Zweiter Band .
Tübingen 1799 . in der J. G. Cotta'schen Buchhandlung . μη φυναι , τον απαντα νικα λογον . το δ’επει φανη βηναι κειϑεν , οϑεν περ ηκει , πολυ δευτερον ως ταχισα. Sophokles .
Hyperion an Bellarmin .
Wir lebten in den letzten schönen Momenten des Jahrs , nach unserer Rückkunft aus dem Attischen Lande .
Ein Bruder des Frühlings war uns der Herbst , voll milden Feuers , eine Festzeit für die Erinnerung an Leiden und vergangene Freuden der Liebe .
Die welkenden Blätter trugen die Farbe des Abendrots , nur die Fichte und der Lorbeer stand in ewigem Grün .
In den heiteren Lüften zögerten wandernde Vögel , andere schwärmten im Weinberg , und im Garten und ernteten fröhlich , was die Menschen übrig gelassen .
Und das himmlische Licht rann lauter vom offenen Himmel , durch alle Zweige lächelte die heilige Sonne , die gütige , die ich niemals nenne ohne Freude und Dank , die oft in tiefem Laide mit einem Blicke mich geheilt , und von dem Unmut und den Sorgen meine Seele gereinigt .
Wir besuchten noch alle unsere liebsten Pfade , Diotima und ich , entschwundene selige Stunden begegneten uns überall .
Wir erinnerten uns des vergangenen Mais , wir hätten die Erde noch nie so gesehen , wie damals , meinten wir , sie wäre verwandelt gewesen , eine silberne Wolke von Blüten , eine freudige Lebensflamme , entledigt alles gröberen Stoffs .
Ach !
es war alles so voll Lust und Hoffnung , rief Diotima , so voll unaufhörlichen Wachstums und doch auch so mühelos , so seligruhig , wie ein Kind , das vor sich hin spielt , und nicht weiter denkt .
Daran , rief ich , erkenne ich sie , die Seele der Natur , an diesem stillen Feuer , an diesem Zögern in ihrer mächtigen Eile .
Und es ist den glücklichen so lieb , dies Zögern , rief Diotima ; weist du ?
wir standen einmal des Abends zusammen auf der Brücke , nach starkem Gewitter , und das rote Berggewässer schoß , wie ein Pfeil , unter uns weg , aber daneben grünt in Ruhe der Wald , und die hellen Buchenblätter regten sich kaum .
Da tat es uns so wohl , daß uns das seelenvolle Grün nicht auch so wegflog , wie der Bach , und der schöne Frühling uns so still hielt , wie ein zahmer Vogel , aber nun ist er dennoch über die Berge .
Wir lächelten über dem Worte , wiewohl das Trauern uns näher war .
So sollte auch unsere eigene Seligkeit dahingehen , und wir sahen voraus .
O Bellarmin ! wer darf denn sagen , er stehe fest , wenn auch das Schöne seinem Schicksal so entgegenreift , wenn auch das Göttliche sich demütigen muß , und die Sterblichkeit mit allem Sterblichen teilen !
Hyperion an Bellarmin .
Ich hatte mit dem holden Mädchen noch vor ihrem Hause gezögert , bis das Licht der Nacht in die ruhige Dämmerung schien , nun kam ich in Notaras Wohnung zurück , gedankenvoll , voll überwallenden heroischen Lebens , wie immer , wenn ich aus ihren Umarmungen ging .
Es war ein Brief von Alabanda gekommen .
Es regt sich , Hyperion , schrieb er mir , Rußland hat der Pforte den Krieg erklärt ; man kommt mit einer Flotte in den Archipelagus * ) ; * )
Im Jahr 1770 . die Griechen sollen frei sein , wenn sie mit aufstehen , den Sultan an den Euphrat zu treiben .
Die Griechen werden das Ihre tun , die Griechen werden frei sein und mir ist herzlich wohl , daß es einmal wieder etwas zu tun gibt .
Ich mochte den Tag nicht sehen , so lang es noch so weit nicht war .
Bist du noch der Alte , so komme !
Du findest mich in dem Dorfe vor Koran , wenn du den Weg von Misistra kommst .
Ich wohne am Hügel , in dem weißen Landhause am Walde .
Die Menschen , die du in Smyrna bei mir kennen lerntest , habe ich verlassen .
Du hattest recht mit deinem feineren Sinne , daß du in ihre Sphäre nicht tratest .
Mich verlangt , uns Beide in dem neuen Leben wiederzusehn . Dir war bis jetzt die Welt zu schlecht , um ihr dich zu erkennen zu geben .
Weil du nicht Knechtsdienste tun mochtest , tatest du nichts , und das Nichtstun machte dich grämlich und träumerisch .
Du mochtest im Sumpfe nicht schwimmen .
Komme nun , komme , und laß uns baden in offener See !
Das soll uns wohl tun , einzig Geliebter !
So schrieb er .
Ich war betroffen im ersten Moment .
Mir brannte das Gesicht vor Scham , mir kochte das Herz , wie heiße Quellen , und ich konnte auf keiner Stelle bleiben , so schmerzt es mich , überflogen zu sein von Alabanda , überwunden auf immer .
Doch nahm ich nun auch um so begieriger die künftige Arbeit ans Herz .
- Ich bin zu müßig geworden , rief ich , zu friedenslustig , zu himmlisch , zu träg ! -
Alabanda sieht in die Welt , wie ein edler Pilot , Alabanda ist fleißig und sucht in der Woge nach Beute ; und dir schlafen die Hände im Schoß ' ? und mit Worten möchtest du ausreichen , und mit Zauberformeln beschwörst du die Welt ?
Aber deine Worte sind , wie Schneeflocken , unnütz , und machen die Luft nur trüber und deine Zaubersprüche sind für die Frommen , aber die Ungläubigen hören dich nicht . -
Ja ! sanft zu sein , zu rechter Zeit , das ist wohl schön , doch sanft zu sein , zur Unzeit , das ist häßlich , denn es ist feig ! -
Aber Harmodius ! deiner Myrte will ich gleichen , deiner Myrte , worin das Schwert sich verbarg .
Ich will umsonst nicht müßig gegangen sein , und mein Schlaf soll werden , wie Öl , wenn die Flamme darein kommt .
Ich will nicht zusehen , wo es gilt , will nicht umhergehn und die Neuigkeit erfragen , wann Alabanda den Lorbeer nimmt .
Hyperion an Bellarmin .
Diotimas Erblassen , da sie Alabandas Brief las , ging mir durch die Seele .
Drauf fing sie an , gelassen und ernst , den Schritt mir abzuraten und wir sprachen manches hin und wieder .
O ihr Gewaltsamen ! rief sie endlich , die ihr so schnell zum Äußersten seid , denkt an die Nemesis !
Wer Äußerstes leidet , sagte ich , dem ist das Äußerste recht .
Wenn_es auch recht ist , sagte sie , du bist dazu nicht geboren .
So scheint es , sagte ich ; ich habe auch lange genug gesäumt .
O ich möchte einen Atlas auf mich laden , um die Schulden meiner Jugend abzutragen . Habe ich ein Bewußtsein ? habe ich ein Bleiben in mir ?
O laß mich , Diotima !
Hier , gerade in solcher Arbeit muß ich es erbeuten .
Das ist eitel Übermut ! rief Diotima ; neulich warst du bescheidener , neulich , da du sagtest , ich muß noch ausgehen , zu lernen .
Liebe Sophistin ! rief ich , damals war ja auch von ganz was anderem die Rede .
In den Olymp des Göttlichschönen , wo aus ewigjungen Quellen das Wahre mit allem Guten entspringt , dahin mein Volk zu führen , bin ich noch jetzt nicht geschickt .
Aber ein Schwert zu brauchen , habe ich gelernt und mehr bedarf es für jetzt nicht .
Der neue Geisterbund kann in der Luft nicht leben , die heilige Theokratie des Schönen muß in einem Freistaat wohnen , und der will Platz auf Erden haben und diesen Platz erobern wir gewiß .
Du wirst erobern , rief Diotima , und vergessen , wofür ? wirst , wenn es hoch kommt , einen Freistaat dir erzwingen und dann sagen , wofür habe ich gebaut ? ach ! es wird verzehrt sein , alle das schöne Leben , das daselbst sich regen sollte , wird verbraucht sein selbst in dir !
Der wilde Kampf wird dich zerreißen , schöne Seele , du wirst altern , seliger Geist ! und lebensmüd am Ende fragen , wo seid ihr nun , ihr Ideale der Jugend ?
Das ist grausam , Diotima , rief ich , so ins Herz zu greifen , so an meiner eigenen Todesfurcht , an meiner höchsten Lebenslust mich festzuhalten , aber nein ! nein ! nein ! der Knechtsdienst tötet , aber gerechter Krieg macht jede Seele lebendig .
Das gibt dem Golde die Farbe der Sonne , daß man ins Feuer es wirft !
Das , das gibt erst dem Menschen seine ganze Jugend , daß er Fesseln zerreißt !
Das rettet ihn allein , daß er sich aufmacht und die Natter zertritt , das kriechende Jahrhundert , das alle schöne Natur im Keime vergiftet ! -
Altern sollt ich , Diotima ! wenn ich Griechenland befreie ? altern , ärmlich werden , ein gemeiner Mensch ?
O so war er wohl recht schal und leer und gottverlassen , der Athenerjüngling , da er als Siegesbothe von Marathon über den Gipfel des Pendele kam und hinabsah in die Täler von Attika !
Lieber !
Lieber ! rief Diotima , sei doch still !
ich sage dir kein Wort mehr .
Du sollst gehen , sollst gehen , stolzer Mensch !
Ach ! wenn du so bist , habe ich keine Macht , kein Recht auf dich .
Sie weinte bitter und ich stand , wie ein Verbrecher , vor ihr .
Vergib mir , göttliches Mädchen ! rief ich , vor ihr niedergesunken , o vergib mir , wo ich muß !
Ich wähle nicht , ich sinne nicht .
Eine Macht ist in mir und ich weiß nicht , ob ich es selbst bin , was zu dem Schritte mich treibt .
Deine volle Seele gebietet dir_es , antwortete sie .
Ihr nicht zu folgen , führt oft zum Untergange , doch , ihr zu folgen , wohl auch .
Das beste ist , du gehst , denn es ist größer .
Handle du ; ich will es tragen .
Hyperion an Bellarmin .
Diotima war von nun an wunderbar verändert .
Mit Freude hatte ich gesehen , wie seit unserer Liebe das verschwiegene Leben aufgegangen war in blicken und lieblichen Worten und ihre genialische Ruhe war mir oft in glänzender Begeisterung entgegengekommen .
Aber wie so fremd wird uns die schöne Seele , wenn sie nach dem ersten Aufblühn , nach dem Morgen ihres Laufs hinauf zur Mittagshöhe muß !
Man kannte fast das selige Kind nicht mehr , so erhaben und so leidend war sie geworden .
O wie manchmal lag ich vor dem trauernden Götterbilde , und wähnte die Seele hinwegzuweinen im Schmerz um sie , und stand bewundernd auf und selber voll von allmächtigen Kräften !
Eine Flamme war ihr ins Auge gestiegen aus der gepreßten Brust .
Es war ihr zu enge geworden im Busen voll Wünschen und Leiden ; darum waren die Gedanken des Mädchens so herrlich und kühn .
Eine neue Größe , eine sichtbare Gewalt über alles , was fühlen konnte , herrscht in ihr .
Sie war ein höheres Wesen .
Sie gehörte zu den sterblichen Menschen nicht mehr .
O meine Diotima , hätte ich damals gedacht , wohin das kommen sollte ?
Hyperion an Bellarmin .
Auch der kluge Notara wurde bezaubert von den neuen Entwürfen , versprach mir eine starke Partei , hoffte bald den Korinthischen Isthmus zu besetzen und Griechenland hier , wie an der Handhabe , zu fassen .
Aber das Schicksal wollte es anders und machte seine Arbeit unnütz , ehe sie ans Ziel kam .
Er riet mir , nicht nach Tina zu gehen , gerade den Pelopones hinab zu reisen , und durchaus so unbemerkt , als möglich .
Meinem Vater sollte ich unterwegs schreiben , meinte er , der bedächtige Alte würde leichter einen geschehenen Schritt verzeihn , als einen ungeschehenen erlauben .
Das war mir nicht recht nach meinem Sinne , aber wir opfern die eigenen Gefühle so gern , wenn uns ein großes Ziel vor Augen steht .
Ich zweifle , fuhr Notara fort , ob du wirst auf deines Vaters Hilfe in solchem Falle rechnen können .
Darum gebe ' ich dir , was nebenbei doch nötig ist für dich , um einige Zeit in allen Fällen zu leben und zu wirken .
Kannst du einst , so zahlst du mir es zurück , wo nicht , so war das meine auch dein .
Schäme des Gelds dich nicht , setzt er lächelnd hinzu ; auch die Rosse des Phöbus leben von der Luft nicht allein , wie uns die Dichter erzählen .
Hyperion an Bellarmin .
Nun kam der Tag des Abschieds .
Den Morgen über war ich oben in Notaras Garten geblieben , in der frischen Winterluft , unter den immergrünen Zypressen und Zedern .
Ich war gefaßt .
Die großen Kräfte der Jugend hielten mich aufrecht und das Leiden , das ich ahnte , trug , wie eine Wolke , mich höher .
Diotimas Mutter hatte Notara und die anderen Freunde und mich gebeten , daß wir noch den letzten Tag bei ihr zusammen leben möchten .
Die Guten hatten sich alle meiner und Diotimas gefreut und das Göttliche in unserer Liebe war an ihnen nicht verloren geblieben .
Sie sollten nun mein Scheiden auch mir segnen .
Ich ging hinab .
Ich fand das teure Mädchen am Herde .
Es schien ihr ein heilig priesterlich Geschäft , an diesem Tage das Haus zu besorgen .
Sie hatte alles zu recht gemacht , alles im Hause verschönert und es durfte ihr niemand dabei helfen .
Alle Blumen , die noch übrig waren im Garten , hatte sie eingesammelt , Rosen und frische Trauben hatte sie in der späten Jahrszeit noch zusammengebracht .
Sie kannte meinen Fußtritt , da ich heraufkam , trat mir leis entgegen ; die bleichen Wangen glühten von der Flamme des Herz und die ernsten großgewordenen Augen glänzten von Tränen .
Sie sah , wie mich_es überfiel .
Gehe hinein , mein lieber , sagte sie ; die Mutter ist drinnen und ich folge gleich .
Ich ging hinein .
Da saß die edle Frau und streckte mir die schöne Hand entgegen - kommst du , rief sie , kommst du , mein Sohn !
Ich sollte dir zürnen , du hast mein Kind mir genommen , hast alle Vernunft mir ausgeredet , und tust , was dich gelüstet , und gehest davon ; aber vergebt es ihm , ihr himmlischen Mächte ! wenn er Unrecht vorhat , und hat er Recht , o so zögert nicht mit eurer Hilfe dem Lieben !
Ich wollte reden , aber eben kam Notara mit den übrigen Freunden herein und hinter ihnen Diotima .
Wir schwiegen eine Weile .
Wir ehrten die trauernde Liebe , die in uns allen war , wir fürchteten uns , sich ihrer zu überheben in Reden und stolzen Gedanken .
Endlich nach wenigen flüchtigen Worten bat mich Diotima , einiges von Agis und Kleomenes zu erzählen ; ich hätte die großen Seelen oft mit feuriger Achtung genannt und gesagt , sie wären Halbgötter , so gewiß , wie Prometheus , und ihr Kampf mit dem Schicksal von Sparta sei heroischer , als irgend einer in den glänzenden Mythen .
Der Genius dieser Menschen sei das Abendrot des griechischen Tages , wie Theseus und Homer die Aurore desselben .
Ich erzählte und am Ende fühlten wir uns alle stärker und höher .
glücklich , rief einer von den Freunden , wem sein Leben wechselt zwischen Herzensfreude und frischem Kampf .
Ja ! rief ein anderer , das ist ewige Jugend , daß immer Kräfte genug im Spiele sind und wir uns ganz erhalten in Lust und Arbeit .
O ich möchte mit dir , rief Diotima mir zu .
Es ist auch gut , daß du bleibst , Diotima ! sagte ich .
Die Priesterin darf aus dem Tempel nicht gehen .
Du bewahrst die heilige Flamme , du bewahrst im Stillen das Schöne , daß ich es wiederfinde bei dir .
Du hast auch Recht , mein Lieber , das ist besser , sagte sie , und ihre Stimme zitterte und das Ätherauge verbarg sich ins Tuch , um seine Tränen , seine Verwirrung nicht sehen zu lassen .
O Bellarmin ! es wollte mir die Brust zerreißen , daß ich sie so Schamrot gemacht .
Freunde ! rief ich , erhaltet diesen Engel mir .
Ich weiß von nichts mehr , wenn ich sie nicht weiß .
O Himmel !
ich darf nicht denken , wozu ich fähig wäre , wenn ich sie vermißte .
Sei ruhig , Hyperion ! fiel Notara mir ein .
Ruhig ? rief ich ; o ihr guten Leute !
ihr könnt oft sorgen , wie der Garten blühn und wie die Ernte werden wird , ihr könnt für euren Weinstock beten und ich soll ohne Wünsche scheiden von dem Einzigen , dem meine Seele dient ?
Nein , o du Guter ! rief Notara bewegt , nein ! ohne Wünsche sollst du mir von ihr nicht scheiden ! nein , bei der Götterunschuld eurer Liebe ! meinen Segen habt ihr gewiß .
Du mahnst mich , rief ich schnell .
Sie soll uns segnen , diese teure Mutter , soll mit euch uns zeugen - komme Diotima ! unseren Bund soll deine Mutter heiligen , bis die schöne Gemeinde , die wir hoffen , uns vermählt .
So fiel ich auf ein Knie ; mit großem Blick , errötend , festlichlächelnd sank auch sie an meiner Seite nieder .
Längst , rief ich , o Natur ! ist unser Leben Eines mit dir und himmlischjugendlich , wie du und deine Götter alle , ist unsere eigene Welt durch Liebe .
In deinen Hainen wandelten wir , fuhr Diotima fort , und waren , wie du , an deinen Quellen saßen wir und waren , wie du , dort über die Berge gingen wir , mit deinen Kindern , den Sternen , wie du .
Da wir uns ferne waren , rief ich , da , wie Harfengelispel , unser kommend Entzücken uns erst tönte , da wir uns fanden , da kein Schlaf mehr war und alle Töne in uns erwachten zu des Lebens vollen Akkorden , göttliche Natur ! da waren wir immer , wie du , und nun auch da wir scheiden und die Freude stirbt , sind wir , wie du , voll Leidens und doch gut , darum soll ein reiner Mund uns zeugen , daß unsere Liebe heilig ist und ewig , so wie du .
Ich Zeug es , sprach die Mutter .
Wir zeugen es , riefen die anderen .
Nun war kein Wort mehr für uns übrig .
Ich fühlte mein höchstes Herz ; ich fühlte mich reif zum Abschied .
Jetzt will ich fort , ihr Lieben ! sagte ich , und das Leben schwand von II. Bd. B allen Gesichtern .
