Geschichte des Agathon . -- quid Virtus & quid Sapientia possit Utile proposuit nobis exemplum -- Zweyter Teil .
Frankfurt und Leipzig , 1767 .
Agathon .
Zweiter Teil .
[ Agath. II. Th. ] A Agathon .
Achtes Buch .
Erstes Kapitel .
Vorbereitung zum Folgenden .
Die Laune eines Dichters , die Treue einer Buhlerin , und die Freundschaft eines Hippias , sind vielleicht die drei unzuverlässigsten Dinge unter allen in der Welt ; es wäre denn , daß man die Gunst der Großen für das Vierte halten wollte , welche gemeiniglich eben so leicht verloren als gewonnen wird , und mit den Gunstbezeugungen gewisser Nymphen noch diese Ähnlichkeit hat , daß derjenige , welcher unvorsichtig genug gewesen ist davon zu kosten , einen kurzen Traum von Vergnügen gemeiniglich mit langwierigen Schmerzen bezahlen muß .
Hippias nannte sich einen Freund der schönen Danae , und wurde von ihr dafür gehalten ; eine Bekanntschaft von mehr als zwölf Jahren hatte dieses beiden zur Gewohnheit gemacht .
Hierzu kam noch die natürliche Verwandtschaft , welche unter Leuten von Witz und feiner Lebens-Art obwaltet , die Übereinstimmung ihrer Denkungs-Art , und Neigungen ; vielleicht auch die besondere Vorrechte , die er , der gemeinen Meinung nach , eine Zeit lang bei ihr genossen .
Alles dieses hatte diese Art von Vertraulichkeit unter ihnen hervorgebracht , welche von den Weltleuten , aus einem Mißverstande dessen sie sich nur nicht vermuten , für Freundschaft gehalten wird , und auch in der Tat alle Freundschaft , deren sie fähig sind , ausmacht ; ob es gleich gemeiniglich eine bloß mechanische Folge zufälliger Umstände , und im Grunde nichts besseres als eine stillschweigende Übereinkommniß ist , einander so lange gewogen zu sein , als es einem oder dem anderen Teil gelegen sein werde ; und daher auch ordentlicher Weise keinen Augenblick länger dauert , als bis sie auf irgend eine Probe , wobei sich die Eigenliebe einige Gewalt antun müßte , gesetzt werden wollte .
Die schöne Danae , deren Herz unendlich Mal besser war als des Sophisten seines , ging inzwischen ganz aufrichtig zu Werke , indem sie in die vermeinte Freundschaft dieses Mannes nicht den mindesten Zweifel setzte .
Es ist wahr , er hatte einen guten Teil von ihrer Hochachtung , und also zugleich von ihrem Vertrauen verloren , seitdem die Liebe so sonderbare Veränderungen in ihrem Charakter gewirkt hatte .
Je mehr Agathon gewann , je mehr mußte Hippias verlieren .
Allein das war so natürlich und kam so unvermerkt , daß sie sich dessen kaum , oder nur sehr undeutlich bewußt war ; und vielleicht so wenig , daß sie , ohne die mindeste Besorgnis , er werde tiefer in ihr Herz hineinschauen als sie selbst , an nichts weniger dachte , als einige Vorsichtigkeit gegen ihn zu gebrauchen .
Ein Beweis hiervon ist , daß sie , anstatt ihm bei ihrem Liebhaber schlimme Dienste zu tun , sich vielmehr bei jedem Anlas bemühte , ihn bei demselben in bessere Achtung zu setzen .
Und dieses war ihr auch , bei der besonderen Sorgfalt , womit der Sophist seit einiger Zeit ihre Bemühung beförderte , so wohl gelungen , daß Agathon anfing eine bessere Meinung von seinem Charakter zu fassen , und sich unvermerkt so viel Vertrauen von ihm abgewinnen ließ , daß er kein Bedenken mehr trug , sich so gar über die Angelegenheiten seines Herzens in vertrauliche Unterredungen mit ihm einzulassen .
Unsere Liebende verliefen sich also mit der sorglosesten Unvorsichtigkeit , welche sich Hippias nur wünschen konnte , in die Fallstricke die er ihnen legte ; und ließen sich nicht einfallen , daß er Absichten haben könne , eine Verbindung wieder zu vernichten , die gewissermaßen sein eigenes Werk war .
Diese Sorglosigkeit könnte vielleicht desto tadelhafter scheinen , da beiden so wohl bekannt war , nach was für Grundsätzen er lebte .
Allein es ist eine Beobachtung , die man alle Tage zu machen Gelegenheit hat , daß edle Gemüter mit Leuten von dem Charakter unseres Sophisten betrogen werden müssen , sie mögen es angehen , wie sie wollen .
Sie mögen die Denkens-Art dieser Leute noch so gut kennen , noch so viele Proben davon haben , daß derjenige , dessen Neigungen und Handlungen allein durch das Interesse seiner eigennützigen Leidenschaften bestimmt wird , keines rechtschaffenen Betragens fähig ist ; es wird ihnen doch immer unmöglich bleiben , alle Krümmen und Falten seines Herzens so genau auszuforschen , daß nicht in irgend einer derselben noch eine geheime Schalkheit lauern sollte , deren man sich nicht versehen hatte , wenn sie endlich zum Vorschein kommt .
Agathon und Danae , zum Exempel , Kanuten den Hippias gut genug , um überzeugt zu sein , daß er sich , sobald sein Interesse dem Vorteil ihrer Liebe entgegenstünde , nicht einen Augenblick bedenken würde , die Pflichten der Freundschaft seinem Eigennutzen aufzuopfern .
Denn was sind Pflichten für einen Hipplas ?
Hingegen konnten sie nicht begreifen , was für einen Vorteil er darunter haben könnte , ihre Herzen zu trennen ; und dieses machte sie sicher .
In der Tat hatte er keinen ; auch hatte er eigentlich die Absicht nicht sie zu trennen .
Aber er hatte ein Interesse , ihnen einen Streiche zu spielen , welcher , dem Charakter des Agathon nach , notwendig diese Wirkung tun mußte .
Und das war es , woran sie nicht dachten .
Wir haben im vierten Buche dieser Geschichte die Absichten entdeckt , welche den Sophisten bewogen hatten , unseren Helden mit der schönen Danae bekannt zu machen .
Der Entwurf war wohl ausgesonnen , und hätte , nach den Voraussetzungen , die dabei zum Grunde lagen , unmöglich mißlingen können , wenn man auf irgend eine Voraussetzung Rechnung machen dürfte , so bald sich die Liebe ins Spiel mischt .
Dieses Mal war es ihm gegangen , wie es gemeiniglich den Projektmachern geht ; er hatte an alles gedacht , nur nicht an den einzigen Fall , der ihm seine Absichten vereitelte .
Wie hätte er auch glauben können , daß eine Danae fähig sein sollte , ihr Herz an einen Platonischen Liebhaber zu verlieren ?
Ein gleichgültiger Philosoph würde darüber betroffen gewesen sein , ohne böse zu werden ; aber es gibt sehr wenig gleichgültige Philosophen .
Hippias fand sich in seinen Erwartungen betrogen ; seine Erwartungen gründeten sich auf Schlüsse ; seine Schlüsse auf seine Grundsätze , und auf diese das ganze System seiner Ideen , welches ( wie man weiß ) bei einem Philosophen wenigstens die Hälfte seines geliebten Selbsts ausmacht .
Wie bäte er nicht böse werden sollen ?
Seine Eilelkeit fühlte sich beleidiget .
Agathon und Danae hatten die Gelegenheit dazu gegeben .
Er wußte zwar wohl , daß sie keine Absicht ihn zu beleidigen dabei gehabt haben konnten ; allein darum bekümmert sich kein Hippias .
Genug , daß sein Unwille gegründet war ; daß er einen Gegenstand haben mußte ; und daß ihm nicht zu zu muten war , sich über sich selbst zu erzürnen .
Leute von seiner Art würden eher die halbe Welt untergehen sehen , ehe sie sich nur gestehen würden , daß sie gefehlt hätten .
Es war also natürlich , daß er darauf bedacht war , sich durch das Vergnügen der Rache für den Abgang desjenigen zu entschädigen , welches er sich von der vermeinten und verhofften Bekehrung unseres Helden versprochen hatte .
Agathon liebte die schöne Danae , weil sie , selbst nachdem der äußerste Grad der Bezauberung aufgehört hatte , in seinen Augen noch immer das vollkommenste Geschöpfe war , das er kannte .
Was für ein Geist ! was für ein Herz ! was für seltene Talente ! welche Anmut in ihrem Umgang ! was für eine Mannigfaltigkeit von Vorzügen und Reizungen ! wie Hochachtungswert mußte sie das alles ihm machen ! wie vorteilhaft war ihr die Erinnerung an jeden Augenblick , von dem ersten an , da er sie gesehen , bis zu demjenigen , da sie von sympathetischer Liebe überwältiget die seinige glücklich gemacht hatte !
Kurz alles was er von ihr wußte , war zu ihrem Vorteil , und von allem was seine Hochschäzuug hätte schwächen können , wußte er nichts .
Man kann sich leicht vorstellen , daß sie so unvorsichtig nicht gewesen sein werde , sich selbst zu verraten .
Es ist wahr , sie hatte sich nicht entbrechen können , die vertraute Erzählung , welche er ihr von seinem Lebens Lauf gemacht , mit Erzählung des ihrigen zu erwidern ; aber wir zweifeln sehr , daß sie sich zu einer eben so gewissenhaften Vertraulichkeit verbunden gehalten habe .
Und woher wissen wir auch , daß Agathon selbst , mit aller seiner Offenherzigkeit , keinen Umstand zurück gehalten habe , von dem er vielleicht , wie ein guter Maler oder Dichter , vorausgesehen , daß er der schönen Wirkung des Ganzen hinderlich sein könnte .
Wer ist uns Bürge dafür , daß die verführische Priesterin nicht mehr über ihn erhalten habe , als er eingestanden ?
Wenigstens hat einigen von unseren Lesern , ( welche vielleicht vergessen haben , daß sie keine Agathons sind ) die tiefe Gleichgültigkeit etwas verdächtig geschienen , worin ihn , bei einer gewissen Gelegenheit , Reizungen , die , ihrer Meinung nach , in seiner bloßen Beschreibung schon verführen könnten , gelassen haben sollen .
In der Tat ; man mag so schüchtern oder so Platonisch sein als man will ; eine schöne Frau , welche sich vorgenommen hat , die Macht ihrer Reizungen an uns zu prüfen , selbst von dem Gott der Liebe begeistert , und was noch schlimmer ist , eine Priesterin -- in einer so belauernden Stellung , mit so schwarzen Augen , mit einem so schönen Busen -- ist ganz unstreitig ein gefährlicher Anblick für einen jeden , der ( wie Phryne sagte ) keine Statue ist : Und die Poesie müßte die magischen Kräfte nicht haben , welche ihr von jeher zugeschrieben worden sind , wenn in einer solchen Situation das Lesen einer Szene , wie die Verführung Jupiters durch den Gürtel der Venus in der Jliade ist , den natürlichen Wirkungen eines damit so übereinstimmenden Gegenstands , nicht eine verdoppelte Stärke hätte geben sollen .
Allein dem sei nun wie ihm wolle , so ist gewiß , daß Danae , in der Erzählung ihrer Geschichte mehr die Gesetze des Schönen und Anständigen als die Pflichten einer genauen historischen Treue zu ihrem Augenmerk genommen , und sich kein Bedenken gemacht , bald einen Umstand zu verschönern , bald einen anderen gar wegzulassen , so oft es die besondere Absicht auf ihren Zuhörer erfordern mochte .
Denn für diesen allein , nicht für die Welt , erzählte sie ; und sie konnte sich also durch die strengen Forderungen , welche die Letztere ( wiewohl vergebens ) an die Geschichtsschreiber macht , nicht so sehr gebunden halten .
Nicht , als ob sie ihm irgend eine hauptsächliche Begebenheit ihres Lebens gänzlich verschwiegen , oder ihn statt der wirklichen durch erdichtete hintergangen hätte .
Sie sagte ihm alles .
Allein es gibt eine gewisse Kunst , dasjenige was einen widrigen Eindruck machen könnte , aus den Augen zu entfernen ; es kommt soviel auf die Wendung an ; ein einziger kleiner Umstand gibt einer Begebenheit eine so verschiedene Gestalt von demjenigen , was sie ohne diesen kleinen Umstand gewesen wäre ; daß man ohne eine merkliche Veränderung dessen was den Stoff der Erzählung ausmacht , tausend sehr bedeutende Treulosigkeiten an der historischen Wahrheit begehen kann .
Eine Betrachtung , die uns ( im Vorbeigehen zu sagen ) die Geschichtsschreiber ihres eigenen wer then Selbsts , keinen Xenophon noch Marcus Antoninus , ja selbst den offenherzigen Montaigne nicht ausgenommen , noch verdächtiger macht , als irgend eine andere Klasse von Geschichtsschreibern .
Die schöne und kluge Danae hatte also ihrem Liebhaber weder ihre Erziehung in Aspasiens Hause , noch ihre Bekanntschaft mit dem Alcibiades , noch die glorreiche Liebe , welche sie dem Prinzen Cyrus eingeflößt hatte , verhalten .
Alle diese , und viele andere nicht so schimmernde Stellen ihrer Geschichte machten ihr entweder Ehre , oder konnten doch mit der Geschicklichkeit , worin sie die zweite Aspasia war , auf eine solche Art erzählt werden , daß sie ihr Ehre machten .
Allein was diejenigen Stellen betraf , an denen sie alle Kunst , die man auf ihre Verschönerung wenden möchte , für verloren hielt ; es sei nun , weil sie an sich selbst , oder in Beziehung auf den eigenen Geschmack unseres Helden , in keiner Art von Einkleidung , Wendung oder Licht gefallen konnten : über diese hatte sie klüglich beschlossen , sie mit gänzlichem Stillschweigen zu bedecken ; und daher kam es dann , daß unser Held noch immer in der Meinung stand , er selbst sei der erste gewesen , welchem sie sich durch Gunst-Bezeugungen von derjenigen Art , womit er von ihr überhäuft worden war , verbindlich gemacht hätte .
Ein Irrtum , der nach seiner spitzfindigen Denkens-Art zu seinem Glücke so notwendig war , daß ohne denselben alle Vollkommenheiten seiner Dame zu schwach gewesen wären , ihn nur einen Augenblick in ihren Fesseln zu behalten .
Ihm diesen Irrtum zu benehmen , war der schlimmste Streiche , den man seiner Liebe und der schönen Danae spielen konnte ; und dieses zu tun , war das Mittel , wodurch der Sophist an beiden auf einmal eine Rache zu nehmen hoffte , deren bloße Vorstellung sein boßhaftes Herz in Erzükung setzte .
Er lauerte dazu nur auf eine bequeme Gelegenheit , und diese pflegt zu einem bösen Vorhaben selten zu entgehen .
Ob dieses letztere der Geschäftigkeit irgend eines bösen Dämons zu zuschreiben sei , oder ob es daher komme , daß die Bosheit ihrer Natur nach eine lebhaftere Wirksamkeit hervorbringt als die Güte ; ist eine Frage , welche wir anderen zu untersuchen überlassen .
Es sei das eine oder das andere , so würde eine ganz natürliche Folge dieser fast alltäglichen Erfahrungs-Wahrheit sein , daß das Böse in einer immer wachsenden Progression zunehmen , und , wenigstens in dieser sublunarischen Welt , das Gute zuletzt gänzlich verschlingen würde ; wenn nicht aus einer eben so gemeinen Erfahrung richtig wäre , daß die Bemühungen der Bösen , so glücklich sie auch in der Ausführung sein mögen , doch gemeiniglich ihren eigentlichen Zweck verfehlen , und das Gute durch eben die Maßregeln und Ränke , wodurch es hätte gehindert werden sollen , weit besser befördern , als wenn sie sich ganz gleichgültig dabei verhalten hätten .
Unter anderen Eigenschaften , welche den Charakter der Danae schätzbar machten , war auch diese , daß sie eine vortreffliche Freundin war .
So gleichgültig sie , bis auf die Zeit da sich Agathon ihres Herzens bemeisterte , gegen den Vorwurf der Unbeständigkeit in der Liebe auch immer gewesen war :
so zuverlässig und standhaft war sie jederzeit in der Freundschaft gewesen .
Sie liebte ihre Freunde mit einer Zärtlichkeit , welche von Leuten , die bloß nach dem äußerlichen Ansdruk urteilen , leicht einem eigennützigeren Affekt beigemessen werden konnte ; denn diese Zärtlichkeit stieg bis zum wirksamsten Grade der Leidenschaft , sobald es darauf ankam , einem unglücklichen Freunde Dienste zu leisten .
Es war kein Vergnügen , welches sie nicht in einem solchen Falle den Pflichten der Freundschaft aufgeopfert hätte .
Eine Veranlassung von dieser Art ( wovon die Umstände mit unserer Geschichte in keiner Beziehung stehen ) hatte sie auf einige Tage von Smyrna abgerufen .
Agathon mußte zurückbleiben , und die gutherzige Danae , mit dem Beweise zufrieden , den ihr sein Schmerz bei ihrem Abschied von seiner Liebe gab , versüßte sich ihren eigenen durch die Vorstellung , daß die kurze Trennung ihm den Wert seiner Glückseligkeit weit lebhafter zu fühlen geben werde , als eine ununterbrochene Gegenwart .
Ruhig über den Besitz seines Herzens empfahl sie ihm desto eifriger , sich während ihrer Abwesenheit den Freuden , welche das reiche und wollüstige Smyrna verschaffen konnte , zu überlassen , je gewisser sie war , daß sie von dergleichen Zerstreuungen nichts zu besorgen habe .
Allein Agathon hatte bereits angefangen , den Geschmack an diesen Lustbarkeiten zu verlieren .
So lebhaft , so mannigfaltig , so berauschend sie sein mögen , so sind sie doch nicht fähig einen Geist wie der seinige war , lange einzunehmen .
Als eine Beschäftigung betrachtet , können sie es nur für Leute sein , die sonst zu nichts taugen ; und Vergnügungen bleiben sie nur so lange als sie neu sind .
Je lebhafter sie sind , desto bälder folgen Sättigung und Ermüdung ; und alle ihre anscheinende Mannigfaltigkeit kann bei einem fortgesetzten Gebrauch das Einförmige nicht verbergen , wodurch sie endlich selbst der verdienstlosesten Klasse der Weltleute ekelhaft werden .
Die Abwesenheit der Danae benahm ihnen vollends noch den einzigen Reiz , den sie noch für ihn gehabt hätten , das Vergnügen sie daran Anteil nehmen zu sehen .
Er brachte also bei nahe die ganze Zeit ihrer Abwesenheit in einer Einsamkeit zu , von welcher ihn das heschäftigte Leben zu Athen und die wollüstige Muße zu Smyrna schon etliche Jahre entwöhnet hatten .
Hier ging es ihm anfangs wie denen welche aus einem stark erleuchteten Ort auf einmal ins Dunkle kommen .
Seine Seele fühlte sich leer , weil sie allzuvoll war ; er schrieb dieses der Abwesenheit seiner Freundin zu ; er fühlte daß sie ihm mangelte , und dachte nicht daran , daß er sie weniger vermißt haben würde , wenn die Nerven seines Geistes durch die Gewohnheit einer wollüstigen Passivität nicht eingeschläfert worden wären .
Die ersten Tage schlichen für ihn in einer Art von zärtlicher Melancholie vorbei , welche nicht ohne Anmut war .
Danae war beinahe der einzige Gegenstand , womit seine in sich selbst zurückgezogene Seele sich beschäftigte ; oder wenn seine Erinnerung in vorhergehende Zeiten zurück ging , wenn sie ihm das Bild seiner Psyche , oder die schimmernden Auftritte seines Republikanischen Lebens vorhielt , so war es nur , um den Wert der unvergleichlichen Danae und die ruhige Glückseligkeit eines allein der Liebe , der Freundschaft , den Musen , und den Göttinnen der Freude geweihten Privatlebens in ein höheres Licht zu setzen .
Seine Liebe belebte sich aufs neue .
Sie verbreitete wieder diese begeisterude Wärme durch sein Wesen , welche die Triebfedern des Herzens und der Einbildungs-Kraft so harmonisch zusammenspielen macht .
Er entwarf sich die Idee einer Lebens-Art , welche ( Dank seiner dichterischen Phantasie ! ) mehr das Leben eines Gottes , als eines Sterblichen schien .
Danae glänzte darin aus einem Himmel von lachenden Bildern der Freude und Glückseligkeit hervor .
Entzückt von diesen angenehmen Träumen , beschloß er bei sich selbst , sein Schicksal auf immer mit dem ihrigen zu vereinigen .
Er hielt sie für würdig , diesen Agathon glücklich zu machen , welcher zu stolz gewesen wäre , das schimmerndste Glück aus der Hand eines Königs anzunehmen .
Dieser Entschluß , welcher bei tausend anderen eine nur sehr zweideutige Probe der Liebe sein würde , war in der Tat , nach seiner Art zu denken , der Beweis , daß die seinige auf den höchsten Grad gestiegen war .
In einem für die Absichten der Danae so günstigen Gemüts-Zustand befand er sich , als Hippias ihm einen Besuch machte , um sich auf eine Freundschaftliche Art über die Einsamkeit zu beklagen , worin er seit der Entfernung der schönen Danae lebte .
Danae sollte zu Frieden sein , sagte er in scherzhaftem Ton , den liebenswürdigen Callias für sich allein zu behalten , wenn sie gegenwärtig sei ; aber ihn auch in ihrer Abwesenheit der Welt zu entziehen , das sei zuviel , und müsse endlich die Folge haben , die Schönen zu Smyrna in eine allgemeine Zusammenverschwörung gegen sie zu ziehen .
Agathon beantwortete diesen Scherz in dem nämlichen Ton ; unvermerkt wurde das Gespräch interessant , ohne daß der Sophist eine besondere Absicht dabei zu haben schien .
Er bemühte sich seinem Freunde zu beweisen , daß er Unrecht habe , der Gesellschaft zu entsagen , um sich mit den Dryaden von seiner Liebe zu besprechen , und die Zephirs mit Seufzern und Botschaften an seine Abwesende zu beladen .
Er malte ihm mit verführischen Farben die Vergnügungen vor , deren er sich beraube , und vergaß auch das Lächerliche nicht , welches er sich durch eine so seltsame Laune in den Augen der Schönen gebe .
Seiner Meinung nach sollte ein Callias sich an einer einzigen Eroberung , so glänzend sie auch immer sein möchte , nicht begnügen lassen ; er , dem seine Vorzüge das Recht geben , seinem Ehrgeiz in dieser Sphäre keine Grenzen zu setzen , und der nur zu erscheinen brauche um zu siegen .
Er bewies die Wahrheit dieser Schmeichelei mit den besonderen Ansprüchen , welche einige von den berühmtesten Schönheiten zu Smyrna auf ihn machten ; seinem Vorgeben nach , lag es nur an Agathon , seine Eitelkeit , seine Neubegier und seinen Hang zum Vergnügen zu gleicher Zeit zu befriedigen , und auf eine so mannigfaltige Art glücklich zu sein , als sich die verzärteltste Einbildung nur immer wünschen könne .
Agathon hatte auf alle diese schöne Vorspieglungen nur Eine Antwort -- seine Liebe zu Danae .
Der Sophist fand sie unzulänglich .
Eben diese Ursachen , welche seine Liebe zu Danae hervorgebracht hatten , sollten ihn auch für die Reizungen anderer Schönen empfindlich machen .
Seiner Meinung nach machte die Abwechslung der Gegenstände das größte Glück der Liebe aus .
Er behauptete diesen Satz durch eine sehr lebhafte Ausführung der besonderen Vergnügungen , welche mit der Besiegung einer jeden besonderen Klasse der Schönen verbunden sei .
Die Unwissende und die Erfahrene , die Geistreiche und die Blöde , die Schöne und die Häßliche , die Kokette , die Spröde , die Tugendhafte , die Andächtige -- kurz jeder besondere Charakter beschäftige den Geschmack , die Einbildung , und so gar die Sinnen ( denn von dem Herzen war bei ihm die Rede nicht ) auf eine eigene Weise -- erfordre einen anderen Plan , setze andere Schwierigkeiten entgegen , und mache auf eine andere Art glücklich .
Das Ende dieser schönen Ausführung war , daß es unbegreiflich sei , wie man so viel Vergnügen in seiner Gewalt haben , und es sich nur darum versagen könne , um die einförmigen Freuden einer einzigen , mit romanhafter Treue in gerader Linie sich fortschleppenden Leidenschaft bis auf die Hefen zu erschöpfen .
Agathon gab zu , daß die Abwechslung , wozu ihn Hippias aufmuntre , für einen müßigen Wollüstling ganz angenehm sein möge , der aus dieser Art von Zeitvertreib das einzige Geschäfte seines Lebens mache .
Er behauptete aber , daß diese Art von Leuten niemals erfahren haben müßte , was die wahre Liebe sei .
Er überließ sich hierauf der ganzen Schwärmerei seines Herzens , um dem Hippias eine Abschilderung von demjenigen zu machen , was er von dem ersten Anblick an bis auf diese Stunde für die schöne Danae empfunden ; er beschrieb eine so wahre , so delikate , so vollkommene Liebe , breitete sich mit einer so begeisterten Entzückung über die Vollkommenheiten seiner Freundin , über die Sympathie ihrer Seelen , und die fast vergötternde Wonne , welche er in ihrer Liebe genieße , aus , daß man entweder die Bosheit eines Hippias oder die freundschaftliche Hartherzigkeit eines Mentors haben mußte , um fähig zu sein , ihn einem so beglückenden Irrtum zu entreißen .
Die Reizungen der schönen Danae sind zu bekannt , versetzte der Sophist , und ihre Vorzüge in diesem Stücke werden sogar von ihrem eigenen Geschlecht so allgemein eingestanden , daß Lais selbst , welche den Ruhm hat , daß die Edelsten der Griechen und die Fürsten ausländischer Nationen den Preis ihrer Nächte in die Wette steigern , lächerlich sein würde , wenn sie sich einfallen lassen wollte , mit ihr um den Preis der Liebenswürdigkeit zu streiten .
Aber daß sie jemals die Ehre haben würde , eine so ehrwürdige , so metaphysische , so über alles was sich denken läßt erhabene Liebe einzuflößen -- daß der Macht ihrer Reizungen noch dieses Wunder aufbehalten sei , das einzige welches ihr noch abging -- das hätte sich in der Tat niemand träumen lassen können , ohne sich selbst über einen solchen Einfall zu belachen .
Hier ging unserem Helden , welcher die boßhafte Vergleichung mit der Korinthischen Lais schon auf die befremdlichste Art ärgerlich gefunden hatte , die Geduld gänzlich aus .
Er setzte den Sophisten mit aller Hitze eines in dem Gegenstande seiner Anbetung beleidigten Liebhabers wegen des zweideutigen Tons zu Rede , womit er sich anmaße , von einer Person wie Danae zu sprechen ; und sein Unwille sowohl als seine Verwirrung stieg auf den äußersten Grad , da ein Satyr-mässiges Gelächter die ganze Antwort des Hippias war .
Es ist so leicht voraus zu sehen , was für einen Ausgang diese Szene nehmen mußte , daß wir nach allem was von den Absichten des Sophisten bereits gesagt worden ist , den Leser seiner eigenen Einbildung überlassen können .
Ungeduldige Fragen auf der einen -- Ausflüchte und schalkhafte Wendungen auf der anderen Seite ; bis sich Hippias auf vieles Zureden endlich das Geheimnis des wahren Standes der schönen Danae , und derjenigen Anekdoten , welche wir ( wiewohl aus unschuldigeren Absichten ) unseren Lesern schon im dritten Kapitel des vierten Buches verraten haben , mit einer Gewalt , welcher seine vorgebliche Freundschaft für Agathon nicht widerstehen konnte , abnötigen ließ .
Wir haben schon bemerkt , wie viel es bei Erzählung einer Begebenheit auf die Absicht des Erzählers ankomme , und wie verschieden die Wendungen seien , welche sie durch die Verschiedenheit derselben erhält .
Danae erzählte ihre Geschichte mit der unschuldigen Absicht zu gefallen .
Sie sah natürlicher Weise ihre Aufführung , ihre Schwachheiten , ihre Fehltritte selbst in einem milderen , und ( lasst uns die Wahrheit sagen ) in einem wahreren Licht als die Welt ; welche auf der einen Seite von allen den kleinen Umständen , die uns rechtfertigen oder wenigstens unsere Schuld vermindern könnten , nicht unterrichtet , und auf der anderen Seite boßhaft genug ist , um ihres größeren Vergnügens Willen das Gemälde unserer Torheiten mit tausend Zügen zu überladen , um welche es zwar weniger wahr aber desto komischer wird .
Unglücklicher Weise für sie erforderte die Absicht des Hippias , daß er diese schalkhafte Kunst , eine Begebenheit ins Häßliche zu malen , so weit treiben mußte , als es die Gesetze der Wahrscheinlichkeit nur immer erlauben konnten .
Unser Held glich während dieser Entdeckungen mehr einer Bild-Säule oder einem Toten als sich selbst .
Kalte Schauer und fliegende Glut fuhren wechselsweise durch seine Adern .
Seine von den widerwärtigsten Leidenschaften auf einmal bestürmte Brust atmete so langsam , daß er in Ohnmacht gefallen wäre , wenn nicht Eine davon plötzlich die Oberhand behalten , und durch den heftigsten Ausbruch dem gepreßten Herzen Luft gemacht hätte .
Das Licht , worin ihm Hippias seine Göttin zeigte , machte mit demjenigen , worin er sie zu sehen gewohnt war , einen so beleidigenden Kontrast ; der Gedanke , sich so sehr betrogen zu haben , war so unerträglich , daß es ihm unmöglich fallen mußte , dem Sophisten Glauben beizumessen .
Der ganze Sturm , der seine Seele schwellte , brach also über den Verräter aus .
Er nannte ihn einen falschen Freuud , einen Verleumder , einen Nichtswürdigen -- rief alle rächende Gottheiten gegen ihn auf -- schwor , sofern er die Beschuldigungen , womit er die Tugend der schönen Danae zu beschmitzen sich erfrechte , nicht bis zur unbetrüglichsten Evidenz erweisen werde , ihn als ein das Sonnenlicht befleckendes Ungeheuer zu vertilgen , und seinen verfluchten Rumpf unbegraben den Vögeln des Himmels Preis zu geben .
Der Sophist sah diesem Sturm mit der Gelassenheit eines Menschen zu , der die Natur der Leidenschaften kennt ; so ruhig , wie einer der vom sicheren Ufer dem wilden Aufruhr der Wellen zusieht , dem er glücklich entgangen ist .
Ein mitleidiger Blick , dem ein schalkhaftes Lächeln seinen zweideutigen Wert vollends benahm , war alles , was er dem Zorn des aufgebrachten Liebhabers entgegensetzte .
Agathon stutzte darüber .
Ein schrecklicher Zweifel warf ihn auf einmal auf die entgegengesetzte Seite .
Rede , Grausamer , rief er aus , rede !
Beweise deine hassenswürdigen Anklagen so klar als Sonnenschein ; oder bekenne , daß du ein verräterischer Elender bist , und vergehe vor Scham ! -- Bist du bei Sinnen , Callias , antwortete der Sophist mit dieser verruchten Gelassenheit , welche in solchen Umständen der triumphierenden Bosheit eigen ist -- komme erst zu dir selbst ; sobald du fähig sein wirst , Vernunft anzuhören , will ich reden .
Agathon schwieg ; denn was kann derjenige sagen , der nicht weiß was er denken soll ?
Wahrhaftig , fuhr der Sophist fort , ich begreife nicht , was für eine Ursache du zu haben glaubst , den rasenden Ajax mit mir zu spielen .
Wer redet von Beschuldigungen ?
Wer klagt die schöne Danae an ?
Ist sie vielleicht weniger liebenswürdig , weil du weder der erste bist der sie gesehen , noch der erste , der sie empfindlich gefunden hat ?
Was für Launen das sind !
Glaube mir , jeder anderer als du hätte nichts weiter nötig gehabt als sie zu sehen , um meine Nachrichten glaubwürdig zu finden ; Ihr bloßer Anblick ist ein Beweis .
Aber du forderst einen stärkeren ; du sollst ihn haben , Callias .
Was sagtest du , wenn ich selbst einer von denen gewesen wäre , welche sich rühmen können , die schöne Danae empfindlich gesehen zu haben ?
-- Du ? rief Agathon mit einem ungläubigen Erstaunen , welches eben nicht schmeichelhaft für die Eitelkeit des Sophisten war .
Ja , Callias ; ich ; erwiderte jener ; ich , wie du mich hier siehst , zehn oder zwölf Jahre abgerechnet , um welche ich damals geschickter sein mochte , den Beifall einer schönen Dame zu erhalten .
Du glanbest vielleicht ich scherze ; aber ich bin überzeugt , daß deine Göttin selbst zu edel denkt , um dir wenn du sie mit guter Art fragen wirst , eine Wahrheit verhalten zu wollen , von welcher ganz Smyrna zeugen könnte .
Hier fuhr der barbarische Mensch fort , ohne das geringste Mitleiden mit dem Zustande , worein er den armen Agathon durch seine Prahlereien setzte , die Glückseligkeiten , welche er in den Armen der schönen Danae ( der Himmel weiß mit welchem Grunde ) genossen zu haben vorgab , von Stück zu Stück mit einem Ton von Wahrheit , und mit einer Munterkeit zu beschreiben , welche seinen Zuhörer beinahe zur Verzweiflung brachte .
Es ist vorbei , siel er endlich dem Sophisten mit einer so heftigen Bewegung in die Rede , daß er in diesem Angenblik mehr als ein Mensch zu sein schien -- Es ist vorbei !
O Tugend , du bist gerochen ! -- Hippias , du hast mich unter der lächelnden Maske der Freundschaft mit einem giftigen Dolch durchbohret -- aber ich danke dir -- deine Bosheit leistet mir einen wichtigeren Dienst als alles was deine Freundschaft für mich hätte tun können .
Sie eröffnet mir die Augen -- zeigt mir auf einmal in den Gegenständen meiner Hochachtung und meines Zutrauens , in dem Abgott meines Herzens und in meinem vermeinten Freunde , die zwei verächtlichsten Gegenstände , womit jemals meine Augen sich besudelt haben .
Götter ! die Buhlerin eines Hippias !
Kann etwas unter diesem untersten Grade der Entehrung sein ?
Mit dieser Apostrophe warf er den Achtung vollsten Blick , der jemals aus einem Menschlichen Auge geblitzt hat , auf den betroffenen Sophisten , und begab sich hinweg .
Drittes Kapitel .
Folgen des Vorhergehenden .
Die menschliche Seele ist vielleicht keines heftigeren Schmerzens fähig , als derjenige ist , wenn wir uns genötigt sehen , den Gegenstand unserer zärtlichsten Gesinnungen zu verachten .
Alles was man davon sagen kann ist zu schwach , die Pein auszudrücken , die durch eine so gewaltsame Zerreißung in einem gefühlvollen Herzen verursacht wird .
Wir wollen also lieber gestehen , daß wir uns unvermögend finden , den Tumult der Leidenschaften , welche in den ersten Stunden nach einer so grausamen Unterredung in dem Gemüte Agathons wüteten , abzuschildern , als durch eine frostige Beschreibung zu gleicher Zeit unsere Vermessenheit und unser Unvermögen zu verraten .
Das erste was er tat , sobald er seiner selbst wieder mächtiger wurde , war , daß er alle seine Kräfte anstrengte , sich zu überreden , daß ihn Hippias betrogen habe .
War es zuviel , das Schlimmste von einem so ungeheuren Bösewicht zu denken , als dieser Sophist nunmehr in seinen Augen war ?
Was für eine Gültigkeit konnte ein solcher Zeuge gegen eine Danae haben ? --
Oder vielmehr , was für einen mächtigen Apologesten hattest du , schöne Danae , in dem Herzen deines Agathon !
Was hätte Hypereides selbst , ob er gleich beredt genug war , die Athener von der Unschuld einer Phryne zu überzeugen , Stärkers und scheinbares zu deiner Verteidigung sagen können , als was er sich selbst sagte ? --
Vermutlich würde die Vernunft allein von dieser sophistischen Beredsamkeit der Liebe überwältiget worden sein :
Aber die Eifersucht , welche ihr zu Hilfe kam , gab den Ausschlag .
Unter allen Leidenschaften ist keine , welcher die Verwandlung des Möglichen ins Wirkliche weniger kostet als diese .
In dem zweifelhaften Lichte , welches sie über seine Seele ausbreitete , wurde Vermutung zu Wahrscheinlichkeit und Wahrscheinlichkeit zu Gewißheit ; nicht anders als wenn er mit der spitzfindigen Delikatesse eines Julius Cäsars die schöne Danae schon darum schuldig gefunden hätte , weil sie bezichtiget wurde .
Er verglich ihre eigene Erzählung mit des Hippias seiner , und glaubte nun , da das Mißtrauen sich seines Geistes einmal bemächtiget hatte , hundert Spuren in der ersten wahrzunehmen , welche die Wahrheit der letzteren bekräftigten .
Hier hatte sie einem Umstand eine gekünstelte Wendung geben müssen ; dort war sie , ( wie er sich zu erinnern glaubte ) verlegen gewesen , was sie aus einem anderen machen sollte , der ihr unversehens entschlüpft war .
Mit einem eben so schielenden Auge durchgieng er ihr ganzes Betragen gegen ihn .
Wie dentlich glaubte er jetzt zu sehen , daß sie von dem ersten Augenblick an Absichten auf ihn gehabt habe !
Tausend kleine Umstände , welche ihm damals ganz gleichgültig gewesen waren , schienen ihm jetzt eine geheime Bedeutung gehabt zu haben .
Er besann sich , er verglich und kombinierte so lange , bis es ihm ganz glaublich vorkam , daß alles was bei dem ersten Besuche den er ihr mit Hippias gemacht , bis zu seinem Übergang in ihre Dienste vorgegangen , die Folgen eines zwischen ihr und dem Sophisten abgeredeten Plans gewesen seien .
Wie sehr vergiftete dieser Gedanke alles was sie für ihn getan hatte !
wie gänzlich benahm er ihren Handlungen diese Schönheit und Grazie , die ihn so sehr bezaubert hatte !
Er sah nun in diesem vermeinten Urbild einer jeden idealen Vollkommenheit nichts mehr als eine schlaue Buhlerin , welche von einer großen Fertigkeit in der Kunst die Herzen zu bestricken den Vorteil über seine Unschuld erhalten hatte !
