Anonyme Gedichte aus Neukirch's Anthologie

[110] Liebes-Gespräch.

Scelaten.

KOmm Chloris! komm! wie bleibst du bey den flüssen?
Wie hast du dir den schlechten ort erkiest?
Ich schaue zwar / daß ströme sich ergiessen /
[110]
Doch schau ich nicht / was für die Chloris ist.
Komm! suche auch / komm! suche glut und flammen /
Hier findest du was für die Chloris brennt.
Ich schwere dir / daß alles hier zusammen
Für einen gott den schönen leib erkennt.
Chloris.

Weg Scelaten! ich liebe dieses rauschen /
So dieser fluß mit seinen fluten macht.
Ich mag ihn nicht vor einen sinn vertauschen /
Der sonsten nichts / als mund und augen / acht.
Ich bleibe hier befreyt von einem feuer /
So uns verzehrt und unsre sinnen kränckt;
Dein lieben ist mir warlich allzutheuer /
Die freyheit wird so leichtlich nicht verschenckt.
Scelaten.

Bleib schöner leib / laß die gewölbten brüste
Und deinen mund bestreichen lufft und wind.
Ach! bleibe nur in dieser öden wüste /
Wo laub und graß dir zu gespielen sind.
Laß beine brust bey stock und stein veralten /
Und drücke hier die klaren augen zu.
Laß deine brust wie eiß und schnee erkalten /
Wenn eiß und schnee nicht wärmer sind als du.
Chloris.

Laß meinen mund und meine brüste fahren /
Ich weiß es wohl / daß beydes mit der zeit /
Und wohl vielleicht nach etlich wenig jahren
Wie laub und graß wird werden abgemeyt;
Diß alles soll die Chloris nicht bewegen
Zu folgen dem / was der und jener will:
Du bringst mich nicht von diesen keuschen stegen /
Ich habe mir gesetzt ein ander Ziel.
Scelaten.

Du solt mein Ziel noch diese stunde wissen /
Und was mein Sinn vor einen zweck erkennt:
[111]
Ein küßgen muß ich diesen tag geniessen /
Zum zeichen / daß mein treues hertze brennt.
Bleib hier / bleib hier! itzt hab ich dich gefangen /
Reiß wie du wilst / du trennst das hertze nicht.
Mein arm umzirckt der lenden schönstes prangen /
Und dieser mund deckt deiner augen licht.
Chloris.

Du hast den leib / doch warlich nicht die sinnen /
Die bleiben stets auff ihrer alten bahn:
Drum ändre dich / und ändre dein beginnen /
Dis / was du denckst / ist mir ein falscher wahn.
Mein mund ist weich / mein hertz ist stahl und eisen;
Die stirne brennt / die Sinnen nimmermehr.
Ich kan dir nicht so hohe gunst beweisen /
Du fängst mich nicht / und jagstu noch so sehr.
Scelaten.

Es muß mein mund der Chloris lippen küssen /
Die / wie mich deucht / von rosen trächtig sind.
Laß deine brunst auff meine zunge fliessen /
Und liebe mich / die keuschheit ist ein wind;
Ein gauckel-werck / so alle Lust verrücket /
Ein falsche dunst / die alles trübe macht.
Der liebet recht / der fleischlich sich erquicket /
Und in dem schooß des geilen bulen lacht.
Chloris.

Ich lache zwar / doch nur mit falschem munde:
Der himmel wird der seelen zeuge seyn.
Was soll was thun? indem die böse stunde
Uns endlich reist den edlen vorsatz ein.
Komm küsse mich / so küß ich denn dich wieder /
Was hilfft uns denn zu bleiben stock und stein?
Auff Scelaten / der purpur meiner glieder
Soll diesen tag zu deinen diensten seyn.
[112] Scelaten.

Du redest recht / die brunst erfüllt die hertzen /
Und zündet uns die geilen glieder an;
Itzt endet sich die hoffnung mit den schmertzen /
Der bleibe keusch / der nicht mehr lieben kan.
Ihr edles paar / ihr alabaster hügel /
Kommt / füllet mir die euch geweyhte hand!
Genung / genung / itzt fallen zaum und zügel /
Die liebe sucht ein edler unterpfand.
Chloris.

Was schertzestu? hier schauest du die brüste /
Die Venus ihr zum zunder hat gemacht.
Hier findest du das paradieß der lüste /
Und was die brunst zu ihrer wohnung macht.
Verübe diß an mir / was dir die zeit befiehlet!
Cupido fragt: ist denn noch nichts gethan?
Der wind der itzt mit meinen haaren spielet /
Lockt mich und dich zu dieser kurtzweil an.
Scelaten.

Komm! schöner leib / vergönne meinen armen
Die stellung dir zu weisen / wie man muß
In geiler lust erliegen und erwarmen;
Denn dieses ist gewiß dein erster kuß.
Gedult! gedult! laß durch ein süsses küssen
Den honigseim / den Venus selbst gemacht /
Doch unbeschwert umb deine lippen fliessen /
Da wo die lust mit hellen augen wacht.
Chloris.

Itzt liegen wir / und seuffzen bey dem lachen /
Und sehnen uns nach einer sanfften flut /
Das ende wird des leibes ohnmacht machen /
ltzt währet noch die angelegte glut.
Halt an! halt an! wir müssen nicht erliegen /
Es zieht die lust noch bey uns aus und ein.
Doch trachten wir / daß keiner in der wiegen
Der edlen that verräther möge seyn.

[113] Lust-gespräch
zweyer hertzlich-verliebten personen /
vorgestellet unter einem schäffer und schäfferin /
Thyrsis und Psyche genannt.

Thyrsis.

Kennt Psyche diese brunst / und weiß mein treues lieben /
Warumb wird Thyrsis dann zu keiner zeit vergnügt?
Warumb will man die lust ihm weiter noch verschieben?
Die lust / durch welche man der liebe brunst besiegt.
Denck Psyche / daß dir diß nicht wird zum ruhm gereichen /
Daß du verliebet machst / und steckest feuer an /
So du nicht löschen wilst. Laß dich mein Kind erweichen /
Schenck mir die süsse schooß / die mich ergetzen kan.
Psyche.

Mein Thyrsis / deine brunst ist gar zu sehr entzündet /
Ich seh die flamme wohl / und deiner liebe glut /
Und wie du nur auff mich dein hoffen hast gegründet /
Doch glaube mir / du eilst mit gar zu schnellem muth.
Geh in dich selbst hinein / und überleg es eben /
Erndt auch der ackersmann wohl ehr den weitzen ein?
Und pflegt der wintzer auch den wein wohl ehr zu heben /
Bevor sie beyderseits bemüht gewesen seyn?
Zwar weiß ich / daß du mich / mein Thyrsis / stets geliebet /
Dein blick hat iederzeit mir deine gunst gezeigt.
Dein geist hat sich mit mir erfreut und auch betrübet /
Ich müste steinern seyn / wär ich dir nicht geneigt.
Ich sag es noch nicht all; Ich bin dir zwar gewogen /
Doch hat dein edler sinn mich auch verliebt gemacht.
Ich hab aus deinem mund die liebe selbst gesogen /
Als Amor dich zu erst mir zu gesichte bracht.
Diß alles reitzt mich zwar / dein bitten zu vergnügen /
Doch hält mich anderseits die furcht und hoffnung ab;
Der lüste blauer dunst / der soll mich nicht betriegen /
Weil ich die tugend mir zum zweck gesetzet hab.
[114] Thyrsis.

