Schwester Monika

1.

[7] Concedo voluntatem!

Dies Fahrzeug ist eines von Cupidos Postschiffen – mehr Segel aufgespannt! Immer weiter! Auf zur Schlacht – Kanonen vor die Löcher! Gebt Feuer!

Pistol in Shakespeares

»Lustigen Weibern von Windsor«


I

Schwester Monika erzählt den versammelten Freundinnen, besonders aber der Schwester Annunciate Veronica, ehemalige Gräfin von R., das Leben ihrer Mutter und ihres Vaters.


Meine Familie, liebe Schwestern, ist wenigen von euch bekannt, mein Vater aber desto mehr seinen Kameraden, die mit ihm und Laudon den Siebenjährigen Krieg mitmachten und dem großen Friedrich mehr als eine Schlappe anhängten.

Auf einem adeligen Witwensitz, unweit Troppau, in einer der anmutigsten Gegenden der Oppa, verlebte meine Mutter die ersten Jahre ihres Frühlings; und sie verlebte ihn in jenen heißen Gefühlen des Seins, das[7] mit dem cour palpite! nicht immer anfängt, gewöhnlich aber mit dem haussez les mains! endet.

Ihre Mutter hatte in der Welt gelebt und sie genossen, sie hatte ihr Temperament in ihr zurückgelassen und ihre Liebe mitgenommen in die Einsamkeit und für die Bildung ihrer Louise.

Diese Louise ist meine Mutter. Sie war vorurteilslos erzogen – und vorurteilslos lebte und wirkte sie.

Mit den einladendsten Reizen des Körpers verband sie eine Grazie ohnegleichen, ein savoir faire ohne Rückhalt und ohne Heuchelei.

Herr Kaplan Wohlgemuth, genannt Bruder Gerhard, dem die Mutter sehr wohlwollte, übernahm als Hauslehrer die Bildung der jungfräulichen Blume. Er war ein junger schöner Mann von dreißig Jahren, und seine reizende Elevin hatte nachts in ihrem einsamen Bette alle mögliche Mühe von der Welt, mit ihren Fingern ein Feuer zu stillen, das seine reizende Suada in ihrem noch unreifen Busen angezündet hatte.

Ihre Mutter war gewöhnlich in den Lehrstunden gegenwärtig, und ihr heiterer Geist belebte dann jedesmal die trockene, asketische und scientivische Unterhaltung des Kaplans.

Meine Mutter war aber beständig zerstreut, und unter zehn Blicken, die auf ihre Bücher fallen sollten, schweiften neun auf den schönen Händen und Lenden des Bruders Gerhard aus.

»Sie geben nicht acht, Louise«, sagte ihr einmal ernstlich der Kaplan. Louise errötete und schlug die Augen nieder. »Was ist das für ein Betragen, Louise?« fragte halb zürnend die kluge Mutter, aber Louise blieb zerstreut und antwortete verkehrt auf alles, was sie gefragt wurde.

»Wie heißt der Heilige, der einmal den Fischen predigte?« fragte jetzt Vater Gerhard. Louise wußte das [8] nicht mehr. »Und wie heißt der Ritter, welcher vor Cromwell die Gewalt der Luftpumpe experimentierte?« setzte fragend Louises Mutter hinzu. Louise hatte das auch vergessen. »Wart, ich will dir einen Denkzettel schreiben«, fuhr die Mutter fort, stand auf und langte nach einer großen Rute. Louise fing an zu weinen, aber es half nichts, die Mutter zog sie über den Tisch, hob ihr Röckchen und Hemdchen auf und zerhieb ihr vor den leuchtenden Augen des Bruders Gerhard den zarten Hintern dermaßen, daß die ganze Mnemonik der Alten auf ihm sichtbar wurde.

Pater Gerhard bat für die Arme und schloß diesmal seine Lehrstunde mit der Bemerkung: »daß den alten Leuten immer etwas von der Strafe zugute kommen müsse, die den jungen zuteil werde.«

Er war bei diesen Worten aufgestanden und hatte Louises Mutter, entzündet von dem Anblick des jugendlichen Hintern, unter die Röcke gegriffen.

»Pfui, Gerhard!« versetzte die Mutter und befahl Louise, in den Garten zu gehen. »Ich hoffe doch nicht, daß Sie mich für so unartig halten wie unsere Louise war?«

»Nein, das nicht«, versetzte Gerhard, während Louise die Tür in die Hand nahm und sich, hinter ihr durch das Schlüsselloch schauend, die Tränen von den Wangen abwischte, »aber Sie wissen doch, gnädige Frau – wie die Alten summen, so zwitschern die Jungen, und daß folglich ...«

Und ohne die Antwort der lüstigen und konsequenten Frau abzuwarten, die schon in einem Gelächter die Meinung ihres Herzens offenbarte, hatte er sie auf das Sofa hingeworfen, ihre Röcke und Hemd mit Gewalt aufgehoben und ihr mit der besten Lebensart bewiesen, daß es immer von einer gewissen Schlechtigkeit zeuge, andern das lehren zu wollen, von dem man[9] selbst am allerwenigsten Gebrauch zu machen gesonnen sei.

»Das meinen Sie«, fragte Louises Mutter, indem sie zuckend sich unter dem fürchterlichen Tremulanten des Bruders Gerhard hin und her bewegte.

»Ja, das meine ich«, versetzte dieser und gab ihr solche kräftige Stöße, daß das Sofa bebte, wie im letzten Erdbeben die Häuser zu Messina.

»Ihre Toch-ter hat zu le-ben«, stieß der Kaplan heraus. »Lassen Sie sie ihren Hang zum Wohltun, Menschen-glück um sich her zu verbreiten, ein – Genüge – leisten.«

»Ach! Ach! Kap-lan! Hören Sie – auf«, intonierte Louisens Mutter. »Ich – ersticke!«

Louise sah die ganze Szene durch das Schlüsselloch, schöner als Hebe aufgedeckt, kühlte sie mit ihren Fingern die Wut feuriger Empfindungen, die jetzt ihren ganzen Körper durchströmten, als sie das mächtige Glied des frommen Bruders erblickte. Sie zerfloß in eben dem Moment, als Gerhard seinen aufgebrachten Amor versöhnt aus dem Schöße ihrer Mutter hervorzog und jetzt mit lüsternen Augen die schönen Zeiten Griechenlands und Roms bewunderte. – Doch:


Perspiceritas argumentatione elevatur!
Cic.
Klare Sachen werden durch Anführung der Beweise verdächtigt!

Demonstrierte Pater Gerhard, wenn er mir, der schönen Latinität wegen, Ciceros Pflichten erklärte, und ich habe einige dieser Argumente, da sie immer gesunden Menschenverstand verraten, so lieb gewonnen, daß ich manchmal über ihren Eindrücken Hora und Vesper vergaß, zumal da man bei ihnen weder früh aufzustehen noch spät schlafen zu gehen braucht.

Pater Gerhard küßte mit Inbrunst den Bauch, die[10] Schenkel, die Gefilde der Lust und die entblößten Brüste der Mutter – Louise stand wie angewachsen hinter der Tür und schaute über den herabgelassenen Hosen des Bruders Gerhard nach dem Stabat mater seines Immatrikular-Instruments, und dieser wollte eben den Actus conscientiae wiederholen, als ein Geräusch auf der Treppe Louise von der Tür wegjagte und sie den Qualen und Wollüsten ihrer eigenen Empfindungen überließ.

Sie lief in den Garten und suchte Adolph, den Gärtnerjungen. Dieser sollte ein Feuer löschen, das die Natur und der Zufall zur Unzeit in ihr angezündet hatte. Adolph war aber nicht zu finden, und als sie ein paar Gänge des ziemlich großen Gartens durchstrichen hatte, erblickte sie die Mutter am Arme des Kaplans, mußte an ihrer Seite anständig dahergehen und durfte nicht einmal ihren Augen erlauben, den ersehnten Adolph hinter irgendeiner Hecke zu erblicken.

Seit dieser Zeit war es meiner Mutter gleichsam ins Herz geschrieben, alles aufzusuchen, was ihre Leidenschaften befriedigen konnte. Der kleine Adolph wurde geneckt, und die gute Christine mußte ihr oft sagen, was denn der Kasper letzthin bei ihr auf der Kammer angefangen habe. Und wenn Christine eine Lüge ersann, so sagte ihr Louise die Wahrheit, die sie nicht leugnen konnte, nämlich der Kasper habe sie aufs Bett geworfen, habe ihr Röcke und Hemd in die Höhe gehoben, habe seine Beinkleider herabgezogen und habe zwischen ihre Schenkel ein langes starres Ding eingeschoben, das sie nicht mit Namen zu nennen wisse.

Louise hatte also alles gesehen, und Christine wußte sich nicht anders zu helfen, als daß sie ihr einigemal Maccaroni gab und sie bat, der Mutter bei Leib und Leben ja nichts davon zu sagen. Und Louise sagte auch nichts, nährte ihre Phantasie mit wollüstigen Bildern, [11] lebte mit dem ganzen Haus in der besten Eintracht, wurde von jedermann geliebt und befriedigte sich alle Nächte in ihrem Bette so genügend, daß es ihr nur bei wirklichen Ereignissen einfiel, sich auf gebotenen Wegen zu ergötzen.

Indessen gelang es Adolph doch, sich den Vorgenuß ihrer Jungfrauenschaft zu verschaffen.

Eines Tages stand Louise nach Tische im Pavillon des Gartens und sah in dem Teiche die Forellen spielen; Adolph schlich leise hinzu, hob Louise, die, über die Gartenbank hinausgelehnt, keine Acht hatte auf das, was hinter ihr geschah, Röcke und Hemdchen bis auf den Gürtel in die Höhe und hatte seine Hand zwischen ihren geöffneten Schenkeln, ehe sie noch die Blöße fühlte, die über ihren Strumpfbändern ein loser Zephir ankündigte.

»Adolph, ich bitte dich, laß mich los«, bat das beschämte Mädchen, aber Adolph war unerbittlich. Er zog ihr die zarten kleinen Lenden voneinander und befriedigte seine Lust so vollständig wie ihm möglich war.

Dieser genaue Umgang mit Adolph würde von Folgen gewesen sein, wenn nicht Louises Mutter, bei näherer Einsicht in die Natur ihrer Tochter, für nötig gefunden hätte, sie zu den Ursuliner-Nonnen nach Z. in die Kost zu tun.

Und dort verblieb sie bis in ihr 14. Jahr, wo der plötzliche Tod ihrer Mutter sie zur Erbin eines ansehnlichen Vermögens, zweier Dörfer und eines Witwensitzes machte und ihr die Aufwartung aller Heiratslustigen und verliebten Müßiggänger in einem Umkreis von zehn Meilen zuzog.

Von ihrem Leben im Kloster habe ich nie viel erfahren können; es verfloß, sagte sie mir, zwischen Einförmigkeit und Phantasie: »Die erste, als Lichtgestalt [12] und Nachtschatten des ganzen weiblichen Zirkels, und die zweite lebte in mir selbst und wurde genährt durch das Lesen asketischer und religiöser Erbauungsbücher.«

Von natürlichen Gegenständen ereignete sich selten etwas, ausgenommen, daß sie einmal eine junge Novizin mit aufgehobenen Röcken und Hemd vor dem Sprachgitter unter der Zucht eines jungen Karmeliten gefunden habe, der ihr den nämlichen Liebesdienst zum Siegel der Verschwiegenheit aufgedrückt hätte.

Louise ging, nachdem ihre Erbschafts-Angelegenheiten erledigt waren, nach Troppau. Der Winter war vor der Tür, und ein verliebtes Temperament haßt die Kälte der Natur wie jene der Herzen.

Dort sah sie den Oberst von Halden und sah ihn nicht ungestraft. Es ist sonst gewöhnlich der Fall, daß das männliche Geschlecht zuerst seinen Leidenschaften die Zügel schießen läßt und das Treiben seines Blutes, als einen Herzensakt, den Sinnen zur Ausgleichung überläßt. Unglücklicherweise war aber mein Vater ein Weiberhasser. Wenn man ihn hierüber aufzog oder gar zur Rede stellte, pflegte er zu sagen:

»Ich diene meiner Kaiserin und dem Vaterlande, das ist mein Schwert und meine Scheide, und wo es heißt: Stecke dein Schwert in die Scheide, da muß Friede sein, sonst tue ich es nicht. Gibt es aber unter euch Weibern eine, die mir Frieden mit mir selbst zu verschaffen weiß, ohne einen Weg zum Herzen oder zum Kabinett einzuschlagen, so will ich ihr zeigen, wie man für einen ewigen Frieden unterhandelt.«

»Das heißt, ohne das Schwert aus der Scheide zu ziehen«, meinte sein Freund, der Leutnant Söller, und mein Vater gab ihm lächelnd und stillschweigend Beifall.

Louise erfuhr diese natürliche Art und Weise, am Frieden zu arbeiten, durch eine dritte Hand, errötete,[13] lachte, ärgerte sich und fing an, ihre Batterien dem stürmenden Mute des Obersten so entgegenzusetzen, daß er sehen mußte, der Feind wünschte angegriffen zu werden.

Mein Vater haßte durchaus alle Empfindsamkeit, von der platonischen an bis zur müllerischen. »Denn«, sagte er, »sie taugt durchaus nichts; es sind faule Ausdünstungen, die sich im dicken, angefüllten Magen des Gemüts zusammenziehen und bei ihrem Ausbruche die ganze Atmosphäre menschlicher Heiterkeit verpesten.«

Meine Mutter kannte dies Räsonnement des Obersten, das sich leider im gewöhnlichen Leben oft bestätigte, und sie baute auf dasselbe ihren Plan mit feiner List.

Nirgends zeigte sie eine größere Heiterkeit, anspruchsloseren und doch anziehenderen Witz als in Gesellschaft des Obersten; und es kann keine fröhliche Laune erdacht werden, die nicht unter ihrer Behandlung fessellos geworden wäre.

Ihr wißt, Schwestern, wo Personen unseres Geschlechts vertraut, offen und ohne Etikette und Konsequenz miteinander umgehen können, da fallen alle Schleier des überklugen Anstandes und der bedächtigen Observanz; und weibliche Seelen kennen dann keinen Rückhalt mehr unter sich, wenn sie einmal Zutrauen zu gegenseitiger Diskretion und innigen Freundschaftsbezeugungen gefaßt haben.

Louise von Willau, so hieß meine Mutter, ehe der Oberst diesen Namen gegen den seinigen einlöste, Louise v. Willau, hieß es in der ganzen Stadt Troppau, unter dem Pöbel und Adel der haute parage – ist ein herrliches Mädchen voll Witz, voll Verstand, voll gesunder Säfte, und ihr voller Busen und ihr biskuitzarter Steiß mehr wert als die ganze Geschichte von Troppau, [14] die Akten ad acta auf dem stillen Rathause mit eingeschlossen.

Die Freundinnen Louises gingen in ihren Vergleichungen schon weiter.

Friederika von Bühlau, Lenchen von Glanzow, Franziska von Tellheim, Juliane von Lindorack und Emilie von Rosenau – diese fünf hatten einmal bei einer gemeinschaftlichen Badereise nach Eger die Reize Louises so von allen Seiten betrachtet, daß ihr bis jetzt keine unter ihnen den Preis streitig machen wollte. Doch ich schweife zu weit aus, wollte ich alles erzählen, was die gute Mutter mir zur Lehre, Nachahmung und Warnung mitteilte, ich würde von einem Skapulierfest bis zum anderen zu erzählen haben!

Aber die Szene, in welcher eigentlich meine Mutter den Oberst von Halden fing, die muß ich euch ausmalen.

Es war ein kleiner freundschaftlicher Damenzirkel bei ihr, und es hätte wie bei den Mysterien der Bona Dea keine Mannsperson Zugang haben sollen, da indessen jede unter den sechs Vereinigten einen Clodius hatte, den sie gern einzuspinnen wünschte in ihre vielbegehrende Weiblichkeit, so hatte man sich gleichsam stillschweigend das Wort gegeben, so viel Hosen einzulassen als Unterröcke ihre sechspfündigen – eigentlich sagten sie: sechs vernünftigen – Reize verhüllten.

Eine ganze Stunde hatten sie sich schon solo mit dem edlen L'Hombre beschäftigt, als Louise eine Karte fiel; Franziska, das ganze Spiel hindurch von einem ihr gerade gegenüberhängenden Gemälde, Apollo und Clytia im höchsten Genuß vorstellend, entzündet, gab wenig acht auf ihre Karte; jetzt aber, da Louise eine Karte unter den Tisch fiel, wollte sie den Zufall benützen und der Unterhaltung eine ihr anständige Wendung geben. Sie bückte sich also rasch, hob die [15] Karte auf und versteckte sie unter Louises Kleidung, und da diese eben mit geöffneten Lenden das Spiel leitete, so kam das witzige Dissipations-Diplom auf eine Stelle zu liegen, die wir alle kennen, und an dessen offenen Türen ich neun Monate auf das Licht der Welt warten mußte.

Louise schrie laut auf, und Franziska lachte.

»Du Sau!« schmollte Louise, deckte sich bis an den Nabel auf – und alle sahen das Blatt da liegen, wo eigentlich der Leichtsinn männlicher Tugend seit Joseph, seligen Andenkens, zu liegen kommen sollte, wenn es noch irgendeine Art von männlicher Tugend gäbe, die nicht bezweifelt zu werden verdiente.

»Ach, Louise, wie bist du So schön«, schrien jetzt alle zugleich, und Franziska hatte die Bosheit, ihr das herabgefallene Hemd wieder aufzuheben.

»Franziska, laß mich gehen!« rief jetzt ängstlich Louise, aber Franziska küßte sie schnell auf den Mund und fuhr ihr mit heißen Fingern an die Herzkammer der Liebe.

»O du bist auch gar zu unverschämt«, zürnte jetzt meine Mutter und preßte ihre Lenden fest aufeinander.

Aber Franziska kannte Louise besser und fuhr fort, mit fleißigen Händen ihre Gefühle zu wenden, während diese dem Erwachen der Lust keinen besseren Einhalt zu tun wußte, als daß sie aufsprang.

Aber nun hatte sie das Übel ärger gemacht. Lenchen, die auf der anderen Seite saß, hob ihr schnell die wenigen leichten Röcke und das wie von Zephiren herum geschleuderte Hemd von hinten über den schneeweißen Hintern hinauf und griff ihre sämtlichen Reize mit lasziver Berührung so heftig an, daß Louise auf einmal still ward und unter den Händen der beiden geilen Mädchen alle Gewalt verlor, die sonst die[16] Schamhaftigkeit noch in ihrer Macht hat, wenn man sie nicht im Zentrum aufsucht.

Zum Unglück für Louise rissen jetzt Juliane und Friederika sie über den Tisch, daß die Kartenblätter bis in das Futteral des beliebten und allerliebsten Cottaischen Spielalmanachs hineinfuhren, streiften ihr das zarte Hemd vollends über das heilige Kreuz hinauf und ringen an, ihr den herrlichen Steiß zu klatschen.

Louise riß die Geduld, mit Löwenstärke zog sie ihr Unterteil hin und her und entwickelte den herrlichen Bau ihrer Muskeln und das wollustige Spiel ihrer Lenden mit so grazienähnlicher Furie, daß alle zugleich »Ah ah! wie schön! allegro non troppo, piu presto – prestissimo!« ausriefen.

Aber Louise währte der Spaß zu lange; ehe sich die unverschämten Mädchen versahen, hatte sie sich mit Gewalt ihnen entrissen, und – dort lagen sie alle vier, teils auf dem Boden, teils unter dem Tisch, der mit seinem ganzen Inhalt von chinesischem Porzellan, englischem Steingut und übriggelassenem Yemens-Nektar jetzt die Mutwilligen ärger drückte und verunzierte als der Alp auf nächtlichem Lager eine keuchende Unschuld.

»Nun, das ist doch zu arg!« fing Louise an und schüttelte ihre Kleidung, wie Wetzels Madame Arend, über das Verborgene ihrer Reize. »Ich helfe euch jetzt nicht! Ihr bringt mir das alles wieder in Ordnung, macht mir das Zerbrochene wieder ganz, ersetzt mir das Vergossene, oder ich lasse euch durch meine zwei Stallknechte so lange mit Ruten peitschen, bis das von selbst geschieht.«

Alle lachten, aber Louise ging zornig zum Zimmer hinaus und verschloß hinter sich.

Die Gefangenen fingen an aufzuräumen, allein es ging ihnen mit der wiederherzustellenden Ordnung,[17] besonders dem Restitutio in integris wie den ägyptischen Zauberern mit den Läusen Jehovas – sie konnten das zerbrochene Porzellan und das Steingut nicht wieder ganz machen und schrien laut: »Da sind die Engländer und die Chinesen dran schuld!«

Louise sah dem Geschäfte, das einer Mediations-Akte ähnelte, keinem himmlischen Gerichte, lächelnd durch das Schlüsselloch zu, und die drinnen ringen an, sich aufs Bitten zu legen.

Aber Louise war unerbittlich! »Jetzt gehe ich«, rief sie durchs Schlüsselloch, »und rufe den Jeremias und den Anton, lasse euch die Kleider aufheben und auf die bloßen Hintern so lange peitschen, bis eure Untugenden euch aus der Haut herausfahren.«

Die Mädchen fingen nun gar an zu weinen, versprachen den Schaden zu vergüten und sich überdies noch jeder Züchtigung zu unterwerfen, die sie nur selbst an ihnen zu vollziehen im Sinne haben möchte; aber den Jeremias und den Anton müßte sie weglassen, sonst würden sie ihr in diesem Leben nicht mehr gut, im Gegenteil aber ihre ärgsten Feindinnen werden und bleiben.

»Gut«, versetzte meine Mutter, »wollt ihr den Schaden ersetzen und euch einer wohlverdienten Züchtigung unterziehen, so sollen Jeremias und Anton im Stall bleiben, und ich werde sogleich mit einem Paar Ruten erscheinen und euch wie Gideon das Fleisch zerhauen.«

Lenchen lief ans Schloß inwendig und blies meiner Mutter entgegen: »Mach auf, Beste, wir unterwerfen uns der Strafe, aber Jeremias und Anton bleiben bei den Pferden.«

»Wartet, ihr jungen Fohlen, ich will euch striegeln«, rief Louise, lief in den Garten, brach und schnitt ein Dutzend Rosenzweige samt ihren ersten[18] Knöspchen ohne Barmherzigkeit ab und eilte wie eine Erinnye aus der Unter- in die Oberwelt, um ihre zerbrochenen Opfergefäße zu rächen.

Den Busen entblößt, die Haare in wilder Bacchantinnen-Mode um die Schultern fliegend, öffnete Louise die Tür des Gefängnisses, und alle kamen ihr trotzend mit schallendem Gelächter entgegen.

Louise schwang den Thyrsusstab ihrer Rosenknöspchen drohend gegen die mutwilligen Nymphen, deklamierte in pythischer Wut:


Silence! imposture outrageante!
Déchirez-vous, voiles affreux;
Patrie auguste et florissante,
Connais-tu des temps plus heureux?

Und sie verlangte gebieterisch, daß Lenchen, Franziska und Juliane sich aufdecken sollten; aber Franziska trat vor die Mädchen hin und entgegnete:


Favorite du Dieu de la guerre,
Héroine! dont l'eclat nous surprend
Pour tous les vainqueurs du parterre,
La plus modeste et la plus grande.

Voltaire.


»Was du glaubst, Fränzchen«, versetzte lachend Louise und legte die Rosenzweige aufs Sofa, »will ich jetzt prüfen, komm her, hierher zum Apollo und zur Clytia: und nun büße, was du getan hast.«

Ehe noch Franziska sich zu besinnen vermochte, stand sie schon mit nackendem Unterteil vor dem weiblichen Areopag, der, entzückt über die Schönheit[19] ihres Hintern, mit einem dreimaligen Händeklatschen sein Lob aussprach.

Louise legte ihr Röcke und Hemd über das glühende Gesicht und befahl Emilie, es ihr auf dem Busen festzustecken. Franziska hielt die zarten jungfräulichen Lenden fest aneinander; wie ihr aber Emilie das Hemd unter den Gewändern vom schön gerundeten Bäuchlein zog und die ganze entzückende Gegend vom noch buschlosen Ida bis zum Wendezirkel hinauf enthüllte, da wurde auch jener reizende Tempel von Amathunt sichtbar, den wir uns so gern in der Nachbarschaft des olympischen Gottes denken, wenn er, gereizt von seiner Schönheit, den eigenen verläßt und auf Cytherens Altären opfert.

Louise, beinahe neidisch über den Anblick so vieler Schönheit, ergriff jetzt Juliane und Lenchen, stellte sie zu Franziska in ein Dreieck, ließ sie von Emilie und Friederika ebenso aufschürzen, band sie alle drei mit ihrem Busentuch um die Mitte des Leibes fest zusammen, ergriff die Rosenzweige, nannte Fränzchen Aglaja, Lenchen Thalia, Juliane Euphrosine und peitschte so grausam auf die sechs schuldlosen Hinterbacken los, daß die Grazien ihre schöne Stellung nach Wieland in größter Unanständigkeit für eine wilde Jagd der Artemis erklärten, in heftigen Bewegungen die angelegten Fesseln zerrissen, mit Gewalt nach wenigen Minuten sich frei machten und wie Mänaden, nicht wie Wielands Grazien, herumsprangen.

Louise hatte nun ihre Rache abgekühlt, aber die drei gestraften Grazien verlangten jetzt, daß ihre Mitgehilfen, die Schwestern der ewig spröden Psyche, gleichfalls gezüchtigt, und Psyche selbst sich ihrem Urteil und Gericht unterwerfen sollte.

Schnell ergriffen die Bestraften die Mitschuldigen, legten eine nach der anderen über den Stuhl, auf dem[20] vorhin Psyche Louise ihre ätherischen Reize preisgeben mußte, deckten ihr den Hintern auf, und Louise mußte den niedlichen Erhöhungen die nämliche Strafe widerfahren lassen, die sie vor wenigen Minuten außer sich selbst gesetzt hatte.

Kaum war dieses geschehen, kaum hatte Friederika, als die letzte, ihre demütige Stellung verlassen, so hörten die wieder versöhnten Freundinnen Sporengeklirr und sahen den Oberst von Halden und den Leutnant Söller in der offengelassenen Saaltür stehen und überrascht hereinblicken.

Louise ging ihnen mit der größten Unbefangenheit entgegen, hieß sie willkommen und fragte, welcher launige Zufall den bekannten Weiberhasser und den noch bekannteren Bacchus-Bruder so auf einmal in die untere Geister-Sphäre von sechs unverschanzten Weiberseelen hineingetrieben habe?

Der Oberst war gewissermaßen ein Siegfried von Lindenberg und sein Achates ein Herr von Waldheim, beide aber besaßen mehr Kultur als Politur und waren, ihre vorhin angegebenen Fehler abgerechnet, ein paar Leute, aus denen man alles machen konnte, was unser Herrgott aus ihnen gemacht hatte.

Die Mädchen nun, wie man sagt, noch blutjung, meine Mutter damals erst achtzehn Jahre alt, umringten die beiden Martissöhne mit aller der Freiheit ihres jugendlichen Privilegiums, die ihnen ihr lustiger Sinn gewährte.

Ihre Schmerzen an den verhüllten Teilen waren schon zur Hälfte vergangen, und die andere Hälfte sollte jetzt vergehen.

Louise hatte sich des Obersten bemächtigt und spielte an seinem Degengehänge, zog ihn aus einer Ecke in die andere und bat ihn, ihr doch zu sagen, wie der erste König von Kreta geheißen habe, und ob dies Kreta [21] wirklich zu des Apostels Paulus Zeiten faule Bräuche gehabt hatte?

Der Oberst, notgedrungen und ärgerlich, daß so eine halbbartlose Dirne ihm ums Kinn herumkrabbelte, beantwortete ihre unverschämten Fragen gar nicht, sondern sagte bloß: »Fräulein, befreien Sie mich nicht auf der Stelle aus Ihren Krallen und Klauen, so sollen Sie sehen und fühlen, was ich mit Ihnen anzufangen imstande bin.«

Meine Mutter lachte der Drohung und befahl ihm, sich für diesen Abend entweder gutwillig in ihre Launen zu fügen oder als Gefangener der Gewalt aller ihrer Reize auf einmal zu widerstehen.

Bei diesem verfänglichen Reden griff der Oberst an seinen Degen, aber Louise lief ihm mit Blitzesschnelle unter den schon aufgehobenen Arm, der das Mordinstrument gefaßt hatte, hielt jenen und wollte dieses ihm entreißen. Allein der Oberst verstand keinen Spaß, hob die Verwegene wie eine Feder in die Höhe, warf sie aufs Sofa, entblößte ihr den Hintern, zog seinen Degen und schlug sie unter gellendem Geschrei zu einer Ritterin d'Egon.

Der Oberst mußte den reizenden Anblick von Louises bloßem Hintern mit seiner Freiheit bezahlen. Die unvergeßliche Schönheit dieser Teile, die zitternden Höhen und die von hinten zu preisgegebene Nachbarschaft aller männlichen Lüsternheit entwaffneten seinen Arm, und in seinen von Mutter Natur erhaltenen, von Kultur noch unverfälschten Sinnen regte sich ein Etwas, das den Frieden seiner Sinne so deutlich aussprach, daß auch nicht ein Jota davon für sein Herz verlorenging.