Wie verächtlich kamen ihm jetzt diese Gunstbezeugungen vor , welche ihm so kostbar gewesen waren , so lang er sie für Ergiessungen eines für ihn allein empfindlichen Herzens angesehen hatte !
Wie verächtlich diese Freuden , die ihn in jenem glücklichen Stande der Bezauberung den Göttern gleich gemacht !
Wie zürnte er jetzt über sich selbst , daß er töricht genug hatte sein können , in ein so sichtbares , so handgreifliches Netz sich verwickeln zu lassen !
Das Bild der liebenswürdigen Psyche konnte sich ihm zu keiner ungelegeneren Zeit für Danae darstellen als jetzt .
Aber es war natürlich , daß es sich darstellte ; und wie blendend war das Licht , worin sie ihm jetzt erschien !
Wie wurde sie durch die verdunkelte Vorzüge ihrer unglücklichen Nebenbuhlerin herausgehoben !
Himmel ! wie war es möglich , daß die Beischläferin eines Alcibiades , eines Hippias -- eines jeden anderen , der ihr gefiel , fähig sein konnte , diese liebenswürdige Unschuld auszulöschen , deren keusche Umarmungen , anstatt seine Tugend in Gefahr zu setzen , ihr neues Leben , neue Stärke gegeben hatten ? --
Er trieb die Vergleichung so weit sie gehen konnte .
Beide hatten ihn geliebt ; aber , welch ein Unterschied in der Art zu lieben ! welch ein Unterschied zwischen jener Nacht -- an die er sich jetzt mit Abscheu erinnerte -- wo Danae , nachdem sie alle ihre Reizungen , alles was die schlaueste Verführungs-Kunst erfinden kann ; zugleich mit dem magischen Kräften der Musik aufgeboten , seine Sinnen zu berauschen und sein ganzes Wesen in wollüstige Begierden aufzulösen , sich selbst mit zuvorkommender Güte in seine Arme geworfen hatte -- und den elysischen Nächten , die ihm an Psychen Seite in der reinen Wonne entkörperter Geister , wie ein einziger himmlischer Augenblick , vorübergeflossen waren ! --
Arme Danae !
So gar die Reizungen ihrer Figur verloren bei dieser Vergleichung einen Vorzug , den ihnen nur das parteilichste Vorurteil absprechen konnte .
Diese Gestalt der Liebes-Göttin , bei deren Anschauen seine entzückte Seele in Wollust zerflossen war , sank jetzt , mit der jungfräulichen Geschmeidigkeit der jungen Psyche verglichen , in seiner gramsüchtigen Einbildung zu der üppigen Schönheit einer Bacchantin herab -- der Wut eines Wein-triefenden Satyrs würdiger als der zärtlichen Entzückungen , welcher er sich jetzt schämte ; in einer unverzeihlichen Betörung seiner Seele , an sie verschwendet zu haben .
Ohne Zweifel werden unsere tugendhafte Leserinnen , welche den Fall unseres Helden nicht ohne gerechten Unwillen gegen die feine Buhler-Künste der schönen Danae betrauert haben , von Herzen erfreut sein , die Ehre der Tugend , und gewisser maßen das Interesse ihres ganzen Geschlechts an dieser Verführerin gerochen zu sehen .
Wir nehmen selbst vielen Anteil an dieser ihrer Freude ; aber wir können uns doch , mit ihrer Erlaubnis nicht entbrechen zu sagen , daß Agathon in der Vergleichung zwischen Danae und Psyche eine Strenge bewies , welche wir nicht allerdings billigen können , so gerne wir ihn auch von einer Leidenschaft zurückkommen sehen , deren längere Dauer uns in die Unmöglichkeit gesetzt hätte , diesen zweiten Teil seiner Geschichte zu liefern .
Danae mag wegen ihrer Schwachheit gegen unseren Helden so tadelnswürdig sein , als man will , so war es doch offenbar unbillig , sie zu verurteilen , weil sie keine Psyche war ; oder , um bestimmter zu reden , weil sie in ähnlichen Umständen sich nicht vollkommen so wie Psyche betragen hatte .
Wenn Psyche unschnldiger gewesen war , so war es weniger ein Verdienst , als ein physikalischer Vorzug , eine natürliche Folge ihrer Jugend und ihrer Umstände :
Danae war es vermutlich auch , da sie , unter der Aufsicht ihres edlen Bruders , mit aller Naivität eines Landmädchens vor vierzehn Jahren bei den Gastmalern zu Athen , nach der Flöte tanzte , oder den Alcamenen , für die Gebühr , das Model zu dem halbaufgeblühten Busen einer Hebe vorhielt .
War es ihre Schuld , daß sie nicht zu Delphi erzogen worden ?
Oder , daß sich die ersten Empfindungen ihres jugendlichen Herzens für einen Alcibiades , und nicht für einen Agathon entfalteten ? --
Psyche liebte unschuldiger ; wir geben es zu ; aber die Liebe bleibt doch in ihren Wirkungen allezeit sich selbst ähnlich .
Sie erweitert ihre Forderungen so lange bis sie im Besitz aller ihrer Rechte ist ; und die treuherzige Unerfahrenheit ist am wenigsten im Stande , ihr diese Forderungen streitig zu machen .
Es war glücklich für die Unschuld der zärtlichen Psyche , daß ihre nächtliche Zusammenkünfte unterbrochen wurden , ehe diese auf eine so geistige Art sinnliche Schwärmerei , worin sie beide so schöne Progressen zu machen angefangen hatten , ihren höchsten Grad erreichte .
Vielleicht noch wenige Tage , oder auch später , wenn ihr wollt ; aber desto gewisser würden die guten Kinder , von einer unschuldigen Ergiessung des Herzens zur anderen , von einem immer noch zu schwachen Ausdruck ihrer unaussprechlichen Empfindungen zum anderen , sich endlich , zu ihrer eigenen großen Verwunderung , da gefunden haben , wo die Natur sie erwartet hätte ; und wo würde da der wesentlichste Vorzug der Unschuld geblieben sein ? --
Ein anderer Umstand , worin Psyche glücklicher Weise den Vorteil über Danae hatte , war dieser , daß ihr Liebhaber eben so unschuldig war als sie selbst , und bei aller seiner Zärtlichkeit nur nicht den Schatten eines Gedankens hatte , ihrer Tugend nachzustellen .
Wissen wir , wie sie sich verhalten hätte , wenn sie auf die Probe gestellt worden wäre ?
Sie würde widerstanden haben ; daran ist kein Zweifel ; aber , setzet hinzu ; so lang es ihr möglich gewesen wäre .
Denn daß sie stark genug gewesen wäre ihn zu fliehen , ihn gar nicht mehr zu sehen , das ist nicht zu vermuten .
Sie würde also endlich doch von den süßen Verführungen der Liebe überschlichen worden sein , so weit sie auch den Augenblick ihrer Niederlage hätte zurückstellen mögen .
Man könnte sagen :
Gesetzt auch , sie würde die Probe nicht ausgehalten haben , so hätte sie doch widerstanden ; Danae hingegen habe ihren Fall nicht nur vorausgesehen , und beschleunigt , sondern er sei sogar das Werk ihrer eigenen Maßnehmungen gewesen ; und wenn sie ihn aufgezogen habe , so sei es allein des Vorteils ihrer Liebe und ihres Vergnügens wegen , nicht aus Tugend , geschehen .
Alles das ist nicht zu leugnen ; allein vorausgesetzt , daß sie sich endlich doch ergeben haben würde , ( welches auf eine oder die andere Art doch allemal der stillschweigende Vorsatz einer jeden ist , die sich in eine Liebes-Angelegenheit waget ) wozu würde ein langwieriger eigensinniger Widerstand gedient haben , als sich selbst und ihrem Liebhaber unnötige Qualen zu verursachen ?
Genug , daß der strengste Wohlstand der heutigen Welt nicht halb soviel Zeit fordert , als sie anwandte , dem Agathon seinen Sieg zu erschweren .
Und glauben wir etwan , daß sie sich keine Gewalt habe antun müssen , einen so vollkommenen Liebhaber , einen Liebhaber dessen außerordentlicher Wert die Heftigkeit ihrer Neigung so gut rechtfertigte , so lange schmachten zu lassen ? oder daß die Selbstverleugnung , welche dazu erfordert wurde , eine Person , deren Einbildungs-Kraft mit den lebhaftesten Vergnügungen der Liebe schon so bekannt war , nicht zum wenigsten eben soviel gekostet habe , als einer noch unerfahrenen Person der ernstlichste Widerstand kosten kann ?
Wir sagen dieses alles nicht , um die schöne Danae zu rechtfertigen ; sondern nur zu zeigen , daß Agathon in der Hitze des Affekts zu strenge über sie geurteilt habe .
Es war unbillig , ihr eine Gütigkeit zum Verbrechen zu machen , welche ihn so glücklich gemacht hatte , als er elend gewesen sein würde , wenn sie schlechterdings darauf beharret wäre , die heftige Leidenschaft , von der er verzehrt wurde , bloß allein durch die ruhigen Gesinnungen der Freundschaft erwidern zu wollen .
Allein das Vorurteil , von welchem er nun eingenommen war , machte ihn unfähig ihr Gerechtigkeit widerfahren zu lassen .
Der Gedanke , daß sie einen Hippias eben so begünstiget habe als ihn , machte ihm alles verdächtig , was ihn hätte überzeugen können , daß , wenn ihm gleich andere in dem Genuß ihrer Gunstbezeugungen zuvorgekommen , er doch der erste gewesen sei , der ihr Herz wahrhaftig gerührt habe .
Kurz , er sah nun nichts in ihr als eine Buhlerin , welche in dem Gesichtspunkt , worin sie ihm jetzt erschien , vor den übrigen ihrer Klasse keinen anderen Vorzug hatte , als das sie gefährlicher war .
Indessen konnte sein Unwille gegen sie nicht so heftig sein als er war , ohne sich gegen sich selbst zu kehren .
Die Vorstellung , daß er die Stelle eines Hippias , eines Hyacinths , bei ihr vertreten habe , machte ihn in seinen eigenen Augen zum verächtlichsten Sklaven ; er schämte sich vor seinem ehemaligen besseren Selbst , wenn er an die Rechenschaft dachte , welche er sich von seinem Aufenthalt zu Smyrna schuldig sei .
Würde er so gar , wenn Danae wirklich diejenige gewesen wäre , wofür er sie in der Trunkenheit der Leidenschaft gehalten hatte , vor dem Gerichtstuhl der Tugend haben bestehen können ?
Was wollte er dann nun antworten , da er sich selbst anklagen mußte , eine so lange Zeit ohne irgend eine lobenswürdige Tat , verloren für seinen Geist , verloren für die Tugend , verloren für sein eigenes und das allgemeine Beste , in untätigem Müßiggang , und , was noch schlimmer war , in der verächtlichen Bestrebung den wollüstigen Geschmack einer Danae zu belustigen , ihre Begierden , ihre von dem Rest des üppigen Feuers ihrer Jugend noch erhitzte Einbildung zu befriedigen , unrühmlich verschwendet zu haben ?
Er trieb die Vorwürfe , welche er bei diesen gelbsüchtigen Vorstellungen sich selbst machte , so weit als sie der Affekt einer allzufeurigen , aber mit angeborener Liebe zur Tugend durchdrungenen Seele treiben kann .
Die Schmerzen wovon sein Gemüt dadurch zerrissen wurde , waren so heftig , daß er die ganze Nacht , welche auf diesen traurigen Tag folgte , in einer fieberischen Hitze zubrachte , welche , mit dem Zustande , worin sich seine Seele befand , zusammengenommen , ein sehr fügliches Bild derjenigen Pein hätte abgeben können , worin , nach dem allgemeinen Glauben aller Völker , die Lasterhaften in einem anderen Leben die Verbrechen des gegenwärtigen büßen .
Wir haben schon einmal angemerkt , daß das Mißvergnügen über uns selbst ein schmerzhafter Zustand sei , als daß ihn unsere Seele lange ausdauern könnte .
Es ist natürlich , daß die Selbstliebe allen ihren Kräften aufbeut , um sich Linderung zu verschaffen ; und wenn wir betrachten , wie wenig Gutes ein anhaltendes Gefühl von Scham und Verachtung seiner selbst wirken kann , und wie nachteilig im Gegenteil Gram und Niedergeschlagenheit , ihre natürliche Folgen , der wiederkehrenden Tugend sein müssen :
so haben wir vielleicht Ursache , die Geschäftigkeit der Eigenliebe , uns bei uns selbst zu entschuldigen , für eine von den nötigsten Springfedern unserer Seele , in diesem Stande des Irrtums und der Leidenschaften , worin sie sich befindet , anzusehen .
Die Reue ist zu nichts gut , als uns einen tiefen Eindruck von der Häßlichkeit eines törichten oder unsittlichen Verhaltens , dessen wir uns schuldig fühlen , zu geben .
Sobald sie diese Wirkung getan hat , soll sie aufhören ; ihre Dauer würde uns nur die Kräfte benehmen , uns in einen besseren Zustand emporzuarbeiten , und dadurch eben so schädlich werden als eine allzugroße Furcht , die zu nichts dient , als uns dem Übel desto gewisser auszuliefern , welchem wir behutsam entfliehen oder mutig widerstehen sollten .
Agathon hatte desto mehr Ursache , diesen wohltätigen Eingebungen der Eigenliebe Gehör zu geben , da ihm seine allezeit zu warme Einbildungs-Kraft seine Vergehungen und den Gegenstand derselbigen wirklich in einem weit häßlicheren Lichte gezeigt hatte , als die gelassene und unparteiische Vernunft getan haben würde .
Die seltsamen Abwechslung dieser launischen Zauberin , und wie wenig ihr der plötzliche Übergang von dem äußersten Grad eines Affekts zum entgegen gesetzten kostet , wird vermutlich einem guten Teil unserer Leser aus eigener Erfahrung so wohl bekannt sein , daß sie sich nicht verwundern werden , zu vernehmen , daß die Begierde sich selbst in seinen eigenen Augen zu rechtfertigen , oder doch wenigstens soviel möglich zu entschuldigen , unseren Helden unvermerkt dahin gebracht habe , auch der schönen Danae einen Teil der Gerechtigkeit wieder angedeihen zu lassen , der ihr von den strengsten Verehrern der Tugend nicht versagt werden kann .
Es war schwer , sehr schwer , würde ein Socrates gesagt haben , den Reizungen eines so schönen Gegenstandes , den Verführungen so vieler vereinigter Zauberkräfte zu widerstehen ; die Flucht war das einzige sichere Nettungs-Mittel ; es war freilich fast eben so schwer ; aber das Vermögen dazu war wenigstens anfangs in eurer Gewalt ; und es war unvorsichtig an euch , nicht zu denken , daß eine Zeit kommen würde , da ihr keine Kräfte mehr zum fliehen haben würdet .
So ungefähr möchte derjenige gesagt haben , der den Critobulus , weil er den schönen Knaben des Alcibiades geküßt hatte , einen Wagehals nannte ; und dem jungen Xenophon riet , vor einem schönen Gesichte so behende wie vor einem Basilisken davon zu laufen .
Allein so bescheiden und so wahr klang die Sprache der Eigenliebe nicht .
Es war unmöglich , sagte sie unserem Helden , so mächtigen Reizungen zu widerstehen ; es war unmöglich zu entfliehen .
Sie nahm die ganze Lebhaftigkeit seiner Einbildungs-Kraft zu hülfe , ihm die Wahrheit dieser tröstlichen Versicherungen zu beweisen ; und wenn sie es nicht so weit brachte , ein gewisses innerliches Gefühl , welches ihr widersprach , und welches vielleicht das gewisseste Merkmal der Freiheit unseres Willens ist , gänzlich zu betäuben , so gelang es ihr doch unvermerkt , den Gram aus seinem Gemüte zu verbannen , und dieses sanfte Licht wieder darin auszubreiten , worin wir ordentlicher Weise alles , was zu uns selbst gehört , zu sehen gewohnt sind .
Allein Danae gewann wenig bei dieser ruhigeren Verfassung seines Herzens .
Ihre Vollkommenheiten rechtfertigten zwar die hohe Meinung die er von ihrem Charakter gefasst hatte , und beides , die Größe seiner Leidenschaft ; er vergab sich selbst , sie so sehr geliebt zu haben , so lang er Ursache gehabt hatte , die Schönheit ihrer Seele für eben so ungemein zu halten als es die Reizungen ihrer Person waren :
Aber sie verlor mit dem Recht an seine Hochachtung alle Gewalt über sein Herz .
Der Entschluß sie zu verlassen war die natürliche Folge davon , und dieser kostete ihn , da er ihn faßte , nur nicht einen Seufzer ; so tief war die Verachtung , wovon er sich gegen sie durchdrungen fühlte .
Die Erinnerung dessen was er gewesen war , das Gefühl dessen was er wieder sein könne , sobald er wolle , machte ihm den Gedanken unerträglich , nur einen Augenblick länger der Sklave einer anderen Circe zu sein , die durch eine schändlichere Verwandlung als irgend eine von denen welche die Gefährten des Ulysses erdulden mußten , den Helden der Tugend in einen müßigen Wollüstling verwandelt hatte .
Bei so bewandten Umständen war es nicht ratsam , ihre Wiederkunft zu erwarten , welche , nach ihrem Bericht , längstens in drei Tagen erfolgen sollte .
Denn sie hatte keinen Tag vorbeigehen lassen , ohne ihm zu schreiben ; und die Notwendigkeit , ihr eben so regelmässig zu antworten , setzte ihn , nach der großen Revolution die in seinem Herzen vorgegangen war , in eine desto größere Verlegenheit , da er zu aufrichtig und zu lebhaft war , Empfindungen vorzugeben , die sein Herz verleugnete .
Seine Briefchen wurden dadurch so kurz , und verrieten so vielen Zwang , daß Danae auf einen Gedanken kam , der zwar nicht sehr wahrscheinlich , aber doch der natürlichste war , der ihr einfallen konnte .
Sie vermutete , ihre Abwesenheit könnte eine von den Schönen zu Smyrna verwegen genug gemacht haben , ihr einen so beneidenswürdigen Liebhaber entführen zu wollen .
Wenn ihr Stolz zu einem so vermessenen Vorhaben lächelte ; so liebte sie doch zu zärtlich , um so ruhig dabei zu sein , als man aus der munteren Art , womit sie über seine Erkältung scherzte , hätte schließen sollen .
Indessen behielt doch das Bewußtsein ihrer Vorzüge die Oberhand , und ließ ihr keinen Zweifel , daß es nur ihre Gegenwart brauche , um alle Eindrücke , welche eine Nebenbuhlerin auf der Oberfläche seines Herzens gemacht haben können , wieder auszulöschen .
Und wenn sie dessen auch weniger gewiß gewesen wäre , so war sie doch zu klug , ihn merken zu lassen , daß sie ein Mißtrauen in sein Herz setze , oder fähig sein könnte , sich ihm jemals durch eine grillenhafte Eifersucht beschwerlich zu machen .
Bei allem dem beschleunigte dieser Umstand ihre Zurückkunft ; und der Gedanke , daß es ihr vielleicht einfallen könnte , ihn durch eine frühere Ankunft , als sie in ihrem letzten Briefe versprochen hatte , überraschen zu wollen , ( ein Gedanke , den wir sehr geneigt sind der Eingebung des Schutzgeistes seiner Tugend zu zuschreiben , so prophetisch war er ) stellte ihm die Notwendigkeit der schleunigsten Flucht so dringend vor , daß er sich , sobald er den Boten der Danae abgefertigt hatte , nach dem Hafen begab , sich um ein Schiff um zu sehen , welches ihn noch in dieser Nacht von Smyrna entfernen möchte .
Viertes Kapitel .
Eine kleine Abschweifung .
Unsere Leser werden , wenn sie diese Geschichte mit etwas weniger Flüchtigkeit als einen Französischen Roman du jour zu lesen würdigen , bemerkt haben , daß die Wiederherstellung unseres Helden aus einem Zustande , in welchem er diesen Namen allerdings nicht verdient hat , eigentlich weder seiner Vernunft noch seiner Liebe zur Tugend zu zuschreiben sei ; so angenehm es uns auch gewesen wäre , der einen oder der anderen die Ehre einer so schönen Kur allein zu zuwenden .
Mit aller der aufrichtigen Hochachtung , welche wir für beide hegen , müssen wir gestehen , daß wenn es auf sie allein angekommen wäre , Agathon noch lange in den Fesseln der schönen Danae hätte liegen können ; ja wir haben Ursache zu glauben , daß die erste gefällig genug gewesen wäre , durch tausend schöne Vorspiegelungen und Schlüsse die andere nach und nach gänzlich einzuschläfern , oder vielleicht gar zu einem gütlichen Vergleich mit der Wollust , ihrer natürlichen und gefährlichsten Feindin , zu bewegen .
Wir leugnen hiermit nicht , daß sie daß ihrige zur Befreiung unseres Freundes beigetragen ; indessen ist doch gewiß , daß Eifersucht und beleidigte Eigenliebe das meiste getan haben , und daß also , ohne die wohltätigen Einflüsse zweier so Schreiter Leidenschaften , der ehemals so weise , so tugendhafte Agathon eiu glorreich angefangenes Leben , allem Anscheinen nach , zu Smyrna unter den Rosen der Venus unrühmlich hinweggescherzt haben würde .
Wir wollen durch diese Bemerkung dem großen Haufen der Moralisten eben nicht zugemutet haben , gewisse Vorurteile fahren zu lassen , welche sie von ihrem Vorgängern , und diese , wenn wir um einige Jahrhunderte bis zur Quelle hinaufsteigen wollen , von den Mönchen und Einsamen , womit die Morgenländer von jeher unter allen Religionen angefüllt gewesen sind , durch eine den Progressen der gesunden Vernunft nicht lehr günstige Überlieferung geerbt zu haben scheinen .
Hingegen würde uns sehr erfreulich sein , wenn diese gegenwärtige Geschichte die glückliche Veranlassung geben könnte , irgend einen von den echten Weisen unserer Zeit aufzumuntern , mit der Fackel des Genie in gewisse dunkle Gegenden der Moral-Philosophie einzudringen , welche zu beträchtlichem Abbruch des allgemeinen Besten , noch manches Jahr-Tausend unbekanntes Land bleiben werden , wenn es auf die vortrefflichen Leute ankommen sollte , durch deren unermüdeten Eifer seit geraumen Jahren die deutschen Pressen unter einem in alle mögliche Formen gegossenen Mischmasch unbestimmter und nicht selten willkürlicher Begriffe , schwärmerischer Empfindungen , andächtiger Wortspiele , grotesker Charaktern , und schwülstiger Deklamationen zu seufzen gezwungen werden .
Für diejenigen , welche unseren frommen Wunsch zu erfüllen geschickt sind , uns darüber deutlicher zu erklären , oder ihnen den Weg zur Entdeckung dieser moralischen Terra incognita genauer andeuten zu wollen , als es hie und da in dieser Geschichte geschehen sein mag , würde einer Vermessenheit gleich sehen , wozu uns die Empfindung unserer eigenen Schwäche oder vielleicht unsere Trägheit wenig innerliche Versuchung läßt .
Wir lassen es also bei diesem kleinen Winke bewenden , und begnügen uns , da wir nunmehr , allem Ansehen nach , unseren Helden aus der größten der Gefahren , worin seine Tugend jemals geschwebt hat , oder künftig geraten mag , glücklich herausgeführt haben , einige Betrachtungen darüber anzustellen -- doch nein ; wir bedenken uns besser -- was für Betrachtungen könnten wir anstellen , daß nicht diejenige welche Agathon selbst , sobald er Muße dazu hatte , über sein Abenteuer machte , um soviel natürlicher und interessanter sein sollten , als er sich wirklich in dem Falle befand , worein wir uns erst durch Hilfe der Einbildungs-Kraft setzen müßten , und die Gedanken sich ihm freiwillig darboten , ja wohl wider Willen aufdrangen , welche wir erst aufsuchen müßten .
Wir wollen also warten , bis er sich in der ruhigeren Gemütsverfassung befinden wird , worin die sich selbst wiedergegebene Seele aufgelegt ist , das Vergangene mit prüfendem Auge zu übersehen .
Nur möge es uus erlaubt sein , ehe wir unsere Erzählung fortsetzen , zum besten unserer jungen Leser , zu welchen wir uns nicht entbrechen können eine vorzügliche Zuneigung zu tragen , einige Anmerkungen zu machen , für welche wir keinen schicklicheren Platz wissen , und welche diejenigen , die wie Sha Baham keine Liebhaber vom moralisieren sind , füglich überschlagen , oder , bis wir damit fertig sind , sich indessen , wenn es ihnen beliebt , die Zeit damit vertreiben können , die Spitze ihrer Nase anzuschauen .
Was würdet ihr also dazu sagen , meine jungen Freunde , wenn ich euch mit der Amts-Mine eines Sittenlehrers auf der Katheder , in geometrischer Methode beweisen würde , daß ihr zu einer vollkommenen Unempfindlichkeit gegen diese liebenswürdige Geschöpfe verbunden seid , für welche eure Augen , euer Herz , und eure Einbildungs-Kraft sich vereinigen , euch einen Hang einzuflößen , der , so lang er in einem unbestimm ten Gefühl besteht , euch immer beunruhiget , und so bald er einen besonderen Gegenstand bekommt , die Seele aller eurer übrigen Triebe wird ?
Daß wir einen solchen Beweis führen , und was noch ein wenig grausamer ist , daß wir euch die Verbindlichkeit aufdringen könnten , keines dieser anmutsvollen Geschöpfe , so vollkommer es immer in euren bezauberten Augen sein möchte , eher zu lieben , bis es euch befohlen wird , daß ihr sie lieben sollt -- ist eine Sache , die euch nicht unbekannt sein kann .
Aber eben deswegen , weil es so oft bewiesen wird , können wir es als etwas ausgemachtes voraussetzen ; und uns deucht , die Frage ist nun allein , wie es anzufangen sei , um euer widerstrebendes Herz für Pflichten gelehrig zu machen , gegen welche ihr tausend scheinbare Einwendungen zu machen glaubt , wenn ihr uns am Ende doch nichts anders gesagt habt , als ihr habet keine Lust , sie auszuüben .
Die Auflösung dieser Frage deucht uns die große Schwierigkeit , worin uns die gemeinen Moralisten mit einer Gleichgültigkeit stecken lassen , die desto unmenschlicher ist , da wenige unter ihnen sind , welche nicht auf eine oder die andere Art erfahren hätten , daß es nicht so leicht sei einen Feind zu schlagen , als zu beweisen , daß er geschlagen werden solle .
Indessen nun , bis irgend ein wohltätiger Genius ein sicheres , kräftiges und allgemeines Mittel ausfindig gemacht haben wird , diese Schwierigkeiten zu heben , erkühnen wir uns , euch einen Rat zu geben , der zwar weder allgemein noch ohne alle Ungelegenheiten ist , aber doch , alles wohl überlegt , euch bis zu Erfindung jenes uufehlbaren moralischen Laudanums , in mehr als einer Absicht von beträchtlichem Nutzen sein könnte .
Wir setzen hierbei zwei gleich gewisse Wahrheiten voraus : die eine ; daß die meisten jungen Leute , und vielleicht auch ein guter Teil der Alten , entweder zur Zärtlichkeit oder doch zur Liebe im Popularen Sinn dieses Wortes , einen stärkeren Hang als zu irgend einer anderen natürlichen Leidenschaft haben .
Die andere : daß Socrates , in der Stelle , deren in dem vorigen Kapitel erwähnt worden , die schädlichen Folgen der Liebe , in so ferne sie eine heftige Leidenschaft für irgend einen einzelnen Gegenstand ist ; ( denn von dieser Art von Liebe ist hier allein die Rede ) nicht höher getrieben habe , als die tägliche Erfahrung beweiset .
Du Unglückseliger !
( sagt er zu dem jungen Xenophon , welcher nicht begreifen konnte , daß es eine so gefährliche Sache sei , einen schönen Knaben , oder nach unseren Sitten zu sprechen , ein schönes Mädchen zu küssen ; und leichtsinnig genug war zu gestehen , daß er sich alle Augenblicke getraute , dieses halsbrechende Abenteuer zu unternehmen ) was meinst du daß die Folgen eines solchen Kusses sein würden ?
Glaubst du , du würdest deine Freiheit behalten , oder nicht vielmehr ein Sklave dessen werden , was du liebest ? wirst du nicht vielen Aufwand auf schädliche Wollüste machen ?
Meinst du , es werde dir viel Muße übrig bleiben , dich um irgend etwas großes und Nützliches zu bekümmern , oder du werdest nicht vielmehr gezwungen sein , deine Zeit auf Beschäftigungen zu wenden , deren sich so gar ein Unsinniger schämen würde ? --
Man kann die Folgen dieser Art von Liebe , in so wenigen Worten nicht vollständiger beschreiben -- Was half es uns , meine Freunde , wenn wir uns selbst betrügen wollten ?
Selbst die unschuldigste Liebe , selbst diejenige , welche in jungen enthusiastischen Seelen so schön mit der Tugend zusammen zustimmen scheint , führt ein schleichendes Gift bei sich , dessen Wirkungen nur desto gefährlicher sind , weil es langsam und durch unmerkliche Grade wirkt --
Was ist also zu tun ? --
Der Rat des alten Cato , oder der , welchen Lukrez nach den Grundsätzen seiner Sekte gibt , ist , seinen Folgen nach , noch schlimmer als das Übel selbst .
So gar die Grundsätze und das eigene Beispiel des weisen Socrates sind in diesem Stücke nur unter gewissen Umständen tunlich -- und ( wenn wir nach unserer Überzeugung reden sollen ) wir wünschten , aus wahrer Wohlmeynenheit gegen das allgemeine System , nichts weniger als daß es jemals einem Socrates gelingen möchte , den Amor völlig zu entgöttern , seiner Schwingen und seiner Pfeile zu berauben , und aus der Liebe eine bloße regelmässige Stillung eines physischen Bedürfnisses zu machen .
Der Dienst , welcher der Welt dadurch geleistet würde , müßte notwendig einen Teil der schlimmen Wirkung tun , welche auf eine allgemeine Unterdrückung der Leidenschaften in der menschlichen Gesellschaft erfolgen müßte .
Hier ist also unser Rat -- die Tartüffen , und die armen Köpfe , welche die Welt bereden wollen , die Excremente ihres milzsüchtigen Gehirns für Reliquien zu küssen , mögen ihre Köpfe schütteln so stark sie können ! --
Meine jungen Freunde , beschäftiget euch mit den Vorbereitungen zu eurer Bestimmung -- oder mit ihrer wirklichen Erfüllung .
Bewerbet euch um die Verdienste , von denen die Hochachtung der Vernünftigen und der Nachwelt die Belohnung ist ; und um die Tugend , welche allein den innerlichen Wohlstand unseres Wesens ausmacht -- Haltet ein , Herr Sittenlehrer , rufet ihr ; das ist nicht was wir von euch hören wollten , alles das hat uns Claville besser gesagt , als ihr es könntet , und Abt besser als Claville -- euer Mittel gegen die Liebe ? --
Mittel gegen die Liebe ? dafür behüte uns der Himmel ! -- oder wenn ihr dergleichen wollt , so findet ihr sie bei allen moralischen Quaksalbern , und -- in allen Apotheken .
Unser Rat geht gerade auf das Gegenteil .
Wenn ihr ja lieben wollt oder müßt -- -- nun , so kommt alles , glaubet mir , auf den Gegenstand an -- Findet ihr eine Aspasia , eine Leontium , eine Ninon -- so bewerbet euch um ihre Gunst , und , wenn ihr könnt , um ihre Freundschaft .
Die Vorteile , die ihr daraus für euren Kopf , für euren Geschmack , für eure Sitten -- ja , meine Herren , für eure Sitten , und selbst für die Pflichten eurer Bestimmung , von einer solchen Verbindung ziehen werdet , werden euch für die Mühe belohnen --
Gut !
Aspasia !
Ninons ! die müßten wir im ganzen Europa aufsuchen -- Das raten wir euch nicht ; die Rede ist nur von dem Falle , wenn ihr sie findet --
Aber , wenn wir keine senden ? --
So suchet die vernünftigste , tugendhafteste und liebenswürdigste Frau auf , die ihr finden könnet --
Hier erlauben wir euch zu suchen , nur nicht ( um euch einen Umweg zu ersparen ) unter den Schönsten ; ist sie liebenswürdig , so wird sie euch desto stärker einnehmen ; ist sie tugendhaft , so wird sie euch nicht verführen ; ist sie klug , so wird sie sich von euch nicht verführen lassen .
Ihr könnet sie also ohne Gefahr lieben -- Aber dabei finden wir unsere Rechnung nicht ; die Frage ist , wie wir uns von ihr lieben machen -- Allerdings , das wird die Kunst sein ; der Versuch ist euch wenigstens erlaubt ; und wir stehen euch dafür , wenn sie und ihr jedes das seinige tut , so werdet ihr euren Roman zehn Jahre durch in einer immer nähernden Linie fort führen , ohne daß ihr dem Mittelpunkt näher sein werdet als anfangs -- Und das ist alles , was wir euch sagen wollten .
Fünftes Kapitel .
Schwachheit des Agathon ; unverhoffter Zufall , der seine Entschließungen bestimmt .
Wir kommen zu unserem Agathon zurück , den wir zu Ende des vierten Kapitels auf dem Wege nach dem Hafen von Smyrna verlassen haben .
Man konnte nicht entschlossener sein , als er es beim Ausgehen war ; das erste Fahrzeug , das er zum Auslaufen fertig antreffen würde , zu besteigen , und hätte es ihn auch zu den Antipoden führen sollen .
Allein -- so groß ist die Schwäche des menschlichen Herzens ! --
da er angelangt war , und eine Menge von Schiffen vor den Augen hatte , welche nur auf das Zeichen den Anker zu heben wartete :
So hätte wenig gefehlt , daß er wieder umgekehrt wäre , um , anstatt vor der schönen Danae zu fliehen , ihr mit aller Sehnsucht eines entflammten Liebhabers in die Arme zu fliegen .
Doch , wir wollen billig sein ; eine Danae verdiente wohl , daß ihn der Entschluß sie zu verlassen , mehr als einen flüchtigen Seufzer kostete ; und es war sehr natürlich , daß er , im Begriff seinen tugendhaften Vorsatz ins Werk zu setzen , einen Blick ins Vergangene zurückwarf , und sich diese Glückseligkeiten lebhafter vorstellte , denen er nun freiwillig entsagen wollte , um sich von neuem , als ein im Ozean der Welt herumtreibender Verbannter , den Zufällen einer ungewissen Zukunft auszusetzen .
Dieser letzte Gedanke machte ihn stutzen ; aber er wurde bald von anderen Vorstellungen verdrängt , die sein gefühlvolles Herz weit stärker rührten als alles was ihn allein und unmittelbar anging .
Er setzte sich an die Stelle der Danae .
Er malte sich ihren Schmerz vor , wenn sie bei ihrer Wiederkunft seine Flucht erfahren würde .
Sie hatte ihn so zärtlich geliebt ! --
Alles Böse , was ihm Hippias von ihr gesagt , alles was er selbst hinzugedacht hatte , konnte in diesem Augenblick die Stimme des Gefühls nicht übertäuben , welches ihn überzeugte , daß er wahrhaftig geliebt worden war .
Wenn die Größe unserer Liebe das natürliche Maß unserer Schmerzen über den Verlust des Geliebten ist , wie unglücklich mußte sie werden !
Das Mitleiden , welches diese Vorstellung in ihm erregte , machte sie wieder zu einem interessanten Gegenstand für sein Herz .
Ihr Bild stellte sich ihm wieder mit allen den Reizungen dar , deren zauberische Gewalt er so oft erfahren hatte .
Was für Erinnerungen !
Er konnte sich nicht erwehren , ihnen etliche Augenblicke nach zuhängen ; und fühlte immer weniger Kraft , sich wieder von ihnen loszureissen .
Seine schon halb überwundene Seele widerstand noch , aber immer schwächer .
Amor , um desto gewisser zu siegen , verbarg sich unter die rührende Gestalt des Mitleidens , der Großmut , der Dankbarkeit -- Wie ? er sollte eine so inbrünstige Liebe mit so schnödem Undank erwidern ?
Einer Geliebten , in dem Augenblick , da sie in die getreue Arme eines Freundes zurück zu eilen glaubt , einen Dolch in diesen Busen stoßen , welcher sich von Zärtlichkeit überwallend an den seinigen drücken will ? -- in der Tat , eine rührende Vorstellung ; und wie viel mehr wurde sie es noch durch die unvermerkt sich einschleichende Erinnerung , was für ein Busen das war ! --
Sie verlassen ; sich heimlich von ihr hinweg stehlen -- würde sie den Tod von seiner Hand , in Vergleichung mit einer solchen Grausamkeit , nicht als eine Wohltat angenommen haben ?
So würde es ihm gewesen sein , wenn er sich an ihren Platz setzte ; und das tut die Leidenschaft allezeit , wenn sie ihren Vorteil dabei findet .
Allen diesen zärtlichen Bildern stellte sein gefaßter Entschluß zwar die Gründe , welche wir kennen , entgegen :
Aber diese Gründe hatten von dem Augenblick an , da sich sein Herz wieder auf die Seite der schönen Feindin seiner Tugend neigte , die Hälfte von ihrer Stärke verloren .
Die Gefahr war dringend : jede Minute war , so zu sagen , entscheidend .
Denn die Wiederkunft der Danae war ungewiß ; und es ist nicht zu zweifeln , daß sie , sofern sie noch zu rechter Zeit angelangt wäre , Mittel gefunden hätte , alle die widrigen Eindrücke der Verräterei des Sophisten aus einem Herzen , welches so viel Vorteil dabei hatte sie unschuldig zu finden , auszulöschen .
Ein glücklicher Zufall -- doch , warum wollen wir dem Zufall zuschreiben , was uns beweisen sollte , daß eine unsichtbare Macht ist , welche sich immer bereit zeigt , der sinkenden Tugend die Hand zu reichen -- fügte es daß Agathon , in diesem zweifelhaften Augenblick unter dem Gedränge der Fremden , welche die Handelsschaft von allen Welt-Gegenden her nach Smyrna führte , einen Mann erblickte , den er zu Athen vertraulich gekannt , und durch beträgliche Dienstleistungen sich zu verbinden Gelegenheit gehabt hatte .
Es war ein Kaufmann von Syracus , der mit den Geschicklichkeiten seiner Profession , einen rechtschaffenen Charakter , und , was bei uns , in der einen Hälfte des deutschen Reichs wenigstens , eine große Seltenheit ist , mit beiden die Liebe der Musen verband ; Eigenschaften , welche ihn dem Agathon desto angenehmer , so wie sie ihn desto fähiger gemacht hatten , den Wert Agathons zu schätzen .