Diotima stand , wie ein Marmorbild und ihre Hand starb fühlbar in meiner .
Alles hatte ich um mich her getötet , ich war einsam und mir schwindelte vor der grenzenlosen Stille , wo mein überwallend Leben keinen Halt mehr fand .
Ach ! rief ich , mir ist_es brennendheiß im Herzen , und ihr steht alle so kalt , ihr Lieben ! und nur die Götter des Hauses neigen ihr Ohr ? -
Diotima !
- du bist stille , du siehst nicht ! - o wohl dir , daß du nicht siehst !
So gehe nur , seufzte sie , es muß ja sein ; gehe nur , du teures Herz !
O süßer Ton aus diesen Wonnelippen ! rief ich , und stand wie ein Betender , vor der holden Statue - süßer Ton !
noch Einmal wehe mich an , noch Einmal Tage , liebes Augenlicht !
Rede so nicht , Lieber ! rief sie , rede mir ernster , rede mit größerem Herzen mir zu !
Ich wollte mich halten , aber ich war wie im Traume .
Wehe ! rief ich , das ist kein Abschied , wo man wiederkehrt .
Du wirst sie töten , rief Notara .
Siehe , wie sanft sie ist , und du bist so außer dir .
Ich sah sie an und Tränen stürzten mir aus brennendem Auge .
So lebe denn wohl , Diotima ! rief ich , Himmel meiner Liebe , lebe wohl ! -
Lasst uns stark sein , teure Freunde ! teure Mutter ! ich gab dir Freude und Leid .
Lebt wohl ! lebt wohl !
Ich wankte fort .
Diotima folgte mir allein .
Es war Abend geworden und die Sterne gingen herauf am Himmel .
Wir standen still unter dem Hause .
Ewiges war in uns , über uns .
Zart , wie der Äther , umwand mich Diotima .
Törichter , was ist denn Trennung ? flüsterte sie geheimnisvoll mir zu , mit dem Lächeln einer Unsterblichen .
Es ist mir auch jetzt anders , sagte ich , und ich weiß nicht , was von beiden ein Traum ist , mein Leiden oder meine Freudigkeit .
Beides ist , erwiderte sie , und beides ist gut .
Vollendete ! rief ich , ich spreche wie du .
Am Sternenhimmel wollen wir uns erkennen .
Er sei das Zeichen zwischen mir und dir , so lange die Lippen verstummen .
Das sei er ! sprach sie mit einem langsamen niegehörten Tone - es war ihr letzter .
Im Dämmerlichte entschwand mir ihr Bild und ich weiß nicht , ob sie es wirklich war , da ich zum letztenmal mich umwand und die erlöschende Gestalt noch einen Augenblick vor meinem Auge zückte und dann in die Nacht verschied .
Hyperion an Bellarmin .
Warum erzähle ich dir und wiederhole mein Leiden und rege die ruhelose Jugend wieder auf in mir ?
Ist_es nicht genug , Einmal das Sterbliche durchwandert zu haben ? warum bleibe ich im Frieden meines Geistes nicht stille ?
Darum , mein Bellarmin !
weil jeder Atemzug des Lebens unserem Herzen wert bleibt , weil alle Verwandlungen der reinen Natur auch mit zu ihrer Schöne gehören .
Unsere Seele , wenn sie die sterblichen Erfahrungen ablegt und allein nur lebt in heiliger Ruhe , ist sie nicht , wie ein unbelaubter Baum ? wie ein Haupt ohne Locken ?
Lieber Bellarmin ! ich habe eine Weile geruht ; wie ein Kind , habe ich unter den stillen Hügeln von Salamis gelebt , vergessen des Schicksals und des Strebens der Menschen .
Seitdem ist manches anders in meinem Auge geworden , und ich habe nun so viel Frieden in mir , um ruhig zu bleiben , bei jedem Blick ins menschliche Leben .
O Freund ! am Ende söhnet der Geist mit allem uns aus .
Du wirsts nicht glauben , wenigstens von mir nicht .
Aber ich meine , du solltest sogar meinen Briefen es ansehn , wie meine Seele täglich stiller wird und stiller .
Und ich will künftig noch so viel davon sagen , bis du es glaubst .
Hier sind Briefe von Diotima und mir , die wir uns nach meinem Abschied von Kalaure geschrieben .
Sie sind das liebste , was ich dir vertraue .
Sie sind das wärmste Bild aus jenen Tagen meines Lebens .
Vom Kriegslärm sagen sie dir wenig .
Desto mehr von meinem eigeneren Leben und das ist_es ja , was du willst .
Ach und du musst auch sehen , wie geliebt ich war .
Das konnte ich nie dir sagen , das sagt Diotima nur .
Hyperion an Diotima .
Ich bin erwacht aus dem Tode des Abschieds , meine Diotima ! gestärkt , wie aus dem Schlafe , richtet mein Geist sich auf .
Ich schreibe dir von einer Spitze der Epidaurischen Berge .
Da dämmert fern in der Tiefe deine Insel , Diotima ! und dorthinaus mein Stadium , wo ich siegen oder fallen muß .
O Pelopones ! o ihr Quellen des Eurotas und Alpheus !
Da wird es gelten !
Aus den spartanischen Wäldern , da wird , wie ein Adler , der alte Landesgenius stürzen mit unserem Heere , wie mit rauschenden Fittichen .
Meine Seele ist voll von Tatenlust und voll von Liebe , Diotima , und in die griechischen Täler blickt mein Auge hinaus , als sollte es magisch gebieten : steigt wieder empor , ihr Städte der Götter !
Ein Gott muß in mir sein , denn ich fühle auch unsere Trennung kaum .
Wie die seligen Schatten am Lethe , lebt jetzt meine Seele mit deiner in himmlischer Freiheit und das Schicksal waltet über unsere Liebe nicht mehr .
Hyperion an Diotima .
Ich bin jetzt mitten im Pelopones .
In derselben Hütte , worin ich heute übernachte , übernachtete ich einst , da ich , beinahe noch Knabe , mit Adamas diese Gegenden durchzog .
Wie saß ich da so glücklich auf der Bank vor dem Hause und lauschte dem Geläute der fernher kommenden Karawane und dem Geplätscher des nahen Brunnens , der unter blüh Händen Akatien sein silbern Gewässer ins Becken goß .
Jetzt bin ich wieder glücklich .
Ich wandere durch dies Land , wie durch Dodonas Hain , wo die Eichen tönten von ruhmweissagenden Sprüchen .
Ich sehe nur Taten , vergangene , künftige , wenn ich auch vom Morgen bis zum Abend unter freiem Himmel wandre .
Glaube mir , wer dieses Land durchreist , und noch ein Joch auf seinem Halse duldet , kein Pelopidas wird , der ist herzleer , oder ihm fehlt es am Verstande .
So lange Schliefs - so lange schlich die Zeit , wie der Höllenfluß , trüb und stumm , in ödem Müßiggange vorüber ?
Und doch liegt alles bereit .
Voll rächerischer Kräfte ist das Bergvolk hierherum , liegt da , wie eine schweigende Wetterwolke , die nur des Sturmwinds wartet , der sie treibt .
Diotima ! laß mich den Odem Gottes unter sie hauchen , laß mich ein Wort von Herzen an sie reden , Diotima .
Fürchte nichts !
Sie werden so wild nicht sein .
Ich kenne die rohe Natur .
Sie höhnt der Vernunft , sie steht aber im Bunde mit der Begeisterung .
Wer nur mit ganzer Seele wirkt , irrt nie .
Er bedarf des Klügelns nicht , denn keine Macht ist wider ihn .
Hyperion an Diotima .
Morgen bin ich bei Alabanda .
Es ist mir eine Lust , den Weg nach Koran zu erfragen , und ich frage öfter , als nötig ist .
Ich möchte die Flügel der Sonne nehmen und hin zu ihm und doch zauder ich auch so gerne und frage : wie wird er sein ?
Der königliche Jüngling ! warum bin ich später geboren ? warum sprang ich nicht aus Einer Wiege mit ihm ?
Ich kann den Unterschied nicht leiden , der zwischen uns ist. O warum lebte ich , wie ein müßiger Hirtenknabe , zu Tina , und träumte nur von seinesgleichen noch erst , da er schon in lebendiger Arbeit die Natur erprüfte und mit Meer und Luft und allen Elementen schon rang ? Trips denn in mir nach Tatenwonne nicht auch ?
Aber ich will ihn einholen , ich will schnell sein .
Beim Himmel !
ich bin überreif zur Arbeit .
Meine Seele tobt nur gegen sich selbst , wenn ich nicht bald durch ein lebendig Geschäft mich befreie .
Hohes Mädchen !
wie konnte ' ich bestehen vor dir ?
Wie war dir_es möglich , so ein tatlos Wesen zu lieben ?
Hyperion an Diotima .
Ich habe ihn , teure Diotima !
Leicht ist mir die Brust und schnell sind meine Sehnen , ha ! und die Zukunft reizt mich , wie eine klare Wassertiefe uns reizt , hinein zu springen und das übermütige Blut im frischen Bade zu kühlen .
Aber das ist Geschwätz .
Wir sind uns lieber , als je , mein Alabanda und ich .
Wir sind freier umeinander und doch ist_es alle die Fülle und Tiefe des Lebens , wie sonst .
O wie hatten die alten Tyrannen so recht , Freundschaften , wie die unsere , zu verbieten !
Da ist man stark , wie ein Halbgott , und duldet nichts Unverschämtes in seinem Bezirke !
- Es war des Abends , da ich in sein Zimmer trat .
Er hatte eben die Arbeit bei Seite gelegt , saß in einer mondhellen Ecke am Fenster und pflegte seiner Gedanken .
Ich stand im Dunklen , er erkannte mich nicht , sah unbekümmert gegen mich her .
Der Himmel weiß , für wen er mich halten mochte .
Nun , wie geht es ? rief er .
So ziemlich ! sagte ich .
Aber das Heucheln war umsonst .
Meine Stimme war voll geheimen Frohlockens .
Was ist das ? fuhr er auf ; bist du_es ?
Ja wohl , du Blinder ! rief ich , und flog ihm in die Arme .
O nun ! rief Alabanda endlich , nun soll es anders werden , Hyperion !
Das denke ich , sagte ich und schüttelte freudig seine Hand .
Kennst du mich denn noch , fuhr Alabanda fort nach einer Weile , hast du den alten frommen Glauben noch an Alabanda ?
Großmütiger ! mir ist es nimmer indes so wohl gegangen , als da ich im Lichte deiner Liebe mich fühlte .
Wie ? rief ich , fragt dies Alabanda ?
Das war nicht stolz gesprochen , Alabanda .
Aber es ist das Zeichen dieser Zeit , daß die alte Heroennatur um Ehre betteln geht , und das lebendige Menschenherz , wie eine Waise , um einen Tropfen Liebe sich kümmert .
Lieber Junge ! rief er ; ich bin eben alt geworden .
Das schlaffe Leben überall und die Geschichte mit den Alten , zu denen ich in Smyrna dich in die Schule bringen wollte -
O es ist bitter , rief ich ; auch an diesen wagte sich die Todesgöttin , die Namenlose , die man Schicksal nennt .
Es wurde Licht gebracht und wir sahen von neuem mit leisem liebendem Forschen uns an .
Die Gestalt des Teuren war sehr anders geworden seit den Tagen der Hoffe nung .
Wie die Mittagssonne vom bleichen Himmel , funkelte sein großes ewiglebendes Auge vom abgeblühten Gesichte mich an .
Guter ! rief Alabanda mit freundlichem Unwillen , da ich ihn so ansah , laß die Wehmutsblicke , guter Junge !
Ich weiß es wohl , ich bin herabgekommen .
O mein Hyperion !
ich sehne mich sehr nach etwas Großem und Wahrem und ich hoffe es zu finden mit dir .
Du bist mir über den Kopf gewachsen , du bist freier und stärker , wie ehemals und siehe !
das freut mich herzlich .
Ich bin das dürre Land und du kommst , wie ein glücklich Gewitter - o es ist herrlich , daß du da bist !
Stille ! sagte ich , du nimmst mir die Sinnen , und wir sollten gar nicht von uns sprechen , bis wir im Leben , unter den Taten sind .
Ja wohl ! rief Alabanda freudig , erst , wenn das Jagdhorn schallt , da fühlen sich die Jäger .
Wird_es denn bald angehen ? sagte ich .
Es wird , rief Alabanda , und ich sage dir , Herz ! es soll ein ziemlich Feuer werden .
Ha ! mag_es doch reichen bis an die Spitze des Turms und seine Fahne schmelzen und um ihn wüten und Wogen , bis er berstet und stürzt ! -
und stoße dich nur an unseren Bundsgenossen nicht .
Ich weiß es wohl , die guten Russen möchten uns gerne , wie Schießgewehre , brauchen .
Aber laß das gut sein ! haben nur erst unsere kräftigen Spartaner bei Gelegenheit erfahren , wer sie sind und was sie können , und haben wir so den Pelopones erobert , so lachen wir dem Nordpol ins Angesicht und bilden uns ein eigenes Leben .
Ein eigenes Leben , rief ich , ein neu , ein ehrsames Leben .
Sind wir denn , wie ein Irrlicht aus dem Sumpfe geboren oder stammen wir von den Siegern bei Salamis ab ?
Wie ist_es denn nun ?
wie bist du denn zur Magd geworden , griechische freie Natur ? wie bist du so herabgekommen , väterlich Geschlecht , von dem das Götterbild des Jupiter und des Apoll einst nur die Kopie war ? -
Aber höre mich , Joniens Himmel ! höre mich , Vaterlandserde , die du dich halbnackt , wie eine Bettlerin , mit den Lappen deiner alten Herrlichkeit umkleidest , ich will es länger nicht dulden !
O Sonne , die uns erzog ! rief Alabanda , zusehen sollst du , wenn unter der Arbeit uns der Mut wächst , wenn unter den Schlägen des Schicksals unser Entwurf , wie das Eisen unter dem Hammer sich bildet .
Es entzündete einer den anderen .
Und daß nur kein Flecken hängen bleibe , rief ich , keine Posse , womit uns das Jahrhundert , wie der Pöbel die Wände , bemalt !
O , rief Alabanda , darum ist der Krieg auch so gut - Recht , Alabanda , rief ich , so wie alle große Arbeit , wo des Menschen Kraft und Geist und keine Krücke und kein wächserner Flügel hilft .
Da legen wir die Sklavenkleider ab , worauf das Schicksal uns sein Wappen gedrückt -
Da gilt nichts eitles und anerzwungenes mehr , rief Alabanda , da gehen wir schmucklos , fessellos , nackt , wie im Wettlauf zu Nemea , zum Ziele .
Zum Ziele , rief ich , wo der junge Freistaat dämmert und das Pantheon alles Schönen aus griechischer Erde sich hebt .
Alabanda schwieg eine Weile .
Eine neue Röte stieg auf in seinem Gesichte , und seine Gestalt wuchs , wie die erfrischte Pflanze , in die Höhe .
O Jugend !
Jugend ! rief er , dann will ich trinken aus deinem Quell , dann will ich leben und lieben .
Ich bin sehr freudig , Himmel der Nacht , fuhr er , wie trunken , fort , indem er unter das Fenster trat , wie eine Rebenlaube , überwölbest du mich , und deine Sterne hängen , wie Trauben , herunter .
Hyperion an Diotima .
Es ist mein Glück , daß ich in voller Arbeit lebe .
Ich müßte in eine Torheit um die andere fallen , so voll ist meine Seele , so berauscht der Mensch mich , der wunderbare , der stolze , der nichts liebt , als mich und alle Demut , die in ihm ist , nur auf mich häuft .
O Diotima ! dieser Alabanda hat geweint vor mir , hat , wie ein Kind , mir_es abgebeten , was er mir in Smyrna getan .
Wer bin ich dann , ihr Lieben , daß ich mein euch nenne , daß ich sagen darf , sie sind mein eigen , daß ich , wie ein Eroberer , zwischen euch stehe und euch , wie meine Beute , umfasse .
O Diotima ! o Alabanda ! edle , ruhiggroße Wesen !
wie muß ich vollenden , wenn ich nicht fliehen will vor meinem Glücke , vor euch ?
Eben , während ich schrieb , erhielt ich deinen Brief , du liebe .
Traure nicht , holdes Wesen , traure nicht !
Spare dich , unversehrt von Gram , den künftigen Vaterlandsfesten !
Diotima ! dem glühen den Festtag der Natur , dem spare dich auf und all den heiteren Ehrentagen der Götter !
Siehst du Griechenland nicht schon ?
O siehst du nicht , wie , froh der neuen Nachbarschaft , die ewigen Sterne lächeln über unseren Städten und Hainen , wie das alte Meer , wenn es unser Volk lustwandelnd am Ufer sieht , der schönen Athener wieder gedenkt und wieder Glück uns bringt , wie damals seinen Lieblingen , auf fröhlicher Woge ?
Seelenvolles Mädchen ! du bist so schön schon jetzt ! wie wirst du dann erst , wenn das echte Klima dich nährt , in entzückender Glorie blühn !
Diotima an Hyperion .
Ich hatte die meiste Zeit mich eingeschlossen seit du fort bist , lieber Hyperion !
Heute war ich wieder einmal draußen .
In holder Februarluft habe ich Leben gesammelt und bringe das gesammelte dir .
Es hat auch mir noch wohlgetan , das frische Erwarmen des Himmels , noch habe ich sie mitgefühlt , die neue Wonne der Pflanzenwelt , der reinen , immergleichen , wo alles trauert und sich wieder freut zu seiner Zeit .
Hyperion ! o mein Hyperion ! warum gehen wir denn die stillen Lebenswege nicht auch ?
Es sind heilige Namen , Winter und Frühling und Sommer und Herbst ! wir aber kennen sie nicht .
Ist es nicht Sünde , zu trauern im Frühling ? warum tun wir es dennoch ?
Vergib mir ! die Kinder der Erde leben durch die Sonne allein ; ich lebe durch dich , ich habe andere Freuden , ist es denn ein Wunder , wenn ich andere Trauer habe ?
und muß ich trauern ? muß ich denn ?
Mutiger ! lieber ! sollte ich welken , wenn du glänzest ? sollte mir das Herz ermatten , wenn die Siegslust dir in allen Sehnen erwacht ?
Hätte ich ehe Mals gehört , ein griechischer Jüngling mache sich auf , das gute Volk aus seiner Schmach zu ziehen , es der mütterlichen Schönheit , der es entstammte , wieder zu bringen , wie hätte ich aufgestaunt aus dem Traume der Kindheit und gedürstet nach dem Bilde des Teuren ? und nun er da ist , nun er mein ist , kann ich noch weinen ? o des albernen Mädchens ! ist es denn nicht wirklich ? ist er der Herrliche nicht , und ist er nicht mein ! o ihr Schatten seliger Zeit ! ihr meine trauten Erinnerungen !
