 24. Jahr nun verlauffen, darum er diese Welt geseegnen und den Ort der Qvaal betreten müsse.

Worauff sie ihm zwar wiederum neuen Trost zusprachen, aber vergeblich; Faust hatte sich nunmehr drein ergeben, darum hielt er um nichts an, als daß sie sich über das Gepoltere im Hausse nicht entsetzen solten, er wäre bloß allein der Gefahr unterworffen, und nicht sie; und daß sie seinen Leib, wo sie ihn finden würden, zur Erde bestätigen lassen möchten, Endlich nahm er [44] auff ewig von ihnen Abschied, und hieß alle sich an seinen Verderben spiegeln.

Um Mitternacht erhub sich ein grosser ungestü er Wind, daß das Hauß gantz davor wanckte, und sich niemand in Betten sicher getrauete. In Fausts Stube aber hörte man ein greuliches Zischen und Pfeiffen, als ob lauter Schlangen und Ottern zu gegen wären, wie auch grausames Schlagen, Stossen, Hin- und wiederwerffen. Fausten hingegen hörte man Zeter undMordio schreyen. Früh Morgens sahe man Tisch, Wände und Bäncke mit Blut und Gehirne besudelt, und auff der Erden die Zähne liegen; Den Cörper aber funden sie auff einem Mist-Hauffen, so nicht weit davon war, der gantz zerschmettert, und kein gantzes Glied mehr hatte. Uber welchen greulichen Anblick sie nicht wenig erstauneten und nunmehr bey sich zu Rathe giengen, wie seine lezte Bitte ohne Rumor möchte erfüllet werden; Worinnen ihnen der Wirth vor ein gut Trinck-Geld gar behülfflich war, und den Leib in Leinwand einneheten. Ja der Pfarr-Herr desselbigen Orts sperrete sich auch nicht lange, als man ihm einen Gold-Gülden in die Hand drückte, und zugleich weiß machte, daß der Todte ein fremb der Studente sey, dem sie das Geleite gegeben, welchem aber wieder Verhoffen ein schneller Fluß betroffen, der ihm gleich seines Lebens beraubet; Und versprach noch darzu [45] den Schultheißen desselbigen Orts zu überreden, daß er es erlaubte. Welches auch Nachmittage werckstellig gemacht worden. Allein bey diesem Begräbnüß soll sich ein solcher entsetzlicher Sturm-Wind erhoben haben, daß die Leichen-Begleiter wohl schlüßen können, daß seine Fahrt höchst- unseelig gewesen. Wie denn auch nach dem Berichte des Famuli, Faustens bißherige Concubine und der mit ihr erzeugten Sohn Justus Faust sich bald darauff darvon gemacht, und das lezte Adieu mit diesen Worten gesagt: Nun ich geseegne dich, lieber Diener, ich fahre dahin, dieweil mein Vater todt ist, so hat meine Mutter hie kein Bleibens mehr, sie will auch darvon; darum so sey du der Erbe an meiner Statt, und wenn du die Kunst meines Vaters hast recht ergriffen, so mache dich von hier, halte die Kunst in Ehren, du wirst dadurch ein hohes Ansehen bekommen. Worauff sie vor seinen Augen verschwunden, und sich dahin begeben, wo ihre und Faustens Qvaal ohne


ENDE. [46]

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TextGrid Repository (2011). Anonym. Prosa. Das Faustbuch des Christlich Meynenden von 1725. Das Faustbuch des Christlich Meynenden von 1725. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0001-DF55-7