Der Syracusaner bezeugte die lebhafteste Freude über eine so angenehm überraschende Zusammenkunft , und bot unserem Helden seine Dienste mit derjenigen Art an , welche beweist , daß man begierig ist , sie angenommen zu sehen ; denn Agathons Verbannung von Athen war eine zu bekannte Sache , als daß sie in irgend einem Teil von Griechenlande hätte unbekannt sein können .
Nach einigen Fragen , und Gegenfragen , wie sie unter Freunden gewöhnlich sind , die sich nach einer geraumen Trennung unvermutet zusammenfinden , berichtete ihm der Kaufmann als eine Neuigkeit , welche wirklich die Aufmerksamkeit aller Europäischen Griechen beschäftigte , die außerordentliche Gunst , worin Plato bei dem jüngern Dionysius zu Syracus stehe ; die philosophische Bekehrung dieses Prinzen ; und die großen Erwartungen , mit welchen Sizilien den glückseligen Zeiten entgegensehe , die eine so wundervolle Veränderung verspreche .
Er endigte damit , daß er den Agathon einlud , sofern ihn keine andere Angelegenheit in Smyrna zurückhielte , ihm nach Syracus zu folgen , welches nunmehr im Begriff sei , der Sammelplatz der Weisesten und Tugendhaftesten zu werden .
Er meldete ihm dabei , daß sein Schiff , welches er mit Asiatischen Waren beladen hatte , bereit sei , noch diesen Abend abzusegeln .
Ein Funke , der in eine Pulvermine fällt , richtet keine plötzlichere Entzündung an , als die Revolution war , die bei dieser Nachricht in unserem Helden vorging .
Seine ganze Seele loderte , wenn wir so sagen können , in einen einzigen Gedanken auf -- Aber was für ein Gedanke war das ! --
Plato , ein Freund des Dionysius -- Dinoysius , berüchtigt durch die ausschweifendeste Lebens-Art , in welcher sich eine durch unumschränkte Gewalt übermütig gemachte Jugend dahin stürzen kann -- der Tyrann Dionysius , ein Liebhaber der Philosophie , ein Lehrling der Tugend -- und Agathon , sollte die Blühte seines Lebens in müßiger Wollust verderben lassen ?
Sollte nicht eilen , dem Göttlichen Weisen , dessen erhabene Lehren er zu Athen so rühmlich auszuüben angefangen hatte , ein so glorreiches Werk vollenden zu helfen , als die Verwandlung eines zügellosen Tyrannen in einen guten Fürsten , und die Befestigung der allgemeinen Glückseligkeit einer ganzen Nation ? -- was für Arbeiten ! was für Aussichten für eine Seele wie die seinige !
Sein ganzes Herz wallte ihnen entgegen ; er fühlte wieder , daß er Agathon war -- fühlte diese moralische Lebenskraft wieder , die uns Mut und Begierden gibt , uns zu einer edlen Bestimmung geboren zu glauben ; und diese Achtung für sich selbst , welche eine von den stärksten Schwingfedern der Tugend ist .
Nun brauchte es keinen Kampf , keine Bestrebung mehr , sich von Danae loszureissen , um mit dem Feuer eines Liebhabers , der nach einer langen Trennung zu seiner Geliebten zurückkehrt , sich wieder in die Arme der Tugend zu werfen .
Sein Freund von Syracus hatte keine Überredungen nötig ; Agathon nahm sein Anerbieten mit der lebhaftesten Freude an .
Da er von allen Geschenken , womit ihn die freigebige Danae überhäuft hatte , nichts mit sich nehmen wollte , als das wenige , was zu den Bedürfnissen seiner Reise unentbehrlich war , so brauchte er wenig Zeit , um reisefertig zu sein .
Die günstigsten Winde schwellten die Segel , welche ihn aus dem verderblichen Smyrna entfernen sollten ; und so herrlich war der Triumph , den die Tugend in dieser glücklichen Stunde über ihre Gegnerin erhielt , daß er die anmutsvollen Asiatischen Ufer aus seinen Augen verschwinden sah , ohne den Abschied , den er auf ewig von ihnen nahm , nur mit einer einzigen Träne zu zieren .
So ? --
Und was wurde nun ( so deucht mich höre ich irgend eine junge Schöne fragen , der ihr Herz sagt , daß sie es der Tugend nicht verzeihen würde , wenn sie ihr ihren Liebhaber so unbarmherzig entführen wollte ) -- was wurde nun aus der armen Danae ?
Von dieser war nun die Rede nicht mehr ?
Und der tugendhafte Agathon bekümmerte sich wenig darum , ob seine Untreue , ein Herz welches ihn glücklich gemacht hatte , in Stücken brechen werde oder nicht ? --
Aber , meine schöne Dame , was hätte er tun sollen , nachdem er nun einmal entschlossen war ?
Um nach Syracus zu gehen mußte er Smyrna verlassen ; und nach Syracus mußte er doch gehen , wenn sie alle Umstände unparteiisch in Betrachtung ziehen ; denn sie werden doch nicht wollen , daß ein Agathon sein ganzes Leben wie ein Veneris passerculus ( lassen Sie Sich das von Ihrem Liebhaber verdeutschen ) am Busen der zärtlichen Danae hätte hinweg buhlen sollen ?
Und sie nach Syracus mit zunehmen , war aus mehr als einer Betrachtung auch nicht ratsam ; gesetzt auch , daß sie um seinetwillen Smyrna hätte verlassen wollen .
Oder meinen Sie vielleicht er hätte warten , und die Einwilligung seiner Freundin zu erhalten suchen sollen ? --
Das wäre alles gewesen , was er hätte tun können , wenn er eine geheime Absicht gehabt hätte , da zu bleiben .
Alles wohl überlegt , konnte er also , deucht uns , nichts mehr tun als was er tat .
Er hinterließ ein Briefchen , worin er ihr sein Vorhaben mit einer Aufrichtigkeit entdeckte , welche zugleich die Rechtfertigung desselben ausmacht .
Er spottete ihrer nicht durch Liebes-Versicherungen , welche der Widerspruch mit seinem Betragen beleidigend gemacht hätte ; hingegen erinnerte er sich dessen , was sie um ihn verdient hatte zu wohl , um sie durch Vorwürfe zu kränken .
Und dennoch entwischte ihm beim Schluß ein Ausdruck , den er vermutlich großmütig genug gewesen wäre , wieder auszulöschen , wenn er Zeit gehabt hätte , sich zu bedenken ; denn er endigte sein Briefchen damit , daß er ihr sagte ; er hoffe , die Hälfte der Stärke des Gemüts , womit sie den Verlust eines Alcibiades ertragen , und den Armen eines Hyacinths sich entrissen habe , werde mehr als hinlänglich sein , ihr seine Entfernung in kurzem gleichgültig zu machen .
Wie leicht , setzte er hinzu , kann Danae einen Liebhaber missen , da es nur von ihr abhängt , mit einem einzigen Blicke so viele Sklaven zu machen , als sie haben will ! --
das war ein wenig grausam -- Aber die Gemüts-Verfassung , worin er sich damals befand , war nicht ruhig genug , um ihn fühlen zu lassen , wie viel er damit sagte .
Und so endigte sich also die Liebes-Geschichte des Agathon und der schönen Danae ; und so , meine schöne Leserinneu , so haben sich noch alle Liebes-Geschichten geendigt , und so werden sich auch künftig alle endigen , welche so angefangen haben .
Sechstes Kapitel .
Betrachtungen , Schlüsse und Vorsätze .
Wer aus den Fehlern , welche von anderen vor ihm gemacht worden , oder noch täglich um ihn her gemacht werden , die Kunst lernte selbst keine zu machen ; würde unstreitig den Namen des Weisesten unter den Menschen mit größerem Recht verdienen als Konfuzius , Socrates oder König Salomon , welcher letzte , wider den gewöhnlichen Lauf der Natur , seine größten Torheiten in dem Alter beging , wo die meisten von den ihrigen zurückkommen .
Unterdessen bis diese Kunst erfunden sein wird , deucht uns , man könne denjenigen immer für weise gelten lassen , der die wenigsten Fehler macht , am bäldest davon zurückkommt , und sich gewisse Kautelen für zukünftige Fälle daraufzieht , mittels deren er hoffen kann , künftig weniger zu fehlen .
Ob und in wie fern Agathon dieses Prädikat verdiene , mögen unsere Leser zu seiner Zeit selbst entscheiden ; wir unseres Orts haben in keinerlei Absicht einiges Interesse ihn besser zu machen , als er in der Tat war ; wir geben ihn für das was er ist ; wir werden mit der bisher beobachteten historischen Treue fortfahren , seine Geschichte zu erzählen ; und versichern ein für allemal , daß wir nicht dafür können , wenn er nicht allemal so handelt , wie wir vielleicht selbst hätten wünschen mögen , daß er gehandelt hätte .
Er hatte während seiner Fahrt nach Sizilien , welche durch keinen widrigen Zufall beunruhiget wurde , Zeit genug , Betrachtungen über das , was zu Smyrna mit ihm vorgegangen war anzustellen .
Wie ? rufen hier einige Leser , schon wieder Betrachtungen ?
Allerdings , meine Herren ; und in seiner Situation würde es ihm nicht zu vergeben gewesen sein , wenn er keine angestellt hätte .
Desto schlimmer für euch , wenn ihr , bei gewissen Gelegenheiten , nicht so gerne mit euch selbst redet als Agathon ; vielleicht würdet ihr sehr wohl tun , ihm diese kleine Gewohnheit abzulernen .
Es ist für einen Agathon nicht so leicht , als für einen jeden anderen , die Erinnerung einer begangenen Torheit von sich abzuschütteln .
Braucht es mehr als einen einzigen Fehler , um den Glanz des schönsten Lebens zu verdunkeln ?
Wie verdrießlich , wenn wir an einem Meisterstücke der Kunst , an einem Gemälde oder Gedichte zum Exempel , Fehler finden , welche sich nicht verbessern lassen , ohne das Ganze zu vernichten ?
Wie viel verdrießlicher , wenn es nur ein einziger Fehler ist , der dem schönen Ganzen die Ehre der Vollkommenheit raubt ?
Ein Gefühl von dieser Art war schmerzhaft genug , um unseren Mann zu vermögen , über die Ursachen seines Falles schärfer nachzudenken .
Wie errötete er jetzt vor sich selbst , da er sich der trotzigen Herausforderung erinnerte , wodurch er ehemals den Hippias gereizt , und gewissermaßen berechtiget hatte , den Versuch an ihm zu machen , ob es eine Tugend gebe , welche die Probe der stärksten und schlauesten Verführung aushalte -- Was machte ihn damals so zuversichtlich ? -- die Erinnerung des Sieges , den er über die Priesterin zu Delphi erhalten hatte ?
Oder das gegenwärtige Bewußtsein der Gleichgültigkeit , worin er bei den Reizungen der jungen Cyane geblieben war ?
Die Erfahrung , daß die Versuchungen , welche seiner Unschuld im Hause des Sophisten auf allen Seiten nachstellten , ihn weniger versucht als empört hatten ? -- der Abscheu vor den Grundsätzen des Hippias -- und das Vertrauen auf die eigentümliche Stärke der seinigen ? --
Aber , war es eine Folge , daß derjenige , der etliche Mal gesiegt hatte , niemals überwunden werden könne ?
War nicht eine Danae möglich , welche das auszuführen geschickt war , was die Pythia , was die Terazischen Bacchautinnen , was Cyane , und vielleicht alle Schönen im Serail des Königs von Persien nicht vermochten , oder vermocht hätten ?
-- Und was für Ursache hatte er , sich auf die Stärke seiner Grundsätze zu verlassen ? --
Auch in diesem Stücke schwebte er in einem subtilen Selbstbetrug , den ihm vielleicht nur die Erfahrung sichtbar machen konnte .
Entzückt von der Idee der Tugend , ließ er sich nicht träumen , daß das Gegenteil dieser intellectualischen Schönheit jemals Reize für seine Seele haben könnte .
Die Erfahrung mußte ihn belehren , wie betrüglich unsere Ideen sind , wenn wir sie unvorsichtig realisieren -- Betrachtet die Tugend in sich selbst , in ihrer höchsten Vollkommenheit -- so ist sie göttlich , ja ( nach dem kühnen aber richtigen Ausdruck eines vortrefflichen Schriftstellers ) die Gottheit selbst . --
Aber welcher Sterbliche ist berechtigt , auf die allmächtige Stärke dieser idealen Tugend zu trotzen ?
Es kommt bei einem jeden darauf an , wie viel die seinige vermag .
-- Was ist häßlicher als die Idee des Lasters ?
Agathon glaubte sich also auf die Unmöglichkeit , es jemals liebenswürdig zu finden , verlassen zu können , und betrog sich , -- weil er nicht daran dachte , daß es ein zweifelhaftes Licht gibt , worin die Grenzen der Tugend und der Untugend schwimmen ; worin Schönheit und Grazien dem Laster einen Glanz mitteilen , der seine Häßlichkeit übergüldet , der ihm sogar die Farbe und Anmut der Tugend gibt ? und daß es allzuleicht lest , in dieser verführischen Dämmerung sich aus dem Bezirk der letzteren in eine unmerkliche Spiral-Linie zu verlieren , deren Mittel Punkt ein süßes Vergessen unserer selbst und unserer Pflichten ist .
Von dieser Betrachtung , welche unseren Helden die Notwendigkeit eines behutsamen Mißtrauens in die Stärke guter Grundsätze lehrte ; und wie gefährlich es sei , sie für daß Maß unserer Kräfte zu halten ; ging er zn einer anderen über , die ihn von der wenigen Sicherheit überzeugte , welche sich unsere Seele in diesem Zustand eines immerwährenden moralischen Enthusiasmus versprechen kann , wie derjenige , worin die seinige zu eben der Zeit war , als sie in dem feingewebten Netze der schönen Danae gefangen wurde .
Er rief alle Umstände in sein Gemüte zurück , welche zusammen gekommen waren , ihm diese reizungsvolle Schwärmerei so natürlich zu machen ; und erinnerte sich der verschiedenen Gefahren , denen er sich dadurch ausgesetzt gesehen hatte .
Zu Delphi fehlte es wenig , daß sie ihn den Nachstellungen eines verkappten Apollo Preis gegeben hätte -- zu Athen hatte sie ihn seinen arglistigen Feinden wirklich in die Hände geliefert .
Doch , aus diesen beiden Gefahren hatte er seine Tugend davon gebracht ; ein unschätzbares Kleinod , dessen Besitz ihn gegen den Verlust alles anderen , was ein Günstling des Glückes verlieren kann , unempfindlich machte .
Aber durch eben diesen Enthusiasmus unterlag sie endlich den Verführungen seines eigenen Herzens eben so wohl als den Kunstgriffen der schönen Danae .
War nicht dieses zauberische Licht , welches seine Einbildungs-Kraft gewohnt war , über alles , was mit seinen Ideen übereinstimmte , auszubreiten ; war nicht diese unvermerkte Unterschiebung des Idealen an die Stelle des Wirklichen , die wahre Ursache , warum Danae einen so außerordentlichen Eindruck auf sein Herz machte ?
War es nicht diese begeisterte Liebe zum Schönen , unter deren schimmernden Flügeln verborgen , die Leidenschaft mit sanftschleichenden Progressen sich endlich durch seine ganze Seele ausbreitete ?
War es nicht die lange Gewohnheit sich mit süßen Empfindungen zu nähren , was sie unvermerkt erweichte , um desto schneller an einer so schönen Flamme dahinzuschmelzen ?
Mußte nicht der Hang zu phantasierten Entzückungen , so geistig auch immer ihre Gegenstände sein mochten , endlich nach denjenigen lüstern machen , vor welchen ihm ein unbekanntes , verworrenes , aber desto lebhafteres innerliches Gefühl den wirklichen Genuß dieser vollkommensten Wonne versprach , wovon bisher nur vorüberblitzende Ahnungen seine Einbildung berührt , und durch diese leichte Berührung schon außer sich selbst gesetzt hatten ?
Hier erinnerte sich Agathon der Einwürfe , welche ihm Hippias gegen diesen Enthusiasmus , und diejenige Art von Philosophie , die ihn hervorbringt und unterhält , gemacht hatte ; und befand sie jetzt mit seiner Erfahrung so übereinstimmend , als sie ihm damals falsch und ungereimt vorgekommen waren .
Er fand sich desto geneigter , die Meinung des Sophisten , von dem Ursprung und der wahren Beschaffenheit dieser hochfliegenden Begeisterung Beifall zu geben ; da es ihm , seitdem er sie in den Armen der schönen Danae verloren hatte , unmöglich geblieben war , sich wieder in sie hineinzusetzen ; und da selbst das lebhaftere Gefühl für die Tugend , wovon sein Herz wieder erhitzt war , weder seinen sittlichen Ideen diesen Firnis , den sie ehemals hatten , wiedergeben , noch die dichterische Metaphysik der Orphischen Sekte wieder in die vorige Achtung bei ihm setzen konnte .
Er glaubte durch die Erfahrung überwiesen zu sein , daß dieses innerliche Gefühl , durch dessen Zeugnis er die Schlüsse des Sophisten zu entkräften vermeint hatte , nur ein sehr zweideutiges Kennzeichen der Wahrheit sei ; daß Hippias eben soviel Recht habe , seinen tierischen Materialismus und seine verderbliche Moral , als die Theosophen ihre geheimnisvolle Geister-Lehre durch die Stimme innerlicher Gefühle und Erfahrungen zu autorisieren ; und daß es vermutlich allein dem verschiedenen Schwung unserer Einbildungs-Kraft beizumessen sei , wenn wir uns zu einer Zeit geneigter fühlen , uns mit den Göttern , zu einer anderen mit den Tieren verwandt zu glauben ; wenn uns zu einer Zeit alles sich in einem erusthaften , und schwärzlichen , zu einer anderen alles in einem fröhlichen Lichte darstellt ; wenn wir jetzt kein wahres und gründliches Vergnügen kennen , als uns mit stolzer Verschmähung der irdischen Dinge in melancholische Betrachtungen ihres Nichts , in die unbekannten Gegenden jenseits des Grabes , und die grundlosen tiefen der Ewigkeit hineinzusenken ; ein andermal kein reizenderes Gemälde einer beneidenswürdigen Wonne , als den jungen Bacchus , wie er , sein Efeu-bekränztes Haupt in den Schoß der schönsten Nymphe zurückgelehnt , und mit dem einen Arm ihre blendenden Hüften umfassend , den anderen nach der Düftenden Trinkschale ausstreckt , die sie ihm lächelnd voll Nektars schenkt , von ihren eigenen schönen Händen aus strotzenden Trauben frisch ausgepreßt ; indes die Faunen und die fröhlichen Nymphen mit den Liebes-Göttern mutwillig um ihn her hüpfen , oder durch Rosengebüsche sich jagen , oder müde von ihren Scherzen , in stillen Grotten zu neuen Scherzen ausruhen .
Der Schluß , den er aus allen diesen Betrachtungen , und einer Menge anderer , womit wir unsere Leser verschonen wollen , zog , war dieser :
Daß die erhabenen Lehrsätze der Zoroastrischen und Orphischen Theosophie , wahrscheinlicher Weise ( denn gewiß getraute er sich über diesen Punkt noch nichts zu behaupten ) nicht viel mehr Nealität haben könnten , als die lachenden Bilder , unter welchen die Maler und Dichter die Wollüste der Sinnen vergöttert hatten ; daß die ersten zwar der Tugend günstiger , und das Gemüte zu einer mehr als menschlichen Hoheit , Reinheit und Stärke zu erheben schienen , in der Tat aber der wahren Bestimmung des Menschen wohl eben so nachteilig sein durften , als die letzteren ; teils , weil es ein widersinniges und vergebliches Unternehmen scheine , sich besser machen zu wollen , als uns die Natur haben will , oder auf Unkosten des halben Teils unseres Wesens nach einer Art von Vollkommenheit zu trachten , die mit der Anlage desselben im Widerspruch steht ; teils weil solche Menschen , wenn es ihnen auch gelänge , sich selbst zu Halbgöttern und Intelligenzen umzuschaffen , eben dadurch zu jeder gewöhnlichen Bestimmung des geselligen Menschen desto untauglicher würden .
Aus diesem Gesichtspunkt dünkte ihn der Enthusiasmus des Theosophen zwar unschädlicher als das System des Wolllüstlings ; aber der menschlichen Gesellschaft eben so unnützlich : indem der erste sich dem gesellschaftlichen Leben entweder gänzlich entzieht ( welches wirklich das Beste ist , was er tun kann ) oder wenn er von dem beschaulichen Leben ins wirksame übergeht , durch Mangel an Kenntnis einer ihm ganz fremden Welt , durch abgezogene Begriffe , welche nirgends zu den Gegenständen , die er vor sich hat , passen wollen , durch übertrieben moralische Zärtlichkeit , und tausend andere Ursachen , die ihren Grund in seiner vormaligen Lebens-Art haben , anderen wider seine Absicht öfters , sich selbst aber allezeit schädlich wird .
In wie fern diese Sätze richtig seien , oder in besonderen Fällen einige Ausnahmen zulassen , zu untersuchen , würde zu weit von unserem Vorhaben abführen , genug für uns , daß sie dem Agathon begründet genug schienen , um sich selbst desto leichter zu vergeben , daß er , wie der Homerische Ulysses in der Insel der Calypso , sich in dem bezauberten Grunde der Wollust hatte aufhalten lassen , sein erstes Vorhaben , die Schüler des Zoroasters und die Priester zu Sais zu besuchen , sobald als ihm Danae seine Freiheit wieder geschenkt hatte , ins Werk zu setzen .
Kurz , seine Erfahrungen machten ihm die Wahrheit seiner ehemaligen Denkungs-Art verdächtig , ohne ihm einen gewissen geheimen Hang zu seinen alten Lieblings-Ideen benehmen zu können .
Seine Vernunft konnte in diesem Stücke mit seinem Herzen und sein Herz mit sich selbst nicht recht einig werden ; und er war nicht ruhig genug , oder vielleicht auch zu träge , seine nunmehrige Begriffe in ein System zu bringen , wodurch beide hatten befriedigt werden können .
In der Tat ist ein Schiff eben nicht der bequemste Ort , ein solches Werk , wozu die Stille eines dunklen Hains kaum stille genug ist , zu Stande zu bringen ; und Agathon mag daher zu entschuldigen sein , daß er diese Arbeit verschob , ob es gleich eine von denen ist , welche sich so wenig aufschieben lassen , als die Ausbesserung eines baufälligen Gebäudes ; denn so wie dieses mit jedem Tage , um den seine Wiederherstellung aufgeschoben wird , dem gänzlichen Einsturz näher kommt ; so pflegen auch die Lücken in unseren moralischen Begriffen und die Mißhelligkeiten zwischen dem Kopf und dem Herzen immer größer und gefährlicher zu werden , je länger wir es aufschieben sie mit der erforderlichen Aufmerksamkeit zu untersuchen , und eine richtige Verbindung und Harmonie zwischen den Teilen und dem Ganzen herzustellen .
Doch dieser Aufschub war in dem besonderen Falle , worin sich Agathon befand , desto weniger schädlich , da er , von der Schönheit der Tugend und der unauflöslichen Verbindlichkeit ihrer Gesetze mehr als jemals überzeugt , eine auf das wahre allgemeine Beste gerichtete Wirksamkeit für die Bestimmung aller Menschen , oder sofern ja einige Ausnahme zu Gunsten der bloß kontemplativen Geister zu machen wäre , doch gewiß für die seinige hielt .
Vormals war er nur zufälliger Weise , und gegen seine Neigung in das aktive Leben verflochten worden : itzo war es eine Folge seiner nunmehrigen , und wie er glaubte geläuterten Denkungsart , daß er sich dazu entschloß .
Ein sanftes Entzücken , welches ihm in diesen Augenblicken den süßesten Berauschungen der Wollust unendlich vorzuziehen schien , ergoß sich durch sein ganzes Wesen bei dem Gedanken , der Mitarbeiter an der Wiedereinsetzung Siziliens in die unendlichen Vorteile der wahren Freiheit und einer durch weise Gesetze und Austalten verewigten Verfassung zu sein --- Seine immer verschönernde Phantasie malte ihm die Folgen seiner Bemühungen in tausend reizende Bilder von öffentlicher Glückseligkeit aus --- er fühlte mit Entzücken die Kräfte zu einer so edlen Arbeit in sich ; und sein Vergnügen war desto vollkommener , da er zugleich empfand , daß Herrschsucht und eitle Ruhmbegierde keinen Anteil daran hatten ; daß es die tugendhafte Begierde , in einem weiten Umfang gutes zu tun , war , deren gehoffte Befriedigung ihm diesen Vorschmack des göttlichsten Vergnügens gab , dessen die menschliche Natur fähig ist .
Seine Erfahrungen , so viel sie ihn auch gekostet hatten , schienen ihm jetzt nicht zu teuer erkauft , da er dadurch desto tüchtiger zu sein hoffte , die Klippen zu vermeiden , an denen die Klugheit oder die Tugend derjenigen zu scheitern pflegt , welche sich den öffentlichen Angelegenheiten unterziehen .
Er setzte sich fest vor , sich durch keine zweite Danae mehr irre machen zu lassen .
Er glaubte sich in diesem Stücke desto besser auf sich selbst verlassen zu können , da er stark genug gewesen war , sich von der ersten loszureißen , und es mit gutem Fug für unmöglich halten konnte , jemals auf eine noch gefährlichere Probe gesetzt zu werden .
Ohne Ehrgeiz , ohne Habsucht , immer wachsam auf die schwache Seite seines Herzens , die er kennen gelernt hatte , dachte er nicht , daß er von anderen Leidenschaften , welche vielleicht noch in seinem Busen schlummerten , etwas zu besorgen haben könne .
Keine übelweissagende Besorgnisse störten ihn in dem unvermischten Genusse seiner Hoffnungen ; sie beschäftigten ihn wachend und selbst in Träumen ; sie waren der vornehmste Inhalt seiner Gespräche mit dem Syrakusischen Kaufmanne , sie machten ihm die Beschwerden der Reise unmerklich , und entschädigten ihn überflüssig für den Verlust der ehemals geliebten Danae ; einen Verlust der mit jedem neuen Morgen kleiner in seinen Augen wurde ; und so führten ihn günstige Winde und ein geschickter Steuermann nach einer kurzen Verweilung in einigen griechischen See-Städten , wo er sich nirgends zu erkennen gab , glücklich nach Syracus , um an dem Hofe eines Fürsten zu lernen , daß auf dieser schlüpfrigen Höhe die Tugend entweder der Klugheit aufgeopfert werden muß , oder die behutsamste Klugheit nicht hinreichend ist , den Fall des Tugendhaften zu verhindern .
Siebentes Kapitel .
Eine oder zwoo Digressionen .
Wir wünschen uns Leserinnen zu haben ; ( denn diese Geschichte , wenn sie auch weniger wahr wäre , als sie ist , gehört nicht unter die gefährlichen Romanen , von welchen der Verfasser des gefährlichsten und lehrreichsten Romans in der Welt die Jungfrauen zurückschreckt ) und wir sehen es also nicht gerne , daß einige unter ihnen , welche noch Geduld genug gehabt , dieses achte Buch bis zum Schluß zu durchblättern --- in der Meinung , daß nun nichts interessantes mehr zu erwarten sei , nachdem Agathon durch einen Streiche von der verhaßtesten Art , durch eine heimliche Flucht der Liebe den Dienst aufgesagt habe --- den zweiten Teil seiner Geschichte ganz kaltsinnig aus ihren schönen Händen entschlüpfen lassen , und --- vielleicht den Sofa , oder die allerliebste kleine Puppe des Hrn. Bibiena ergreifen , um die Vapeurs zu zerstreuen , die ihnen die Untreue und die Betrachtungen unseres Helden verursachet haben .
Woher es wohl kommen mag , meine schönen Damen , daß die meisten unter Ihnen so viel geneigter sind , uns alle Torheiten , welche die Liebe nur immer begehen machen kann , zu verzeihen , als die Wiederherstellung in den natürlichen Stand unserer gesunden Vernunft ?
Gestehen Sie , daß wir Ihnen desto lieber sind , je besser wir durch die Schwachheiten , wozu Sie uns bringen können , die Obermacht Ihrer Reizungen über die Stärke der männlichen Weisheit beweisen --- Was für ein interessantes Gemälde ist nicht eine Deanira mit der Löwen-Haut ihres nervichten Liebhabers umgeben , und mit seiner Keule auf der Schulter , wie sie einen triumphierend-lächelnden Seitenblick auf den Bezwinger der Riesen und Drachen wirft , der , in ihre langen Kleider vermummt , mitten unter ihren Mädchen mit ungeschickter Hand die weibische Spindel dreht ? --- Wir kennen eine oder zwoo , auf welche diese kleine Exklamation nicht paßt ; aber wenn wir ohne Schmeichelei reden sollen , ( welches wir freilich nicht tun sollten , wenn wir die Klugheit zu Rate zögen , ) so zweifeln wir , ob die Weiseste unter allen , zu eben der Zeit , da sie sich bemüht , den Torheiten ihres Liebhabers Schranken zu setzen , sich erwehren kann , eine solche kleine still-triumphierende Freude darüber zu fühlen , daß sie liebenswürdig genug ist , einen Mann von Verdiensten seines eigenen Werts vergessen zu machen .
Eine alltägliche Anmerkung werden Kenner denken , welche weder mehr noch weniger sagt , als was Gay in einer seiner Fabeln tausend Mal schöner gesagt hat , und was wir alle längst wissen --- daß die Eitelkeit die wahre Triebfeder aller Bewegungen des weiblichen Herzens ist --- Wir erkennen unseren Fehler , ohne gleichwohl den Kennern einzugestehen , daß unsere Anmerkung so viel sage .
Aber nichts mehr hiervon !
Hingegen können wir unseren besagten Leserinnen , um sie wieder gut zu machen , eine kleine Anekdote aus dem Herzen unseres Helden nicht verhalten , und wenn er auch gleich dadurch in Gefahr kommen sollte , die Hochachtung wieder zu verlieren , in die er sich bei den ehrwürdigen Damen , welche nie geliebt haben , und , Dank sei dem Himmel !
nie geliebt worden sind , wieder zu setzen angefangen hat .
Hier ist sie --- So vergnügt Agathon über seine Entweichung aus seiner angenehmen Gefangenschaft in Smyrna , und in diesem Stücke mit sich selbst war ; so wenig die Bezauberung , unter welcher wir ihn gesehen haben , die charakteristische Leidenschaft schöner Seelen , die Liebe der Tugend , in ihm zu ersticken vermocht hatte ; so aufrichtig die Gelübde waren , die er tat , ihr künftig nicht wieder ungetreu zu werden ; so groß und wichtig die Gedanken waren , welche seine Seele schwellten ; so sehr er , um alles mit einem Wort zu sagen , wider Agathon war :
So hatte er doch Stunden , wo er sich selbst gestehen mußte , daß er mitten in der Schwärmerei der Liebe und in den Armen der schönen Danae --- glücklich gewesen sei .
Es mag immer viel Verblendung , viel Überspanntes und Schimärisches in der Liebe sein , sagte er zu sich selbst , so sind doch gewiß ihre Freuden keine Einbildung --- ich fühlte es , und fühle es noch , so wie ich mein Dasein fühle , daß es wahre Freuden sind , so wahr in ihrer Art , als die Freuden der Tugend --- und warum sollte es unmöglich sein , Liebe und Tugend mit einander zu verbinden ?
Sie beide zu genießen , das würde erst eine vollkommene Glückseligkeit sein .
Hier müssen wir zu Verhütung eines besorglichen Mißverstandes eine kleine Parenthese machen , um denen , die keine andere Sitten kennen , als die Sitten des Landes oder Ortes , worin sie geboren sind , zu sagen , daß ein vertrauter Umgang mit Frauenzimmern von einer gewissen Klasse , oder ( nicht so französisch , aber weniger zweideutig zu reden ) welche mit dem was man etwas uneigentlich Liebe zu nennen pflegt , ein Gewerbe treiben , bei den Griechen eine so erlaubte Sache war , daß die strengsten Väter sich lächerlich gemacht haben würden , wenn sie ihren Söhnen , so lange sie unter ihrer Gewalt Stunden , eine Liebste aus der bemehlten Klasse hätten verwehren wollen .
Frauen und Jungfrauen genossen den besonderen Schutz der Gesetze , wie allenthalben , und waren durch die Sitten und Gebräuche dieses Volkes vor Nachstellungen ungleich besser gesichert , als sie es bei uns sind .
Ein Anschlag auf ihre Tugend war so schwer zu bewerkstelligen , als die Bestrafung eines solchen Verbrechens strenge war .
Ohne Zweifel geschah es , diese in den Augen der Griechischen Gesetzgeber geheiligte Personen , die Mütter der Bürger , und diejenige welche zu dieser Ehre bestimmt waren , den Unternehmungen einer unbändigen Jugend desto gewisser zu entziehen , daß der Stand der Phrynen und Leiden geduldet wurde ; und so ausgelassen uns auch der asotische Witzling Aristophanes die Damen von Athen vorstellet , so ist doch gewiß , daß die Weiber und Töchter der Griechen überhaupt sehr sittsame Geschöpfe waren ; und daß die Sitten einer Vermählten und einer Buhlerin bei ihnen eben so stark mit einander absetzten , als man dermalen in gewissen Hauptstädten von Europa bemüht ist , sie mit einander zu vermengen .
Ob diese ganze Einrichtung löblich war , ist eine andere Frage , von der hier die Rede nicht ist ; wir führen sie bloß deswegen an , damit man nicht glaube , als ob die Reue und die Gewissens-Bisse unseres Agathon aus dem Begriff entstanden , daß es Unrecht sei mit einer Danae der Liebe zu pflegen .
Agathon dachte in diesem Stücke , wie alle anderen Griechen seiner Zeit .
Bei seiner Nation ( die Spartaner vielleicht allein ausgenommen ) durfte man , wenigstens in seinem Alter , die Nacht mit einer Tänzerin oder Flötenspielerin zubringen , ohne sich deswegen einen Vorwurf zu zuziehen , in so ferne nur die Pflichten seines Standes nicht darunter leiden mußten , und eine gewisse Mässigung beobachtet wurde , welche nach den Begriffen dieser Heiden , die wahre Grenzlinie der Tugend und des Lasters ausmachte .
Wenn man dem Alcibiades übel genommen hatte , daß er sich im Schoß der schönen Nemea , als wie vom Siege ausruhend , malen ließ , oder daß er den Liebesgott mit Jupiters Blitzen bewaffnet in seinem Schilde führte ; ( und Plutarch sagt uns , daß nur die ältesten und ernsthaftesten Athener sich darüber aufgehalten ; Leute , deren Eifer öfters nicht sowohl von der Liebe der Tugend gegen die Torheiten der Jugend gewaffnet wird , als von dem verdrießlichen Umstand , beim Anblick derselben zu gleicher Zeit , wie weit sie von ihrer eigenen Jugend entfernt und wie nahe sie dem Grabe sind , erinnert zu werden ) :
Wenn man , sage ich , dem Alcibiades diese Ausschweifungen übel nahm , so war es nicht sein Hang zu den Ergötzungen oder seine Vertraulichkeit mit einer Person , welche durch Stand und Profession , wie so viel andere , allein dem Vergnügen des Publici gewidmet war ; sondern der Übermut , der daraus hervorleuchtete , die Verachtung der Gesetze des Wohlstandes , und einer gewissen Gravität , welche man in freien Staaten mit Recht gewohnt ist von den Vorstehern der Republik , wenigstens außerhalb dem Zirkel des Privatlebens , zu fordern .
Man würde ihm , wie anderen , seine Schwachheiten , oder seine Ergötzungen übersehen haben ; aber man vergab ihm nicht , daß er damit prahlte ; daß er sich seinem Hang zur Fröhlichkeit und Wollust , bis zu den unbändigsten Ausgelassenheiten überließ .
Daß er , von Wein und Salben triefend , mit dem vernachlässigten und abgematteten Ansehen eines Menschen , der eine Winternacht durchschwelgt hatte , noch warm von den Umarmungen einer Tänzerin , in die Rats-Versammlungen hüpfte , und sich , so übel vorbereitet , doch überflüssig tauglich hielt , ( und vielleicht war er_es wirklich ) die Angelegenheiten Griechenlands zu besorgen , und den grauen Vätern der Republik zu sagen , was sie zu tun hätten :
Das war es , was sie ihm nicht vergeben konnten , und was ihm die schlimmen Händel zuzog , von denen der Wohlstand Athens und er selbst endlich die Opfer wurden .
Überhaupt ist es eine längst ausgemachte Sache , daß die Griechen von der Liebe ganz andere Begriffe hatten als die heutigen Europäer --- denn die Rede ist hier nicht von den metaphysischen Spielwerken oder Träumen des göttlichen Platons --- Ihre Begriffe scheinen der Natur , und also der gesunden Vernunft näher zu kommen , als die unsrigen , in welchen Skythische Barbarei und Maurische Galanterie auf die seltsamste Art mit einander contrastieren .
Sie ehrten die eheliche Freundschaft ; aber von dieser romantischen Leidenschaft , welche wir im eigentlichen Verstande Liebe nennen , und welche eine ganze Folge von Romanschreibern bei unseren Nachbaren jenseits des Rheins und bei den Engländern bemühet gewesen ist , zu einer heroischen Tugend zu erheben ; von dieser wußten sie eben so wenig als von der weinerlich-komischen , der abenteuerlichen Hirngeburt einiger Neuerer , meistens weiblicher , Skribenten , welche noch über die Begriffe der ritterlichen Zeiten raffiniert , und uns durch ganze Bände eine Liebe gemalt haben , die sich von stillschweigendem Anschauen , von Seufzern und Tränen nährt , immer unglücklich und doch selbst ohne einen Schimmer von Hoffnung immer gleich standhaft ist .
Von einer so abgeschmackten , so unmännlichen , und mit dem Heldentum , womit man sie verbinden will , so lächerlich abstechenden Liebe wußte diese geistreiche Nation nichts , aus deren schöner und lachender Einbildungskraft die Göttin der Liebe , die Grazien , und so viele andere Götter der Fröhlichkeit hervorgegangen waren .
Sie kannten nur die Liebe , welche scherzt , küßt und glücklich ist ; oder , richtiger zu reden , diese allein schien ihnen , unter gehörigen Einschränkungen , der Natur gemäß , anständig und unschuldig .
Diejenige , welche sich mit allen Symptomen eines fieberischen Paroxysmus der ganzen Seele bemächtiget , war in ihren Augen eine von den gefährlichsten Leidenschaften , eine Feindin der Tugend , die Störerin der häuslichen Ordnung , die Mutter der verderblichsten Ausschweifungen und der häßlichsten Laster .