Ist mir doch , als wäre er kaum von ge Stern , jener Zauberabend , da der heilige Fremdling mir zum erstenmal begegnete , da er , wie ein trauernder Genius , hereinglänzt in die Schatten des Walds , wo im Jugendtraume das unbekümmerte Mädchen saß - in der Mailuft kam er , in Joniens zauberischer Mailuft und sie machte ihn blühender mir , sie lockt ihm das Haar , entfaltet ihm , wie Blumen , die Lippen , löst in Lächeln die Wehmut auf und o ihr Strahlen des Himmels ! wie leuchtetet ihr aus diesen Augen mich an , aus diesen berauschenden Quellen , wo im Schatten umschirmend Bogen ewig Leben schimmert und wallt ! -
Gute Götter ! wie er schön wurde mit dem Blick auf mich !
wie der ganze Jüngling , eine Spanne größer geworden , in leichter Nerve dastand , nur daß ihm die lieben Arme die bescheidenen niedersanken , als wären sie nichts ! und wie er drauf emporsah im Entzücken , als wäre ich gen Himmel entflogen und nicht mehr da , ach ! wie er nun in aller Herzensanmut lächelt und errötete , da er wieder mich gewahr wurde und unter den dämmernden Tränen sein Phöbusauge durchstrahlt , um zu fragen , bist du_es ? bist du es wirklich ?
Und warum begegnete er so frommen Sinnes , so voll lieben Aberglaubens mir ? warum II. Bd. C lockt er erst sein Haupt gesenkt , warum war der Götterjüngling so voll Sehnens und Trauerns ?
Sein Genius war zu selig , um allein zu bleiben , und zu arm die Welt , um ihn zu fassen .
O es war ein liebes Bild , gewebt von Größe und Leiden !
Aber nun ist_es anders ! mit dem Leiden ist_es aus !
Er hat zu tun bekommen , er ist der Kranke nicht mehr ! -
Ich war voll Seufzens , da ich anfing dir zu schreiben , mein Geliebter !
Jetzt bin ich lauter Freude .
So spricht man über dir sich glücklich .
Und siehe !
so soll_es auch bleiben .
Lebe wohl !
Hyperion an Diotima .
Wir haben noch zu gutem Ende dein Fest gefeiert , schönes Leben ! ehe der Lärm beginnt .
Es war ein himmlischer Tag .
Das holde Frühjahr weht und glänzte vom Orient her , entlockt uns deinen Namen , wie es den Bäumen die Blüten entlockt , und alle seligen Geheimnisse der Liebe entatmeten mir .
Eine Liebe , wie die unsere , war dem Freunde nie erschienen , und es war entzückend , wie der stolze Mensch aufmerkte und Auge und Geist ihm glühte , dein Bild , dein Wesen zu fassen .
O , rief er endlich , da ist_es wohl der Mühe wert , für unser Griechenland zu streiten , wenn es solche Gewächse noch trägt !
Ja wohl , mein Alabanda , sagte ich ; da gehen wir heiter in den Kampf , da treibt uns himmlisch Feuer zu Taten , wenn unser Geist vom Bilde solcher Naturen verjüngt ist , und da läuft man auch nach einem kleinen Ziele nicht , da sorgt man nicht für dies und das und künstelt , den Geist nicht achtend , von außen und trinkt um des Kelchs Willen den Wein ; da ruhn wir dann erst , Alabanda , wenn des Genius Wonne kein Geheimnis mehr ist , dann erst , wenn die Augen all in Triumphbogen sich wandeln , wo der Menschengeist , der langabwesende , hervorglänzt aus den Irren und Leiden und siegesfroh den väterlichen Äther grüßt . -
Ha ! an der Fahne allein soll niemand unser künftig Volk erkennen ; es muß sich alles verjüngen , es muß von Grund aus anders sein ; voll Ernsts die Lust und heiter alle Arbeit ! nichts , auch das kleinste , das alttäglichste nicht ohne den Geist und die Götter !
Liebe und Haß und jeder Laut von uns muß die gemeinere Welt befremden und auch kein Augenblick darf Einmal noch uns mahnen an die platte Vergangenheit !
Hyperion an Diotima .
Der Vulkan bricht los .
In Koran und Modon werden die Türken belagert und wir rücken mit unserem Bergvolk gegen den Pelopones hinauf .
Nun hat die Schwermut alle ein Ende , Diotima , und mein Geist ist fester und schneller , seit ich in lebendiger Arbeit bin und sieh !
ich habe nun auch eine Tagesordnung .
Mit der Sonne Beginn ' ich .
Da gehe ich hinaus , wo im Schatten des Walds mein Kriegsvolk liegt und grüße die tausend hellen Augen , die jetzt vor mir mit wilder Freundlichkeit sich auftun .
Ein erwachendes Heer !
ich kenne nichts gleiches und alles Leben in Städten und Dörfern ist , wie ein Bienenschwarm , dagegen .
Der Mensch kann_es nicht verleugnen , daß er einst glücklich war , wie die Hirsche des Forsts und nach unzähligen Jahren klimmt noch in uns ein Sehnen nach den Tagen der Urwelt , wo jeder die Erde durchstreifte , wie ein Gott , ehe , ich weiß nicht was ? den Menschen zahm gemacht , und noch , statt Mauern und totem Holz , die Seele der Welt , die heilige Luft allgegenwärtig ihn umfing .
Diotima ! mir geschieht oft wunderbar , wenn ich mein unbekümmert Volk durchgehe und , wie aus der Erde gewachsen , einer um den anderen aufsteht und dem Morgenlicht ' entgegen sich dehnt , und unter den Haufen der Männer die knatternde Flamme emporsteigt , wo die Mutter sitzt mit dem frierenden Kindlein , wo die erquickende Speise kocht , indes die Rosse , den Tag witternd , schnauben und schrein , und der Wald ertönt von schütternder Kriegsmusik , und rings von Waffen schimmert und rauscht - aber das sind Worte und die eigene Lust von solchem Leben erzählt sich nicht .
Dann sammelt mein Haufe sich um mich her , mit Lust , und es ist wunderbar , wie auch die Ältesten und Trotzigsten in aller meiner Jugend mich ehren .
Wir werden vertrauter und mancher erzählt wies ihm erging im Leben und mein Herz schwillt oft von mancherlei Schicksal .
Dann fang ich an , von besseren Tagen zu reden , und glänzend gehen die Augen ihnen auf , wenn sie des Bundes gedenken , der uns einigen soll , und das stolze Bild des werdenden Freistaats dämmert vor ihnen .
Alles für jeden und jeder für alle !
Es ist ein freudiger Geist in den Worten und er er greift auch immer meine Menschen , wie Göttergebot .
O Diotima ! so zu sehen , wie von Hoffnungen da die starre Natur erweicht und alle ihre Pulse mächtiger schlagen und von Entwürfen die verdüsterte Stirn sich entfaltet und glänzt , so da zu stehen in einer Sphäre von Menschen , umrungen von Glauben und Lust , das ist doch mehr , als Erde und Himmel und Meer in aller ihrer Glorie zu schaun .
Dann üb ich sie in Waffen und Märschen bis um Mittag .
Der frohe Mut macht sie gelehrig , wie er zum Meister mich macht .
Bald stehen sie dichtgedrängt in makedonischer Reih ' und regen den Arm nur , bald fliegen sie , wie Strahlen , auseinander zum gewagteren Streit in einzelnen Haufen , wo die geschmeidige Kraft in jeder Stelle sich ändert und jeder selbst sein Feldherr ist , und sammeln sich wieder in sicherem Punkt - und immer , wo sie gehen und stehen in solchem Waffentanze , schwebt ihnen und mir das Bild der Tyrannenknechte und der ernstere Wahlplatz vor Augen .
Drauf , wenn die Sonne heißer scheint , wird Rat gehalten im Inneren des Walds und es ist Freude , so mit stillen Sinnen über der großen Zukunft zu walten .
Wir nehmen dem Zufall die Kraft , wir meistern das Schicksal .
Wir lassen Widerstand nach unserem Willen entstehen , wir reizen den Gegner zu dem , worauf wir gerüstet sind .
Oder sehen wir zu und scheinen furchtsam und lassen ihn näher kommen , bis er das Haupt zum Schlag uns reicht , auch nehmen wir ihm mit Schnelle die Fassung und das ist meine Panazee .
Doch halten die erfahreneren Ärzte nichts auf solche allesheilende Mittel .
Wie wohl ist dann des Abends mir bei meinem Alabanda , wenn wir zur Lust auf munteren Rossen die Sonnenroten Hügel umschweifen , und auf den Gipfeln , wo wir weilen , die Luft in den Mähnen unserer Tiere spielt , und das freundliche Säuseln in unsere Gespräche sich mischt , indes wir hinaussehn in die Fernen von Sparta , die unser Kampfpreis sind ! und wenn wir nun zurück sind und zusammensitzen in lieblicher Kühle der Nacht , wo uns der Becher duftet und das Mondlicht unser spärlich Mal bescheint und mitten in unserer lächelnden Stille die Geschichte der Alten , wie eine Wolke aufsteigt aus dem heiligen Boden der uns trägt , wie selig ist_es da , in solchem Momente sich die Hände zu reichen !
Dann spricht wohl Alabanda noch von manchem , den die Langeweile des Jahrhunderts peinigt , von so mancher wunderbaren krummen Bahn , die sich das Leben bricht , seitdem sein gerader Gang gehemmt ist , dann fällt mir auch mein Adamas ein , mit seinen Reisen , seiner eigenen Sehnsucht in das innere Asien hinein - das sind nur Notbehelfe , guter Alter ! möchte ich dann ihm rufen , komme ! und baue deine Welt !
mit uns !
denn unsere Welt ist auch die deine .
Auch die deine , Diotima , denn sie ist die Kopie von dir .
O du , mit deiner Elysiumsstille , könnten wir das schaffen , was du bist !
Hyperion an Diotima .
Wir haben jetzt dreimal in Einem fort gesiegt in kleinen Gefechten , wo aber die Kämpfer sich durchkreuzten , wie Blitze , und alles Eine verzehrende Flamme war .
Navarin ist unser und wir stehen jetzt vor der Feste Misistra , dem Überreste des alten Sparta .
Ich habe auch die Fahne , die ich einer albanischen Horde entriß , auf eine Ruine gepflanzt , die vor der Stadt liegt , habe vor Freude meinen türkischen Kopfbund in den Eurotas geworfen und trage seitdem den griechischen Helm .
Und nun möchte ich dich sehen , o Mäd chen !
sehen möchte ich dich und deine Hände nehmen und an mein Herz sie drücken , dem die Freude nun bald vielleicht zu groß ist ! bald ! in einer Woche vielleicht ist er befreit , der alte , edle , heilige Pelopones .
O dann , du Teure ! Lehre mich fromm sein ! dann Lehre mein überwallend Herz ein Gebet !
Ich sollte schweigen , denn was habe ich getan ?
und hätte ' ich etwas getan , wovon ich sprechen möchte , wieviel ist dennoch übrig ?
Aber was kann ich dafür , daß mein Gedanke schneller ist , wie die Zeit ?
Ich wollte so gern , es wäre umgekehrt und die Zeit und die Tat überflöge den Gedanken und der geflügelte Sieg übereilte die Hoffnung selbst .
Mein Alabanda blüht , wie ein Bräutigam .
Aus jedem seiner Blicke lacht die kommende Welt mich an , und daran still ich noch die Ungeduld so ziemlich .
Diotima !
ich möchte dieses werdende Glück nicht um die schönste Lebenszeit des alten Griechenlands vertauschen , und der kleinste unserer Siege ist mir lieber , als Marathon und Thermopylä und Platea .
Ist_es nicht wahr ?
Ist nicht dem Herzen das genesende Leben mehr wert , als das reine , das die Krankheit noch nicht kennt ?
Erst wenn die Jugend hin ist , lieben wir sie , und dann erst , wenn die verlorene wiederkehrt , beglückt sie alle Tiefen der Seele .
Am Eurotas steht mein Zelt , und wenn ich nach Mitternacht erwache , rauscht der alte Flußgott mahnend mir vorüber , und lächelnd nehme ich die Blumen des Ufers , und streue sie in seine glänzende Welle und sage ihm : Nimm es zum Zeichen , du Einsamer !
Bald umblüht das alte Leben dich wieder .
Diotima an Hyperion .
Ich habe die Briefe erhalten , mein Hyperion , die du unterwegs mir schriebst .
Du ergreifst mich gewaltig mit allem , was du mir sagst , und mitten in meiner Liebe schaudert mich oft , den sanften Jüngling , der zu meinen Füßen geweint , in dieses rüstige Wesen verwandelt zu sehen .
Wirst du denn nicht die Liebe verlernen ?
Aber wandle nur zu !
Ich folge dir .
Ich glaube , wenn du mich hassen könntest , würde ich auch da sogar dir nachempfinden , würde mir Mühe geben , dich zu hassen und so blieben unsere Seelen sich gleich und das ist kein eitelübertrieben Wort , Hyperion .
Ich bin auch selbst ganz anders , wie sonst .
Mir mangelt der heitere Blick in die Welt und die freie Lust an allem Lebendigen .
Nur das Feld der Sterne zieht mein Auge noch an .
Dagegen denke ich um so lieber an die großen Geister der Vorwelt und wie sie geendet haben auf Erden , und die hohen Spartanischen Frauen haben mein Herz gewonnen .
Dabei vergesse ich nicht die neuen Kämpfer , die kräftigen , deren Stunde gekommen ist , oft höre ich ihren Siegslärm durch den Pelopones herauf mir näher brausen und näher , oft sehe ich sie , wie eine Katarakte , dort herunterwogen durch die Epidaurischen Wälder und ihre Waffen fernher glänzen im Sonnenlichte , das , wie ein Herold , sie geleitet , o mein Hyperion ! und du kommst geschwinde nach Kalaure herüber und grüßest die stillen Wälder unserer Liebe , grüßest mich , und fliegst nun wieder zu deiner Arbeit zurück ; - und denkst du , ich fürchte den Ausgang ?
Liebster ! manchmal will_es mich überfallen , aber meine größeren Gedanken halten , wie Flammen , den Frost ab. - Lebe wohl ! vollende , wie es der Geist dir gebietet !
und laß den Krieg zu lange nicht dauern , um des Friedens Willen , Hyperion , um des schönen , neuen , goldenen Friedens Willen , wo , wie du sagtest , einst in unser Rechtsbuch eingeschrieben werden die Gesetze der Natur , und wo das Leben selbst , wo sie , die göttliche Natur , die in kein Buch geschrieben werden kann , im Herzen der Gemeinde sein wird .
Lebe wohl .
Hyperion an Diotima .
Du hättest mich besänftigen sollen , meine Diotima ! hättest sagen sollen , ich möchte mich nicht übereilen , möchte dem Schicksal nach und nach den Sieg abnötigen , wie kargen Schuldnern die Summe .
O Mädchen ! stille zu stehen , ist schlimmer , wie alles .
Mir trocknet das Blut in den Adern , so dürste ich , weiterzukommen und muß hier müßig stehen , muß belagern und belagern , den einen Tag , wie den anderen .
Unser Volk will stürmen , aber das würde die aufgeregten Gemüter zum Rausch erhitzen und wehe dann unseren Hoffnungen , wenn das wilde Wesen aufgärt und die Zucht und die Liebe zerreißt .
Ich weiß nicht , es kann nur noch einige Tage dauern , so muß Misistra sich ergeben , aber ich wollte , wir wären weiter .
Im Lager hier ist_es mir , wie in gewitterhafter Luft .
Ich bin ungeduldig , auch meine Leute gefallen mir nicht .
Es ist ein furchtbarer Mutwille unter ihnen .
Aber ich bin nicht klug , daß ich so viel aus meiner Laune mache .
Und das alte Lakedämon ist_es ja doch wohl wert , daß man ein wenig Sorge leidet , ehe man es hat .
Hyperion an Diotima .
Es ist aus , Diotima ! unsere Leute haben geplündert , gemordet , ohne Unterschied , auch unsere Brüder sind erschlagen , die Griechen in Misistra , die Unschuldigen , oder irren sie hülflos herum und ihre tote Jammermiene ruft Himmel und Erde zur Rache gegen die Barbaren , an deren Spitze ich war .
Nun kann ich hingehen und von meiner guten Sache predigen .
O nun fliegen alle Herzen mir zu !
Aber ich habe_es auch klug gemacht .
Ich habe meine Leute gekannt .
In der Tat ! es war ein außerordentlich Projekt , durch eine Räuberbande mein Elysium zu pflanzen .
Nein ! bei der heiligen Nemesis ! mir ist recht geschehen und ich will_es auch dulden , dulden will ich , bis der Schmerz mein letzt Bewußtsein mir zerreißt .
Denkst du , ich tobe ?
Ich habe eine ehrsame Wunde , die einer meiner Getreuen mir schlug , indem ich den Greuel abwehrte .
Wenn ich tobte , so riss ich die Binde von ihr , und so ränne mein Blut , wohin es gehört , in diese trauernde Erde .
Diese trauernde Erde ! die nackte !
so ich kleiden wollte mit heiligen Hainen , so ich schmücken wollte mit allen Blumen des griechischen Lebens !
O es wäre schön gewesen , meine Diotima .
Nennst du mich mutlos ?
Liebes Mädchen ! es ist des Unheils zu viel .
An allen Enden brechen wütende Haufen herein ; wie eine Seuche , tobt die Raubgier in Morea und wer nicht auch das Schwert ergreift , wird verjagt , geschlachtet und dabei sagen die Rasenden , sie fechten für unsere Freiheit .
Andere des rohen Volks sind von dem Sultan bestellt und Treibens , wie jene .
Eben höre ich , unser ehrlos Heer sei nun zerstreut .
Die Feigen begegneten bei Tripolissa einem Albanischen Haufen , der um die Hälfte geringer an Zahl war .
Weil_es aber nichts zu plündern gab , so liefen die Elenden alle davon .
Die Russen , die mit uns den Feldzug wagten , vierzig brave Männer , hielten allein aus , fanden auch alle den Tod .
Und so bin ich nun mit meinem Alabanda wieder einsam , wie zuvor .
Seitdem der Treue mich fallen und bluten sah in Misistra , hat er alles andere vergessen , seine Hoffnungen , seine Siegslust , seine Verzweiflung .
Der Ergrimmte , der unter die Plünderer stürzte , wie ein strafender Gott , der führte nun so sanft mich aus dem Getümmel , und seine Tränen netzten mein Kleid .
Er blieb auch bei mir in der Hütte , wo ich seitdem lag und ich freue mich nun erst recht darüber .
Denn wäre er mit fortgezogen , so läge er jetzt bei Tripolissa im Staub .
Wie es weiter werden soll , das weiß ich nicht .
Das Schicksal stößt mich ins Ungewisse hinaus und ich habe es verdient ; von dir verbannt mich meine eigene Scham und wer weiß , wie lange ?
Ach !
ich habe dir ein Griechenland versprochen und du bekommst ein Klaglied nun dafür .
Sei selbst dein Trost !
Hyperion an Diotima .
Ich bringe mich mit Mühe zu Worten .
Man spricht wohl gerne , man plaudert , wie die Vögel , so lange die Welt , wie Mailuft , einen anweht ; aber zwischen Mittag und Abend kann es anders werden , und was ist verloren am Ende ?