Was hilft michs / daß dein mund so viel von lieben saget /
Ja daß er eitel treu und glauben mir verspricht?
Wenn du / so offt ich dich nur um ein ja gefraget /
Mir den bescheid ertheilst: Ich will und thu es nicht.
Die that die ist gewiß zu schlimm sie zu beschönen /
Auch kan der grausamkeit so gar kein deckel seyn;
Was du hier suchst von furcht und hoffnung zu erwehnen /
Sind nur gefärbte wort / und nichts als leerer schein.
Denn ist dein geist mit mir in einigkeit verbunden /
So sey im hoffen auch bey uns kein unterscheid;
Nun hab ich in der that / ihr Weiber / wahr befunden /
Daß ihr in worten so / und so im hertzen seyd.
Ja / woltest du dich nur recht in die liebe finden /
So würdest du alsdenn in keiner furcht mehr stehn.
Wer liebt / der kan die furcht und hoffnung überwinden /
Und mitten in gefahr mehr als zu sicher gehn.
Wir wolten unsrer lust in lieb und ruh geniessen /
Es solte keiner nicht ein wörtgen sagen nach;
Wer würde wohl von uns und unsrer liebe wissen /
Wenn wir alleine seyn bey jener stillen bach?
Bey jener stillen bach / da unsre heerde weidet /
Und keinem / ausser uns / zu hüten ist vergunt;
Da sich das bunte Feld von grünen büschen scheidet /
Wenn Tellus tritt hervor mit dem belaubten mund:
Wohlan! so reiche mir den nektar deiner brüste /
Und schencke mir die lust mit vollem masse ein.
Laß diesen ort / da ich zum ersten mahl dich küßte /
Auch itzo von genieß der liebe zeuge seyn.
Psyche.

Halt ein / man pfleget nicht die frucht so fort zu brechen /
Zu der uns nur gelüst. Wenn eine geile hand
Die rosen rauben will / so pflegt der dorn zu stechen /
Darumb wenn Thyrsis liebt / so lieb er mit verstand.
Er leite seinen sinn auff züchtige gedancken /
[115]
Und trete freche lust mit füssen unter sich;
Er lasse seinen schritt nicht von der tugend wancken /
Und kämpffe seinen kampff im lieben ritterlich.
Wir sind bey weiten nicht schon aller furcht entbunden /
Das glück ist ungewiß / es fehlt noch viel daran.
Ob du / mein Thyrsis / gleich ein mittel hast erfunden /
Daß unsre heimlichkeit kein mensch ergründen kan.
Zwar ist die rechte thür zu unserm vortheil offen /
Doch stehet uns zur zeit nicht eben alles frey;
Was du bereits begehrt / must du als künfftig hoffen /
Die lust / wenn sie zu früh / gebiehret späte reu.
Wir wollen unterdeß hieran vergnüget leben /
Was uns der stille ort und unsre zucht vergünnt.
Ich will dir mund und hertz und tausend küsse geben /
Du solst mein engel seyn / mein schatz / mein liebstes kind.
Was über dieses ist / das halt ich fest verschlossen /
Es ist von glas gemacht / rührt mans / so bricht es bald;
Nur wir sind übel dran / ihr / wenn ihr es genossen /
Geht eurer wege fort / uns macht der kummer alt.
Denn schläget über uns angst / noth und furcht zusammen /
Ein ieder lacht uns aus / wir werden kinder-spott /
Es zeiget ieder stein von unsern geilen flammen /
Wir gehn mit schmach einher / und sind lebendig tod.
Drumb wenn du mich mit ernst und rechter treue meynest /
So schaue / daß dein wunsch mir auch nicht schädlich sey /
Und bist du in der that / wie du von aussen scheinest /
So bin ich des gewiß / und alles zweiffels frey.
Thyrsis.

Wenn deinen klugen geist und hochbegabte sinnen /
(Als welchen es an witz und tugend nicht gebricht)
Ich nicht schon längst erkannt von aussen und von innen /
So würd ein hartes wort dir itzt seyn zugericht.
Ich würd ein gantzes lied von deiner falschheit singen /
Und wie dein kaltes Herz / mit Mißtrau'n angefüllt /
[116]
Ach unbewegliche! mich suchet umbzubringen /
Indem dein hartseyn mich mit trauer-flor umhüllt.
Denn würd ich ungescheut dir unter augen sagen:
Kanst du mit meinem tod denn nicht zu frieden seyn?
Must du mich noch zuvor mit tausend martern plagen?
Eh in dem grabe mich dein grimm gesencket ein.
Soll denn mein treues hertz und ungefärbtes lieben /
Das die beständigkeit als meisterin regiert /
Durch deinen argwohns-wind stets werden umgetrieben /
Bevor du weder fleck noch fehl an mir verspürt?
Wohlan! so will ich gern mit meinem tod bezeugen /
Daß du / o grausame! mir weit zu viel gethan;
Doch soll sich auch dein ruhm zugleich zur erden beugen /
Wenn man die ursach wird des todes sehen an.
So würd ich ungefehr dich angeredet haben /
Wenn mir nicht deine treu und neigung wäre kund;
Nun aber seh ich mehr auff deiner klugheit gaben
Und trau dem hertze zwar / nicht aber deinem mund.
Dein hertze lässet dich nicht argwohn auf mich tragen /
(Wiewohl dein mund von nichts als furcht und zweiffel spricht)
Und was du pflegst von uns und unsrer list zu sagen /
Das / wie ich sicher weiß / ist nicht auff mich gericht.
Die liebe die mich hin zu deinen füssen leget /
Ist nicht von gestern her / ich hasse solchen brand /
Der sich in unsrer brust von ongefehr erreget /
Und also fort verlescht / fast eh wir ihn erkannt.
Zwar als ich deine zier und dich zum ersten sahe /
Empfand ich alsofort von oben einen zug;
Es war was seltenes / das damahls mir geschahe /
Doch war bey weitem es zur liebe nicht genug.
Ich fieng nur nach der hand und mehlich an zu brennen /
Biß endlich mit der zeit mein feu'r zum stande kam.
Drum wird man künfftig auch mein lieben ewig nennen /
Weil es durch lange zeit recht wurtzeln an sich nahm.
Ich kan dich nun nicht mehr / als du besorgst / verlassen;
Ich habe / Psyche / dich mir zu gewiß erkiest.
Ich bin dir ewig hold / ich kann dich nimmer hassen /
Weil du mein auffenthalt und mein vergnügen bist /
[117]
Laß du nur einen blick auff meine scheitel schiessen /
Und dencke: Thyrsis ist es endlich noch wohl werth.
Man laß ihn / was er längst so sehnlich hofft / geniessen /
Die braut bleibt billig dem / der treulich liebt / beschert.
Psyche.

Ists mit dir so bewandt / und wilst du's also haben?
Das hätt ich nicht gedacht! Nein / Thyrsis ist kein kind;
Er ist bereits zu klug und hat zu freye gaben /
Dergleichen einer nur bey frommen kindern findt.
Er kann von seiner lieb ein hauffen worte machen /
Ich muß ihm endlich doch nur zu gefallen seyn /
Und glauben seinem mund und allen seinen sachen.
Wie schleicht so unvermerckt die liebe bey mir ein?
Doch will ich dieses noch hiermit voraus bedingen /
Daß er nur mir allein hinfort ergeben sey /
Und sich bemüh / dahin die meinigen zu bringen /
Daß sie mich ehelich ihm künfftig legen bey.
Thyrsis.