Wir finden wenige Beispiele davon in ihrer Geschichte ; und diese Beispiele sehen wir auf ihrem tragischen Theater mit Farben geschildert , welche den allgemeinen Abscheu erwecken mußten ; so wie hingegen ihre Komödie keine andere Liebe kennt , als diesen natürlichen Instinkt , welchen Geschmack , Gelegenheit und Zufall für einen gewissen Gegenstand bestimmen , der , von den Grazien und nicht selten auch von den Musen verschönert , das Vergnügen zum Zweck hat , nicht besser noch erhabener sein will als er ist , und wenn er auch in Ausschweifungen ausbrechend , sich gegen den Zwang der Pflichten aufbäumt , doch immer weniger Schaden tut , und leichter zu bändigen ist , als jene tragische Art zu lieben , welche ihnen vielmehr von der Fackel der Furien als des Liebesgottes entzündet , eher die Wirkung der Rache einer erzürnten Gottheit als dieser süßen Betörung gleich zu sein schien , welche sie , wie den Schlaf und die Gaben des Bacchus , des Gebers der Freude , für ein Geschenke der wohltätigen Natur , ansahen , uns die Beschwerden des Lebens zu versüßen , und zu den Arbeiten desselben munter zu machen .
Ohne Zweifel würden wir diesen Teil der Griechischen Sitten noch besser kennen , wenn nicht durch ein Unglück , welches die Musen immer beweinen werden , die Komödien eines Alexis , Menander , Diphilus , Philemon , Apollodorus , und anderer berühmter Dichter aus dem schönsten Zeit-Alter der attischen Musen ein Raub der mönchischen und Sarazenischen Barbarei geworden wären .
Allein es bedarf dieser Urkunden nicht , um das was wir gesagt haben zu rechtfertigen .
Sehen wir nicht den ehrwürdigen Solon noch in seinem hohen Alter , in Versen welche des Alters eines Voltaire würdig sind , von sich selbst gestehen , " daß er sich aller an " deren Beschäftigungen begeben habe , um den Rest " seines Lebens in Gesellschaft der Venus , des Bacchus " und der Musen auszuleben , der einzigen Quellen der " Freuden der Sterblichen ? "
Sehen wir nicht den weisen Socrates kein Bedenken tragen , in Gesellschaft seiner jungen Freunde , der schönen und gefälligen Theodota einen Besuch zu machen , um über ihre von einem aus der Gesellschaft für unbeschreiblich angepriesene Schönheit den Augenschein einzunehmen ?
Sehen wir nicht , daß er seiner Weisheit nichts zu vergeben glaubt , indem er diese Theodota , auf eine scherzhafte Art in der Kunst Liebhaber zu fangen unterrichtet ?
War er nicht ein Freund und Bewunderer , ja , wenn Plato nicht zuviel gesagt hat , ein Schüler der berühmten Aspasia , deren Haus , ungeachtet der Vorwürfe , welche ihr von der zaumlosen Frechheit der damaligen Komödie gemacht wurden , der Sammelplatz der schönsten Geister von Athen war ?
So enthaltsam er selbst , bei seinen beiden Weibern , in Absicht der Vergnügen der Paphischen Göttin immer sein mochte ; so finden wir doch seine Grundsätze über die Liebe mit der allgemeinen Denkungsart seiner Nation ganz übereinstimmend .
Er unterschied das Bedürfnis von der Leidenschaft ; das Werk der Natur , von dem Werk der Phantasie ; er warnte vor dem Letzteren , wie wir im vierten Kapitel schon im Vorbeigehen bemerkt haben ; und riet zu Befriedigung der ersten ( nach Xenophons Bericht ) eine solche Art von Liebe , ( das Wort dessen sich die Griechen bedienten , drückt die Sache bestimmter aus ) an welcher die Seele so wenig als möglich Anteil nehme .
Ein Rat , welcher zwar seine Einschränkungen leidet ; aber doch auf die Erfahrungs-Wahrheit gegründet ist ; daß die Liebe , welche sich der Seele bemächtiget , sie gemeiniglich der Meisterschaft über sich selbst beraube , entnerve , und zu edlen Anstrengungen untüchtig mache .
" Und wozu , ( hören wir den scheinheiligen Theogiton mit einem tiefen Seufzer , in welchem ein halbunterdrücktes Anathema murmelt , fragen ) --- wozu diese ganze schöne Digression ?
Ist vielleicht ihre Absicht , die ärgerlichen Begriffe und Sitten blinder , verdorbener Heiden unserer ohnehin zum Bösen so gelehrigen Jugend zum Muster vorzulegen ? "
Nein , mein Herr ; das wäre unnötig ; der größte Teil dieser Jugend , welche unser Buch lesen wird ( es müßte dann in die Gewürzbuden kommen ) hat schon den Horaz , den Ovid , den Martial , den Petron , den Apuleius , vielleicht auch den Aristophanes gelesen ; und was noch sonderbarer scheinen könnte , hat seine Bekanntschaft mit diesen Schriftstellern , welche nach Deren Grundsätzen lauter Seelengift sind , in den Schulen gemacht .
Wir haben also dieser Jugend nicht viel neues gesagt ; und gesetzt , wir hätten ?
Alle Welt weiß , daß andere Verfassungen , andere Gesetze , eine andere Art des Gottesdiensts , auch andere Sitten hervorbringen und erfordern .
Aber das verhindert nicht , daß es nicht gut sein sollte , auch zu wissen , nach was für Begriffen man außerhalb unserem kleinen Horizont , unter anderen Himmelsstrichen und zu anderen Zeiten gedacht und gelebt hat --- " Und wozu sollte das gut sein können ?
" --- Vergebung , Herr Theogiton ! das sollten Sie wissen , da Sie davon Profession machen , die Menschen zu verbessern ; und das hätten Sie , nehmen Sie es nicht übel , vorher lernen sollen , ehe Sie Sich unterfangen hätten , einen Beruf zu übernehmen , worin es so leicht ist , ein Pfuscher zu sein --- Doch genug ; Sie sollen hören , warum diese kleine Abschweifung notwendig war .
Es ist hier darum zu tun , den Agathon zu schildern ; ein wenig genauer und richtiger zu schildern , als es ordentlicher Weise in den Personalien einer Leichenpredigt geschieht --- Sie schütteln den Kopf , Herr Theogiton --- beruhigen Sie Sich ; man malt solche Schildereien weder für Sie , noch für die guten Seelen , welche sich unter Ihre Direktion begeben haben ; Sie müssen ja den Agathon nicht lesen ; und , die Wahrheit zu sagen , Sie würden wohl tun gar nicht zu lesen , was Sie nicht zu verstehen fähig sind --- Aber Sie sollen glauben daß es sehr viele ehrliche Leute gibt , die nicht unter Ihrer Direktion stehen , und einige von diesen werden den Agathon lesen , werden alles in dem natürlichen , wahren Lichte sehen , worin ungefälschte , gesunde Augen zu sehen pflegen , und werden sich --- seufzen Sie immer soviel Sie wollen --- daraus erbauen .
Für diese also haben wir uns anheischig gemacht , den Agathon , als eine moralische Person betrachtet , zu schildern .
Es ist hier um eine Seelen-Malerei zu tun -- Sie lächeln , mein Herr ? -- Nicht wahr , ich errate es , daß ihnen bei diesem Worte die punktierte Seele in Comenii Orbe picto einfällt ?
Aber das ist nicht was ich meine ; es ist darum zu tun , daß uns das Innerste seiner Seele aufgeschlossen werde ; daß wir die geheimeren Bewegungen seines Herzens , die verborgeneren Triebfedern seiner Handlungen kennen lernen --- " Eine schöne Kenntnis ! und " die etwan viel Kopfzerbrechens braucht ? --- Ein Herz " zu kennen , von dem ich Ihnen , Kraft meines Sie " stems , gleich bei der ersten Ziele Ihres Buchs hätte " vorhersagen können , daß es durch und durch nichts " taugt " --- Ich bitte Sie , Herr Theogiton , nichts mehr ; Sie mögen wohl Ihr System nicht recht gelernt haben , oder --- das muß ein System sein !
Aber ; in unserem Leben nichts mehr , wenn ich bitten darf .
Ich sehe , die Natur hat Ihnen das Werkzeug versagt , wodurch wir uns gegen einander erklären könnten .
Ich hatte Unrecht , Ihnen von geheimen Triebfedern zu sprechen --- Sie kennen nur eine einzige Gattung derselben , die in der Klasse der guten Seelen liegt , die sich Ihrer Führung überlassen haben ; und diese rechtfertiget freilich Ihr System besser als alles was Sie zu seinem Behuf sagen könnten --- Also zu unserem Agathon zurück !
Nach den gewöhnlichen Begriffen seiner Zeit wäre es so schwer nicht gewesen , Liebe und Tugend mit einander zu verbinden ; auch unsere jungen Moralisten hätten hierzu gleich ein Recipe fertig , oder es wimmelt viel mehr wirklich von dergleichen in allen Buchläden .
Aber Agathon hatte größere und feinere Begriffe von der Tugend --- Die Begriffe einer gewissen idealischen Vollkommenheit waren zu sehr mit den Grundzügen sein er Seele verwebt , als daß er sie sobald verlieren konnte , oder vielleicht jemals verlieren wird .
Was ist für eine delikate Seele Liebe ohne Schwärmerei ?
Ohne diese Zärtlichkeit der Empfindungen , diese Sympathie welche ihre Freuden vervielfältiget , verfeinert , veredelt ?
Was sind die Wollüste der Sinnen , ohne Grazien und Musen ? --- Das Sokratische System über die Liebe mag für viele gut sein ; aber es taugt nicht für die Agathons .
Agathon hätte diese Art zu lieben , wie er die schöne Danae geliebt hatte , und wie er von ihr geliebt worden war , gerne mit der Tugend verbinden mögen ; und von diesem Wunsch sah er alle Schwierigkeiten ein .
Endlich dünkte ihn , es komme alles auf den Gegenstand an ; und hier erinnerte ihn sein Herz wieder an seine geliebte Psyche .
Ihr Bild stellte sich ihm mit einer Wahrheit und Lebhaftigkeit dar , wie es ihm seit langer Zeit , seinen Traum ausgenommen , niemals vorgekommen war .
Er errötete vor diesem Bilde , wie er vor der gegenwärtigen Psyche selbst errötet haben würde ; aber er empfand mit einem Vergnügen , wovon das überlegte Bewußtsein ein neues Vergnügen war , daß sein Herz , ohne nur mit einem einzigen Faden an Danae zu hängen , wieder zu seiner ersten Liebe zurückkehrte .
Seine wieder ruhige Phantasie spiegelte ihm , wie ein klarer tiefer Brunnen die Erinnerungen der reinen , tugendhaften , und mit keiner anderen Lust zu vergleichenden Freuden vor , die er durch die zärtliche Vereinigung ihrer Seelen in jenen elysischen Nächten erfahren hatte .
Er empfand jetzt alles wieder für sie was er ehemals empfunden , und diese neuen Empfindungen noch dazu , welche ihm Danae eingeflößt hatte ; aber so sanft , so geläutert durch die moralische Schönheit des veränderten Gegenstandes , daß es nicht mehr eben dieselben schienen .
Er stellte sich vor , wie glücklich ihn eine unzertrennliche Verbindung mit dieser Psyche machen würde , welche ihm eine Liebe eingehaucht , die seiner Tugend so wenig gefährlich gewesen war , daß sie ihr vielmehr Schwingen angesetzt hatte --- er versetzte sich in Gedanken mit Psyche in den Ruheplatz der Diana zu Delphi --- und ließ den Gott der Liebe , den Sohn der himmlischen Venus , das überirdische Gemälde ausmalen .
Eine süße weissagende Hoffnung breitete sich durch seine Seele aus ; es war ihm , als ob eine geheime Stimme ihm zulisple , daß er sie in Sizilien finden werde .
Psyche schickte sich vortrefflich in den Plan , den er sich von seinem bevorstehenden Leben gemacht hatte --- was für eine Perspektive stellte ihm die Verbindung seiner Privat-Glückseligkeit mit der öffentlichen vor , welcher er alle seine Kräfte zu widmen entschlossen war !
Aber er wollte erst verdienen glücklich zu sein --- Und nun , sagen sie mir , meine schönen Leserinnen , verdient nicht ein Mann , der so edel denkt glücklich zu sein ? --- verdient er nicht die beste Frau ? --- Sein Sie ruhig ; er soll sie haben , sobald wir sie finden werden .
Neuntes Buch .
Erstes Kapitel .
Veränderung der Szene .
Charakter der Syracusaner , des Dionysius und seines Hofes .
Da wir im Begriff sind , unserem Helden auf einen neuen Schauplatz zu folgen , wird es nicht überflüssig sein , denjenigen , welche in der alten Geschichte nicht so gut bewandert sind , als vielleicht im Feenlande , einige vorläufige Nachrichten von den Personen zu geben , mit welchen man ihn in diesem und dem folgenden Buche verwickelt sehen wird .
Syracus , die Hauptstadt Siziliens , verdiente in vielerlei Betrachtungen den Namen des zweiten Athen .
Nichts kann ähnlicher sein , als der Charakter ihrer Einwohner .
Beide waren im höchsten Grad eifersüchtig über eine Freiheit , in welcher sie sich niemals lange zu erhalten wußten , weil sie Müßiggang und Lustbarkeiten noch mehr liebten , als diese Freiheit ; und man muß gestehen , daß sie ihnen durch den schlechten Gebrauch , den sie von ihr zu machen wußten , mehr Schaden getan hat , als ihre Tyrannen zusammengenommen .
Die Syracusaner hatten den Genie der Künste und der Musen ; sie waren lebhaft , sinnreich und zum spottenden Scherze aufgelegt ; heftig und ungestüm in ihren Bewegungen , aber so unbeständig , daß sie in einem Zeitmaß von wenigen Tagen von dem äußersten Grade der Liebe zum äußersten Haß , und von dem wirksamsten Enthusiasmus zur untätigsten Gleichgültigkeit übergehen konnten ; lauter Züge , durch welche sich , wie man weiß , die Athener vor allen anderen griechischen Völkern ausnahmen .
Beide empörten sich mit eben so viel Leichtsinn gegen die gute Regierung eines einzigen Gewalthabers , als sie fähig waren mit der niederträchtigsten Feigheit sich an das Joch des schlimmsten Tyrannen gewöhnen zu lassen :
Beide kannten niemals ihr wahres Interesse , und kehrten ihre Stärke immer gegen sich selbst : Mutig und heroisch in der Widerwärtigkeit , allezeit übermütig im Glück , und gleich dem äsopischen Hund im Nil , immer durch schimmernde Entwürfe verhindert , von ihren gegenwärtigen Vorteilen den rechten Gebrauch zu machen : durch ihre Lage , Verfassung , und den Geist der Handelsschaft , der Spartanischen Gleichheit unfähig , aber eben so ungeduldig , an einem Mitbürger große Vorzüge an Verdiensten , Ansehen oder Reichtum zu ertragen ; daher immer mit sich selbst im Streit , immer von Parteien und Factionen zerrissen ; bis , nach einem langwierigen umwechselnden Übergang von Freiheit zu Sklaverei und von Sklaverei zu Freiheit , beide zuletzt die Fesseln der Römer geduldig tragen lernten ; und sich weislich mit der Ehre begnügten , Athen die Schule , und Syracus die Korn-Kammer dieser Majestätischen Gebieterin des Erdbodens zu sein .
Nach einer Reihe von so genannten Tyrannen , das ist , von Beherrschern , welche sich der einzelnen und willkürlichen Gewalt über den Staat bemächtiget hatten , ohne auf einen Beruf von den Bürgern zu warten , war Syracus und ein großer Teil Siziliens mit ihr endlich in die Hände des Dionysius gefallen ; und von diesem , nach einer langwierigen Regierung , unter welcher die Syracusaner gewiesen hatten , was sie zu leiden fähig seien , seinem Sohne , dem jüngern Dionysius erblich angefallen .
Das Recht dieses jungen Menschen an die königliche Gewalt , deren er sich nach seines Vaters Tod ( den er selbst durch einen Schlaftrunk beschleuniget hatte ) anmaßte , war noch weniger als zweideutig ; denn sein Vater konnte ihm kein Recht hinterlassen , das er selbst nicht hatte .
Aber eine starke Leibwache , eine wohlbefestigte Zitadelle , und eine durch die Beraubung der reichsten Sizilianer angefüllte Schatzkammer ersetzte den Abgang eines Rechts , welches ohnehin alle seine Stärke von der Macht zieht , die es gelten machen muß , und aus eben diesem Grunde dessen leicht entbehren kann .
Hierzu kam noch , daß in einem Staat , worin der Geist der politischen Tugend schon erloschen ist , und grenzenlose Begierden nach Reichtümern , und der schmeichelhaften Freiheit alles zu tun , was die Sinne gelüsten ( der einzigen Art von Freiheit , welche von der Tyrannie eben so sehr begünstiget als sie von der echten bürgerlichen Freiheit ausgeschlossen wird ) die Oberhand gewonnen haben ; daß , sage ich , in einem solchen Staat , eine ausgelassene und allein auf Befriedigung ihrer Leidenschaften erpichte Jugend sich mit gutem Grunde von der unumschränkten Regierung eines Einzigen ihrer Art , unendlich mehr Vorteile versprach als von der Aristokratie , deren sich die ältesten und Verdienstvollesten bemächtigen ; oder von der Demokratie , worin man ein abhängiges und ungewisses Ansehen mit soviel Beschwerlichkeiten , Cabbalen , Unruhe und Gefahr , oft auch mit Aufopferung seines Vermögens teurer erkaufen muß , als es sich der Mühe zu verlohnen scheint .
Der junge Dionysius setzte sich also durch einen Zusammenfluß günstiger Umstände , in den ruhigen Besitz der höchsten Gewalt zu Syracus ; und es ist leicht zu erachten , wie ein übelgezogener , und vom Feuer seines Temperaments zu allen Ausschweifungen der Jugend hingerissener Prinz , unter einem Schwarme von Parasiten , dieser Macht sich bedient haben werde .
Ergötzungen , Gastmähler , Liebeshändel , Feste welche ganze Monate dauerten , kurz eine stete Berauschung von Schwelgerei , machten die Beschäftigungen eines Hofes von törichten Jünglingen aus , welche nichts angelegenes hatten , als durch Erfindung neuer Wollüste sich in der Zuneigung des Prinzen fest zu setzen , und ihn zu gleicher Zeit zu verhindern , jemals zu sich selbst zu kommen , und den Abgrund gewahr zu werden , an dessen blumigem Rand er in unsinniger Sorglosigkeit herumtanzte .
Man kennt die Staatsverwaltung wollüstiger Prinzen aus älteren und neueren Beispielen zu gut , als daß wir nötig hätten , uns darüber auszubreiten .
Was für eine Regierung ist von einem jungen Unbesonnenen zu erwarten , dessen Leben ein immerwährendes Bacchanal ist ?
Der keine von den großen Pflichten seines Berufs kennt , und die Kräfte , die er zu ihrer Erfüllung anstrengen sollte , bei nächtlichen Schmäusen und in den feilen Armen üppiger Buhlerinnen verzettelt ?
Der , unbekümmert um das Beste des Staats , seine Privat-Vorteile selbst so wenig einsieht , daß er das wahre Verdienst , welches ihm verdächtig ist , hasset , und Belohnungen an diejenigen verschwendet , die unter der Maske der eifrigsten Ergebenheit und einer gänzlichen Aufopferung , seine gefährlichsten Feinde sind ?
Von einem Prinzen , bei dem die wichtigsten Stellen auf die Empfehlung einer Tänzerin oder der Sklaven , die ihn aus- und ankleiden , vergeben werden ?
Der sich einbildet , daß ein Hofschranze , der gut tanzt , ein Nachtessen wohl anzuordnen weiß , und ein überwindendes Talent hat , sich bei den Weibern in Gunst zu setzen , unfehlbar auch das Talent eines Ministers oder eines Feldherrn haben werde ; oder , daß man zu allem in der Welt tüchtig sei , sobald man die Gabe habe ihm zu gefallen ? --- Was ist von einer solchen Regierung zu erwarten , als Verachtung aller göttlichen und menschlichen Gesetze , Mißbrauch der Formalitäten der Gerechtigkeit , Gewaltsamkeiten , schlimme Haushaltung , Erpressungen , Geringschätzung und Unterdrückung der Tugend , allgemeine Verdorbenheit der Sitten ? --- Und was für eine Staatskunst wird da Platz haben , wo Leidenschaften , Launen , vorüberfahrende Anstösse von lächerlichem Ehrgeiz , die kindische Begierde von sich reden zu machen , die Konvenienz eines Günstlings oder die Jntriguen einer Buhlerin --- die Triebfedern der Staats-Angelegenheiten , der Verbindung und Trennung mit auswärtigen Machten , und des öffentlichen Beträgen ?
Wo , ohne die wahren Vorteile des Staats , oder seine Kräfte zu kennen , ohne Plan , ohne kluge Abwägung und Verbindung der Mittel --- doch , wir geraten unvermerkt in den Ton der Deklamation , welcher uns bei einem längst erschöpften und doch so alltäglichen Stoffe nicht zu vergeben wäre .
Möchte niemand , der dieses liest , aus der Erfahrung seines eigenen Vaterlands wissen , wie einem Volke mitgespielt wird , welches das Unglück hat , der Willkür eines Dionysius Preis gegeben zu sein !
Man wird sich nach allem , was wir eben gesagt haben , den Dionysius als einen der schlimmsten Tyrannen , womit der Himmel jemals eine mit geheimen Verbrechen belastete Nation gegeißelt habe , vorstellen ; und so schildern ihn auch die Geschichtsschreiber .
Allein ein Mensch der aus lauter schlimmen Eigenschaften zusammengesetzt wäre , ist ein Ungeheuer , das nicht existieren kann .
Eben dieser Dionysius würde Fähigkeit genug gehabt haben , ein guter Fürst zu werden , wenn er so glücklich gewesen wäre , zu seiner Bestimmung gebildet zu werden .
Aber es fehlte soviel , daß er die Erziehung die sich für einen Prinzen schickt , bekommen hätte , daß ihm nicht einmal diejenige zu Teil wurde , die man einem jeden jungen Menschen von mittelmässigem Stande gibt .
Sein Vater , der feigherzigste Tyrann der jemals war , ließ ihn , von aller guten Gesellschaft abgesondert , unter niedrigen Sklaven aufwachsen , und der präsumtive Thronfolger hatte kein anderes Mittel sich die Langeweile zu vertreiben , als daß er kleine Wagen , hölzerne Leuchter , Schemel und Tischen verfertigte .
Man würde Unrecht haben , wenn man diese selbstgewählte Beschäftigung für einen Wink der Natur halten wollte ; es war vielmehr der Mangel an Gegenständen und Modellen , welche dem allen Menschen angeborenen Trieb Witz und Hände zu beschäftigen , der sich in ihm regte , eine andere Richtung hätten geben können :
Er würde vielleicht Verse gemacht haben , und bessere als sein Vater , ( der unter anderen Torheiten auch die Wut hatte , ein Poet sein zu wollen ) wenn man ihm einen Homer in seine Klause gegeben hätte .
Wie manche Prinzen hat man gesehen , welche mit der Anlage zu Augusten und Trajanen , aus Schuld derjenigen , die über ihre Erziehung gesetzt waren , oder durch die Unfähigkeit eines dummen , mit klösterlichen Vorurteilen angefüllten Mönchen , dem sie auf Diskretion überlassen wurden in Nerone und Heliogabale ausgeartet sind ? --- Eine genaue und ausführliche Entwicklung , wie dieses zugehe ; wie es unter gewissen gegebenen Umständen nicht anders möglich sei , als daß durch eine so fehlerhafte Veranstaltung das beste Naturell , in ein Karikaturenmässiges moralisches Mißgeschöpfe verzogen werden müsse , wäre , wie uns deucht , ein sehr nützlicher Stoff , den wir der Bearbeitung irgend eines Mannes von Genie empfehlen , der bei philosophischen Einsichten eine hinlängliche Kenntnis der Welt besäße .
Unsere aufgeklärten und politen Zeiten sind weder dieses noch jenes in so hohem Grade , daß ein solches Werk überflüssig sein sollte ; und wenn die Ausführung der Würde des Stoffes zusagte , so zweifeln wir nicht , daß es glücklich genug werden könnte , von mancher Provinz die lange Folge von Plagen abzuwenden , welche ihr vielleicht durch die fehlerhafte Erziehung ihrer noch ungeborenen Beherrscher in den nächsten hundert Jahren bevorstehen .
Zweites Kapitel .
Charakter des Dion .
Anmerkungen über denselben .
Eine Digression .
Die Syracusaner waren des Jochs schon zu wohl gewohnt , um einen Versuch zu machen , es nach dem Tode des alten Dionysius abzuschütteln .
Es war nicht einmal soviel Tugend unter ihnen übrig , daß einige von denen , welche besser dachten als der große Haufen , und die verächtliche Brut der Parasiten , den Mut gehabt hätten , sich durch diese letzteren hindurch bis zu dem Ohr des jungen Prinzen zu drängen , um ihm Wahrheiten zu sagen , von denen seine eigene Glückseligkeit eben so wohl abhing , als die Wohlfahrt von Sizilien .
Ganz Syracus hatte nur einen Mann , dessen Herz groß genug hierzu war ; und auch dieser würde sich vermutlich in eben diese sichere aber unrühmliche Dunkelheit eingehüllt haben , worein ehrliche Leute unter einer unglückweissagenden Regierung sich zu verbergen pflegen ; wenn ihn seine Geburt nicht berechtiget , und sein Interesse genötigt hätte , sich um die Staats-Verwaltung zu bekümmern .
Dieser Mann war Dion , ein Bruder der Stiefmutter des Dionys , und der Gemahl seiner Schwester ; der Nächste nach ihm im Staat , und der Einzige , der sich durch seine große Fähigkeiten , durch sein Ansehen bei dem Volke , und durch die unermeßliche Reichtümer , die er besaß , furchtbar und des Projekts verdächtig machen konnte , sich entweder an seine Stelle zu setzen , oder die republikanische Verfassung wiederherzustellen .
Wenn wir den Geschichtsschreibern , insonderheit dem tugendhaften und gutherzigen Plutarch einen unumschränkten Glauben schuldig wären , so würden wir den Dion unter die wenigen Helden und Champions der Tugend zählen müssen , welche sich , ( um dem Plato einen Ausdruck abzuborgen ) zu der Würde und Größe guter Dämonen , oder Beschützender Genien und Wohltäter des Menschen-Geschlechts emporgeschwungen haben --- welche fähig sind , aus dem erhabenen Beweggrunde einer reinen Liebe der sittlichen Ordnung und des allgemeinen Besten zu handeln , und über dem Bestreben , andere glücklich zu machen , sich selbst aufzuopfern , weil sie unter dieser in die Sinne fallenden sterblichen Hülle ein edleres Selbst tragen , welches seine angeborene Vollkommenheit desto herrlicher entfaltet , je mehr jenes animalische Selbst unterdrückt wird --- welche im Glück und im Unglück gleich groß , durch dieses nicht verdunkelt werden , und von jenem keinen Glanz entlehnen , sondern immer sich selbst genügsam , Herren ihrer Leidenschaften , und über die Bedürfnisse gemeiner Seelen erhaben , eine Art von sublunarischen Göttern sind .
Ein solcher Charakter fällt allerdings gut in die Augen , ergötzt den moralischen Sinn ( wenn wir anders dieses Wort gebrauchen dürfen , ohne mit Hutchinson zu glauben , daß die Seele ein besonderes geistiges Werkzeug , die moralische Dinge zu empfinden habe ) und erweckt den Wunsch , daß er mehr als eine schöne Schimäre sein möchte .
Aber wir gestehen , daß wir , aus erheblichen Gründen , mit zunehmender Erfahrung , immer mißtrauischer gegen die menschlichen --- und warum also nicht gegen die übermenschlichen Tugenden werden .
Es ist wahr , wir finden in dem Leben Dions Beweise großer Fähigkeiten , und vorzüglich einer gewissen Erhabenheit und Stärke des Gemüts , die man gemeiniglich mit gröberen , weniger reizbaren Fibern und derjenigen Art von Temperament verbunden sieht , welches ungesellig , ernsthaft , stolz und spröde zu machen pflegt .
An jede Art von Temperament grenzen wie man weißt , gewisse Tugenden ; und wenn es sich noch fügt , daß die Entwicklung dieser Anlage zu demselben durch günstige Umstände befördert wird , so ist nichts natürlicheres , als daß sich daraus ein Charakter bildet , der durch gewisse hervorstechende Tugenden blendet , die eben darum zu einer völligeren Schönheit gelangen , weil kein innerlicher Widerstand sich ihrem Wachstum entgegengesetzt .
Diese Art von Tugenden finden wir bei dem Dion in großem Grade :
Aber ihm , oder irgend einem anderen ein Verdienst daraus machen , wäre eben so viel , als einem Athleten die Elastizität seiner Sehnen , oder einem gesunden blühenden Mädchen ihre gute Farbe und die Wölbung ihres Buseus als Verdienste anrechnen , welche ihnen ein Recht an die allgemeine Hochachtung geben sollten .
Ja , wenn Dion sich durch diejenige Tugenden vorzüglich unterschieden hätte , zu denen er von Natur nicht aufgelegt war ; und wenn er es so weit gebracht hätte , sie mit eben der Leichtigkeit und Grazie auszuüben , als ob sie ihm angeboren wären --- aber wie viel daran fehlte , daß er der Philosophie seines Lehrers und Freundes Platon soviel Ehre gemacht hätte , davon finden wir in den eigenen Briefen dieses Weisen , und in dem Betragen Dions in den wichtigsten Auftritten seines Lebens die zuverlässigsten Beweise :
Niemals konnte er es dahin bringen , oder vielleicht gefiel es ihm nicht , den Versuch zu machen , und beides läuft auf Eines hinaus , diese Austerität , diese Unbiegsamkeit , diese wenige Gefälligkeit im Umgang , welche die Herzen von sich zurückstieß , zu überwinden .
Vergebens ermahnte ihn Plato den Huldgöttinnen zu opfern , und erinnerte ihn , daß Sprödigkeit sich nur für Einsiedler schicke ; Dion bewies durch seine Ungelehrigkeit über diesen Punkt , daß die Philosophie ordentlicher Weise uns nur die Fehler vermeiden macht , zu denen wir keine Anlage haben , und uns nur in solchen Tugenden befestiget , zu denen wir ohnehin geneigt sind .
Indessen war er nichts desto weniger derjenige , auf welchen ganz Sicilieu die Augen gerichtet hatte .
Die Weisheit seines Betragens , seine Abneigung von allen Arten der sinnlichen Ergötzungen , seine Mässigung , Nüchternheit und Frugalität , erwarben ihm desto mehr Hochachtung , je stärker sie mit der zügellosen Schwelgerei und Verschwendung des Tyrannen contrastierte .
Man sah , daß er allein im Stande war , ihm das Gleichgewicht zu halten , und man erwartete das Beste von ihm , es sei nun daß er sich der Regierung für sich selbst , oder die jungen Söhne seiner Schwester bemächtigen , oder sich begnügen würde , der Mentor des Dionysius zu sein .
Die natürliche Unempfindlichkeit Dions gegen die Reizungen der Wollust , welche den Syracusanern soviel Vertrauen zu ihm gab , blendete in der Folge auch die Griechen des festen Landes , zu denen er sich vor dem Tyrannen zu flüchten genötigt wurde .
Selbst die Akademie , diese damals so berühmte Schule der Weisheit , scheint stolz darauf gewesen zu sein , einen so nahen Verwandten des wiewohl unrechtmässigen Beherrschers von Sizilien , unter ihre Pflegsöhne zählen zu können .
Die königliche Pracht , welche er in seiner Lebensart affektierte , war in ihren Augen ( so gewiß ist es , daß auch weise Augen manchmal durch die Eitelkeit verfälscht werden ) der Ausdruck der inneren Majestät seiner Seele ; sie schlossen ungefähr nach eben der Logik , welche einen Verliebten von den Reizungen seiner Dame auf die Güte ihres Herzens schließen macht ; und sahen nicht , oder wollten nicht sehen , daß eben dieser von den republikanischen Sitten so weit entfernte Pomp ein sehr deutliches Zeichen war , daß es weniger einer Erhabenheit über die gewöhnlichen Schwachheiten der Großen und Reichen , als dem Mangel der Begierden zu zuschreiben sei , wenn derjenige gegen die Vergnügungen der Sinne gleichgültig war , der sich von der Eitelkeit dahinreissen ließ , durch ein Gepränge mit Reichtümern , deren er sich als der Früchte seiner Verhältnisse mit der Familie des Tyrannen vielmehr hätte schämen sollen , unter einem freien Volke sich unterscheiden zu wollen .
Doch , indem ich diese Gelegenheit ergreife , die übertriebene Lobsprüche zu mäßigen , welche an die Günstlinge des Glückes verschwendet zu werden pflegen , sobald sie einigen Schimmer der Tugend von sich werfen ; begehre ich nicht in Abrede zu sein , daß Dion , so wie er war , einen Thron eben so würdig erfüllt haben würde , als wenig er sich schickte , mit einem durch die lange Gewohnheit der Fesseln entnervten Volke , in dem Mittelstand zwischen Sklaverei und Freiheit , worein er dasselbe in der Folge durch die Vertreibung des Dionysius setzte , so sanft und behutsam umzugehen , als es hätte geschehen müssen , wenn seine Unternehmung für die Syracusaner und ihn selbst glücklich hätte ausschlagen sollen .
Plutarch vergleicht dieses Volk , in dem Zeitpunkt , da es das Joch der Tyrannie abzuschütteln ansinge , sehr glücklich mit Leuten , die von einer langwierigen Krankheit wieder aufstehen , und , ungeduldig sich der Vorschrift eines klugen Arztes in Absicht ihrer Diät zu unterwerfen , sich zu früh wie gesunde Leute betragen wollen .
Aber darin können wir nicht mit ihm einstimmen , daß Dion dieser geschickte Arzt für sie gewesen sei .
Sehr wahrscheinlich hat die platonische Philosophie selbst , von deren idealischer Sitten- und Staatslehre er ein so großer Bewunderer war , sehr vieles dazu beigetragen , daß er weniger als ein Anderer , der nicht nach so sehr abgezogenen Grundsätzen gehandelt hätte , zum Arzt eines äußerst verdorbenen Volkes geeigenschaftet war .
Vielfältige Erfahrungen zu verschiedenen Zeiten und unter verschiedenen Völkern haben es gewiesen , daß die Dion , die Caton , die Brutus , die Algernon Sidney allemal unglücklich sein werden , wenn sie einen von alten bösartigen Schaden entkräfteten und zerfressenen Staats-Körper in den Stand der Gesundheit wieder herzustellen versuchen .
Zu einer solchen Operation gehören viele Gehilfen ; und Männer von einer so außerordentlichen Art sind unter einer Million Menschen allein :
Es ist genug , wenn das Ziel , wie Solon von seinen Gesetzen sagte , das Beste ist , das in den vorliegenden Umständen zu erreichen sein mag ; und Sie wollen immer das Beste , das sich denken läßt :
Alle Mittel welche zugleich am gewissesten und bäldest zu diesem Ziel führen , sind die Besten ; und sie wollen keine andere gebrauchen , als welche nach den strengsten Regeln einer oft spitzfindigen Gerechtigkeit und Güte , rechtmässig und gut sind .
Löblich , vortrefflich , göttlich ! --- rufen die schwärmerischen Bewunderer der heroischen Tugend --- wir wollten gerne mitrufen , wenn man uns nur erst zeigen wollte , was diese hochgetriebene Tugend dem menschlichen Geschlecht jemals geholfen habe -- Dion zum Exempel , von den erhabenen Ideen seines Lehrmeisters eingenommen , wollte dem befreiten Syracus eine Regierungs-Form geben , welche so nah als möglich an die Platonische Republik grenzte -- und verfehlte darüber , zu seinem eigenen Untergang , die Mittel , ihr diejenige zu geben , deren sie fähig war .
Brutus half den Größten der Sterblichen , den Fähigsten , eine ganze Welt zu regieren , der jemals geboren worden ist , ermorden ; weil ihm , in Rücksicht auf die Mittel wodurch er zur höchsten Gewalt gelangt war , die Definition eines Tyrannen zukam .
Brutus wollte die Republik wiederherstellen .
Noch einen Dolch für den Marcus Antonius , ( wie es der nicht so erhaben aber richtiger denkende Cassius verlangte ) so wären Ströme von Blut , so wäre das edelste Blut von Rom , das kostbare Leben der besten Bürger gespart worden , und der glückliche Ausgang der ganzen Unternehmung versichert gewesen .
Hätte sich derjenige , der dem vermeinten allgemeinen Besten seines Vaterlandes ein so großes Opfer gebracht hatte als Cäsar war , ein Bedenken machen sollen , seinem majestätischen Schatten einen Antonius nachzuschicken ? --- Um eine Tat , welche , ohne Success wie sie blieb , in den Augen seiner Zeitgenossen ein verabscheuungswürdiger Meuchelmord war , und der unparteiischeren Nachwelt im gelindesten Lichte betrachtet , wahnsinniger Enthusiasmus scheinen muß , zu einer so glorreichen Unternehmung zu machen , als jemals die große Seele eines Römers geschwellt hatte .
Aber Brutus hatte Bedenklichkeiten , welche ihm eine unzeitige Güte eingab ; sein Ausehen entschied ; Antonius bedankte sich für sein Leben , und begrub den Platonischen Brutus unter den Trümmern , der auf ewig umgestürzten Republik .
Was half also sein Platonismus dem Vaterlande ?
Wir haben uns vielleicht zu lange bei dieser Betrachtung aufgehalten ; aber die Beobachtung , die uns dazu verleitet hat , so alt sie ist , scheint uns wichtig und an praktischen Folgerungen fruchtbar , deren Nutzbarkeit sich über alle Stände ausbreiten , und besonders bei denjenigen welche mit der Regierung und moralischen Disziplinierung der Menschen beschäftiget sind , sich vorzüglich äußeren würde , wenn sie besser eingesehen und mit eben so viel Redlichkeit als Klugheit angewendet würden .