Glaube mir und denke , ich sag aus tiefer Seele dir : die Sprache ist ein großer Überfluß .
Das Beste bleibt doch immer für sich und ruht in seiner Tiefe , wie die Perle im Grunde des Meers . -
Doch was ich eigentlich dir schreiben wollte , weil doch einmal das Gemälde seinen Rahmen und der Mann sein Tagwerk haben muß , so will ich noch auf eine Zeitlang Dienste nehmen bei der Russischen Flotte ; denn mit den Griechen habe ich weiter nichts zu tun .
O teures Mädchen ! es ist sehr finster um mich geworden !
Hyperion an Diotima .
Ich habe gezaudert , gekämpft .
Doch endlich muß es sein .
Ich sehe , was notwendig ist , und weil ich es sehe , so soll es auch werden .
Mißdeute mich nicht ! verdamme mich nicht !
ich muß dir raten , daß du mich verläsest , meine Diotima .
Ich bin für dich nichts mehr , du holdes Wesen !
Dies Herz ist dir versiegt , und meine Augen sehen das Lebendige nicht mehr .
O meine Lippen sind verdorrt ; der Liebe süßer Hauch quellt mir im Busen nicht mehr .
Ein Tag hat alle Jugend mir genommen ; am Eurotas hat mein Leben sich müde geweint , ach ! am Eurotas , der in rettungsloser Schmach an Lakedämons Schutt vorüberklagt , mit allen seinen Wellen .
Da , da hat mich das Schicksal abgeerntet .
- Soll ich deine Liebe , wie ein Almosen , besitzen ? -
Ich bin so gar nichts , bin so ruhmlos , wie der ärmste Knecht .
Ich bin verbannt , verflucht , wie ein gemeiner Rebell und mancher Grieche in Morea wird von unseren Heldentaten , wie von einer Diebsgeschichte , seinen Kindeskindern künftighin erzählen .
Ach !
und Eines habe ich lange dir verschwiegen .
Feierlich verstieß mein Vater mich , verwies mich ohne Rückkehr aus dem Hause meiner Jugend , will mich nimmer wieder sehen , nicht in diesem , noch im anderen Leben , wie er sagt .
So lautet die Antwort auf den Brief , worin ich mein Beginnen ihm geschrieben .
Nun laß dich nur das Mitleid nimmer irre führen .
Glaube mir , es bleibt uns überall noch II. Bd. D eine Freude .
Der echte Schmerz begeistert .
Wer auf sein Elend tritt , steht höher .
Und das ist herrlich , daß wir erst im Leiden recht der Seele Freiheit fühlen .
Freiheit ! wer das Wort versteht - es ist ein tiefes Wort , Diotima .
Ich bin so innigst angefochten , bin so unerhört gekränkt , bin ohne Hoffnung , ohne Ziel , bin gänzlich ehrlos , und doch ist eine Macht in mir , ein Unbezwingliches , das mein Gebein mit süßen Schauern durchdringt , so oft es rege wird in mir .
Auch habe ich meinen Alabanda noch .
Der hat so wenig zu gewinnen , als ich selbst .
Den kann ich ohne Schaden mir behalten .
Ach !
der königliche Jüngling hätte ein besser Los verdient .
Er ist so sanft geworden und so still .
Das will mir oft das Herz zerreißen .
Aber einer erhält den anderen .
Wir sagen uns nichts ; was sollten wir uns sagen ? aber es ist denn doch ein Segen in manchem kleinen Liebesdienste , den wir uns leisten .
Da schläft er und lächelt genügsam , mitten in unserem Schicksal .
Der Gute !
er weiß nicht , was ich tue .
Er würde es nicht dulden .
Du musst an Diotima schreiben , gebot er mir , und musst ihr sagen , daß sie bald mit dir sich aufmacht , in ein leidlicher Land zu fliehen .
Aber er weiß nicht , daß ein Herz , das so verzweifeln lernte , wie seines und wie meines , der Geliebten nichts mehr ist .
Nein ! nein !
du fändest ewig keinen Frieden bei Hyperion , du müßtest untreu werden und das will ich dir ersparen .
Und so lebe denn wohl , du süßes Mädchen ! lebe wohl !
Ich möchte dir sagen , gehe dahin , gehe dorthin ; da rauschen die Quellen des Lebens .
Ich möchte ein freier Land , ein Land voll Schönheit und voll Seele dir zeigen und sagen : dahin rette dich !
Aber o Himmel ! könnte ich dies , so wäre ich auch ein anderer und so müßte ich auch nicht Abschied nehmen - Abschied nehmen ?
Ach !
ich weiß nicht , was ich tue .
Ich wähnte mich so gefaßt , so besonnen .
Jetzt schwindelt mir und mein Herz wirft sich umher , wie ein ungeduldiger Kranker .
Weh über mich !
ich richte meine letzte Freude zu Grunde .
Aber es muß sein und das Ach !
der Natur ist hier umsonst .
Ich bin es dir schuldig , und ich bin ja ohnedies dazu geboren , heimatlos und ohne Ruhestätte zu sein .
O Erde ! o ihr Sterne ! werde ich nirgends wohnen am Ende ?
Noch Einmal möchte ich wiederkehren an deinen Busen , wo es auch wäre !
Ätheraugen !
Einmal noch mir wieder begegnen in euch ! an deinen Lippen hängen , du Liebliche ! du Unaussprechliche ! und in mich trinken dein entzückend heiligsüßes Leben - aber höre das nicht !
ich bitte dich , achte das nicht !
Ich würde sagen , ich sei ein Verführer , wenn du es hörtest .
Du kennst mich , du verstehst mich .
Du weist , wie tief du mich achtest , wenn du mich nicht bedauerst , mich nicht hörst .
Ich kann , ich darf nicht mehr - wie mag der Priester leben , wo sein Gott nicht mehr ist ?
O Genius meines Volks ! o Seele Griechenlands !
ich muß hinab , ich muß im Totenreich dich suchen .
Hyperion an Diotima .
Ich habe lange gewartet , ich will es dir gestehen , ich habe sehnlich auf ein Abschiedswort aus deinem Herzen gehofft , aber du schweigst .
Auch das ist eine Sprache deiner schönen Seele , Diotima .
Nicht wahr , die heiligeren Akkorde hören darum denn doch nicht auf ? nicht wahr , Diotima , wenn auch der Liebe sanftes Mondlicht untergeht , die höheren Sterne ihres Himmels leuchten noch immer ?
O das ist ja meine lez te Freude , daß wir unzertrennlich sind , wenn auch kein Laut von dir zu mir , kein Schatte unserer holden Jugendtage mehr zurückkehrt !
Ich schaue hinaus in die abendrotliche See , ich Strecke meine Arme aus nach der Gegend , wo du ferne lebst und meine Seele erwarmt noch einmal an allen Freuden der Liebe und Jugend .
O Erde ! meine Wiege ! alle Wonne und aller Schmerz ist in dem Abschied , den wir von dir nehmen .
Ihr lieben Ionischen Inseln ! und du , mein Kalaure , und du , mein Tina , ihr seid mir alle im Auge , so fern ihr seid und mein Geist fliegt mit den Lüftchen über die regen Gewässer ; und die ihr dort zur Seite mir dämmert , ihr Ufer von Teos und Ephesus , wo ich einst mit Alabanda ging in den Tagen der Hoffnung , ihr scheint mir wieder , wie damals , und ich möchte hinüberschiffen ans Land und den Boden küssen und den Boden erwärmen an meinem Busen , und alle süßen Abschiedsworte stammeln vor der schweigenden Erde , ehe ich auffliege ins Freie .
Schade , Schade , daß es jetzt nicht besser zugeht unter den Menschen , sonst blieb ich gern auf diesem guten Stern .
Aber ich kann dies Erdenrund entbehren , das ist mehr , denn alles , was es geben kann .
Laß uns im Sonnenlicht , o Kind ! die Knechtschaft dulden , sagte zu Polyxena die Mutter , und ihre Lebensliebe konnte nicht schöner sprechen .
Aber das Sonnenlicht , das eben widerrät die Knechtschaft mir , das läßt mich auf der entwürdigten Erde nicht bleiben und die heiligen Strahlen ziehen , wie Pfade , die zur Heimat führen , mich an .
Seit langer Zeit ist mir die Majestät der schicksallosen Seele gegenwärtiger , als alles andere gewesen ; in herrlicher Einsamkeit habe ich manchmal in mir selber gelebt ; ich bin_es gewohnt geworden , die Außendinge abzuschütteln , wie Flocken von Schnee ; wie sollt ' ich dann mich scheuen , den sogenannten Tod zu suchen ? habe ich nicht tausendmal mich in Gedanken befreit , wie sollte ich denn anstehn , es Einmal wirklich zu tun ?
Sind wir denn , wie leibeigene Knechte , an den Boden gefesselt , den wir pflügen ? sind wir , wie zahmes Geflügel , das aus dem Hofe nicht laufen darf , weil_es da gefüttert wird ?
Wir sind , wie die jungen Adler , die der Vater aus dem Neste jagt , daß sie im hohen Äther nach Beute suchen .
Morgen schlägt sich unsere Flotte und der Kampf wird heiß genug sein .
Ich betrachte diese Schlacht , wie ein Bad , den Staub mir abzuwaschen ; und ich werde wohl finden , was ich wünsche ; Wünsche , wie meiner , gewähren an Ort und Stelle sich leicht .
Und so hätte ich doch am Ende durch meinen Feldzug etwas erreicht und sehe , daß unter Menschen keine Mühe vergebens ist .
Fromme Seele !
ich möchte sagen , denke meiner , wenn du an mein Grab kömst .
Aber sie werden mich wohl in die Meersflut werfen , und ich sehe es gerne , wenn der Rest von mir da untersinkt , wo die Quellen alle und die Ströme , die ich liebte , sich versammeln , und wo die Wetterwolke aufsteigt , und die Berge tränkt und die Tale , die ich liebte .
Und wir ? o Diotima !
Diotima ! wann sehen wir uns wieder ?
Es ist unmöglich , und mein innerstes Leben empört sich , wenn ich denken will , als verlören wir uns .
Ich würde Jahrtausende lang die Sterne durchwandern , in alle Formen mich kleiden , in alle Sprachen des Lebens , um dir Einmal wieder zu begegnen .
Aber ich denke , was sich gleich ist , findet sich bald .
Große Seele ! du wirst dich finden kön einen in diesen Abschied und so laß mich wandern !
Grüße deine Mutter !
Grüße Notara und die anderen Freunde !
Auch die Bäume grüße , wo ich dir zum erstenmal begegnete und die fröhlichen Bäche , wo wir gingen und die schönen Gärten von Angele , und laß , du Liebe ! dir mein Bild dabei begegnen .
Lebe wohl .
Zweites Buch .
Hyperion an Bellarmin .
Ich war in einem holden Traume , da ich die Briefe , die ich einst gewechselt , für dich abschrieb .
Nun schreibe ich wieder dir , mein Bellarmin ! und führe weiter dich hinab , hinab bis in die tiefste Tiefe meiner Leiden , und dann , du letzter meiner Lieben ! komme mit mir heraus zur Stelle , wo ein neuer Tag uns anglänzt .
Die Schlacht , wovon ich an Diotima geschrieben , begann .
Die Schiffe der Türken hatten sich in den Kanal , zwischen die Insel Chios und die asiatische Küste hinein , geflüchtet , und standen am festen Lande hinauf bei Tschesme .
Mein Admiral verließ mit seinem Schiffe , worauf ich war , die Reihe , und hob das Vorspiel an mit dem ersten Schiffe der Türken .
Das grimmige Paar war gleich beim ersten Angriff bis zum Taumel erhitzt , es war ein rachetrunknes schreckliches Getümmel .
Die Schiffe hingen bald mit ihrem Tauwerk aneinander fest ; das wütende Gefecht wurde immer enger und enger .
Ein tiefes Lebensgefühl durchdrang mich noch .
Es war mir warm und wohl in allen Gliedern .
Wie ein zärtlichscheidender , fühlte zum letztenmal sich in allen seinen Sinnen mein Geist .
Und nun , voll heißen Unmuts , daß ich Besseres nicht wußte , denn mich schlachten zu lassen in einem Gedränge von Barbaren , mit zürnenden Tränen im Auge , stürmt ich hin , wo mir der Tod gewiß war .
Ich traf die Feinde nahe genug und von den Russen , die an meiner Seite fochten , war in wenig Augenblicken auch nicht Einer übrig .
Ich stand allein da , voll Stolzes , und warf mein Leben , wie einen Bettlerpfennig , vor die Barbaren , aber sie wollten mich nicht .
Sie sahen mich an , wie einen , an dem man sich zu versündigen fürchtet , und das Schicksal schien mich zu achten in meiner Verzweiflung .
Aus höchster Notwehr hieb denn endlich einer auf mich ein , und traf mich , daß ich stürzte .
Mir wurde von da an nichts mehr bewußt , bis ich auf Paros , wohin ich übergeschifft war , wieder erwachte .
Von dem Diener , der mich aus der Schlacht trug , hörte ich nachher , die beiden Schiffe , die den Kampf begonnen , seien in die Luft geflo gen , den Augenblick darauf , nachdem er mit dem Wundarzt mich in einem Boote weggebracht .
Die Russen hatten Feuer in das Türkische Schiff geworfen , und weil ihr eigenes an dem anderen festhing , brannte es mit auf .
Wie diese fürchterliche Schlacht ein Ende nahm , ist dir bekannt .
So straft ein Gift das andere , rief ich , da ich erfuhr , die Russen hätten die ganze Türkische Flotte verbrannt - so Rotten die Tyrannen sich selbst aus .
Hyperion an Bellarmin .
Sechs Tage nach der Schlacht lag ich in einem peinlichen todähnlichen Schlaf .
Mein Leben war , wie eine Nacht , von Schmerzen , wie von zückenden Blitzen , unterbrochen .
Das Erste , was ich wieder erkannte , war Alabanda .
Er war , wie ich erfuhr , nicht einen Augenblick von mir gewichen , hatte fast allein mich bedient , mit unbegreiflicher Geschäftigkeit , mit tausend zärtlichen häuslichen Sorgen , woran er sonst im Leben nie gedacht , und man hatte ihn auf den Knien vor meinem Bette rufen gehört : o lebe , mein Lieber ! daß ich lebe !
Es war ein glücklich Erwachen , Bellarmin ! da mein Auge nun wieder dem Lichte sich öffnete , und mit den Tränen des Wiedersehens der Herrliche vor mir stand .
Ich reicht ihm die Hand hin , und der Stolze küßte sie mit allen Entzücken der Liebe .
Er lebt , rief er , o Retterin ! o Natur !
du gute , alles heilende ! dein armes Paar , das vaterlandslose , das irre , verläsest doch du nicht !
O ich will es nie vergessen , Hyperion ! wie dein Schiff vor meinen Augen im Feuer aufging , und donnernd , in die rasende Flamme die Schiffer mit sich hinaufriß , und unter den wenigen geretteten kein Hyperion war .
Ich war von Sinnen und der grimmige Schlachtlärm stillte mich nicht .
Doch hörte ich bald von dir und flog dir nach , so bald wir mit dem Feinde vollends fertig waren .
- Und wie er nun mich hütete ! wie er mit liebender Vorsicht mich gefangen hielt in dem Zauberkreise seiner Gefälligkeiten ! wie er , ohne ein Wort , mit seiner großen Ruhe mich lehrte , den freien Lauf der Welt neidlos und männlich zu verstehen !
O ihr Söhne der Sonne ! ihr freieren Seelen ! es ist viel verloren gegangen in diesem Alabanda .
Ich suchte umsonst und flehte das Leben an , seit er fort ist ; solch eine Römernatur habe ich nimmer gefunden .
Der Sorgenfreie , der Tiefverständige , der Tapfere , der Edle !
Wo ist ein Mann , wenn er_es nicht war ?
Und wenn er freundlich war und fromm , da war_es , wie wenn das Abendlicht im Dunkel der majestätischen Eiche spielt und ihre Blätter träufeln vom Gewitter des Tags .
Hyperion an Bellarmin .
Es war in den schönen Tagen des Herbsts , da ich von meiner Wunde halbgenesen zum erstenmal wieder ans Fenster trat .
Ich kam mit stilleren Sinnen wieder ins Leben und meine Seele war aufmerksamer geworden .
Mit seinem leisesten Zauber wehte der Himmel mich an , und mild , wie ein Blütenregen , flossen die heiteren Sonnenstrahlen herab .
Es war ein großer , stiller , zärtlicher Geist in dieser Jahrszeit , und die Vollendungsruhe , die Wonne der Zeitigung in den säuselnden Zweigen umfing mich , wie die erneuerte Jugend , so die Alten in ihrem Elysium hofften .
Ich hatte es lange nicht mit reiner Seele genossen , das kindliche Leben der Welt , nun tat mein Auge sich auf mit aller Freude des Wiedersehens und die selige Natur war wandellos in ihrer Schöne geblieben .
Meine Tränen flossen , wie ein Sühnopfer , vor ihr , und schaudernd stieg ein frisches Herz mir aus dem alten Unmut auf .
O heilige Pflanzenwelt ! rief ich , wir streben und sinnen und haben doch dich !
wir ringen mit sterblichen Kräften Schönes zu baun , und es wächst doch sorglos neben uns auf ! nicht wahr , Alabanda ? für die Not zu sorgen , sind die Menschen gemacht , das übrige gibt sich selber .
Und doch - ich kann es nicht vergessen , wie viel mehr ich gewollt .
Laß dir genug sein , Lieber ! daß du bist , rief Alabanda , und störe dein stilles Wirken durch die Trauer nicht mehr .
Ich will auch ruhen , sagte ich .
O ich will die Entwürfe , die Foderungen alle , wie Schuldbriefe , zerreißen .
Ich will mich rein erhalten , wie ein Künstler sich hält , dich will ich lieben , harmlos Leben , Leben des Hains und des Quells ! dich will ich ehren , o Sonnenlicht ! an dir mich stillen , schöner Äther , der die Sterne beseelt , und hier auch diese Bäume umatmet und hier im Inneren der Brust uns berührt ! o Eigensinn der Menschen ! wie ein Bettler , habe ich den Nacken gesenkt und es sahen die schweigenden Götter der Natur mit allen ihren Gaben mich an !
- Du lächelst , Alabanda ? o wie oft , in unseren ersten Zeiten , hast du so gelächelt , wann dein Knabe vor dir plauderte , im trunkenen Jugendmut , indes du da , wie eine stille Tempelsäule , standst , im Schutt der Welt , und leiden mußtest , daß die wilden Ranken meiner Liebe dich umwuchsen - sieh ! wie eine Binde fällt von meinen Augen und die alten goldenen Tage sind lebendig wieder da .
Ach ! rief er , dieser Ernst , in dem wir lebten und diese Lebenslust !
Wenn wir jagten im Forst , rief ich , wenn in der Meersflut wir uns badeten , wenn wir sangen und tranken , wo durch den Lorbeerschatten die Sonne und der Wein und Augen und Lippen uns glänzten - es war ein einzig Leben und unser Geist umleuchtete , wie ein glänzender Himmel , unser jugendlich Glück .