Der Mann von Grundsätzen und Charakter ist in sinnlichen Erscheinungen und Genüssen gewiß jedesmal der Antipode von dem charakterlosen, brutalen[22] und rohsinnlichen Menschen. Jener fühlt schon seine Leidenschaften durch den Anblick heimlicher weiblicher Reize gedämpft und befriedigt; dieser aber, dessen rohe Kraft kein Maximum des sinnlichen Gefühls statuiert, tobt unaufhaltsam fort bis zur Übersättigung. Dieses ist nun hauptsächlich auch ein Übel des heiligen Ehestandes, und eines seiner schlechten Geheimnisse, daß diejenige, welche die ersten Grade des sinnlichen Lebens besitzt, sich bei Zeiten ans Fasten gewöhnen muß, wenn sie ihren erschöpften Eheherrn nach einigen Monaten noch zu lieben die Absicht haben sollte. Deswegen wählte ich hauptsächlich das Kloster, und ich will lieber mit allen zehn Fingern und anderen Tröstern siebenmal in der Woche vergessen, daß es ein männliches Geschlecht gibt, als mich über seine selbst verschuldete Impotenz zu beklagen haben. Die Folgen bei einer solchen Charakterverschiedenheit unter dem männlichen Geschlecht sind auffallend verschieden. Der erste hält und veredelt sich durch das einmal angenommene System sinnlicher Genüsse, der andere aber zerstört, wie das Feuer, sich selbst und das, was ihn ernährt.

Ein anderer als der Oberst, würde sich mit Wut über die während der Degenflagellation entblößten sinnlichen Reize meiner Mutter geworfen und in ihren Besitzungen seinen Triumph gesucht haben. Aber von Halden, der die Weiber zwar haßte, im Grund aber wie Blumen behandelte, die man nie bricht, sondern in sich selbst verwelken läßt, auf ihrem eigenen Boden, hielt das Brechen derselben für einen Raub an dem ganzen schönen Sommer des Lebens, den ja ohnehin ein langer kalter Winter so wünschenswert mache.

Die entblößten hinteren Reizungen meiner Mutter, die Schönheit und Reinlichkeit gewisser Teile, die zurückgeworfenen Kleidungsstücke nahmen auf einmal[23] dem Oberst seinen Haß und gaben ihm dafür eine so herzliche innige Liebe für diese weibliche Schutzlosigkeit, daß er ihr seine vorgefaßten Grundsätze, das ganze weibliche Geschlecht zu hassen, und dem vor ihm liegenden Wert dieses Geschlechtes willig seine Freiheit aufopferte.

Doch er hatte etwas gewagt, das, obgleich nicht im Sinne eines unverschämten geilen Scherzes zu nehmen, doch vor allem eine Aussöhnung mit dem Beleidigten verlangte.

Ohne also auch nur mit einer einzigen Akklamation zu verraten, wie weit der entblößte Hintern meiner Mutter seinen Weiberhaß verscheucht habe, küßte er dreimal die beleidigten Teile, legte hierauf mit unbefangener Gleichgültigkeit erst ihr Hemd, dann ihre Röcke in die ihnen angewiesene natürliche Lage und hob sie vom Stuhle auf.

Jetzt aber war, wie der Oberst meinte, noch das Schwerste zu tun; er wollte nämlich den Zuschauerinnen einen ähnlichen Denkzettel schreiben, damit keine von ihnen sich irgendeines besonderen Vorrechtes zum Nachteil der anderen zu bedienen hätte.

Indessen war diese Vorsicht unnötig. Franziska hatte sich auf den Schoß des Leutnants Söller gesetzt, und dieser wühlte mit seinen verwegenen Händen in den geheimsten Reizen der Frechen.

Lenchen saß auf einem Stuhle, hatte ihr Röckchen bis an die Schenkel zurückgeschlagen und band ihr Strumpfband; Juliane hatte die Hand im Schlitz, und Friederika sah nach des Leutnants offenen Beinkleidern, die eben Franziska aufgeknöpft hatte und im Begriff war, ein männliches Glied frei zu machen, das bisher, außer Louise, noch keine von der Größe gesehen hatte.

Jetzt, als der Oberst Louise aufgehoben hatte und[24] eben dem Leutnant sein Siegel der Verschwiegenheit und die heutige Parole bekanntmachen wollte, fing Friederika an:

»Louise, das hast du nun an uns verdient!«

»Ja, das ist auch wahr!« schrie lallend Franziska hinein und hob des Leutnants Hemd in die Höhe, daß sein Amor dastand unter dem dichten Myrthengebüsch, wie ein Priap im Belvedere. »Das ist auch wahr ...«, und nun rieb sie Söllers Meisterglied und erzählte, was ich euch schon erzählt habe, nämlich wie Louise sie behandelt hätte.

»Oh«, versetzte der Oberst, als jetzt Franziska auserzählt hatte und sich, von des Leutnants Fingern exaltiert, zuckend auf seinem Schoß hin und her bewegte, »wenn dem so ist, so habe ich hier weiter nichts zu tun, was meine Unverschämtheit wiedergutmachen könnte, als daß ich Louise für meine Gemahlin erkläre und dir, Söller, Franziska mit Haut und Haar als dein Eigentum übergebe.«

Die Mädchen jubelten.

Hierauf nahm der Oberst Louise in seine Arme, küßte sie auf die bloßen Brüste und trug sie ins Kabinett.

Söller legte sein Mädchen auf das Sofa, machte die Tür auf und bat die Gespielinnen höflich, ihrer im Garten zu warten, was sich denn auch diese nicht zweimal sagen ließen, da ihre Schamhaftigkeit immer noch größer war als ihre Lüsternheit.

Kaum waren sie fort, so deckte Söller Franziska bis an den Nabel auf, zog ihr die schneeweißen Lenden voneinander und drängte sich mit Manneskraft in ihren Schoß.

Meine Mutter wurde von dem Oberst, dieser von ihr bis aufs Hemd entkleidet, dann zogen sie beide auch noch die letzten Hüllen verborgener Geheimnisse ab [25] und sanken berauscht und in der wonnigsten Tätigkeit auf das weiche Lager.

Acht Tage nach dieser Szene war die Hochzeit meiner Mutter und die von Franziska.

Ich blieb die einzige Frucht dieser Ehe, was aber von der Periode des ersten Flügelkleides bis zu jener der ersten jungfräulichen Gefühle mit mir vorgegangen, gehört in das Register kindischer Neigungen und Triebe und wird euch wenig interessieren.

So viel muß ich euch aber doch gestehen, daß ich, wie ehemals meine Mutter, mich von meinem Lehrer, Bruder Gervasius, gern peitschen ließ, und da ich eine wilde Natur hatte, so geschah das öfter, immer aber im Beisein eines meiner Eltern, und erst zwei Tage, nachdem ich mich unartig aufgeführt oder nichts gelernt hatte.

Sehr gern sah ich meine kleinen Reize entblößt im Spiegel. Oft stand ich viertelstundenlang mit aufgehobener Kleidung vor ihm, dachte: personne ne me voit! und musterte mich von oben bis unten.

Unter dem Regiment meines Vaters diente auch ein junger Franzose als Leutnant. Dieser erhielt, als Söller mit seiner jungen Frau nach Glatz kommandiert wurde, die erste Stelle unter den jungen Freunden meines Vaters. Dieser Franzose, obgleich von Bonhommie und redlichen Gesinnungen zusammengefügt, war übrigens der feinste und gierigste Wollüstling, den man sich nur denken konnte.

Als ein heimlicher Anbeter meiner Mutter – ich war damals zehn Jahre alt – mußte ich oft herhalten, wenn diese ihn ernsthaft und scherzhaft von sich abgewiesen hatte. Jedesmal, wenn Monsieur de Beauvois uns besuchte, und das geschah fast täglich, erhielt ich Bonbons oder irgendein Spielzeug, das mir Freude erweckte. Dann wußte ich schon, was er wollte, nämlich [26] mit der Mutter allein sein, und ich ließ mir das auch nie zweimal sagen.

Überhaupt besaß Leutnant Beauvois ein Maintien, ein savoir faire, das sich mit nichts vergleichen ließ.

Einmal kam ich etwas früher aus dem Garten als sonst und wollte eben die Tür des Zimmers öffnen, in dem sich meine Mutter und Beauvois befanden, als ich ein Gepolter und meine Mutter zu jenem sagen hörte: »Je vous prie instamment, Beauvois! Laissez moi ... oh ... – oh! Ma Diesse! Oh! Laissez moi faire ... laissez moi ...« Ich hörte nichts weiter, sah aber, was ich nicht hörte, durchs Schlüsselloch. Und was sah ich! Meine Mutter lag auf der Erde. Beauvois hielt ihr Röcke und Hemd in die Höhe, hatte ihren linken Schenkel hoch gehoben, seine Beinkleider waren herabgelassen, sein ganzer Unterleib fasernackend, und sein Glied starrte wie ein Schlagbaum an einem Berliner Tor.

Bei diesem Anblick wurde mir so sonderbar zumute, daß ich kaum aufrecht zu stehen vermochte; ich deckte mich auf, sah der Szene aufmerksam zu und operierte mit meinem Finger zu gleicher Zeit, als Beauvois sich auf meine Mutter geworfen und seinen Cupido eingesteckt hatte, und zwar so dringend, daß ich vielleicht ebenso viel Vergnügen wie meine Mutter empfand.

Meine Mutter war im höchsten Grade wollüstig gebaut, ihre Sinne in steter Beschäftigung; mein Vater aber, ganz das Gegenteil, nie sehr auf weibliche Reize ausgegangen, mußte immer durch etwas Charakteristisches gereizt werden, wenn er einmal bei der Mutter seine Lust recht stillen wollte.

Indessen hatte mein Vater meiner Mutter gleich nach der Hochzeit ein paar Punkte aus dem innersten Schatz seines Herzens vorgelegt, die ihr eine heitere Zukunft versprachen; und ich glaube, ihrerseits hielt sie nichts ab, diese Punkte eher zu ihrem Vorteile [27] zu benutzen als ihre Mutterpflichten. Wie sie aber nach einem zweijährigen Ehestand wohl denken konnte, daß sie keine Früchte ihrer ehelichen Verbindung mehr erwarten dürfe, da nahm sie sich fest vor, nächstens diesem ihren ersten Witwengrad sich nach der ihr gegebenen Erlaubnis ohne Scheu einzuverleiben.

Diese Erlaubnis gab ihr nämlich mein Vater in den bestimmtesten Ausdrücken. »Ich habe dich«, sagte er, »auf eine so sonderbare Art erhalten, daß ich dich wohl auch auf ebenso sonderbare Weise wieder verlieren darf. Ich weiß und habe es erfahren, daß dein wollüstiges Temperament eben nicht die Schranken der Ehrbarkeit achtet und daß deiner Sinnlichkeit eine stärkere Philosophie zu Gebote steht denn deiner Liebe zu sittlichen Verhältnissen.

Ich will jetzt nicht mit dir über das Erlaubte oder Unerlaubte sinnlicher Befriedigung streiten, noch weniger mit der Natur, daß sie in der Brunst sich ebenso wohl gefällt als im starren Winterkleide; ich habe dir und ihr vielmehr nichts als Gleiches mit Gleichem zu vergelten oder von dir noch zu erwarten.

Von heute an überlasse ich dich dir selbst nach den Grundsätzen, die ich dir gleich in den ersten Tagen unserer Verbindung als die meinigen bekanntmachte; denn heute ist es das erstemal, daß dich Beauvois mit entblößtem Busen und im kurzen Unterrock gesehen hat. Dir selbst, deinem Vergnügen überlasse ich dich, aber dafür ist es auch billig, daß mir zur Entschädigung ein anderer Teil deines Leibes zuteil werde, den ich seit deiner ersten Weihe nicht wieder gesehen habe: das ist dein Hintern. Nimm dich also in acht! Denn jedesmal, wenn ich dich in offenbarer Tat erwische, soll dieser Teil dafür büßen.«

Meine Mutter lachte und versprach obendrein, ihm zu beichten, so wie sie nur den geringsten Skrupel fühlen [28] sollte, der sie verhindern könnte, von seinem gütigen Anerbieten Gebrauch zu machen.

»Aufrichtig gestanden«, versetzte der Vater – wie sie mir das alles selbst erzählt hat – »ich kann es dir nicht verdenken, in keinem Fall; denn es ist durchaus unmöglich zu verlangen, daß ein vernünftiger Mensch der Sklave eines anderen sein müsse, das ist höchstens Recht des Krieges, aber im Naturrecht eine wahre Blasphemie gegen alle gesunden Begriffe. Die Gebote der Priester oder jene von Gott selbst mittel-oder unmittelbar inspirierten und der Gesellschaftsvertrag der Menschen sind Übereinkünfte, die man sich gefallen lassen kann, so lange sie uns gefällig sind oder not tun, die aber durchaus sich nicht in der Natur des vollkommen ausgebildeten Menschen, der kein Kind mehr ist, lange erhalten können. Freiheit des Geistes und Herzens, des Leibes und der moralischen und physischen Kräfte, zum Wohl des einzelnen und Ganzen, sind ein Ziel, das sich keinen gesetzlichen Schranken zu unterwerfen hat, solange Rohheit und Kultur nicht gegeneinander zu Felde ziehen, und Bosheit beide beherrschen. Zum Beispiel das Gebot der Ehe unter den Christen soll die Bande der Natur fester um Seele und Körper schlingen, wird es uns aber je die Unsterblichkeit verschaffen? Oder ist schon jemand von den Toten auferstanden, der uns gesagt hätte: ich habe jenseits, an dem Orte, wo man nicht mehr freit noch heiratet, meine Lieben, meine Gattin, meine Kinder wiedergefunden?

Und werden etwa durch diese gesetzliche Einschränkung der Naturtriebe unsere Brüder und Schwestern näher miteinander verbunden? Sicher nicht! Aber die Ausschweifungen? Ei, wer mag noch von Ausschweifungen unter einer philosophischen und ästhetischen Generation etwas sagen? Sogar die Juristen kennen die [29] Progressionstafel der Natürlichkeit so gut, wie Mirabeau und Rousseau, allein freilich ein Jurist hat, wie Schlegel in seinem Museum spricht, für das Kleine zu sorgen und darf für das Große keinen Sinn haben und kann ihn nicht haben. Hat der Familien-Egoismus etwa schon mehr Gutes in der Welt gestiftet als ein Mönchs- oder Nonnenorden barmherziger Brüder oder Schwestern? Und wer wird bei dem Besitz von den Tugenden der Liebe, der Milde, der Barmherzigkeit, noch von Ausschweifungen reden wollen, die nur der gelbe Neid in Trompeterstückchen, in Büchern, an allen Ecken und Straßen der Welt ausbläst, und der mit seinem Blasen schon mehr Schaden angerichtet hat als alle zweiunddreißig Winde zusammengenommen.«

»Ach, du redest wie ein Engel, Oberst!« rief entzückt meine Mutter, riß ihr Busentuch ab, legte sein Gesicht auf ihre wogende Brust und drückte ihn an sich, während sie seine Hosen aufmachte, das Hemd in die Höhe zog und den unbeschnittenen starren Zebaoth ihres Tempels mit weichen Fingern zu einem Koloß erhob.

Der Vater lachte, hob der Mutter Röcke und Hemd auf und steckte seinen Finger dahin, wo sie eigentlich etwas ganz anderes hingesteckt haben wollte.

»Ich habe dich hier in das Tiefste meines Herzens blicken lassen«, fuhr der Vater unter seiner Manipulation fort, und die Mutter setzte ihre Manier, sich im Angesicht des Geistes mit dem Fleisch zu unterhalten, mit zitternden Händen und Schenkeln fort. »Die Welt ist nicht für dergleichen Herzensergießungen gestimmt, aber ich liebe dich, du bist ein schönes Weib.« Hier zog er ihre Lenden voneinander. »Was soll mir werden, wenn vielleicht bald ein anderer in deinem heißen Schoß wühlt, wenn ein anderer diese rosenroten Lippen, von der Liebe selbst geschaffen, mit seiner [30] Glut, mit seiner Wut voneinander teilt wie einst der Gott der Hebräer das Rote Meer – und dein Mann übrigens es noch nicht, wie Don Juan, auf tausend und drei Eroberungen gebracht hat oder noch bringen will?«

Hier bog er sie auf das Sofa und deckte sie vollends bis auf den Nabel auf. »Nein!« rief er aus, »bei allen leiblichen Seligkeiten, Louise, ich muß Ersatz haben.«

»Den sollst du haben, Freund meiner Seele«, versetzte Louise, öffnete ihre Lenden und ließ den Vater sein Werk vollenden: »Mein – Hintern – soll die Stra-fe – für – meine Ver-gehungen dir ab-zah-ha-len; räche jeden mei-ner Feh-el-tritte, den – deine Liebe mir schon nach-sichts-voll – zuläßt. Ach! – Ach! Halt – Lieber – tiefer – tiefer – Ach! – Ach! – Ach!«

Und beide zerflossen!

Als das Hauptgeschäft der Rekonziliation beendigt war, setzte mein Vater seine Beweise weiter auseinander. »Nicht wahr, Louise«, sagte er unter anderem, »solange das Gesetz das natürliche Freiheitsverhältnis des Menschen zum Menschen und zu seiner Natur nicht beleidigt, nur in unnatürlichen Lastern und Verbrechen seine Rechte unerbittlich ausübt, wird es erträglich, und wenn man es nun vielleicht gar liebgewonnen hat, ist die Strafe bei Übertretungen uns heilsam?«

»Allerdings«, versetzte Louise, »ich finde das auch immer gut gegründet.«

»Staat und Kirche«, fuhr der Vater fort, »haben sich in eben dieser Hinsicht voneinander getrennt; jener hat es mit den Verbrechen gegen natürliche und bürgerliche, diese aber mit den Sünden gegen göttliche und moralische Ordnungen zu tun. Allein, wir wüßten nichts von der Sünde, wenn das Gesetz nicht gesagt [31] hätte: Laß dich nicht gelüsten, und die Folgen uns von der Macht dieser Gesetze nicht restlos überzeugt hätten.

Die Verbrechen haben einen noch größeren Gegensatz des Unerträglichen gegen sich; denn schon Kain mußte vor dem Steckbrief seines Gewissens flüchtig werden – gäbe es aber eine gemeinschaftliche Übereinkunft irgendeiner Nation oder eines Volkes, sich morden oder verstümmeln, bestehlen oder verleumden, hassen und beneiden zu dürfen, so hätte hier das Gesetz des Gegenteils keine Majorität als die Gewalt. Wir haben dergleichen Beispiele in der Geschichte.De gustibus non est disputandum! Indessen, was sich nicht selbst Gesetz ist, wie zum Beispiel der Löwe oder Tiger, die Rose und der Wacholderstrauch, der Stein und das Wasser: das muß durch Gesetze außer sich selbst bestimmt werden. Im Grunde kann man aber ebensogut wieder annehmen, daß nichts in der ganzen Natur der Dinge nach etwas Ewigem in seiner Organisation bestimmt werden kann. Zum Beispiel das Wasser, das bei uns nur zu gewissen Zeiten erstarrt, würde im Saturn zu Stein erfrieren, und sicher solange die Natur dieses Planeten keiner Änderung unterworfen wäre, auch Stein bleiben. Möchtest du dir aber darum die Unmöglichkeit dieser Wandlung denken?«

»Nein, gewiß nicht, lieber August«, versetzte meine Mutter und zog ihre Röcke über die Füße.

»Nun also«, fuhr mein Vater fort, »du hast jetzt zu wählen! Meine Philosophie und meine Rechte, meine Liebe und meine Grundsätze werden nie die Grenzen der Billigkeit überschreiten – denn Leidenschaft mischt sich wenig bei mir ins Spiel.«

Hier gab es eine Pause, und dann fragte der Vater: »Wie weit ist der Leutnant schon mit dir gekommen? Ich weiß es, er liebt dich und dürstet nach deinem Genuß. [32] Hat er schon mehr an dir gesehen als deinen Busen?«

»Ja! Ich hoffe beinahe!«

»Und was? Und wie?«

»Ich habe gestern Kirschen gebrochen, er stand unten, und ich bemerkte deutlich, daß er jedesmal, wenn ich mich bückte, mir unter das Hemd sah, ich gestehe dir, das elektrisierte mich! Ich stellte meine Füße so weit auseinander, als ich nur konnte, und er hat gewiß alles gesehen, denn er öffnete seine Beinkleider unter dem Ausruf: göttliche Louise! – zog sein Hemd herauf und fing an, seinen Unbändigen zur gesetzlichen Ordnung zu verweisen. Ich konnte kein Wort sprechen, sondern deckte mich auf und wagte es, mit meinen Fingern, gelehnt an den Baum, mir Kühlung zu verschaffen.«

»Der Mann hat Delikatesse, wie ich merke, Louise«, versetzte mein Vater, »aber dergleichen Delikatessen geziemen sich nicht für Leute, denen nahrhaftes Speisen Pflicht ist.

Bei den Hebräern stehen die Worte: ›abschneiden‹ und ›Hurerei treiben‹ beisammen in der Ordnung des Alphabets; wir wollen den Leutnant auch das Gesetz der Beschneidung lehren. Er ist der Beschneidung würdig, denn wer vor den entblößten Reizen eines Weibes, das er kennt, so etwas tut, der verdient wenigstens beschnitten zu werden.«

»Das wird nicht viel helfen«, meinte die Mutter.

»Ei, so mag es ein Zeichen aus den Kriminal-Rechten der Sinnlichkeit seinen Wert mit eingebranntem Galgen oder Rad teilen. Er muß beschnitten werden, Louise! Und das von dir, und ich mache es dir hiermit zur zweiten Bedingung, mir von allen denen, die dich genießen werden, die Vorhaut zu bringen.«

»Ha!« schrie meine Mutter und legte ihre Lenden[33] aufeinander: »Du Mann ohnegleichen! Ich will deiner würdig zu werden streben! Der Leutnant sei das erste Opfer, dir gebracht!«

»Wohl«, versetzte lachend der Vater, »du machst Hebräer – und ich eine Heilige, und gleich will ich dir die Heiligenkost zu versuchen geben, vorher aber schmücke dich wie Esther, ehe Ahasveros seinen Schwanz zum Stammhalter der jüdischen Feudalherrschaft zu machen geruhte, oder vielmehr wie Irene, ehe der ruhmsüchtige Mohammed der II. ihr den Kopf abhieb.«

»Sogleich, mein Bester, ich will sogar alles, was dazu gehört, selbst tun und dir mittlerweile unsere Karoline heraufschicken; ich bitte dich, tue etwas schön mit ihr; ihr Helfried ist an einem hitzigen Fieber zu Halle gestorben, sie ist untröstlich; ihr schöner Busen wird dir gefallen, und sie zeigt ihn dir, wenn du's haben willst, ohne dabei zu weinen.«

»So?« fragte der Vater, »ist die schon so weit?«

»Sie hat sich in meiner Schule gebildet.«

»Aha, nun verstehe ich. Laß sie kommen.«

Meine Mutter ging, und Karoline erschien vor meinem Vater.

»Was befehlen Sie, gnädiger Herr?«

»Nichts zu befehlen, mein Kind, nur zu bitten. Komm her zu mir!«

Linchen ging zu ihm.

»Du bist ein schönes, gutes, liebes Mädchen!«

»Oh, ich bitte Sie, gnädiger Herr! Beschämen Sie mich nicht. Ich glaube, ich bin gerade, wie ich sein muß.«

»Wie?«

»Gut, gnädiger Herr!«

»Aber mein leichtsinniges Weib ist nicht gut – nicht wahr?«

[34] »Oh, sie ist die Güte, die Liebe selbst.«

»Was nennst du Güte, was Liebe?«

Karoline schlug die Augen sittsam nieder und errötete.

»Meine Frau hat dich verführt, das heißt, in die Geheimnisse der Liebe eingeweiht.«

»Gnädiger Herr«, schrie Linchen und fiel ihm zu Füßen, »ach, ich bitte um des Guten willen, das ich in mir fühle, schonen Sie meiner!«

»Närrisches Mädchen, was fällt dir ein! Kennst du mich so schlecht?«

»Ach!« seufzte Karoline, bückte sich tiefer und hob, indem sie meinem Vater die Hand küßte, den Steiß höher.

»Pfui! Schäme dich, Karoline! Laß mich nicht denken, daß du kein gutes Gewissen habest, denn eine solche Stellung verrät selten etwas anderes – und zur Strafe, daß du mich so verkannt hast, zeigst du mir jetzt einmal deinen Steiß.«

»Ach, gnädiger Herr!« lallte Karoline, aber mein Vater stand auf, legte Linchen aufs Sofa und hob ihr Röcke und Hemd vom Hintern.

»Du bist wirklich ein bildschönes Mädchen, Linchen«, fuhr mein Vater, elektrisiert von Linchens erhabensten Reizen, gegen sie fort, »ich muß sogleich mir den Anblick deiner Schönheit entziehen, wenn du nicht irre an mir und an dir werden willst.«

Hier legte er ihr das Hemd wieder in die gehörige Ordnung, deckte die Röcke darüber und richtete sie auf.

Linchen glühte über und über.

»Sag, Linchen, ist Malchen noch immer so mutwillig?« (Ihr wißt, Schwestern! daß ich Malchen geheißen habe!)

»Immer noch, gnädiger Herr! Ich glaube aber, das[35] ist ihr Glück, denn wäre sie, wie ich in ihrem Alter war – pensiv – zerstreut und ...« Hier stockte sie.

»Also glaubst du, den Mutwillen dürfe man nicht strafen?«

»Nein, gnädiger Herr, so wenig wie die Mädchen meiner Art. Ich habe ein einzigesmal in der Schule die Rute bekommen, und noch kann ich die Lage nicht vergessen, in der ich mich damals befand.«

»Es wurde also nicht besser mit dir auf diese Strafe?«

»Nein, im geringsten nicht!«

»Sonderbar!«

»Es wurden damals mit mir noch zwei Jungen bestraft; es war durch ihre Unvorsichtigkeit, an der ich auch teilhatte, in einer Scheune am herrschaftlichen Schlosse Feuer ausgebrochen, und, so gut auch sonst der Herr von Flamming war, so wollte er doch hier die Strafe nicht erlassen, damit in der Folge durch eine solche Nachlässigkeit nicht ein noch größeres Unglück herbeigeführt würde. Ich erhielt meine Strafe zuerst, wurde auf eine Schulbank gelegt und mußte dreißig Rutenhiebe auf den bloßen Hintern aushalten.«

»Armes Mädchen!« rief mein Vater aus und griff der vor ihm Stehenden unter die Röcke.

»Dann kam die Reihe an Helfried und Heilwerth, zwei Knaben, die ich sehr wohl leiden konnte, und besonders Helfried, den mir nun leider der Tod entrissen hat.« Hier glänzten ein paar Tränen in ihren Augen. »Heilwerth wurde zuerst auf die Bank gelegt, und als man ihm die Hosen herunterzog und das Hemd aufhob, ward ich beinahe ohnmächtig und vergaß meine eigenen Schmerzen über dem Gedanken, daß der arme Junge so viel auszustehen hätte.«

Mein Vater hob ihr hier Röcke und Hemd auf und fuhr ihr mit der Hand zwischen ihre Schenkel. Und[36] eben stürzte ich zur Tür hinein und wollte dem Vater einen Blumenstrauß bringen – noch sah ich Karolines bloße Schenkel und meines Vaters Hand zwischen ihnen. Schnell ließ dieser ihre Kleider nieder und sprang auf.

»Was bringst du mir, Malchen?« rief er mir verlegen entgegen. Ich hüpfte auf ihn zu, überreichte meinen Strauß und küßte seine Hand. Mein Vater sagte Karoline ins Ohr, sie sollte eine neue Rute binden. »Oh, gnädiger Herr«, versetzte diese naiv, »doch für mich?« Mein Vater lachte und sagte laut: »Du bist sehr mitleidig, geh nur und tue, was ich dir sagte.«

Karoline ging, und der Vater nahm mich bei der Hand und führte mich zu Herrn Gervasius.

»Herr Gervasius«, fing er an, »lehren Sie doch von heute an Malchen Physik. Sie sind jetzt gerade unbeschäftigt, und ich wünsche, daß Sie diese Stunde ganz allein dieser Unterhaltung und Belehrung widmen.«

Bruder Gervasius machte Bücklinge, und ich hatte wieder eine Stunde weniger frei.

Diese Stunden gewährten mir indessen viel Vergnügen, euch aber will ich nicht von diesem, sondern von dem unterhalten, was mir begegnet ist, vorher aber noch die Geschichte meiner Eltern endigen, so weit sie mir die Mutter erzählt hat.

Kaum war mein Vater in das verlassene Zimmer zurückgetreten, so erschien meine Mutter im weißen Atlas-Kleide.