Vielleicht würden die Augen derjenigen , welche weder durch einen Nebel noch durch gefärbte Gläser sehen , mit dem weinerlichlächerlichen Schauspiel von so vielen ehrlichen Leuten verschont bleiben , die aus allen Kräften und mit der feierlichsten Ernsthaftigkeit leeres Stroh dreschen , und wenn sie das ganze Jahr durch gedrascht haben , sich sehr verwundern , daß nichts als Stroh auf der Tenne liegt --- der Patriotische Phlegon würde sich durch den hitzigen Eifer , seine in allen Teilen verdorbene Republik auch einmal durch eben so hitzige Mittel wieder gesund zu machen , nicht so viel Verdruß zuziehen , und durch diesen Verdruß und die Vergeblichkeit seiner undankbaren Bemühungen nicht veranlasst werden , sich zu Tode --- zu trinken --- Der redliche Macrin würde sich nicht auf Unkosten seiner Freiheit und vielleicht seines Lebens in den Kopf setzen , aus einem Caligula einen Marc Aurel zu machen --- Der wohlmeinende Diophant würde einsehen , wie wenig Hoffnung er sich zu machen habe , Leute , welche noch sehr weit entfernt sind erträgliche Menschen zu sein , in eine Engelähnliche Vollkommenheit hinein zu deklamieren --- Doch genug von einer Materie , welche um gehörig ausgeführt zu werden , eine eigene Abhandlung erforderte .
Wie leicht es doch ist , seine nichts Übels besorgende Leser in einen Labyrinth von Parenthesen und Digressionen hineinzuführen , wenn man sich einmal über eine abergläubische Regelmässigkeit hinausgesetzt hat !
Zwar haben wir die Unsrigen schon lange benachrichtiget , daß wir uns bei Gelegenheit dergleichen Freiheiten erlauben würden --- Und doch wollen wir so ehrlich sein und gestehen , daß wir uns weder in diesem Stück , noch , die Wahrheit zu sagen , in irgend einem anderen , Nachahmer zu bekommen wünschen .
Nicht als ob uns bange davor sei , man werde Ordnung und Zusammenhäng in dieser unserer pragmatisch-kritischen Geschichte vermissen ; sondern weil es in der Tat unendlich Maleicher ist Miscellanien zu schreiben , als ein ordentliches Werk , und es daher leicht geschehen könnte , daß ein junger Scribent , der sich seiner besseren Bequemlichkeit wegen unserer Methode bedienen wollte , sich die Horazische Frage zuziehen könnte :
Currente rota cur urceus exit ?
Und wenn auch dieses nicht zu besorgen wäre , so gibt es sehr wackere Leute , denen es schwer fällt , sich aus dergleichen mäandrischen Abschweifungen wieder herauszuhelfen , und sobald es dem Verfasser beliebt , wieder auf dem Punkt zu stehen , wo er mit ihm ausgegangen ist .
Was hat man uns , werden solche Leser , zum Exempel fragen , in diesem ganzen Kapitel denn eigentlich sagen wollen ? --- Merken sie auf , meine Herren , das war es --- daß dieser Dion von dem die Rede war , und um den Sie Sich übrigens , wie ich vermute , sehr wenig bekümmern , eine ganz gute Art von Prinzen , aber doch nicht ganz so sehr ein Held von Tugend gewesen sei , wie ihn ein gewisser ehrlicher Ober-Priester zu Chaironea sich eingebildet -- oder wenn man ihm auch eingestehen wollte , daß er es gewesen sei , eben dadurch an seinem Platz nicht soviel getaugt habe , als Sie , meine Herren , indem Sie ihrem Hauswesen wohl vorstehen , sich wohl mit ihrer Gemahlin betragen , ihr Rechnungs-Buch in guter Ordnung halten , und was dergleichen mehr ist -- Nun verstehen wir einander doch ?
Drittes Kapitel .
Eine Probe , daß die Philosophie so gut zaubern könne , als die Liebe .
Die vorläufigen Nachrichten , welche wir dem Leser zu geben haben , entfernen uns ziemlich lange von unserem Helden ; allein , für Eins , so sind sie zum Verständnis des Folgenden unentbehrlich ; und fürs Andere , so hätten wir auch dermalen nichts wichtigeres von ihm zu sagen , als daß er im Begriff sei , den Hausgöttern seines Freundes , des Kaufmanns , eine andächtige Libation zu bringen , mit seiner Familie Bekanntschaft zu machen , und nach einer leichten Abendmahlzeit von den Beschwerden der Seefarth auszuruhen .
Dion sah die Ausschweifungen des Dionys mit der Verachtung eines kaltsinnigen Philosophen an , der keine Lust hatte Teil daran zu nehmen ; und mit dem Verdruß eines Staatsmannes , der sich in Gefahr sah , durch einen Haufen junger Wollüstlinge , Lustigmacher , Pantomimen und Narren , welche kein anderes Verdienst hatten , als den Prinzen zu belustigen , von dem Ansehen , und dem Anteil an der Regierung , der ihm aus so guten Gründen gebührte , nach und nach ausgeschlossen zu werden .
Bei solcher Bewandtnis hatte der Patriotismus das schönste Spiel , und die großen Beweggründe der allgemeinen Wohlfahrt , die uneigennützige Betrachtung der verderblichen Folgen , welche aus einer so heillosen Beschaffenheit des Hofes über den ganzen Staat Dacherstürzen mußten , wurden durch jene geheimeren Triebfedern so kräftig unterstützt , daß er den festen Entschluß faßte , alles zu versuchen , um seinen Verwandten auf einen besseren Weg zu bringen .
Er urteilte , den Grundsätzen Platons zufolge , daß die Unwissenheit des Dionysius , und die Gewohnheit unter dem niedriggesinntesten Pöbel ( es waren mit alle dem junge Herren von sehr gutem Adel darunter ) zu leben , die Haupt-Quelle seiner verdorbenen Neigungen sei .
Diesem nach hielt er sich seiner Verbesserung versichert , wenn er die beste Gesellschaft um ihn her versammeln , und ihm diese edle Wissensbegierde einflössen könnte , welche bei denjenigen , die von ihr begeistert sind , die animalischen Triebe wo nicht gänzlich zu unterdrücken , doch gewiß zu dämmen und zu mäßigen pflegt .
Er ließ also keine Gelegenheit vorbei ( und die unzähligen Fehler , welche täglich in der Staats-Verwaltung gemacht wurden , gaben ihm Gelegenheit genug ) dem Tyrannen die Notwendigkeit vorzustellen , Männer von einem großen Ruf der Weisheit um sich zu haben ; und er führte so viele Beweggründe an , daß er , unter einer Menge sehr erhabener , die an einem Dionysius verloren gingen , endlich auch den einzigen traf , der seine Eitelkeit interessierte .
Doch selbst dieser schlüpfte nur leicht an seinen Ohren hin , und ob er gleich dem Dion immer Recht gab , und die besonderen Unterredungen , welche sie über dergleichen Materien hatten , allemal mit der Versicherung beschloß , daß er nicht ermangeln werde , von so gutem Rat , Gebrauch zu machen ; so würde doch schwerlich jemals mit Ernst daran gedacht worden sein , wenn nicht ein kleiner physikalischer Umstand dazu gekommen wäre , der den Vorstellungen des weisen Dion eine Stärke gab , die nicht ihre eigene war .
Dionysius hatte , man weiß nicht aus welcher Veranlassung , seinem Hof , der an Glanz und verschwenderischer Üppigkeit es mit den Asiatischen aufnehmen konnte , ein Fest gegeben , welches , nach der Versicherung der Geschichtsschreiber , drei Monate in einem fort dauerte Die ausschweifendeste Einbildungs-Kraft kann nicht weiter gehen , als auf der einen Seite , Pracht und Aufwand , und auf der anderen Schwelgerei und asotische Freiheit an diesem langwierigen Bacchanal getrieben wurden ; denn diesen Namen verdiente es um so mehr , weil , nachdem alle andere Erfindungen erschöpft waren , die letzten Tage des dritten Monats , welche in die Weinlese fielen , zu einer Vorstellung des Triumphes des Bacchus und seiner ganzen Porttischen Geschichte angewendet wurden .
Dionys , der durch eine Anspielung auf seinen Namen den Bacchus machte , trieb die Nachahmung so weit über das Original selbst , daß die Feder eines Aretin und der Griffel eines la Sage sich unvermögend hätten bekennen müssen , weiter zu gehen .
Die Quellen der Natur wurden erschöpft , und die unmächtige Begierde ihre Grenzen zu erweitern -- Doch , wir wollen kein Gemälde machen , das bei Gegenständen dieser Art die Absicht , Abscheu zu erwecken , bei manchen verfehlen möchte .
Genug daß Dionys mit den Silenen , Nymphen , Faunen und Satyren , seinen Gehilfen , die Tibere und Neronen der späteren Zeiten in die Unmöglichkeit setzte , etwas mehr als bloße Kopisten von ihm zu sein .
Wer sollte sich vorstellen , daß aus einer so schlammigen Quelle die heftigste Liebe der Philosophie , und eine Reformation , welche ganz Sizilien und Griechenland in Erstaunen setzte , habe entspringen können ?
- - Aber im Himmel und auf Erden sind eine Menge Dinge , wovon kein Wort in unserem Compendio steht -- sagt der Shakespearische Hamlet zu seinem Schulfreunde , Horazio .
Das unbändigste Temperament kann auf die Weise , wie es Dionysius anging , endlich zu paaren getrieben werden .
Unsere Bacchanten fanden sich von der Unmässigkeit , womit sie eine so lange Zeit den Göttern der Freude geopfert , und von der Wut womit sie ihre Orgyia beschlossen hatten , so erschöpft , daß sie genötigt waren , aufzuhören , Insonderheit befand sich Dionyß in einem Stande der Vernichtung , der ihm weder Hoffnung noch Begierden übrig ließ , jemals wieder eine solche Rolle zu spielen .
Zum ersten Mal seit dem berauschenden Augenblicke , da er sich im Besitz der Gewalt , allen seinen Leidenschaften den Zügel zu lassen sah , fühlte er ein Leeres in sich , in welches er mit Grauen hineinschaute --- Zum ersten Mal fühlte er sich geneigt , Reflexionen zu machen , wenn er das Vermögen dazu gehabt hätte .
Aber er erfuhr , mit einem lebhaften Unwillen über sich selbst und alle diejenigen , welche ihn zu einem Tier zu machen geholfen hatten , daß er nichts in sich habe , das er dem Ekel vor allen Vergnügungen der Sinne , und der Langenweile , worin er sich verzehrte , entgegenstellen könnte .
Alles was er indessen sehr lebhaft fühlte , war dieses , daß er mitten unter lauter Gegenständen , welche ihm seine scheinbare Größe und Glückseligkeit ankündigten , in dem Zustande worin er war , sich selbst gegen über eine sehr elende Figur machte .
Kurz , alle Fibern seines Wesens hatten so sehr nachgelassen , daß er in eine Art von dummer Schwermut verfiel , aus welcher ihn alle seine Höflinge nicht herauslachen , und alle seine Tänzerinnen nicht heraustanzen konnten .
In diesem kläglichen Zustande , den ihm die natürliche Ungeduld seines Temperaments unerträglich machte , warf er sich in die Arme des Dions , der sich während der letzten drei Monate in ein entferntes Landgut zurückgezogen hatte ; hörte seine Vorstellungen mit einer Aufmerksamkeit an , deren er sonst niemals fähig gewesen war ; und ergriff mit Verlangen die Vorschläge , welche ihm dieser Weise tat , um so groß und glückselig zu werden , als er jetzt in seinen eigenen Augen verächtlich und elend war .
Man kann sich also vorstellen , daß er nicht die mindeste Schwierigkeiten machte , den Plato unter allen Bedingungen , welche ihm sein Freund Dion nur immer anbieten wollte , an seinen Hof zu berufen ; er , der in dem Zustande , worin er war , sich von dem ersten besten Priester der kübele hätte überreden lassen , mit Aufopferung der werteren Hälfte seiner selbst in den Orden der Corybanten zu treten .
Dion wurde bei so starken Anscheinungen zu einer vollkommenen Sinnes-Aenderung des Tyrannen von seiner Philosophie nicht wenig betrogen .
Er schloß zwar sehr richtig , daß die Rasereien des letzten Festes Gelegenheit dazu gegeben hätten ; aber darin irrte er sehr , daß er aus Vorurteilen , die einer Philosophie eigen sind , welche gewohnt ist die Seele , und was in ihr vorgeht , allzusehr von der Maschine in welche sie eingeflochten ist , abzusondern , nicht gewahr wurde , daß die guten Dispositionen des Dionys ganz allein von einem physikalischen Ekel vor den Gegenständen , worin er bisher sein einziges Vergnügen gesucht hatte , herrührten .
Er hielt die natürlichen Folgen der Überfüllung für Wirkungen der Überzeugung , worin er nunmehr stehe , daß die Freuden der Sinne nicht glücklich machen können ; er setzte voraus , daß eine Menge Sachen in seiner Seele vorgegangen seien , woran Dionysens Seele weder gedacht hatte , noch zu denken vermögend war ; kurz , er beurteilte , wie wir fast immer zu tun pflegen , die Seele eines anderen nach seiner Eigenen , und gründete auf diese Voraussetzung ein Gebäude von Hoffnungen , welches zu seinem großen Erstaunen zusammenfiel , sobald Dionys --- wieder Nerven hatte .
Die Berufung des Plato war eine Sache , an welcher schon geraume Zeit gearbeitet worden war ; allein er hatte große Schwierigkeiten gemacht , und würde , ungeachtet des Zuspruchs seiner Freunde , der Pythagoreer in Italien , welche die Bitten Dions unterstützten , auf seiner Verweigerung bestanden sein , wenn die erfreulichen Nachrichten , die ihm Dion von der glücklichen Gemüts-Verfassung des Tyrannen gab , und die dringenden Einladungen , die in desselben Namen an ihn ergiengen , ihm nicht Hoffnung gegeben hätten , der Schutzgeist Siziliens , und vielleicht der Stifter einer neuen Republik nach dem Model derjenigen , die er uns in seinen Schriften hinterlassen hat , werden zu können .
Plato erschien also am Hofe zu Syracus mit aller Majestät eines Weisen , dem die Größe seines Geistes ein Recht gibt , die Großen der Welt für etwas weniger als seines gleichen anzusehen .
Denn ob es gleich damals noch keine Stoiker gab , so pflegten doch die Philosophen von Profession bereits sehr bescheidentlich zu verstehen zu geben , daß sie in ihren eigenen Augen , eine höheren Klasse von Wesen ausmachten , als die übrigen Erdenbewohner .
Diesmal hatte die Philosophie das Glück eine Figur zu machen , deren Glanz dieser hohen Einbildung ihrer Günstlinge gemäß war .
Plato wurde wie ein Gott aufgenommen , und wirkte durch seine bloße Gegenwart eine Veränderung , welche , in den Augen der erstaunten Syracusaner , nur ein Gott zu wirken mächtig genug schien .
In der Tat glich das Schauspiel welches sich demjenigen , der diesen Hof vor wenigen Wochen gesehen hatte , nunmehr darstellte , einem Werke der Zauberei --- Aber --- o ! coecas hominum mentes !
Wie natürlich geht auch das außerordentlichste zu , sobald wir die wahren Triebräder davon kennen !
Der erste Schritt , welchen der göttliche Plato in den Palast des Dionysius tat , wurde durch ein feierliches Opfer , und die erste Stunde , worin sie sich miteinander besprachen , durch eine Reform , welche sich sogleich über den ganzen Hof ausbreitete , bezeichnet .
In wenigen Tagen glaubte Plato selbst in seiner Akademie zu Athen zu sein , so bescheiden und eingezogen sah alles in dem Hause des Prinzen aus .
Die Asiatische Verschwendung machte auf einmal der philosophischen Einfalt Platz .
Die Vorzimmer , welche vorher von schimmernden Gecken , und allen Arten lustigmachender Personen gewimmelt hatten , stellten jetzt akademische Säle vor , wo man nichts als langbärtige Weise sah , welche einzeln oder paarweise , mit gesenktem Haupt und gerunzelter Stirn , in sich selbst und in ihre Mäntel eingehüllt auf und ab schritten , bald alle zugleich , bald gar nichts , bald nur mit sich selbst sprachen , und wenn sie vielleicht am wenigsten dachten , eine so wichtige Mine machten , als ob der geringste unter ihnen mit nichts kleinem umgienge , als die beste Gesetzgebung zu erfinden , oder den Gestirnen einen regelmäßigeren Lauf anzuweisen .
Die üppigen Bankette , bei denen Comus und Bacchus mit tyrannischem Zepter die ganze Nacht durch geherrscht hatten , verwandelten sich in Pythagoreische Mahlzeiten , wo man sich bei einem Braten und Salat mit sinnreichen Gesprächen über die erhabensten Gegenstände des menschlichen Verstandes , erlustigte ; Stadt frecher Pantomimen und wollüstiger Flöten ließen sich Hymnen zum Lob der Götter und der Tugend hören ; und den Gaumen zum Reden anzufeuchten , trank man aus kleinen Sokratischen Bechern Wasser mit Wein vermischt .
Dionys faßte eine Art von Leidenschaft für den Philosophen ; Plato mußte immer um ihn sein , ihn aller Orten begleiten , zu allem seine Meinung sagen .
Die begeisterte Imagination dieses sonderbaren Mannes , welche vermöge der natürlichen Ansteckungs-Kraft des Enthusiasmus sich auch seinen Zuhörern mitteilte , wirkte so mächtig auf die Seele des Dionys , daß er ihn nie genug hören konnte ; ganze Stunden wurden ihm kürzer , wenn Plato sprach , als ehemals in den Armen der kunsterfahrensten Buhlerin .
Alles , was der Weise sagte , war so schön , so erhaben , so wunderbar ! -- erhob den Geist so weit über sich selbst -- warf Strahlen von so göttlichem Licht in das Dunkel der Seele !
In der Tat konnte es nicht anders sein , da die gemeinsten Ideen der Philosophie für Dionysen den frischesten Reiz der Neuheit hatten .
Und nehmen wir zu allem diesem noch , daß er das wenigste recht verstand ( ob er gleich , wie viele andere seines gleichen , zu eitel war , es merken zu lassen ) noch alles verstehen konnte , weil der begeisterte Plato sich wirklich zuweilen selbst nicht wohl verstand ; nehmen wir ferner die erstaunliche Gewalt , welche ein in schimmernde Bilder eingekleidetes Galimathias über die Unwissenden zu haben pflegt ; so werden wir begreifen , daß niemals etwas natürlicheres gewesen , als der außerordentliche Geschmack , welchen Dionys an dem Gott der Philosophen , ( wie ihn Cicero nennt ) gefunden ; zumal da er noch über dies ein hübscher und stattlicher Mann war , und sehr wohl zu leben wußte .
Ohne daß sich die Überredungs-Kunst des göttlichen Plato , oder die Contagion der Philosophischen Schwärmerei darein mischte , teilte sich die plötzliche Wissensbegierde des Dionys , so bald man sah , daß es Ernst war , eben so plötzlich allen seinen Höflingen mit .
Nicht , als ob ihnen viel daran gelegen gewesen wäre , ihre kleinen Affen-Seelen nach dem göttlichen Modell der Ideen umzubilden , oder als ob sie sich darum bekümmert hätten , was in den überhimmlischen Räumen zu sehen sei ; aber sie taten doch dergleichen ; der Ton der Philosophie war nun einmal Mode ; man mußte Metaphysik in geometrischen ausdrücken reden , um sich dem Fürsten angenehm zu machen .
Man trug also am ganzen Hofe keine andere als philosophische Mäntel ; alle Säle des Palasts waren , nach Art der Gymnasien mit Sand bestreut , um mit allen den Dreiecken , Vierecken , Pyramiden , Achtecken und Zwanzigecken überschrieben zu werden , aus welchen Plato seinen Gott diese schöne runde Welt zusammenleimen läßt ; alle Leute , bis auf die Köche , sprachen Philosophie , hatten ihr Gesicht in irgend eine geometrische Figur verzogen , und disputierten über die Materie und die Form , über das was ist und was nicht ist , über die beiden Enden des Guten und Bösen , und über die beste Republik .
Alles dieses machte freilich ein ziemlich seltsames Aussehen , und konnte den Verdacht erwecken , als ob Plato an dem Syrakusischen Hofe eher die Rolle eines aufgeblasenen Pedanten unter einem Haufen unbärtiger Scholaren gespielt habe , als eines weisen Mannes , der sich einen großen Zweck vorgesetzt hat , und die Mittel dazu , nach den Umständen des Orts , der Zeit und der Personen , klüglich zu bestimmen weiß .
Aber man würde sich irren .
Er hatte an den lächerlichen Ausschweifungen der Hofleute wenig Anteil ; ob er gleich ganz gern sah , daß diese unnütze Hummeln , welche er nicht auf einmal austreiben konnte , auf solche Spielwerke verfielen , die doch immer als eine Art von Vorübungen angesehen werden konnten , wodurch sie unvermerkt von ihren vorigen Gewohnheiten abgezogen , und durch den Geschmack an Wissenschaft zu der allgemeinen Verbesserung , welche er zu bewirken hoffte , vorbereitet wurden .
Allein seine eigene hauptsächlichsten Bemühungen bezogen sich unmittelbar auf den Dionysius selbst ; und indem er ihn durch die Reizungen seines Umgangs und seiner Beredsamkeit zu humanisieren , und an sich zu gewöhnen suchte , trachtete er , ohne es allzudeutlich zu erkennen zu geben , dahin , ihm die Verachtung seines vorigen Zustandes , die Liebe der Tugend , Begierden nach ruhmwürdigen Taten ; kurz , solche Gesinnungen einzuflößen , welche ihn durch unmerkliche Grade von sich selbst auf die Gedanken bringen würden , ein unrechtmässiges Diadem von sich zu werfen , und sich an der Ehre , der erste unter seines gleichen zu sein , genügen zu lassen .
Die Anscheinungen ließen ihn den vollkommensten Success hoffen .
Dionys schien in wenigen Tagen nicht mehr der vorige Mann .
Seine Wissens-Begierde , seine Gelehrigkeit gegen die Räte des Philosophen , das Sanfte und Ruhige in seinem ganzen Betragen übertraf alles , was sich Dion von ihm versprochen hatte .
Ganz Syracus empfand sogleich die Wirkungen dieser glücklichen Veränderung .
Er ging mit einer unglaublichen Behendigkeit von dem höchsten Grade des tyrannischen Übermuts zu der Popularität eines Atheniensischen Archonten über ; setzte alle Tage einige Stunden aus , um jedermann mit einnehmender Leutseligkeit anzuhören , nannte sie Mitbürger , wünschte sie alle glücklich machen zu können ; machte wirklich den Anfang , verschiedene gute Anordnungen zu veranstalten , und erweckte durch so viele günstige Vorzeichen die allgemeine Erwartung einer glückseligen Revolution , welche nun auf einmal der Gegenstand aller Wünsche , und der Inhalt aller Gespräche unter dem Volke wurde .
Es könnte genug sein , gegen diejenige , die eine so große und schnelle Verwandlung eines Prinzen , den wir für ein kleines Ungeheuer von Lastern und Ausschweifungen gegeben haben , unglaublich vorkommen möchte , uns auf die einhellige Aussage der Geschichtsschreiber zu berufen ; aber wir können noch mehr tun ; es ist leicht , die Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit derselben begreiflich zu machen .
Aufmerksame Leser , welche einige Kenntnis des menschlichen Herzens haben , werden die Gründe hierzu in unserer bisherigen Erzählung schon von selbst entdeckt haben .
In einem Gemüts-Zustande , worin die Leidenschaften schweigen , wo uns vor den Ergötzungen der Sinne ekelt , und der Mangel an angenehmen Eindrücken uns in einen beschwerlichen Mittelstand zwischen Sein und Nichtsein versenkt --- in einem solchen Zustande , ist die Seele begierig , einen jeden Gegenstand zu umfassen , der sie aus diesem unleidlichen Stillstand ihrer Kräfte ziehen kann , und also am besten aufgelegt , den Reiz sittlicher und intellectualischer Schönheiten zu empfinden .
Allerdings würde ein trockener Zergliederer metaphysischer Begriffe sich nicht dazu geschickt haben , solche Gegenstände für einen Menschen zu zurichten , der zu einer scharfen Aufmerksamkeit eben so ungeduldig als unvermögend war .
Allein die Beredsamkeit des Homers der Philosophen wußte sie auf eine so reizende Art für die Einbildungs-Kraft zu verkörpern , wußte die Leidenschaften und innersten Triebe des Herzens so geschickt für sie ins Spiel zu setzen , daß sie nicht anders als gefallen und rühren konnten .
Hierzu kam noch die Jugend des Tyrannen , welche seine noch nicht verhärtete Seele neuer Eindrücke fähig machte .
Warum sollte es also nicht möglich gewesen sein , ihm unter solchen Umständen auf etliche Wochen die Liebe der Tugend einzuflößen , da hierzu weiter nichts nötig war , als seinen Neigungen unvermerkt andere Gegenstände an die Stelle derjenigen , deren er überdrüssig war , zu unterschieben --- Denn in der Tat war seine Bekehrung nichts anders , als daß er nunmehr , anstatt irgend einer Wollust-atmenden Nymphe , ein schönes Phantom der Tugend umarmte , und statt in Syrakusischem Weine sich in platonischen Ideen berauschte --- und daß eben diese Eitelkeit , welche ihn vor weniger Zeit angetrieben hatte , mit dem Bacchus und einer anderen Gottheit , welche wir nicht nennen dürfen , in die Wette zu eifern , sich jetzt durch die Vorstellung kitzelte , als Regent und Gesetzgeber den Glanz der berühmtesten Männer vor ihm zu verdunkeln , die Augen der Welt auf sich zu heften , sich von allen bewundert , und von den Weisen selbst vergöttert zu sehen .
Daß dieses Urteil von der Bekehrung des Dionys richtig sei , hat sich in der Folge wirklich bewiesen ; und man hätte , deucht uns , ohne die Gabe der Divination zu besitzen , voraussehen können , daß eine so plötzliche Veränderung keinen Bestand haben werde .
Aber wie sollten die in einer großen Angelegenheit verwickelten Personen fähig sein , so gelassen und uneingenommen davon zu urteilen , wie entfernte Zuschauer , welche das Ganze bereits vor sich liegen haben , und bei einer kalten Untersuchung des Zusammenhangs aller Umstände sehr leicht mit vieler Zuverlässigkeit beweisen können , daß es nicht anders habe gehen können , als wie sie wissen , daß es gegangen ist ?
Plato selbst ließ sich von den Anscheinungen betrügen , weil sie seinen Wünschen gemäß waren , und ihm zu beweisen schienen , wieviel er vermöge .
Die voreilige Freude über einen Success , dessen er sich schon versichert hielt , ließ ihm nicht zu , sich alle die Hindernisse , die seine Bemühungen vereiteln konnten , in der gehörigen Stärke vorzustellen , und in Zeiten darauf bedacht zu sein , wie er ihnen zuvorkommen möchte .
Gewohnt in den ruhigen Spaziergängen seiner Akademie unter gelehrigen Schülern idealische Republiken zu bauen , hielt er die Rolle , die er an dem Hofe zu Syracus zu spielen übernommen hatte , für leichter als sie in der Tat war .
Er schloß immer richtig aus seinen Prämissen ; aber seine Prämissen setzten immer mehr voraus , als war ; und er bewies durch sein Exempel , daß keine Leute mehr durch den Schein der Dinge hintergangen werden , als eben diejenige welche ihr ganzes Leben damit zubringen , inter Sylvas Akademie dem was wahrhaftig ist nachzuspähen .
In der Tat hat man zu allen Zeiten gesehen , daß es den spekulativen Geistern nicht geglückt hat , wenn sie sich aus ihrer philosophischen Sphäre heraus und auf irgend einen großen Schauplatz des wirksamen Lebens gewagt haben .
Und wie hätte es anders sein können , da sie gewohnt waren , in ihren Utopien und Atlantiden zuerst die Gesetzgebung zu erfinden , und erst wenn sie damit fertig waren , sich so genannte Menschen zu schnitzeln , welche eben so richtig nach diesen Gesetzen handeln mußten , wie ein Uhrwerk durch den innerlichen Zwang seines Mechanismus die Bewegungen macht , welche der Künstler haben will .
Es war leicht genug zu sehen ( und doch sahen es diese Herren nicht ) daß es in der wirklichen Welt gerade umgekehrt ist .
Die Menschen in derselben sind nun einmal wie sie sind ; und der große Punkt ist , diejenige die man vor sich hat , nach allen Umständen und Verhältnissen so lange zu studieren , bis man so genau als möglich weiß , wie sie sind .
Sobald ihr das wißt , so geben sich die Regeln , wonach ihr sie behandeln müßt , wenn ihr euren Zweck erhalten wollt , von sich selbst ; dann ist es Zeit moralische Projekte zu machen --- aber wenn , ihr großen Lichter unseres aufgeklärtesten Jahrhunderts , wenn glaubt ihr , daß diese Zeit für das Menschen-Geschlecht kommen werde ?
Viertes Kapitel .
Philistus und Timocrates .
Während , daß die Philosophie und die Tugend durch die Beredsamkeit eines einzigen Mannes eine so außerordentliche Veränderung der Szene an dem Hofe zu Syracus hervorbrachte , waren die ehemaligen Vertrauten des Dionysius sehr weit davon entfernt , die Vorteile , welche sie von der vorigen Denkungs-Art dieses Prinzen gezogen hatten , so willig hinzugeben , als man es aus ihrem äußerlichen Bezeugen hätte schließen sollen .
Als schlaue Höflinge wußten sie zwar ihren Unmut über die sonderbare Gunst , worin Plato bei demselben stand , sehr künstlich zu verbergen .
Gewohnt sich nach dem Geschmacke des Prinzen zu modeln , und alle Gestalten anzunehmen , unter welchen sie ihm gefallen oder zu ihren geheimen Absichten am besten gelangen konnten , hatten sie , so bald sie die neue Laune ihres Herrn gewahr worden waren , die ganze Außenseite des philosophischen Enthusiasmus mit eben der Leichtigkeit angenommen , womit sie eine Maskeraden-Kleidung angezogen hätten .
Sie waren die ersten , die dem übrigen Hofe hierin mit ihrem Beispiel vorgingen ; sie verdoppelten ihre Aufwartung bei dem Prinzen Dion , dessen Ansehen seit Platons Ankunft ungemein gestiegen war ; sie waren die erklärten Bewunderer des Philosophen ; sie lächelten ihm Beifall entgegen , so bald er nur der Mund auftat ; alle seine Vorschläge und Maßnehmungen waren bewundernswürdig ; sie wußten nichts daran auszusetzen , oder wenn sie ja Einwürfe machten , so war es nur um sich belehren zu lassen , und auf die erste Antwort sich seiner höheren Weisheit überwunden zu geben .
Sie suchten seine Freundschaft so gar mit einem Eifer , worüber sie den Fürsten selbst zu vernachlässigen schienen ; und besonders ließen sie sich sehr angelegen sein , die Vorurteile zu zerstreuen , die man von der vorigen Staats-Verwaltung wider sie gefaßt haben könnte .
Durch diese Kunstgriffe erreichten sie zwar die Absicht , den weisen Plato sicher zu machen , nicht so vollkommen , daß er nicht immer einiges gerechtes Mißtrauen in die Aufrichtigkeit ihres Bezeugens gesetzt hätte ; er beobachtete sie genau ; allein da sie gar nicht zweifelten , daß er es tun würde , so war es ihnen leicht davor zu sein , daß er mit aller seiner Scharfsichtigkeit nichts sah .
Sie vermieden alles , was ihrem Betragen einen Schein von Zurückhaltung , Zweideutigkeit und Geheimnis hätte geben können , und nahmen ein so natürliches und einfaches Wesen an , daß man entweder ihres gleichen sein , oder betrogen werden mußte .
Diese schöne Kunst ist eine von denen , in welchen nur den Hofleuten gegeben ist , Meister zu sein .
Man könnte die Tugend selbst herausfordern , in einem höheren Grad und mit besserem Anstand Tugend zu scheinen , als diese Leute es in ihrer Gewalt haben , so bald es ein Mittel zu ihren Absichten werden kann , die eigenste Mine , Farbe , und äußerliche Grazie derselben an sich zu nehmen .
Was wir hier sagen , versteht sich insonderheit von zweien , welche bei dieser Veränderung des Tyrannen am meisten zu verlieren hatten .
Philistus war bisher der vertrauteste unter seinen Ministern , und Timocrates sein Liebling gewesen .
Beide hatten sich mit einer Eintracht , welche ihrer Klugheit Ehre machte , in sein Herz , in die höchste Gewalt , wozu er nur seinen Namen hergab , und in einen beträchtlichen Teil seiner Einkünfte geteilt .
Jzt zog die gemeinschaftliche Gefahr das Band ihrer Freundschaft noch enger zusammen .
Sie entdeckten einander ihre Besorgnisse , ihre Bemerkungen , ihre Anschläge ; sie redeten die Maßregeln mit einander ab , die in so kritischen Umständen genommen werden mußten ; und gingen , weil sie die schwache Seite des Tyrannen besser kannten , als irgend ein anderer , mit so vieler Schlauheit zu Werke , daß es ihnen nach und nach glückte , ihn gegen Platon und Dion einzunehmen , ohne daß er merkte , daß sie diese Absicht hatten .
Wir haben schon bemerkt , daß die Syracusaner , vermöge einer Eigenschaft , welche aller Orten das Volk charakterisiert , der Hoffnung durch Vermittlung des Platon ihre alte Freiheit wieder zu erlangen , mit einer so voreiligen Freude sich überließen , daß die bevorstehende Staats-Veränderung der Inhalt aller Gespräche wurde .
In der Tat ging die Absicht Dions bei Berufung seines Freundes auf nichts geringeres .
Beide waren gleich erklärte Feinde der Tyrannie und der Demokratie ; von denen sie ( mit welchem Grunde , wollen wir hier nicht entscheiden ) davorhielten , daß sie unter verschiedenen Gestalten , und durch verschiedene Wege , am Ende in einem Punkte , nämlich in Mangel der Ordnung und Sicherheit , Unterdruckung und Sklaverei zusammenliefen .
Beide waren für diejenige Art der Aristokratie , worin das Volk zwar vor aller Unterdrückung hinlänglich sicher gestellt , folglich die Gewalt der Edlen , oder wie man bei den Griechen sagte , der Besten , durch unzerbrechliche Ketten gefesselt ist ; hingegen die eigentliche Staats-Verwaltung nur bei einer kleinen Anzahl liegt , welche eine genaue Rechenschaft abzulegen verbunden sind .
Es war also wirklich ihr Vorhaben , die Tyraunie , oder was man zu unseren Zeiten eine uneingeschränkte Monarchie nennt , aus dem ganzen Sizilien zu verbannen , und die Verfassung dieser Insel in die vorbemehlte Form zu gießen .
Dem Dionys zu gefallen , oder vielmehr , weil nach Platons Meinung die vollkommenste Staats-Form eine Zusammensetzung aus der Monarchie , Aristokratie und Demokratie sein mußte , wollten sie ihrer neuen Republik zwei Könige geben , welche in derselben eben das vorstellen sollten was die Könige in Sparta ; und Dionys sollte einer von denselben sein .
Dieses waren ungefähr die Grundlinien ihres Entwurfs .
Sie ließen keine Gelegenheit vorbei , dem Prinzen die Vorteile einer gesetzmässigen Regierung anzupreisen ; aber sie waren zu klug , von einer so delikaten Sache , als die Einführung einer republikanischen Verfassung war , vor der Zeit zu reden , und den Tyrannen , ehe ihn Plato vollkommen zahm und bildsam gemacht haben würde , durch eine unzeitige Entdeckung ihrer Absichten in seine natürliche Wildheit wieder hineinzuschrecken .
Unglücklicher Weise war das Volk so vieler Mässigung nicht fähig , und dachte auch ganz anders über den Gebrauch , den es von seiner Freiheit machen wollte .
Ein jeder hatte dabei eine gewisse Absicht , die er noch bei sich behielt , und die gerade zu auf irgend einen Privatvorteil ging .
Jeder hielt sich für mehr als fähig , dem gemeinen Wesen gerade in dem Posten zu dienen , wozu er die wenigste Fähigkeit hatte , oder hatte sonst seine kleine Forderungen zu machen , welche er schlechterdings bewilliget haben wollte .
Die Syracusaner verlangten also eine Demokratie ; und da sie sich ganz nahe bei dem Ziel ihre Wünsche glaubten , so sprachen sie laut genug davon , daß Philistus und seine Freunde Gelegenheit bekamen , den Tyrannen aus seinem angenehmen Platonischen Enthusiasmus zu sich selbst zurückzurufen .
Das erste was sie taten , war , daß sie ihm die Gesinnungen des Volkes , und die zwar von außen noch nicht merklich in die Augen fallende , aber innerlich desto stärker gehrende Bewegung desselben mit sehr lebhaften Farben , und mit ziemlicher Vergrösserung der Umstände vormalten .
Sie taten dieses mit vieler Vorsichtigkeit , in gelegenen Augenblicken , nach und nach , und auf eine solche Art , daß es dem Dionys scheinen mußte , als ob ihm endlich die Augen von selbst aufgiengen ; und dabei versäumten sie keine Gelegenheit , den Plato und den Prinzen Dion bis in die Wolken zu erheben ; und besonders in ausdrücken , welche von der schlauesten Bosheit ausgewählt wurden , von der außerordentlichen Hochachtung zu sprechen , worein sie sich bei dem Volke setzten .
Um den Tyrannen desto aufmerksamer zu machen , wußten sie es durch tausend geheime Wege , wobei sie selbst nicht zum Vorschein kamen , dahin einzuleiten , daß häufige und zahlreiche Privatversammlungen in der Stadt angestellt wurden , wozu Dion und Plato selbst , oder doch immer jemand von den besonderen Vertrauten des einen oder des anderen , eingeladen wurde .
Diese Versammlungen waren zwar nur auf Gastmäler und freundschaftliche Ergötzungen angesehen ; aber sie gaben doch dem Philistus und seinen Freunden Gelegenheit mit einer Art davon zu reden , wodurch sie den Schein politischer Zusammenkünfte bekamen ; und das war alles was sie wollten .
Durch diese und andere dergleichen Kunstgriffe gelang es ihnen endlich , dem Dionys Argwohn beizubringen .
Er fing an , in die Aufrichtigkeit seines neuen Freundes ein desto größeres Mißtrauen zu setzen , da er über das besondere Verständnis , welches er zwischen ihm und dem Dion wahrnahm , eifersüchtig war ; und damit er desto bälder ins Klare kommen möchte , hielt er für das Sicherste , den seit einiger Zeit vernachlässigten Timocrates wieder an sich zu ziehen ; und so bald er sich versichert hatte , daß er , wie vormals auf seine Ergebenheit zählen könne , ihm seine Wahrnehmungen und geheime Besorgnisse zu entdecken .