Darum läßt auch keiner von dem anderen , sagte Alabanda .
O ich habe dir ein schwer Bekenntnis abzulegen , sagte ich .
Wirst du mir es glauben , daß ich fort gewollt ?
von dir ! daß ich gewaltsam meinen Tod gesucht ! war das nicht herzlos ? rasend ? ach und meine Diotima ! sie soll mich lassen , schrieb ich ihr , und drauf noch einen Brief , den Abend vor der Schlacht - II. Bd. E und da schriebst du , rief er , daß du in der Schlacht dein Ende finden wolltest ? o Hyperion !
Doch hat sie wohl den letzten Brief noch nicht .
Du musst nur eilen , ihr zu schreiben , daß du lebst .
Bester Alabanda ! rief ich , das ist Trost !
Ich schreibe gleich und schicke meinen Diener fort damit .
O ich will ihm alles , was ich habe , bieten , daß er eilt und noch zu rechter Zeit nach Kalaure kommt .
- Und den anderen Brief , wo vom Entsagen die Rede war , versteht , vergibt die gute Seele dir leicht , setzt er hinzu .
vergibt sie ? rief ich ; o ihr Hoffnungen alle ! ja ! wenn ich noch glücklich mit dem Engel würde !
Noch wirst du glücklich sein , rief Alabanda ; noch ist die schönste Lebenszeit dir übrig .
Ein Held ist der Jüngling , der Mann ein Gott , wenn er_es erleben kann .
Es dämmerte mir wunderbar in der Seele bei seiner Rede .
Der Bäume Gipfel schauerten leise ; wie Blumen aus der dunklen Erde , sproßten Sterne aus dem Schoße der Nacht und des Himmels Frühling glänzt ' in heiliger Freude mich an .
Hyperion an Bellarmin .
Einige Augenblicke darauf , da ich eben an Diotima schreiben wollte , trat Alabanda freudig wieder ins Zimmer .
Ein Brief , Hyperion ! rief er ; ich schrak zusammen und flog hinzu .
Wie lange , schrieb Diotima , musste ich leben ohne ein Zeichen von dir !
Du schriebst mir von dem Schicksalstage in Misistra und ich antwortete schnell ; doch allem nach erhieltst du meinen Brief nicht .
Du schriebst mir bald darauf wieder , kurz und düster , und sagtest mir , du seiest gesonnen , auf die Russische Flotte zu gehen ; ich antwortete wieder ; doch auch diesen Brief erhieltst du nicht ; nun harrt ' auch ich vergebens , vom Mai bis jetzt zum Ende des Sommers , bis vor einigen Tagen der Brief kommt , der mir sagt , ich möchte dir entsagen , Lieber !
Du hast auf mich gerechnet , hast mir_es zugetraut , daß dieser Brief mich nicht beleidigen könne .
Das freute mich herzlich , mitten in meiner Betrübnis .
Unglücklicher , hoher Geist ! ich habe nur zu sehr dich gefaßt .
O es ist so ganz natürlich , daß du nimmer lieben willst , weil deine größeren Wünsche verschmachten .
Musst du denn nicht die Speise verschmähen , wenn du daran bist , Durstes zu sterben ?
Ich wußte es bald ; ich konnte dir nicht Alles sein .
Konnte ich die Bande der Sterblichkeit dir lösen ? konnte ich die Flamme der Brust dir stillen , für die kein Quell fließt und kein Weinstock wächst ? konnte ich die Freuden einer Welt in einer Schale dir reichen ?
Das willst du .
Das bedarfst du , und du kannst nicht anders .
Die grenzenlose Unmacht deiner Zeitgenossen hat dich um dein Leben gebracht .
Wem einmal , so , wie dir , die ganze Seele beleidigt war , der ruht nicht mehr in einzelner Freude , wer so , wie du , das fade Nichts gefühlt , erheitert in höchstem Geiste sich nur , wer so den Tod erfuhr , wie du , erholt allein sich unter den Göttern .
glücklich sind sie alle , die dich nicht verstehen !
Wer dich versteht , muß deine Größe teilen und deine Verzweiflung .
Ich fand dich , wie du bist .
Des Lebens erste Neugier trieb mich an das wunderbare Wesen .
Unaussprechlich zog die zarte Seele mich an und kindischfurchtlos spielt ich um deine gefährliche Flamme . -
Die schönen Freuden unserer Liebe sänftigten dich ; böser Mann ! nur , um dich wilder zu machen .
Sie besänftigten , sie trösteten auch mich , sie machten mich vergessen , daß du im Grunde trostlos warst , und daß auch ich nicht fern war , es zu werden , seit ich dir in dein geliebtes Herz sah .
In Athen , bei den Trümmern des Olympion ergriff es mich von neuem .
Ich hatte sonst wohl noch in einer leichten Stunde gedacht , des Jünglings Trauer sei doch wohl so ernst und unerbittlich nicht .
Es ist so selten , daß ein Mensch mit dem ersten Schritt ins Leben so mit Einmal , so im kleinsten Punkt , so schnell , so tief das ganze Schicksal seiner Zeit empfand , und daß es unaustilgbar in ihm haftet , dies Gefühl , weil er nicht rauh genug ist , um es auszustoßen , und nicht schwach genug , es auszuweinen , das , mein Teurer ! ist so selten , daß es uns fast unnatürlich dünkt .
Nun , im Schutt des heiteren Athens , nun ging mir_es selbst zu nah , wie sich das Blatt gewandt , daß jetzt die Toten oben über der Erde gehen und die Lebendigen , die Göttermenschen drunten sind , nun sah ich_es auch zu wörtlich und zu wirklich dir aufs Angesicht geschrieben , nun gab ich dir auf ewig Recht .
Aber zugleich erschienst du mir auch größer .
Ein Wesen voll geheimer Gewalt , voll tiefer unentwickelter Bedeutung , ein einzig hoffnungsvoller Jüngling schienst du mir .
Zu wem so laut das Schicksal spricht , der darf auch lauter sprechen mit dem Schicksal , sagte ich mir ; je unergründlicher er leidet , um so unergründlich mächtiger ist er .
Von dir , von dir nur hoffte ich alle Genesung .
Ich sah dich reisen .
Ich sah dich wirken .
O der Verwandlung !
Von dir gestiftet , grünte wieder des Akademus Hain über den horchenden Schülern und heilige Gespräche hörte , wie einst , der Ahorn des Ilissus wieder .
Den Ernst der Alten gewann in deiner Schule der Genius unserer Jünglinge bald , und seine vergänglichen Spiele wurden unsterblicher , denn er schämte sich , hielt für Gefangenschaft den Schmetterlingsflug .
- Dem hätte ' , ein Roß zu lenken , genügt ; nun ist er ein Feldherr .
Allzugenügsam hätte der ein eitel Liedchen gesungen ; nun ist er ein Künstler .
Denn die Kräfte der Helden , die Kräfte der Welt hattest du aufgetan vor ihnen in offenem Kampf ; die Rätsel deines Herzens hattest du ihnen zu lösen gegeben ; so lernten die Jünglinge Großes vereinen , lernten verstehen das Spiel der Natur , das seelenvolle , und vergaßen den Scherz . -
Hyperion !
Hyperion ! hast du nicht mich , die Unmündige , zur Muse gemacht ?
So ergiengs auch den anderen .
Ach !
nun verließen so leicht sich nicht die geselligen Menschen ; wie der Sand im Sturme der Wildnis irrten sie untereinander nicht mehr , noch höhnte sich Jugend und Alter , noch fehlt ein Gastfreund dem Fremden und die Vaterlandsgenossen sonderten nimmer sich ab und die Liebenden entleideten alle sich nimmer ; an deinen Quellen , Natur , erfrischten sie sich , ach ! an den heiligen Freuden , die geheimnisvoll aus deiner Tiefe quellen und den Geist erneuen ; und die Götter erheiterten wieder die verwelkliche Seele der Menschen ; es bewahrten die herzerhaltenden Götter jedes freundliche Bündnis unter ihnen .
Denn du , Hyperion ! hattest deinen Griechen das Auge geheilt , daß sie das Lebendige sahen , und die in ihnen , wie Feuer im Holze schlief , die Begeisterung hattest du entzündet , daß sie fühlten die stille stete Begeisterung der Natur und ihrer reinen Kinder .
Ach !
nun nahmen die Menschen die schöne Welt nicht mehr , wie Laien des Künstlers Gedicht , wenn sie die Worte loben und den Nutzen drin ersehn .
Ein zauberisch Beispiel wurdest du , lebendige Natur ! den Griechen , und entzündet von der ewigjungen Götter Glück war alles Menschentun , wie einst , ein Fest ; und zu Taten geleitete , schöner als Kriegsmusik , die jungen Helden Helios Licht .
Stille ! stille !
Es war mein schönster Traum , mein erster und mein letzter .
Du bist zu stolz , dich mit dem bübischen Geschlecht länger zu befassen .
Du tust auch Recht daran .
Du führtest sie zur Freiheit und sie dachten an Raub .
Du führst sie siegend in ihr altes Lakedämon ein und diese Ungeheuer plündern und verflucht bist du von deinem Vater , großer Sohn ! und keine Wildnis , keine Höhle ist sicher genug für dich auf dieser griechischen Erde , die du , wie ein Heiligtum , geachtet , die du mehr , wie mich , geliebt .
O mein Hyperion !
ich bin das sanfte Mädchen nicht mehr , seit ich das alles weiß .
Die Entrüstung treibt mich aufwärts , daß ich kaum zur Erde sehen mag und unablässig zittert mein beleidigtes Herz .
Wir wollen uns trennen .
Du hast Recht .
Ich will auch keine Kinder ; denn ich gönne sie der Sklavenwelt nicht , und die armen Pflanzen welkten mir ja doch in dieser Dürre vor den Augen weg .
Lebe wohl !
du teurer Jüngling ! gehe du dahin , wo es dir der Mühe wert scheint , deine Seele hinzugeben .
Die Welt hat doch wohl Einen Wahlplatz , eine Opferstätte , wo du dich entledigen magst .
Es wäre Schade , wenn die guten Kräfte alle , wie ein Traumbild , so vergingen .
Doch wie du auch ein Ende nimmst , du kehrest zu den Göttern , kehrst ins heilige , freie , jugendliche Leben der Natur , wovon du ausgiengst , und das ist ja dein Verlangen nur und auch das meine .
So schrieb sie mir .
Ich war erschüttert bis ins Mark , voll Schrecken und Lust , doch suchte ich mich zu fassen , um Worte zur Antwort zu finden .
Du willigest ein , Diotima ? schrieb ich , du billigest mein Entsagen ? konntest es begreifen ? -
Treue Seele ! darein konntest du dich schicken ?
Auch in meine finsteren Irren konntest du dich schicken , himmlische Geduld ! und gabst dich hin , verdüstertest dich aus Liebe , glücklich Schoßkind der Natur ! und wurdest mir gleich und heiligtest durch deinen Beitritt meine Trauer ?
Schöne Heldin ! welche Krone verdientest du ?
Aber nun sei es auch des Trauerns genug , du Liebe !
Du bist mir nachgefolgt in meine Nacht , nun komme ! und laß mich dir zu deinem Lichte folgen , zu deiner Anmut laß uns wiederkehren , schönes Herz ! o deine Ruhe laß mich wiedersehen , selige Natur ! vor deinem Friedensbilde meinen Übermut auf immer mir entschlummern .
Nicht wahr , du Teure ! noch ist meine Rückkehr nicht zu spät , und du nimmst mich wieder auf und kannst mich wieder lieben , wie sonst ? nicht wahr , noch ist das Glück vergangener Tage nicht für uns verloren ?
Ich habe es bis aufs Äußerste getrieben .
Ich habe sehr undankbar an der mütterlichen Erde gehandelt , habe mein Blut und alle Liebesgaben , die sie mir gegeben , wie einen Knechtlohn , weggeworfen und ach ! wie tausendmal undankbarer an dir , du heilig Mädchen ! das mich einst in seinen Frieden aufnahm , mich , ein scheu zerrißenes Wesen , dem aus tiefgepreßter Brust sich kaum ein Jugendschimmer stahl , wie hie und da ein Grashalm auf zertretenen Wegen .
Hattest du mich nicht ins Leben gerufen ? war ich nicht dein ?
wie konnte ' ich denn - o du weist es , wie ich hoffe , noch nicht , hast noch den Unglücksbrief nicht in den Händen , den ich vor der letzten Schlacht dir schrieb ?
Da wollte ich sterben , Diotima , und ich glaubte , ein heilig Werk zu tun .
Aber wie kann das heilig sein , was Liebende trennt ? wie kann das heilig sein , was unseres Lebens frommes Glück zerrüttet ? -
Diotima ! schöngeborenes Leben !
ich bin dir jetzt dafür in deinem Eigensten um so ähnlicher geworden , ich habe es endlich achten gelernt , ich habe es bewahren gelernt , was gut und innig ist auf Erden . O wenn ich auch dort oben landen könnte an den glänzenden Inseln des Himmels , fände ich mehr , als ich bei Diotima finde ?
Höre mich nun , Geliebte !
In Griechenland ist meines Bleibens nicht mehr .
Das weist du .
Bei seinem Abschied hat mein Vater mir so viel von seinem Überflusse geschickt , als hinreicht , in ein heilig Tal der Alpen oder Pyrenäen uns zu flüchten , und da ein freundlich Haus und auch von grüner Erde so viel zu kaufen , als des Lebens goldene Mittelmäßigkeit bedarf .
Willst du , so komme ich gleich und führe ' an treuem Arme dich und deine Mutter und wir küssen Kalaureas Ufer und trocknen die Tränen uns ab , und eilen über den Isthmus hinein ans Adriatische Meer , von wo ein sicher Schiff uns weiter bringt .
O komme ! in den Tiefen der Gebirgswelt wird das Geheimnis unseres Herzens ruhn , wie das Edelgestein im Schacht , im Schoße der himmelragenden Wälder , da wird uns sein , wie unter den Säulen des innersten Tempels , wo die Götterlosen nicht nahen , und wir werden sitzen am Quell , in seinem Spiegel unsere Welt betrachten , den Himmel und Haus und Garten und uns .
Oft werden wir in heiterer Nacht im Schatten unseres Obstwalds wandeln und den Gott in uns , den liebenden , belauschen , indes die Pflanze aus dem Mittagsschlummer ihr gesunken Haupt erhebt und deiner Blumen stilles Leben sich erfrischt , wenn sie im Tau die zarten Arme baden , und die Nachtluft kühlend sie umatmet und durchdringt , und über uns blüht die Wiese des Himmels mit alle ihren funkelnden Blumen und seitwärts ahmt das Mondlicht hinter westlichem Gewölk den Niedergang des Sonnenjünglings , wie aus Liebe schüchtern nach - und dann des Morgens , wenn sich , wie ein Flußbett unser Tal mit warmem Lichte füllt , und still die goldene Flut durch unsere Bäume rinnt , und unser Haus um wallt und die lieblichen Zimmer , deine Schöpfung dir verschönt , und du in ihrem Sonnenglanze gehst und mir den Tag in deiner Grazie segnest , Liebe !
wenn sich dann , indes wir so die Morgenwonne feiern , der Erde geschäftig Leben , wie ein Opferbrand , vor unseren Augen entzündet , und wir nun hingehen , um auch unser Tagwerk , um von uns auch einen Teil in die steigende Flamme zu werfen , wirst du da nicht sagen , wir sind glücklich , wir sind wieder , wie die alten Priester der Natur , die heiligen und frohen , die schon fromm gewesen , ehe ein Tempel stand . Hab ' ich genug gesagt ? entscheide nun mein Schicksal , teures Mädchen , und bald ! -
Es ist ein Glück , daß ich noch halb ein Kranker bin , von der letzten Schlacht her , und daß ich noch aus meinem Dienste nicht entlassen bin ; ich könnte sonst nicht bleiben , ich müßte selbst fort , müßte fragen , und das wäre nicht gut , das hieße dich bestürmen . -
Ach Diotima ! bange törichte Gedanken fallen mir aufs Herz und doch - ich kann es nicht denken , daß auch diese Hoffnung scheitern soll .
Bist du denn nicht zu groß geworden , um noch wiederzukehren zu dem Glück der Erde ? verzehrt die heftige Geistesflamme , die an deinem Leiden sich entzündete , verzehrt sie nicht alles Sterbliche dir ?
Ich weiß es wohl , wer leicht sich mit der Welt entzweit , versöhnt auch leichter sich mit ihr .
Aber du , mit deiner Kinderstille , du , so glücklich einst in deiner hohen Demut , Diotima !
wer will dich versöhnen , wenn das Schicksal dich empört ?
Liebes Leben ! ist denn keine Heilkraft mehr für dich in mir ? von allen Herzenslauten ruft dich keiner mehr zurück , ins menschliche Leben , wo du einst so lieblich mit gesenktem Fluge dich verweilt ? o komme , o bleibe in dieser Dämmerung !
Dies Schattenland ist ja das Element der Liebe und hier nur rinnt der Wehmut stiller Tau vom Himmel deiner Augen .
Und denkst du unserer goldenen Tage nicht mehr ? der holdseligen , göttlichmelodischen ? säuseln sie nicht aus allen Hainen von Kalaure dich an ?
Und sieh !
es ist so manches in mir untergegangen , und ich habe der Hoffnungen nicht viele mehr .
Dein Bild mit seinem Himmelssinne , habe ich noch , wie einen Hausgott , aus dem Brande gerettet .
Unser Leben , unseres ist noch unverletzt in mir .
Sollte ich nun hingehen und auch dies begraben ?
Soll ich ruhelos und ohne Ziel hinaus , von einer Fremde in die andere ? Hab ' ich darum lieben gelernt ?
O nein !
du Erste und du Letzte !
Mein warst du , du wirst die Meine bleiben .
Hyperion an Bellarmin .
Ich saß mit Alabanda auf einem Hügel der Gegend , in lieblichwärmender Sonne , und um uns spielte der Wind mit abgefallenem Laube .
Das Land war stumm ; nur hie und da ertönt im Wald ein stürzender Baum , vom Landmann gefällt , und neben uns murmelte der vergängliche Regenbach hinab ins ruhige Meer .
Ich war so ziemlich sorglos ; ich hoffte , nun meine Diotima bald zu sehen , nun bald mit ihr in stillem Glücke zu leben .
Alabanda hatte die Zweifel alle mir ausgeredet ; so sicher war er selbst hierüber .
Auch er war heiter ; nur in anderem Sinne .
Die Zukunft hatte keine Macht mehr über ihn .
O ich wusste es nicht ; er war am Ende seiner Freuden , sah mit allen seinen Rechten an die Welt , mit seiner ganzen Siegrischen Natur sich unnütz , wirkungslos und einsam , und das lies er so ge schehn , als wäre ein zeitverkürzend Spiel verloren .
Jetzt kam ein Bote auf uns zu .
Er brachte uns die Entlassung aus dem Kriegsdienst , um die wir beide bei der Russischen Flotte gebeten , weil für uns nichts mehr zu tun war , was der Mühe wert schien .
Ich konnte nun Paros verlassen , wenn ich wollte .