»Aha!« rief ihr mein Vater entgegen, »Madame wollen, wie ich sehe, meinem Freund Wort halten und mit ihm die geistreiche Frau von Tiefenthal besuchen?«

»Wenn du's erlaubst?«

»Nicht gerne! Du weißt, ich kann diese Frau nicht leiden – sie hat eine schwarze Seele, zusammengesetzt [37] von Médisance und Bösartigkeit. Wäre sie eine Hure, ich hätte nichts gegen ihre Aufführung, aber so ...«

»Ich bitte dich, Freund! Dein Urteil ist wohl zu streng.«

»Ganz und gar nicht, Louise! Ich kenne das ganze Oberteil ihrer abscheulichen Seele.«

Hier erschien Karoline mit der Rute.

Meine Mutter erblaßte. »Du wirst doch nicht ...«, fragte sie verlegen.

»Ich werde!« Und somit ging er zur Tür und schloß sie ab.

Karoline stand da und zitterte. Der Oberst nahm ihr die Rute ab und befahl ihr, einen Schemel an das mittlere Fenster zu stellen. Diese Fenster gingen auf die Parade.

»Ich bitte dich, August, jetzt nicht!«

»Jetzt«, versetzte mein Vater lakonisch, und drunten wirbelten die Trommeln.

»Du hast mir schon so oft Linchens Busen als schön gepriesen, ich möchte ihn jetzt sehen.«

Was wird geschehen, fragte meine Mutter sich selbst, ging zu Karoline und zog ihr das Halstuch ab. Der Oberst trat auch zu ihr und zog ihr die Leinwand so rasch weg, daß ihre Brüste völlig entblößt ihm entgegenzitterten.

»Du bist doch wirklich ein sehr schönes Mädchen, Linchen«, sagte jetzt der Oberst, »und es wäre schade, wenn meine Frau dich dem Verderben in die Klauen lieferte.«

Louise errötete und sagte: »Was hab' ich dir getan, Linchen, daß so ein Verdacht ...«

»Still, Louise, es ist jetzt keine Zeit mehr zu reden, sondern zu strafen und Strafe zu leiden. Kommt hierher.«

Der Oberst führte beide ans Fenster.

[38] »Linchen, heb' deiner Frau die Kleider auf bis ans Hemd.«

Linchen gehorchte, und ihr Busen wallte heftig auf und ab. Der Oberst küßte die schwellenden Hügel und zog seiner Frau die seidenen Strümpfe von den Knien. Als das geschehen war, mußte sie sich auf den Schemel niederknien, mit dem Oberleib sich zum Fenster hinauslehnen, und Linchen sie halten. Nun nahm der Oberst die Rute, hob Louise das Hemd auf, hielt solches in der einen Hand und peitschte so lange, bis er Blut sah. Nur ein paarmal schrie sie auf; übrigens war es, als wollte sie in ihren Schmerzen die Wollust studieren, denn sie regte sich nicht, und ihre Hinterbacken hielten so starr den Streichen sich dar, als wären sie versteinert.

Wie mein Vater glaubte, daß es Zeit wäre aufzuhören, befahl er Karoline, seine Frau abzutrocknen, und sagte dabei: »Nun kannst du zur Frau von Tiefenthal gehen oder Karoline etwas lehren, was sich von selbst lehrt, oder auch Freund Beauvois zu dir lassen, wie du willst.«

Meine Mutter weinte, und Karoline weinte.

»Ich bleibe zu Haus, August«, versetzte meine Mutter, »für heute habe ich genug. Wir Weiber und Mädchen schwimmen in ewiger Lust, und möchten wir nur einmal unseren ungezähmten Willen und unsere heimlichen bösen Leidenschaften einer freiwilligen Strafe unterwerfen, wir würden bald erfahren, wie heilsam eine solche Zucht für Geist und Herz gedeiht. Zieh mich aus.«

»Ja, tu das, Linchen. Ich komme gleich, und dann wollen wir das gute Werk vollenden, das wir angefangen haben.«

Karoline führte meine Mutter ins Schlafzimmer und zog sie bis aufs Hemd aus.

[39] Wie sie so dastand, erschien der Vater mit Beauvois Arm in Arm. »Du siehst, Leutnant«, sagte jener zu diesem, »meine Frau schon bereit, dir zu folgen.«

Beauvois erblindete beinahe, als er Louises und Karolines entblößte Brüste sah.

»Pour Dieu!« schrie Beauvois, »Halden, que faites-vous?«

»Das will ich dir gleich zeigen, Beauvois«, versetzte dieser und führte Linchen ans Bett, von dem er die Decke herabwarf.

»Geschwind, Louise, lege dich aufs Gesicht, so ...«

Beauvois glühte schon. Mein Vater sagte Linchen etwas insgeheim, und diese erschien gleich darauf mit einer Schale voll Essig, in dem sie Salz aufgelöst hatte.

»Du weißt, Beauvois«, fing jetzt mein Vater an und zog meiner Mutter das Hemd vom ganzen Unterteil, »du weißt, daß Lust und Schmerz im menschlichen Leben zu wechseln pflegen wie Sonnenschein und Regen; es wäre aber dem Menschen besser, wenn er einmal anfinge, beide gegeneinander zu Felde zu führen.«

Beauvois schrie laut auf, als er die Rutenstriemen auf dem schönen Hintern meiner Mutter erblickte.

»Verwundere dich nicht, Beauvois! Ich weiß, du liebst meine Frau. Also, bist du fertig?« Beauvois schlug die Augen nieder, wurde rot und sagte: »Wer möchte deine Frau nicht genießen – lieben!«

»Gut! Karoline, sieh einmal nach, wie Beauvois beschaffen ist, und gib mir die Schale einstweilen.«

Karoline ging zu Beauvois, bat ihn um Verzeihung, nahm ihm das Portepée ab, zog ihm die Beinkleider herunter und enthüllte sein Meisterglied in einer so guten Verfassung, daß Louise bei dessen Anblick so gleich ihre Lenden öffnete und den harten Gast erwartete.

[40] »Steig auf, Beauvois!« rief jetzt mein Vater, und Beauvois legte sich auf meine Mutter und insinuierte sich bei ihr so gut, daß die schönste Krisis der Natur sie plötzlich überrascht hätte, wenn nicht der Vater Karoline befohlen, den beleidigten Teil an das Vergessene zu erinnern. Und nun fing Karoline an, den zarten Hintern mit der scharfen Lauge so wohl zu waschen, daß Louise unter Schmerz und Lust ihre Auflösung erwarten mußte.

Der Oberst hatte indessen Karoline die Kleidung aufgehoben und war, ehe sich's diese versah, an dem Orte des Vergnügens, der in seiner angeborenen Wildheit mehr Reize aufzuweisen hat, als Tassos ganzes mit Stanzen ausgemauertes Jerusalem.

Beauvois schnaubte wie ein Tiger, ächzte wie eine Rohrdommel und stöhnte wie ein auf der Hinfahrt nach dem Hades begriffener Reisender.

Während mein Vater die Mitte von Karolines Leib mit seinem Visierstab sondierte und manchen Kuß auf den alabasternen Steiß drückte, mußte sie immerfort an Beauvois' Flanken vorbei, in der einen Hand wie Hebe die Schale haltend, die andere, eingetaucht in die heilsame Essenz, aus Mnemosynens Gedankenstrichen ausgepreßt, über Louises Rosenhügel führen und den kommenden Sommer aus dem scheidenden Frühling prophezeien.

Aber Louise fühlte nichts als Beauvois' mächtigen Kommandostab in ihrem Zentrum und agierte so mächtig unter dessen Weisung, daß das Lager erzitterte, Linchen die Schale fallen ließ und vom Vater das Ultimatum ächzend erwartete.

Aber denkt euch den grausamen Vater! Kaum merkte er die Annäherung des Gottes der Liebe, als er schnell seinen Pfeil aus der Wunde zog, und Linchen unter zuckenden Hüftenbewegungen den ganzen Inhalt [41] ihrer Gedanken über das Mahagoniholz des Bettes, ohne Genuß, fruchtlos ausschütten mußte!

Meines Vaters Stammbaum stand noch wie eine Kerze, aber seinen Grundsätzen getreu, wollte er auch anderen, selbst bei der höchsten Verrückung aller intelligenten Kräfte, in der Oberherrschaft der physischen ein Beispiel geben, wie man handeln müsse, um weder der Natur, noch irgendeinem Vernunftrecht zu nahe zu treten.

Beauvois genoß das höchste Glück.

Meine Mutter erhob sich zwischen Lust und Schmerz, und Karoline dankte dem Oberst mit einem Handkuß für seine Schonung.

»Ja, Kind, du hast auch Ursache«, versetzte er, »denn wahrscheinlich, deine Reize würden gesiegt haben, wenn ich mich nicht vor Beauvois geschämt hätte, der nichts von der Art zu schonen versteht.«

Hier ging mein Vater zu einem Wandschrank, holte eine Flasche Burgunder heraus und zwei Gläser, schenkte ein und gab das eine dem Leutnant, das andere behielt er.

Als beide auf den Genuß seltener Freundschaft und Liebe angestoßen und ausgetrunken hatten, drückte mein Vater dem Leutnant die Hand und ging.

Aber kaum war er zur Tür hinaus, so ergriff ein wütendes meleagerisches Feuer den schon zum Schweine gebratenen Beauvois. Er zog meiner Mutter das Hemd ab und nannte sie seine Venus, legte Karoline auf die Erde, hob ihre Röcke und Hemd mit Gewalt in die Höhe, nannte sich Jupiter, sie, die Aufgedeckte, Hebe, und fiel mit einer Wut über sie her, wie ehedem Ezzelin über Bianca Della Porta. Kaum aber hatte er seinen Tröster an ihrer Himmelspforte, so fiel er wie ein Sack und – eingeschlafen war er.

»Geschwind, Karoline, über ihn her! Zieh ihm die[42] Hosen herunter!« Karoline gehorchte. Beauvois sah aus wie König Priam in Blumauers Aeneide. Man trug ihn aufs Bett, entkleidete ihn gänzlich und, als er nun so nackend vor ihnen lag wie der erste Mensch vor unserem Herrgott, ergriff Karoline auf Befehl der Mutter seinen wieder unsichtbar gewordenen Tröster und hielt ihn fest. Meine Mutter nahm ein scharfes Schermesser, zog die Vorhaut der verbrecherischen Rute über die Eichel hervor und trennte sie mit einem einzigen Schnitt von ihrer zweiunddreißigjährigen Stelle. Das Opium war so stark, daß Beauvois nicht einmal von diesem heftigen Schmerz erwachte, sondern nur ein leises Zucken verriet, daß er bis in seine gefesselte Seele gedrungen und den Weibern Zeit ließ, mit heilendem Balsam den Schmerz schnell in die Gebiete des Wohlseins zurück zu treiben.

Die Dosis Opium, die Beauvois sowohl als der Oberst genommen hatten, mußte wenigstens vier Stunden wirken, und in dieser Zeit hofften Louise und Karoline dem beschnittenen Beauvois seinen Verlust erträglich gemacht zu haben. Dauert ja der Schmerz eines zerrissenen Hymens auch nur so lange, bis die Leidende sich von der Notwendigkeit seiner Zerreißung in den Gefilden der Lust überzeugt hat.

Während Beauvois fortschlief und der Oberst im Nebenzimmer schnarchte, nahmen Louise und Karoline ein Bad und schäkerten miteinander, wie Weiber zu tun pflegen, und Louise vertrieb mit ihren Fingern aus Karolines Gliedern völlig den Unmut und die Unbehaglichkeit, die der Oberst durch das schnelle Zurückziehen seines Unerbittlichen in ihrem Innern verursacht hatte.

Doch ich halte mich zu lange bei der Geschichte meiner Mutter und ihrer Freundin auf; meine eigene fängt an, interessant zu werden, und dem eigenen Interesse [43] des Reizes, der Lust oder der Schönheit entsagt kein Mädchen oder Weib um eines oder einer anderen willen. So viel noch zum Schluß der Geschichte meiner Eltern: Ehe noch Beauvois erwachte, waren meine Mutter und Karoline, ich und Gervasius auf dem Wege nach Teschen. Unsere Flucht geschah so eilig, daß Gervasius kaum Zeit behielt, mich zuzudecken. Die Veranlassung, mich aufzudecken – alle Zuhörerinnen fingen an zu lachen –, war nämlich diese: Gervasius fing schon einmal die erste unserer physikalischen Unterhaltung damit an, daß er mir bewies, der Mensch sei ins Kreuz gemessen und genau in zwei Hälften geteilt.

»Wollen Sie sich einmal, gnädiges Fräulein, hier vor mir auf den Tisch legen«, fuhr er in der nächsten Stunde fort. Ich tat es.

»Strecken Sie sich ganz aus!« Ich tat es.

»Breiten Sie Ihre Arme aus, in ihrer völligen Linie.« Es geschah!

»So! Nun sehen Sie« – demonstrierte der geistliche Herr –, »kann ich vollkommen beweisen, daß Sie so breit wie lang sind. Sehen Sie ...« – hier fing er an, mich von der rechten Hand über den Leib bis zu den Fingern der linken Hand auszuspannen –, »Sie haben sieben Spannen in der Breite, und so viel müssen Sie auch in der Länge haben, sonst hat die Natur sich in ihrem Maß vergriffen (Lssng.) und ist zur Stümperin geworden.« Er umspannte mich alsdann vom Kopf bis zu den Füßen, und ich hatte richtig meine sieben Spannen.

»Sie ersehen hieraus, mein Fräulein, wie weise die Natur in allen Verhältnissen zu Werke geht. Für die Seele und den Geist hat sie wieder ein anderes Richtmaß, das beide ebensowenig zu überschreiten wie sie ihre Independenz von dem Leibe, den sie bewohnen, zu leugnen vermögen. Der menschliche Körper« – hier [44] wollte ich mich aufrichten – »ich bitte«, befahl Gervasius und drückte mich wieder auf den Tisch – »der menschliche Körper besteht, wie Sie wissen, aus zwei Teilen, dem oberen und dem unteren, dem edleren und dem schamhaften, und diese Teile sind genau vom Nabel aus gemessen. Um Ihnen das besser zu beweisen, müssen Sie mir erlauben, Ihnen Ihre Röcke und das Hemd bis an den Nabel aufzuheben« – und hiermit zog er meine Kleidung hinten und vorn so weit in die Höhe, wie er konnte. »Halten Sie Ihre Lenden dicht aneinander.« Ich tat es, und als ich einigemal nachher die medizinische Venus in ihrer bekannten Stellung erblickte, fiel mir meine damalige Lage ein, und ich dachte: du willst dich nicht messen lassen; aber du bist auch eine Göttin, und das Gefühl deines Wertes darf dich über deine Erscheinung im Fleisch erheben. Gervasius umspannte mich nun noch einmal, und ich maß vom Schädel bis zum Nabel, von diesem bis zu den Füßen richtig meine dreiundeinehalbe Spanne.

Eben hatte ich mich in die Höhe gerichtet und zog mein Hemd herunter, als meine Mutter und Linchen eintraten.

»Geschwind ihr beiden! So wie ihr geht und steht – fort!«

»Fort?« fragte Gervasius, »und das ist viel gesagt!«

»Fort in den Sirius oder in die Dardanellen, nach Amerika oder zu den Hottentotten! Ach, Schwätzer«, versetzte lachend meine Mutter. »Nach Teschen!«

»Wollen Sie sich eine Flinte kaufen oder eine Flinte holen?«

»Nein! Nein! Ihr rostiges Rohr will ich dort unten ausputzen lassen.«

»Ach, so!« versetzte Gervasius sich erbeugend und hob mich vom Tisch herunter. »Wir sind fertig!«

Ich habe wohl nicht nötig, Schwestern, euch zu sagen, [45] daß jene Prärogation, welche der geistliche Stand in bezug auf die Reize des weiblichen Geschlechts hat, bei meiner Mutter gleichfalls in der Regel geblieben wäre, wenn Gervasius vor dem seltsamen Vertrag zwischen meinen Eltern mit der Gewalt seiner Waffen diese geistlichen Rechte nicht zu behaupten gewagt hätte.

Gervasius fand es auch jetzt für gut, indem er meiner Mutter den Arm bot, erst die andere Hand unter ihren Röcken zu orientieren, dann gar Linchens Kleider bis auf das dicke Teil ihrer Schenkel aufzuheben und dann erst gemeinschaftlich mit uns den Weg nach der Chaise anzutreten.

In vollem Trabe ging es zum Tor hinaus, und wir konnten darauf rechnen, so wie Beauvois erwachte, zwei Stunden voraus zu haben, wenn ihn etwa die Lust ergreifen sollte, uns zu verfolgen.

Meine Mutter erzählte Gervasius in der Chaise mit gehöriger Umschreibung wegen meiner Gegenwart die komischtragische Katastrophe und las ihm dann am Ende ihrer Erzählung folgendes Billett vor, das sie hinterlassen hatte.

»Lieber August, lieber Beauvois! Ich verlasse auf einige Zeit Euere mir teueren Kreise. Das Andenken, welches ich noch vor wenigen Stunden von meinem August erhalten, hat mich bestimmt, nicht allein ihm den völligen Wert eines Andenkens durch meine Entfernung zu geben, sondern auch von dir, lieber Beauvois, mit Gewalt mir ein solches zu verschaffen, das meinem Herzen unvergeßlich sein wird. Zürnt nicht, Ihr beide! Ich bleibe Euch getreu, solange ich kann. Louise von Halden.«

Gervasius konnte ihre Heldentat nicht genug bewundern, und, da meine Mutter ihre Füße auf den Rücksitz, wo wir saßen, gestellt hatte, und eben die[46] Sonne in vollem Glänze unseren Wagen erleuchtete, so bat Gervasius ihm zu erlauben, das Andenken zu sehen, das des Vaters Rute bis zu einem so vielbedeutenden Fort ihren Reizen einverleibt habe. Meine Mutter hob den rechten Schenkel in die Höhe, ihre Röcke, ihr Hemd fielen zurück, und der schöne, so hart beleidigte Hintern sah aus wie der Mond am Mittag.

Gervasius wollte ihm seine Achtung bezeigen, allein meine Mutter setzte sich schnell nieder und verwies ihn zur Ruhe.

Sobald wir in Teschen angekommen waren – doch hier fängt die erste Periode meines Lebens an, Gestalt zu gewinnen. Es läutet zur Vesper. Morgen mehr.

2.

[47] [49]»Der Mensch allein hat unter allen Wesen das Vorrecht, in den Ring der Notwendigkeit, der für bloße Naturwesen unzerreißbar ist, durch seinen Willen zu greifen und eine ganz frische Reihe von Erscheinungen in sich selbst anzu- fangen.«

Schiller


II

Schwester Monika fährt fort zu erzählen. Ohne Falcks Helden und Menschen in Anschlag zu bringen, sprechen unsere Helden und Menschen sich immer deutlicher aus.


Ich habe euch unsere Ankunft in Teschen erzählt; hört nun weiter!

Wir fuhren bei unserer Tante vor. Ich hatte diese Tante noch nicht gesehen. Sie hatte so etwas Strenges im Gesicht, daß sie gegen das immer freundliche Antlitz meiner Mutter aussah wie drei Tage Regenwetter nach einer schönen Frühlingssonne von vier Wochen.

»Ei, schon so groß, so hübsch gewachsen, ma nièce!« fing sie gegen mich an.

[49] »O ja, gewachsen ist sie«, fiel meine Mutter ein, »aber« – hier sagte sie Tante etwas ins Ohr – »die Kenntnis ihrer Natur erstreckt sich schon bis an die Wendezirkel, und da – ihr Herr Zuchtmeister – hat schon Physik mit ihr studiert.«

»Est-il possible!« schrie Tante und legte ihre Hände ineinander.

Gervasius wurde feuerrot, ich schlug die Augen nieder, errötete gleichfalls, und Linchen spielte an ihrer Busenschleife.

»Ich wünschte, Schwester«, fing meine Mutter an, nachdem sie sich an der Verlegenheit von uns dreien geweidet hatte, »dich allein zu sprechen. Willst du nicht so gut sein, diesem Herrn da und meinem Mädchen ihre Zimmer anzuweisen, ich werde diesmal etwas lange bei dir hausen und vieles Geld bei dir lassen.«

»Sogleich, Schwester, sollst du bedient werden«, versetzte jene, schellte, gab dem eintretenden Bedienten ihre Befehle, und Gervasius und Linchen verließen mit ihm das Zimmer.

»Stell dir vor, Schwester«, fing jetzt meine Mutter an, »mein Malchen glaubt steif und fest, aus lauter Lust zusammengesetzt zu sein, und die wenigen Begriffe, die ich ihr vom Schmerz gegeben habe, haben durchaus keine bleibenden Eindrücke je noch auf ihr zurückgelassen.«

»Ei, Ei, mon enfant«, versetzte die Tante, »das ist nicht gut! In der Welt wohnt die Lust auf dem Dache bei den Sperlingen, die fliegen davon, wenn es ihnen zu wohl ist; aber der Schmerz liegt wie ein Kettenhund im Hof und muß beständig entweder beißen oder bellen.«

»Ich will Malchen hier lassen«, fuhr meine Mutter fort, »weißt du nicht in der Nähe ein Institut für Mädchen [50] ihrer Art, so eines, wo die Lust Ferien hat, und die Unlust den Tag und die Nacht herumtreibt?«

»Hm, Schwester, wir tun sie zu Madame Chaudelüze, dort lernt sie alles, was verdrießlich macht, und hat dabei nicht einmal Muße, sich darüber zu beklagen.«

Wie ich die beiden so reden hörte, wurde mir angst und wehe, ich konnte meine Tränen nicht mehr zurückhalten.

»Ei, wer wird weinen, mon enfant«, tröstete die Base, »hast du nicht gelesen, was der Apostel Paulus alles gelitten hat, und das war doch ein Heiliger, und du bist eine unzeitige Geburt schnöder Lüste? – Ma Sœur.«

»Wenn du willst, so wollen wir die Kleine gleich fortschaffen?«

Ich fiel bei diesen gewitterschwangeren Worten meiner Mutter zu Füßen; aber da war keine Barmherzigkeit, so wenig wie auf dem Gesicht der Tante zu finden.

»Ich bin es zufrieden, Jettchen«, erwiderte die Mutter und befahl mir aufzustehen.

Weinend gehorchte ich, und die beiden satanischen Weiber nahmen mich zwischen sich und schleppten mich zum Wagen, der noch vor der Tür stand, und nun fuhren wir wieder zu der Stadt hinaus nach einem kleinen Landgute zu, das meine Tante der Mutter in einer ziemlichen Entfernung von Teschens Weichbild zeigte, und dessen edle Simplizität, als wir näher kamen, mich sehr eingenommen haben würde, wenn die Verfassung, in der ich gleichsam aufgelöst wie ein Embryo in Branntwein mich befand, mir erlaubt hätte, mehr als einen Blick auf die mich umgebenden Gegenstände zu werfen.

Eine große, schöne Frau empfing uns, als wir vorgefahren [51] waren, an der Haustür und führte uns nach einigen gegenseitigen Begrüßungen in einen Salon, wo ein halbes Dutzend junger Mädchen sich mit Sticken und Zeichnen beschäftigten.

»Madame Chaudelüze«, fing meine Mutter auf französisch an, und Tante lispelte der schalkhaft lächelnden Eros-Philantropinistin etwas zu:

»Hier, meine Tochter wünscht etwas zu lernen, vorher aber den Schmerz zu kennen, der, wie sie nicht glauben kann, unseren Leib eigentlich mehr regiert als ein Pelzhandschuh den Frost.«

Madame Chaudelüze lächelte und sah mich an; ich schlug die Augen nieder und weinte.

»Ja, Madame«, sagte meine Tante, »wir wünschten, daß das in unserem Beisein, und zwar jetzt gleich geschehen könnte.«

Madame Chaudelüze lächelte, ging zu einem der Mädchen, nahm eine Schere und winkte mich zu sich.

Zitternd ging ich zu ihr. Meine Mutter und Tante hatten sich gesetzt. Madame Chaudelüze hielt mich zwischen ihren Knien fest, zog mir den Kopf auf die Seite und sagte: »Kind! ich will dir jetzt deine Nase abschneiden.«

»Barmherziger Gott!« schrie ich, riß mich mit Gewalt los und fiel halb ohnmächtig zur Erde.

»Schäme dich, Malchen!« rief meine Mutter zürnend. »Dein ganzer Körper ist Schmerz, und du willst den kleinen einer abgeschnittenen Nase nicht ertragen?«

Madame Chaudelüze hob mich von der Erde auf und stellte mich mit Gewalt zwischen ihre Knie.

»Hast du noch nie«, fragte sie mich, »die Geschichte von jenem Frauenzimmer gehört oder gelesen, welches, als sie alle die Übel erfuhr, die ihre Schönheit unter dem männlichen und weiblichen Geschlecht angerichtet [52] hatte, sich selbst das Angesicht zerschnitt und verstümmelte? Nichts von jenem Jüngling, den ein geiles Mädchen mit Gewalt zur Wollust reizen wollte, und der sich lieber die Zunge abbiß, als ihren Willen tat?«

»Ja, Kind, ich kann dir sagen«, redete meine Mutter hinein, »ich bin eifersüchtig auf dein schönes Naschen, und also fordere ich einen Beweis deiner Liebe zu mir.«

»Mutter!« schrie ich, die Hände nach ihr aufhebend, »ich bitte Sie um Gottes willen, der mich doch auch ohne ihr Zutun hätte bilden können, martern Sie mich nicht mit einem so grausamen Scherz.«

»Malchen!« schrie meine Tante und steckte ihre beiden Nasenlöcher voll Schnupftabak, »es ist der Mutter völligster Ernst.«

Aber nun fing alles an zu lachen, und eine der jungen Elevinnen, ein Fräulein von Grollenhain, schlug ein so schallendes Gelächter auf, daß uns allen die Ohren gellten.

»Ich sehe wohl«, fuhr Frau Chaudelüze fort, »mit dem Nasenabschneiden ist's nichts, und die Ohren schneidet man nur den Dieben ab, die Augen sticht man nur den Vaterlandsverrätern aus, und siedend Blei gießt man nur einem Crassus und allen Geizigen in die gierigen Rachen. Deine fünf Sinne wären also nicht unmittelbar zur Erkenntnis des Schmerzes anzuwenden. Ich will sehen, ob das nicht auf eine weniger kostspielige Art und Weise und doch zur Versöhnung der Mutter mit deiner Schönheit geschehen kann. Eregine, holen Sie mir hier im Kabinett das silberne Becken, die Lanzette nebst der Aderlaßbinde, die auf meinem Toilettentisch stehen.«

Eregine, eine schlanke, milchweiße Gestalt mit rabenschwarzen Haaren und einem Busen wie Hebe,[53] schwebte ins Kabinett und kam sogleich mit dem Verlangten zurück. Ich stand da wie Butter an der Sonne, zerfloß in Tränen und zitterte wie Espenlaub. Jetzt winkte Madame Chaudelüze Rosalie, der gewaltigen Lacherin, und zwei anderen. Alle drei stellten sich vor sie hin; jetzt stand Madame Chaudelüze plötzlich auf, schob mich auf die Seite und sagte zu Rosalie in strengem und gebietendem Tone: »Rosalie! Sie müssen sterben.«

Rosalie, welche die Launen ihrer Lehrerin wohl besser verstehen mochte als ich, versetzte: »Mutter, wenn Ihnen mein Tod nützen kann, so nehmen Sie mein Leben hin.«

»Was nützen!« versetzte die Strenge. »Sie sind in meiner Gewalt, mir übergeben auf Tod und Leben, und Sie müssen sterben. Fassen Sie sie an!« fuhr sie zu den beiden neben Rosalie stehenden Schwestern fort, »faßt an!«

Sie umschlangen sie mit ihren rechten Händen, und hier nahm Madame Chaudelüze ihnen die Busentücher weg: »Und der ersten, die jetzt Rosalie in ihren letzten Augenblicken verläßt, stoße ich diesen Dolch in die Brust.«

Die Mädchen erblaßten vor dem Ernst der gestrengen Zuchtmeisterin, gehorchten aber und drückten die schon außer sich gesetzte Rosalie so fest zusammen, daß an ihr nichts beweglich blieb als ihre Lenden und Füße.

»Hebt ihr die Kleidung auf bis an den Nabel«, befahl Madame Chaudelüze weiter.

Sie zauderten.

»Geschwind – oder ...« Hier streifte ihr Dolch auf einer Brust.

Die Mädchen gehorchten jetzt.

Schnell waren Rosalies Kleider bis auf den Nabel[54] in die Höhe gehoben und festgehalten unter dem Busen.

»Nun kommen Sie, meine Damen!« sagte Madame Chaudelüze zur Mutter und Tante, »und sehen Sie, wie ich Unartigkeit bestrafe.«

Mutter und Tante standen auf und stellten mich in ihre Mitte. Chaudelüze nahm das Becken und die Lanzette und winkte mich zu sich. »Nehmen Sie, Kind, dieses Becken und halten es fest hierher. Rosalie, tun Sie ihre Lenden voneinander. Sie brauchen sich ihrer Schönheit nicht zu schämen; schämen Sie sich ihrer Ungesittetheit, wenn Sie können.«

Rosalie öffnete ihre zitternden Lenden, und die ganze Versammlung, Chaudelüze ausgenommen, schrie: »Ach Gott, wie schön – und sterben! Ach Gott! Ach Gott!«

Jetzt mußte ich das Becken unter Rosalies Scham halten, die Chaudelüze nahm die Lanzette – ein einziger Schlag, dicht über den Rosenlippen auf dem noch wenig beschatteten Venusberge, und Rosalies purpurrotes Blut floß. Die Rosen ihrer Wangen erloschen nach und nach, und der Schrecken mehr, als daß sie ihr Blut fließen sah, (was denn auch wirklich schrecklich für die Zuschauer anzusehen war) versetzte sie auf der Stelle in eine wohltätige Ohnmacht.