Mein thun ist dein befehl / dein wollen mein vergnügen;
Ich ehre deinen spruch und deine trefflichkeit.
Wer wolte sich wohl nicht für einer Göttin schmiegen /
Die so gar gütig sich zu unsrer hülff erbeut?
Sagt mir / ihr Najaden / was hier für götter wohnen?
Ich seh ein götter-bild / und weiß nicht wie es heißt:
Es scheint / es habe sich / mein lieben zu belohnen /
Die Venus selbst versteckt in Psychens edlen geist.
Ich glaube / dieser ort und lustige gestaden /
Die ziehen gar vielleicht die götter zu sich her;
Pflegt sich die Venus auch bißweilen hier zu baden?
Vielleicht ist euer bach ihr lieber als das meer.
Ich bleibe noch dabey / ich muß dich göttlich nennen /
Dein auge bildet mir die Juno selbsten vor.
Es möchte Jupiter vor deiner liebe brennen /
So hoch schwingt / Psyche / sich dein edler glantz empor.
Die wollen-weiche Hand und deren zarte finger /
Die geben nichts nicht nach Minerven ihrer zier;
[118]
Der weissen brüste paar / die allerliebsten dinger /
Derselben schönheit geht weit Aphroditens für.
Dein wohlgesetzer fuß und rund-gewölbte waden /
Die zeigen einen schnee / der unsre seel erqvickt /
Dergleichen Thetis auch / wenn sie sich pflegt zu baden /
Bald aus der see erhebt / bald wieder unterdrückt.
Wie glücklich mag der seyn / der deine schönheit schauet?
Wie selig aber der / so deine rechte küßt?
Ja welcher seine lust auff deinen brüsten bauet /
Da gläub ich / daß gewiß derselb halb göttlich ist.
Ach solte sich mein fuß mit deinen schenckeln paaren /
Und liessest du / mein kind / mich völlig zu dir ein?
Was meynst du / würde mir alsdann wohl wiederfahren?
Ich würde gar vielleicht mehr als unsterblich seyn.
Psyche.

Ich geh in einem meer / das voll verwunderns / unter /
Vor sachen / die ich nicht versteh / erstarr ich recht;
Bald komm ich aus mir selbst / bald werd ich wieder munter /
Weil kein geborgtes lob mir meine sinnen schwächt.
Wie ist es? sucht dein mund mich etwan zu bethören?
Weil er ein iedes wort mit schmeichel-farbe ziert.
Sag an / was ist es denn? ich muß es endlich hören;
Denn wer zuvor nicht beicht / der wird nicht absolviert.
Thyrsis.

Komm / meine schöne / komm! Hier unter diesen fichten /
Das / was ich sagen will / geht mich und dich nur an.
Psyche.

Was willst du da mit mir / du loser schalck / verrichten?
Ich weiß nicht / ob ich dir so leichtlich trauen kan.
Thyrsis.

Komm nur / du wirst es ja schon selbst bey zeiten sehen /
Und fürchte dich vor nichts / dieweil ich bey dir bin.
[119] Psyche.

Ja eben fürcht ich mich vor dir mit dir zu gehen.
Doch mag es seyn gewagt. Ich folge deinem sinn.
Thyrsis.

Mein / setze dich zu mir hier unter diesen eichen /
Wo uns die Flora selbst ein buntes küssen schenckt.
Psyche.

Was nimmst du kühner vor? was suchst du zu erschleichen?
Daß unter meinen rock sich deine rechte senckt.
Thyrsis.

Es kam von ongefehr / und hat nichts zu bedeuten /
Hat doch ein bräutgam diß der braut wohl eh' gethan.
Psyche.

Ich bin zu jung dazu / drum lauff ich weg bey zeiten.
Nein / freund! es geht bey mir dergleichen ding nicht an.
Thyrsis.

Fleuch nicht / du möchtest sonst die götter zornig machen.
Es ist Cupido selbst und Venus mit im spiel.
Psyche.

Die Götter kenn ich nicht / ich muß nur ihrer lachen /
Die mutter und der sohn die thun mir gleiche viel.
Thyrsis.

Wohlan! so lerne sie anitzo denn erkennen.
Es lebt und leibt die welt allein durch ihre gunst.
Psyche.

Doch sorg ich / möchten sie mich gantz und gar verbrennen /
Man sagt / ihr wesen sey ein feur / ihr arbeit brunst.
Thyrsis.

Diß feuer zündet an die angenehmen flammen /
Durch welche sich bey uns ein neuer Phöbus zeigt.
Psyche.

Laß mich / wir kommen sonst noch wohl einmahl zusammen /
Schau / wie sich allbereit der tag zum ende neigt.
[120] Thyrsis.

Itzt gehet Phöbus hin / der see sich zu vermählen /
Die beste buhler-zeit ist / wenn der tag gebricht.
Psyche.

Du magst nach deiner art die zeit und stunden zehlen /
Ich hab hier nichts zu thun / von bulen weiß ich nicht.
Thyrsis.

Das / was du nicht verstehst / kanst du von mir itzt lernen.
(Verleihe Venus mir von oben deine krafft!)
Psyche.

Ihr götter steht mir bey / ach helfft ihr güldnen sternen!
Wo nicht / so ists geschehn mit meiner jungferschafft.
Thyrsis.

Nach deiner jungfernschafft wird Jupiter nichts fragen.
Aus jungfern hat er selbst offt manche frau gemacht.
Psyche.

Wenn Jupiter nicht hört / will ichs den andern klagen:
Diana rette das / was ich dir zugedacht.
Thyrsis.

Ach lerne dich / mein kind / nur in die weise schicken
Dein ruffen ist zu spät / die göttin hört dich nicht.
Psyche.

Dieweil es mir denn nicht will wider dich gelücken /
Wohlan! so sey mein sinn zu deiner lust gericht.
Thyrsis.

Ich gebe dir dafür mein haus und hof zu lohne /
Hilff nur / daß unsre lust anitzt vollkommen sey.
Psyche.

Mich deucht es ist genung zu einem jungen sohne.
Hör auff! du legest mir zu grosse schmerzen bey.
Thyrsis.

Die schmertzen tödten nicht / sie sind zu überwinden
So offt man weiber macht / so thuts den jungfern weh.
[121] Psyche.

Laß ab / mein liebster schatz / dich gar zu tieff zu gründen /
Auff daß mein leben nicht mit deiner lust vergeh.
Thyrsis.

Verzeih / es wird sich itzt der süsse thau ergiessen /
Ich mercke / wie die lust zu meinen adern dringt.
Psyche.

Und ich fühl honigseim in meinem busen fliessen /
Die wollust macht mich satt – – –
Thyrsis.

– – – Mich hat sie schon umringt.
Ach schatz! ach! ach! – –
Psyche.

– – Mein kind! Ach liebster! ach mein leben!
Ist das nicht zucker-lust? – – –
Thyrsis.

– – – Ach ich bin gantz entzückt!
Psyche.

O süsser lebens-thau! den mir mein schatz gegeben.
Thyrsis.

O süsser lebens-quell / wie hast du mich erquickt!
Psyche.

Es ist mir meine brust vor wollust auffgequollen /
Die hügel hüpffen mir vor freuden noch empor.
Thyrsis.

Mein gantzer leib / der ist von vieler brunst zerschwollen.
Nachdem mir deine gunst geöffnet hat das thor.
Psyche.

So hast du Thyrsis doch noch über mich gesieget /
Dieweil in meiner schooß dein sieges-zeichen steckt.
Thyrsis.

Den sieg hat dir vielmehr der himmel zugefüget /
Der mich vor deine knie gefangen hingestreckt.
[122] Psyche.

Diana zürne nicht / daß ich mit Amors waffen /
Als andre krafft gebrach / zu felde gangen bin.
Thyrsis.