Der schlaue Günstling stellte sich anfangs , als ob er nicht glauben könne , daß die Syracusaner im Ernste mit einem solchen Vorhaben umgehen sollten ; wenigstens ( sagte er mit der ehrlichsten Mine von der Welt ) könne er sich nicht vorstellen , daß Plato und Dion den mindesten Anteil daran haben sollten ; ob er gleich gestehen müßte , daß seit dem der erste sich am Hofe befinde , die Syracusaner von einem seltsamen Geiste beseelt würden , und zu den ausschweifenden Einbildungen , welche sie sich zu machen schienen , vielleicht durch das außerordentliche Ansehen verleitet würden , worin dieser Philosoph bei dem Prinzen stehe :
Es sei nicht unmöglich , daß die Republikanisch-gesinnte sich Hoffnung machten , Gelegenheit zu finden , indessen , daß der Hof die Gestalt der Akademie gewänne , dem Staat unvermerkt die Gestalt einer Demokratie zu geben ; indessen müsse er gestehen , daß er nicht Vertrauen genug in seine eigene Einsichtseze , seinem Herrn und Freunde in so delikaten Umständen einen sicheren Rat zu geben ; und Philistus , dessen Treue dem Prinzen längst bekannt sei , würde durch seine Erfahrenheit in Staats-Geschäften unendlichmal geschickter sein , einer Sache von dieser Art auf den Grund zu sehen .
Dionysius hatte so wenig Lust sich einer Gewalt zu begeben , deren Wert er nach Proportion , daß seine Fibern wieder elastischer wurden , von Tag zu Tag wieder stärker zu empfinden begann ; daß die Einstreuungen seines Günstlings ihre ganze Wirkung taten .
Er gab ihm auf , mit aller nötigen Vorsichtigkeit , damit niemand nichts davon gewahr werden könnte , den Philisius noch in dieser Nacht in sein Cabinet zu führen , um sich über diese Dinge besprechen , und die Gedanken desselben vernehmen zu können .
Es geschah ; Philistus vollendete was Timocrat angefangen hatte .
Er entdeckte dem Prinzen alles was er beobachtet zu haben vorgab , und sagte gerade so viel , als nötig war , um ihn in den Gedanken zu bestärken , daß ein geheimes Komplott zu einer Staats-Veränderung im Werke sei , welches zwar vermutlich noch nicht zu seiner Reife gekommen , aber doch so beschaffen sei , daß es Aufmerksamkeit verdiene .
Und wer kann der Urheber und das Haupt eines solchen Komplotts sein , fragte Dionys ? -- Hier stellte sich Philistus verlegen -- er hoffe nicht , daß es schon soweit gekommen sei -- Dion bezeuge so gute Gesinnungen für den Prinzen -- Rede aufrichtig , wie du denkst , fiel ihm Dionys ein ; was hältst du von diesem Dion ?
Aber keine Komplimenten , denn du brauchst mich nicht daran zu erinnern , daß er meiner Schwester Mann ist ; ich weiß es nur zu wohl -- Aber ich traue ihm nicht desto besser -- er ist ehrgeizig -- " Das ist er " -- immer finster , zurückhaltend , in sich selbst eingeschlossen -- In der Tat , so ist er , nahm Philist das Wort , und wer ihn genau beobachtete , ohne vorhin eine bessere Meinung von ihm gefaßt zu haben , würde sich des Argwohns kaum erwehren können , daß er mißvergnügt sei , und an Gedanken in sich selbst arbeite , die er nicht für gut befinde , anderen mitzuteilen "-- Glaubst du das , Philistus ? fiel Dionys ein ; so habe ich immer von ihm gedacht ; wenn Syracus unruhig ist , und mit Neuerungen umgeht , so darfst du versichert sein , daß Dion die Triebfeder von allem ist -- wir müssen ihn genauer beobachten -- Wenigstens ist es sonderbar , fuhr Philistus fort , daß er seit einiger Zeit , sich eine Angelegenheit davon zu machen scheint , sich der Freundschaft der angesehensten Bürger zu versichern -- ( Hier führte er einige Umstände an , welche , durch die Wendung die er ihnen gab , seine Wahrnehmung bestätigen konnten ) Wenn ein Mann von solcher Wichtigkeit , wie Dion , sich herabläßt eine Popularität zu affektieren , die so gänzlich wider seinen Charakter ist , so kann man glauben , daß er Absichten hat -- und wenn Dion Absichten hat , so gehen sie gewiß auf keine Kleinigkeiten -- Was er aber auch sein mag , so bin ich gewiß , setzte er hinzu , daß Platon , ungeachtet der engen Freundschaft , die zwischen ihnen obwaltet , zu tugendhaft ist , um an heimlichen Anschlägen gegen einen Prinzen , der ihn mit Ehren und Wohltaten überhäuft , Teil zu nehmen -- Wenn ich dir sagen soll was ich denke , Philistus , so glaube ich , daß diese Philosophen , von denen man so viel Wesens macht , eine ganz unschuldige Art von Leuten sind ; in der Tat , ich sehe nicht , daß an ihrer Philosophie so gefährliches sein sollte , als die Leute sich einbilden ; ich liebe , zum Exempel , diesen Platon weil er angenehm im Umgang ist ; er hat sich seltsame Dinge in den Kopf gesetzt , man könnte sich_es nicht schnakischer träumen lassen , aber eben das belustiget mich ; und bei alle dem muß man ihm den Vorzug lassen , daß er gut spricht ; es hört sich ihm recht angenehm zu , wenn er euch von der Insel Atlantis , und von den Sachen in der anderen Welt eben so umständlich und zuversichtlich spricht , als ob er mit dem nächsten Marktschiffe aus dem Mond angekommen wäre ( hier lachten die beiden Vertrauten , als ob sie nicht aufhören könnten , über einen so sinnreichen Einfall , und Dionys lachte mit ) ihr möchte lachen so lang ihr wollt , fuhr er fort ; aber meinen Plato sollt ihr mir gelten lassen ; er ist der gutherzigste Mensch von der Welt , und wenn man seine Philosophie , seinen Bart und seine hieroglyphische Physiognomie zusammennehmt , so muß man gestehen , daß alles zusammen eine Art von Leuten macht , womit man sich , in Ermangelung eines besseren , die Zeit vertreiben kann -- ( o göttlicher Platon ! du , der du dir einbildetest , das Herz dieses Prinzen in deiner Hand zu haben , du der sich das große Werk zutraute , einen Weisen und tugendhaften Mann aus ihm zu machen -- warum standest du nicht in diesem Augenblick hinter einer Tapete , und hörtest diese schmeichelhafte Apologie , wodurch er den Geschmack , den er an dir fand , in den Augen seiner Höflinge zu rechtfertigen suchte ! ) In der Tat , sagte Timocrates , die Musen können nicht angenehmer reden als Plato ; ich wißt nicht , was er einen nicht überreden könnte , wenn er sich_es in den Kopf gesetzt hätte -- Du willst vielleicht scherzen , fiel ihm der Prinz ein ; aber ich versichre dich , es hat wenig gefehlt , daß er mich letzthin nicht auf den Einfall gebracht hätte , Sizilien dahinten zu lassen , und eine philosophische Reise nach Memphis und zu den Pyramiden und Gymnosophisten anzustellen , die seiner Beschreibung nach eine seltsame Art von Kreaturen sein müssen -- wenn ihre Weiber so schön sind , wie er sagt , so mag es keine schlimme Partie sein , den Tanz der Sphären mit ihnen zu tanzen ; denn sie leben in dem Stand der vollkommen schönen Natur , und treten dir , allein mit ihren eigentümlichen Reizungen geschmückt , das ist , nackender als die Meer-Nymphen , mit einer so triumphierenden Mine unter die Augen , als die schönste Syracusanerin in ihrem reichsten Fest-Tags-Puz -- Dionys war , wie man sieht , in einem Humor , der den erhabeuen Absichten seines Hof-Philosophen nicht sehr günstig war ; Timocrates merkte sich_es , und baute in dem nämlichen Augenblick ein kleines Projekt auf diese gute Disposition , wovon er sich eine besondere Wirkung versprach .
Aber der weiter sehende Philistus fand nicht für gut , seinen Herrn in dieser leichtsinnigen Laune Fortsprudeln zu lassen .
Er nahm das Wort wieder :
Ihr scherzet , sprach er , über die Wirkungen der Beredsamkeit Platons ; es ist nur allzugewiß , daß er in dieser Kunst seines gleichen nicht hat ; aber eben dieses würde mir keine kleine Sorgen machen , wenn er weniger ein rechtschaffener Mann wäre , als ich glaube daß er ist .
Die Macht der Beredsamkeit übertrifft alle andere Macht ; sie ist fähig fünfzigtausend Arme nach dem Gefallen eines einzigen wehrlosen Mannes in Bewegung zu setzen , oder zu entnerven .
Wenn Dion , wie es scheint , irgend ein gefährliches Vorhaben brütete , und Mittel fände , diesen überredenden Sophisten auf seine Seite zu bringen , so besorge ich , Dionysius könnte das Vergnügen seiner sinnreichen Unterhaltung teuer bezahlen müssen .
Man weiß was die Beredsamkeit zu Athen vermag , und es fehlt den Syracusanern nichts als ein paar solche Wortkünstler , die ihnen den Kopf mit Figuren und lebhaften Bildern warm machen , so werden sie Athener sein wollen , und der Erste Beste , der sich an ihre Spitze stellt , wird aus ihnen machen können was er will .
Philistus sah , daß sein Herr bei diesen Worten auf einmal tiefsinnig wurde ; er schloß daraus , daß etwas in seinem Gemüt arbeitete , und hielt also in ; was für ein Tor ich war , rief Dionys aus , nachdem er eine Weile mit gesenktem Kopf zu staunen geschienen hatte .
Das war wohl der Genius meines guten Glücks , der mir eingab , daß ich dich diesen Abend zu mir rufen lassen sollte .
Die Augen gehen mir auf einmal auf -- Wozu mich diese Leute mit ihren Dreiecken und Schlußreden nicht gebracht hätten !
Kannst du dir wohl einbilden , daß mich dieser Plato mit seinem süßen Geschwätze beinahe überredet hätte , meine fremden Truppen , und meine Leibwache nach Hause zu schicken ?
Ha !
nun sehe ich wohin alle diese schönen Vergleichungen mit einem Vater im Schosse seiner Familie , und mit einem Säugling an der Brust seiner Amme , und was weiß , ich mit was noch mehr , abgesehen waren !
Die Verräter wollten mich durch diese süßen Wiegenliedchen erst einschläfern , hernach entwaffnen , und zuletzt wenn sie mich mit ihren gebenedeiten Maximen so fest umwunden hätten , daß ich weder Arme noch Beine nach meinem Gefallen hätte rühren können , mich in ganzem Ernst , zu ihrem Wickelkind , zu ihrer Puppe , und wozu es ihnen eingefallen wäre , gemacht haben !
Aber sie sollen mir die Erfindung bezahlen !
Ich will diesem verräterischen Dion -- bist du töricht genug , Philistus , und bildest dir ein , daß er sich nur im Traum einfallen lasse , diese Spiessbürger von Syracus in Freiheit zu setzen ?
Regieren will er , Philistus ; das will er , und darum hat er diesen Plato an meinen Hof kommen lassen , der mir , indessen daß er das Volk zur Empörung reizen , und sich einen Anhang machen wollte , so lange und so viel von Gerechtigkeit , und Wohltun , und goldenen Zeiten , und väterlichem Regiment , und was weiß ich von was für Salbadereien vorschwatzen sollte , bis ich mich überreden ließe , meine Galeeren zu entwaffnen , meine Trabanten zu entlassen , und mich am Ende in Begleitung eines von diesen zottelbärtigen Knaben , die der Sophist mit sich gebracht hat , als einen Neuangeworbenen nach Athen in die Akademie schicken zu lassen , um unter einem Schwarm junger Gecken darüber zu disputieren , ob Dionystus recht oder Unrecht daran getan habe , daß er sich in einer so armseligen Mausfalle habe fangen lassen -- Aber ist_es möglich , fragte Philistus mit angenommener Verwunderung , daß Plato den sinnlosen Einfall haben konnte , meinem Prinzen solche Räte zu geben ? -- Es ist möglich , weil ich dir sage , daß er_es getan hat .
Ich habe selbst Mühe zu begreifen , wie ich mich von diesem Schwaetzer so bezaubern lassen konnte -- Das soll sich Dionys nicht verdrießen lassen , erwiderte der gefällige Philistus ; Plato ist in der Tat ein großer Mann in seiner Art ; ein vortrefflicher Mann , wenn es darauf ankommt , den Entwurf zu einer Welt zu machen , oder zu beweisen , daß der Schnee nicht wirklich weiß ist ; aber seine Regierungs-Maximen sind , wie es scheint , ein wenig unsicher in der Ausübung .
In der Tat , das würde den Athenern was zu reden gegeben haben , und es wäre wahrlich kein kleiner Triumph für die Philosophie gewesen , wenn ein einziger Sophist , ohne Schwertschlag , durch die bloße Zauberkraft seiner Worte zn Stande gebracht hätte , was die Athener mit großen Flotten und Kriegs-Heeren vergeblich unternommen haben -- Es ist mir unerträglich nur daran zu denken , sagte Dionys , was für eine einfältige Figur ich ein paar Wochen lang unter diesen Grillenfäugern gemacht habe ; habe ich dem Dion nicht selbst Gelegenheit gegeben , mich zu verachten ?
Was mußten sie von mir denken , da sie mich so willig und gelehrig fanden ? -- Aber sie sollen in kurzem sehen , daß sie sich mit aller ihrer Wissenschaft der geheimnisvollen Zahlen gewaltig überrechnet haben .
Es ist Zeit , der Komödie ein Ende zu machen -- Um Vergebung , mein Gebietender Herr , fiel ihm Philistus hier ins Wort ; die Rede ist noch von bloßen Vermutungen ; vielleicht ist Plato , ungeachtet seines nicht wohl überlegten Rats , unschuldig ; vielleicht ist es so gar Dion ; wenigstens haben wir noch keine Beweise gegen sie .
Sie haben Bewunderer und Freunde zu Syracus , das Volk ist ihnen geneigt , und es möchte gefährlich sein , sie durch einen übereilten Schritt in die Notwendigkeit zu setzen , sich diesem Freyheit-träumenden Pöbel in die Arme zu werfen .
Lasst sie noch eine Zeitlang in dem angenehmen Wahn , daß sie den Dionysius gefangen haben .
Gebet ihnen , durch ein künstlich verstelltes Zutrauen Gelegenheit , ihre Gesinnungen deutlicher herauszulassen -- Wie , wenn Dionysius sich stellte , als ob er Lust hätte die Monarchie aufzugeben , und als ob ihn kein anderes Bedenken davon zurückhielte , als die Ungewißheit , welche Regierungsform Sizilien am Glücklichsten machen könnte .
Eine solche Eröffnung wird sie nötigen , sich selbst zu verraten ; und indessen , daß wir sie mit akademischen Fragen und Entwürfen aufhalten , werden sich Gelegenheiten finden , den regiersüchtigen Dion in Gesellschaft seines Ratgebers mit guter Art eine Reise nach Athen machen zu lassen , wo sie in ungestörter Muße Republiken anlegen , und ihnen , wenn sie wollen , alle Tage eine andere Form geben mögen .
Dionys war von Natur hitzig und ungestüm ; eine jede Vorstellung , von der seine Einbildung getroffen wurde , beherrschte ihn so sehr , daß er sich dem mechanischen Trieb , den sie in ihm hervorbrachte , gänzlich überließ ; aber wer ihn so genau kannte als Philistus , hatte wenig Mühe , seinem Bewegungen oft durch ein einziges Wort , eine andere Richtung zu geben .
In dem ersten Anstoß seiner unbesonnenen Hitze waren die gewaltsamsten Maßnehmungen , die ersten , auf die er fiel :
Aber man brauchte ihm nur den Schatten einer Gefahr dabei zu zeigen , so legte sich die auffahrende Lohe wieder ; und er ließ sich eben so schnell überreden , die sichersten Mittel zu erwählen , wenn sie gleich die niederträchtigsten waren .
Nachdem wir die wahre Triebfeder seiner vermeinten Sinnes-Aenderung oben bereits entdeckt haben , wird sich niemand verwundern , daß er von dem Augenblick an , da sich seine Leidenschaften wieder regten , in seinen natürlichen Zustand zurücksank .
Was man bei ihm für Liebe der Tugend angesehen , was er selbst dafür gehalten hatte , war das Werk zufälliger und mechanischer Ursachen gewesen ; daß er ihr zu lieb seinen Neigungen die mindeste Gewalt hätte tun sollen , so weit ging sein Enthusiasmus für sie nicht .
Die ungebundene Freiheit worin er vormals gelebt hatte , stellte sich ihm wieder mit den lebhaftesten Reizungen dar ; und nun sah er den Plato für einen verdrießlichen Hofmeister an , und verwünschte die Schwachheit , die er gehabt hatte , sich so sehr von ihm einnehmen , und in eine Gestalt , die seiner eigenen so wenig ähnlich sah , umbilden zu lassen .
Er fühlte nur wohl , daß er sich selbst eine Art von Verbindlichkeit aufgelegt hatte , in den Gesinnungen zu beharren , die er sich von diesem Sophisten , wie er ihn jetzt nannte , hatte einflössen lassen :
Er stellte sich vor , daß Dion und die Syracusaner sich berechtiget halten würden , die Erfüllung des Versprechens von ihm zu erwarten , welches er ihnen gewisser maßen gegeben hatte , daß er künftig auf eine gesetzmässige Art regieren wolle .
Diese Vorstellungen waren ihm unerträglich , und hatten die natürliche Folge , seine ohnehin bereits erkaltete Zuneigung zu dem Philosophen von Athen in Widerwillen zu verwandeln ; den Dion aber , den er nie geliebt hatte , ihm doppelt verhaßt zu machen .
Dieses waren die geheimen Dispositionen , welche den Verführungen des Timocrates und Philistus den Eingang in sein Gemüt erleichterten .
Es war schon so weit mit ihm gekommen , daß er vor diesen ehemaligen Vertrauten sich der Person schämte , die er einige Wochen lang , gleichsam unter Platons Vormundschaft , gespielt hatte ; und es ist zu vermuten , daß es von dieser falschen und verderblichen Scham herrührte , daß er in so verkleinernden ausdrücken von einem Manne , den er anfänglich beinahe vergöttert hatte , sprach , und seiner Leidenschaft für ihn einen so spaßhaften Schwung zu geben bemüht war .
Er ergriff also den Vorschlag des Philistus mit der begierigen Ungeduld eines Menschen , der sich von dem Zwang einer verhaßten Einschränkung je bälder je lieber loszumachen wünscht ; und damit er keine Zeit verlieren möchte , so machte er gleich des folgenden Tages den Anfang , denselben ins Werk zu setzen .
Er berief den Dion und den Philosophen in sein Cabinet , und entdeckte ihnen mit allen Anscheinungen des vollkommensten Zutrauens , und indem er sie mit Liebkosungen überhäufte , daß er gesonnen sei , sich der Regierung zu entschlagen , und den Syracusanern die Freiheit zu lassen , sich diejenige Verfassung zu erwählen , die ihnen die angenehmste sein würde .
Ein so unerwarteter Vortrag machte die beiden Freunde stutzen .
Doch faßten sie sich bald .
Sie hielten ihn für eine von den sprudelnden Aufwallungen einer noch ungeläuterten Tugend , welche gern auf schöne Ausschweifungen zu verfallen pflegt , und hofften also , daß es ihnen leicht sein werde , ihn auf reifere Gedanken zubringen .
Sie billigten zwar seine gute Absicht ; stellten ihm aber vor , daß er sie sehr schlecht erreichen würde , wenn er das Volk , welches immer als unmündig zu betrachten sei , zum Meister über eine Freiheit machen wollte , die es , allem Vermuten nach , zu seinem größten Schaden mißbrauchen würde .
Sie sagten ihm hierüber alles was die gesunde Politik sagen kann ; und Plato insonderheit bewies ihm , daß es nicht auf die Form der Verfassung ankomme , wenn ein Staat glücklich sein solle , sondern auf die innerliche Güte der Gesetzgebung , auf tugendhafte Sitten , auf die Weisheit desjenigen , dem die Handhabung der Gesetze anvertraut sei .
Seine Meinung ging dahin , daß Dionys nicht nötig habe , sich der obersten Gewalt zu begeben , indem es nur von ihm abhange , durch die vollkommene Beobachtung aller Pflichten eines weisen und tugendhaften Regenten die Tyraunie in eine rechtmässige Monarchie zu verwandeln ; welcher die Völker sich desto williger unterwerfen würden , da sie durch ein natürliches Gefühl ihres Unvermögens sich selbst zu regieren , geneigt gemacht würden , sich regieren zu lassen ; ja denjenigen als eine gegenwärtige Gottheit zu verehren , welcher sie schütze , und für ihre Glückseligkeit arbeite .
Dion stimmte hierin nicht gänzlich mit seinem Freunde überein .
Die Wahrheit war , daß er den Dionys besser kannte , und weil er sich wenig Hoffnung machte , daß seine guten Dispositionen von langer Dauer sein würden , gerne so schnell als möglich einen solchen Gebrauch davon gemacht hätte , wodurch ihm die Macht Böses zu tun , auf den Fall , daß ihn der Wille dazu wieder ankäme , benommen worden wäre .
Er breitete sich also mit Nachdruck über die Vorteile einer wohlgeordneten Aristokratie vor der Regierung eines Einzigen aus , und bewies , wie gefährlich es sei , den Wohlstand eines ganzen Landes von dem zufälligen und wenig sicheren Umstand , ob dieser Einzige tugendhaft sein wolle oder nicht , abhangen zu lassen .
Er ging so weit , zu behaupten , daß von einem Menschen , der die höchste Macht in Händen habe , zu verlangen , daß er sie niemals mißbrauchen solle , eine Forderung sei , welche über die Kräfte der Menschheit gehe ; daß es nichts geringeres sei , als von einem mit Mängeln und Schwachheiten beladenen Geschöpfe , welches keinen Augenblick auf sich selbst zählen kann , die Weisheit und Tugend eines Gottes zu erwarten .
Er billigte also das Vorhaben des Dionys , die königliche Gewalt aufzugeben , im höchsten Grade ; aber darin stimmte er mit seinem Freunde überein , daß anstatt die Einrichtung des Staats in die Willkür des Volks zu stellen , er selbst , mit Zuzug der Besten von der Nation , sich ungesäumt der Arbeit unterziehen sollte , eine dauerhafte und auf den möglichsten Grad des allgemeinen Besten abzielende Verfassung zu entwerfen ; wozu er dem Prinzen allen Beistand , der von ihm abhange , versprach .
Dionys schien sich diesen Vorschlag gefallen zu lassen .
Er bat sie , ihre Gedanken über diese wichtige Sache in einen vollständigen Plan zu bringen , und versprach , so bald als sie selbst darüber , was man tun sollte , einig sein würden , zur Ausführung eines Werkes zu schreiten , welches ihm , seinem Vorgeben nach , sehr am Herzen lag .
Diese geheime Konferenz hatte bei dem Tyrannen eine gedoppelte Wirkung .
Sie vollendete seinen Haß gegen Dion , und setzte den Platon aufs Neue in Gunst bei ihm .
Denn ob er gleich nicht mehr so gern als anfangs von den Pflichten eines guten Regenten sprechen hörte ; so hatte er doch sehr gerne gehört , daß Plato sich als einen Gegner des Popularen Regiments , und als einen Freund der Monarchie erklärt hatte .
Er ging aufs neue mit seinen Vertrauten zu Rat , und sagte ihnen , es komme nun allein darauf an , sich den Dion vom Halse zu schaffen .
Philistus hielt davor , daß ehe ein solcher Schritt gewagt werden dürfe , das Volk beruhiget und die wankende Autorität des Prinzen wieder fest gesetzt werden müsse .
Er schlug die Mittel vor , wodurch dieses am gewissesten geschehen könne ; und in der Tat waren dabei keine so große Schwierigkeiten ; denn er und Timocrat hatten die vorgebliche Gehrung in Syracus weit gefährlicher vorgestellt , als sie wirklich war .
Dionys fuhr auf sein Anraten fort , eine besondere Achtung für den Plato zu bezeugen , einen Mann , der in den Augen des Volks eine Art von Propheten vorstellte , der mit den Göttern umgehe und Eingebungen habe .
Einen solchen Mann , sagte Philistus , muß man zum Freunde behalten , so lange man ihn gebrauchen kann .
Plato verlangt nicht selbst zu regieren ; er hat also nicht das nämliche Interesse wie Dion ; seine Eitelkeit ist befriedigt , wenn er bei demjenigen , der die Regierung führt , in Ansehen steht , und Einfluß zu haben glaubt .
Es ist leicht , ihn , so lang es nötig sein mag , in dieser Meinung zu unterhalten , und das wird zugleich ein Mittel sein , ihn von einer genaueren Vereinigung mit dem Dion zurückzuhalten .
Der Tyrann , der sich ohnehin von einer Art von Instinkt zu dem Philosophen gezogen fühlte , befolgte diesen Rat so gut , daß Plato davon hintergangen wurde .
Insonderheit affektierte er ihn , immer neben sich zu haben , wenn er sich öffentlich sehen ließ ; und bei allen Gelegenheiten , wo es Wirkung tun konnte , seine Maximen im Munde zu führen .
Er stellte sich , als ob es auf Einraten des Philosophen geschähe , daß er dieses oder jenes tat , wodurch er sich den Syracusanern angenehm zu machen hoffte ; ungeachtet alles die Eingebungen des Philistus waren , der ohne daß es in die Augen fiel , sich wieder einer gänzlichen Herrschaft über sein Gemüt bemächtiget hatte .
Er zeigte sich ungemein leutselig und liebkosend gegen das Volk ; er schaffte einige Auflagen ab , welche die unterste Klasse desselben am stärksten drückten ; er belustigte es durch öffentliche Feste , und Spiele ; er beförderte einige von denen , deren Ansehen am meisten zu fürchten war , zu einträglichen Ehrenstellen , und ließ die übrigen mit Versprechungen wiegen , die ihn nichts kosteten , und die nämliche Wirkung taten ; er zierte die Stadt mit Tempeln , Gymnasten , und anderen öffentlichen Gebäuden :
Und tat alles dieses , mit Beistand seiner Vertrauten , auf eine so gute Art , daß Plato alles sein Ansehen dazu verwandte , einem Prinzen , der so schöne Hoffnungen von sich erweckte , und seine philosophische Eitelkeit mit so vielen öffentlichen Beweisen einer vorzüglichen Hochachtung kitzelte , ( ein Beweggrund , den der gute Weise sich vielleicht selbst nicht gerne gestand ) alle Herzen zu gewinnen .
Diese Maßnehmungen erreichten den vorgesetzten Zweck vollkommen .
Das Volk , welches nicht nur in Griechenlande , sondern aller Orten , in einer immerwährenden Kindheit lebt , hörte auf zu murmeln ; verlor in kurzer Zeit den bloßen Wunsch einer Veränderung ; faßte eine heftige Zuneigung für seinen Prinzen ; erhob die Glückseligkeit seiner Regierung ; bewunderte die prächtige Kleidung und Waffen , die er seinen Trabanten hatte machen lassen ; betrank sich auf seine Gesundheit ; und war bereit allem was er unternehmen wollte , seinen dummen Beifall zu zuklatschen .
Philistus und Timocrat sahen sich durch diesen glücklichen Ausschlag in der Gunst ihres Herrn aufs neue befestiget ; aber sie waren nicht zufrieden , so lange sie selbige mit dem Plato teilen mußten , für welchen er eine Art von Schwachheit behielt , die ihren Grund vielleicht in der natürlichen Obermacht eines großen Geistes über einen Kleinen hatte .
Timocrat geriet auf einen Einfall , wozu ihm die geheime Unterredung in dem Schlafzimmer des Dionys den ersten Wink gegeben hatte , und wodurch er zu gleicher Zeit sich ein Verdienst um den Tyrannen zu machen , und das Ansehen des Philosophen bei demselben zu untergraben hoffen konnte .
Dionys hatte , von ihm aufgemuntert , angefangen , unvermerkt wieder eine größere Freiheit bei seiner Tafel einzuführen ; die Anzahl und die Beschaffenheit der Gäste , welche er fast täglich einlud , gab den Vorwand dazu ; und Plato , welcher bei aller erhabenen Austerität seiner Grundsätze , einen kleinen Ansatz zu einem Hofmanne hatte , machte es , wie es gewisse ehrwürdige Männer an gewissen Höfen zu machen pflegen ; er sprach bei jeder Gelegenheit von den Vorzügen der Nüchternheit und Mässigkeit , und aß und trank immer dazu , wie ein anderer .
Diese kleine Erweiterung der allzuengen Grenzen der akademischen Frugalität , von welcher der Vater der Akademie selbst gestehen mußte , daß sie sich für den Hof eines Fürsten nicht schicke , erlaubte den vornehmsten Syracusanern , und jedem , der dem Prinzen seine Ergebenheit bezeugen wollte , ihm prächtige Feste zu geben ; wo die Freude zwar ungebundener herrschte , aber doch durch die Gesellschaft der Musen und Grazien einen Schein von Bescheidenheit erhielt , welcher die Strenge der Weisheit mit ihr aussöhnen konnte .
Timocrat machte sich diesen Umstand zu Nutz .
Er lud den Prinzen , den ganzen Hof , und die Vornehmsten der Stadt ein , auf seinem Landhause die Wiederkunft des Frühlings zu begehen , dessen alles verjüngende Kraft , zum Unglück für den ohnehin übelbefestigten Platonismus des Dionys , auch diesem Prinzen die Begierden und die Kräfte der Jugend wieder einzuhauchen schien .
Die schlaueste Wollust , hinter eine verblendende Pracht versteckt , hatte dieses Fest angeordnet .
Timocrat verschwendete seine Reichtümer ohne Maß , mit desto fröhlicherem Gesichte , da er sie eben dadurch doppelt wieder zu bekommen versichert war .
Alle Welt bewunderte die Erfindungen und den Geschmack dieses Günstlings ; Dionys bezeugte , sich niemals so wohl ergötzt zu haben ; und der göttliche Plato , der weder auf seinen Reisen zu den Pyramiden und Gymnosophisten , noch zu Athen so etwas gesehen hatte , wurde von seiner dichterischen Einbildungs-Kraft so sehr verraten , daß er die Gefahren zu vergessen schien , welche unter den Bezauberungen dieses Orts , und dieser Verschwendung von Reizungen zum Vergnügen , lauerten .
Der einzige Dion erhielt sich in seiner gewöhnlichen Ernsthaftigkeit , und machte durch den starken Kontrast seines finsteren Bezeugens mit der allgemeinen Fröhlichkeit , Eindrücke auf alle Gemüter , welche nicht wenig dazu beitrugen , seinen bevorstehenden Fall zu befördern .
Indes schien niemand darauf acht zu geben ; und in der Tat ließ die Vorsorge , welche Timocrat gebraucht hatte , daß jede Stunde , und beinahe jeder Augenblick ein neues Vergnügen herbeiführen mußte , wenig Muße , Beobachtungen zu machen .
Dieser schlaue Höfling hatte ein Mittel gefunden , dem Plato selbst , bei einer Gelegenheit , wo es so wenig zu vermuten war , auf eine feine Art zu schmeicheln .
Dieses geschah durch ein großes pantomimisches Ballett , worin die Geschichte der menschlichen Seele , nach den Grundsätzen dieses Weisen , unter Bildern , welche er in einigen seiner Schriften an die Hand gegeben hatte , auf eine allegorische Art vorgestellt wurde .
Timocrat hatte die jüngsten und schönsten Figuren hierzu gebraucht , welche er zu Korinth und aus dem ganzen Griechenlande hatte zusammenbringen können .
Unter den Tänzerinnen war eine , welche dazu gemacht schien , dasjenige , was der gute Plato in etlichen Monaten an dem Gemüte des Tyrannen gearbeitet , in etlichen Augenblicken zu zerstören .
Sie stellte unter den Personen des Tanzes die Wollust vor ; und wirklich paßten ihre Figur , ihre Gesichtsbildung , ihre Blicke , ihr Lächeln , alles so vollkommen zu dieser Rolle , daß das anakreontische Beiwort Wollustatmend ausdrücklich für sie gemacht zu sein schien .
Jedermann war von der schönen Bacchidion bezaubert ; aber niemand war es so sehr als Dionys .
Er dachte nicht einmal daran , der Wollust , welche eine so verführische Gestalt angenommen hatte , um seine erkaltete Zuneigung zu ihr wieder anzufeuern , Widerstand zu tun ; kaum daß er noch so viel Gewalt über sich selbst behielt , um von demjenigen was in ihm vorging nicht allzudeutliche Wirkungen sehen zu lassen .
Denn er getraute sich noch nicht , wieder gänzlich Dionysius zu sein , ob ihm gleich von Zeit zu Zeit kleine Züge entwischten , welche dem beobachtenden Dion bewiesen , daß er nur noch durch einen Rest von Scham , dem letzten Seufzer der ersterbenden Tugend , zurückgehalten werde .
Timocrat triumphierte in sich selbst ; seine Absicht war erreicht ; die allzureizende Bacchidion bemächtigte sich der Begierde , des Geschmacks und so gar des Herzens des Tyrannen :
Und da er den Timocrat zum Unterhändler seiner Leidenschaft , welche er eine Zeitlang geheim halten wollte , nötig hatte , so war Timocrat von diesem Angenblik an wieder der nächste an seinem Herzen .
Der weise Plato bedauerte zu spät , daß er zu viel Nachsicht gegen den Hang dieses Prinzen nach Ergötzungen getragen hatte ; er fühlte nur gar zu wohl , daß die Gewalt seiner metaphysischen Bezauberungen durch eine stärkere Zaubermacht aufgelöst worden sei , und fing an , um sich nicht ohne Nutzen beschwerlich zu machen , den Hof seltener zu besuchen .
Dion ging weiter :
Er unterstand sich , dem Dionys wegen seines geheimen Verständnisses mit der schönen Bacchidion , Vorwürfe zu machen , und ihn seiner Verbindlichkeiten mit einem Ernst zu erinnern , den der Tyrann nicht mehr ertragen konnte .
Dionys sprach im Ton eines asiatischen Despoten , und Dion antwortete wie ein Mißvergnügter , der sich stark genug fühlt , den Drohungen eines übermütigen Tyrannen Trotz zu bieten .
Philistus hielt den Dionys zurück , der im Begriff war alles zu wagen , indem er seiner Wut den Zügel schießen lassen wollte .
Allein in den Umständen worin man mit dem beleidigten Dion war , mußte ein schleuniger Entschluß gefaßt werden .
Dion verschwand auf einmal , und erst nach einigen Tagen machte Dionys bekannt :
Daß ein gefährliches Komplott gegen seine Person , und die Ruhe des Staats , woran Dion in geheim gearbeitet , ihn genötigt hätte , denselben auf einige Zeit aus Sizilien zu entfernen .
Es bestätigte sich wirklich , daß Dion in der Nacht unvermutet in Verhaft genommen , zu Schiffe gebracht und in Italien ans Land gesetzt worden war .
Um das angebliche Komplott wahrscheinlich zu machen , wurden verschiedene Freunde Dions , und eine noch größere Anzahl von Kreaturen des Philistus , welche gegen diesen Prinzen zu reden bestochen waren , in Verhaft genommen .
Man unterließ nichts , was seinem Prozeß das Ansehen der genauesten Beobachtung der Justiz-Formalitäten geben konnte ; und nachdem er durch die Aussage einer Menge von Zeugen überwiesen worden war , wurde seine Verbannung in ein förmliches Urteil gebracht , und ihm bei Strafe des Lebens verboten , ohne besondere Erlaubnis des Dionys , Sizilien wieder zu betreten .
Dionys stellte sich , als ob er dieses Urteil ungern und allein durch die Sorge für die Ruhe des Staats gezwungen unterzeichne ; und um eine Probe zu geben , wie gern er eines Prinzen , den er allezeit besonders hochgeschätzt habe , schonen möchte , verwandelte er die Strafe der Konfiskation aller seiner Güter in eine bloße Zurückhaltung der Einkünfte von denselben :
Aber niemand ließ sich durch diese Vorspieglungen hintergehen , da man bald darauf erfuhr , daß er seine Schwester , die Gemahlin des Dion , gezwungen habe , die Belohnung des unwürdigen Timocrat zu werden .
Plato spielte bei dieser unerwarteten Katastrophe eine sehr demütigende Rolle .
Dionys affektierte zwar noch immer , ein großer Bewunderer seiner Wissenschaft und Beredsamkeit zu sein ; aber sein Einfluß hatte so gänzlich aufgehört , daß ihm nicht einmal erlaubt war , die Unschuld seines Freundes zu verteidigen .
Er wurde täglich zur Tafel eingeladen ; aber nur , um mit eigenen Ohren anzuhören , wie die Grundsätze seiner Philosophie , die Tugend selbst , und alles was einem gesunden Gemüt ehrwürdig ist , zum Gegenstand leichtsinniger Scherze gemacht wurden , welche sehr oft den echten Witz nicht weniger beleidigten als die Tugend .
Und damit ihm alle Gelegenheit benommen würde , die widrigen Eindrücke , welche den Syracusanern gegen den Dion beigebracht worden waren , wieder auszulöschen , wurde ihm unter dem Schein einer besonderen Ehrenbezeugung eine Wache gegeben , welche ihn wie einen Staats-Gefangenen beobachtete und eingeschlossen hielt .
Der Philosoph hatte denjenigen Teil seiner Seele , welchem er seinen Sitz zwischen der Brust und dem Zwerchfell angewiesen , noch nicht so gänzlich gebändigt , daß ihn dieses Betragen des Tyrannen nicht hätte erbittern sollen .
Er fing an wie ein freigeborener Athener zu sprechen , und verlangte seine Entlassung .
Dionys stellte sich über dieses Begehren bestürzt an , und schien alles anzuwenden , um einen so wichtigen Freund bei sich zu behalten ; er bot ihm so gar die erste Stelle in seinem Reich , und , wenn Plutarch nicht zuviel gesagt hat , alle seine Schätze an , sofern er sich verbindlich machen wollte , ihn niemals zu verlassen ; aber die Bedingung , welche er hinzusetzte , bewies , wie wenig er selbst erwartete , daß seine Erbietungen angenommen werden würden .
Denn er verlangte , daß er ihm seine Freundschaft für den Dion aufopfern sollte ; und Plato verstand den stillschweigenden Sinn dieser Zumutung .
Er beharrte also auf seiner Entlassung , und erhielt sie endlich , nachdem er das Versprechen von sich gegeben hatte , daß er wieder kommen wolle , so bald der Krieg , welchen Dionys wider Karthago anzufangen im Begriff war , geendigt sein würde .