Als die Chaudelüze Rosalie ohnmächtig sah, sagte sie: »Genug, sie mag tot sein! Mein Wille ist mein Gesetz; Malchen, setzen Sie das vergossene jungfräuliche Blut auf den Tisch und reichen Sie mir die Binden.«

Ich gehorchte, die Chaudelüze hielt die Wunde fest mit ihren Fingern zu und verband sie auf die gehörige Weise, und da Rosalie, durch den Verlust des Blutes sowohl als durch die Ohnmacht, in einem völlig totenähnlichen Zustande sich befand, so hatte der Verband weniger Schwierigkeit und bedurfte weniger Kunst, [55] als wenn die Bestrafte bei Bewußtsein geblieben wäre. Nach dem Verband mußten beide Freundinnen sie zudecken und aufs Sofa legen.

Nun aber kam die Reihe an mich. »Malchen«, fing die ausgelernte Chaudelüze an, »Sie sehen hier den Gehorsam meiner Untergebenen, und ich verlange von Ihnen einen ähnlichen, sowohl zu Ihrer eigenen Besserung als zur Versöhnung Ihrer Mutter, die Sie nun einmal den Schmerz lehren will.«

Ich weinte immerfort – die anderen Mädchen saßen nun mäuschenstill bei ihren Arbeiten und sahen nicht auf. Die Chaudelüze stellte einen kleinen Stuhl mitten ins Zimmer.

»Malchen, legen Sie sich hier über diesen Stuhl – geschwind!«

Ich zauderte. »Malchen!« riefen zürnend Mutter und Tante. Ich gehorchte. Die Chaudelüze ging in das Kabinett, und kaum war sie fort, so öffnete sich die Tür, und eine schlanke Mannsperson trat herein.

»Ihr Diener, Herr Piano!« rief eins der Mädchen. »Gehorsamer«, versetzte Piano. »Was soll hier für ein Tanz aufgespielt werden?« fragte er weiter – aber ehe er noch ausgefragt hatte, erschien die Chaudelüze, wie ich in meiner Stellung sehen konnte, mit einer erschrecklichen Rute.

»Gut, daß Sie kommen, Maestro Piano«, sagte sie. »Entblößen Sie einmal diesem Mädchen den Hintern, sie soll Ihre Noten a posteriori kennenlernen, vielleicht erfinden Sie daraus noch eine Philosophie der Musik.«

»Hm! Madame!« rief der konsternierte Musikmeister. »Die Tasten der Natur sollen eigentlich nicht geschlagen, nicht geblasen werden, da aber hier der Fall eintritt, daß man das Geblasene oder Blasende mit dem Schlagenden und Geschlagenen zugleich vertreiben [56] kann, so will ich mit einer Ouvertüre Stemperare herzlich gern dienen.«

Hier fühlte ich die Hand des feurigen Komponisten zwischen meinen Knien, meine Röcke und Hemd leise und bedächtig aufheben und über mir ausgebreitet in die Höhe halten.

»Aber, mia cara?« fragte jetzt der Aufdecker. »Allor che fur gli ampj cieli stesi – damals, als der zweite Himmel ausgespannt wurde ...« – hier hielt er meine Kleider noch höher, bückte sich und gab mir zwei Küsse, auf jeden Hinterbacken einen, die mir sehr wohltaten. »Allor! Da gab es noch keine Planeten und Kometen, folglich ...«

»Reden Sie, was Sie wollen, Piano, ich behaupte meine Forte, nicht wahr, meine Damen?«

»Allerdings«, versetzte die Mutter, »Malchen, hebe deinen Hintern besser in die Höhe, er hat ein treffliches Aussehen, er verdient, recht getroffen zu werden.«

»Einen besonders schönen Einschnitt ihrer Hinterbacken hat das reizende Kind«, versetzte der artige Orpheus. »Welch' ein Jammer, wenn jetzt der Schweif eines birkenen Kometen diese schöne Oberfläche zerstört! Ha! Signora! lassen Sie meine Gründe gelten.«

»Non, mon Ami!


Les rapides éclairs
Par les vents et par le tonnerre
N'épurent pas toujours
Les champs et les airs.
D'après Voltaire.

Ainsi, Mademoiselle! Vite! Vite! Haussez votre beau cul!«

Ich gehorchte, hob ihn in die Höhe und erhielt den[57] ersten Hieb so derb, daß ich laut aufschrie; diesem folgten unerbittlich noch vierundzwanzig, und blutrünstig wand ich mich unter der Ouvertüre des Maestro Piano und dem frappanten Periodenbau des eindringenden Forte der Strengen Zuchtmeisterin. Indessen – ich hielt die Streiche heldenmütig aus. Piano hatte seine Beinkleider geöffnet und zeigte mir einen Stimmhammer von so außerordentlicher Größe und mutmaßlicher Klangfähigkeit, daß ich während der Exekution meine Schenkel übereinander hin und her rieb und gewiß zum Ziele der Wollust gelangt sein würde, wenn diesesmal der Schmerz nicht gesiegt hätte.

Von den Mädchen blickte auch nicht eine nach der Szene hin, alle hefteten starr ihre Blicke auf die Geschäfte ihrer Hände, und Rosalie lag noch immer im totenähnlichen Schlummer.

Als ich den siebenten Hieb erhalten hatte, schrie ich laut auf und so fort bis zum letzten.

»Ha, Madame!« fing Piano jetzt an und legte mir Röcke und Hemd wie ein Kalkant nieder. »Ha, Madame, das war die übermäßige Prime für die arme Kleine, ein distonisches oder pythagorisches Komma, was man in keiner Harmonika, am wenigsten aber auf so einem kleinen Monokord braucht, in filza questa riflexione a fine, weil ich hier wahrscheinlich die Künstlerin dieses Monokords vor mir sehe und ihr wohl zur Prüfung meinen Stimmhammer überreichen möchte.«

Während dieses Piano zu meiner Mutter sagte, sie bei der Hand nahm, an ein Fenster führte, ihr Röcke und Hemd aufhob und seinen Stimmhammer mit ihren Händen über die schönste Klaviatur der menschlichen Natur und endlich bis in den Resonnanzboden hineinführte, hatte Madame Chaudelüze mit Hilfe [58] zweier Mädchen mich aufgehoben und an den Tisch gelehnt; nun wurden mir die geschlagenen Striemen mit einem heilenden Balsam so derb ausgewaschen, als wäre ich ein junges Fohlen, das zu Schanden gestochen von der Hyppobosca equina, dem culex equinus, jetzt unter den sorgsamen Händen des Pferde-Züchters eine glatte Haut erwartet.

»Ach!« schrie meine Mutter, als sie eben in der schönen Attitüde bis an den Nabel entblößt und mit geöffnetem Oberwerk vor der Liebes-Orphika oder eigentlich der alten Hydraulika des hin- und herschwenzelnden Organisten stand. »Mein Herr, ich weiß nicht! Madame Chaudelüze, ich schäme mich zu Tode!«

»Comment, ma Chère?« versetzte die Chaudelüze, ging zu ihr und legte die Hinterteile ihrer Röcke und ihres Hemdes zum Fenster hinaus. »Comment! Sie schämen sich!«

Hier saß Piano schon fest und präludierte neben herum mit den Fingern.

Sonderbare Erscheinungen in Natur und Erziehung! Wir schämen uns und lernen es, uns jedes Guten, Natürlichen und Schönen methodisch zu schämen, während wir uns täglich in unsere eigene Häßlichkeit und Schlechtigkeit aufs anständigste zu finden wissen. Da ist kein Laster zu erdenken, das nicht schon in der menschlichen Gesellschaft seine Kreise schamlos vollendet hätte, von denen sogar eine Menge als Aggregat der Schöngeisterei und der feinen Lebensart Eingang gefunden haben, so daß man sich schämen müßte, sie nicht zu haben, nur allein der Kultur sinnlicher Wollust schämt man sich.

»Ha! Ha!« stöhnte jetzt meine Mutter und drückte ihre Lenden zusammen.

»Ha«, rief die Chaudelüze, ich glaube aus dem Tasso [59] »nel cuor dell' Asia scocca, il Bavarico trrale!« und ging zu mir.

Eines der Mädchen hielt mich, das andere kniete vor mir und wusch mich, wie schon gesagt, stöhnte aber und zitterte dabei so heftig, daß ich in meinen Gedanken ganz irre wurde.

»Nun, Fredegunde«, fragte jetzt die Chaudelüze, »was ist das? Ich glaubte, Sie hätten alles überwunden?«

»Ha«, stöhnte es, »qui y était vainquer!«

»Lassen Sie sehen, ich dulde das nun einmal nicht.« Hier nahm sie ihr den Schwamm und gab ihn Claudine um fortzufahren, legte dann Fredegunde auf den Boden, deckte sie auf und spreizte ihre Schenkel voneinander. Himmel, was sah ich! Die schönste Fackel des Amor und Hymen, das herrlichste Geburtssiegel der aus Schaum Geborenen hob sich himmelwärts.

»Sie haben mir Hohn gesprochen, als ich letzthin Sie warnte, sich nicht zu viel zuzutrauen«, sagte die Chaudelüze. »Der Mensch will immer mehr sein und weniger als die Natur, und doch begreift er weder ihre Rätsel noch ihre Konsequenz, das ist schlecht, und Ihre Anmaßung verdient Strafe, weiter nichts.«

Hier, ohne weiter ein Wort zu sagen, nahm Madame Chaudelüze die Rute, die vorhin mich zerfleischte, legte Fredegunde auf die Seite mit dem Zepter gegen mich gekehrt, entblößte den schönen vollen Hintern und zerhieb ihn mit einer solchen Wut, daß Fredegunde auf der Erde sich krümmte, wie der Teufel unter den Schlägen des Erzengels Michael, ohne weitere Vergleichung gesagt.

Claudine trocknete mich jetzt mit dem Handtuch ab und deckte mich zu.

Meine Mutter hing entseelt zwischen Piano und dem Fenster; Rosalie erwachte und fing an, sich zu bewegen; [60] Claudine ging zu ihr und unterrichtete sie von dem Gefährlichen ihrer Lage, und die Tante ging während der ganzen Exekution im Zimmer auf und ab, schnupfte eine Prise nach der anderen und exklamierte: »Ei! Ei! Madame Chaudelüze, das ist arg, das ist schön, das ist streng, das ist wahr! Ei! Ei! Ei! Ei!«

Fredegune riß sich am Ende mit Gewalt aus den strengen Händen der philantropinischen Tisiphone, fuhr ihr unter die Röcke und manipulierte den reizbarsten Teil ihres Leibes dermaßen mit den Fingern, daß sie auf einmal ihre Zuchtrute fallen ließ, sich auf ihren Discipel lehnte und unter dem Ausruf: »Vite! mon enfant! ha! petit héros Vite – ah! je me – con – fonds!« und mit zuckenden Schenkeln das Süßeste der Wollust genoß.

Nun gab es auf einmal eine große Stille. Claudine lief schnell zur Chaudelüze, deckte sie, wie sie so gelehnt auf Fredegunde noch dastand, hoch auf und trocknete die von der Sintflut überschwemmten Teile mit ihrem Handtuche rein ab.

Ich kann euch sagen, Schwestern! einen schöneren Unterleib als den der Chaudelüze habe ich noch nie wieder gesehen, selbst den unserer Schwester Annunciate nicht ausgenommen.

Jetzt aber waren wir auch am Ende, und niemand von uns wußte, was er getan hatte. Wir alle standen aufs anständigste verhüllt beieinander. Claudine hatte auch meiner Mutter den Liebesdienst der Reinigung erwiesen, und diese nahm mich jetzt bei der Hand, führte mich zu Madame Chaudelüze und stellte mich ihr und der ganzen Gesellschaft als ihre Tochter vor.

Man fragte mich um meine Kenntnisse; ich gab, was ich hatte, erhielt Beifall und von meinen Kolleginnen den Kuß der Freundschaft und der Liebe. Am brünstigsten aber küßte mich Fredegunde, und ich werde [61] nicht nötig haben, euch zu sagen, daß mich ein Jüngling küßte. Ich errötete bis unter das Busentuch, aber niemand schien es bemerken zu wollen; Madame Chaudelüze sagte zu Piano auf holländisch: »Kinderen die minnen hebben geen zinnen«, und dann zu der einzigen, die bei allen jenen vergessenen Szenen untätig geblieben war:

»Eulalia, gehen Sie mit Amalien auf ihr Zimmer, ich gebe sie Ihnen zur Schlafgesellin; bisher haben Sie allein gelebt, das hört nun auf; wir sind zur Geselligkeit geschaffen, auch im Einsamsten unserer Umgebungen. Gehen Sie, zeigen Sie ihr hernach unseren Garten und vergessen Sie nicht, bei Georg wieder gut zu machen, was Sie gestern durch ihre gedankenlose Unbedachtsamkeit ihm verdorben haben.«

Eulalia küßte der Chaudelüze die Hand, ich tat ein gleiches, nahm unter Tränen und Küssen Abschied von Mutter und Tante und ging mit Eulalie.

Unsere Fenster hatten die Aussicht in den Garten, Eulalia öffnete, es war in der Mitte des Juli, und als sie Georg, den Gärtner, gewahrte, rief sie ihm zu und bat mich, ihr zu folgen.

»Georg«, sagte sie, wie wir zu ihm kamen, »ich habe Ihm gestern eine schöne porzellanene Grasscherbe zerbrochen, es tut mir leid; ich würde Ihm den Wert ersetzen, allein Er weiß, daß dies Madame Chaudelüze nicht zugibt, sondern vielmehr will, daß ich für meine Unbedachtsamkeit gestraft werde.«

Georg lachte und sagte: »Wenn Madame es will und Sie, Fräulein, es wollen, so bin ich es zufrieden, und sehen Sie, dort kommt Madame und die Gesellschaft.«

»Was hat Er da in der Hand?« fragte Eulalia.

»Ei, das ist eine Sprosse dort von der Gartenleiter, die brach mir oben unter den Füßen ab, und ich habe[62] mir die Zunge und den Mund ganz tüchtig aufgestoßen.«

»Damit gebe Er mir meine Strafe, Georg, geschwind!« Und ebenso geschwind hatte Eulalia ihren Hintern entblößt und lag über dem Fußgestell eines herabgeworfenen Jupiters.

»Nein, gnädiges Fräulein, das tue ich nicht, es wäre schade um die schöne Haut. Wollen Sie die aber mit Ihrem Hemde bedeckt halten, so will ich mich dazu verstehen und Ihnen ein Dutzend Hiebe aufzählen.«

»Malchen!« schrie Eulalia, »deck mich zu, wie Georg es haben will, und zieh mein Hemd fest an, daß keiner seiner Hiebe fehlt.«

Ich tat es, und Georg gab ihr die Hiebe so kräftig, daß die zarten Hinterbacken tönten und Eulalia laut aufschrie.

Während dies geschah, ging die ganze Gesellschaft an uns vorbei, ohne auch nur mit einem Blick zu erraten, was da vor ihren Augen vorging, und sie war gerade verschwunden, als das Echo den letzten Hieb mit lautem Schall zurückgab.

Nun nahm ich Eulalia unterm Arm, und wir gingen langsam weiter. Hier wurde Monika abgerufen und, als sie nach einer halben Stunde wieder im Kreise der neugierigen Schwestern saß, fuhr sie folgendermaßen fort:

Während der zwei Jahre meines dortigen Aufenthaltes begegnete mir nichts ähnliches, das sich mit dem Tage meiner Einführung vergleichen ließe.

Nur zweimal im Jahre durften oder mußten wir vielmehr unsere natürlichen Natürlichkeiten erkennen, am Sonntage der Hochzeit von Kana und am Karfreitag. Begegnete uns aber zwischen dieser Zeit eine Natürlichkeit, z.B. daß einer von uns eine Stecknadel in den Busen fiel, und wir etwa das Halstuch voneinanderzogen [63] und die bloße Brust sehen ließen, oder einer von uns das Strumpfband aufgezogen wäre und unter den aufgehobenen Röcken das bloße Knie, oder gar eine Falte vom Hemd sich gezeigt hätte: so hieß es gleich: was ist das, Malchen, Rosalie, Eulalia usw., können Sie das nicht anständiger tun? Dann war die Antwort: »Mon Dieu!, la nature même ne le fera plus modeste.« Aber nun schrien wir alle zugleich: »Das darf man nicht tun! Darf man nicht tun! Darf man nicht tun! Darf man nicht tun!« Und das so lange, bis uns der Atem ausblieb, besonders zensorartig wurde dieses Geschrei, wenn wir die verfängliche Gegenfrage erhielten: »Ei! warum denn nicht?« Dann fingen wir immer ärger an zu schreien und keine hörte die andere, bis sich alles in ein lautes Gelächter auflöste.

Das geschah auch alle Jahre nur einmal, und zwar am Tage des heiligen Nikolaus als dem Patron aller Verhüllungen der Seelen- und Fleisches-Mummereien. Wir waren dies sehr zufrieden, denn uns für Gespenster oder Totengerippe an einem solchen Tage zu gelten, hatte so wenig Reiz für uns, als uns mit verhülltem Hintern von Fredegunde die Rute geben zu lassen.

Am Sonntag des Evangeliums von der Hochzeit zu Kana wallfahrten wir gewöhnlich in das einige Stunden von unserem Philantropon entfernte Kapuzinerkloster. Verkleidet in lustige Bauernmädchen, weiß und rot, mit großen Strohhüten bewaffnet und sechs schweren steinernen Krügen, angefüllt mit einem leichten Bordeauxwein, den Madame Chaudelüze von ihren Verwandten kommen ließ und der zum Tischwein bestimmt war, traten wir die Pilgrimschaft an. Maestro Piano zog mit seiner Violine vor uns her und zeigte uns den Weg zum Kloster mit dem Fiedelbogen.

Wenn wir so Paar und Paar nebeneinander gingen,[64] schlossen ich und Fredegunde gewöhnlich den Zug, und Madame Chaudelüze ging bald in unserer Mitte, bald folgte sie in einer kleinen Entfernung langsam nach.

Gewöhnlich kamen wir im Kloster unter der Kirche an, stellten unsere Krüge in eine Nebenkapelle rings um ein hohes steinernes Kruzifix her, deckten unsere Strohhüte drüber; Meister Piano legte mit einer Kniebeugung sein Darmsaiten-Instrument auf den Stufen nieder, und so gingen wir in die Kirche, durch die Versammlung durch, nach dem Hochaltar, vor welchem wir uns auf die Knie niederließen und nach einem kurzen Gebet unsere Sitze einnahmen.

Das erstemal war es besonders merkwürdig: Bruder Prediger warf mitten in seiner Verhandlung gerade ein Apage Satanas von der Kanzel auf uns, als wir unsere Sitze einnahmen, und fuhr dann fort:

»Wir dürften uns hier (ich dachte: also dort?) nicht mit den Gütern des Lebens beschweren«, (und ich hielt geschwinde meine voreiligen Gedanken im schwellenden Busen zurück, als ich hörte:) »die uns abwärts zur Erde drücken, noch sollen wir uns den Lüsten des Leibes ergeben, die uns in den Kot der Erde vergraben. Unser Beruf ist es vielmehr, uns von den Dingen der Erde immer mehr loszumachen, damit unsere Wesen leicht werden und wir uns zum Himmel emporschwingen können. Denn die in der Finsternis gewandelt, sich im Kot und Unflat der Lüste herumgewälzet, sich mit Erdengut beschwert haben, sinken ins Feuer und werden durchs Feuer geläutert und gereinigt werden. Die aber Gutes getan haben, erhalten nach diesem ein ewiges Leben, ein verklärtes, geistiges und alle Herrlichkeiten des Leibes und der Seele. Amen.«

Als der Gottesdienst beendigt war und die Leute die Kirche verlassen hatten, kam Bruder Eucharius, der [65] Prediger, auf uns zu und fragte Madame Chaudelüze, wie ihr sein Sermon gefallen habe?

Madame Chaudelüze, als eine Deutsch-Französin, versetzte lächelnd, daß sie gerade zum Apage Satanas gekommen und dadurch nicht sehr erbaut worden wäre.

»Ei!« sagte der listige Kapuziner, »diesen argen bösen Schalk treiben wir alle Tage aus und können ihn nicht los werden. Wir füttern ihn bald mit Brot, bald mit Kuchen, bald mit Wasser, bald mit Wein, aber er will nicht weichen. Sehen Sie nur, wie ich aussehe, ganz verwildert, wie ein Heiliger aus Thebaischer Wüste.« Hier zog er seine Kutte in die Höhe und zeigte uns seine behaarten Schenkel und behaarten Horeb und Sinai in voller Centripetal- und Centrifugal-Kraft. »Wie ein Narr!« murmelte unser Musikmeister und wandte sich von dem ihm verdrießlichen, uns aber sehr angenehmen Anblick. Fredegunde blickte die Eifersucht aus den Augen, als er dieses mächtige Diplom der kirchlichen Alleinherrschaft sah.

»Ei, nun«, entgegnete Bruder Eucharius, »das will ich eben nicht entscheiden! Eine Vogelscheuche hat schon manchen Näscher vertrieben.«

Piano fühlte den Stich und ging mit Fredegunde auf die Seite.

»Was macht Ihr Prior, ehrwürdiger Vater?« fragte jetzt Madame Chaudelüze und nahm seine krause Mannheit in den Schutz ihrer zarten Hände.

»Oh«, versetzte dieser und lächelte über die Kraft seines alten Demagogen, »der geht seinen gewöhnlichen Gang hin und her und läßt den Teufel brummen.«

»Nun denn, so führen Sie uns zu ihm. Sie wissen, was heute für ein Tag ist und mit welcher Feierlichkeit er seit fünf Jahren von uns pflegt begangen zu werden.«

[66] Also, hier ließ sie die Erbsünde fahren, und Bruder Eucharius bot ihr den Arm und bat uns, ihm zu folgen.

Als wir ins Refektorium kamen, fanden wir elf Brüder und den Prior schon versammelt und im Gespräche begriffen. Prior Paracletus war ein schöner rüstiger Mann und gefiel uns allen auf den ersten Anblick. Mit der edelsten Anständigkeit griff er unserer Zuchtmeister- und Lehrerin unter die Röcke und küßte ihr Mund und Busen. Die Brüder umringten uns, führten uns an die Fenster, deckten unsere Schenkel auf und besahen uns mit bescheidener Neugier.

Wir ließen alles mit uns machen, denn wir wußten, daß sie ihre Kühnheit nicht weiter treiben würden.

Während dem nun dieses geschah, wurde aufgetragen, und eine wohlbesetzte Tafel lud uns zu den notwendigsten Genüssen ein. Jetzt erschienen auch Herr Piano und Fredegunde, und die Tafel wurde besetzt.

Madame Chaudelüze ließ drei von ihren Krügen bringen, und der Bruder Lector mußte das Evangelium von der Hochzeit von Kana vorlesen. Als er an die Stelle kam: »Weib, was habe ich mit dir zu schaffen?« schrie der Prior: »Weib, was habe ich mit dir zu schaffen! du verdirbst mir alle dem Herrn geweihten Kälber!« Bei der Stelle: »Als aber der Speisemeister den Wein kostete, der Wasser gewesen war ...«, meinte Madame Chaudelüze, ihr Wein wäre auch aus Wein entstanden und dürfe sich kühn mit jenem wunderbaren auf der Hochzeit zu Kana messen, nur mit dem Unterschied, daß hier die Gäste nicht schon trunken vom Wein, sondern von nackenden Lenden seien.

Fröhlich und im lauten, aber sehr anständigen Jubel endigten wir unser Mahl und tranken unsere drei Krüge leer.

Dann ging der Prior mit Madame Chaudelüze auf[67] die Seite, und wir wurden angewiesen, ein Paar Zelte gemeinschaftlich mit den Brüdern aufzuschlagen und für die Abendmahlzeit, die aus lauter Gebackenem bestehen mußte, Sorge zu tragen.

Die Patres waren im Elysium, küßten, drückten und herzten uns und klatschten uns den Hintern auf eine so artige und angenehme Weise, daß wir wirklich von allen diesen Liebesbezeigungen gerührt wurden und ihnen von Herzen trauten.

Die Zelte wurden auf einer herrlichen Wiese, die in den Wald hinein sich ausdehnte und von einem hohen Gebirge umgrenzt war, tanzend und singend aufgeschlagen, und als dieses geschehen, nahm mich Fredegunde beiseite und führte mich in den Wald.

»Amalie«, fing er an und drückte mir einen wütenden Kuß unter das verschobene Halstuch, »ich liebe dich mit einer Leidenschaft, die mich wie den Meleager unter Rasereien zu Asche zerstäuben wird, wenn du mir ihre Befriedigung versagen wirst. Sieh, wie ich glühe, wie ich zittere, bebe und einem tollen Hunde gleiche, dem das Gift des Verderbens schon alle Adern aufgeschwellt hat. Sieh! Sieh!« Hier hob sie (es war eine aus bestimmten Gründen in weibliche Kleidung gehüllte Mannsperson) ihre Kleider auf und zeigte mir was ich vor einem halben Jahre gesehen hatte, in einer so erfreulichen Größe, daß ich zusammenschauerte.

»Fredegunde«, sagte ich zitternd, »bedenke dich, bedenke, was du tust, nur dem Boshaften und Bösartigen gewährt die Schändung einer Jungfrau Geheiß. Hast du vergessen, was Madame Chaudelüze uns über Sinnlichkeit und brutale Wollust Schönes und Wahres, Gutes und Abscheuliches gesagt hat? Ich bitte dich ...« – schon hatte er seine Hand um meinen bloßen Schenkel geschlungen.

»Ich will nicht hören – fühlen will ich! Fühlen und[68] genießen«, schrie Saint-Val des Combes (so hieß diese Fredegunde), und in einem Nu war das ganze Unterteil meines Leibes bis auf den Nabel entblößt, ich halb ohnmächtig mit meinen Strumpfbändern an eine Birke gebunden, und wenig fehlte, so hätte auch diesesmal die Gewalt des Stärkeren wie immer über das Recht des Schwächeren gesiegt, wenn nicht zum Glück Saint-Vals Reizbarkeit, aufs höchste getrieben durch den Anblick meines Schoßes und durch die Gewalt, mit welcher er meine geschlossenen Schenkel zu durchbrechen suchte, sich auf einmal in die tiefste Ohnmacht verwandelt hätte. Krampfhaft fiel er zu Boden und entlud sich seiner übermäßigen jugendlichen, noch nicht kultivierten Kräfte dermaßen, daß ich glaubte, er würde seinen Geist aufgeben.

Einige Minuten lang lag er so vor mir, und ich hatte völlige Muße, die Schönheit und die Reize jener Teile zu bewundern, die durch ihre falsche und unedle Anwendung das Verderben unseres Geschlechtes und alle Untugenden des menschlichen Charakters herbeiführen. Seine Schenkel waren weit voneinander gespreitet, sein Glied, das sich immer mehr in sich selbst und seine primitive Untätigkeit zurückzog, zitterte wie eine Rose unter den Fittichen eines Zephirs, und das zarte, schon männlich-wilde Gebüsch, das diese Lebensteile überschattete, setzte mich außer mir. Ich spreitete meine Schenkel voneinander, zeigte dem Ohnmächtigen den vollen Anblick meiner Geschlechtsteile und grub mit eigenen Fingern das Andenken dieses wollüstigen Moments in den Sarkophag aller männlichen Kraft.

Jetzt raffte sich Fredegunde, erschöpft in Mark und Beinen, auf und kam eben zu mir, als ich fertig war und im Übermaß meiner Entzückungen wie ein Aal zappelte. Sie band mich los, küßte mir Mund und Busen, [69] entblößte mir den Steiß und klatschte mich derb ab. »Böse Amalie, du verdienst ... Halt, laß mich die hintere Öffnung deines schönen Leibes sehen.« Hier zog mir der häßliche Schalk die Hinterbacken so weit voneinander, daß sich mein After in die Breite zog und mir Schmerzen verursachte.

»Laß mich los, Fredegunde«, sagte ich zornig und stieß ihn von mir, daß er noch einmal zur Erde taumelte wie ein Betrunkener, und ehe er sich aufzuraffen vermochte, war ich ihm entsprungen und gelangte atemlos auf der Plaine an.

Aber da hatte sich alles verändert. Da fand ich keine Kapuziner mehr; da standen mehr als zwanzig Trabanten mit Hellebarden um und in dem geräumigen Zelte, das in Seide und Goldfranzen prangte und eine köstliche Tafel bedeckte, die an Pracht jener des berühmten Königs Artus wohl nicht nachgab.

Als ich noch ungefähr zehn Schritte vom Zelt entfernt war und erst im Annähern die äußere Pracht erblickte, vor Erstaunen rückwärts trat und wie angewurzelt dastand, trat ein Ritter in Goldstoff gekleidet, mit Brustharnisch und offenem Visier, an der Hand eine herrlich gekleidete Dame führend, mir entgegen.