Wenn gleich Diana zörnt / kan Venus doch verschaffen /
Daß dir nicht schädlich sey ihr hart erboster sinn.
Psyche.

Auff! auff! wir müssen fort / es rauscht dort bey den bächen /
Wer weiß was jener baum für einen schleicher hegt?
Thyrsis.

Die fichten wollen sich von unsrer lust besprechen /
Weil sie der kühle west durch seine macht bewegt.
Psyche.

Ich muß nun wieder hin zu unsern schafen eilen /
Die Phyllis rufft mich selbst / leb wohl / o meine zier!
Thyrsis.

Dieweil du denn allhier nicht länger kanst verweilen /
So nimm vor dieses mahl den letzten kuß von mir.
Psyche.

Ich muß dem leibe nach dir itzt zwar abschied geben /
Doch mein verliebter geist wird allzeit bey dir seyn.
Thyrsis.

Leb wohl / und liebe wohl / und leide wohl / mein leben!
Und dencke: Treue lieb ist immer ohne pein.

[123] [370]Schwangrer Jungfern Trost-Gedancken.

Laß / grosse Venus / dir ja nicht zu wider seyn /
Daß wir für dein altar mit schwerem fusse treten!
Wirff einen strahl auff uns von deiner gottheit schein /
Die wir in demuth itzt dich kommen anzubeten:
Nimm unsern ehren-krantz zu einem opffer an /
Laß dieses trauer-pfand an deinen wänden hangen /
Und so es ewig nicht erhalten werden kan /
So laß die asche nur in deinem tempel prangen
Es rühme Pallas sich mit ihrer jungferschafft /
So mag auch Vesta sich für allen männern wehren /
Diana fühle nicht der starcken liebe krafft;
Wir wollen insgesammt zu deiner fahne schwehren.
Wir bieten jenen auch mit ihrem wesen trutz /
Und wollen uns die zunfft der schwangern jungfern nennen.
Nimst du uns willig auff in deinen schirm und schutz /
So sucht das volck umsonst uns flecken anzubrennen.
Wir schätzen den verlust der jungferschafft nicht groß /
Und fühlen immer noch das angenehme jucken /
Als der beperlte thau in unsre muschel floß /
Und sie sich öffnete denselben einzuschlucken.
Es war / als hätte sich uns Jupiter gezeigt /
Und wolte wiederum mit menschen liebe pflegen;
[370]
Als hätte sich zu uns der himmel selbst geneigt /
Und wolte sich hinfort auff unserm schooß bewegen.
Die lenden huben sich / da uns die lust empfing /
Als wenn der gantze leib gen himmel fliegen wolte /
So daß die seele fast uns mit zugleich entgieng /
Indem die jungfernschafft den abschied nehmen solte.
Cupido hatte schon ein labsal zubereit /
Die geister wiederum vom schlaffe zu erwecken:
Er kam uns höchs-terwünscht zu eben rechter zeit /
Und ließ uns Ambrosin aus rothen schaalen lecken.
Drum achten wir nicht sehr der spötter grosse zahl
Und lassen andere für jungfern gerne lauffen /
Ja wolten ungerühmt / wo möglich / tausendmahl /
Um einen schnöden krantz dergleichen wollust kauffen.
Wir fragen alle welt / was ist der jungfer-stand?
Was ist die jungferschafft? Ein buch / so nicht zu lesen /
Ein schüler freyer kunst / ein bloßer wörter-tand /
Ein kind der phantasie / ein wesen ohne wesen.
Nur das gehirne hegt und mehret diese zucht /
Ihr gantzes wesen stützt der pfeiler der gedancken /
Warum? ist unbekandt. Gewiß daß ohne frucht
Man der natur hierdurch will schmälern ihre schranken.
Doch wird durch diesen wahn ein grosser theil bethört /
Und abgeschreckt von dem / was die natur wohl gönnte /
Es würde gar um viel der menschen zahl vermehrt /
Wenn jede sonder schimpff nur mutter heissen könte.
Es ist die jungferschafft / wer sie zu etwas macht /
Ein unvollkommner stand / gleich ungeförmter erden /
Der zur vollkommenheit nicht eher wird gebracht /
Als biß wir mit der zeit aus jungfern frauen werden.
Soll unser schloß gesperrt und stets geschlossen seyn;
Warum heist die natur uns nach dem schlüssel fragen?
Soll sich in unser hertz der rost nicht fressen ein /
So muß auch selbiges von keiner fäule sagen!
Der allgemeine trieb / der uns entbrennen heist /
[371]
Und nach dem männer-volck zu schauen uns verleitet /
Der ist auch / der das öl in unsre lampen geust /
Und das geschmierte tacht ohn unsern fleiß bereitet.
Es ist ein jungfer-leib ein ungepflügtes land /
Drum kan es keine frucht in diesem stande bringen.
Erst streut man saamen aus / denn wird die saat erkannt /
Und noch zuvor versucht der pflug / das land zu zwingen.
Wer über unser thun den urthel-stab zerbricht /
Der kan auch nicht zugleich das kloster-leben schelten /
Und wer den männer-stand verdammt und übel spricht /
Bey dem wird unser thun ohn zweiffel müssen gelten.
Doch wird uns diß vielleicht nur übel ausgelegt /
Daß wir den priester nicht / wie bräuchlich / ruffen lassen /
Daß wir kein gastgebot und keinen tantz gehegt /
Daß andre leute nicht von unsern gütern prassen.
Wer aber hat den brauch zum ersten eingeführt /
Daß man den priester reich / die gäste frölich machet /
Nein / nein / es wird die zeit itzt nicht darnach verspürt /
Und wer nicht sparen kan / der darbt und wird verlachet.
Daß wir uns aber nicht was besser fürgesehn /
Wird unter allen uns am meisten vorgerücket.
Was hilffts / man rede nur zum besten / weils geschehn /
Der vogel ist entwischt / die rosen sind gepflücket.
Wir haben sonderlich uns diesen trost erwehlt /
Daß keine darff noch mag von uns die erste heissen.
Wer hat die grosse zahl derjenigen gezehlt /
Die längst den krantz verschertzt / und doch als jungfern gleissen.
Was kaum der teuffel kann / das weiß ein altes weib /
Den grund-riß der natur durch säffte zu verderben /
Sie ordnet bäder an für den geschwollnen leib /
Und heisset die geburt vor ihrer bildung sterben.
Wär arge list und kunst nicht in der welt bekandt /
So liessen sich viel mehr in unsre rolle schreiben;
Und thäte nichts dabey des apotheckers hand /
Wo würden in der welt die jungfern endlich bleiben?
Die aber doch zur zeit als reine jungfern gehen /
Die haube doch verdient / die geben sich zu frieden /
Sie sollen oben an in unsrer rolle stehn /
[372]
Wo nicht ein altes Weib ein anders weiß zu schmieden.
Des Pöfels urthel sey an seinen ort gestellt /
Wir dürffen gantz und gar uns nicht des urthels schämen.
Das mögen diese thun / die für den beyschlaff geld /
Die zinse für die haut / und schändlich wucher nehmen.
Wir haben anders nicht / als ehrlich / nur geliebt /
Vielweniger den leib um schnöden sold verdungen;
Wer uns vor huren schilt / und böse titel giebt /
Dem sey der teuffel schaar auf seinen kopff gesungen.
Indessen kommen wir bald in die wochen ein /
Es mag uns / wer da will / das spiel vor übel halten;
Wir wollen tausendmahl viel lieber ammen seyn /
Als bei der jungfernschafft verschrumpeln und veralten.