Auch war ich nun zur Reise gesund genug .
Ich wollte nicht auf Diotimas Antwort warten , wollte fort zu ihr , es war , als wenn ein Gott nach Kalaure mich triebe .
Wie das Alabanda von mir hörte , veränderte sich seine Farbe und er sah wehmütig mich an .
So leicht wird_es meinem Hyperion , rief er , seinen Alabanda zu verlassen ?
Verlassen ? sagte ich , wie denn das ?
O über euch Träumer ! rief er , siehst du denn nicht , daß wir uns trennen müssen ?
Wie sollte ich_es sehen ? erwidert ich ; du sagst ja nichts davon ; und was mir hie und da erschien an dir , das wie auf einen Abschied deutete , das nahm ich gerne für Laune , für Herzensüberfluß -
O ich kenne es , rief er , dieses Götterspiel der reichen Liebe , die sich selber Not schafft , um sich ihrer Fülle zu entladen und ich wollte , es wäre so mit mir , du Guter !
aber hier ist_es Ernst !
Ernst ? rief ich , und warum denn ?
Darum , mein Hyperion , sagte er sanft , weil ich dein künftig Glück nicht gerne stören möchte , weil ich Diotimas Nähe fürchten muß .
Glaube mir , es ist gewagt , um Liebende zu leben , und ein tatlos Herz , wie meines nun ist , hält es schwerlich aus .
Ach guter Alabanda ! sagte ich lächelnd , wie mißkennst du dich !
Du bist so wächsern nicht und deine feste Seele springt so leicht nicht über ihre Grenzen .
Zum erstenmal in deinem Leben bist du grillenhaft .
Du machtest hier bei mir den Krankenwärter und man sieht , wie wenig du dazu geboren bist .
Das Stillsitzen hat dich scheu gemacht - Siehst du ? rief er , das ist_es eben .
Werde ich tätiger leben mit euch ? und wenn es eine Andere wäre ! aber diese Diotima ! kann ich anders ? kann ich sie mit halber Seele fühlen ? sie , die um und um so innig Eines ist , Ein göttlich ungeteiltes Leben ?
Glaube mir , es ist ein kindischer Versuch , dies Wesen sehen zu wollen ohne Liebe .
Du blickst mich an , als kenntest du mich nicht ?
Bin ich doch II. Bd. F selbst mir fremd geworden , diese letzten Tage , seit ihr Wesen so lebendig ist in mir .
O warum kann ich sie dir nicht schenken ? rief ich .
Laß das ! sagte er .
Tröste mich nicht , denn hier ist nichts zu trösten .
Ich bin einsam , einsam , und mein Leben geht , wie eine Sanduhr , aus .
Große Seele ! rief ich , muß es dahin mit dir kommen ?
Sei zufrieden ! sagte er .
Ich fing schon an zu welken , da wir in Smyrna uns fanden .
Ja !
da ich noch ein Schiffsjunge war und stark und schnell der Geist und alle Glieder mir wurden bei rauher Kost , in mutiger Arbeit !
Wenn ich da in heiterer Luft nach einer Sturmnacht oben am Gipfel des Masts hing , unter der wehenden Flagge , und dem Seegevögel nach hinaussah über die glänzende Tiefe , wenn in der Schlacht oft unsere zornigen Schiffe die See durchwühlten , wie der Zahn des Ebers die Erde und ich an meines Hauptmanns Seite stand mit hellem Blick - da lebte ich , o da lebte ich !
Und lange nachher , da der junge Tiniote mir nun am Smyrner Strande begegnete , mit seinem Ernste , seiner Liebe , und meine verhärtete Seele wieder aufgetaut war von den Blicken des Jünglings und lieben lernte und heilig halten alles , was zu gut ist , um beherrscht zu werden , da ich mit ihm ein neues Leben begann , und neue seelenvollere Kräfte mir keimten zum Genusse der Welt und zum Kampfe mit ihr , da hoffte ich wieder - ach ! und alles was ich hoffte und hatte , war an dich gekettet ; ich riß dich an mich , wollte mit Gewalt dich in mein Schicksal ziehen , verlor dich , fand dich wieder , unsere Freundschaft nur war meine Welt , mein Wert , mein Ruhm ; nun ist_es auch damit aus , auf immer und all mein Dasein ist vergebens .
Ist denn das wahr ? erwidert ich mit Seufzen .
Wahr , wie die Sonne , rief er , aber laß das gut sein !
es ist für alles gesorgt .
Wie so , mein Alabanda ? sagt ich .
Laß mich dir erzählen , sagte er .
Ich habe noch nie dir ganz von einer gewissen Sache gesprochen .
Und dann - so stillt es auch dich und mich ein wenig , wenn wir sprechen von Vergangenem .
Ich ging einst hülflos an dem Hafen von Triest .
Das Kaperschiff , worauf ich diente , war einige Jahre zuvor gescheitert , und ich hatte kaum mit Wenigen ans Ufer von Sevilla mich gerettet .
Mein Hauptmann war ertrunken und mein Leben und mein triefend Kleid war alles , was mir blieb .
Ich zog mich aus und ruht im Sonnenschein und trocknete die Kleider an den Sträuchern .
Drauf ging ich weiter auf der Straße nach der Stadt .
Noch vor den Toren sah ich heitere Gesellschaft in den Gärten , ging hinein , und sang ein griechisch lustig Lied .
Ein trauriges kannte ich nicht .
Ich glühte dabei vor Scham und Schmerz , mein Unglück so zur Schau zu tragen .
Ich war ein achtzehnjähriger Knabe , wild und stolz , und haßt es wie den Tod , zum Gegenstande der Menschen zu werden .
Vergebt mir , sagte ich , da ich fertig war mit meinem Liede ; ich komme so eben aus dem Schiffbruch und weiß der Welt für heute keinen besseren Dienst zu tun , als ihr zu singen .
Ich hatte das , so gut es ging , in spanischer Sprache gesagt .
Ein Mann mit ausgezeichnetem Gesichte trat mir näher , gab mir Geld und sagt ' in unserer Sprache mit Lächeln : Da ! Kauf einen Schleifstein dir dafür und lerne Messer schärfen und wandre so durchs feste Land .
Der Rat gefiel mir .
Herr ! das will ich in der Tat ; erwidert ich .
Noch wurde ich reichlich von den Übrigen beschenkt und ging und tat , wie mir der Mann geraten hatte , und trieb mich so in Spanien und Frankreich einige Zeit herum .
Was ich in dieser Zeit erfuhr , wie an der Knechtschaft tausendfältigen Gestalten meine Freiheitsliebe sich schärft und wie aus mancher harten Not mir Lebensmut und kluger Sinn erwuchs , das habe ich oft mit Freude dir gesagt .
Ich trieb mein wandernd schuldlos Tagewerk mit Lust , doch wurde es endlich mir verbittert .
Man nahm es für Maske , weil ich nicht gemein genug daneben aussehn mochte , man bildete sich ein , ich treib im Stillen ein gefährlicher Geschäft , und wirklich wurde ich zweimal in Verhaft genommen .
Das bewog mich dann , es aufzugeben und ich trat mit wenig Gelde , das ich mir gewonnen , meine Rückkehr an zur Heimat , der ich einst entlaufen war .
Schon war ich in Triest und wollte durch Dalmatien hinunter .
Da befiel mich von der harten Reise eine Krankheit und mein kleiner Reichtum ging darüber auf .
So ging ich halbgenesen traurig an dem Hafen von Triest .
Mit Einmal stand der Mann vor mir , der an dem Ufer von Sevilla meiner einst sich angenommen hatte .
Er freute sich sonderbar , mich wieder zu sehen , sagte mir , daß er sich meiner oft erinnert und fragte mich , wie mir_es indes ergangen sei .
Ich sagte ihm alles .
Ich sehe , rief er , daß es nicht umsonst war , dich ein wenig in die Schule des Schicksals zu schicken .
Du hast dulden gelernt , du sollst nun wirken , wenn du willst .
Die Rede , sein Ton , sein Händedruk , seine Miene , sein Blick , das alles traf , wie eines Gottes Macht , mein Wesen , das von manchem Leiden jetzt gerade entzündbarer , als je , war , und ich gab mich hin .
Der Mann , Hyperion , von dem ich spreche , war von jenen einer , die du in Smyrna bei mir sahst .
Er führte gleich die Nacht darauf in eine feierliche Gesellschaft mich ein .
Ein Schauer überlief mich , da ich in den Saal trat und beim Eintritt mein Begleiter mir die ernsten Männer wies und sagte : dies ist der Bund der Nemesis .
Berauscht vom großen Wirkungskreise , der vor mir sich auftat , übermacht ich feierlich mein Blut und meine Seele diesen Männern .
Bald nachher wurde die Versammlung aufgehoben , um in Jahren anderswo sich zu erneuern und ein jeder trat den angewiesenen Weg an , den er durch die Welt zu machen hatte .
Ich wurde denen beigesellt , die du in Smirna einige Jahre nachher bei mir fandst .
Der Zwang , worin ich lebte , folterte mich oft , auch sah ich wenig von den großen Wirkungen des Bundes und meine Tatenlust fand kahle Nahrung .
Doch alle dies reichte nicht hin , um mich zu einem Abfall zu vermögen .
Die Leidenschaft zu dir verleitete mich endlich .
Ich habe_es dir oft gesagt , ich war wie ohne Luft und Sonne , da du fort warst ; und anders hatte ich keine Wahl ; ich mußte dich aufgeben , oder meinen Bund .
Was ich erwählte , siehst du .
Aber alles Tun des Menschen hat am Ende seine Strafe , und nur die Götter und die Kinder trifft die Nemesis nicht .
Ich zog das Götterrecht des Herzens vor .
Um meines Lieblings Willen brach ich meinen Eid .
War das nicht billig ? muß das edelste Sehnen nicht das freiste sein ? -
Mein Herz hat mich beim Worte genommen ; ich gab ihm Freiheit und du siehst , es braucht sie .
Huldige dem Genius Einmal und er achtet dir kein sterblich Hindernis mehr und reißt dir alle Bande des Lebens entzwei .
Verpflichtung brach ich um des Freundes Willen , Freundschaft würde ich brechen um der Liebe Willen .
Um Diotimas Willen würde ich dich betrügen und am Ende mich und Diotima morden , weil wir doch nicht Eines wären .
Aber es soll nicht seinen Gang gehen ; soll ich büßen , was ich tat , so will ich es mit Freiheit ; meine eigenen Richter wähl ich mir ; an denen ich gefehlt , die sollen mich haben .
Sprichst du von deinen Bundesbrüdern ? rief ich ; o mein Alabanda ! tue das nicht !
Was können sie mir nehmen , als mein Blut ? erwidert er .
Dann faßte er sanft mich bei der Hand .
Hyperion ! rief er , meine Zeit ist aus , und was mir übrig bleibt , ist nur ein edles Ende .
Laß mich ! mache mich nicht klein und fasse Glauben an mein Wort !
Ich weiß so gut , wie du , ich könnte mir ein Dasein noch erkünsteln , könnte , weil des Lebens Mal verzehrt ist , mit den Brosamen noch spielen , aber das ist meine Sache nicht ; auch nicht die deine .
Brauch ich mehr zu sagen ?
Spreche ich nicht aus deiner Seele dir ?
Ich dürste nach Luft , nach Kühlung , Hyperion !
Meine Seele wallt mir über von selbst und hält im alten Kreise nicht mehr .
Bald kommen ja die schönen Wintertage , wo die dunkle Erde nichts mehr ist , als die Folie des leuchtenden Himmels , da wäre es gute Zeit , da blinken ohne dies gastfreundlicher die Inseln des Lichts !
- dich wundert die Rede ?
Liebster ! alle Scheidenden sprechen , wie Trunkene , und nehmen gerne sich festlich .
Wenn der Baum zu welken anfängt , tragen nicht alle seine Blätter die Farbe des Morgenrots ?
Große Seele , rief ich , muß ich Mitleid für dich tragen ?
Ich fühlte an seiner Höhe , wie tief er litt .
Ich hatte solches Weh im Leben nie erfahren .
Und doch , o Bellarmin !
doch fühlte ich auch die Größe aller Freuden , solch ein Götterbild in Augen und Armen zu haben .
Ja ! stirb nur , rief ich , stirb !
Dein Herz ist herrlich genug , dein Leben ist reif , wie die Trauben am Herbsttag .
Gehe , Vollendeter !
ich ginge mit dir , wenn es keine Diotima gäbe . Hab ich dich nun ? erwidert Alabanda , sprichst du so ?
wie tief , wie seelenvoll wird alles , wenn mein Hyperion es einmal faßt !
Er schmeichelt , rief ich , um das unbesonnene Wort zum zweitenmal mir abzulocken ! gute Götter ! um von mir Erlaubnis zu gewinnen zu der Reise nach dem Blutgericht !
Ich schmeichle nicht , erwidert er mit Ernst , ich habe ein Recht , zu tun , was du verhindern willst , und kein gemeines ! ehre das !
Es war ein Feuer in seinen Augen , das , wie ein Göttergebot , mich niederschlug und ich schämte mich , nur ein Wort noch gegen ihn zu sagen .
Sie werden es nicht , dachte ich mitunter , sie können es nicht .
Es ist zu sinnlos , solch ein herrlich Leben hinzuschlachten , wie ein Opfertier , und dieser Glaube machte mich ruhig .
Es war ein eigener Gewinn , ihn noch zu hören , in der Nacht darauf , nachdem ein jeder für seine eigene Reise gesorgt , und wir vor Tagesanbruch wieder hinausgegangen waren , um noch einmal allein zusammen zu sein .
Weist du , sagte er unter anderem , warum ich nie den Tod geachtet ?
Ich fühle in mir ein Leben , das kein Gott geschaffen , und kein Sterblicher gezeugt .
Ich glaube , daß wir durch uns selber sind , und nur aus freier Lust so innig mit dem All verbunden .
So etwas habe ich nie von dir gehört , erwidert ich .
Was wäre auch , fuhr er fort , was wäre auch diese Welt , wenn sie nicht wäre ein Einklang freier Wesen ?
wenn nicht aus eigenem frohem Triebe die Lebendigen von Anbeginn in ihr zusammenwirkten in Ein vollstimmig Leben , wie hölzern wäre sie , wie kalt ?
welch herzlos Machwerk wäre sie ?
So wäre es hier im höchsten Sinne wahr , erwidert ich , daß ohne Freiheit alles tot ist .
Ja wohl , rief er , wächst doch kein Grashalm auf , wenn nicht ein eigener Lebenskeim in ihm ist ! wie viel mehr in mir !
und darum , Lieber !
weil ich frei im höchsten Sinne , weil ich anfangslos mich fühle , darum glaube ich , daß ich endlos , daß ich unzerstörbar bin .
Hat mich eines Töpfers Hand gemacht , so mag er sein Gefäß zerschlagen , wie es ihm gefällt .
Doch was da lebt , muß unerzeugt , muß göttlicher Natur in seinem Keime sein , erhaben über alle Macht , und alle Kunst , und darum unverletzlich , ewig .
Jeder hat seine Mysterien , lieber Hyperion ! seine geheimeren Gedanken ; dies waren die meinen ; seit ich denke .
Was lebt , ist unvertilgbar , bleibt in seiner tiefsten Knechtsform frei , bleibt Eins und wenn du es scheidest bis auf den Grund , bleibt unverwundet und wenn du bis ins Mark es zerschlägst und sein Wesen entfliegt dir siegend unter den Händen . -
Aber der Morgenwind regt sich ; unsere Schiffe sind wach .
O mein Hyperion !
ich habe es überwunden ; ich habe es über mich vermocht , das Todesurteil über mein Herz zu sprechen und dich und mich zu trennen , Liebling meines Lebens ! schone mich nun ! erspare mir den Abschied ! laß uns schnell sein ! komme !
- Mir flog es kalt durch alle Gebeine , da er so begann .
O um deiner Treue Willen , Alabanda ! rief ich vor ihm niedergeworfen , muß es , muß es denn sein ?
Du übertäubtest mich unredlicher weise , du rissest in einen Taumel mich hin .
Bruder ! nicht so viel Besinnung ließest du mir , um eigentlich zu fragen , wohin gehst du ?
Ich darf den Ort nicht nennen , liebes Herz ! erwidert er ; wir sehen vielleicht uns dennoch einmal wieder .
Wiedersehen ? erwidert ich ; so bin ich ja um einen Glauben reicher ! und so werde ich reicher werden und reicher an Glauben und am Ende wird mir alles Glaube sein .
Lieber ! rief er , laß uns still sein , wo die Worte nichts helfen ! laß uns männlich enden !
Du derbst die letzten Augenblicke dir .
Wir waren so dem Hafen näher gekommen .
Noch Eines ! sagte er , da wir nun bei seinem Schiffe waren .
Grüße deine Diotima !
Liebt euch !
werdet glücklich , schöne Seelen !
O mein Alabanda ! rief ich , warum kann ich nicht an deiner Stelle gehen ?
Dein Beruf ist schöner , erwidert er ; behalte ihn !
ihr gehörst du , jenes holde Wesen ist von nun an deine Welt - ach !
weil kein Glück ist ohne Opfer , nimm als Opfer mich , o Schicksal , an , und laß die Liebenden in ihrer Freude ! -
Sein Herz fing an , ihn zu überwältigen und er riß sich von mir und sprang ins Schiff , um sich und mir den Abschied abzukürzen .
Ich fühlte diesen Augenblick , wie einen Wetterschlag , dem Nacht und Totenstille folgte , aber mitten in dieser Vernichtung raffte meine Seele sich auf , ihn zu halten , den teuren Scheidenden und meine Arme zückten von selbst nach ihm .
Weh !
Alabanda !
Alabanda ! rief ich , und ein dumpfes Lebewohl hört ich vom Schiffe herüber .
Hyperion an Bellarmin .
Zufällig hielt das Fahrzeug , das nach Kalaure mich bringen sollte , noch bis zum Abend sich auf , nachdem Alabanda schon den Morgen seinen Weg gegangen war .
Ich blieb am Ufer , blickte still , von den Schmerzen des Abschieds müde , in die See , von einer Stunde zur anderen .
Die Leidenstage der langsamsterbenden Jugend überzählte mein Geist , und irre , wie die schöne Taube , schwebt er über dem Künftigen .
Ich wollte mich stärken , ich nahm mein längstvergessenes Lautenspiel hervor , um mir ein Schicksalslied zu singen , das ich einst in glücklicher unverständiger Jugend meinem Adamas nachgesprochen .
Ihr wandelt droben im Licht Auf weichem Boden , selige Genien !
Glänzende Götterlüfte Rühren euch leicht , Wie die Finger der Künstlerin Heilige Saiten .
Schicksallos , wie der schlafende Säugling , atmen die Himmlischen ; Keusch bewahrt In bescheidener Knospe , Blühet ewig Ihnen der Geist , Und die seligen Augen blicken in stiller Ewiger Klarheit .
Doch uns ist gegeben , Auf keiner Stätte zu ruhn , Es schwinden , es fallen Die leidenden Menschen Blindlings von einer Stunde zur anderen , Wie Wasser von Klippe Zu Klippe geworfen , Jahr lang ins Ungewisse hinab .