»Wo bleibt Ihr, Fräulein?« rief der Ritter mir entgegen. »Die Herzogin, Eure Mutter hier, war wegen Euch in tausend Ängsten, und wie seht Ihr aus? Beim St. Denis! Das geht nicht mit rechten Dingen zu! Laßt Euch beschauen, kommt zu mir!«

»Nun Kunigunde«, öffnete die Herzogin den Mund, »was stehst du da und besinnst dich? Kennst du uns nicht mehr, oder sollen wir, ich und Oheim Karl, etwa gar dein Inkognito ehren?«

Ich begriff nichts, und doch war mir so viel begreiflich, daß man mir begreiflich werden wolle. Ich entschloß mich also kurz, schwankte zu meiner vom Himmel [70] gefallenen oder aus der Hölle gestiegenen herzoglichen Mutter und zum Feuer blitzenden Oheim, kniete nieder und beugte mein Gesicht zur Erde.

»Böses Kind«, sagte jetzt der Herzog sanft, beugte sich gleichfalls über mich und hob mir leise Röck' und Hemd auf. »Das verdient Strafe! Hier diese bäuerliche Kleidung, die sich für eine Prinzessin aus königlichem Geblüt nicht geziemt, und hier dieser kleine niedliche Hintern, der uns heute mit allen seinen angenehmen Reizen entlaufen will.«

Und nun wurde ich von der derben Hand des Herrn Herzogs so abgeklatscht, daß meine beiden Backen gewiß in Feuer geglüht haben müssen.

Das war aber noch nicht alles, was mir der Herzog zu sagen hatte; zwei Pagen wurden von ihm herbeigerufen, diese ergriffen mich bei den Beinen und hielten mich wie eine von Crebillons »Bijous indiscrets« unterwärts mit ausgespreiteten Schenkeln in die Höhe, so daß ich die geilste Figur der Welt muß gemacht haben. Meine Kleidung war mir übers Gesicht gefallen, und mein Bauch, Schoß, Schenkel, Hintern, kurz alles glänzte in den Strahlen der Abendsonne, die rotglühend über dem Gebüsch stand und in kurzem ihren Abschied nehmen wollte.

Jetzt trat Herzogin Mathilde, meine neue Mutter, zu mir, zog meine Schamlippen voneinander, und Herzog Karl goß eine kleine Phiole mir in den Schoß aus, deren Inhalt durch alle Adern lief und ein wütendes Feuer in mir anfachte.

Im nämlichen Augenblicke fühlte ich, daß eine Verwandlung mit mir vorging. Stöhnend ließen die Pagen mich sinken, der Herzog fing mich auf und, als ich auf den Füßen stand, war ich wenigstens zwei Fuß größer als vorher, strahlte in einem herrlichen Silberstoff und glich in meinem schneeweißen Spitzenkragen, der mir [71] Nacken und Brüste völlig entblößte, genau einem Frauenzimmer aus den Ritterzeiten.

»Aha!« rief jetzt lachend der Herzog, »da haben wir ja Fräulein Kunigunde, wie sie sein soll! Laß sehen, Mädchen, ob auch unter deinen Kleidern alles so beschaffen ist, wie über ihnen.«

»Hebe deine Röcke auf, Kind!« befahl die Herzogin Mathilde.

Ich gehorchte und hob geschwind meine Röcke in die Höhe.

»Auch dein Hemd!« kommandierte der Herzog.

Ich tat es, und nun hielten mich die zwei Pagen fest, und der Herzog holte einen Ritter aus dem Zelte, der, ganz in einen silbernen Harnisch gehüllt, weiter nichts an sich trug als die Haut von unserem Herrgott, die, wie ihr wißt, Adam zuerst gewaschen hat. Ehe ich noch ihn und seine ausgestreckte Lanze anzusehen vermochte, hatte er diese schon eingelegt und rannte mit einer solchen Wut damit nach meinem entblößten Herzen, daß dieses sogleich seine Gestalt veränderte und in blutigen Zeichen seine Zerstörung verkündigte. Die Pagen waren während des Turniers so höflich, mich auch hinten aufzudecken und überhaupt jede Zerstörung der verletzten Teile sorgfältig den delikaten Zuschauern aus den Augen zu rücken.

Dreimal setzte mein Ritter an, nach dem dritten Kampfe aber erklärte er den sämtlichen Zuschauern mit den Worten Gustav Adolphs in der Schlacht bei Lützen, daß er genug habe, und wirklich war auch jetzt seine Lanze in einem völlig unbrauchbaren Zustande.

»Nun!« rief der Herzog, »wenn dem so ist, so wollen wir uns mit Speise und Trank laben und dann nach dem Ungarnlande zu weiteraufbrechen. Ich habe Siegmund einen Besuch versprochen, und ihr, Ritter[72] Charibert, werdet wohl tun, wenn Ihr Eure Kraft spart, bis wir die Türken zu Gesicht bekommen.«

Ritter Charibert küßte Mathilde und Karl ehrerbietig die Hände, ich ließ meine Kleider fallen, nachdem die Pagen mich noch vorher sorgfältig von aller Erbsünde gereinigt und gewaschen hatten, nahm Chariberts angebotenen Arm, und nun ging's nach dem Zelte zu.

Die Dämmerung fing schon an, auf den Fluren zu herrschen, der Wald lag vor uns so aschgrau wie die Perücke des lutherischen Schulmeisters in Troppau, und die untergehende Sonne ließ ein Feuerwerk los, wie ich noch keines erblickt hatte. Im Zelte glänzte alles von Gold und Silber; ein Minnesänger strengte seine Kehle an und sang das Lied des bekannten Burmanns in Leipzig:


Es singt noch keine Nachtigall
Es schlägt noch keine Wachtel
Ich aber ruf' mit lautem Schall:
Herr Wirt, noch eine Achtel!

Und wir setzten uns mit lautem Gelächter um den Tisch.

Aber, mein Gott, was gab's da alles zu verschneiden!

Nichts als Gebackenes, nichts als Gebackenes! Gebackenes aller Art! Kein Zahn wurde da ausgebissen, keine Lippe sauer, und die Mannigfaltigkeit der gebackenen Ware war so erstaunlich, daß wir gar nicht wußten, welchen Bissen wir zu Cotyttos Ehre zuerst hinunterzujagen hätten. An Wein fehlte es nicht; die silbernen Pokale wurden aus den in einem Winkel stehenden drei übrigen Krügen der Madame Chaudelüze[73] beständig angefüllt, und wir taten nichts als essen und trinken.

Während diese Leckermahlzeit von uns ritterlich gemundet wurde, sang der alte Minnesänger, mit einer Pelzkappe und ungarischen Hosen geziert, à la Maultrommel folgende Ballade:


Der Burggeist zum Ritter,
als der Ritter seiner schlafenden Dame
unters Hemd sah.

Eine Legende aus der Zeit der Hohenstaufen.

Ritter! leg' die Lanze ein;
Wirst dein eig'ner Feind nicht sein!
Ihrer Lenden Kron' und Zier
Öffne deine Wut und Gier.
Ritter! leg' die Lanze ein;
Triffst nicht auf ein wildes Schwein,
Triffst ein zartes Jungfrauloch,
Bist des Herren bester Koch.
Ritter! leg' die Lanze ein;
Dringe kühn im Tempel ein,
Rasch durchfliege deine Bahn:
Sieh, schon stöhnt der Feind dich an.
Ritter! leg' die Lanze ein;
Ist der Kampfplatz noch nicht dein?
Heb' ihr Röck' und Hemde auf,
Tun's auch so die – Hohenstauf'.

[74] Je nachdem sich aber nun Essen und Trinken um uns her verminderte, in unseren Mägen Platz fand, und der Wein nach den Köpfen stieg, hatte auch die Verwandlung unserer gegenwärtigen Lage statt. Alle nicht zu unserem Kreise gezählten Personen verschwanden nach und nach mit den uns umringenden Kostbarkeiten, und als wir alles verzehrt hatten, lagen die ehrwürdigen Vater Kapuziner mit Madame Chaudelüze und ihren Elevinnen ohne Reg- und Bewegsamkeit auf dem weichen Grase unter dem Zelte.

Es währte nicht lange, so verfinsterten sich unsere Augen gänzlich, und der Himmel wurde völlig dunkel. Zickzack fuhren die Blitze wie Feuerschwärmer um das Zelt herum, und zitternd geigte Hr. Piano in die graue Nacht hinein. Als das Gewitter über unseren Häuptern stand, schliefen wir alle, und als wir am Morgen müd' und träge erwachten, wußten wir nicht mehr, ob wir tot oder lebendig das heilige Grab gesehen.

Prior Gerundio Paracletus raffte sich zuerst auf sein Sitzfleisch, rieb sich die Augen und sah Madame Chaudelüze unters Hemd, denn diese hatte für die ganze Versammlung eine äußerst gefährliche Lage von der gestrigen Insinuation zurückbehalten; ihre Lenden, ausgebreitet und etwas erhaben, entblößten jenen gefährlichen Ort, der Minerven noch einige Zöglinge sain et sauf zugewiesen hat. Als sich der Prior von seiner Gefährlichkeit nicht völlig überzeugen konnte, suchte er die reizenden Umgebungen von allen Seiten zu entfernen; und ehe noch wir anderen, dumm und duselig, nach und nach auf die Beine zu kommen suchten, hatte der Prior im Angesicht der Morgensonne sich einen Augenblick verschafft, der ihn mit neuer Lebenskraft erfüllte.

Wie die ehrwürdigen Väter sahen, daß es dem Prior [75] ernst wurde, die Hora zwischen den weißen, weichen Lenden unserer Lehrerin zu singen, trieben sie uns alle in einen Winkel des Zeltes auf die Knie nieder, warfen uns Röcke und Hemden über die Köpfe und befahlen uns, mit entblößtem Hintern anzuhören, was wir nicht zu verstehen brauchten. Fredegunde mußte sich in den Winkel uns gegenüber stellen, seine Kleider vorn in die Höh' halten und tun, was er nicht lassen konnte.

Jetzt stellten sich die Patres vor den schon mit seinem Scapulier eifrig beschäftigten Prior, das Gesicht gegen uns gerichtet, und sangen all unisono und wirklich herrlich, indem sie ihre Kutten aufhoben, aus dem »Officium defunctorum benedictale:« »Pelle meae – consumptis carnibus ad – haesit os meum.« Hier erwachte die Pönitentialin unter ihrem Zuchtmeister, wie ich seitwärts sehen konnte – und ihre Hinterbacken hoben sich so mächtig unter jenem fleischernen Hymnus, daß sie en profil der unsrigen den dicken Jupiter unter seinen Trabanten vorstellte. Signor Piano hatte seine hölzerne Geige ergriffen und accompagnierte das »et derelicta sunt tantummodo labia circa dentes meos.«

Und der Prior fiel ein und deklamierte keuchend:

»Miseremini mei, misere-remini-mei, saltem vo-s, ami-ici-mei, quia ma-anus Do-o-mini teti-ti-titigit me.«

Und jene fuhren fort: »Quare persequimini me sicut Dens et carnibus meis saturamini?« Darauf der Prior in den letzten Zügen fragte: »Quis mihi tribuat, ut scribantur sermones mihi?«, und dann verstummte. »Quis mihi det?« fragten nun die Patres in seinem Namen weiter, während jener die Reize Mathildes beschaute, »up exarentur in libro stylo ferreo et plumbi lamina? Vel caelo sculpantur in silice?«

»Amen«, intonierte der Prior und küßte den zuckenden [76] Steiß seiner von Hiobs Lamento nicht angesteckten Soror, und »Amen«, sagten die anderen.

Rasch stand der Prior auf, erhob Madame Chaudelüze bei den Kleidern und sagte: »Nun, meine schöne Marpessa, wollen wir diese reizende Rüstung bald aufhängen in dem Tempel der Minerva und sie mit jener vestalischer Jungfrauen vertauschen?«

»Nicht doch«, versetzte diese, »erst dort meine Schafe versorgt, dann fiat pax in virtute mea«, und damit schlug sie dem Prior so derb auf die Hand, daß er ihre Kleider fallen lassen mußte.

»Und dort unser Charilaus?« fragte er und ging zu Fredegunde. »Dieser bleibt, wo ich bin«, war die Antwort.

Unsere Lage fing nun an, immer peinlicher zu werden, und eben wollten wir uns ihr eigenmächtig entreißen, als der Bruder Lector auf mich zukam und zu mir sagte: »Halt, schöne Schwester der Liebe, der Lust und Schmerzen! Erst sage mir: wer ist der Elendeste unter denen vom Weibe Geborenen?«

Ich antwortete: »Hiob wird es wohl gewesen sein.«

»Nein, mein Kind, es ist derjenige, welcher das Unglück hat, ohne Arme und Beine geboren zu werden. Sag mir ferner, wer ist der Glücklichste unter den Menschen?«

Ich sagte: »Der Zufriedenste.«

»Nein, mein Kind! Der, welcher seinen Verstand verloren hat.« Und alle gaben ihm Beifall. »Und nun sage mir drittens und letztens: ›Wieviel ist fünfundzwanzig?‹«

Ich verstummte.

»Ah so, das weißt du nicht, und weil du es nicht weißt, so mußt du jetzt zwanzig und fünf fühlen.« Hiermit zog er eine Geißel hervor und reichte mir alsDoctor optime fünfundzwanzig so kräftige Hiebe, daß [77] ich schrie wie eine Besessene, während die anderen sich hinten und vorn anfühlen und hätscheln ließen und zu meinem Miserere hellauf lachten. Bruder Lector war fertig, und Signor Piano nahm mich mitleidig bei der Hand, stellte sich vor mich hin und geigte.


Qual nuvol grave e torbida
Sulla tua fronte accolto
Copre il seréno, o Fillida,
Del tuo leggiadro volto?

»Lassen Sie mich mit Frieden!« versetzte ich ärgerlich und stieß ihn auf die Seite. »Bruder Lector hat mir eine Lektion gegeben, die ich noch vierzehn Tage auf mir herumtrage.«

»Pauvre enfant«, fiel die Chaudelüze ein, »du dauerst mich, aber es wird dir bewußt sein, daß deine Mutter dich mir nur unter der Bedingung übergab, dich den Schmerz kennenlernen zu lassen. Also!«

Ich schwieg, die Schwestern umringten mich, Gerundio küßte noch einmal seine Beute, und dann setzten wir uns mit unseren leeren Krügen in Bewegung nach der Heimat.


Piano sang und geigte uns vor:

Wenn der Krug bricht,
Macht man ein ander Gesicht!
Und ist er gebrochen,
So geht's in die Wochen,
So geht's in die Wochen!

[78] Ich schwieg mäuschenstill, aber die anderen sangen es ganz gemütlich nach.

Das war nun, Schwestern! die Hochzeit zu Kana. Am Karfreitag ging es anders her. Doch ehe ich euch erzähle, was da geschah, vorher die Geschichte Saint-Val des Combes, der verkappten Fredegunde, wie ich sie schriftlich und mündlich auswendig gelernt habe.

Als wir müde und erschöpft an Leib und Seele zu Hause angekommen waren, ging ich mit Eulalia und Fredegunde auf unser Zimmer, und da mir nach den denkwürdigen Ereignissen dieser paar Tage nichts wünschenswerter sein konnte als Ruhe, so zog ich mich gleich aus und legte mich ins Bett; Fredegunde wollte mit mir anbinden, ich stieß ihn aber heftig zurück. Ärgerlich darüber nahm er Eulalia, legte sie zu meinen Füßen aufs Bett, deckte sie auf und befriedigte zwei-, dreimal hintereinander seine Lust; dann schlüpften beide zu mir, nachdem sie vorher Tee und Biskuit bestellt hatten, und Saint-Val sagte zu mir: »Ich bin Euch meine Lebensgeschichte schuldig. Amalie! Sie haben mich einmal fleischlich kennengelernt, und ich bin nun willens, Ihnen auch von meiner Seele so viel zu zeigen, als über der Vorhaut eines Unbeschnittenen zu sehen ist.

Ich bin lange kein so großer Sünder wie der Kaiser Basilius, der fünfzehntausend Bulgaren die Augen ausstechen ließ. Ich glaube, nicht hundert Mädchen entjungfert zu haben, und dennoch quält mich oft der Teufel und stellt mir dergleichen natürliche Taten wie Todsünden vor den Spiegel meines Gewissens, und dann weiß ich mir nicht besser zu helfen, als daß ich der ersten besten Dirne, die mir in den Wurf kommt, unter das Hemd greife und mir Absolution hole.

Wenn ich die Weltgeschichte betrachte, so möchte ich sie mit Füßen treten, kein schönes Mädchen aber[79] wird mir zumuten, ihr ein Gleiches widerfahren zu lassen: ich schließe also daraus, daß ein schönes Mädchen mehr wert ist als die ganze Weltgeschichte und setze die ganze Vilaine, an deren Ufern ich mich oft ergötzte, in der ich mich oft rein wusch, gegen meine eigene Mechanceté, wenn das nicht in der Ordnung ist.«

3.

[80] III

Die verkappte Fredegunde erzählt Monika ihr Leben.


Ich bin der jüngste von zwei Brüdern und drei Schwestern. Von Jugend auf hatte ich einen starken Hang zur Einsamkeit, und gewisse Gefühle, die in der ersten Lebensblüte am stärksten sich mitzuteilen pflegen, umfingen meine Phantasie mit immer neuen Bildern und Gegenständen.

Mein Vater verwaltete in der Nähe von Rennes, von den weitläufigen Besitzungen des Fräuleins von Sarange, einer der ersten Erbinnen in dortiger Gegend, die Meierei Travemorte.

Ein starker Wiesenbau, etliche Kleefelder und auch etwas Obstbaumzucht beschäftigten uns alle jahraus,[81] jahrein, und unsere Kirschen erhielten fleißig Zuspruch aus dem benachbarten Rennes.

Mein Bruder lief in seinem zwölften Jahre auf und davon, weil ihm mein Vater einmal, im Beisein der Schwestern und ein paar alten Weibern, den bloßen Hintern gehauen hatte; und ich habe seitdem nichts mehr von ihm gehört.

Meine älteste Schwester kam zu einem reichen Geistlichen in die Stadt und besuchte uns öfters zur Kirschenzeit.

Ich und Manon und Madelaine blieben bei den Eltern.

Meine Schwestern waren alle schön, aber ihre Schönheit rührte mich nicht. Ich habe sie nackend gesehen, habe ihnen allen in unseren leichtfertigen Spielen auf die geilste Weise Röcke und Hemd aufgehoben, nie aber mich gereizt gefühlt. Die Bande des Blutes hatten ihre kalte Gewöhnlichkeit über ihre Reize ausgegossen, und kein aufgeschlossener Sinn war fähig diese zu vertreiben.

Was mir an meinen Schwestern entging, empfing ich doppelt von jedem weiblichen Wesen, das sich mir näherte; und ich würde nicht fertig, wenn ich dir alle die kleinen Anekdoten aus dem Reiche der Sinnlichkeit mitteilen wollte, von denen ich selbst der Held war.

In meinem dreizehnten Jahre, es war um die Heuernte, sandte mich mein Vater mit einer ansehnlichen Summe Pachtzins nach Rennes zu dem Fräulein von Sarange, von der es hieß, daß sie eine Braut sei. Unweit Vitry in einem angenehmen Tale, das mit Erlen und Buchen prangte, fand ich ein allerliebstes Mädchen im Gras liegen und schlafen. Ein großer Strohhut lag über dem Gesicht, und eine Bewegung im Schlaf hatte ihr linkes Knie bis über das graue Strumpfband entblößt. [82] Der Anblick goß ein elektrisches Feuer durch alle meine Adern, und der Stammhalter meiner Kraft stand schon gerüstet zum Streit, ehe er noch den Kampfplatz erblickte.

Hier, Camille! sagte ich zu mir selbst, hier mußt du dein erstes Abenteuer bestehen, und ohne mich lange zu besinnen, bückte ich mich und sah der artigen Cephise unter das kurze Röckchen; das neidische Hemdchen hatte die prallen Schenkel bedeckt, und was ich sehen wollte, verriet sich kaum durch eine kleine Bewegung, welche die Schläferin machte. Ich fuhr ihr mit der Hand unters Hemd, und ein leises Zucken zwischen den Lenden munterte mich auf zum Siege. Bedächtig hob ich die kleinen Füßchen hoch in die Höh' und erblickte zwischen den niedlichen Hinterbacken den schönsten Rosenschmetterling (Lithosia rosea), den je meine wollüstige Phantasie gehascht.

Noch denke ich mit Entzücken an die erste, vollständige Lust meines sinnlichen Lebens. Ich zog mein Sacktuch heraus, breitete es über die vom Zephir bewegte Leinwand, legte bedächtig die zarten Fleischpartien ausgespreitet nieder, deckte die noch immer Schlafende bis über den Nabel auf und vollendete mein Werk ohne die geringste Schwierigkeit.

Nun erst erwachte die Heuchlerin und fing so beweglich an zu weinen und sich zu gebärden, daß ich in der Angst meines Herzens keinen anderen Trost für sie wußte, als meinen Gürtel zu öffnen und ihr ein paar Goldstücke von dem Pachtzins in den Schoß zu werfen. Das schien ihre Tränen zu stillen.

Ich bat, mir noch einmal den Anblick ihrer Reize zu gönnen und mir zu erlauben, ihren Schmetterling auch von hinten zu haschen, und ohne ihre Antwort abzuwarten, hob ich ihre Kleider auf, legte sie auf den Bauch, spreitete ihre Schenkel voneinander und hatte,[83] was Mutter Natur allein lehrt, diesmal so gut begriffen, daß das Mädchen keine Silbe davon verlor und in aufgelöstem Entzücken der Empfindung tiefste Sprache stöhnte.

Ich fragte nach dem Namen meiner Kleinen und erfuhr, daß sie Fanchon hieße, von Vitry sei und ihre Base besuchen wollte, die noch eine Stunde von der Stelle, wo ich sie antraf, entfernt bei einer adeligen Witwe sich aufhalte. Ich küßte sie noch einmal, deckte sie noch einmal auf und versprach, sie bei meiner Zurückkunft heimzusuchen; sie sagte mir die Wohnung ihrer Eltern und ich sollte einen Vorwand ansinnen, der mich bei ihnen ohne Verdacht einführen könne.

Was wirst du nun anfangen, Camill', sagte ich zu mir selbst, als ich meinen Weg fortsetzte und im Andenken an meine Freigebigkeit das Unheil überschaute, das ich mir dadurch auf den Hals gezogen hatte.

Nach langem Hin- und Hersinnen fiel mir ein, die Naht meines Gurtes aufzutrennen, einige Goldstücke in meine Hosen fallen zu lassen und so, verwahrt vor allem bösen Verdacht, in voller Unschuld bei Fräulein Sarange Rechenschaft abzulegen. Beim Anblick der Türme von Rennes pochte mein Herz hörbar über dem unschuldigen Corpus delicti; je näher ich aber der Stadt kam, desto freier atmete ich, und als ich die steinerne Stiege des Fräuleins betrat, fehlte meinem Mute weiter nichts als die Dreistigkeit des Lügners, mit der er seine eigene Lüge für die Wahrheit zu halten genötigt wird.

Auf der ersten Etage erblickte ich keine Seele. Ein Korridor zeigte sich meinen Augen mit einer langen Reihe von Zimmern. Ich ging von Tür zu Tür und – lauschte durchs Schlüsselloch. Leere, nur mit Möbeln angefüllte Zimmer, nirgends einer oder eine der Bewohner zu erblicken. Seltsame Leute, die Vornehmen, [84] sie sind nirgends zu Hause, nicht einmal in ihrem eigenen! Endlich kam ich an eine offene Tür und, da ich mich hier nicht gut durch das Schlüsselloch unterrichten konnte, auch zu viel Lebensart besaß, als unangemeldet mich einzuführen, so klopfte ich bescheiden an. Kein: Herein! kein: Wer ist da! Ich wiederholte. Nichts zu hören, nichts zu sehen! Nun verging mir die Geduld, ich drückte die Tür auf und trat ein. Es war ein Vorzimmer. Die nächste Tür, die ich erblickte, stand ganz auf. Ohne weitere Umstände trat ich ein. Ich sah mich in einem prächtigen Zimmer, eine Reihe Gemälde beseelte auf einige Zeit meine Aufmerksamkeit; endlich war mir's, als hörte ich im Nebenzimmer ein Geräusch; ich klopfte an, öffne, da mir niemand antworten will; es war ein Schlafkabinett. Glänzenderes und Herrlicheres hatte ich noch nie gesehen. Susanne und Potiphar zeigten sich in ihrer Blöße zwischen kristallenen Spiegeln; die geile Margarethe von Anjou unter den gaulischen Stößen ihres Leibkutschers; und die ehrbare und begeisterte Jeanne d'Arc unter der grauen Standarte des feurigen Esels nach Auflösung schmachtend – zierten die Seiten eines damastenen Himmelbettes. Die holdselige Johanna besonders hatte ihre prallen Schenkel so weit voneinander gespreitet, daß die ganze Regentschaft des Tartarus auf dem starren Eselsschwanze, eine Hauskapelle des H. Dionys obendrein im muskulösen Bauche Platz gefunden haben würde.

Ich konnte den Anblick nicht aushalten; schnell hatte ich meinen Minos aus meinen Beinkleidern gezogen und wollte eben tun, was schon Onan im ersten Buche Mosis aus Bosheit getan hatte, als ich Stimmen hörte. Hier mich sehen zu lassen war gar nicht meine Absicht, also faßte ich kurzen Entschluß und kroch unters Bett, immer meinen Tröster in der Hand haltend, der [85] seine poetische Gestalt nicht ohne einen stattlichen Reim verlassen wollte.

Kaum lag ich, so trat Fräulein von Sarange am Arm eines Domherrn ein.

»Also, meine süße Beaujeu«, fing der Domherr an, »sollen wir armen Sklaven Ihrer verderblichen Reize dem Schicksale des Tantalus entgegen sehen.«

»Kann ich anders?« versetzte das Fräulein. »Ich bin nicht gerade in dem kritischen Fall, in welchem einst die Braut Maximilians, Anna von Bretagne, sich befand, als sie die Gemahlin Karl des Achten wurde; ich würde den meinigen besser zu lösen wissen.«

»Die Kirche hat nähere Rechte an eine natürliche Heilige, wie Sie sind, meine reizende Aurelie als Sanchez und Offranville«, widersprach der Domherr. »Und sehen Sie selbst« – hier öffnete er seine Beinkleider und zog den einzigen wahren Schlüssel der Kirche hervor –, »können Sie dem Unvergleichlichen dieser Kraft wohl etwas entgegensetzen, das es herabwürdigte unter das Profane des gemeinen Lebens?«

»Vergandin!« versetzte Aurelie, und ihre Augen funkelten: »Sie wissen, daß ich mich nicht bestimmen lasse, weder vom Staat noch von der Kirche; von meiner Liebe selbst nicht, wenn ich nicht will. Aber ich liebe Euch beide, und das, was mich einzig in Unruhe setzt, ist die Unentschlossenheit, welchem unter Euch beiden ich mich ganz zu widmen habe, ohne den anderen zu verlieren. Offranville hat das Recht, Vergandin die Natur auf seiner Seite, der Staat organisiert die Körper. Sie, Vergandin, sind Maltheser und Domherr, folglich verloren für das Band der Ehe, Offranville Soldat und Staatsdiener und als solcher ...«

»Halte là! Ma chère«, fiel der Domherr ein und faßte seinen Sprengel: »Sie sind die verlobte Braut der Kirche.«

[86] »Bin ich das?« entgegnete Aurelie. »So beweisen Sie mir Ihre Rechte hier gleich auf der Stelle an diesem Betstuhl. Disziplin, sagten Sie mir mehr als einmal, ist die Seele der Kirche, noch bin ich eine Jungfrau und unentweiht, wie es mein Wille bisher von mir forderte, und dieser Wille ist es auch, der mich Euch näher bringt als Offranville. Ich stehe in Briefwechsel mit der Äbtissin der Clarisserinnen in B., sie ist meine Freundin und wer weiß, was ich tue, wenn ich einmal zwischen Euch entschieden habe. Geschwind, versuchen Sie einmal die Strenge Ihrer Überredungskraft an meinem Leibe, und ob es leicht ist, mich zu besiegen, wie Sie wähnen.«

Hier warf Aurelie Vergandin eine dicke Rute, die unter dem Betstuhl lag, entgegen und kniete vor ihm nieder. Vergandin hob ihr, ohne ein Wort zu sagen, die Röcke auf, legte sie ihr über den Rücken, hielt ihr das Hemd in die Höhe und fing an, sie zu peitschen. Aurelie streckte den reizenden, schneeweißen Hintern dem strengen Werkzeuge der Zucht entgegen und gab nicht einen Laut von sich. Ich verlor beim Anblick dieser himmlischen Reize beinahe alles Bewußtsein, und der Teufel selbst muß unter den Fesseln des Erzengels seine Vernichtung nicht stärker gefühlt haben als ich in diesem berauschenden Anblick.

Kaum aber hatte Vergandin kräftig einige Dutzend Hiebe auf diese fleischerne Tafel des Gesetzes eingegraben, so unterbrach ein lautes »Ha!« die laszive Exekution, und ein blanker Degen blitzte an der Tür des Kabinetts.