[Wische die ächzenden thränen]

[373][406]
Wische die ächzenden thränen
Von den wangen ab /
Wilstu dir ein grab
Durch die schwachen seuffzer bähnen?
Laß mich wissen /
Daß das küssen
Alle schäden kan versüssen.
[406]
Perlen gehören den wellen /
Doch dein wangen-Schnee
Soll zu buntem klee
In den wiesen sich gesellen.
Laß uns üben
In dem lieben /
Warum wilstu dich betrüben?
Trennet uns itzo das glücke
Durch den harten schluß /
Daß ich scheiden muß.
Komm ich doch gewiß zurücke:
Wenn die bienen
In dem grünen
Fliegen / will ich dich bedienen.

[407] Schertz-lied.

Als die Venus neulich sasse
In dem bade nackt und bloß /
Und Cupido auff dem schooß
Von dem liebe-szucker asse /
[408]
Zeigte sie dem kleinen knaben
Alles was die frauen haben.
Marmel-hügel sah er liegen /
Von begierden auffgebaut;
Sprach zur mMutter überlaut:
Wenn werd ich dergleichen kriegen /
Daß mich auch die schäferinnen
Und die damen lieb gewinnen?
Venus lacht aus vollem munde
Uber ihren kleinen sohn:
Denn sie sah und merckte schon /
Daß er was davon verstunde /
Sprach: du hast wohl andre sachen /
Die verliebter können machen.
Unterdessen ließ sie spielen
Seine hand auff ihrer brust:
Denn sie merckte / daß er lust
Hatte weiter nachzufühlen /
Bis ihr endlich dieser kleine
Kam an ihre zarte beine.
Als er sich an sie geschmieget /
Sprach er: Liebes mütterlein /
Wer hat an das dicke bein
Euch die wunde zugefüget?
Müst ihr weiber denn auff erden
Alle so verwundet werden?
Venus konnte nichts mehr sagen /
Als: du kleiner bösewicht /
Packe dich / du solst noch nicht
Nach dergleichen sachen fragen.
Wunden / die von liebes-pfeilen
Kommen / die sind nicht zu heilen.

[Komm braune nacht / umhülle mich mit schatten]

[409][422]
Komm braune nacht / umhülle mich mit schatten /
Und decke den mit deiner schwärtze zu /
Der ungestört sich will mit sonnen gatten
Und im bezirck der engel suchet ruh /
Ja hilff mein ach / eh du noch wirst verschwinden /
Mit linder hand von meiner seele binden.
Wie / hör' ich nicht / willkommen mein verlangen!
Schon im gemach mit leiser stimme gehn?
Fühl' ich mich nicht mit lilien umfangen /
Und meinen fuß auff diesen grentzen stehn /
Wo mir Celinde wird aus thränen lachen /
Aus flammen eiß / aus bette himmel machen.
So tilge nun / o heldin! meine schmertzen /
Wirff mit dem flor die leichte zagheit hin /
Laß meine hand mit deinem reichthum schertzen /
Und mich entzückt das schöne thal beziehn /
Da sich im thau die stummen lüste kühlen /
Und tag und nacht mit ihren farben spielen.
Dein heisser mund beseele mich mit küssen /
Hilff / wenn ich soll an deiner brust versehrn /
Durch linden biß der flüchtigen narcissen
Mir ausgestreckt die stille freude mehrn /
Und möchtest du ja deinen krantz verlieren /
Solln perlen doch die schönen haare zieren.
Mein wort erstirbt / die seele will entweichen /
Ach laß sie doch in enge himmel ein /
Laß schiff und mast in deinen hafen schleichen /
Und deine hand selbst meinen Leitstern seyn /
Du solt alsbald die eingeladne gaben /
Nebst voller fracht statt der belohnung haben.

[Komm längst gewünschte freuden-nacht]

[422][434]
Komm längst gewünschte freuden-nacht /
Als zeugin meiner liebe /
Verhülle des gestirnes pracht /
Mach alles schwartz und trübe /
Laß mir an statt der güldnen sterne seyn
Zwey unbefleckter augen schein.
Ich wünsche nicht dein bleiches licht /
Kein nord-stern darff mich führen /
Kein glantz darff meinen augen nicht
Den weiten himmel zieren /
Dieweil die glut / die mich zuvor betrübt /
Mir itzt die beste klarheit giebt.
Ist das geschwinde wunder-kind /
So uns die nNoth erreget /
Nach aller köpffe meynung blind /
So werd ich nichts beweget /
Daß ich auff dieser unbekandten bahn
Nicht wie bey tage schauen kan.
Und ist mein auge gleich bedeckt /
So schau ich doch im hertzen /
Daß mir die Venus auffgesteckt
Viel flammen-reiche kertzen /
Durch welcher glantz itzt mein gemüth erkiest /
Was lieben und geniessen ist.
Genug / die nacht erzeiget sich
Auf ihrem schwartzen throne /
Die Venus selbst ermahnet mich
Mit ihrem kleinen sohne
Zu suchen die / so meine freyheit fällt
Und meinen sinn gefangen hält.
[434]
Drum liebste komm / und sey bereit /
Die stunden haben flügel /
Der Phöbus ist gewiß nicht weit /
Er rühret seine zügel /
Dieweil es sich nicht allzuwohl gebührt /
Daß uns der tag nach bette führt.

[Komm / Philirose / schau die nacht]

[435][445]
Komm / Philirose / schau die nacht /
Den julep halbverwundter hertzen /
Die zeit / wo wir mit liebe schertzen /
Hat sich nunmehr zu uns gemacht /
Das bleiche licht / das itzt erschienen /
Will uns zur liebes-fackel dienen.
[445]
Entblöße jenes schöne feld /
Wo meine seel die wahlstatt funden /
Und meine krafft wie schnee verschwunden /
Als sich dein blick / der starcke held /
So tausend flammen mit sich brachte /
Zugleich aus deinen augen machte.
Ach Philirose komm geschwind /
Laß mich das paradieß besteigen /
Den ort / wo sich die gaben zeigen /
Die weisser / als narcissen / sind /
Laß mich in den verliebten stellen
Dir meine seele zugesellen.
Hier ist kein schrecken noch gefahr /
Entkleide deine brust und lenden /
Ich will die glut auf diesen enden /
Was mir die erste flamm gebar /
Es soll mein mund auff deinem liegen /
Biß mich die ohnmacht wird besiegen.
Und wenn ich nun besieget bin /
Wenn die entseelung mich gewonnen /
Und mir das leben gar entronnen /
So gib mir tausend küsse hin;
Und solt ich neue krafft erwerben /
Will ich noch zehnmahl also sterben.