So sang ich in die Saiten .
Ich hatte kaum geendet , als ein Boot einlief , wo ich meinen Diener gleich erkannte , der mir einen Brief von Diotima überbrachte .
So bist du noch auf Erden ? schrieb sie , und siehst das Tageslicht noch ?
Ich dachte dich anderswo zu finden , mein Lieber !
Ich habe früher , als du nachher wünschtest , den Brief erhalten , den du vor der Schlacht bei Tschesme schriebst und so lebte ich eine Woche lang in der Meinung , du habest dem Tod dich in die Arme geworfen , ehe dein Diener ankam mit der frohen Botschaft , daß du noch lebest .
Ich hatte auch ohnedies noch einige Tage nach der Schlacht gehört , das Schiff , worauf ich dich wußte , sei mit aller Mannschaft in die Luft geflogen .
Aber o süße Stimme ! noch hörte ich dich wieder , noch einmal rührte , wie Mailuft , mich die Sprache des Lieben , und deine schöne Hoffnungsfreude , das holde Phantom unseres künftigen Glücks , hat einen Augenblick auch mich getäuscht .
Lieber Träumer , warum muß ich dich wecken ? warum kann ich nicht sagen , komme , und mache wahr die schönen Tage , die du mir verheißen !
Aber es ist zu spät , Hyperion , es ist zu spät .
Dein Mädchen ist verwelkt , seitdem du fort bist , ein Feuer in mir hat mählich mich verzehrt , und nur ein kleiner Rest ist übrig .
Entsetze dich nicht !
Es läutert sich alles Natürliche , und überall windet die Blüte des Lebens freier und freier vom gröberen Stoffe sich los .
Liebster Hyperion !
du dachtest wohl nicht , mein Schwanenlied in diesem Jahre zu hören .
Fortsetzung .
Bald , da du fort warst , und noch in den Tagen des Abschieds fing es an .
Eine Kraft im Geiste , vor der ich erschrak , ein inneres Leben , vor dem das Leben der Erde ' erblaßt ' und schwand , wie Nachtlampen im Morgenrot - soll ich_es sagen ?
ich hätte mögen nach Delphi gehen und dem Gott der Begeisterung einen Tempel bauen unter den Felsen des alten Parnaß , und , eine neue Pythia , die schlafen Völker mit Göttersprüchen entzünden , und meine Seele weiß , den Gottverlaßenen allen hätte der jungfräuliche Mund die Augen geöffnet und die dumpfen Stirnen entfaltet , so mächtig war der Geist des Lebens in mir !
Doch müder und müder wurden die sterblichen Glieder und die ängstigende Schwere zog mich unerbittlich hinab .
Ach ! oft in meiner stillen Laube habe ich um der Jugend Rosen geweint !
sie welkten und welkten , und nur von Tränen färbte deines Mädchens Wange sich rot .
Es waren die vorigen Bäume noch , es war die vorige Laube - da stand einst deine Diotima , dein Kind , Hyperion , vor deinen glücklichen Augen , eine Blume unter den Blumen und die Kräfte der Erde und des Himmels trafen sich friedlich zusammen in ihr ; nun ging sie , eine Fremdlingin unter den Knospen des Mais , und ihre Vertrauten , die lieblichen Pflanzen , nickten ihr freundlich , sie aber konnte nur trauern ; doch ging ich keine II. Bd. G vorüber , doch nahm ich einen Abschied um den anderen von all den Jugendgespielen , den Hainen und Quellen und säuselnden Hügeln .
Ach ! oft mit schwerer süßer Mühe bin ich noch , so lang ich_es konnte , auf die Höhe gegangen , wo du bei Notara gewohnt , und habe von dir mit dem Freunde gesprochen , so leichten Sinns , als möglich war , damit er nichts von mir dir schreiben sollte ; bald aber , wenn das Herz zu laut wurde , schlich die Heuchlerin sich hinaus in den Garten , und da war ich nun am Geländer , über dem Felsen , wo ich einst mit dir hinab sah , und hinaus in die offene Natur , ach ! wo ich stand , von deinen Händen gehalten , von deinen Augen umlauscht , im ersten schaudernden Erwarmen der Liebe und die überwallende Seele auszugießen wünschte , wie einen Opferwein , in den Abgrund des Lebens , da wankt ich nun umher und klagte dem Winde mein Leid , und wie ein scheuer Vogel , irrte mein Blick und wagt es kaum , die schöne Erde anzusehen , von der ich scheiden sollte .
Fortsetzung .
So ist_es mit deinem Mädchen geworden , Hyperion .
Frage nicht wie ? erkläre diesen Tod dir nicht !
Wer solch ein Schicksal zu ergründen denkt , der flucht am Ende sich und allem , und doch hat keine Seele Schuld daran .
Soll ich sagen , mich habe der Gram um dich getötet ? o nein ! o nein !
er war mir ja willkommen , dieser Gram , er gab dem Tode , den ich in mir trug , Gestalt und Anmut ; deinem Lieblinge zur Ehre stirbst du , konnte ich nun mir sagen .
- Oder ist mir meine Seele zu reif geworden in all den Begeisterungen unserer Liebe und hält sie darum mir nun , wie ein übermütiger Jüngling , in der bescheidenen Heimat nicht mehr ? sprich ! war es meines Herzens Üppigkeit , die mich entzweite mit dem sterblichen Leben ? ist die Natur in mir durch dich , du Herrlicher ! zu stolz geworden , um sich_es länger gefallen zu lassen auf diesem mittelmäßigen Sterne ?
Aber hast du sie fliegen gelehrt , warum lehrst du meine Seele nicht auch , dir wiederzukehren ?
Hast du das ätherliebende Feuer angezündet , warum hütetest du mir es nicht ? -
Höre mich , Lieber ! um deiner schönen Seele Willen ! klage du dich über meinem Tode nicht an !
Konntest du denn mich halten , als dein Schicksal dir denselben Weg wies ? und , hättest du im Heldenkampfe deines Herzens mir gepredigt - laß dir genügen , Kind ! und schick in die Zeit dich - wärst du nicht der eitelste von allen eitlen gewesen ?
Fortsetzung .
Ich will es dir gerade sagen , was ich glaube .
Dein Feuer lebte in mir , dein Geist war in mich übergegangen ; aber das hätte schwerlich geschadet , und nur dein Schicksal hat mein neues Leben mir tödlich gemacht .
Zu mächtig war mir meine Seele durch dich , sie wäre durch dich auch wieder stille geworden .
Du entzogst mein Leben der Erde , du hättest auch Macht gehabt , mich an die Erde zu fesseln , du hättest meine Seele , wie in einen Zauberkreis , in deine umfangenden Arme gebannt ; ach !
Einer deiner Herzensblicke hätte mich fest gehalten , Eine deiner Liebesreden hätte mich wieder zum frohen gesunden Kinde gemacht ; doch da dein eigen Schicksal dich in Geisteseinsamkeit , wie Wasserflut auf Bergesgipfel trieb , o da erst , als ich vollends meinte , dir habe das Wetter der Schlacht den Kerker gesprengt und mein Hyperion sei aufgeflogen in die alte Freiheit , da entschied sich es mit mir und wird nun bald sich enden .
Ich habe viele Worte gemacht , und stillschweigend starb die große Römerin doch , da im Todeskampf ihr Brutus und das Vaterland rang .
Was konnte ich aber besseres in den besten meiner letzten Lebenstage tun ? -
Auch treibt mich_es immer , mancherlei zu sagen .
Stille war mein Leben ; mein Tod ist beredt .
Genug !
Fortsetzung .
Nur Eines muß ich dir noch sagen .
Du müßtest untergehen , verzweifeln müßtest du , doch wird der Geist dich retten . Dich wird kein Lorbeer trösten und kein Myrtenkranz ; der Olymp wird_es , der lebendige , gegenwärtige , der ewig jugendlich um alle Sinne dir blüht .
Die schöne Welt ist mein Olymp ; in diesem wirst du leben , und mit den heiligen Wesen der Welt , mit den Göttern der Natur , mit diesen wirst du freudig sein .
O seid willkommen , ihr Guten , ihr Treuen ! ihr Tiefvermißten , Verkannten !
Kinder und Älteste !
Sonne und Erde und Äther mit allen lebenden Seelen , die um euch spielen , die ihr umspielt , in ewiger Liebe ! o nimmt die allesversuchenden Menschen , nimmt die Flüchtlinge wieder in die Götterfamilie , nimmt in die Heimat der Natur sie auf , aus der sie entwichen !
- Du kennst dies Wort , Hyperion !
Du hast es angefangen in mir .
Du wirsts vollenden in dir , und dann erst ruhn .
Ich habe genug daran , um freudig , als ein griechisch Mädchen zu sterben .
Die Armen , die nichts kennen , als ihr dürftig Machwerk , die der Not nur dienen und den Genius verschmähen , und dich nicht ehren , kindlich Leben der Natur ! die mögen vor dem Tode sich fürchten .
Ihr Joch ist ihre Welt geworden ; Besseres , als ihren Knechtsdienst , kennen sie nicht ; scheuen die Götterfreiheit , die der Tod uns gibt ?
Ich aber nicht !
ich habe mich des Stückwerks überhoben , das die Menschenhände gemacht , ich habe es gefühlt , das Leben der Natur , das höher ist , denn alle Gedanken - wenn ich auch zur Pflanze würde , wäre denn der Schade so groß ? -
Ich werde sein .
Wie sollte ich mich verlieren aus der Sphäre des Lebens , worin die ewige Liebe , die allen gemein ist , die Naturen alle zusammenhält ?
wie sollt ich scheiden aus dem Bunde , der die Wesen alle verknüpft ?
Der bricht so leicht nicht , wie die losen Bande dieser Zeit .
Der ist nicht , wie ein Markttag , wo das Volk zusammenläuft und lärmt und auseinandergeht .
Nein ! bei dem Geiste , der uns einiget , bei dem Gottesgeiste , der jedem eigen ist und allen gemein ! nein ! nein ! im Bunde der Natur ist Treue kein Traum .
Wir trennen uns nur , um inniger einig zu sein , göttlicher friedlich mit allem , mit uns .
Wir sterben , um zu leben .
Ich werde sein ; ich frage nicht , was ich werde .
Zu sein , zu leben , das ist genug , das ist die Ehre der Götter ; und darum ist sich alles gleich , was nur ein Leben ist , in der göttlichen Welt , und es gibt in ihr nicht Herren und Knechte .
Es leben umeinander die Naturen , wie Liebende ; sie haben alles gemein , Geist , Freude und ewige Jugend .
Beständigkeit haben die Sterne gewählt , in stiller Lebensfülle wallen sie stets und kennen das Alter nicht .
Wir stellen im Wechsel das Vollendete dar ; in wandelnde Melodien teilen wir die großen Akkorde der Freude .
Wie Harfenspieler um die Thronen der Ältesten , leben wir , selbst göttlich , um die stillen Götter der Welt , mit dem flüchtigen Lebensliede milderen wir den seligen Ernst des Sonnengotts und der anderen .
Sieh auf in die Welt !
Ist sie nicht , wie ein wandelnder Triumphzug , wo die Natur den ewigen Sieg über alle Verderbnis feiert ? und führt nicht zur Verherrlichung das Leben den Tod mit sich , in goldenen Ketten , wie der Feldherr einst die gefangenen Könige mit sich geführt ? und wir , wir sind wie die Jungfrauen und die Jünglinge , die mit Tanz und Gesang , in wechselnden Gestalten und Tönen den majestätischen Zug geleiten .
Nun laß mich schweigen .
Mehr zu sagen , wäre zu viel .
Wir werden wohl uns wieder begegnen .
- Trauernder Jüngling ! bald , bald wirst du glücklicher sein . Dir ist dein Lorbeer nicht gereift und deine Myrten verblühten , denn Priester sollst du sein der göttlichen Natur , und die dichterischen Tage keimen dir schon .
O könnte ich dich sehen in deiner künftigen Schöne !
Lebe wohl .
Zugleich erhielt ich einen Brief von Notara , worin er mir schrieb :
Den Tag , nachdem sie dir zum letztenmal geschrieben , wurde sie ganz ruhig , sprach noch wenig Worte , sagte dann auch , daß sie lieber möchte im Feuer von der Erde scheiden , als begraben sein , und ihre Asche sollten wir in eine Urne sammeln , und in den Wald sie stellen , an den Ort , wo du , mein Teurer !
ihr zuerst begegnet wärst .
Bald darauf , da es anfing , dunkel zu werden , sagte sie uns gute Nacht , als wenn sie schlafen möchte , und schlug die Arme um ihr schönes Haupt ; bis gegen Morgen hörten wir sie atmen .
Da es dann ganz stille wurde und ich nichts mehr hörte , ging ich hin zu ihr und lauschte .
O Hyperion ! was soll ich weiter sagen ?
Es war aus und unsere Klagen weckten sie nicht mehr .
Es ist ein furchtbares Geheimnis , daß ein solches Leben sterben soll und ich will es dir gestehen , ich selber habe weder Sinn noch Glauben , seit ich das mit ansah .
Doch immer besser ist ein schöner Tod , Hyperion !
denn solch ein schläfrig Leben , wie das unsere nun ist .
Die Fliegen abzuwehren , das ist künftig unsere Arbeit und zu nagen an den Dingen der Welt , wie Kinder an der dürren Feigenwurzel , das ist endlich unsere Freude .
Alt zu werden unter jugendlichen Völkern , scheint mir eine Lust , doch alt zu werden , da wo alles alt ist , scheint mir schlimmer , denn alles . -
Ich möchte fast dir raten , mein Hype rion ! daß du nicht hierher kommst .
Ich kenne dich .
Es würde dir die Sinne nehmen .
überdies bist du nicht sicher hier .
Mein Teurer ! denke an Diotimas Mutter , denke an mich und schone dich !
Ich will es dir gestehen , mir schaudert , wenn ich dein Schicksal überdenke .
Aber ich meine doch auch , der brennende Sommer trockene nicht die tieferen Quellen , nur den seichten Regenbach aus .
Ich habe dich in Augenblicken gesehen , Hyperion ! wo du mir ein höher Wesen schienst .
Du bist nun auf der Probe , und es muß sich zeigen , wer du bist .
Lebe wohl .
So schrieb Notara ; und du fragst , mein Bellarmin !
wie jetzt mir ist , indem ich dies erzähle ?
Bester !
ich bin ruhig , denn ich will nichts besseres haben , als die Götter .
Muß nicht alles leiden ?
Und je trefflicher es ist , je tiefer !
Leidet nicht die heilige Natur ?
O meine Gottheit ! daß du trauern könntest , wie du selig bist , das konnte ich lange nicht fassen .
Aber die Wonne , die nicht leidet , ist Schlaf , und ohne Tod ist kein Leben .
Solltest du ewig sein , wie ein Kind und schlummern , dem Nichts gleich ? den Sieg entbehren ? nicht die Vollendungen alle durchlaufen ?
Ja ! ja ! wert ist der Schmerz , am Herzen der Menschen zu liegen , und dein Vertrauter zu sein , o Natur !
Denn er nur führt von einer Wonne zur anderen , und es ist kein anderer Gefährte , denn er . -
Damals schrieb ich an Notara , als ich wieder anfing aufzuleben , von Sizilien aus , wohin ein Schiff von Paros mich zuerst gebracht :
Ich habe dir gehorcht , mein Teurer ! bin schon weit von euch und will dir nun auch Nachricht geben ; aber schwer wird mir das Wort ; das darf ich wohl gestehen .
Die Seligen , wo Diotima nun ist , sprechen nicht viel ; in meiner Nacht , in der Tiefe der Traureden , ist auch die Rede am Ende .
Einen schönen Tod ist meine Diotima gestorben ; da hast du Recht ; das ist_es auch , was mich aufweckt , und meine Seele mir wiedergibt .
Aber es ist die vorige Welt nicht mehr , zu der ich wiederkehre .
Ein Fremdling bin ich , wie die Unbegrabenen , wenn sie herauf vom Acheron kommen , und wäre ich auch auf meiner heimatlichen Insel , in den Gärten meiner Jugend , die mein Vater mir verschließt , ach ! dennoch , dennoch , wäre ich auf der Erde ein Fremdling und kein Gott knüpft ans Vergangene mich mehr .
Ja !
es ist alles vorbei .
Das muß ich nur recht oft mir sagen , muß damit die Seele mir binden , daß sie ruhig bleibt , sich nicht erhitzt in ungereimten kindischen Versuchen .
Es ist alles vorbei ; und wenn ich gleich auch weinen könnte , schöne Gottheit , wie du um Adonis einst geweint , doch kehrt mir meine Diotima nicht wieder und meines Herzens Wort hat seine Kraft verloren , denn es hören mich die Lüfte nur .
O Gott ! und daß ich selbst nichts bin , und der gemeinste Handarbeiter sagen kann , er habe mehr getan , denn ich ! daß sie sich trösten dürfen , die Geistesarmen , und lächeln und Träumer mich schelten , weil meine Taten mir nicht reiften , weil meine Arme nicht frei sind , weil meine Zeit dem wütenden Prokrustes gleicht , der Männer , die er fing , in eine Kinderwiege warf , und daß sie paßten in das kleine Bett , die Glieder ihnen abhieb .
Wäre es nur nicht gar zu trostlos , allein sich unter die närrische Menge zu werfen und zerrissen zu werden von ihr ! oder müßt ' ein edel Blut sich nur nicht schämen , mit dem Knechtsblut sich zu mischen ! o gäbe es eine Fahne , Götter ! wo mein Alabanda dienen möchte , ein Thermopylä , wo ich mit Ehren sie verbluten könnte , all die einsame Liebe , die mir nimmer brauchbar ist !
Noch besser wäre es freilich , wenn ich leben könnte , leben , in den neuen Tempeln , in der neuversammelten Agora unseres Volks mit großer Lust den großen Kummer stillen ; aber davon schweig ich , denn ich weine nur die Kraft mir vollends aus , wenn ich an Alles denke .
Ach Notara ! auch mit mir ist_es aus ; verleidet ist mir meine eigene Seele , weil ich ihrs vorwerfen muß , daß Diotima tot ist , und die Gedanken meiner Jugend , die ich groß geachtet , gelten mir nichts mehr .
Haben sie doch meine Diotima mir vergiftet !
Und nun sage mir , wo ist noch eine Zuflucht ?
- Gestern war ich auf dem Ätna droben .
Da fiel der große Sizilianer mir ein , der einst des Stundenzählens satt , vertraut mit der Seele der Welt , in seiner kühnen Lebenslust sich da hinabwarf in die herrlichen Flammen , denn der kalte Dichter hätte müssen am Feuer sich wärmen , sagte ein Spötter ihm nach .
O wie gerne hätte ich solchen Spott auf mich geladen ! aber man muß sich höher achten , denn ich mich achte , um so ungerufen der Natur ans Herz zu fliegen , oder wie du es sonst noch heißen magst , denn wirklich ! wie ich jetzt bin , habe ich keinen Namen für die Dinge und es ist mir alles ungewiß .