Ein Offizier, wie ich nachher erfuhr, vom Regiment Penthiêvre, stand mit flammendem Gesicht der kirchlichen Gewalt gegenüber.

»Ah, bienvenu, Offranville!« rief ihm Aurelie entgegen, sprang auf, und der Domherr nahm die eine[87] Rute unter den Arm und verbarg die andere unter sein schwarzes Gewand.

»Vous m'avez vaincu«, fuhr Offranville gegen den Domherrn fort. »Sie haben gesiegt, denn noch habe ich Aurelies Busen kaum zur Hälfte erblickt, und Sie« – hier ging Offranville auf Vergandin zu –, »Sie sind in meiner Gewalt, ich könnte Sie hier an diese Wand spießen, allein Sie sind ein Nebenbuhler, der nach Recht und Gewissen behandelt zu werden verdient – und sind Maltheser. Erwarten Sie mich also diesen Abend vor dem Tor.«

»Nein, Offranville«, versetzte jener, »im Chor der P.-Kirche, diesen Abend zwischen sieben und acht.«

»Auch gut, als Maltheser aber.«

»Ja!«

Aurelie nahm jetzt Offranville bei der Hand, führte ihn zu einem Sitz und setzte sich zwischen ihn und den Domherrn. Nachdem sie beide einige Augenblicke fixiert hatte, wand sie mit sanfter Gewalt Offranville den Degen aus der Hand, steckte ihn ein und fing an zu erzählen.

»Offranville«, sagte sie, »ich will Ihnen etwas erzählen, um Ihnen einen Beweis zu geben, daß ich den despotischen Charakter jener Leute, die vom Ruhme leben, mehr denn zu genau kenne, als daß ich mich einem unter ihnen blindlings zu unterwerfen vermöchte. Hören Sie denn: Der türkische Kaiser Mahomed der II., ein junger furchtbarer Held, faßte den Entschluß, ein Welteroberer wie Alexander der Große zu werden. Schon hatten seine Waffen sich das orientalische Kaisertum unterworfen, und nichts vermochte ihn in seinen weiteren Siegen zu unterbrechen als – zügellose Wollust. Irene, eine schöne Griechin, fesselte ihn an ihren häuslichen Schoß, und entnervt und entmannt von allem kriegerischen Mut lag der Held Asiens vergraben [88] in der Fülle ihrer Reize. Sein Großvezier Mustapha Pascha unterstand sich, ihm deswegen Vorwürfe zu machen. ›Ich vergebe dir deine Verwegenheit‹ sagte der Sultan. Versammele die Janitscharen morgenden Tages auf dem Exerzierplatze. Dieses angeordnet, erwies Mahomed seiner über alles geliebten Irene noch einmal die zärtlichsten Liebkosungen und befahl ihr dann, am Morgen in ihrem köstlichsten Schmuck zu erscheinen. Irene gehorchte, und Mahomed führte sie auf den Exerzierplatz, wo der Kern seiner Truppen sich versammelt sah. Alles erstaunte beim Anblick von Irenes Schönheit, und alles huldigte ihr. ›Soldaten!‹ sagte Mahomed, ›ich wollte euch selbst urteilen lassen, ob die Natur je ein vollkommeneres Werk hervorbringen kann als dieses hier.‹ ›Nein! Nein!‹ riefen die vorher erbitterten Soldaten. ›Es lebe Irene! Hoch lebe ihr glücklicher Gemahl!‹ ›Nun denn‹, fuhr der Kaiser zu den um ihn gruppierten Generalen und Paschas fort, ›so wie Ihr, dachte ich auch, ungeachtet der Ruhm das höchste Ziel aller meiner Wünsche war. Nun aber, da ich jetzt höre, daß Ihr meine Liebe tadelt, denke ich wieder wie ehedem, und ich will euch zeigen, daß ich nicht nur Herr über die ganze Welt bin, sondern auch über mich selbst.‹ Und hier zog er sein Schwert, ergriff mit kalter Grausamkeit das lange Haar der Irene und trennte mit einem Streich ihr schönes Haupt von dem reizenden Leibe.«

»Diable, c'est bien vrai«, schrie Offranville, als Aurelie geendet hatte, und sprang auf, »Mais ...«

»Keine Widerrede!« versetzte Aurelie und sprang auch auf. »Sie werden mich verstehen und werden es fühlen, was ich an Ihrer Seite zu fürchten habe.«

»Aurelie«, murrte Offranville, »du liebst den Domherrn mehr als mich, den du hast ihm einen Teil deiner Reize enthüllt.«

[89] »Offranville, ich liebe dich wie den Domherrn, denn ich enthülle dir hiermit einen anderen Teil meiner Reize, den bis auf diese Gegenwart noch niemand gesehen hat außer mir selbst.«

Hier führte Aurelie Offranville an das Bett, unter dem ich vernichtet lag, wandte dem Domherrn den Rücken und deckte sich bis an den Gürtel auf.

»Ha!« schrie in entnervtem Entzücken Offranville, zog seinen Degen und hielt ihn an den geheimnisvollen Eingang der Lust. »Teufel!« lallte er. »Teufel! Reizender aller englischen, eingefleischten Teufel! Soll ich?«

»Armer Wicht!« rief Aurelie, gab Offranville einen Stoß und – auf dem Boden lag der starke Held, in halber Ohnmacht, als hätte der Schlag ihn gerührt ob dem Anblick von Aurelies entblößten Reizen. Diese ließ ihre Kleider fallen, half ihm auf die Füße und sagte: »Vergandin! Offranville! Laßt euren Streit beruhen bis auf Maria Magdalenentag; dann entscheidet ihn in meiner Gegenwart.«

»Gut«, brummte Offranville, »und wo?«

»Im Kreuzgang der P ...«

»Sie sind ein Engel, Aurelie!« rief Vergandin und küßte ihr die Hand. Offranville entblößte ihr den Busen und drückte einen langen Kuß auf die beiden Brüste.

Aurelie bat jetzt die beiden von ihren Reizen Berauschten, sie zu verlassen, und Arm in Arm gehorchten sie dem Befehl ihrer Gebieterin.

Einem Bezauberten gleich lag ich während dieser imposanten Szene unter meinem Bette; unfähig, mich zu rühren, hatte die Agonie der Lust mich in den Schwindel eines Champagner-Rausches versenkt.

Kaum waren die beiden seltsamen Liebhaber weg, so lag auch das noch seltsamere Fräulein von Sarange, [90] getrieben vom Stachel verhaltener Begierden, mit aufgehobenen Röcken und Hemd, mit weit voneinander gespreiteten Lenden auf dem Sofa und bewies sich die Vorzüglichkeit alles irdischen Vergnügens mit ihren reizenden Fingern so unwiderlegbar, daß das Sofa, wie von Crébillon gefüttert, sich zu bewegen anfing, und der ganze über alle Beschreibung reizende Akt so heftig auf mich wirkte, daß ich, wahnsinnig aus meiner Spelunke hervorgerissen, mit herabgelassenen Beinkleidern der eben agonisierenden Aurelie wie ein Meteorstein vor die zuckenden Lenden und Füße niederfiel.

Ein lauter Schrei, der geile Krampf ihrer Schenkel, das Überströmen ihrer Liebesmuschel, eine erstarrende Ohnmächtigkeit löste sich in meiner Erscheinung, in meinem Hintreten wie Sturm und Gewitter in einem Platzregen auf.

Aurelies Augen waren wollüstig geschlossen, die meinigen starrten auf ihre herrlichen Reize; ich weidete mich wie ein Lämmchen auf des Lebens schönsten Auen und ...

»O! ich bitte dich, Liebe, decke dich auf«, bat mich jetzt Fredegunde. Ich gehorchte, und der Schalk öffnete seine reizenden Lippen, umfaßte damit den krausen Haarschmuck meiner Empfindsamen und sagte, angefüllt mit dem Balsam der cyprischen Göttin:

»So würde ich auf dem zauberischen Anger des Fräuleins von Sarange ins Gras gebissen haben, wenn noch irgendeine Kraft in mir gewesen wäre, meinen niedergeschmetterten Körper zu erheben.«

Aurelie erwachte aus ihrem süßen Vergessen, blickte mich starr mit ihren zarten Augen an, setzte ihren linken Fuß nebst seiner alabasternen Säule auf den Boden, erhob sich und trat, indem die Gardinen des himmlischen Theaters niederfielen, rasch zu mir hin.

[91] »Comment, Drêlesse!« fing sie zürnend zu mir an und hob mich in die Höhe. »Que veut-on dire avec cette masquerade? In männlicher Kleidung, unter meinem Bette?« Ohne ein Wort weiter zu meiner Verständigung hinzuzufügen, ergriff sie die Klingel und schellte.

Clementine, ihr Kammermädchen, die ich kannte, trat ein.

»Sieh her! Clemence!« rief Aurelie ihr entgegen, »Fredegunde ist verrückt geworden.« Mit diesen Worten nahm sie einen Stuhl und befahl Clementine, mich über ihn zu legen.

Clementine gehorchte stillschweigend. Wie ein Bündel Wäsche ergriff die Hexe mich, und ehe ich noch wußte, wie mir geschah, lag ich mit aufgehobenem Hemd, wie ich sollte; Clementine hielt mich fest, dem Huhn, das eben zum letztenmal sein Gare à vous! gekräht hat, ähnlich, und Aurelie ließ ihre zarte Hand so derb auf die südliche und nördliche Halbkugel meines rustiken Fleisches fallen, daß ich laut aufschrie.

Während der Exekution bewegte ich mich so heftig, daß mein Gurt aufging und die schönen Dukaten den Teppich des glatten Bodens übersäten. »Was ist das, Fredegunde?« schrie Aurelie beim Anblick des Geldes.

»Verräterin, du hast entfliehen wollen! Sieh, Clementine, das sind alles Proben meiner Gütigkeit! Die Unverschämte, fort hat sie laufen wollen, und mich verraten. Ha, das verdient Strafe!« Und nun wurde die Züchtigung so hart wiederholt, daß mein armer Hinterbacken brannte wie die Schmiedeesse Vulkans.

»Clemence!« fuhr Aurelie fort, »die Dukaten sind dein, und diese Spitzbübin da nimm mit dir ins grüne Zimmer und peitsche sie so lange mit Ruten, bis sie gesteht, was sie anfangen wollte.«

Clementine hob mich auf und riß mich mit sich fort.

[92] »Wo ist Eugenie?« (Das war die Nichte Aurelies), fragte jene noch.

»Sie wird im Bad sein«, versetzte Clementine.

Aurelie befahl mir, das weiße Negligé von Eugenie anzuziehen, vorher aber, so wie diese das Bad verlassen hätte, mich hineinzuwerfen; mit dem Geständnis hätte es noch Zeit.

Clementine befahl mir zu folgen, kaum konnte ich mit der einen Hand die Beinkleider halten, es war ein besonderer Auftritt.

Wir gingen durch eine lange Reihe von Zimmern nach einem verschlossenen Vorsaal.

Clementine klopfte an. »Sind Sie fertig, Mademoiselle?« rief sie, und eine Silberstimme antwortete: »Ich komme augenblicklich.« Auch war dieses kaum ausgesprochen, als schon die Tür sich öffnete, und ein holdes Geschöpf uns entgegenschwebte. Clementine lachte, winkte mit den Augen und sagte Eugenie, das wäre die Landläuferin Fredegunde, die sie in das von ihr verlassene Bad führen sollte. Eugenie lächelte, öffnete ihr Busentuch, sah in den weißen Schnee der jungfräulichen Brüste hinein, als wollte sie ihr Herz ergründen und lispelte: »Gnädige Tante haben doch wunderbare Einfälle, man muß gestehen, sie ist die einzige ihrer Art.« Hierauf verließ sie uns, und in zwei Minuten lag ich mutternackend im Bade, in dem nämlichen Wasser, das noch vor wenigen Augenblicken den zarten Leib der reizenden Eugenie umschlungen hatte.

Ich schwamm in einem Meer von Seligkeiten, und während mich Clementine mit köstlicher Seife rieb, besonders lange auf meinen derben Hinterbacken verweilte, dachte ich an den jugendlichen Busen Eugenies und bedeckte ihn mit tausend Küssen.

Bald stand ich, schöner als Loredanos Adam, vor der blinzelnden Clementine.

[93] Sie drückte mir einen brennenden Kuß auf den Teil meines Leibes, der jetzt, aller seiner Spannkraft beraubt, kaum eines Feigenblattes bedurfte, um seine sündige, zu Empörungen geneigte Natur zu verbergen, zog mir das Hemd, das Eugenie abgelegt hatte nebst einem weißen Negligé an und führte mich nach dem grünen Zimmer.

Dort fanden wir Aurelie und Eugenie; Eugenie saß am Fenster, und Aurelie völlig unangekleidet, das heißt im Hemd und schneeweißer Mantille mit offenem Busen und entblößten Armen stand vor ihr.

»Beinahe«, sagte eben Aurelie zur Nichte, und ich und Clementine, befehlerwartend, standen in der Mitte des Zimmers, »wäre mir Arrivens Schicksal zu teil geworden.«

»Que vous me dites«, versetzte Eugenie und sah ihre Tante so zweideutig an, daß diese das treffliche Edle in diesen: que vous me dites! über das berühmte Hamletsche: Geh in ein Kloster! setzte, mit einem »Ah, je comprends!« dem reizenden Mädchen die Näherei aus den Händen nahm und ihr befahl aufzustehen.

Eugenie gehorchte, Aurelie stellte sie gegen die Sonne, welche eben am hohen Mittag die rotseidenen Gardinen transparierten, und hob ihr Röcke und Hemd bis über den Gürtel in die Höhe.

Entzückender Anblick! Die herrlichen Formen der jungfräulichen, noch nicht entweihten Glieder erröteten im purpurnen Gardinenglanz des schleierhassenden Tages-Gestirns; nur allein das Madonnenangesicht, das, während Tante die zarten Lenden öffnete und aufmerksam die heimlichen Wunder der schalkhaften Natur betrachtete, der Sonne selbst in den Flammenspiegel schaute, behielt seine Lilienfarbe.

»Ah, ma Nièce! ma Chère!« rief Aurelie und[94] drückte einen Kuß auf die Lippen der Lust, deren edles Lispeln der Kulturmensch so verächtlich behandelt.

»Ah, ma Nièce! Dir kann ich alles gestehen! Unentweiht sehe ich das Symbol deiner Seelen-Unschuld mit meinen leiblichen Augen, und, du verstehst mich, hast mich ganz durchdrungen, vor dir habe ich nichts zu verbergen.«

Schnell war sie verhüllt, und Aurelie fuhr fort:

»Ja, meine Liebe. Arrivens Schicksal hätte ich zum Teil heute erlebt. Den Pater Anselm fand ich schon im Beichtstuhl; ich hatte nicht viel zu beichten, dem System getreu, daß keine Sitte ohne Sinne, keine Sittlichkeit ohne Sinnlichkeit zur Vollkommenheit oder Vollendung reife und hohen Sinn trage, klagte ich ihm bloß, daß ich bis jetzt noch wenigen Versuchungen mit Mühe widerstanden hätte; alle wären mir leicht geworden.

›Wirklich?‹ versetzte Anselm und sah mich staunend an, ›Jugend! Schönheit! Temperament! Alles hier auf einem Punkte vereinigt – dem des Genusses. Und dennoch – eine solche Tugend ist mir ein Rätsel! Könnten Sie wohl dieses Geständnis dort vor dem Altare der großen Sünderin Maria Magdalena wiederholen, ohne sich Ihrer Eitelkeit und Ihres Stolzes zu schämen, mein Fräulein?‹

›Das kann ich!‹ war meine Antwort.

›Nun, so kommen Sie‹, versetzte Anselm und trat mit mir aus dem Beichtstuhl vor den Altar der Maria Magdalena, der, wie du weißt, in einem Winkel steht.

Ohne mich zu besinnen, was zu tun, oder abzuwarten, was Anselm von mir verlange, warf ich mich auf die Stufen des Altars nieder und sprach: ›Heiligste, frömmste aller Sünderinnen meines Geschlechts!‹ Kaum waren diese paar Worte den Lippen gleichsam entronnen, so fühlte ich mich festgehalten, fühlte mir[95] Röcke und Hemd aufgehoben und meine Lenden auseinandergezogen.

Kein Laut kam über meine Lippen, auch war niemand in der Kirche. Wie eine Bajadere wand ich mich hin und her; Herkules selbst hätte mich nicht zu Schanden gemacht.«

»Das tat Anselm, der Schwächling?« fragte Eugenie.

»Gott bewahre!« fuhr Aurelie fort. »Es war der reizende Romuald, unser Domherr, der auf der letzten Maskerade deinen Beifall so ungeteilt erhielt.«

»Dieser?«

»Dieser! Er war im Chorrock und ohne Beinkleider. Das ganze reizende muskulöse Unterteil seines schönen Leibes ruhte auf meinen bloßen Hüften; sein wütendes Glied drängte sich wie ein Donnerkeil durch die Lüfte nach meinem Schöße hin, aber – vergebens! Ich preßte es mit meinen Lenden so fest und mannhaft zusammen, daß er nicht einmal sich des Zaubers zu entledigen vermochte, der seine Begierde bis zur Wut aufgeregt hatte.

›Mademoiselle! Mademoiselle!‹ stöhnte der Wütende. ›O Anselm, einen Dolch mir her! Stoß ihn in den Busen der Abscheulichen.‹

›Madelaine! – Madelaine! Sainte Madelaine!‹ rief ich. ›Sieh, was ein Weib vermag!‹

›In aller Teufel Namen!‹ schrie jetzt Romuald, als ich immer fester hielt, ›laß mich los, du Hure ohnegleichen! Dein sei der Sieg.‹

Ich öffnete meine Schenkel und im Nu war ich von Anselm zugedeckt und der Domherr Romuald verschwunden.

Anselm küßte mir die Hand und sagte: ›Ich gebe Ihnen Absolution bis zu Ihrem vierzigsten Jahre.‹

›Sparen Sie Ihre Mühe, Pater!‹ versetzte ich. ›So[96] lange gedenke ich nicht zu leben. Ohne Reize keine Versuchung! Sie werden nächstens von mir hören.‹

Damit ließ ich ihn stehen und ging, und zwar in dem festen Vorsatze, heute noch wie Klarissa mein Testament zu machen und morgen zu sterben.«

»Tante!« schrie Eugenie, »zu sterben?«

»Ja! Offranville und Vergandin sind beide rasend. Ich will ihnen zu Liebe nicht toll werden, wie es die Welt nennt, sondern sterben!«

Mit diesen Worten blickte Aurelie auf uns, die wir andächtig zuhörten, und sagte: »Komm her, Fredegunde!«

Ich ging zu ihr, kniete nieder, hob ihr Mantille und Hemd auf und küßte ihr linkes Knie, indem meine Augen das dunkle Tal der Liebe zu erspähen suchten. Clementine riß mich in die Höhe, Aurelies Hemd kam wie ein Isisschleier über meinem Haupte zu liegen, und ehe ich noch aufgerichtet stehen konnte, ruhte schon mein Mund auf dem Labyrinth der Menschheit, zerrten schon meine scharfen Zähne an den feinsten aller Adrianischen Härchen.


Hier sieht auf dem
wellumbrauseten Ufer von Dia
Ihrem mit ausgespanntem Segel entfliehenden
Theseus Ariande nach.
Und es zerteilt sich das Feuer,
Welches die heilige Grotte verbirgt.

Catull und Philostrat.


»Du Unverschämte!« rief lachend Aurelie und trat zurück, daß ihre schneeweißen Lenden den schalkhaften Augen der Nichte entgegenstrahlten. »Was ist aus dir geworden?«

[97] »Sag mir, wer hat dir männliche Kleider gegeben?«

»Männliche Kleider!« rief ich im völligen Bewußtsein dessen, was ich fühlte, und hob meine Kleidung bis auf den Nabel in die Höhe. – »Männliche Kleider?« –

Die Spitzbübinnen alle drei schrien laut auf, als sie mein starrendes Glied vor sich sahen wie eine Lanze vor dem Behemoth.

»Mai foi!« rief Eugenie, indem sie zu mir trat und mit ihrer Nadel, ehe ich es mir versah, den roten Schaft stach, daß ich laut aufschrie.

»Ma foi, c'est Janthe! Gemahlin des Iphis.«

»Wahr!« versetzte Aurelie, »aber den Busen hätte Isis ihr lassen sollen; versuchen wir einmal, was wir können! Legt das unverschämte Jünglings-Mädchen hier über den Stuhl. Du, Clementine, halte sie fest, und du Eugenie, greife ihr in den Busen und fahre mit deiner zarten Hand auf den Brustwärzchen hin und her.«

Ich stellte mich, als wollte ich entlaufen; schneller als der Blitz erhaschten mich die Mädchen, legten mich über den Stuhl und entblößten meinen Hintern.

Himmel, wie erschrak ich, als ich jetzt Aurelie mit einer aus Klaviersaiten geflochtenen Rute vor mir stehen sah.

»Ach, gnädiges Fräulein!« schrie ich, und Clementine hielt meine Hände in die Höhe, und Eugenie fuhr mir in den Busen. »Ach, gnädiges Fräulein, haben Sie Mitleid mit meinem armen Hintern!«

»Bin ich gleich glücklicher gewesen als Eduard der Dritte bei der schönen Gräfin Salisbury.« Hier hatte ich schon den ersten Hieb weg, ich hob meinen Hintern hin und her. »So wissen doch auch gnädiges Fräulein sehr wohl, daß Dummheit in verliebten Sachen so unverzeihlich – als – das Au! Au! oh, mon doux lésus! Als ...« Hier regnete es Hiebe. »Als – als das ›Honní [98] soit qui mal y pense‹ – ab-ge- Jésus – schmackt – Hi! Hi! Hi!«

Ich fühlte mein Blut fließen, es war kein königliches, aber ein gesundes rosenrotes Blut.

Ich schrie erbärmlich, ob es mir schon nicht halb so weh tat, als wenn mich Vater oder Mutter gezüchtigt hätten; ungestümer aber schlug mein Herz unterm wachsenden Busen; denn je stärker Aurelie schlug, desto mehr fühlte ich, wie ein paar jungfräuliche Brüste unter Eugenies wundertätigen Händen ihr entgegenzitterten.

»Es ist genug, genug!« rief jetzt Eugenie und riß mir das Halstuch ab.

Aurelie hörte auf zu schlagen und befahl Clementine, mich umzukehren.

Wie ein Wirbelwind ergriffen die beiden Teufelinnen mich armen Liebesketzer und hielten mir die Schenkel voneinander. Aurelie zog ihr Taschenmesser, ergriff mein Glied und wollte ...

(Hier konnte ich nicht umhin, Fredegundes Erzählungen zu unterbrechen, ich deckte mich auf und wollte mir mit den Fingern Luft machen, aber mein Schalk zog sie sanft hinweg und gab mir, was ich verlangte, worauf er folgendermaßen fortfuhr):

Aurelie ergriff, wie ich dir sagte, mein Glied und wollte es abschneiden. Aber Eugenie schrie: »Bon Dieu! Que voulez-vous faire! L'aiguillon de l'abeille est un instrument, avec lequel elle cause de vives douleurs à plus d'une personne; pourtant c'est la faute de ceux, qui en sont piqués, n'ayant tenu qu'à eux de l'éviter; mais qu'on désarme l'abeille en lui ôtant cet aiguillon, ce sera le moyen de ne plus retirer d'elle le moindre service.«

Aurelie lachte und sagte:

»Nichte! Ihre naturhistorischen Bemerkungen sind[99] hier völlig passend und also« – hier warf sie ihr Messer aufs Sofa – »mag ich nicht einmal Kastraten und Nachtigallen ihren Beweisen entgegensetzen; beide pfuschen uns ins Handwerk, und eine männliche Sopranstimme ist mir so unausstehlich wie ein Mädchen ohne Zunge – oder ein – Klaviermeister ohne Stimmhammer.«

Eugenie lächelte. Clementine holte Eau de lavende und trocknete damit meinen Hintern ab, und Aurelie befahl, mich auf mein Zimmer gehen zu lassen.

Clementine führte mich vor die Tür; hob mir die Röcke auf, gab mir einen Schlag auf den armen übervorteilten Hintern und sagte: »Marsch! fort!« Ich wollte aufs Geratewohl rechts gehen. »Wohin?« schrie Clementine, »wohin?« Ich lachte ihr ins Gesicht, griff ihr unter die Röcke und lief links so weit fort, bis ich am Ende des Korridors ein Zimmer offen fand.

Ohne mich lange zu besinnen, trete ich ein, ziehe mich aus und lege mich, von tausend süßen und schmerzlichen Gefühlen bestürmt, in das weiche seidene Bettchen.

Ich fühlte keinen Hunger und keinen Durst. Vor mir hing ein großes Gemälde, Jupiter und Leda, in der süßesten Vereinigung vorstellend. Ich sah es so lange an, bis mir über den aufgehobenen Röcken einer gewissen Prinzessin, die in Lebensgröße neben dem Jupiter unter den groben Händen eines Bedienten ihre Reize enthüllen lassen mußte, die Augen endlich zufielen.

Als ich erwachte, dämmerte es schon. Totenstille herrschte rings um mich her, und der Abendwind rauschte in den Pinien und Pappeln des Gartens so abenteuerlich, daß ein Schauer mich überlief.

Jetzt hörte ich eine Tür öffnen, hörte in deutscher Sprache, von der ich etwas gelernt hatte, singen:


[100]
Jüngst flog ein Täubchen auf das Dach,
Der Tauber sah's und flog ihr nach –
Ich bin dein Mann und du bist's Weibchen,
Du loses Ding, wie will ich dich!
Das Täubchen schwieg und bückte sich,
Und drauf – drauf ward es Friede.

Und sah, gerade als die Sängerin geendet hatte, Eugenie mit einer Wachskerze eintreten.

Sie stellte die Kerze auf ein Klavier, das von starrenden Priapen getragen wurde, phantasierte eine Cavatine und stand dann, betrachtend die mächtigen Zeugungsglieder. Über dem Klavier hing die Schwächung der Thamar von Absalon. Absalons Priap starrte wie ein Weberbaum in dem über alle Beschreibung geilschattierten Schöße der unschuldigen Thamar.

Eugenies Brust hob sich sichtbar, sie legte ihr Busentuch von sich, langte unter dem Klavier eine birkene Rute hervor, deklamierte mit Gloster in Shakespeares Lear, unverwandten Blickes nach der geilen Szene hinschauend:


O villain, villain!
Abhorred villain!
Unnatural, detested
Brutish villain!
Worse than brutish
Abominable villain!

Sie entfaltete erst ihren Rosenschmetterling, und, als sie ihn vom Tau der Liebe und der Wollust benetzt fand, ergriff sie gleichsam zürnend, wie Venus den Caduceus, die Rute, entblößte ihren schneeweißen Hintern [101] und zerhieb ihn eigenmächtig so grausam, daß er bald glühte wie eine Purpurrose.

Ich erstickte, zitterte gleich dem Espenlaub, verging in wollüstigen Hinbrüten und wußte keinen besseren Rat als, umwunden von meinem Schnupftuch, die Lüste des Fleisches selbst zu töten.

Nachdem Eugenie sich genug gezüchtigt hatte, zog sie sich aus, trat mit der Wachskerze ans Bett und öffnete die Gardine.

Ich stellte mich versunken in tiefem Schlaf; die Spitzbübin legte leise das Deckbett weg, hob mir das Hemd auf und bedeckte meinen eingeschlafenen Amor mit ihrer zarten Hand.

»Ah, qu'il est beau«, lispelte sie und drückte einen Kuß auf meinen Nabel, »das arme Kind! Schlaf, mein holder Engel, als Riese sehe ich dich bestimmt bald wieder.«

Hier blies sie die Kerze aus und legte sich leise zu mir. Ihr süßer Atem hauchte mir ins Gesicht; ein köstlicher Milchgeruch duftete mir vom reinsten aller jungfräulichen Körper entgegen, und hundert Küsse trafen meine Augen, Wangen, Brüste und alle Teile des sinnlichen Vergnügens. Zitternd ergriff sie meinen Amor und – alle seine angeborene Gewalt zerfloß unter ihrer Hand wie der Schnee am Fuße des Montblanc unter der glühenden Sonne eines schönen Frühlingstages. Ich wandte mich zu der reizenden Sappho, öffnete die zarten, wie Alabaster glatten Lenden, und mein Zeigefinger drang sanft und mit zarter Schonung bis zum innersten Eingang der Lust.

Wenige Minuten und ein seliges, schuldloses Hinbrüten umfing uns mit den stärkenden Fittichen der Nacht; süße Vernichtung versiegelte unseres Daseins heimlichstes Leben.

Die Sonne lauschte an den himmelblauen Gardinen, [102] als ich erwachte, und ich wollte Eugenie mit einem Kuß wecken, als Clementine hereintrat.

»Fredegunde«, rief sie leise, »geschwind zum gnädigen Fräulein!«

Ohne mich zu besinnen, drückte ich meine Lippen auf die reizende Schläferin und eilte zu ihren Füßen von weichem Lager.

Clementine warf mir einen Unterrock über, eine Mantille um und nahm mich bei der Hand.