Der Tyrann machte sich eine große Angelegenheit daraus , alle Welt zu überreden , daß sie als die besten Freunde von einander schieden ; und Platons Ehrgeiz ( wenn es anders erlaubt ist , eine solche Leidenschaft bei einem Philosophen vorauszusetzen ) fand seine Rechnung zu gut dabei , als daß er sich hätte bemühen sollen , die Welt von dieser Meinung zuheilen .
Er gehe , sagte er , nur Dion und Dionys wieder zu Freunden zu machen .
Der Tyrann bezeugte sich sehr geneigt hierzu , und hob , zum Beweis seiner guten Gesinnung den Beschlag auf , den er auf die Einkünfte Dions gelegt hatte .
Plato hingegen machte sich zum Bürgen für seinen Freund , daß er nichts widriges gegen Dionysen unternehmen sollte .
Der Abschied machte eine so traurige Szene , daß die Zuschauer , ( außer den wenigen , welche das Gesicht unter der Maske kannten ) von der Gutherzigkeit des Prinzen sehr gerührt wurden ; er begleitete den Philosophen bis an seine Galeeren , erstickte ihn fast mit Umarmungen , netzte seine ehrwürdigen Wangen mit Tränen , und sah ihm so lange nach , bis er ihn aus den Augen verlor :
Und so kehrten beide , mit gleich erleichtertem Herzen , Plato in seine geliebte Akademie , und Dionys in die Arme seiner Tänzerin zurück .
Dieser Tyrann , dessen natürliche Eitelkeit durch die Diskurse des Atheniensischen Weisen zu einer heftigen Ruhmbegierde aufgeschwollen war , hatte sich unter anderen Schwachheiten in den Kopf gesetzt , für einen Gönner der Gelehrten , für einen Kenner , und so gar für einen der schönen Geister seiner Zeit gehalten zu werden .
Er war sehr bekümmert , daß Plato und Dion den Griechen , denen er vorzüglich zu gefallen begierig war , die gute Meinung wieder benehmen möchten , welche man von ihm zu fassen angefangen hatte ; und diese Furcht scheint einer von den stärksten Beweggründen gewesen zu sein , warum er den Plato bei ihrer Trennung mit so vieler Freundschaft überhäuft hatte .
Er ließ es nicht dabei bewenden .
Philistus sagte ihm , daß Griechenland eine Menge von spekulativen Müssiggängern habe , welche so berühmt als Plato , und zum Teil geschickter seien , einen Prinzen bei Tische oder in verlorenen Augenblicken zu belustigen als dieser Mann , der die Schwachheit habe ein lächerlich ehrwürdiges Mittelding zwischen einem ägyptischen Priester , und einem Staatsmanne vorzustellen , und seine unverständlich-erhabene Grillen für Grundsätze , wonach die Welt regiert werden müsse , auszugeben .
Er bewies ihm mit den Beispielen seiner eigenen Vorfahren , daß ein Fürst sich den Ruhm eines unvergleichlichen Regenten nicht wohlfeiler anschaffen könne , als indem er Philosophen und Poeten in seinen Schutz nehme ; Leute , welche für die Ehre seine Tischgenossen zu sein , oder für ein mäßiges Gehalt , bereit seien , alle ihre Talente ohne Maß und Ziel zu seinem Ruhm und zu Beförderung seiner Absichten zu verschwenden .
Glaubest du , sagte er , daß Hieron der wundertätige Mann , der Held , der Halbgott , das Muster aller fürstlichen , bürgerlichen und häuslichen Tugenden gewesen sei , wofür ihn die Nachwelt hält ?
Wir wissen was wir davon denken sollen ; er war was alle Prinzen sind , und lebte wie sie alle leben ; er tat was ich und ein jeder anderer tun würde , wenn wir zu unumschränkten Herren einer so schönen Insel , wie Sizilien ist , geboren wären --- Aber er hatte die Klugheit , Simoniden und Pindare an seinem Hofe zu halten ; sie lobten ihn in die Wette , weil sie wohl gefüttert und wohl bezahlt wurden ; alle Welt erhob die Freigebigkeit dieses Prinzen , und doch kostete ihn dieser Ruhm nicht halb soviel , als seine Jagdhunde .
Wer wollte ein König sein , wenn ein König das alles wirklich tun müßte , was sich ein müßiger Sophist auf seinem Faulbete oder Diogenes in seinem Fasse einfallen läßt , ihm zu Pflichten zu machen ?
Wer wollte regieren , wenn ein Regent allen Forderungen und Wünschen seiner Untertanen genug tun müßte ?
Das meiste , wo nicht alles , kommt auf die Meinung an , die ein großer Herr von sich erweckt ; nicht auf seine Handlungen selbst , sondern auf die Gestalt und den Schwung , den er ihnen zu geben weiß .
Was er nicht selbst tun will , oder tun kann , das können witzige Köpfe für ihn tun .
Haltet euch einen Philosophen , der alles demonstrieren , einen sinnreichen Schwaetzer , der über alles scherzen , und einen Poeten , der über alles Gassenlieder machen kann .
Der Nutzen , den ihr von dieser kleinen Ausgabe zieht , fällt zwar nicht sogleich in die Augen ; ob es gleich an sich selbst schon Vorteils genug für einen Fürsten ist , für einen Beschützer der Musen gehalten zu werden .
Denn das ist in den Augen von neun und neunzig Hundertteilen des menschlichen Geschlechts ein untrüglicher Beweis , daß er selbst ein Herr von großer Einsicht , und Wissenschaft ist ; und diese Meinung erweckt Zutrauen , und ein günstiges Vorurteil für alles was er unternimmt .
Aber das ist der geringste Nutzen , den ihr von euren witzigen Kostgängern zieht .
Setzet den Fall , daß es nötig sei eine neue Auflage zu machen ; das ist alles was ihr braucht , um in einem Augenblick ein allgemeines Murren gegen eure Regierung zu erregen ; die Mißvergnügten , eine Art von Leuten , welche die klügste Regierung niemals gänzlich ausrotten kann , machen sich einen solchen Zeitpunkt zu nutze ; setzen das Volk in Gehrung , untersuchen eure Aufführung , die Verwaltung eurer Einkünfte , und tausend Dinge , an welche vorher niemand gedacht hatte ; die Unruhe nimmt zu , die Repräsentanten des Volks versammeln sich , man übergibt euch eine Vorstellung , eine Beschwerung um die andere ; unvermerkt nimmt man sich heraus die Bitten in Forderungen zu verwandeln , und die Forderungen mit ehrfurchtsvollen Drohungen zu unterstützen ; kurz , die Ruhe eures Lebens ist , wenigstens auf einige Zeit , verloren ; ihr befindet euch in kritischen Umständen , wo der kleinste Fehltritt die schlimmsten Folgen nach sich ziehen kann , und es braucht nur einen Dion , der sich zu einer solchen Zeit einem mißvergnügten Pöbel an den Kopf wirft , so habt ihr einen Aufruhr in seiner ganzen Größe .
Hier zeigt sich der wahre Nutzen unserer witzigen Köpfe .
Durch ihren Beistand können wir in etlichen Tagen allen diesen Übeln zuvorkommen .
Laßt den Philosophen demonstrieren , daß diese Auflage zur Wohlfahrt des gemeinen Wesens unentbehrlich ist ; laßt den Spaßvogel irgend einen lächerlichen Einfall , irgend eine lustige Hof-Anekdote oder ein boshaftes Märchen in der Stadt herumtragen , und den Poeten eine neue Komödie und ein paar Gassenlieder machen , um dem Pöbel was zu sehen und zu singen zu geben :
So wird alles ruhig bleiben ; und indessen daß die politischen Müßiggänger sich darüber zanken werden , ob euer Philosoph recht oder Unrecht argumentiert habe , und die kleine ärgerliche Anekdote reichlich ausgeziert und verschönert , den Witz aller guten Gesellschaften im Atem erhält :
Wird der Pöbel ein paar Flüche zwischen den Zähnen murmeln , die Grillen zu vertreiben , seinen Gassenhauer anstimmen , und -- bezahlen .
Solche Dienste , sind , deucht mich wohl wert , etliche Leute zu unterhalten , die ihren ganzen Ehrgeiz darin setzen , Worte zierlich zusammenzusetzen , Silben zu zählen , Ohren zu kitzeln und Lungen zu erschüttern ; Leute , denen ihr alle ihre Wünsche erfüllt , wenn ihr ihnen so viel gebt , als sie brauchen , kummerlos durch eine Welt , an die sie wenig Ansprüche machen , hindurchzuschlendern , und nichts zu tun , als was der Wurm im Dionys befand diesen Rat seines würdigen Ministers vollkommen nach seinem Geschmack .
Philistus übergab ihm eine Liste von mehr als zwanzig Kandidaten , aus denen man , wie er sagte , nach Belieben auswählen könnte .
Dionys glaubte , daß man dieser nützlichen Leute nicht zuviel haben könne , und wählte alle .
Alle schönen Geister Griechenlandes wurden unter blendenden Verheissungen an seinen Hof eingeladen .
In kurzer Zeit wimmelte es in seinen Vorsälen von Philosophen und Priestern der Musen .
Alle Arten von Dichtern , Epische , Tragische , komische , Lyrische , welche ihr Glück zu Athen nicht hatten machen können , zogen nach Syracus , um ihre Leyern und Flöten an den anmutigen Ufern des Anapus zu stimmen , und -- sich satt zu essen .
Sie glaubten , daß es ihnen gar wohl erlaubt sein könne , die Tugenden des Dionys zu besingen , nachdem der göttliche Pindar sich nicht geschämt hatte , die Maulesel des Hieron unsterblich zu machen .
So gar der kynische Antistes ließ sich durch die Hoffnung herbeilocken , daß ihn die Freigebigkeit des Dionys in den Stand setzen würde , die Vorteile der freiwilligen Armut und der Enthaltsamkeit mit desto mehr Gemächlichkeit zu studieren ; Tugenden , von deren Schönheit , nach dem stillschweigenden Geständuis ihrer eifrigsten Lobredner , sich nach einer guten Mahlzeit am beredtesten sprechen läßt .
Kurz , Dionys hatte das Vergnügen , ohne einen Plato dazu nötig zu haben , sich mitten an seinem Hofe eine Akademie für seinen eigenen Leib zu errichten , deren Vorsteher und Apollo er selbst zu sein würdigte , und in welcher über die Gerechtigkeit , über die Grenzen des Guten und Bösen , über die Quelle der Gesetze , über das Schöne , über die Natur der Seele , der Welt und der Götter , und andere solche Materien , welche nach den gewöhnlichen Begriffen der Weltleute zu nichts als zur Conversation gut sind , mit so vieler Schwatzhaftigkeit , mit so viel Subtilität und so wenig gesunder Vernunft disputiert wurde , als es in irgend einer Schule der Weisheit der damaligen Zeiten zu geschehen pflegte .
Er hatte das Vergnügen sich bewundern , und wegen einer Menge von Tugenden und Helden-Eigeuschaften lobpreisen zu hören , die er sich selbst niemals zugetrant hätte .
Seine Philosophen waren keine Leute , die , wie Plato , sich herausgenommen hätten , ihn hofmeistern , und lehren zu wollen , wie er zuerst sich selbst , und dann seinen Staat regieren müsse .
Der strengste unter ihnen war zu höflich , etwas an seiner Lebensart auszusetzen , und alle waren bereit es einem jeden Zweifler sonnenklar zu beweisen , daß ein Tyrann , der Zueignungs-Schriften , und Lobgedichte so gut bezahlte , so gastfrei war , und seine getreuen Untertanen durch den Anblick so vieler Feste und Lustbarkeiten glücklich machte , der würdigste unter allen Königen sein müsse .
In diesen Umständen befand sich der Hof zu Syracus , als der Held unserer Geschichte in dieser Stadt ankam ; und so war der Fürst beschaffen , welchem er , unter ganz anderen Voraussetzungen , seine Dienste anzubieten gekommen war .
Fünftes Kapitel .
Agathon wird der Günstling des Dionysius .
Agathon erfuhr die hauptsächlichsten Begebenheiten , welche den Inhalt des vorhergehenden Kapitels ausmachen , bei einem großen Gastmahl , welches sein Freund der Kaufmann , des folgenden Tages gab , um Agathons Ankunft in Syracus , und seine eigene Wiederkunft feierlich zu begehen .
Der Nahme eines Gastes , der eine Zeit lang den Griechen so viel von sich zu reden gegeben hatte , zog unter anderen Neugierigen auch den Philosophen Aristippus herbei , der sowohl wegen der Annehmlichkeiten seines Umgangs , als wegen der Gnade , worin er bei dem Tyrannen stand , in den besten Häusern zu Syracus sehr willkommen war .
Dieser Philosoph hatte sich , bei jener großen Migration der schönen Geister aus Griechenland nach Syracus , auch dahin begeben , mehr um einen beobachtenden Zuschauer abzugeben , als in der Absicht , durch parasitische Künste die Eitelkeit des Dionys seinen Bedürfnissau zinßbar zu machen .
Agathon und Aristippus hatten einander zu Athen gekannt ; aber damals contrastierte der Enthusiasmus des Ersten mit dem kalten Blut , und der Humoristischen Art zu philosophieren des Anderen zu stark , als daß sie einander wahrhaftig hätten hochschätzen können , obgleich Aristipp sich öfters bei den Versammlungen einfand , welche damals aus Agathons Haus einen Tempel der Musen , und eine Akademie der besten Köpfe von Athen machten .
Die Wahrheit war , daß Agathon mit allen seinen schimmernden Eigenschaften in Ariestipps Augen ein Phantast , dessen Unglück er seinen Vertrauten öfters vorhersagte -- und Aristipp mit allem seinem Witz nach Agathons Begriffen ein bloßer Sophist war , den seine Grundsätze geschickter machten , weibische Sybariten noch sybaritischer , als junge Republikaner zu tugendhaften Männern zu machen .
Der Eindruck , welcher beiden von dieser ehemals von einander gefaßten Meinung geblieben war , machte sie stutzen , da sie sich nach einer Trennung von drei oder vier Jahren so unvermutet wieder sahen .
Es ging ihnen in den ersten Augenblicken , wie es uns zu gehen pflegt , wenn uns deucht , als ob wir eine Person kennen sollten , ohne uns gleich deutlich erinnern zu können , wer sie ist , oder wo und in welchen Umständen wir sie gesehen haben .
Das sollte Agathon -- das sollte Aristipp sein , dachte jeder bei sich selbst , war überzeugt , daß es so sei , und hatte doch Mühe , seiner eigenen Überzeugung zu glauben .
Aristipp suchte im Agathon den Enthusiasten , welcher nicht mehr war ; und Agathon glaubte im Aristipp den Sybariten nicht mehr zu finden ; vielleicht allein , weil seine Art , Personen und Sachen ins Auge zu fassen , seit einiger Zeit eine merkliche Veränderung erlitten hatte .
Ein Umgang von etlichen Stunden löste beiden das Rätsel ihres anfänglichen Irrtums auf , zerstreute den Rest des alten Vorurteils , und flößte ihnen Dispositionen ein , bessere Freunde zu werden .
Unvermerkt erinnerten sie sich nicht mehr , daß sie einander ehemals weniger gefallen hatten ; und ihr Herz liebte den kleinen Selbstbetrug , dasjenige was sie jetzt für einander empfanden , für die bloße Erneuerung einer alten Freundschaft zu halten .
Aristipp fand bei unserem Helden , eine Gefälligkeit , eine Politesse , eine Mässigung , welche ihm zu beweisen schien , daß Erfahrungen von mehr als einer Art eine starke Revolution in seinem Gemüte gewirkt haben mußten .
Agathon fand bei dem Philosophen von Cyrene etwas mehr als Witz , einen Beobachtungs-Geist , eine gesunde Art zu denken , eine Feinheit und Richtigkeit der Beurteilung , welche den Schüler des weisen Socrates in ihm erkennen ließen .
Diese Entdeckungen flößten ihnen natürlicher Weise ein gegenseitiges Zutrauen ein , welches sie geneigt machte , sich weniger vor einander zu verbergen , als man bei einer ersten Zusammenkunft zu tun gewohnt ist .
Agathon ließ seinem neuen Freunde sein Erstaunen darüber sehen , daß die Hoffnungen , welche man sich zum Vorteil Siziliens von Platons Ansehen bei dem Dionys gemacht , so plötzlich , und auf eine so unbegreifliche Art , vernichtet worden .
In der Tat bestand alles was man in der Stadt davon wußte , in bloßen Mutmassungen , die sich zum Teil auf allerlei unzuverlässige Anekdoten gründeten , welche in Städten , wo ein Hof ist von müßigen Leuten , die sich das Ansehen geben wollen , als ob sie von den Geheimnissen und Jntriguen des Hofes vollkommene Wissenschaft hätten , von Gesellschaft zu Gesellschaft herumgetragen zu werden pflegen .
Aristipp hatte in der kurzen Zeit , seit dem er sich an Dionysens Hofe aufhielt , die schwache Seite dieses Prinzen , den Charakter seiner Günstlinge , der Vornehmsten der Stadt , und der Sizilianer überhaupt so gut ausstudiert , daß er , ohne sich in die Entwicklung der geheimeren Triebfedern ( womit wir unsere Leser schon bekannt gemacht haben ) einzulassen , den Agathon leicht überzeugen konnte , daß ein gleichgültiger Zuseher von den Anschlägen , Dions und Platons , den Dionys zu einer freiwilligen Niederlegung der monarchischen Gewalt zu vermögen , sich keinen glücklicheren Ausgang habe versprechen können .
Er malte den Tyrannen von seiner besten Seite als einen Prinzen ab , bei dem die unglücklichste Erziehung ein vortreffliches Naturell nicht habe verderben können ; der von Natur leutselig , edel , freigebig , und dabei so bildsam und leicht zu regieren sei , daß alles bloß darauf ankomme , in was für Händen er sich befinde .
Seiner Meinung nach war , eben diese allzubewegliche Gemütsart und der Hang für die Vergnügungen der Sinnen die fehlerhafteste Seite dieses Prinzen .
Plato hätte die Kunst verstehen sollen , sich dieser Schwachheiten selbst auf eine feine Art zu seinen Absichten zu bedienen ; aber das hätte eine Geschmeidigkeit , eine kluge Mischung von Nachgiebigkeit und Zurückhaltung erfordert , wozu der Verfasser des Cratylus und Timäus niemals fähig sein werde .
Überdem hätte er sich zu deutlich merken lassen , daß er gekommen sei , den Hofmeister des Prinzen zu machen ; ein Umstand , der schon für sich allein alles habe verderben müssen .
Denn die schwächsten Fürsten seien allemal diejenigen , vor denen man am sorgfältigsten verbergen müsse , daß man weiter sehe als sie ; sie würden sich es zur Schande rechnen , sich von dem größten Geist in der Welt regieren zu lassen , so bald sie glauben , daß er eine solche Absicht im Schilde führe ; und daher komme es , daß sie sich oft lieber der schimpflichen Herrschaft eines Kammerdieners oder einer Mätresse unterwerfen , welche die Kunstgriffe besitzen , ihre Gewalt über das Gemüt des Herrn unter sklavischen Schmeicheleien oder schlauen Liebkosungen zu verbergen .
Plato sei zu einem Minister eines so jungen Prinzen zu spitzfindig , und zu einem Günstling zu alt gewesen ; zudem habe ihm seine vertraute Freundschaft mit dem Dion geschadet , da sie seinen heimlichen Feinden beständige Gelegenheit gegeben , ihn dem Prinzen verdächtig zu machen .
Endlich habe der Einfall , aus Sizilien eine platonische Republik zu machen an sich selbst nichts getaugt .
Der National-Geist der Sizilianer sei eine Zusammensetzung von so schlimmen Eigenschaften , daß es , seiner Meinung nach , dem weisesten Gesetzgeber unmöglich bleiben würde , sie zur republikanischen Tugend umzubilden ; und Dionys , welcher unter gewissen Umständen fähig sei ein guter Fürst zu werden , würde , wenn er sich auch in einem Anstoß von eingebildeter Großmut hätte bereden lassen , die Tyrannie aufzuheben , allezeit ein sehr schlimmer Bürger gewesen sein .
Diese allgemeine Ursachen seien , was auch die nähern Veranlassungen der Verbannung des Dion und der Ungnade oder wenigstens der Entfernung des Platon gewesen sein mögen , hinlänglich begreiflich zu machen , daß es nicht anders habe gehen können ; sie bewiesen aber auch ( setzte Aristipp mit einer anscheinenden Gleichgültigkeit hinzu ) daß ein Anderer , der sich die Fehler dieser Vorgänger zu Nutzen zu machen wißt , wenig Mühe haben würde , die unwürdigen Leute zu verdrängen , welche sich wieder in den Besitz des Zutrauens und der Autorität des Tyrannen geschwungen hätten .
Agathon fand diese Gedanken seines neuen Freundes so wahrscheinlich , daß er sich überreden ließ , sie für wahr anzunehmen .
Und hier spielte ihm die Eigenliebe einen kleinen Streiche , dessen er sich nicht zu ihr vermutete .
Sie flüsterte ihm so leise , daß er ihren Einhauch vielleicht für die Stimme seines Genius , oder der Tugend selbst hielt , den Gedanken zu -- wie schön es wäre , wenn Agathon dasjenige zu Stande bringen könnte , was Plato vergebens unternommen hatte .
Wenigstens dünkte es ihn schön , den Versuch zu machen ; und er fühlte eine Art von ahnendem Bewußtsein , daß eine solche Unternehmung nicht über seine Kräfte gehen würde .
Diese Empfindungen ( denn Gedanken waren es noch nicht ) stiegen , während daß Aristippus sprach , in ihm auf ; aber er nahm sich wohl in Acht , ihn das geringste davon merken zu lassen ; und lenkte , aus Besorgnis von einem so schlauen Höflinge unvermerkt ausgekundschaftet zu werden , das Gespräch auf andere Gegenstände .
Überhaupt vermied er alles , was die Aufmerksamkeit der Anwesenden vorzüglich auf ihn hätte richten können , desto sorgfältiger , da er wahrnahm , daß man einen außerordentlichen Mann in ihm zu sehen erwartete .
Er sprach sehr bescheiden , und nur so viel als die Gelegenheit unumgänglich erforderte , von dem Anteil , den er an der Staats-Verwaltung von Athen gehabt hatte ; ließ die Anlässe entschlüpfen , die ihm von einigen mit guter Art ( wie sie wenigstens glaubten ) gemacht wurden , um seine Gedanken von Regierungs-Sachen , und von den Syracusanischen Angelegenheiten auszuholen ; sprach von allem wie ein gewöhnlicher Mensch , der sich auf das was er spricht versteht , und begnügte sich bei Gelegenheit sehen zu lassen , daß er ein Kenner aller schönen Sachen sei , ob er sich gleich nur für einen Liebhaber gab .
Dieses Betragen , wodurch er allen Verdacht , als ob er aus besonderen Absichten nach Syracus gekommen sei , von sich entfernen wollte , hatte die Wirkung , daß die Meisten , welche mit einem Erwartungs-vollen Vorurteil für ihn gekommen waren , sich für betrogen hielten , und mit der Meinung weggienen , Agathon halte in der Nähe nicht , was sein Ruhm verspreche : Ja , um sich dafür zu rä chen , daß er nicht so war , wie er ihrer Einbildung zu lieb hätte sein sollen , liehen sie ihm noch einige Fehler , die er nicht hatte , und verringerten den Wert der schönen Eigenschaften , welche er entweder nicht verbergen konnte , oder nicht verbergen wollte ; gewöhnliches Verfahren der kleinen Geister , wodurch sie sich unter einander in der tröstlichen Beredung zu stärken suchen , daß kein so großer Unterschied , oder vielleicht gar keiner , zwischen ihnen und den Agathonen sei -- und wer wird so unbillig sein , und ihnen das übel nehmen ?
Sobald sich unser Mann allein sah , überließ er sich den Betrachtungen , die in seiner gegenwärtigen Stellung die natürlichsten waren .
Sein erster Gedanke , sobald er gehört hatte , daß Plato entfernt , und Dionys wieder in der Gewalt seiner ehemaligen Günstlinge und einer neuangekommenen Tänzerin sei , war gewesen , sich nur wenige Tage bei seinem Freunde verborgen zu halten , und sodann nach Italien überzufahren , wo er verschiedene Ursachen hatte zu hoffen , daß er in dem Hause des berühmten Archytas zu Tarent willkommen sein würde .
Allein die Unterredung mit dem Aristippus hatte ihn auf andere Gedanken gebracht .
Je mehr er dasjenige , was ihm dieser Philosoph von den Ursachen der vorgegangenen Veränderungen gesagt hatte , überlegte ; je mehr fand er sich ermuntert , das Werk , welches Plato aufgegeben hatte , auf einer anderen Seite , und , wie er hoffte , mit besserem Erfolg , anzugreifen .
Von tausend mannigfaltigen Gedanken hin und her gezogen , brachte er den größten Teil der Nacht in einem Mittelstand zwischen Entschließung und Ungewißheit zu , bis er endlich mit sich selbst einig wurde , es darauf ankommen zu lassen , wozu ihn die Umstände bestimmen würden .
Inzwischen machte er sich auf den Fall , wenn ihn Dionys an seinen Hof zu ziehen suchen sollte , einen Verwaltung Plan ; er stellte sich eine Menge Zufälle vor , welche begegnen konnten , und setzte die Maßregeln bei sich selbst feste , nach welchen er in allen diesen Umständen handeln wollte .
Die genaueste Verbindung der Klugheit mit der Rechtschaffenheit war die Seele davon .
Sein eigener Vorteil kam dabei in gar keine Betrachtung ; dieser Punkt lag durch aus zum Grunde seines ganzen Systems ; er wollte sich durch keine Art von Banden fesseln lassen , sondern immer die Freiheit behalten , sich so bald er sehen würde , daß er vergeblich arbeite , mit Ehre zurückzuziehen .
Das war die einzige Rücksicht , die er dabei auf sich selbst machte .
Die lebhafte Abneigung , die er , aus eigener Erfahrung gegen alle populare Regierungs-Arten gefaßt hatte , ließ ihn nicht daran denken , den Sizilianern zu einer Freiheit behilflich zu sein , welche er für einen bloßen Namen hielt , unter dessen Schutz die Edlen eines Voltes und der Pöbel einander wechselweise ärger Tyrannisieren als es irgend ein Tyrann zu tun fähig ist ; der so arg er immer sein mag , doch durch seinen eigenen Vorteil abgehalten wird , seine Sklaven gänzlich aufzureiben ; -- da hingegen der Pöbel , wenn er die Gewalt einmal an sich gerissen hat , seinen wilden Bewegungen keine Grenzen zu setzen fähig ist .
Diese Reflexion traf zwar nur die Demokratie ; aber Agathon hatte von der Aristokratie keine bessere Meinung .
Eine endlose Reihe von schlimmen Monarchen schien ihm etwas , das nicht in der Natur ist ; und ein einziger guter Fürst , war , nach seiner Voraussetzung , vermögend , das Glück seines Volkes auf ganze Jahrhunderte zu befestigen ; da hingegen ( seiner Meinung nach ) die Aristokratie anders nicht als durch die gänzliche Unterdrückung des Volks auf einen dauerhaften Grund gesetzt werden könne , und also schon aus dieser einzigen Ursache die schlimmste unter allen möglichen Verfassungen sei .
So sehr gegen diese beide Regierungs-Arten eingenommen als er war , konnte er nicht darauf verfallen , sie mit einander vermischen , und durch eine Art von politischer Chemie aus so widerwärtigen Dingen eine gute Komposition herausbringen zu wollen .
Eine solche Verfassung dünkte ihn verwickelt , und aus zu vielerlei Gewichtern und Rädern zusammengesetzt , um nicht alle Augenblicke in Unordnung zu geraten , und sich nach und nach selbst aufzureiben .
Die Monarchie schien ihm also , von allen Seiten betrachtet , die einfachste , edelste , und der Analogie des großen Systems der Natur gemässeste Art die Menschen zu regieren ; und dieses vorausgesetzt , glaubte er alles getan zu haben , wenn er einen zwischen Tugend und Laster hin und her wankenden Prinzen aus den Händen schlimmer Ratgeber ziehen ; durch einen klugen Gebrauch der Gewalt , die er über sein Gemüt zu bekommen hoffte , seine Denkungsart verbessern ; und ihn nach und nach durch die eigentümlichen Reizungen der Tugend endlich vollkommen gewinnen könnte .
Und gesetzt auch , daß es ihm nur auf eine unvollkommene Art gelingen würde ; so hoffte er , sofern er sich nur einmal seines Herzens bemeistert haben würde , doch immer im Stande zu sein , viel gutes zu tun , und viel Böses zu verhindern , und auch dieses schien ihm genug zu sein , um beim Schluß der Aktion mit dem belohnenden Gedanken , eine schöne Rolle wohl gespielt zu haben , vom Theater abzutreten .
In diesen sanfteinwiegenden Gedanken schlummerte Agathon endlich ein , und schlief noch , als Aristippus des folgenden Morgens wiederkam , um ihn im Namen des Dionys einzuladen , und bei diesem Prinzen aufzuführen .
Die Seite , von der sich dieser Philosoph in der gegenwärtigen Geschichte zeigt , stimmt mit dem gemeinen Vorurteil , welches man gegen ihn gefaßt hat , so wenig überein , als dieses mit den gewissesten Nachrichten , welche von seinem Leben und von seinen Meinungen auf uns gekommen sind .
In der Tat scheint dasselbe sich mehr auf den Mißverstand seiner Grundsätze und einige ärgerliche Märchen , welche Diogenes von lehrte und Athenäus , zweien von den unzuverlässigsten Kompilatoren in der Welt , seinen Feinden nacherzählen , als auf irgend etwas zu gründen , welches ihm unsere Hochachtung mit Recht entziehen könnte .
Es hat zu allen Zeiten eine Art von Leuten gegeben , welche nirgends als in ihren Schriften tugendhaft sind ; Leute , welche die Verdorbenheit ihres Herzens , und ihre geheimen Laster durch die Affektation der strengsten Grundsätze in der Sittenlehre bedecken wollen ; moralische Pantomimen , qui Kurios simulant & Bacchanalia vivunt ; Leute , welche sich das Ansehen einer außerordentlichen Delikatesse der Ohren in moralischen Dingen geben , und von dem bloßen Schall des Worts Wollust , mit einem heiligen Schauer , errötend -- oder erblassend , zusammenfahren ; kurz , Leute , welche jedermann verachten würde , wenn nicht der größte Haufen dazu verurteilt wäre , sich durch Masken-Gesichter , Minen , Gebärden , Jnflexionen der Stimme , verdrehte Augen , und -- weiße Schnupftücher betrügen zu lassen .
Diese vortrefflichen Leute , ( welche wir etwas genauer beschrieben haben , weil es nicht mehr gebräuchlich ist , denjenigen einen Bündel Heu vor die Stirn zu binden , denen man nicht allzunahe kommen darf , ) taten schon damals ihr Bestes , den guten Aristipp für einen Wollüstling auszuschreien , dessen ganze Philosophie darin bestehe , daß er die Forderungen unserer sinnlichen Triebe zu Grundsätzen gemacht , und die Kunst gemächlich und angenehm zu leben , in ein System gebracht habe .
Es ist hier der Ort nicht , die Unbilligkeit und den Ungrund dieses Urteils zu beweisen ; und dieses ist auch so nötig nicht , nachdem bereits einer der ehrwürdigsten und verdienstvollesten Gelehrten unserer Zeit , ein Mann der durch die Eigenschaften seines Verstandes und Herzens den Namen eines Weisen verdient , wenn ihn ein Sterblicher verdienen kann , ungeachtet seines Standes den Mut gehabt hat , in seiner kritischen Geschichte der Philosophie diesem würdigen Schüler des Socrates Gerechtigkeit widerfahren zu lassen .
Ohne uns also um Ariestipps Lehrsätze zu bekümmern , begnügen wir uns , von seinem persönlichen Charakter so viel zu sagen als man wissen muß , um die Person , die er an Dionysens Hofe vorstellte , richtiger beurteilen zu können .
Unter allen den vorgeblichen Weisen , welche sich damals an diesem Hofe befanden , war er der einzige , der keine heimliche Absichten auf die Freigebigkeit des Prinzen hatte ; ob er sich gleich kein Bedenken machte , Geschenke von ihm anzunehmen , die er nicht durch parasitische Niederträchtigkeiten erkaufte .
Durch seine natürliche Denkungs-Art eben so sehr als durch seine , in der Tat ziemlich gemächliche Philosophie , von Ambition und Geldgierigkeit gleich entfernt , bediente er sich eines zulänglichen Erbguts , ( welches er bei Gelegenheit durch den erlaubten Vorteil , den er von seinen Talenten zog , zu vermehren wußte ) um , nach seiner Neigung , mehr einen Zuschauer als einen Akteur auf dem Schauplatz der Welt vorzustellen .
Da er einer der besten Köpfe seiner Zeit war , so gab ihm diese Freiheit , worin er sich sein ganzes Leben durch erhielt , Gelegenheit sich einen Grad von Einsicht zu erwerben , der ihn zu einem scharfen und sicheren Beurteiler aller Gegenstände des menschlichen Lebens machte .
Meister über seine Leidenschaften , welche von Natur nicht heftig waren ; frei von allen Arten der Sorgen , und in den Tumult der Geschäfte selbst niemals verwickelt , war es ihm nicht schwer , sich immer in dieser Heiterkeit des Geistes , und in dieser Ruhe des Gemütes zu erhalten , welche die Grundzüge von dem Charakter eines weisen Mannes ausmachen .
Er hatte seine schönsten Jahre zu Athen , in dem Umgang mit Socrates und den größten Männern dieses berühmten Zeitalters zugebracht ; die Euripiden und Aristophane , die Phidias und die Polygnote , und die Wahrheit zu sagen , auch die Phrynen , und Leiden , Damen , an denen die Schönheit die geringste ihrer Reizungen war , hatten seinen Witz gebildet , und jenes zarte Gefühl des Schönen in ihm entwickelt , welches ihn die Munterkeit der Grazien mit der Severität der Philosophie auf eben diese unnachahmliche Art verbinden lehrte , die ihm den Neid aller philosophischen Mäntel und Bärte seiner Zeit auf den Hals zog .
Nichts übertraf die Annehmlichkeit seines Umgangs ; niemand wußte so gut wie er , die Weisheit unter der gefälligen Gestalt des lächelnden Scherzes und der guten Laune in solche Gesellschaften einzuführen , wo sie in ihrer eigenen Gestalt nicht willkommen wäre .
Er besaß das Geheimnis , den Großen selbst die unangenehmste Wahrheiten mit Hilfe eines Einfalls oder einer Wendung erträglich zu machen , und sich an dem langweiligen Geschlecht der Narren und Gecken , wovon die Höfe der ( damaligen ) Fürsten wimmelten , durch einen Spott zu rächen , den sie dumm genug waren , mit dankbarem Lächeln für Beifall anzunehmen .
Die Lebhaftigkeit seines Geistes und die Kenntnis , die er von allen Arten des Schönen besaß , machte daß er wenige seines Gleichen hatte , wo es auf die Erfindung sinnreicher Ergötzlichkeiten , auf die Anordnung eines Festes , die Auszierung eines Hauses , oder auf das Urteil über die Werke der Dichter , Tonkünstler , Maler und Bildhauer ankam .
Er liebte das Vergnügen , weil er das Schöne liebte ; und aus eben diesem Grunde liebte er auch die Tugend :
Aber er mußte das Vergnügen in seinem Wege finden , und die Tugend mußte ihm keine allzubeschwerliche Pflichten auflegen ; dem einen oder der anderen seine Gemächlichkeit aufzuopfern , so weit ging seine Liebe nicht .
Sein vornehmster Grundsatz , und derjenige , dem er allezeit getreu blieb , war ; daß es in unserer Gewalt sei , in allen Umständen glücklich zu sein ; des Phalaris glühenden Ochsen ausgenommen ; denn wie man in diesem sollte glücklich sein können , davon konnte er sich keinen Begriff machen .
Er setzte voraus , daß Seele und Leib sich im Stande der Gesundheit befinden müßten , und behauptete , daß es als dann nur darauf ankomme , daß wir uns nach den Umständen richten ; anstatt , wie der große Haufe der Sterblichen , zu verlangen , daß sich die Umstände nach uns richten sollen , oder ihnen , zu diesem Ende Gewalt antun zu wollen .
Von dieser sonderbaren Geschmeidigkeit kam es her , daß er das vielbedeutende Lob verdiente , welches ihm Horaz gibt , " daß ihm alle Farben , alle Umstände des günstigen oder widrigen Glükesgleich gut anstanden ; oder wie Plato von ihm sagte , daß es ihm allein gegeben war , ein Kleid von Purpur , und einen Kittel von Sackleinwand mit gleich guter Art zu tragen .
Es ist kein schwacher Beweis , wie wenig es dem Dionys an Fähigkeit das Gute zu schätzen gefehlt habe , daß er Ariestippen um aller dieser Eigenschaften Willen höher achtete , als alle anderen Gelehrten , seines Hofes ; daß er ihn am liebsten um sich leiden mochte , und sich öfters von ihm durch einen Scherz zu guten Handlungen bewegen ließ , wozu ihn seine Pedanten mit aller ihrer Dialektik und schulgerechten Beredsamkeit nicht zu vermögen fähig waren .
Diese charakteristische Züge vorausgesetzt , läßt sich , deucht uns , keine wahrscheinlichere Ursache angeben , warum Aristipp , so bald er unseren Helden zu Syracus erblickte , den Entschluß faßte , ihn bei dem Dionys in Gunst zu setzen , als diese ; daß er begierig war zu sehen , was aus einer solchen Verbindung werden , und wie sich Agathon in einer so schlüpfrigen Stellung verhalten würde .
Denn auf einige besondere Vorteile für sich selbst konnte er dabei kein Absehen haben , da es nur auf ihn ankam , ohne einen Mittelsmann zu bedürfen , sich die Gnade eines Prinzen zu Nutzen zu machen , der in einem Anstoß von prahlerhafter Freigebigkeit fähig war , die Einkünfte von einer ganzen Stadt an einen Luftspringer oder Citharspieler wegzuschenken .
Dem sei indessen wie ihm wolle , so hatte Aristipp nichts angelegenes , als des nächsten Morgens den Prinzen , dem er bei seinem Aufstehen aufzuwarten pflegte , von dem neuangekommenen Agathon zu unterhalten , und eine so vorteilhafte Abschilderung von ihm zu machen , daß Dionys begierig wurde , diesen außerordentlichen Menschen von Person zu kennen .