[HIer müssen frische myrthen stehn]

HIer müssen frische myrthen stehn /
Mein fuß soll itzt auff rosen gehn /
Das glücke soll mir selber betten /
[446]
Denn die / so meine seele liebt /
Und der mein hertze sich ergiebt /
Bindt mich mit allzu-schönen ketten.
Sie zeigt sie schätze ihrer gunst
In gleicher glut / in gleicher brunst /
Ihr blut entdecket die dedancken /
Hier leg ich meine freyheit hin /
Weil ich ihr liebs-gefangner bin /
Ihr will sey mein ziel in schrancken.
Der frühling ihrer besten zeit /
Voll anmuth / voller lieblichkeit /
Giebt meinen geistern neues leben /
Ich seh' auff ihrem wangen-rund /
Und dem so schönen zucker-mund
Die Gratien leibhafftig schweben.
Komm / schönste / meiner seelen licht /
Laß mich aus deinem angesicht
Des hertzens wahre meynung lesen:
Ich weiß von deiner edlen treu /
Daß ihr nichts vorzuziehen sey /
Nie iemahls etwas gleich gewesen.
Laß uns / weil es der himmel schafft /
Und wir noch voller blut und safft /
Der liebe nectar-strohm geniessen;
Den bund / der uns zusammen fügt /
Und beyder hertz und sinn vergnügt /
Besiegelt ein empfindlich küssen.
Du bist mein stern / mein paradeiß /
Und was ich nicht zu nennen weiß /
[447]
Der kern und ausbund meiner seelen /
Es soll in diesem leib und blut
Stets brennen meiner liebe glut /
Biß zu den finstern grabes-hölen.
Alleine hör / was Venus spricht /
Mein engel / und mein augen-licht /
Sie will nicht bloß mit worten spielen;
Sie ladet uns zun wercken ein /
Und heißt uns da geschäfftig seyn /
Die heissen flammen auszukühlen.
[448]

[64] Abbildung der vollkommenen schönheit.

HOldseliges geschlecht / hör an / ich will dichs lehren /
Wie es gestalt muß seyn / was man für schön soll ehren.
Liß diese zeilen durch / so wird dir seyn bekant /
Wodurch die Helena so trefflich schön genant.
Der leib muß seine pracht erst von den farben haben /
Von diesen müssen drey sich gleichen schwartzen raben /
Drey müssen wie der schnee so weiß sein anzusehn /
Drey die an röthe selbst den purpur übergehn.
Drey andre müssen ruhm durch ihre kürtz' erlangen /
Hingegen andre drey mit schöner länge prangen;
Drey müssen seyn was dick / doch wohlgebildt dabey /
Darneben müssen schmal und schlank seyn andre drey.
Die weite muß man auch an eben so viel rühmen /
Und andern gleicher zahl will eng zu seyn geziemen.
Wenn man zu diesen fügt drey / welche zierlich klein /
So kann die schönheit selbst nicht vollenkommner seyn.
Die augen preiset man / die schwartzen kohlen gleichen /
[64]
An strahlen aber doch der sonnen selbst nicht weichen;
Und um dieselbe muß ein schwartzer bogen gehn /
Dadurch diß sternen-paar kan überschattet stehn.
Zum dritten muß der pusch / der jene höle decket /
In welcher Venus selbst das ziel der brunst verstecket /
Gantz eingehüllet seyn in schwartze dunckelheit /
Weil Amor solch ein kind / das sich im dunckeln freut.
Die haare müssen seyn so weiß / als reine seide /
Der alabaster-halß / wie nie berührte kreide /
Die zähne müssen recht / wie blanckes helffenbein /
Wenn sie von tadel gantz entfernet sollen seyn.
Der mund muß röther seyn als brennende rubinen /
Soll sonst der lippen saum den rechten preiß verdienen.
Die wangen / die nicht roth / sind nicht vollkommen schön /
Und auf den brüsten selbst muß roth am gipfel stehn.
Die zähne müssen kurtz nur seyn in ihren reihen /
Derselben masse sich die füsse gleichfalls weihen.
Diß einz'ge giebet auch den ohren ihren preiß /
Daß man / wie andre theil / sie schön zu nennen weiß.
Es muß ein schöner leib sich nach den g'raden fichten /
Die wie die säulen stehn / in seiner länge richten.
Die hände / die mit lust der liebe zügel führn /
Muß / wenn sie zierlich sind / gewünschte länge ziern.
Und soll dem Venus-sohn die liebes-jagt gelücken /
Muß er aus langem haar ihm netz und sehnen stricken.
Denn soll in sclaverey die freyheit seyn gebracht /
So müssen fesseln seyn aus langem haar gemacht.
Es ist ein solcher leib vor andern hoch zu preisen /
An dem die hüfften sich in rechter dicke weisen.
Auch das / was die natur zum sitz-platz ausersehn /
Ist dadurch / wenn es dick und ausgefüllet / schön.
Und drittens muß der ort / der unsre sinnen raubet /
Wenn er mit schöner kräuß' als ein gebüsch belaubet /
[65]
Seyn einem hügel gleich von bergen eingehüllt /
So daß er eine hand mit seiner dicke füllt.
Die finger / welche schmal und zierlich sich erstrecken /
Die können / was sonst halb erstorben / aufferwecken /
Und arme dieser art sind das gewünschte band /
Wodurch man an das joch der liebe wird gespannt.
Auch muß ein schönes kind seyn schmal und schlank von beinen /
Daß / wenn die flammen sich im mittel-punct vereinen /
Gantz umb das oberste das unterste sich schwenckt /
Gleichwie Adonis ward von Venus eingeschränckt.
Der weite lob kan man aus dreyen stücken lernen:
An augenbrauen / die von ander sich entfernen /
An lenden / die nicht gar zu nah beysammen stehn /
Vornehmlich wenn man will in Amors irrgang gehn.
Auch müssen weit entfernt sich zeigen jene hügel
Der schwanen-gleichen brust / daß mit verhängtem zügel
Die brunst / wenn sie genug mit küssen hat gespielt /
Durch dieses thal kan gehn / wo sie wird abgekühlt.
Drey enge müssen sich bey jenen dreyen weisen:
Ein rosengleicher mund muß enge seyn zu preisen;
Die seiten müssen eng und dicht zusammen seyn /
Daß eine elle sie bey nah kan schließen ein.
Vor allen aber muß die grufft da Venus lachet /
Wo das / was stählern schien / wie wachs wird weich gemachet /
Gantz enge seyn / damit wenn unsre brunst entsteht /
Sie ein und wieder aus mit mehrerm kitzel geht.
Und letztlich müssen drey seyn zierlich klein zu nennen:
Die nase muß man erst deßwegen loben können;
Die brüste gleichen falls / die eine hand spannt ein;
Die gipffel müssen drauff gleich kleinen erdbeern seyn.
Wann dann der Leib gebildt in solchem schönen wesen /
So hat zum wohnplatz ihn die liebe selbst erlesen /
Und wann an diesem auch bald diß bald jenes fehlt /
So hat Cupido schon ein anders auserwehlt;
Dann wenn die schönheit gleich nicht völlig ist zu finden /
So kan die freundlichkeit doch alles überwinden:
Der nun die schönheit nicht auf allen gliedern schwebt /
Der rath' ich / daß sie sich durch freundlichkeit erhebt.
Hie seht ihr / schönstes Volck / wodurch ihr schön zu nennen /
Werdt ihr ins künfftige mir besser nachricht gönnen /
Soll meine feder euch zum dienst seyn angewand /
Wenn ihr dieselbe führt mit eurer schönen hand.

[Warumb betrübstu mich / der dich so hertzlich liebet]

[66] [83]1.
Warumb betrübstu mich / der dich so hertzlich liebet
Und so viel seuffzer dir zum treuen opffer giebet?
Ich dacht / es zeigte licht in deinen augen sich /
Jetzt find' ich flecken drein / warum betrübstu mich?
2.
Die vormals treue hand / die ich so offt gedrücket /
Befind ich nicht mehr treu / sie hat mich nur berücket;
Auch frembden fingern ist ihr kützel schon bekandt /
Sie drückt mich nicht allein die vormals treue hand.
3.
Die schöne liljen-brust voll lieblicher narcissen /
Mit rosen auffgespitzt / die ich nur pflag zu küssen /
Hegt frembden lippen nun auch blumen süsser lust /
Warum ist sie so falsch die schöne liljen-brust?
[83] 4.
Die quelle meiner lust / ob sie noch rein verschlossen
Und nicht auch frembde saat mit ihrem thau begossen?
O nein! verstreustu schon die liljen deiner brust /
Bleibt auch die scohoß nicht rein / die quelle meiner lust.
5.
Der mund ist etwas treu; doch wills nur also scheinen
Indem er kräfftig denckt die fehler zu verneinen;
Doch nein / ich glaub es nicht / bring mir nicht unschuld bey /
Aug / hand / brust / schooß sind falsch / der mund ist etwas treu.
6.
Mein hertz bezwinge dich / dasselbe zu verlassen /
Was du so hertzlich liebst / die untreu muß man hassen.
Krönt dich / Melinde / nur dergleichen treu / wie mich
Ich ließ dich nimmermehr; mein hertz bezwinge dich.