Notara ! und nun sage mir , wo ist noch Zuflucht ?
In Kalaureas Wäldern ? -
Ja ! im grünen Dunkel dort , wo unsere Bäume , die Vertrauten unserer Liebe stehen , wo , wie ein Abendrot , ihr sterbend Laub auf Diotimas Urne fällt und ihre schönen Häupter sich auf Diotimas Urne neigen , mählich alternd , bis auch sie zusammensinken über der geliebten Asche , - da , da könnt ' ich wohl nach meinem Sinne wohnen !
Aber du rätst mir , wegzubleiben , meinst , ich sei nicht sicher in Kalaure und das mag so sein .
Ich weiß es wohl , du wirst an Alabanda mich verweisen .
Aber höre nur ! zertrümmert ist er ! verwittert ist der feste , schlanke Stamm , auch er , und die Buben werden die Späne auflesen und damit ein lustig Feuer sich machen .
Er ist fort ; er hat gewisse gute Freunde , die ihn erleichtern werden , die ganz eigentlich geschickt sind , jedem abzuhelfen , dem das Leben etwas schwer aufliegt ; zu diesen ist er auf Besuch gegangen , und warum ? weil sonst nichts für ihn zu tun ist , oder , wenn du alles wissen willst , weil eine Leidenschaft am Herzen ihm nagt , und weist du auch für wen ?
für Diotima , die er noch im Leben glaubt , vermählt mit mir und glücklich - armer Alabanda ! nun gehört sie dir und mir !
Er fuhr nach Osten hinaus und ich , ich schiffe nach Nordwesten , weil es die Gelegenheit so haben will .
- Und nun lebt wohl , ihr Alle ! alle ihr Teuren , die ihr mir am Herzen gelegen , Freunde meiner Jugend und ihr Eltern und ihr lieben Griechen alle , ihr Leidenden !
Ihr Lüfte , die ihr mich genährt , in zarter Kindheit , und ihr dunklen Lorbeerwälder und ihr Uferfelsen und ihr majestätischen Gewässer , die ihr Großes ahnen meinen Geist gelehrt - und ach ! ihr Trauerbilder , ihr , wo meine Schwermut anhob , heilige Mauern , womit die Heldenstädte sich umgürtet und ihr alten Tore , die manch schöner Wanderer durchzog , ihr Tempelsäulen und du Schutt der Götter ! und du , o Diotima ! und ihr Täler meiner Liebe , und ihr Bäche , die ihr sonst die selige Gestalt gesehen , ihr Bäume , wo sie sich erheitert , ihr Frühlinge , wo sie gelebt , die Holde mit den Blumen , scheidet , scheidet nicht aus mir ! doch , soll es sein , ihr süßen Angedenken ! so erlöscht auch ihr und laßt mich , denn es kann der Mensch nichts ändern und das Licht des Lebens kommt und scheidet , wie es will .
Hyperion an Bellarmin .
So kam ich unter die Deutschen .
Ich forderte nicht viel und war gefaßt , noch weniger zu finden .
Demütig kam ich , wie der heimatlose blinde Ödipus zum Tore von Athen , wo ihn der Götterhain empfing ; und schöne Seelen ihm begegneten - Wie anders ging es mir !
Barbaren von Alters her , durch Fleiß und Wissenschaft und selbst durch Religion barbarischer geworden , tiefunfähig jedes göttlichen Gefühls , verdorben bis ins Mark zum Glück der heiligen Grazien , in jedem Grad der Übertreibung und der Ärmlichkeit beleidigend für jede gutgeartete Seele , dumpf und harmonielos , wie die Scherben eines weggeworfenen Gefäßes - das , mein Bellarmin ! waren meine Tröster .
Es ist ein hartes Wort und dennoch sage ich_es , weil es Wahrheit ist :
ich kann kein Volk mir denken , das zerrißener wäre , wie die Deut schen .
Handwerker siehst du , aber keine Menschen , Denker , aber keine Menschen , Priester , aber keine Menschen , Herrn und Knechte , Jungen und gesetzte Leute , aber keine Menschen - ist das nicht , wie ein Schlachtfeld , wo Hände und Arme und alle Glieder zerstückelt untereinander liegen , indessen das vergoßene Lebensblut im Sande zerrinnt ?
Ein jeder treibt das Seine , wirst du sagen , und ich sage es auch .
Nur muß er es mit ganzer Seele treiben , muß nicht jede Kraft in sich ersticken , wenn sie nicht gerade sich zu seinem Titel paßt , muß nicht mit dieser kargen Angst , buchstäblich heuchlerisch das , was er heißt , nur sein , mit Ernst , mit Liebe muß er das sein , was er ist , so lebt ein Geist in seinem Tun , und ist er in ein Fach gedrückt , wo gar der Geist nicht leben darf , so stoß er_es mit Verachtung weg und lerne pflügen !
Deine Deutschen aber bleiben gerne beim Notwendigsten , und darum ist bei ihnen auch so viele Stümperarbeit und so wenig Freies , Ächterfreuliches .
Doch das wäre zu verschmerzen , müßten solche Menschen nur nicht fühllos sein für alles schöne Leben , ruhte nur nicht überall der Fluch der gottverlaßenen Unnatur auf solchem Volke . -
II. Bd. H Die Tugenden der Alten sein nur glänzende Fehler , sagte einmal , ich weiß nicht , welche böse Zunge ; und es sind doch selber ihre Fehler Tugenden , denn da noch lebt ein kindlicher , ein schöner Geist , und ohne Seele war von allem , was sie taten , nichts getan .
Die Tugenden der Deutschen aber sind ein glänzend Übel und nichts weiter ; denn Notwerk sind sie nur , aus feiger Angst , mit Sklavenmühe , dem wüssten Herzen abgedrungen , und lassen trostlos jede reine Seele , die von Schönem gern sich nährt , ach ! die verwöhnt vom heiligen Zusammenklang in edleren Naturen , den Misslaut nicht erträgt , der schreiend ist in all der toten Ordnung dieser Menschen .
Ich sage dir :
es ist nichts Heiliges , was nicht entheiligt , nicht zum ärmlichen Behelf herabgewürdigt ist bei diesem Volk , und was selbst unter Wilden göttlichrein sich meist erhält , das treiben diese alberechnenden Barbaren , wie man so ein Handwerk treibt , und können es nicht anders , denn wo einmal ein menschlich Wesen abgerichtet ist , da dient es seinem Zweck , da sucht es seinen Nutzen , es schwärmt nicht mehr , bewahre Gott ! es bleibt gesetzt , und wenn es feiert und wenn es liebt und wenn es betet und selber , wenn des Frühlings holdes Fest , wenn die Versöhnungszeit der Welt die Sorgen alle löst , und Unschuld zaubert in ein schuldig Herz , wenn von der Sonne warmem Strahle berauscht , der Sklave seine Ketten froh vergißt und von der gottbeseelten Luft besänftiget , die Menschenfeinde friedlich , wie die Kinder , sind - wenn selbst die Raupe sich beflügelt und die Biene schwärmt , so bleibt der Deutsche doch in seinem Fach und kümmert sich nicht viel ums Wetter !
Aber du wirst richten , heilige Natur !
Denn , wenn sie nur bescheiden wären , diese Menschen , zum Gesetze nicht sich machten für die Besseren unter ihnen ! wenn sie nur nicht lästerten , was sie nicht sind , und möchten sie doch lästern , wenn sie nur das Göttliche nicht höhnten ! -
Oder ist nicht göttlich , was ihr höhnt und seellos nennt ?
Ist besser , denn euer Geschwätz , die Luft nicht , die ihr trinkt ? der Sonne Strahlen , sind sie edler nicht , denn alle ihr Klugen ? der Erde Quellen und der Morgentau erfrischen euren Hain ; könnt ihr auch das ? ach ! töten könnt ihr , aber nicht lebendig machen , wenn es die Liebe nicht tut , die nicht von euch ist , die ihr nicht erfun den .
Ihr sorgt und sinnt , dem Schicksal zu entlaufen und begreift es nicht , wenn eure Kinderkunst nichts hilft ; indessen wandelt harmlos droben das Gestirn .
Ihr entwürdiget , ihr zerreißt , wo sie euch duldet , die geduldige Natur , doch lebt sie fort , in unendlicher Jugend , und ihren Herbst und ihren Frühling könnt ihr nicht vertreiben , ihren Äther , den verderbt ihr nicht .
O göttlich muß sie sein , weil ihr zerstören dürft , und dennoch sie nicht altert und trotz euch schön das Schöne bleibt ! -
Es ist auch herzzerreißend , wenn man eure Dichter , eure Künstler sieht , und alle , die den Genius noch achten , die das Schöne lieben und es pflegen .
Die Guten !
Sie leben in der Welt , wie Fremdlinge im eigenen Hause , sie sind so recht , wie der Dulder Ulysses , da er in Bettlersgestalt an seiner Türe saß , indes die unverschämten Freier im Saale lärmten und fragten , wer hat uns den Landläufer gebracht ?
Voll Liebe und Geist und Hoffnung wachsen seine Musenjünglinge dem deutschen Volk ' heran ; du siehst sie sieben Jahre später , und sie wandeln , wie die Schatten , still und kalt , sind , wie ein Boden , den der Feind mit Salz besäte , daß er nimmer einen Grashalm treibt ; und wenn sie sprechen , wehe dem ! der sie versteht , der in der stürmenden Titanenkraft , wie in ihren Proteuskünsten den Verzweiflungskampf nur sieht , den ihr gestörter schöner Geist mit den Barbaren kämpft , mit denen er zu tun hat .
Es ist auf Erden alles unvollkommen , ist das alte Lied der Deutschen .
Wenn doch einmal diesen Gottverlaßenen einer sagte , daß bei ihnen nur so unvollkommen alles ist , weil sie nichts Reines unverdorben , nichts Heiliges unbetastet lassen mit den plumpen Händen , daß bei ihnen nichts gedeiht , weil sie die Wurzel des Gedeihens , die göttliche Natur nicht achten , daß bei ihnen eigentlich das Leben schal und sorgenschwer und übervoll von kalter stummer Zwietracht ist , weil sie den Genius verschmähen , der Kraft und Adel in ein menschlich Tun , und Heiterkeit ins Leiden und Liebe und Brüderschaft den Städten und den Häusern bringt .
Und darum fürchten sie auch den Tod so sehr , und leiden , um des Austernlebens Willen , alle Schmach , weil Höheres sie nicht kennen , als ihr Machwerk , das sie sich gestoppelt .
O Bellarmin ! wo ein Volk das Schöne liebt , wo es den Genius in seinen Künstlern ehrt , da weht , wie Lebensluft , ein allgemeiner Geist , da öffnet sich der scheue Sinn , der Eigendünkel schmilzt , und fromm und groß sind alle Herzen und Helden gebiert die Begeisterung .
Die Heimat aller Menschen ist bei solchem Volk ' und gerne mag der Fremde sich verweilen .
Wo aber so beleidigt wird die göttliche Natur und ihre Künstler , ach ! da ist des Lebens beste Lust hinweg , und jeder andere Stern ist besser , denn die Erde .
Wüster immer , öder werden da die Menschen , die doch alle schöngeboren sind ; der Knechtsinn wächst , mit ihm der grobe Mut , der Rausch wächst mit den Sorgen , und mit der Üppigkeit der Hunger und die Nahrungsangst ; zum Fluche wird der Segen jedes Jahrs und alle Götter fliehen .
Und wehe dem Fremdling , der aus Liebe wandert , und zu solchem Volke kommt , und dreifach wehe dem , der , so wie ich , von großem Schmerz getrieben , ein Bettler meiner Art , zu solchem Volke kommt ! -
Genug ! du kennst mich , wirst es gut aufnehmen , Bellarmin !
Ich sprach in deinem Namen auch , ich sprach für alle , die in diesem Lande sind und leiden , wie ich dort gelitten .
Hyperion an Bellarmin .
Ich wollte nun aus Deutschland wieder fort .
Ich suchte unter diesem Volke nichts mehr , ich war genug gekränkt , von unerbittlichen Beleidigungen , wollte nicht , daß meine Seele vollends unter solchen Menschen sich verblute .
Aber der himmlische Frühling hielt mich auf ; er war die einzige Freude , die mir übrig war , er war ja meine letzte Liebe , wie konnte ich noch an andere Dinge denken und das Land verlassen , wo auch er war ?
Bellarmin !
Ich hatte es nie so ganz erfahren , jenes alte feste Schicksalswort , daß eine neue Seligkeit dem Herzen aufgeht , wenn es aushält und die Mitternacht des Grams durchduldet , und daß , wie Nachtigallgesang im Dunklen , göttlich erst in tiefem Leid das Lebenslied der Welt uns tönt .
Denn , wie mit Genien , lebte ich jetzt mit den blühenden Bäumen , und die klaren Bäche , die darunter flossen , säuselten , wie Götterstimmen , mir den Kummer aus dem Busen .
Und so geschah mir überall , du Lieber ! - wenn ich im Grase ruhte , und zartes Leben mich umgrünte , wenn ich hinauf , wo wild die Rose um den Steinpfad wuchs , den warmen Hügel ging , auch wenn ich des Stroms Gestade , die luftigen umschifft und alle die Inseln , die er zärtlich hegt .
Und wenn ich oft des Morgens , wie die Kranken zum Heilquell , auf den Gipfel des Gebirges stieg , durch die schlafenden Blumen , aber vom süßen Schlummer gesättigt , neben mir die lieben Vögel aus dem Busche flogen , im Zwielicht taumelnd und begierig nach dem Tag , und die regere Luft nun schon die Gebete der Täler , die Stimmen der Herde und die Töne der Morgenglocken herauftrug , und jetzt das hohe Licht , das göttlichheitere den gewohnten Pfad daherkam , die Erde bezaubernd mit unsterblichem Leben , daß ihr Herz erwarmt und alle ihre Kinder wieder sich fühlten - o wie der Mond , der noch am Himmel blieb , die Lust des Tags zu teilen , so stand ich Einsamer dann auch über den Ebnen und weinte Liebestränen zu den Ufern hinab und den glänzenden Gewässern und konnte lange das Auge nicht wenden .
Oder des Abends , wenn ich fern ins Tal hinein geriet , zur Wiege des Quells , wo rings die dunklen Eichhöhen mich umrauschten , mich , wie einen Heiligsterbenden , in ihren Frieden die Natur begrub , wenn nun die Erde ein Schatte war , und unsichtbares Leben durch die Zweige säuselte , durch die Gipfel , und über den Gipfeln still die Abendwolke stand , ein glänzend Gebirge , wovon herab zu mir des Himmels Strahlen , wie die Wasserbäche flossen , um den durstigen Wanderer zu tränken - O Sonne , o ihr Lüfte , rief ich dann , bei euch allein noch lebt mein Herz , wie unter Brüdern !
So gab ich mehr und mehr der seligen Natur mich hin und fast zu endlos .
Wäre ich so gerne doch zum Kinde geworden , um ihr näher zu sein , hätte ich so gern doch weniger gewußt und wäre geworden , wie der reine Lichtstrahl , um ihr näher zu sein ! o einen Augenblick in ihrem Frieden , ihrer Schöne mich zu fühlen , wie viel mehr galt es vor mir , als Jahre voll Gedanken , als alle Versuche der allesversuchenden Menschen !
Wie Eis , zerschmolz , was ich gelernt , was ich getan im Leben , und alle Entwürfe der Jugend verhallten in mir ; und o ihr Lieben , die ihr ferne seid , ihr Toten und ihr Lebenden , wie innig Eines waren wir !
Einst saß ich fern im Feld , an einem Brunnen , im Schatten Efeugrüner Felsen und überhängender Blütenbüsche .
Es war der schön II. Bd. I ste Mittag , den ich kenne .
Süße Lüfte wehten und in morgendlicher Frische glänzte noch das Land und still in seinem heimatlichen Äther lächelte das Licht .
Die Menschen waren weggegangen , am häuslichen Tische von der Arbeit zu ruhn ; allein war meine Liebe mit dem Frühling , und ein unbegreiflich Sehnen war in mir .
Diotima , rief ich , wo bist du , o wo bist du ?
Und mir war , als hörte ich Diotimas Stimme , die Stimme , die mich einst erheitert in den Tagen der Freude - Bei den Meinen , rief sie , bin ich , bei den Deinen , die der irre Menschengeist mißkennt !
Ein sanfter Schrecken ergriff mich und mein Denken entschlummerte in mir .
O liebes Wort aus heiligem Munde , rief ich , da ich wieder erwacht war , liebes Rätsel , fass ich dich ?
Und Einmal sah ich noch in die kalte Nacht der Menschen zurück und schauert und weinte vor Freuden , daß ich so selig war und Worte sprach ich , wie mir dünkt , aber sie waren , wie des Feuers Rauschen , wenn es auffliegt und die Asche hinter sich läßt - " O du , so dachte ich , mit deinen Göttern , Natur !
ich habe ihn ausgeträumt , von Menschendingen den Traum und sage , nur du lebst , und was die Friedenslosen erzwungen , erdacht , es schmilzt , wie Perlen von Wachs , hinweg von deinen Flammen !
Wie lang ist_es , daß sie dich entbehren ? o wie lang ist_es , daß ihre Menge dich schilt , gemein nennt dich und deine Götter , die Lebendigen , die Seligstillen !
Es fallen die Menschen , wie faule Früchte von dir , o laß sie untergehen , so kehren sie zu deiner Wurzel wieder , und ich , o Baum des Lebens , daß ich wieder grüne mit dir und deine Gipfel umatme mit all deinen knospenden Zweigen ! friedlich und innig , denn alle wuchsen wir aus dem goldenen Saamkorn herauf !
Ihr Quellen der Erde ! ihr Blumen ! und ihr Wälder und ihr Adler und du brüderliches Licht ! wie alt und neu ist unsere Liebe ! -
Frei sind wir , gleichen uns nicht ängstlich von außen ; wie sollte nicht wechseln die Weise des Lebens ?
wir lieben den Äther doch alle und innigst im Innersten gleichen wir uns .
Auch wir , auch wir sind nicht geschieden , Diotima , und die Tränen um dich verstehen es nicht .
Lebendige Töne sind wir , stimmen zusammen in deinem Wohllaut , Natur ! wer reißt den ? wer mag die Liebenden scheiden ? -
O Seele !
Seele !
Schönheit der Welt ! du unzerstörbare ! du entzückende ! mit deiner ewigen Jugend ! du bist ; was ist denn der Tod und alles Wehe der Menschen ? -
Ach ! viel der leeren Worte haben die Wunderlichen gemacht .
Geschieht doch alles aus Lust , und endet doch alles mit Frieden .
Wie der Zwist der Liebenden , sind die Dissonanzen der Welt .
Versöhnung ist mitten im Streit und alles Getrennte findet sich wieder .
Es scheiden und kehren im Herzen die Adern und einiges , ewiges , glühendes Leben ist Alles . "
So dachte ich .
Nächstens mehr .
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- Zitationsvorschlag für diese Edition
- TextGrid Repository (2025). Hölderlin, Friedrich. Hyperion: Band 2. Bildungsromankorpus. https://hdl.handle.net/21.11113/4c0km.0