Die Hexe sah reizend geil aus. Ihr kurzes, wie eine englische Admiralsflagge wehendes Unterröckchen bedeckte kaum die Knie, und ein nachlässig über den bloßen Schultern hängendes Busentuch enthüllte, wie es ihm aufgegeben zu sein schien, die schönsten Brustvertiefung, die je als Apotheose der Venus clunis und aller weichen, glatten, zitternden Arschbacken das Licht des Tages ohne häßliche Heimlichkeiten verriet.

Schon an der Türe ließ Clementine mich plötzlich wieder los, lief mit einem lauten Schrei ans Fenster, zog die Gardinen auf, stellte den einen Fuß auf einen Stuhl und deckte sich so rasch auf, daß es schien, als wollte sie die Strahlen der blitzenden Sonne zwischen ihren geöffneten Lenden auffangen.

»Ach, Fredegunde! Ha, la coquine! Elle vaut une – pucellade!«

Ich eilte zu ihr – und – was war es? Ein Floh! Eine Revolution, eine Evolution zugunsten weiblicher Schönheit und Lüsternheit.

»Schöne Clementine«, lispelte ich und fuhr ihr an den schönen Haarwuchs, der in üppiger Fülle am Eingange der Lust prangte. »Wir wollen das verwegene Geschöpf strafen – ungestraft hat es die Geheimnisse der Venus Nigra dem alles verratenden Tageslichte offenbart, und so soll nun sein Stachel in Riesengröße ... Sehen Sie!« Hier entblößte ich meinen Stachel, und [103] Clementine ließ sich mit ausgebreiteten Lenden, stillschweigend gehorchend, über die Lehne eines weichen Sessels nieder – die Wunde zur wohltuenden Heilung ohne Barmherzigkeit aufs neue zu öffnen.

Wütend und schnaubend wie ein Eber, von Entbehrungen gestärkt und von Reizen in Flammen gesetzt, senkte sich mein Amor in Clementines Liebesgrotte so tief ein, daß wir beide alles Bewußtsein verloren und – ziemlich abgekühlt, uns abtrockneten und verhüllten.

Noch schlief Eugenie, und Clementine riß mich mit sich fort.

Sie führte mich in den jungfräulichen Kreis der Hausgesellschaft; ein Frühstück, Schokolade, Kuchen, Biskuit, Bordeaux und Überbleibsel von dem gestrigen Abendschmaus, den meine in Wollust gesättigte Seele dem abgespannten Leibe entzogen hatte, beschäftigten jetzt unsere Zähne, stillten Hunger und Durst und erweckten den sechsten Sinn, nicht Melzers moralischen, sondern den sinnlichen des Lucretius zu neuen Genüssen.

Die Mädchen waren alle ausgelassen lustig. Ich deckte eine nach der andern bis übern Gürtel auf, keine aber konnte mit Clementine geheimsten Reizen einen Vergleich aushalten.

Schon hatten mich die Schäkerinnen ergriffen und mit bloßem Unterleibe auf den Tisch gelegt, als ein Wagen an der Tür vorfuhr, und Clementine ängstlich rief: »Um Himmels willen, geschwind! Geschwind – die Braut kommt! Die Braut kommt!«

Die Schäkerei hatte ein Ende, und ich mußte mit Clementine zum Fräulein.

»Was hast du getan, Clementine?« rief Aurelie ernsten Blickes ihr schon in der Tür entgegen.

»Verzeihung, Allwissende!« und stürzte in eben[104] demselben Augenblick ihr zu Füßen, als über den Korridor ein holdes weibliches Wesen, in milchweiße Gaze gekleidet, mit zurückgeworfenem meergrünem Schleier an mir vorbeiflog und Aurelie um den Hals fiel.

»Willkommen, meine Liebe, am letzten Tage deines Brautstandes! Venus oder Diana?« fragte das Fräulein.

»Urteile, entscheide selbst, Aurelie.«

»Noch nicht, Lucilie.« Hier griff sie der Ankommenden unter die Röcke und klitschte ihr die Lenden, »noch nicht, Liebe, erst muß ich dieser Hetäre da (auf Clementine zeigend) ihre Schönheitslinie einmal nach Hogarth vorzeichnen, damit sie nicht so unwissend wie eine Pariserin im Paradies in bloßer, nackender Unschuld vergesse, was Mein und Dein ist.«

»Verzeihung, gnädiges Fräulein«, rief weinend die alles fürchtende Clementine und umfaßte Aurelies Knie, »Lust ist grenzenlos!«

»Laissez la faire – nous sommes des enfants«, bat Lucilie.

»Eben darum«, versetzte Aurelie und entblößte Clementines Hintern, so wie er in erhabener Peripherie vor ihr sein Schicksal zu erwarten schien, »setze Schmerz ihr Grenzen. Kinder müssen frühzeitig die Rute haben; späterhin schlägt das Schicksal und die Liebe so grausam und blind zu, daß Stumpfsinn und Dummheit vergebens ihre Hülle um die Gepeitschten wirft; vergebens ein großer Dichter wie Wieland die alten Tragiker und die neuen Trauerspiele – und unsere Clementine – schön findet.« Hier streifte Aurelie Clementines Hemd über den Rücken hinauf, und Lüde rief entzückt von der Schönheit der beiden Erdhemisphären: »Nein!«


[105]
Nein, ein solches Gesäß hat außer Amor
Nie ein Gott gebildet, noch besessen.

»Schone! Schone!«

»Nein! Nein!« deklamierte Aurelie und fing an, mit ihren zarten Händen das noch zartere Fleisch der allerliebsten kleinen Hinterbacken zu kolorieren.

»Nein! Nein!«


Es weinen die Seele unmündiger Kinder am Eingang
Welchen der bleiche Tod das süße Leben mißgönnt,
Sie von der Brust der Mutter ab in das bittere Grab riß.

4.

[106] IV

Aurelie bringt als Einlage in die Variationen über das Thema des fleischlichen Genusses einige philosophische Gedanken über falschverstandene Sitte, die Liebe, Schönheit, Freude tötet und die Welt in eine Hölle verwandelt.


»Steh auf, Clementine, du mordest deine Seele, die Früchte deines Leibes durch wollüstige Triebe und gierige Befriedigung. Aber fürchte dich nicht, solange Millionen ihr Leben auf dem Schlachtfelde für Unsinn verbluten, dem Ehrgeiz eines einzigen zu frönen, solange sind die Früchte des Weibes ein Rätsel des Leibes und seine Auflösung Fluch und Verdammen.

Lucilie! Lucilie!« fuhr Aurelie fort und faßte tragisch-lächelnd jene an der Hand, »gibt es ärgere Menschenmörder als die Großen? Die Welt hält Gericht[107] über eine Kindermörderin, o des Unsinns – tausendmal Tausende sterben schuldlos von der Hand ihrer Brüder. Doch Geduld! Es bleibt nicht so – Dort im ›Tartarus‹ hatten:


Die unschuldig mit Unrecht zum Schwerte verurteilt worden –
Hatten den nächsten Platz und ihnen wurde der Sitz dort
Nicht ohn' Urteil und Recht beschieden; richterlich hält
Minos die Urn' und das Los; er beruft die geschiedenen Seelen
Mit Strenge zum Verhör und erforscht der Schuldigen Leben –
Jenseits werden die Rätsel des Lebens uns aufgelöst.

Jenseits, Lucilie! Diese Erde ist der Opferaltar des Herrn, kein Gewissen wird verschont, keine Unschuld bleibt ohne Schuld; und der Sieg des Bösen ist – die Verdorbenheit des Guten.

Hüte dich vor dir selbst, vor deinen Leidenschaften, hüte dich vor der Liebe – und des Gewissens Riesenkraft, sinke zum Zwerge zusammen vor den Strahlen deiner hohen Einsicht. Im ›Tartarus‹ ist nicht gut zu wohnen, Lucilie«, fuhr sie lächelnd fort, »höre wie Bodmer weiter dichtet:


Dann ist die Gegend, die folgt, den Finstern gegeben,
Die an sich selbst Hand gelegt und unwillig zu leben,
Ihrem Geist aus dem Leibe gejagt. Wie wünschen sie jetzt
Unter dem oberen Himmel mit Not und Jammer zu kämpfen!
[108] Aber das Recht verbeuts, sie bindet der traurige Fluß an,
Und der verhaßte Pfuhl, der Styx, der um die Gefilde
Neunmal herumgeschlungen sie hält. Nicht weit von dem Platze
Lieben die Läng' und die Quer' verbreitete Felder des Jammers
Weit umher. Der Name, mit dem sie genannt sind, ist: Wehe.
Hier verbergen sich in die entlegensten Gründe die Seelen.
Welchen die unerbittliche Liebe am Leben genagt hat.«

»Die unerbittliche Liebe«, versetzte Lucilie – »nein, diese kenne ich nicht – sie heißt Haß. Mais:
C'est un autre amour dont les vœux innocents
S'élevent au dessus du commerce des sens.

Corneille.


Warum fürchten wir diese?« Aurelie drückte einen Kuß auf Luciliens Lippen, zog ihr das Brusttuch auf, küßte sie auf die linke Brust und fuhr fort:


»Hier versteckt sie ein Wald von Myrthensträuchen. Die Sehnsucht
Plaget sie nach dem Tode. Hier wohnen Phädra und Prokris.
Hier ist Eriphyle, sie zeigt die grausame Wunde.
Die ihr Sohn ihr geschlagen, Pasiphae hier und Evadne,
Laodamia bei ihnen und Käneus, ein Jüngling geboren,
Nachher ein Weib, dann wieder zurück zum Mann gebildet
Und Dido von Sidon
[109] Die alle und Tausende irren da immer, verloren durch Liebe.«

Dieses mit Emphase und hoher Rührung gesprochen, reicht Aurelie Clementine die Hand, die soeben sie gezüchtigt hatte, und Clementine küßt sie. Lucilie Volanges flog an das Pianoforte, phantasierte und sang:


»Weich geschaffen, dringe unter Lust und Schmerzen
Meines Schicksals Härte mir zum Herzen.
Der Natur geheimste Reize fesseln mich,
Für das Schöne hebt mein Busen sich.«

Aurelie trat leise zu ihr hin, bückte sich, griff ihr unter die Kleider und entblößte sie bis an den Gürtel, ihr dann die Lenden voneinander ziehend und den geheimsten aller Reize betrachtend, erkennt sie an den hervorstehenden üppigen glühendroten Lippen der Wollust, in der zarten und naiven Volanges keine Venus, die züchtig verbirgt, was sich verbergen läßt, sondern eine keusche Diana, die natürlich enthüllt, was die Natur an ihr nicht ins Verborgene zeichnete.

Noch weiter voneinander zog Lucilie ihre Lenden und fragte lächelnd: »Nun, was bin ich?« und riß Aurelien die aufgehobene Kleidung aus den Händen.

»Ein Engel bist du«, rief entzückt Aurelie, »eine Diana, ein offenes Geheimnis der Natur«, und küßte ihren Mund.

Lucilie lachte, schob Aurelie auf die Seiten und sang und spielte:


»Rasch, Geliebter! öffne meines Schoßes Lippen –
Eh' noch Sappho von Leucatens Klippen
[110]
Ihrem Phaom krampfhaft jetzt entgegenstöhnt –
Jede Lust der herbe Schmerz verhöhnt.
Frech zerreiß den Schleier meiner weißen Lenden!
Lass dich nicht von ihrem Glänze blenden.
Zwischen ihnen thronet Amors Lebenskraft,
Stirbt des Herzens blöde Leidenschaft.
Leg' die Kleidung mir auf den gebeugten Rücken,
Meinen bloßen Hintern zu erblicken,
Den selbst Venus schöner, fester nicht ausspannt,
Wenn ihn züchtigt Mavors harte Hand.
Gute Götter! Oh, laßt mich in Lust und Schmerzen,
Laßt mich sterben unter Amors Schmerzen.
Dir, Geliebter, weih ich meinen Jungfraukranz!
Dir, Verhaßter, einen – Eselsschwanz!«

Wir lachten alle, und Aurelie führte mich zu Lucilie und deckte mich auf.

»Was hältst du von diesem weiblichen Amor?« fragte sie diese schäkernd und gab ihn ihr in die zarten Hände, indem sie Clementine winkte, uns zu verlassen.

Lucilie errötete und manipulierte mein Glied unter ihrer hohlen Hand so ausnehmend reizend, daß es sich zwischen ihren Fingern durchdrängte und seinen Balsam über ihre Lebenslinie ausgoß.

»Ha, ma petite; que vous êtes belle! Ein wahrer Käneus, Aurelie, ein kleiner Schäker!«

»Laß dich von ihm öffnen, Siöfna heißt die Liebesgöttin der Skandinavier, versuche es! Deinem Bräutigam bleibt doch noch viel zu tun übrig.«

»Venez, mon enfant«, rief Lucilie, hob ihre Röcke und ihr Hemd von allen Seiten in die Höhe und legte[111] sich mit ausgebreiteten Lenden aufs Sofa. Ich, berauscht vom Anblick solcher nie gesehener Reize, werfe meine Kleider von mir und stürze mich wie ein Herkules über sie hin. Unaufhaltsam dringe ich vorwärts, wehe tat ich der reizenden siebzehnjährigen Volanges; Blut, rosenrotes Blut floß vom Altar der Liebe; aber, ein Genüge vermochte ich ihr leider nicht zu leisten.

Bald war ich erschöpft, und matt sank ich neben der kräftigen Ritterin ins Sofa zurück.

Aurelie hatte ihre Röcke abgelegt, ihr Hemd unter das Korsett geschoben; kaum lag ich ohnmächtig da, so warf sie sich auf Lucilie, und beide vollbrachten ein so wütendes Fingerspiel, daß ihre Schenkel und Hinterbacken zitterten wie die Palmen Memphis', wie die Wogen des Ozeans, wenn Boreas sie zusammenschüttelt.

»Schmerz hebe die Lust«, fing jetzt Aurelie an und arbeitete fort, »und der Unlust träge, ärgerliche Sinne, vernichte wollüstige Vernichtung.«

»In allem, was du Sinnliches tust« – hier hob Lucilie ihren linken Schenkel so hoch in die Höhe, daß der ganze glühende Eingang der Lust sich versichtbarte, spreitete beide mit grazienhaftem Anstand voneinander und schloß sie wieder in so schöner pythischer Wut, rollte so begeistert die großen funkelnden Augen, blähte so herrlich den schwanenweichen Busen, und laute Seufzer erdrückten sich im lieblichen Munde so wollüstig, daß mir das Gesicht verging, und ich nur hörte, was Aurelie sprach – »liebe Volanges, oder beginnen willst, oder dir widerfährt, begleite dich sittlicher Anstand, sittliche Grazie. In der Befriedigung sinnlicher Lüste steht oft der Mensch unter dem Tier; sein stolzer Eigendünkel findet das oft lächerlich und schädlich, was ihm das Leben gab, und so manche Sorge, [112] so manchen verzweifelten Anschlag ihm aus dem niedergedrückten Gemüte wegrückte.

Die Tugend bedarf keiner Scham, und Schamhaftigkeit ist nichts als der letzte aufgehobene Schleier der Schönheit.«

Hier schmolzen beide zitternd und zuckend zusammen, und nach einem leisen Seufzer fuhr Aurelie fort:

»Die Macht der Schönheit ist unüberwindlicher als die Kraft der Tugend. Dennoch sind beide eins; und beide verderben unter dem giftigen Hauche des Neides; und beide richtet der unerbittliche Tod.«

Hier setzten sich beide, entblößt, wie sie waren, aufs Sofa.

»Es gibt eine weibliche Seelenschönheit, man sollte sie nur moralisch und durch bloße platonische Anschauungen genießen. Es gibt eine natürliche Körperschönheit, die gleichsam selbst zum Genuß einladet und es als ein Verbrechen gegen die gütige Natur an sehen darf, wenn man sie geringer schätzt als die Flamme oder die Muskatellertraube. Wäre ich Gesetzgeber, hier würde ich Todesverbrechen beweisen. Beide, die Schönheit der Seele und die des Leibes, sind ja ohnehin dem Verderben und der Auflösung unterworfen, warum sie nicht genießen, warum sich ihrer nicht teilhaftig machen?

Nicht zu lieben, nicht zu genießen, sind die größten Verbrechen gegen die Gottheit und Natur – aber der Teufel, welcher fähig ist, Unschuld des Gemüts und des Herzens, Reinheit der Seele und des Leibes, heiteres Leben, edles, frohes, einfaches Dasein zu beleidigen, zu vergiften und zu zerstören (und hierher inculpiert auch der ganze Troß der Kritiker und Despoten aller Art, als welche nicht gern allein wissen mögen, was gut und böse ist), für den sind Qualen der Hölle nicht Strafe genug.

[113] Zwar ist im Menschen die Macht tierischer Leidenschaften und sinnlicher Triebe oft so groß und unbezähmbar, daß nirgends kein sittliches Gefühl des Gewissens Rechte an ihm zu behaupten fähig ist, aber diese Tiermenschen entschuldigt der größte Mangel an intellektuellem und intelligentem Vermögen, Mangel an Gefühl und Einsicht. Was alles dem Kulturmenschen in einem hohen Grad mitgeteilt ist und durch eigene falsche Anwendung ihn bis zum raffinierten Bösewicht herab- und hinauf zu bringen vermögend ist.

Niemand – meine Liebe, hat ein Recht, mir das zu entziehen, was die gütige Natur und ihr Schöpfer mir verliehen haben, niemand ein Recht, mir Gesetze vorzuschreiben, wo meine natürliche Willensfreiheit nicht die eines anderen Individuums beeinträchtigt, und was die Sittlichkeit mir nicht selbst diktiert und die Liebe als verwerflich erscheinen läßt, davon überzeugt mich kein Gesetz.

Richter des Herzens und der Sinne, der Taten und des Lebens erheben sich zwar unter und über den Menschen wie wütende Stürme und Gewitter, Pest und Krieg über den Kreis der Erde, zu ihrer Strafe, zu ihrem endlichen Erwachen. Kein Gesetz aber kann mir aufgeben, das subjektivisch zu ehren, was objektivisch die Gewalt hat, mir zu schaden oder mich zu demütigen. ›Wer bist du, der du dich unterstehst, deinesgleichen oder andere zu richten, ihnen die höchste und reinste Objektivität dessen, was da richtet, vor die Augen zu stellen?‹ Diese Frage, liebe Lucilie, erstreckt sich über alles, was dem Menschen imputiert oder zugerechnet werden kann.

Lassen Sie es sich gesagt sein, das Anmaßende unserer Natur und Erziehung hat die härteste Scheidewand zwischen Mensch und Mensch gezogen, und sie allein [114] ist das erste und größte Hindernis der Selbsterkenntnis.

Wie tief ist der Mensch gefallen! Neid, Zorn, Rachgier, Bosheit, Unbilligkeit, Härte, Ungerechtigkeit, List und Betrug füllen das innerste Heiligtum seiner Seele, gehen in Taten über und prägen sich in den ärgsten Zügen auf seinem Angesicht aus. Lavater hat nur die guten Stoffe der Physiognomik behandelt; eine wahre Musterkarte aus des Teufels Fabrik ist auf jedem Bel paré und jeder Spielgesellschaft zu ersehen, selbst im höchsten Genuß der Geschlechtsliebe dringt der Dämon des Verderbens à la Justine hervor.

Wie nun den Menschen im Menschen dem Verderben entreißen? Wie hoch, auch noch so tief gefallen, ist er fähig, sich zu erheben, durch den Zauber der Imagination, durch Erkenntnis der sichtbaren und unsichtbaren Gottheit in der Natur wie im Menschen, durch Tugend und Rechtlichkeit und Pflicht.

Und wie fröhlich laden nicht die Sinne das reine Gemüt des Naturkindes zum Genuß ein. Alles schmilzt in uns in Andacht dahin, bei den einfachen und harmonievollen Akkorden der Glocke – durch erhebenden Gesang, durch erhabene und heilige Geheimnisse stimmt das Herz sich für die Gedanken einer besseren Welt. Das virgilische Geläute der fröhlichen Herde, das Zwitschern der Zikade, die himmelansteigenden Töne der Lerche, unsere vom Feuer des Tagesgestirns in glänzenden Farben prangende Atmosphäre und das sanfte Licht der Still unter den Geistern der Nacht dahin wandelnden Selene, o Lucilie, dieses alles – Natur und Kunst – Gottes- und Menschen-Schöpfung – Lust und Schmerz, der herrliche kraftvolle Leib eines deutschen Herkules und der Rosenschmelz einer französischen Psyche – erheben den gefallenen, von niedrigen Leidenschaften und Genüssen befleckten Menschen [115] aus dem angewöhnten und anerzogenen Schlamm seiner Unarten, erheben ihn, daß er frei seiner Tierheit sich entlassen, frei in das glühende Auge der Welt und in das sanfte eines liebenden Weibes zu blicken vermag – erheben ihn zur Andacht und zum seligen Entzücken.

Aber es soll auch dieser Mensch, sollen wir so empfinden, so genießen, daß wir nicht vergessen das Elend von Tausenden und abermal Tausenden, die für alles dieses weder Sinn noch Gefühl haben.

Nur die Mittel, wie dieses geschehen soll, stehen nicht im Willen gemeiner Meinung, bleiben noch zum Teil Fragen ohne Antworten. Sollten wir durch die strenge Zucht moralischer Forderungen, gleich militärischen mit Exekution eingetrieben, sie für dergleichen verkannte Lebensgüter empfänglich machen?«

»Um aller Götter und Heiligen willen nicht!« rief Lucilie aus. »Du! – eine Priesterin der Natur, geschmückt mit Euphrosinens und den Reizen der heiligen Genoveva zugleich, wer würde dich in Paris, Chantilly oder Sarange unter einer solchen Dogmakapuze nicht unausstehlich finden?«

»Du hast recht«, fuhr Aurelie fort, »es gäbe keinen größeren Unsinn, keinen härteren Despotismus. Wie bisher soll es unsere Pflicht bleiben, durch unsere Reize zu siegen, zu bilden und zu bekehren. Der Macht der Schönheit soll selbst die weibliche Eitelkeit weichen, und der Liebe erhabenste und zärtlichste Momente allein unsern Triumph über männliche Gesetz-Tyrannei feiern. Wo aber dieses am brutalen Sinn des Tiermenschen abgeleitet wie fruchtbarer Regen am öden Felsenkuppen, da zeige das Weib, was es vermag! Eins sei Corday und Agrippina, Dido und Elisabeth von Angoulême; sie seien eins im ganzen Gefühl ihrer vollkommenen richterlichen Weiblichkeit.

[116] Aus hartem Marmor bildete Praxiteles seine gnidische Göttin, und die korinthische und dorische Säule trägt aufs edelste ungeheure Lasten. Verwandelt beide in Holz, wie mögen sie dem Wurm des bösen Gewissens und den Strömen widriger Schicksale und Leiden widerstehen? Darum bleibe eisern die Schönheit in eiserner Zeit und unwiderstehlich durchschneide sie Herz und Nieren, Sinne und Gedanken.

Versöhnend aber öffne sich unser Herz und Schoß da, wo das schielende Auge der Convenienz und die elende Politik der Selbstsucht, wo mit Gewalt aufgereizte Leidenschaften zu Verbrechen führen und den Unglücklichen an den Rand des Abgrundes der Verzweiflung schleidern.

Ja, Lucilie, aber entkleide dich! Fredegunde, hilf uns, Ein Kräuterbad soll unsere verscheuchten Sinne zurückrufen: Die Verhältnisse des Guten und Bösen, des Legalen und Unlegalen, sind oft so untereinander geworfen, daß sie ihre Rollen wechseln und gräuliches Unheil anrichten.«

Hier zog ich Lucilie die seidenen Strümpfchen ab. Ha, Monika, wie reizend war sie.

»Und noch nie«, fuhr Aurelie fort, »hat ein Mensch, auf dieser Erde gewandelt, sagen können: ich habe nichts zerstört, nichts abwendig gemacht von guter Tätigkeit, nie Gutes in Böses, nicht Böses in Gutes verkehrt!

So, liebe Lucilie, pflege ich zu philosophieren, und wie ich liebe und hasse, will ich Ihnen heute zeigen – kommen Sie!«

Aurelie stand schon nackend vor mir; Lucilie ließ den Unterrock sinken, und mit zitternden Händen streifte ich die letzte Hülle ihrer Schamhaftigkeit vom alabasternen Leibe.

Die schönen Hetären umfaßten sich, und Aurelie[117] sagte im Gehen durch mehrere Zimmer hindurch nach dem Bade, indem sie mir winkte, ihr zu folgen:

»Überall siegt das Physisch-Geschlechtliche, nirgends, selten das Göttlich-Intelligente, soweit es dem freien Menschen imputiert. Die Materia genetrix ist auch Materia peccans, und an ein Gleichgewicht zwischen Natur und Religion, Freiheit und Notwendigkeit ist nicht zu denken, solange die Tierseele über die Gottseele in vernünftigen Menschen siegt und Gesetze ihn zur verständigen Maschine bilden.«

Wir waren im Badezimmer, Aurelie sprang ins marmorne Becken und zog die zaudernde Lucilie sich nach; mir wurde bedeutet, ihr zuzuhören oder den Vögeln im Garten. Ich stellte mich an das hohe Fenster des Pavillons und wandte mein Gesicht gegen die zwei schönsten der Grazien, die je mein Auge wieder gesehen!

Aurelie fuhr fort:

»In allem, was Natur unserer Sinnlichkeit, von ihr Sittlichkeit das Reflexum, zu erkennen gibt, zeigt sie sich einfach und eins, allein im Element zusammengesetzt. Aber im Wesen des frei handelnden Menschen schwindet diese Einfachheit der Substanz; die Seele selbst, als das Einfachste aller Erscheinungen, ist in jedem Teile ihres Körpers etwas anderes, als sie ohne denselben sein würde.

Die Natur scheidet sich in allen ihren unendlichen Werken von der Einheit zur Einfachheit und einigt sich nur genetisch in der Haltung; aber der Mensch einigt und verbindet sich physisch und moralisch im Heterogenen und Komplikativen seiner Erfahrungen und Erkenntnisse. Nicht als gäbe es keine einfachen Menschen. Naturen und Wesenheiten, aber selbst diese besitzen die Fähigkeit, mit anderen sich, selbständig bleibend, zu vermischen, ja gänzlich in sie überzugehen, [118] ohne ihre Originalität zu verwischen. Eine Fähigkeit, welche weder die materielle noch tierische Natur – als Symbolik und Wesenstufenleiter von Geist und Menschheit – in specie, noch in genere besitzt, chemisch aber durch die Kunst der Menschen erzeugt werden kann.

Diese herrliche Kunst, durch welche der Mensch wie ein Gott der Natur befiehlt und eigenmächtig ihre festen Schranken umstürzt, durch welche er auch das Abweichendste zu verbinden vermag, diese muß uns lehren: ›Was wir sein können, wenn wir wollen – durch den Genius der Menschheit‹ während die ganze übrige Schöpfung erst der Allmacht des Schöpfers bedarf, um aus sich selbst herausgehen zu können.

Doch vergebens sehen wir Hände an den Menschen; sie gehen und handeln ohne Hände; das Elend frißt die eine Hälfte; das Laster verschlingt die andere Hälfte dieser vier zweibeinigen Erdbewohner, und wir gehen nicht weit um, rechnen wir sie zu den Affengeschlechtern. Zwar erhebt sich dieser Mensch durch seine Vernunft über die Tiere, aber seinen Charakter und seine Selbständigkeit muß er noch immer unter den Tieren suchen.

Und darum, liebe Lucilie, stehen auch wir auf dem Punkt, wo uns die Männer gern stehen sehen. Wir wollen ihnen die kleine Freude gönnen! Ihre Herrschaft sei wie bisher die Erde, wir durchfliegen die Räume der Himmel, und zurück bleibt der träge Erdenkloß trotz aller seiner Inspiration.

Komm her, Fredegunde, ziehe dich aus und beginne das Werk der körperlichen Reinigung an uns«, endete Aurelie, und ich gehorchte. Versehen mit wohlriechender Seife und Tüchern sprang ich zu ihnen hinein – in das lauwarme Bad, nach Hufelands Vorschrift bereitet, und fing mein Geschäft mit Aurelies üppigem [119] Unterteile, besonders mit allen ihren Erhabenheiten und Vertiefungen so emsig an, daß sie kaum Zeit behielt, ihren oberen Rosenmund zu öffnen und mir zu befehlen, an Lucilie mein Heil zuerst zu versuchen. Ich gehorchte, und Aurelie küßte Lucilies Brüste und befahl ihr, sich auf den Rücken zu legen und ihre Lenden voneinander zu breiten. Lucilie gehorchte, und ich begann und endete zwischen den schönsten Punkten des Lebens – zwischen Lucilies jungfräulich-enger Rose und der reizendsten Öffnung ihres hochgewölbten Hinterns – mit einer solchen energischen Besonnenheit, Schonung und Sachkenntnis, daß diese zärtliche Braut mir, als ich fertig war, mit einem Kuß lohnte. Während diesen herrlichen Manipulationen und Mesmerischen Reibungen sagte Aurelie noch folgendes:

»Hast du einmal Gelegenheit, Lucilie, deine Haut durch ein Vergrößerungsglas zu betrachten, so wirst du dir leicht eine treffende Ähnlichkeit zwischen dem Körper des Menschen und dem Weltgebäude zu abstrahieren verstehen. Diese ewige und unbewegliche Masse von Fixsternen sind das Gehirn des Äthers, aus ihnen fließt dem Geiste des Menschen alle Erkenntnis und alle Weisheit nach der Kraft und Empfänglichkeit seiner Organe zu. Feuer und Blut ist ein und dasselbe Fluidum. Beim Erblicken des Skorpions denke dir die Herrschaft des Herrn als schaffendes Prinzip; bei der Jungfrau die Regentschaft des Weibes, und Saturn ist das öffentliche Geheimnis der Zeugung. Alles, was der Mensch im Kleinen, ist die Welt im Großen, alle Teile ein zusammenhängendes Ganzes.