[84] [95]An Lisimenen.

1.
LIsimene liebstu nicht?
Wilstu ewig einsam leben?
Soll der augen sternend licht
Mir nicht die vergnügung geben?
Ach die sonnen sind zu schöne /
Lisimene!
2.
Ist der lippen ihr rubin
Vor die todten nur erkohren?
Gibst du so die rosen hin /
Die vor götter sind gebohren?
Ach der purpur ist zu schöne /
Lisimene!
3.
Trägt nicht deine zarte hand /
Der die perle nicht zu gleichen
Ein verwundtes hertz im band?
Kan dich dieses nicht erweichen?
Ach die hände sind zu schöne /
Lisimene!
[95] 4.
Es hängt an dem weissen schild /
Der die runden hügel träget /
An dem halse ja ein bild /
Da Cupido drauff gepräget.
Ach der hals der ist zu schone /
Lisimene!
5.
Soll der marmel deiner brust /
Welchen du mit fleiß verhüllet /
Nicht zum lieben tragen lust /
Wenn er auff und nieder quillet?
Ach die äpffel sind zu schöne /
Lisimene!
6.
Ach ich bitte / zürne nicht /
Daß ich neulich auff der wiesen
Gantz verstohlen / o mein licht!
Konte deinen leib erkiesen.
Ach der leib der war zu schöne /
Lisimene!
7.
Es tritt dein geschickter fuß
Die betrübte einsamkeiten /
Wie ich gleube / mit verdruß /
Weil ich ihn nächst sahe gleiten.
Ach die füsse sind zu schöne /
Lisimene!
8.
Schönste / nimst du den nicht an /
Der sich itzt vor deinem throne
[96]
Leget als dein unterthan?
Giebst du dich ihm nicht zu lohne?
Nein! ach nein! du bist zu schöne /
Lisimene!
[97]

[29] Er entsaget ihrer liebe.

1.
Schaff endlich deiner lieb und deinem rasen rath;
Laß diesen fremden gast nicht lange bey dir liegen /
Du siehst wie Marmorill ist listig zu betrügen /
Und daß ihr mund den schertz zu einem bürger hat.
Verwundre nicht den stern von ihrer süssen gnad /
Es ist ein irrwisch-licht / das in die lufft wird fliegen /
Ein hochbehertzter muth muß solchen tand besiegen /
Der tugend von sich stöst und liebet missethat.
Du als ein freyer sinn wilst dich so knechtisch schmiegen.
Vor der / die geilheit pfropfft / und eine unglücks-saat
Dem hertzen einverleibt. Wer ist je hoch gestiegen?
Der Liebe / wein und weib zu seinem beystand bat.
Laß das verhängnis dis nach seinem willen fügen /
Und folge wie du solst der edlen tugend pfad.
2.
Sol denn ein hulder kuß dein einger nordstern seyn
Wornach der brunst compaß mit allem fleiß will springen?
Soll er dein wohlfahrts-schiff in sichern hafen bringen?
Nein / nein du irrest weit / das bilde dir nicht ein /
Halt flack und seegel auf / es ist ein irrlichts-schein.
Gedencke / daß es auch pflegt andern zu gelingen /
Daß sie umb ihren hals die warmen armen schwingen /
Und küssen in der brunst ihr klares helffen-bein.
Und ob dein schwaches hertz zwar glimt von solchen dingen /
Die in der flamm und glut vermehren deine pein /
So lescht sie doch ihr schnee und kalter kieselstein /
Indem ein frembder wird dein himmel-brodt verschlingen /
Und saugen von dem mund den süssen götter-wein /
Weil das / was du geneust / auch andern ist gemein.

[29] [85]Die schlaffende Rosette.

1.
SChläfft meine Göttin hier in irrdischer gestalt /
Und ruht daselbst / wo ich darff keine ruhe hoffen?
Ist dieser kleine platz ihr süsser auffenthalt /
Von welcher Venus wird mit anmuth übertroffen?
Schließt dieses bette
Die zarten glieder ein?
Und will Rosette
Auch schlaffende hier angebetet seyn?
[85] 2.
Ja schlaff holdseeligste / und gönne / daß ich dir
Den schuld'gen opffer-dienst / auch wenn du schläffst / ablege;
Doch weil du göttlich bist / so schaff' auch / daß hinfür
Kein ärgerlicher traum zu zorne dich bewege.
Die liebes-Götter /
Zu denen man dich zehlt /
Sind keine spötter /
Wenn wider sie von menschen wird gefehlt.
3.
Wach aber endlich auch von deinem schlaffen auf /
Und zeige wachend dich so niedlich als im schlaffe:
Doch nein / schlaf immerfort! des strengen himmels lauff
Schließt dir die augen selbst den meinigen zur straffe;
Und deine blicke /
Die geben zu verstehen /
Daß ich mein glücke
Hinfort nicht / als nur schlaffende soll sehn.

[86] [94]Klage eines verliebten mädgens.

1.
Niemand hat so schöne sitten
Als der edle Lucius /
Niemand geht mit engern tritten
Und setzt netter seinen fuß /
Daß ihn auch ein iedes kind
Auff der gassen lieb gewinnt.
2.
Doch was hilfft das leere brennen /
Und der liebe gauckelspiel /
Wenn er keine neigung kennen
Und sie nicht erwiedern will?
Wenn er diese / so ihn liebt /
Dem verzweifeln übergibt?
[94] 3.
Ach ihr götter dieser erden /
Denen meine brunst bekandt /
Wenn soll ich erlöset werden
Von dem heißen liebes-brand?
Soll ich unter solcher pein
Ewig unerquicket seyn?
4.
Ändert doch die harten sinnen /
Die er von mir abgelenckt /
Daß er mich muß lieb gewinnen /
Weil ich ihm mein hertz geschenckt.
Brechet seinen harten schluß /
Daß er mich doch lieben muß.
5.
Lasset doch die treuen blicke
Und des angesichtes schein /
Den ich täglich auf ihn schicke /
Nicht so gar vergebens seyn /
Sonst erstickt der rauhe schmertz
Endlich das verschmähtehertz.
6.
Ach ihr götter hört mein flehen /
Sehet meinen jammer an /
Lasset doch den wundsch geschehen /
Daß ich ihn umbfangen kan!
Denn ich muß und will allein
Nur von ihm geküsset seyn.
[95]

[111] Die verliebte sehnsucht.