Auch die Zusammensetzungen und Verbindungen chemischer und mechanischer Reize auf und in dem animalisch-menschlichen Körper ergreifen durch den großen Überfluß chylischer Fülle dermaßen unsere Sinne in wollüstiger Leibesvereinigung, daß dadurch[120] aller Verstand, alle Bosheit und alle Tugend des Anstandes und der Schamhaftigkeit vernichtet, als völlig unnötig, gleich abgeworfenen Kleidern, in süßer Untätigkeit vor uns liegen. Himmel und Erde werden in Bewegung gesetzt, und die Herrlichkeit und Macht der Schöpfung gleicht einem Feiertag, dem Sinne und Gemüt in entzückender Andacht huldigen.

Aber, liebe Lucilie, zu einer solchen Schöpfungspalingenesie, zum Genüsse einer solchen Wollust gehört eine gesunde gewissensfreie Seele und ein von keinen Ausschweifungen entweihter Körper, wie offenbar unser Erdkörper schon ein solcher geworden ist und durch wiederkehrende Revolutionen werden wird. In unorganischen Körpern ist der Chemismus der Natur herrschend, je mehr die Kultur das Physische verläßt und sich verständlich dem sinnlichen Menschen macht, desto mehr werden die Güter des Genusses uns entzogen, und unser Eigendünkel allein ist es noch, der seine Stelle vertritt.

Seitdem die Schwanzperücken Mode geworden, gibt es keinen Herkules mehr, und der ungeheure Lockenwald aus dem Zeitalter der schönen Valière ist wahre Satire auf unsere kahlen Bunsenritter.«


So weit hatte Schwester Monika den versammelten Nonnen ihre und ihres Freundes Geschichte preisgegeben, als die Tür des Locutoriums aufflog und die immer rasch vorschreitende Schwester Pförtnerin der Schwester Monika einen dicken, dicken Brief einhändigte mit der Bemerkung, ihn habe eine Expresser gebracht.

5.

[121] [123]V

Die Äbtissin erzählt Monika einige Details aus der Geschichte der Klöster. Monika erhält einen inhaltsreichen Brief von Linchen, deren Mitteilungen Monika ebenso überraschten, wie sie unsere Leser befriedigen werden.


Da es eben Mittagszeit war, so wandelten die Nonnen in das Refektorium, und Monika sagte, daß sie zum Nachtische vorlesen wolle, was ihre Freundin, ihrer Mutter ehemaliges Kammermädchen, Linchen, ihr da geschrieben habe.

Als das lateinische Tischgebet gesprochen war, das erst die Äbtissin allein, dann alle zugleich sprachen, bemerkte jene, daß einige unter den Schwestern immer [123] noch nicht die Gewandtheit sich zu eigen gemacht hätten, welche dazu gehöre, die lateinische Sprache, die Sprache der Kirche, zugleich aber auch als die reinste, die nie zische und näsele, mit Kraft und Würde zu reden.

»Der Deutsche zischt; der Franzose näselt«, fuhr sie fort, »der Franzose kann nicht einmal ›non‹ sagen, wenn er die Nase zuhält.«

»Ehrwürdige Mutter«, fiel ihr Monika ins Wort, »erlaubt mir eine Frage: welchen Ursprungs ist wohl das Wort Nonne?«

»Ich will dir davon sagen, was ich weiß, liebes Kind«, versetzte die Äbtissin.

»Das erste Frauenkloster wurde von der heiligen Benedikta, einem edlen Frauenzimmer in Spanien, nach der Regel des heiligen Fructuosus auf einem Platze, der None hieß, erbaut und gestiftet; und es waren in kurzer Zeit achtzig geistliche Jungfrauen in diesem Kloster versammelt.«

»Da könnte man denken«, öffnete Annunciata die Grazienlippen, »diese Nonnen hießen deswegen so, weil alle Vollkommenheit sich mit der Zahl ›Neun‹ schließt und die folgende, die ›Null‹, das Grab, des ewigen Lebens Ideon sei, wenn Christus, diese ewige Einheit, uns durch sie hinbegleite.«

»Wahrhaftig christlich gedacht, liebe Schwester! Das, muß ich dir gestehen, ist mir bei aller meiner Kenntnis in geistlichen Dingen noch nicht einmal eingefallen.«

»Ach«, redete eine Nonne drein, »die französischen Spitzbuben werden uns bald alle verjagt haben.«

»Uns nicht«, versetzte lachend die Äbtissin, »weder der Zauberer Simon noch Merlin, noch jener von Thionville wird sich unterstehen, uns anzutasten.

Über die Nützlichkeit der Klöster ist ohnehin längst [124] entschieden, die Protestanten selbst lassen sie nicht eingehen.

Jedermann weiß, sagt Hippel, wie viel an der frühzeitigen Bildung des Verstandes und des Herzens der zarten weiblichen Jugend gelegen ist. Auferbauliche Christinnen, fromme Ehegattinnen, vernünftige Hausmütter haben wahrhaftig in die Glückseligkeit der Ehen, in den Frieden und die Ruhe der Familien, in die Aufrechterhaltung des Nahrungsstandes, in eine wohlgeordnete Kinderzucht und hiermit in die Wohlfahrt eines ganzen Staates nicht geringen Einfluß; solche rechtschaffene und tugendsame Frauenzimmer werden nun in den Klöstern der Salesianerinnen, in den löblichen Kongregationen, von unserer lieben Frau genannt, in den Pflanzschulen der Ursulinerinnen und Englischen Fräuleins mit vielem Eifer und mühesamem Unterricht erzogen und also wohlgebildet der Welt in die Hände zurückgeliefert.

Andere Nonnen aber von anderen Ordensständen, die vermöge ihres Instituts mit Maria den besten Teil, nämlich das reine beschauliche Leben erwählt haben, die bei den Füßen des Herrn sitzen und sein heiliges Wort anhören, das ist, die sich nur im Beten und Betrachten, Chorgesängen und anderen Werken der Andacht üben, diese genießen schon hier der besseren Welt. Nützen sie der Kirche nichts, so zieren sie doch die Kirche, und ihr Beten kann für alle diejenigen angenommen werden, die nicht beten, sondern wie das Vieh leben.

Jungfräuliche und gottliebende Seelen sind gleichsam so viel schöne Perlen und Granaten am Schmuck der geistlichen Braut Christi. Collum tuum sicut monilia, singt das Hohelied. Aber laßt uns die Speisen nicht kalt genießen.«

Als man zum Nachtische Früchte und Gebackenes aufgetragen [125] hatte, zog Monika ihren Brief aus dem Busen und las folgendes vor:


Liebe Monika!


Der Herr hat mich hart züchtigen lassen, aber zu meinem Heil; und ich suche jetzt nichts weiter, als ihm und meinem Gemahl zu Gefallen zu leben.

Bruder Eligius, der dich einmal so tüchtig peitschte, hat mir gesagt, daß du hier seiest und Monika genannt würdest. Es freut mich herzlich, daß du dieser argen und bösen Welt, an Leib und Seele gesund, entwichen bist, denn wenn man krank ist, hat man nirgends Ruhe. Laß dich nur oft peitschen, unten und oben, das wird, wie Sirach sagt, deinem Nabel gesund sein. (Die Nonnen lachten beifällig.) Ich bin eine gnädige Baronesse geworden, aber mein Gemahl ist kein Bauern-Schinder, er ist die Gütigkeit selbst. Als wir unsere Hochzeit feierten, sagte er zu den versammelten Untertanen: »Wißt ihr, was der Mensch ist, und was er sein sollte?«

»O ja, gnädiger Herr! Er ist bös und sollte gut sein.«

»Nicht doch«, versetzte mein Gemahl, »der Mensch hat mit der Natur nichts mehr zu schaffen, sondern mit der Politur. Er ist ein Schurke und sollte ein Edelmann sein.«

Und als mein Gemahl das gesagt hatte, zog er sich vor allen Bauern und Bäuerinnen bis auf den Gürtel aus, und unsere zwei Mägde mußten ihm so lange die Geißel geben, bis das Blut floß. Die Bauern standen erstarrt und wußten gar nicht, was sie sagen sollten, und die Mädels hielten die Hände vor die Augen und flennten. Aber nun kam auch die Reihe an mich.

»Das Herz des Menschen ist nicht nutz« – und hier [126] mußte ich mich über einen steinernen Tisch legen, und mein Gemahl entblößte das Unterteil meines Leibes – »und die Sinne des Menschen« – sagte er und zerhieb mich mit einer fürchterlichen Rute – »sind auch nichts nutz. Darum: Liebe durch Hiebe – Hiebe um Liebe!«

Seit dieser Zeit läßt er sich alle Quatember von den beiden Mädchen den Rücken geisein, und ich muß mir alle Quatember von zwei jungen Bauernburschen der Reihe nach den Hintern hauen lassen. Ach, Monika, das ist gut! Besser von der Rute als von niedrigen Leidenschaften gepeitscht werden. Meine beiden Mädchen sind so kirre, daß sie sich, so oft ich will, mir über den Schoß legen und von meinem Gemahl bezahlen lassen. Der Schmerz der Lust ist bitterer als die Lust des Schmerzes, und es muß so etwas in der Seele der Heiligen und Märtyrer vorgegangen sein, daß sie so standhaft so große und viele Martern haben ausstehen können.

Doch, liebe Monika! Ich muß meine Geschichte von da anfangen zu erzählen, wo deine Mutter in Teschen uns trennte. Wissen wirst du, daß sie unsichtbar geworden ist, daher weiß ich dir von ihr auch nichts zu melden, desto mehr aber von mir.

Deine Tante hatte mir meine Kammer anweisen lassen, und ich stand eben vor dem Spiegel und hatte mich aufgeschnürt, als Gervasius eintrat.

»Ich gehe zu meinen Brüdern, den Jesuiten hier«, fing er zu mir an und schielte auf meine Brüste, die ich Mühe hatte, seinen steigenden Gelüsten zu entziehen. »Wollen Sie nicht die schönen Kirchen sehen, Linchen?«

»Ich hätte wohl Lust«, war meine Antwort, »allein Sie sehen, Pater, ich bin noch in Reisekleidern.«

»Oh, reizend wie eine Madonna sehen Sie aus, liebes Kind!« versetzte Gervasius, »und der Staub vom Wagen, [127] der etwa noch dieses reizende Faltenröckchen, dieses schneeweiße Korsettchen beschwert, sollen Zephire wegtragen, weil keine Bürste da ist, wie ich sehe. Kommen Sie!«

Er faßte mich bei der Hand, und ich folgte mechanisch, nicht ohne heimliches Grauen.

Wir kamen an dem bekannten Kloster vorbei; ein Pater stand an der Tür und grüßte uns. Er hatte so etwas Freundliches und Zutrauliches in seinen Blicken, das unwiderstehlich anzog und seltsam mit Gervasius' scheuen und blinzelnden Augen kontrastierte.

»Ei, ei, wohin lieber Bruder in Christo?« rief ihm der alte Pater zu, als wir noch einige Schritte von ihm entfernt waren und seitwärts gehen wollten.

»Grüß Sie Gott, Pater Sylverius!« erwiderte Gervasius und führte mich mit sich zu dem alten Mann. »Ich will meine Brüder besuchen und dieses Frauenzimmer da Ihre schöne Kirche sehen.«

»Bin ich Ihnen denn so fremd geworden, daß nicht einmal ein gutes Gläschen Herzstärkung, das Sie sonst so gern von mir annahmen, mich Ihnen in die Erinnerung zu bringen vermag?«

Gervasius lachte, drückte dem Alten die Hand und sagte: »Das heißt admonere amicum alicui rei, eines Freundes Freund sein, so weit es das Gewissen zuläßt, nicht wahr, Mademoiselle, nicht Gewisseres in der Welt als ein Gläschen Wein?«

Ich lächelte und sagte zu dem alten Manne, ich hätte noch nicht gelernt oder erfahren, die Freundschaft oder die Liebe nach Gläsern Wein oder sonst materiellen Gegenständen zu berechnen, und ich glaubte, Herr Gervasius würde es auch nur zweideutig verstanden haben wollen.

Die Patres lachten, und Gervasius nahm mich bei der Hand und sagte: »Nein, liebes Linchen! In vollem [128] Ernst will ich es verstanden haben, kommen Sie mit, ich will vor Ihnen in der Probe bestehen.«

Ich zauderte. »Oh, Sie werden sich doch nicht vor meinem Altar fürchten, liebes Kind«, sagte Pater Sylverius, ergriff mich bei der Hand und zog mich nach sich zur Tür hinein. »Ich führe Sie hier neben hin, zu unserem Bruder Schreiner. Ein paar Gläser alten Ungar, und Sie werden Gottes Gabe loben.«

Pater Sylverius führte uns wirklich in die Arbeitsstube des Bruders Schreiner, der eben beschäftigt war, einen Sarg anzustreichen.

»Rex trementis majestatis, du bist eingetreten in unsere vier Mauern«, rief ernsthaft Pater Sylverius. »Nimm hin, was zu sterben weiß, verschone, was das Leben liebt, und laß dich nur wie ein Missetäter beim Wein finden. Schenk ein, Bernhard«, fuhr er gegen den Bruder Schreiner fort, und dieser schenkte drei Gläser voll roten Wein und reichte ihn uns.

Ich weigerte mich, aber der Alte nahm ihm das für mich bestimmte Glas ab und reichte es mir mit einem Blick, dem ich nicht zu widerstehen vermochte.

Wir tranken alle drei die Gläser auf einmal und rein aus. Kaum aber hatte ich den Wein aus der Kehle, so wußte ich auch nicht mehr, was mit mir vorging. Ein dichter Schleier legte sich vor meine Augen, ich sank in die Knie und vermochte kaum, mich an dem Sarg zu halten.

»Sie ist tot – lebendig tot«, hörte ich noch den Bruder Schreiner sagen und fühlte, wie mich die beiden anderen umfaßten und in den Sarg legten.

»Hinunter mit dir! Kind der Sinne und der Sünde!« schrie mir Gervasius ins Ohr.

»Lebendig tot bist du!« Ich hörte es wie in weiter, weiter Entfernung; aber mein Gefühl war noch lebendiger, denn ich fühlte, wie mir Röcke und Hemd aufgehoben [129] und mein Hintern entblößt wurde – fühlte, wie ich immer tiefer und tiefer sank, und dann, wie eine kühle, feuchte Luft sich auf mein entblößtes Fleisch legte.

Mehr aber weiß ich nicht. Ich verlor das Bewußtsein, um aufs neue im Traum lebendig tot vor mir zu erscheinen.

Es war mir nämlich, als träte ich eben auf dem Münchener Theater – wo ich einmal einige Vorstellungen gesehen und ein paar schöne Schauspieler mit meiner Phantasie genossen hatte – in der Rolle der Braut von Messina, mit Don Cäsar und Don Manuel auf die Bühne. Die Szene stellte ein unterirdisches Gefängnis vor. Don Cäsar und Don Manuel waren als Dominikaner und ich als Zisterzienserin gekleidet. Mein Weisel war zurückgeschlagen und meine Brüste gänzlich entblößt.

Don Cäsar führte mich gegen das Proscenium, ich sah das ganze Theater bis oben an mit Menschen bedeckt. Er deklamierte:


»Wohlan, freche Hündin!
Andere Reize sollst du jetzt uns entfalten
Und das Märchen von des Schicksals Gewalten –
Mit der Rute deine Menschheit erziehe so.«

Don Manuel legte mich in seine Arme, und Don Cäsar hatte die Unverschämtheit, mich vor allen Leuten bis auf den Nabel aufzudecken, meine Lenden voneinander zu reißen und mit Gewalt mir das zu rauben, was dein Vater selbst, liebe Monika, so edel zu verschonen wußte.

Ich fühlte sein Glied in meinem Schoß eindringen, fühlte mein jungfräuliches Blut an meinen Lenden herabfließen, [130] fühlte – sollte ich es leugnen? – unaussprechliche Wonne.

Wenn du aber glaubst, daß ich mitten in dieser Wonne erwacht wäre, irrst du.

Als Don Cäsar sein Glied, starrend noch und mächtiger als zuvor, aus meiner Scheide gezogen, Don Manuel mich zugedeckt, und die Zuschauer auf eine fürchterliche Weise geklatscht hatten, ergriff mich Don Cäsar und sagte:


»Wohlan, du Hure!
Erlöse uns von den Banden
Verächtlichen Fleisches –
Öffne unseres Geistes Gefängnis.«

Da mußte ich mit beiden vor ein hohes eisernes Tor treten. Don Cäsar hob mir Röcke und Hemd in die Höhe, faßte mit meinem Hemde zugleich das ungeheure Schloß des eisernen Tores, und – indem er mir befahl niederzuknien und meinen Hintern auszustrecken –, zerhieb ihn Don Manuel mir mit einer birkenen Rute so grausam, daß mein Blut zum zweitenmal, ärger als jenes des heiligen Januarius, floß. Ich schrie, und die Zuschauer deklamierten a gara erst recht:


»Was dem einen Teil billig, ist dem anderen Teil recht.
Es wandelt im Leben ein arges Geschlecht,
Daß der Bruder die Schwester nicht – lause.«
Dann links:
»Was dem einen Teil billig, ist dem andern Teil recht.
Eins wird bedient, das andere ist Knecht,
Der Herr ist nicht immer zu Hause.«

[131] Mit der letzten Strophe fiel der Vorhang; rasselnd taten sich die eisernen Flügeltüren auf; und schlafend schlief ich unter dem Gedanken Sirachs ein: Öffentliche Strafe ist besser als heimliche Liebe, und über mir tönte es: In der Auferstehung werden Sie weder freien noch sich freien lassen.

Aber ich sollte nicht schlafend einschlafen. Es war mir, als erwachte ich im Sarg; mit einem Kruzifix in der Hand richtete ich mich auf und sah mich in dem Tempel der Dya-Na-Sore. Den Staat muß er verachten; er findet ihn überall als eine denkende Maschine, aufgezogen, angetrieben, hin- und hergeworfen, nirgends die Autorität des Ichs, überall die Gewalt des Seins – und – tierisch, glücklich.


Liebes Malchen! Ich mußte gestern plötzlich aufhören, dir die ferneren wichtigen Entscheidungen und Belehrungen meines guten Jeroms aufzuschreiben. Denk nur, deine Mutter, Louise Gräfin von H. ist bei mir. Gräfin von H.?

Ja! Ja! Der Graf von H. lernte sie in den Bädern von Baden in der Schweiz auf die originellste Art von der Welt kennen. Vorher aber wisse, daß dein Vater und Beauvois sich einander die Degen durch die Leiber jagten. Beauvois, weil er aus einem allerchristlichen Christen zu einem erbärmlichen Juden sich umgeschaffen sehen mußte, und dein Vater, weil das Wahre und Gerechte in ihm über das Gute und Schöne deiner Mutter dominierte, und Schopenhauers vierfache Wurzel, sein Verderben, tragisch enden sollte.

»Im Zeitalter der Phantasie lebt kein Mensch zu Hause«, pflegte jedesmal der Graf von H. zu sagen, wenn von etwas Vernunftlosem, das ein Mensch getan, die Rede war. Er hält also alle Menschen gewissermaßen [132] für Phantasten, und das Kreuz, das sie traf, für doppelt trächtig, folglich sie zu lieben, sich auch doppelt verpflichtet. Daß ich's kurz mache, deine Mutter wird dir's selbst erzählen: Der Graf probierte einmal einen Isabellschimmel und stieg, da er ein Riese von Figur ist, von der Erde auf den eisenharten Rücken des herrlichen Tieres. Alles applaudierte – Louise, die zugegen war, und deren Schönheit und elegantes Badekleid alle Augen auf sie gezogen hatte, sagte dem Grafen ins Gesicht, daß sie seinen Schimmel auf eine Art und Weise bespringen wollte, von der selbst Penthesilea und Tomiris nichts gewußt hätten. Und sie hielt Wort, hob, als der Graf abgestiegen war, ihre Kleider bis an den Gürtel in die Höhe und sprang mit einer solchen Schnelligkeit und mit ausgespreiteten Lenden von hintenzu auf die halbwilde Bestie, daß ein Chiarini es nicht herrlicher ihr nachgemacht haben würde.

Von dieser Zeit an war Graf von H. ihr erklärter Verehrer, und als endlich mit Herrn von Kotzebus »Leontine« zugleich die Nachricht mit nach Baden kam, daß ihr Gatte und Beauvois sich eigenmächtig das Leben genommen hätten, wurde es ihr an der Seite ihres Grafen noch einmal so interessant.

Indessen hatte des Grafen Hausarzt ihm geschrieben, die Bäder von Piemont mit jenen von Baden zu vertauschen, und der Graf, der weder von Krankheit noch von Gesundheit, seitdem er die Blattern gehabt und zum erstenmal seine Kammerjungfer entjungfert hatte, etwas Rechtes zu erzählen wußte, folgte blindlings dem Rate seines medizinischen Mentors.

Deine Mutter folgte ihm, und in Piemont eröffnete sich ihr ein neuer Schauplatz. Du kennst ja die unüberwindlichen Reize deiner Mutter, liebe Monika, und du wirst erstaunen ob ihres Anblicks. Genug! Ganz Piemont, [133] Fremde und Einheimische, wurden toll und rasend in sie verliebt. Wenn sie auf der Promenade erschien und ihre leichte Kleidung in die Höhe hob, daß die Leute ihre herrlichen Waden und oft gar das Strumpfband, das bloße Knie und das schneeweiße Hemdchen erblickten, erstarrte alles in süßen Gefühlen, und kein Mensch dachte noch daran, daß er krank sei.

Vier Studenten hatten sogar sich einander einen leiblichen Eid geschworen, sie entweder zu besitzen und zu genießen oder zu sterben, und der göttliche Zufall schien ihr verruchtes Vorhaben zu begünstigen.

Der Graf von H., ein Hagestolz von neunundvierzig Jahren und plötzlich vom Schlag gerührt, dachte an alle seine begangenen Jugendsünden, vermachte Louise die Herrschaft Flammersbach als Witwensitz und fl. 30000 jährliche Revenuen, ließ sich mit ihr trauen und gab seinen Geist in Louises Schöße auf, ehe noch ein zweiter Schlag ihn ans Sterben erinnern konnte.

Louise traf dieser Schlag mit, du kennst ihr liebendes Herz. Piemont wurde ihr verhaßt, und die Kriechereien ihrer Liebhaber zum Ekel.

Sie machte sich auf, verließ heimlich Piemont und reiste ihren Gütern zu.

Auf der Hälfte des Weges dorthin liegen die meinigen. Ein kleines Birkenwäldchen, mit romantischen Wiesen und Geßnerischen Buchen verschönert, trennt die Herrschaft Lebensziel von dem Städtchen ...

Vier Studenten, von denen ich dir eben geschrieben und gerade so viel als Fakultäten, folgten ihr von Station zu Station nach. Ich erzähle dir, was sie mir erzählte, und wie ich sie zwischen diesen Musensöhnen fand.

Paulini, ein Mediziner von Jena, Hildebrand, ein Theologe von Marburg, Beck, ein Jurist von Göttingen, [134] und Budäus, ein Philosoph von Halle, waren die Verbündeten.

Paulini führte eine Pistole, Beck einen Stoßdegen, Hildebrand einen Kosakenspieß und Budäus eine Trompete mit sich.

Diese vier Fakultätenritter hatten einen gascognischen Schneider, den sie Jean de Paris tauften, und der jetzt als ein guter Violinist seine Stückchen und Stücke geigte, als Bedienten bei sich, und nun stelle dir vor, liebes Malchen, welchen Aufzug die verrückten Kerls durch unser ehrbares Deutschland hindurch gemacht haben.

Louise hatte nur eine Kammerjungfer des Grafen bei sich. Der Kutscher war ein Lohnkutscher und eine alte Volleule.

Es war mir an dem Tage, als ich deine Mutter wieder sehen sollte, liebe Monika, ich weiß gar nicht wie. Ich konnte nicht zu Hause bleiben, mein Gemahl hatte Geschäfte, allein lief ich weg über Feld und Stein, über Klee und Hanf, erst als ich das Birkenwäldchen erreicht hatte, wurde meine Seele ruhiger.

Und nun stell dir vor, was ich in diesem Wäldchen erblickte.

Kaum hatte ich es erreicht, so stürzte mir ein Frauenzimmer entgegen, dem der Schrecken alle Sprache genommen hatte. Sie warf sich mir in die Arme und lispelte kaum hörbar und atemlos: »Um Gottes willen – hel-fen Sie ... Kommen Sie der gnädigen Gräfin zu Hilfe ... Vier – vier sind über ihr.«

Und damit zog sie mich so hastig über Dorn und Busch hin, daß meine Kleider hängenblieben, und die Dornen mir durch die Strümpfe drangen.

Wenige Schritte noch, und wir befanden uns auf einer lieblichen Waldwiese meines Gebietes, und jener an Schönheit ähnlich, auf welcher die gefiederten Seelen [135] Platons sich ergötzten, zu denen ich leider meine Hühner und Gänse nicht zählen darf.

Gütiger Himmel, was erblickte ich. Ich will es dir so vorstellen, wie deine Mutter es mir erklärte.

In der Mitte der Wiese hielt nämlich der Reisewagen der Gräfin. Der Kutscher lag neben den Pferden. Die Kammerjungfer stand mir zur Seite und zeigte mir die erstaunlichste Szene.

Louise lag mit halbem Leibe im Schlag des Wagens, der verfluchte Jean de Paris saß oben auf ihm und hielt ihre Füße und zwischen denselben seine Violine hoch in die Höhe – und geigte: La Fideltá von Kanne.

Louises Röcke und Hemd, weggefallen vom schneeweißen Hintern, entblößten alle ihre geheimen Reize.

Der verteufelte Hildebrand hatte seine Kosakenlanze tief durch Louises Röcke und Hemd hindurch in die Erde gestoßen und benediktierte: »Nous jouissons, et s'il plaît au Seigneur, nôtre posterité la plus reculée jouira la prosperité de la sainte liberté qui nous est échue en partage.«

Neben ihm kniete Budäus und blies mit seiner Trompete: Es ritten drei Reiter zum Tore hinaus, gerade in Louises Kerbe hinein – und deklamierte zürnend, wenn er das Maul von der Trompete wegtat:

»Die meisten Menschen, sagt Abt Mably, sind nur darum unglücklich, weil sie dumm genug sind, die Glückseligkeit, die ihnen die Natur (id est – die nackende Hure!) auf ihrem Wege anbietet, nicht zu verachten und lieber den Chimären ihrer Leidenschaften nachjagen.«

Beck hatte ihren Busen entblößt und hielt mit heftigen Küssen und Geifern seinen Stoßdegen auf der anderen Seite des Wagens an ihr geängstigtes Herz und schrie:


[136]
»Suum cuique!
Omne tulit punktum!
Dictum et factum!«

Paulini aber, mit der Pistole in der Hand, zog ihre Lenden voneinander und wußte sich stillschweigend so gut bei ihr zu empfehlen, daß ich wohl sah, wie vergeblich es sein würde, hier eine andere Art von Menschlichkeit geltend zu machen.

Wie ich nachher von Louise hörte, so haben sich Hildebrand und Budäus, Paulini und Beck miteinander duelliert. Paulini hatte mit seiner ungeladenen Pistole Becks Stoßdegen so trefflich gepackt und besser als Budäus mit seiner Trompete die verwünschte Kosakenlanze, als welche beinahe, wie Idomeneus den Ares getroffen, beinahe die Hand ihm durchstoßen hätte, daß ihm einmütig Louises Reize zuerst überlassen wurden.

Als Paulini seine Lust gebüßt hatte, kamen die übrigen drei an die Reihe – und da auch diese sich gesättigt hatten und Jean von Paris seine Gefesselte niederlassen mußte, schien es uns Zeit, der Armen zu Hilfe zu eilen.

Aus vollen Kehlen schrien wir also »Hilfe! Hilfe!« Die fünf Schurken aber schwangen sich auf ihre Pferde, und deine Mutter, liebes Malchen, erwachte in den Armen ihrer ehemaligen Freundin.


ENDE [137]


Notes
Erstdruck: Posen (Kühn) 1815. Vorbemerkung des Herausgebers Hansjürgen Blinn: Der Text wird E.T.A. Hoffmann zugeschrieben (so auch bei der hier vorgelegten Textfassung), dies ist aber vermutlich nicht richtig.
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TextGrid Repository (2011). Anonym. Schwester Monika. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0001-DE8F-2