1.
So kann ich länger doch nicht schweigen /
Mein hertze nimmt die sehnsucht ein /
Es wil sich fast zum tode neigen /
Und länger nicht mehr meine seyn /
Es sucht bey dir / mein kind / sein halb verlohrnes leben /
Ach! warum wiltu es ihm doch nicht wiedergeben.
2.
Man soll ja seinem nechsten dienen
In allem was geschehen kan;
Und ziehen gleich die klugen bienen
Den honig von den rosen an /
So muß der rose doch geruch und schönheit bleiben;
Der ruhm besteht auff dem / was andre leute gläuben.
[111] 3.
Da wird / was öffters voller Flecken /
Für rein und schöne doch geschätzt /
Und welche in der hoheit stecken /
Die werden unten angesetzt /
Was weiß der pövel denn / ob ich bey dir gewesen /
Weil man das ding ja nicht kan auf der stirne lesen.
4.
Sucht ihm ein storch zu seinen zeiten
Für schnee und kälte doch ein loch;
So kanstu mirs nicht übel deuten /
Ich suchte vor und suche noch /
Drumb laß mich / liebstes kind / nur endlich bey dir finden /
Die höle / die mein hertz vom froste kan entbinden.
5.
Und fürchstu etwan einen schaden /
Das früchte könten d'raus entstehn /
Damit dein schöner leib beladen /
Alsdenn zu winckel müste gehn /
So wird die schnöde furcht durch dieses leicht verschwinden:
Wer vor dem dorffe schiest kan keine scheun' anzünden.

[112] [121]Auff ihre Brüste.

1.
WOllen-weiches schwester-paar!
Liljen-weißer honig-brüste!
Wieg' in welcher Venus war!
Angenehmes liebs-gerüste!
Halb verstecktes schönes zwey!
Liebes-schwangre zucker-ballen!
Lasset euch doch einst gefallen
Treuer seufftzer angstgeschre.
2.
Schau! ach schau! der zucker-west
Der nun Ambra für die winde
Aus den liebes-bergen bläst /
Bläst sie selber so geschwinde /
Weil du in der innern brust
Must bereits das zarte spielen
Hertzlicher begierde fühlen /
Zu der frohen liebes-lust.
[121] 3.
O du marmel-weißer schnee!
Laß die rundten ballen nieder!
Amor treib sie in die höh!
Daß sie sich beküssen wieder /
Ihr! O mehr als helffenbein!
Das Pygmalion belebet /
Ihr O schönste brüste! schwebet
Stets in lust / stets ohne pein.

Noch auff dieselben.

1.
Deine brüste wollen zeigen /
Daß sie sind wie fels und stein /
Lästu aber mich nauffsteigen /
Brech ich billig arm und bein /
Wenn ich nur wo sie gespalten /
Mich darff nach dem fall' anhalten.
2.
Gerne möcht ich mich verirren
Auch in deinem rosen-thal /
Solt' ich gleich mein bein verwirren
Im gesträuche tausendmahl /
Aber darff ich dies zu wagen /
In gehägtem pusche jagen.
3.
Ach! ihr lippen im Geblütte
Der verliebten eingetaucht!
Führt ihr reitzend zu gemütte /
Was ihr zur erqvickung braucht /
Wiltu / so will ich / mein leben /
Dir die süsse nahrung geben.

[122] [143]An die nacht.

1.
Komm schwartze nacht! umhülle mich mit schatten
Dein flor beziehe meines purpurs glantz /
Weil sich mit mir will eine sonne gatten /
Vor deren licht erbleicht der sternen krantz /
Laß deinen teppicht meine brust bedecken /
Und meinen sieg in dein gezelt verstecken.
[143] 2.
Verbirg in dir den raub geheimer liebe /
Dein dunckel-seyn umschliesse meine brust;
Ihr wolcken! eilt und macht den himmel trübe /
Befördert mir doch meine himmels-lust /
Umbstricket mich geliebte finsternissen
Daß nichts von mir des hofes Augen wissen.
3.
Komm Engelsbild! komm laß dich bald umbfangen /
Dein lippen-Julep kühle meinen brand /
Mein hertze lechst mit feurigem verlangen /
Biß deine kühlung ihm wird zugesand;
Komm zeuge; daß entzünden und selbst brennen
Des himmels wahrer vorschmack sey zu nennen.

Die gezwungene liebe.

1.
LIeben das läst sich nicht zwingen /
Lieben entstehet vor sich /
Soll dir's darinne gelingen /
Mustu geduldiglich
Warten was zeiten und tage dir bringen.
2.
Bindstu der liebe die hände;
Sicher so wird sie dir feind /
Plötzlich / geschwinde / behende
Eh man es hätte vermeint
Lauffet gezwungene liebe zum ende.

[144] [150]Auff zwey zusammen schlaffende.

1.
Spiele Cupido du lüsternes kind!
Brauche die waffen /
Wo du zu schaffen /
Wo man dich kennet /
Und Söhnigen nennet /
Itzo beschlaffen wir unsere lust /
Decken mit federn die nackichte brust.
2.
Hätte gleich heute dein bogen verletzt
Unsere hertzen /
Sind doch die schmertzen /
Wieder gedämpfet /
Du selber bekämpfet /
Weil uns vergnüget die finstere nacht /
Die uns vom springen zu ruhe gebracht.
3.
Andre bediene / wir achten es nicht /
Schiesse / verletze /
Wieder ergötze /
Brauche vergnügen /
Wo liebgen nun liegen /
Itzo besieget dein bogen uns nicht /
Weil es uns allen am besten gebricht.
4.
Flammen entzünden nur flammen und glut /
Wilstu bekriegen /
Wilstu besiegen /
[150]
Sollen wir brennen /
Gefangen uns nennen /
Müssen es feuer und brände nur thun /
Die uns entzünden und lassen nicht ruhn.
5.
Aber wir wissen: wir fühlen itzt nichts /
Unsre gedancken /
Bleiben in schrancken /
Unsere glieder /
Erquicken sich wieder /
Dieses gefieder ist unsere lust /
Wärmet uns weil uns nichts bessers bewust.
6.
Ruhet ihr täubgen / vertreibt euch die zeit /
Biß euch das hertzet
Was euch ietzt schmertzet /
Biß euch ergötzet
Was itzo verletzet /
Biß ihr in armen was männliches drückt /
Das euch mit fließendem zucker erquickt.

[151] [159]Geile küsse flecken.

1.
Zarter wangen purpur-farbe
Wird durch einen kuß verletzt /
Wo zumahl gar eine narbe
Der entbrannte mund versetzt /
Siehe du nur ob dein kuß
Einer andern werden muß.
2.
Falscher buhler! aus den augen
Und der lippen schöner pracht
Laß ich keinen honig saugen /
Weil des stachels scharffe macht /
Der sich zum verwunden rüst /
Für mich allzuspitzig ist.
3.
Meinetwegen magstu küssen /
Wen dich deine Wollust heist /
Von mir soltu nichts geniessen /
[159]
Was die geilen lippen speist /
Denn mein eisenfester schluß
Achtet keinen geilen kuß.
4.
Darffstu wohl von dingen sagen /
Die dein eigner will erregt /
Darffstu wohl die last beklagen /
Die du dir selbst auffgelegt /
Deiner eignen sinnen-pracht
Hat dich selbst zum knecht gemacht.
5.
Ich verbleibe dem gewogen /
Der sich anders giebet kund /
Wer mich einmahl hat betrogen /
Dem erschließ ich meinen mund /
Weil / wornach ihn so gelüst /
Nicht vor ihn gewachsen ist.

Notes
Erstdruck in »Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte«. Herausgegeben von Benjamin Neukirch, Erster [bis dritter] Theil: Leipzig (Thomas Fritsch); 1697–1703; Vierdter Theil: Glückstadt (Gotthilff Lehmann) 1704.
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TextGrid Repository (2011). Anonym. Anonyme Gedichte aus Neukirchs Anthologie. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0001-DECA-B