Aristipp erhielt also den Auftrag , ihn unverzüglich nach Hofe zu bringen ; und er vollzog denselben , ohne unseren Helden merken zu lassen , wieviel Anteil er an dieser Neugier des Prinzen gehabt hatte .
Agathon sah eine so bald erfolgende Einladung als ein gutes Omen an , und machte keine Schwierigkeit sie anzunehmen .
Er erschien also vor dem Dionys , der ihn mitten unter seinen Hofleuten auf eine sehr leutselige Art empfing .
Er erfuhr bei dieser Gelegenheit abermals , daß die Schönheit eine stumme Empfehlung an alle Menschen , welche Augen haben , ist .
Diese Gestalt des Vatikanischen Apollo , die ihm schon so manchen guten -- und schlimmen -- Dienst getan , die ihm die Verfolgungen der Pythia und die Zuneigung der Athener zugezogen , ihn in den Augen der Terazischen Bacchantinnen zum Gott , und in den Augen der schönen Danae zum liebenswürdigsten der Sterblichen gemacht hatte --- Diese Gestalt , diese einnehmende Gesichtsbildung , diese mit Würde und Anstand zusammenfließende Grazie , welche allen seinen Bewegungen und Handlungen eigen war -- taten ihre Wirkung , und zogen ihm beim ersten Anblick die allgemeine Bewunderung zu .
Dionys , welcher als König zu wohl mit sich selbst zufrieden war , um über einen Privat-Mann wegen irgend einer Vollkommenheit eifersüchtig zu sein , überließ sich dem angenehmen Eindruck , den dieser schöne Fremdling auf ihn machte .
Die Philosophen hofften , daß das Inwendige einer so viel versprechenden Außenseite nicht gemäß sein werde , und diese Hoffnung setzte sie in den Stand , mit einem Nasenrümpfen , welches den geringen Wert , den sie einem solchen Vorzug beilegten , andeutete , einander zu zuraunen , daß er --- schön sei .
Aber die Höflinge hatten Mühe ihren Verdruß darüber zu verbergen , daß sie keinen Fehler finden konnten , der ihnen den Anblick so vieler Vorzüge erträglich gemacht hätte .
Wenigstens waren dieses die Beobachtungen , welche der kaltsinnige Aristipp bei dieser Gelegenheit zu machen glaubte .
Agathon verband in seinen Reden und in seinem ganzen Betragen so viel Bescheidenheit und Klugheit mit dieser edlen Freiheit und Zuversichtlichkeit eines Weltmannes , worin er sich zu Smyrna vollkommen gemacht hatte ; daß Dionys in wenigen Stunden ganz von ihm eingenommen war .
Man weiß , wie wenig es oft bedarf , den Großen der Welt zu gefallen , wenn uns nur der erste Augenblick günstig ist .
Agathon mußte also dem Dionys , welcher wirklich Geschmack hatte , notwendig mehr gefallen , als irgend ein anderer , den er jemals gesehen hatte ; und das , in Emmerzunehmen dem Verhältnis , so wie sich , von einem Augenblick zum anderen , die Vorzüge und Talente unseres Helden entwickelten .
In der Tat besaß er deren so viele , daß der Neid der Höflinge , der in gleicher Proportion von Stunde zu Stunde stieg , gewisser maßen zu entschuldigen war ; die guten Leute würden sich viel auf sich selbst eingebildet haben , wenn sie nur diejenigen Eigenschaften , in einem solchen Grad , einzeln besessen hätten , welche in ihm vereinigt , dennoch den geringsten Teil seines Wertes ausmachten .
Er hatte die Klugheit , anfänglich seine gründlichere Eigenschaften zu verbergen , und sich bloß von derjenigen Seite zu zeigen , wodurch sich die Hochachtung der Weltleute am sichersten überraschen läßt .
Er sprach von allem mit dieser Leichtigkeit des Witzes , welche nur über die Gegenstände dahinglitscht , und wodurch sich oft die schalsten Köpfe in der Welt ( auf einige Zeit wenigstens ) das Ansehen , Verstand und Einsichten zu haben , zu geben wissen .
Er scherzte ; er erzählte mit Anmut ; er machte anderen Gelegenheit sich hören zu lassen ; und bewunderte die guten Einfälle , welche dem schwatzhaften Dionys unter einer Menge von mittelmässigen und frostigen zuweilen entfielen , mit einer Art , welche , ohne seiner Aufrichtigkeit oder seinem Geschmack zuviel Gewalt anzutun , diesen Prinzen überzeugte , daß Agathon unendlich viel Verstand habe .
Die großen Herren haben gemeiniglich eine Lieblingsschwachheit , wodurch es sehr leicht wird , den Eingang in ihr Herz zu finden .
Der große Tanzai von Scheschian , ein Kenner übrigens von Verdiensten , kannte doch kein größeres als die Leier gut zu spielen .
Dionys hegte ein so günstiges Vorurteil für die Cithar , daß der beste Cithar-Spieler in seinen Augen der größte Mann auf dem Erdboden war .
Er spielte sie zwar selbst nicht ; aber er gab sich für einen Kenner , und rühmte sich die größten Virtuosen auf diesem Wundertätigen Instrument an seinem Hofe zu haben .
Zu gutem Glücke hatte Agathon zu Delphi die Cithar schlagen gelernt , und bei der schönen Danae , welche eine Meisterin auf allen Saiteninstrumenten der damaligen Zeit war , einige Lektionen genommen , die ihn vollkommen gemacht hatten .
Kurz , Agathon nahm das dritte oder vierte Mal , da er mit dem Dionys zu Nacht aß , eine Cithar , begleitete darauf einen Dithyramben des Damon , ( der von einer feinen Stimme gesungen , und von der schönen Bacchidion getanzt wurde ) und setzte seine Hoheit dadurch in eine so übermäßige Entzüknng , daß der ganze Hof von diesem Augenblick an für ausgemacht hielt , ihn in kurzem zur Würde eines erklärten Günstlings erhoben zu sehen .
Dionys überhäufte ihn in der ersten Aufwallung seiner Bewunderung mit Liebtosungen , welche unserem Helden beinahe allen Mut benahmen .
Himmel ! dachte er , was werde ich mit einem König anfangen , der bereit ist , den ersten Nenangekommenen an die Spitze seines Staats zu setzen , weil er ein guter Citharschläger ist ?
Dieser erste Gedanke war sehr gründlich , und würde ihm vieles Ungemach erspart haben , wenn er seiner Eingebung gefolgt hätte .
Aber eine andere Stimme ( war es seine Eitelkeit , oder der Gedanke ein großes Vorhaben nicht um einer so geringfügigen Ursache Willen aufzugeben ? -- oder war es die Schwachheit , die uns geneigt macht , alle Torheiten der Großen , welche Achtung für uns zeigen , mit nachsichtvollen Augen einzusehen ? ) flüsterte ihm ein :
Daß der Geschmack für die Musik , und die besondere Anmutung für ein gewisses Instrument , eine Sache sei , welche von unserer Organisation abhange ; und daß es ihm nur desto leichter sein werde , sich des Herzens dieses Prinzen zu versichern , je mehr er von den Geschicklichkeiten besitze , wodurch man seinen Beifall erhalten könne .
Die Gunst , in welche er sich in so kurzer Zeit und durch so zweideutige Verdienste bei dem Tyrannen gesetzt , stieg bald darauf , bei Gelegenheit einer akademischen Versammlung , welche Dionys mit großen Feierlichkeiten veranstaltete , zu einem solchen Grade , daß Philistus , der bisher noch zwischen Furcht und Hoffnung geschwebt hatte , seinen Fall nunmehr für gewiß hielt .
Dionys hatte vom Aristipp in der Stille vernommen , daß Agathon ehemals ein Schüler Platons gewesen , und während seines Glücksstandes zu Athen für einen der größten Redner in dieser schwatzhaften Republik gehalten worden sei .
Erfreut , eine Vollkommenheit mehr an seinem neuen Liebling zu entdecken , säumte er sich keinen Augenblick , eine Gelegenheit zu veranstalten , wo er aus eigener Einsicht von der Wahrheit dieses Vorgebens urteilen könnte ; denn es kam ihm ganz übernatürlich vor , daß man zu gleicher Zeit ein Philosoph , und so schön , und ein so großer Citharschläger sollte sein können .
Die Akademie erhielt also Befehl sich zu versammeln , und ganz Syracus wurde dazu , als zu einem Fest eingeladen , welches sich mit einem großen Schmaus enden sollte .
Agathon dachte an nichts weniger , als daß er bei diesem Wettstreit eines Haufens von Sophisten ( die er nicht ohne Grund für sehr überflüssige Leute an dem Hofe eines guten Fürsten ansah ) eine Rolle zu spielen bekommen würde ; und Aristipp hatte , aus dem obberührten Beweggrunde , der der Schlüssel zu seinem ganzen Betragen gegen unseren Helden ist , ihm von Dionysens Absicht nichts entdeckt .
Dieser eröffnete als Präsident der Akademie ( denn seine Eitelkeit begnügte sich nicht an der Ehre , ihr Beschützer zu sein ) die Versammlung durch einen übel zusammengestoppt , und nicht allzuverständlichen , aber mit Platonismen reich verbrämten Diskurs , welcher , wie leicht zu erachten , mit allgemeinem Zujauchzen begleitet wurde ; ungeachtet er dem Agathon mehr das ungezweifelte Vertrauen des königlichen Redners in den Beifall , der ihm von Standes wegen zukam , als die Größe seiner Gaben und Einsichten zu beweisen schien .
Nach Endigung dieser Rede , nahm die philosophische Heze ihren Anfang ; und sofern die Zuhörer durch die subtilen Geister , die sich nun mehr hören ließen , nicht sehr unterrichtet wurden , so fanden sie sich doch durch die Wohlredenheit des einen , die klingende Stimme und den guten Akzent eines anderen , die paradoxen Einfälle eines dritten , und die seltsamen Gesichter , die ein vierter zu seinen Distinktionen und Demonstrationen machte , erträglich belustiget .
Nachdem dieses Spiel einige Zeit gedauert hatte , und ein unhöfliches Gähnen bereits zwei Drittteile der Zuhörer zu ergreifen begann , sagte Dionys :
Da er das Glück habe , seit einigen Tagen einen der würdigsten Schüler des großen Platons in seinem Hause zu besitzen ; so ersuchte er ihn , zufrieden zu sein , daß der Ruhm , der ihm allenthalben vorangegangen sei , den Schleier , womit seine Bescheidenheit seine Veridienste zu verhüllen suche , hinweggezogen , und ihm in dem schönen Agathon einen der beredtesten Weisen der Zeit entdeckt habe :
Er möchte sich also nicht weigern , auch in Syracus sich von einer so vorteilhaften Seite zu zeigen , und sich mit den Philosophen seiner Akademie in einen Wettstreit über irgend eine interessante Frage aus der Philosophie einzulassen .
Zu gutem Glücke sprach Dionys , der sich selbst gerne hörte , und die Gabe der Weitläufigkeit in hohem Maße besaß , lange genug , um unserem Manne Zeit zu geben , sich von der kleinen Bestürzung zu erholen , worein ihn diese unerwartete Zumutung setzte .
Er antwortete also ohne Zaudern :
Er sei zu früh aus den Hörsälen der Weisen auf den Markt-Plaz zu Athen gerufen , und in die Angelegenheiten eines Volkes , welches bekannter maßen seinen Hofmeistern nicht wenig zu schaffen mache , verwickelt worden , als daß er Zeit genug gehabt haben sollte , sich seine Lehrmeister zu Nutzen zu machen ; indessen sei er , wenn es Dionys verlange , aus Achtung gegen ihn bereit , eine Probe abzulegen , wie wenig er das Lob verdiene , welches ihm aus einem allzugünstigen Vorurteil beigelegt worden sei .
Dionys rief also den Philistus auf , ( man weiß nicht , ob von ungefähr oder vermög einer Vorhergenommenen Abrede , wiewohl das letztere nicht wahrscheinlich zu sein scheint , ) eine Frage vorzuschlagen , für und wider welche von beiden Seiten gesprochen werden sollte .
Dieser Minister bedachte sich eine kleine Weile , und in Hoffnung den Agathon , der ihm furchtbar zu werden anfing , in Verlegenheit zu setzen , schlug er die Frage vor -- welche Regierungs-Form einen Staat glücklicher mache , die republikanische oder die Monarchische ? -- Man wird , dachte er , dem Agathon die Wahl lassen , für welche er sich erklären will ; spricht er für die Republik , und spricht er gut , wie er um seines Ruhms Willen genötigt ist , so wird er dem Prinzen mißfallen ; wirft er sich zum Lobredner der Monarchie auf , so wird er sich dem Volke verhaßt machen , und Dionys wird den Mut nicht haben , die Staats-Verwaltung einem Ausländer anzuvertrauen , der bei seinem ersten Auftritt auf dem Schauplatz , einen so schlimmen Eindruck auf die Gemüter der Syracusaner gemacht hat .
Allein dieses Mal betrog den schlauen Mann seine Erwartung .
Agathon erklärte sich , ungeachtet er die Absicht des Philistus merkte , mit einer Unerschrockenheit , welche diesem keinen Triumph prophezeite , für die Monarchie ; und nachdem seine Geguer , ( unter denen Antistes und der Sophist Protagoras alle ihre Kräfte anstrengten , die Vorzüge der Freistaaten zu erheben ) zu reden aufgehört hatten , fing er damit an , daß er ihren Gründen noch mehr Stärke gab , als sie selbst zu tun fähig gewesen waren .
Die Aufmerksamkeit war außerordentlich ; jedermann war mehr begierig , zu hören , wie Agathon sich selbst , als wie er seine Gegner würde überwinden können .
Seine Beredsamkeit zeigte sich in einem Lichte , welches die Seelen der Zuhörer blendete , die Wichtigkeit des Augenblicks , der den Ausgang seines ganzen Vorhabens entschied , die Würde des Gegenstandes , die Begierde zu siegen , und vermutlich auch die herzliche Abneigung gegen die Demokratie , welche ihm aus Athen in seine Verbannung gefolgt war ; alles setzte ihn in eine Begeisterung , welche die Kräfte seiner Seele höher spannte ; seine Ideen waren so groß , seine Gemälde so stark gezeichnet , mit so vielem Feuer gemalt , seine Gründe jeder für sich selbst so schimmernd , und liehen einander durch ihre Zusammenordnung so viel Licht ; der Strom seiner Rede , der anfänglich in ruhiger Majestät dahinfloß , wurde nach und nach so stark und hinreissend ; daß selbst diejenigen , bei denen es zum voraus beschlossen war , daß er Unrecht haben sollte , sich wie durch eine magische Gewalt genötigt saheu , ihm innerlich Beifall zu geben .
Man glaubte den Merkur oder Apollo reden zu hören , die Kenner ( denn es waren einige zugegen , welche davor gelten konnten ) bewunderten am meisten , daß er die Kunstgriffe verschmähte , wodurch die Sophisten gewohnt waren , einer schlimmen Sache die Gestalt einer guten zu geben -- Keine Farben , welche durch ihren Glanz das Betrügliche falscher oder umsonst angenommener Sätze verbergen mußten ; keine künstliche Austeilung des Lichts und des Schattens .
Sein Ausdruck glich dem Sonnenschein , dessen lebender und fast geistiger Glanz sich den Gegenständen mitteilt , ohne ihnen etwas von ihrer eigenen Gestalt und Farbe zu benehmen .
Indessen müssen wir gestehen , daß er ein wenig grausam mit den Republiken umgieng .
Er bewies , oder schien doch allen die ihn hörten zu beweisen , daß diese Art von Gesellschaft ihren Ursprung in dem wilden Chaos der Anarchie genommen , und daß die Weisheit ihrer Gesetzgeber sich mit schwachem Erfolg bemühet hätte , Ordnung und Konsistenz in eine Verfassung zu bringen , welche ihrer Natur nach , in steter Unruhe und innerlicher Gehrung alle Augenblicke Gefahr laufe , sich durch ihre eigene Kräfte aufzureiben , und welche des Ruhestandes so wenig fähig sei , daß eine solche Ruhe in derselben vielmehr die Folge der äußersten Verderbnis , und gleich einer Windstille auf dem Meer , der gewisse Vorbote des Sturms und Untergangs sein würde .
Er zeigte , daß die Tugend , dieses geheiligte Palladium der Freistaaten , an dessen Erhaltung ihre Gesetzgeber das ganze Glück derselben gebunden hätten , eine Art von unsichtbaren und durch verjährten Aberglauben geheiligten Gözen sei , an denen nichts als der Name verehrt werde ; daß man in diesen Staaten einen stillschweigenden Vertrag mit einander gemacht zu haben scheine , sich durch den Namen und ein gewisses Phantom von Gerechtigkeit , Mässigung , Uneigennützigkeit , Liebe des Vaterlandes und des gemeinen Besten von einander betrügen zu lassen ; und daß unter der Maske dieser politischen Heuchelei , unter dem ehrwürdigen Namen aller dieser Tugenden , das Gegenteil derselben nirgends unverschämter ausgeübt werde .
Es würden , meinte er , eine Menge besonderer Umstände , welche sich in etlichen tausend Jahren kaum einmal in irgend einem Winkel des Erdbodens zusammensenden könnten , dazu erfordert , um eine Republik in dieser Mittelmässigkeit zu erhalten , ohne welche sie von keinem Bestand sein könne :
Und daher daß dieser Fall so selten sei , und von so vielen zufälligen Ursachen abhange , komme es , daß die meisten Republiken entweder zu schwach wären , ihren Bürgern die mindeste Sicherheit zu gewähren ; oder daß sie nach einer Größe strebten , welche nach einer Folge von Mißhelligkeiten , Kabalen , Verschwörungen und Bürgerkriegen endlich den Untergang des Staats nach sich ziehe , und demjenigen , welcher Meister vom Kampf-Plaze bliebe , nichts als Einöden zu bevölkern und Ruinen wieder anfzubauen überlasse .
So gar die Freiheit , auf welche diese Staaten mit Ausschluß aller anderen Anspruch machten , finde kaum in den despotischen Reichen Asiens weniger Platz ; weil entweder das Volk sich demütig gefallen lassen müsse , was die Edlen und Reichen , ihrem besonderen Interesse gemäß , schlössen und handelten ; oder wenn das Volk selbst den Gesetzgeber und Richter mache , kein ehrlicher Mann sicher sei , daß er nicht morgen das Opfer derjenigen sein werde , denen seine Verdienste im Wege stehen , oder die durch sein Ansehen und Vermögen reicher und größer zu werden hofften .
In keinem anderen Staat sei es weniger erlaubt von seinen Fähigkeiten Gebrauch zu machen , selbst zu denken , und über wichtige Gegenstände dasjenige was man für gemeinnützlich halte , ohne Gefahr , bekannt werden zu lassen ; alle Vorschläge zu Verbesserungen würden unter dem verhaßten Namen der Neuerungen verworfen , und zögen ihren Urhebern geheime oder öffentliche Verfolgungen zu .
Selbst die Grundpfeiler der menschlichen Glückseligkeit , und dasjenige , was den gesitteten Menschen eigentlich von dem Wilden und Barbaren unterscheide , Wahrheit , Tugend , Wissenschaften , und die liebenswürdigen Künste der Musen , seien in diesen Staaten verdächtig oder gar verhaßt ; würden durch tausend im Finsteren schleichende Mittel entkräftet , an ihrem Fortgang verhindert , oder doch gewiß weder aufgemuntert noch belohnt ; und allein zu Unterstützung der herrschenden Vorurteile und Mißbräuche verurteilt -- Doch genug ! -- wir haben zu viel Ursache günstiger von freien Staaten zu denken -- wenn es auch nur darum wäre , weil wir die Ehre haben unter einer Nation zu leben , deren Verfassung selbst republikanisch ist , und in der Tat die wunderbarste Art von Republik vorstellt , welche jemals auf dem Erdboden gesehen worden ist -- als daß wir diesen Auszug einer für den Ruhm der Freistaaten so nachteiligen Rede ohne Widerwillen sollten fortsetzen können .
Es geschah aus diesem nämlichen Grunde , daß wir , anstatt den Diskurs des Agathon seinem ganzen Umfange nach aus unserer Urkunde abzuschreiben , uns begnügt haben , einige Züge davon , als eine wiewohl sehr unvollkommene Probe des Ganzen anzuführen .
Ferne soll es allezeit von uns sein , irgend einem Erdenbewohner die Stellung worin er sich befindet , unangenehmer zu machen , als sie ihm bereits sein mag ; oder Anlas zu geben , daß die Gebrechen einiger längst zerstörten Griechischen Republiken , aus denen Agathon seine Gemälde hernahm , zur Verunglimpfung derjenigen mißbraucht werden könnten , welche in neueren Zeiten als ehrwürdige Freistädte und Zufluchts-Plätze der Tugend , der gesunden Denkungs-Art , der öffentlichen Glückseligkeit und einer politischen Gleichheit , welche sich der natürlichen möglichst nähert , angesehen werden können .
Unserer übrigens ganz unmaßgeblichen Meinung nach , gehört die Frage , über welche hier disputiert wurde , unter die wichtigen Fragen -- ob Skaramuz , ob Scapin besser tanze -- und so viele andere von diesem Schlage , ( wenn sie gleich ein ernsthafteres Ansehen haben ) worüber bis auf unsere Tage so viel Zeit und Mühe -- von Gänsespulen , Papier und Tinte nichts zu sagen -- verloren worden , ohne daß sich absehen ließe , wie , worin oder um wieviel die Welt jemals durch ihre Auflösung sollte gebessert werden können .
Wir könnten diese unsere Meinung rechtfertigen ; aber es ist unnötig ; ein jeder hat die Freiheit anders zu meinen wenn er will , ohne daß wir ihn zur Rechenschaft ziehen werden ; hanc veniam petimus , damusque vicissim ; denn in der Tat , ein Buch würde niemals zu Ende kommen , wenn der Autor schuldig wäre , alles zu beweisen , und sich über alles zu rechtfertigen .
Wir übergehen also auch , aus einem anderen Grunde , den wir den Liebhabern der Rätsel und Logogreifen zu erraten geben , die Lobrede , welche Agathon der monarchischen Staats-Verfassung hielt .
Die Beherrscher der Welt scheinen ( mit Recht , würde Philistus sagen , denn ich machte es an ihrem Platz auch so ) ordentlicher Weise sehr gleichgültig über die Meinung zu sein , welche man von ihrer Regierungs-Art hat -- Es gibt Fälle , wir gestehen es , wo dieses eine Ausnahme leidet -- aber diese Fälle begegnen selten , wenn man die Vorsichtigkeit gebraucht , hundert und fünfzigtausend wohlbewaffnete Leute bereit zu halten , mit deren Beistand man sehr wahrscheinlich hoffen kann , sich über die Meinung aller friedsamen Leute in der ganzen Welt hinwegsetzen zu Konen .
Sind nicht eben diese hundert und fünfzigtausend -- oder wenn ihrer auch mehr sind ; desto besser ! -- ein lebendiger , augenscheinlicher , ja der beste Beweis , der alle andere unnötig macht , daß eine Nation glücklich gemacht wird ? -- Genug also ( und dieser Umstand allein gehört wesentlich zu unserer Geschichte ) daß diese Rede , worin Agathon alle Gebrechen verdorbener Freistaaten und alle Vorzüge wohlregierter Monarchien , in zwei kontrastierende Gemälde zusammendrängte , das Glück hatte , alle Stimmen davon zu tragen , alle Zuhörer zu überreden , und dem Redner eine Bewunderung zu zuziehen , welche den Stolz des eitelsten Sophisten hätte sättigen können .
Jedermann war von einem Manne bezaubert , welcher so seltene Gaben mit einer so großen Denkungs-Art und mit so menschenfreundlichen Gesinnungen vereinigte .
Denn Agathon hatte nicht die Tyrannie , sondern die Regierung eines Vaters angepriesen , der seine Kinder wohl erzieht und glücklich zu machen sucht .
Man sagte sich selbst , was für goldene Tage Sizilien sehen würde , wenn ein solcher Mann das Ruder führte .
Er hatte nicht vergessen , im Eingang seines Diskurses dem Verdacht vorzukommen , als ob er die Republiken aus Rachsucht schelte , und die Monarchie aus Schmeichelei und geheimen Absichten erhebe :
Er hatte bei dieser Gelegenheit zu erkennen gegeben , daß er entschlossen sei , nach Tarent überzugehen , um in der ruhigen Dunkelheit des Privatstandes , welchen er seiner Neigung nach allen anderen vorziehe , dem Nachforschen der Wahrheit und der Verbesserung seines Gemüts zuliegen -- ( Redensarten , die in unseren Tagen seltsam und lächerlich klingen würden , aber damals ihre Bedeutung und Würde noch nicht gänzlich verloren hatten . )
Jedermann tadelte oder bedauerte diese Entschließung , und wünschte , daß Dionys alles anwenden möchte , ihn davon zurückzubringen .
Niemals hatte sich die Neigung des Prinzen mit den Wünschen seines Volkes so gleichstimmig befunden wie dieses Mal .
Die starke Zuneigung , die er für die Person unseres Helden , und die hohe Meinung , die er von seinen Fähigkeiten gefasst hatte , war durch diesen Diskurs auf den höchsten Grad gestiegen .
So wenig beständiges auch in Dionysens Charakter war , so hatte er doch seine Augenblicke , wo er wünschte , daß es weniger Verleugnung kosten möchte , ein guter Fürst zu sein .
Die Beredsamkeit Agathons hatte ihn wie die übrige Zuhörer mit sich fortgerissen ; er fühlte die Schönheit seiner Gemälde , und vergaß darüber , daß eben diese Gemalte eine Art von Satire über ihn selbst enthielten .
Er setzte sich vor , dasjenige zu erfüllen , was Agathon auf eine stillschweigende Art von seiner Regierung versprochen hatte ; und um sich die Pflichten , die ihm dieser Vorsatz auferlegte , zu erleichtern , wollte er sie durch eben denjenigen ausüben lassen , der so gut davon reden konnte .
Wo konnte er ein tauglicheres Instrument finden , den Syracusanern seine Regierung beliebt zu machen ?
Wo konnte er einen anderen Mann finden , der so viele angenehme Eigenschaften mit so vielen nützlichen vereinigte ? -- Dionys hatte sich , wie wir schon bemerkt haben , angewöhnt , zwischen seine Entschließungen und ihre Ausführung so wenig Zeit zu setzen als möglich war .
Alles was er einmal wollte , das wollte er hastig und ungeduldig ; denn , in so fern er sich selbst überlassen blieb , sah er eine Sache nur von einer Seite an ; und dieses Mal entdeckte er sich niemand als dem Aristipp , der nichts vergaß , was ihn in seinem Vorhaben bestärken konnte .
Dieser Philosoph erhielt also den Auftrag , dem Agathon Vorschläge zu tun .
Agathon entschuldigte sich mit seiner Abneigung vor dem geschäftigen Leben , und bestimmte den Tag seiner Abreise .
Dionys wurde dringender .
Agathon bestand auf seiner Weigerung , aber mit einer so bescheidenen Art , daß man hoffen konnte , er werde sich bewegen lassen .
In der Tat war seine Absicht nur , die Zuneigung eines so wenig zuverlässigen Prinzen zuvor auf die Probe zu stellen , ehe er sich in Verbindungen einlassen wollte , welche für das Glück anderer und für seine eigene Ruhe so gute oder so schlimme Folgen haben konnten .
Endlich , da er Ursache hatte zu glauben , daß die Hochachtung die er ihm eingeflößt hatte , etwas mehr als ein launischer Geschmack sei , gab er seinem Anhalten nach ; aber nicht anders als unter gewissen Bedingungen , welche ihm Dionys zugestehen mußte .
Er erklärte sich , daß er allein in der Qualität seines Freundes an seinem Hofe bleiben wollte , so lange als ihn Dionys dafür erkennen , und seiner Dienste nötig zu haben glauben würde ; er wollte sich aber auch nicht fesseln lassen , und die Freiheit behalten sich zurückzuziehen , so bald er sähe , daß sein Dasein zu nichts nütze sei .
Die einzige Belohnung , welche er sich befugt halte für seine Dienste zu verlangen , sei diese , daß Dionys seinen Räten folgen möchte , so lange er werde zeigen können , daß dadurch jedesmal das Beste der Nation , und die Sicherheit , der Ruhm und die Privat-Glückseligkeit des Prinzen zugleich befördert werde .
Endlich bat er sich noch aus , daß Dionys niemals einige heimliche Eingebungen oder Anklagen gegen ihn annehmen möchte , ohne ihm solche offenherzig zu entdecken , und seine Verantwortung anzuhören .
Dionys bedachte sich um so weniger , alle diese Bedingungen zu unterschreiben , da er entschlossen war ihn zu haben , wenn es auch die Hälfte seines Reichs kosten sollte .
Agathon bezog also die Wohnung , welche man im Palast aufs prächtigste für ihn ausgerüstet hatte ; Dionys erklärte öffentlich , daß man sich in allen Sachen an seinen Freund Agathon , wie an ihn selbst , wenden könne ; die Höflinge stritten in die Wette , wer dem neuen Günstling seine Unterwürfigkeit auf die sklavenmässigste Art beweisen könne ; und Syracus sah mit froher Erwartung der Wiederkunft der Saturnischen Zeiten entgegen .
Wir machen hier eine kleine Pause , um dem Leser Zeit zu lassen , dasjenige zu überlegen , was er sich selbst in diesem Augenblick für oder wider unseren Helden zu sagen haben mag .
Vermutlich mag einigen der Eifer mißfällig gewesen sein , womit er , aus Haß gegen sein undankbares Vaterland , wider die Republiken überhaupt gesprochen ; indessen daß vielleicht andere sein ganzes Betragen , seit dem wir ihn an dem Hofe des Königs Dionys sehen , einer gekünstelten Klugheit , welche nicht in seinem Charakter sei , und ihm eine schielende Farbe gebe , beschuldigen werden .
Wir haben uns schon mehrmals erklärt , daß wir in diesem Werke die Pflichten eines Geschichtsschreibers und nicht eines Apologesten übernommen haben ; indessen bleibt uns doch erlaubt , von den Handlungen eines Mannes , dessen Leben wir zwar nicht für ein Muster , aber doch für ein lehrreiches Beispiel geben , eben so frei nach unserem Gesichtspunkt zu urteilen , als es unsere Leser aus dem ihrigen tun mögen .
Was also den ersten Punkt betrifft , so haben wir bereits erinnert , daß es unbillig sein würde , dasjenige was Agathon wider die Republiken seiner Zeit gesprochen , für eine , von ihm gewiß nicht abgezielte , Beleidigung solcher Freistaaten anzusehen , welche ( wie er als möglich erkannt hat ) unter dem Einfluß günstiger Umstände , durch ihre Lage selbst vor auswärtigem Neid , und vor ausschweifenden Vergrösserungs-Gedanken gesichert , durch weise Gesetze , und was noch mehr ist , durch die Macht der Gewohnheit , in einer glückseligen Mittelmässigkeit fortdauern , und die Gebrechen kaum dem Namen nach kennen , welche Agathon an den Republiken seiner Zeit für unheilbar angesehen .
Ob er aber diesen letzteren zuviel getan habe , mögen diejenigen entscheiden , welche mit den besonderen Umständen ihrer Geschichte bekannt sind .
Hat die Empfindung des Unrechts , welches ihm selbst zu Athen zugefügt worden , etwas Galle in seine Kritik gemischt ; so ersuchen wir unsere Leser ( nicht dem Agathon zu lieb ; denn was kann diesem durch ihre Meinung von ihm zu- oder abgehen ? ) sich an seinen Platz zu stellen , und sich alsdann zu fragen , wie wert ihnen ein Vaterland sein würde , welches ihnen so mitgespielt hätte ?
Sie mögen sich erinnern , daß es insgemein nur auf eine kleine Beleidigung ihrer Eigenliebe ankommt , um ihre Hochachtung gegen eine Person in Verachtung , ihre Liebe in Abscheu , ihre Lobsprüche in Schmähreden , ihre guten Dienste in Verfolgungen zu verwandeln .
Wie oft , meine Herren , hat sich schon um einer nichts bedeutenden Ursache Willen , ihre ganze Denkungs-Art von Personen und Sachen geändert ? -- Antworten Sie Sich selbst so leise als Sie wollen ; denn wir verlangen nichts davon zu hören ; und wenn Sie , nach diesem kleinen Blick in sich selbst , unserem Helden nicht vergeben können , daß er ein Vaterland nicht liebte , welches alles mögliche getan hatte , sich ihm verhaßt zu machen :
So müssen wir zwar die Strenge ihrer Sitteulehre bewundern ; aber -- doch gestehen , daß wir Sie noch mehr bewundern würden , wenn Sie so lange , bis Sie gelernt hätten etwas weniger Parteilichkeit für sich selbst zu hegen , etwas mehr Nachsicht gegen andere sich empfohlen sein lassen wollten .
Überhaupt hat man Ursache zu glauben , daß Agathon gesprochen habe wie er dachte , und das ist zu Rechtfertigung seiner Redlichkeit genug .
Und warum sollten wir an dieser zu zweifeln anfangen ?
Sein ganzes Betragen , während daß er das Herz des Tyrannen in seinen Händen hatte , bewies , daß er keine Absichten hegte , welche ihn genötigt hätten , ihm gegen seine Überzeugung zu schmeicheln .
Es ist wahr , er hatte Absichten , bei allem was er von dem Augenblick , da er den Fuß in Dionysens Palast setzte , tat ; sollte er vielleicht keine gehabt haben ?
Was können wir , nach der äußersten Schärfe , mehr fordern , als daß seine Absichten edel und tugendhaft sein sollen ; und so waren sie , wie wir bereits gesehen haben .
Es scheint also nicht , daß man Grund habe , ihm aus der Vorsichtigkeit einen Vorwurf zu machen , womit er , in der neuen und schlüpfrigen Situation , worin er war , alle seine Handlungen einrichten mußte , wenn sie Mittel zu seinen Absichten werden sollten .
Wir geben zu , daß eine Art von Zurückhaltung und Feinheit daraus hervorblickt , welche nicht ganz in seinem vorigen Charakter zu sein scheint .
Aber das verdient an sich selbst keinen Tadel .
Es ist noch nicht ausgemacht , ob diese Unveränderlichkeit der Denkungs-Art und Verhaltungs-Regeln , worauf manche ehrliche Leute sich so viel zu gute tun , eine so große Tugend ist , als sie sich vielleicht einbilden .
Die Eigenliebe schmeichelt uns zwar sehr gerne , daß wir so wie wir sind , am besten sind ; aber sie hat Unrecht uns so zu schmeicheln .
Es ist unmöglich , daß indem alles um uns her sich vrrändert , wir allein unveränderlich sein sollten ; und wenn es auch nicht unmöglich wäre , so wäre es unschicklich .
Andere Zeiten erfordern andere Sitten ; andere Umstände , andere Bestimmungen und Wendungen unser Verhaltens .
In moralischen Romanen finden wir freilich Helden , welche sich immer in allem gleich bleiben -- und darum zu loben sind -- denn wie sollte es anders sein , da sie in ihrem zwanzigsten Jahre Weisheit und Tugend bereits in eben dem Grade der Vollkommenheit besitzen , den die Socraten und Epaminondas nach vielfachen Verbesserungen ihrer selbst kaum im sechzigsten erreicht haben ?
Aber im Leben finden wir es anders .
Desto schlimmer für die , welche sich da immer selbst gleich bleiben -- Wir reden nicht von Toren und Lasterhaften -- die Besten haben an ihren Ideen , Urteilen , Empfindungen , selbst an dem worin sie vortrefflich sind , an ihrem Herzen , an ihrer Tugend , unendlich viel zu verändern .
Und die Erfahrung lehrt , daß wir selten zu einer neuen Entwicklung unserer Selbst , oder zu einer merklichen Verbesserung unseres vorigen innerlichen Zustandes gelangen , ohne durch eine Art von Medium zu gehen , welches eine falsche Farbe auf uns reflektiert , und unsere wahre Gestalt eine Zeitlang verdunkelt .
Wir haben unseren Helden bereits in verschiedenen Situationen gesehen ; und in jeder , durch den Einfluß der Umstände , ein wenig anders als er wirklich ist .
Er schien zu Delphi ein bloßer spekulativer Enthusiast ; und man hat in der Folge gesehen , daß er sehr gut zu handeln wußte .
Wir glaubten , nachdem er die schöne Cyane gedemütigt hatte , daß ihm die Verführungen der Wollust nichts anhaben könnten , und Danae bewies , daß wir uns betrogen hatten ; es wird nicht mehr lange anstehen , so wird eine neue vermeinte Danae , welche seine schwache Seite ausfindig gemacht zu haben glauben mag , sich eben so betrogen finden .
Er schien nach und nach ein andächtiger Schwärmer , ein Platonist , ein Republikaner , ein Held , ein Stoiker , ein Wollüstling ; und war keines von allen , ob er gleich in verschiedenen Zeiten durch alle diese Klassen ging , und in jeder eine Nuance von derselben bekam .
So wird es vielleicht noch eine Zeitlang gehen -- Aber von seinem Charakter , von dem was er wirklich war , worin er sich unter allen diesen Gestalten gleich blieb , und was zuletzt , nachdem alles Fremde und Heterogene durch die ganze Folge seiner Umstände davon abgeschieden sein wird , übrig bleiben mag -- davon kann dermalen die Rede noch nicht sein .
Ohne also eben so voreilig über ihn zu urteilen , wie man gewohnt ist , es im täglichen Leben alle Augenblicke zu tun -- wollen wir fortfahren , ihn zu beobachten , die wahren Triebräder seiner Handlungen so genau als uns möglich sein wird auszuspähen , keine geheime Bewegung seines Herzens , welche uns einigen Aufschluß hierüber geben kann , entwischen lassen , und unser Urteil über das Ganze seines moralischen Wesens so lange zurückhalten , bis -- wir es kennen werden .
Erstes Kapitel .
Von Haupt- und Staats-Aktionen .
Betragen Agathons am Hofe des Königs Dionys .
Man tadelt an Shakespeare -- demjenigen unter allen Dichtern seit Homer , der die Menschen , vom Könige bis zum Bettler , und von Julius Cäsar bis zu Jak Fallstaff am besten gekannt , und mit einer Art von unbegreiflicher Intuition durch und durch gesehen hat -- daß seine Stücke keinen , oder doch nur einen sehr fehlerhaften unregelmässigen und schlecht ausgesonnenen Plan haben ; daß komisches und tragisches darin auf die seltsamste Art durch einander geworfen ist , und oft eben dieselbe Person , die uns durch die rührende Sprache der Natur , Tränen in die Augen gelockt hat , in wenigen Augenblicken darauf uns durch irgend einen seltsamen Einfall oder barockeschen Ausdruck ihrer Empfindungen wo nicht zu lachen macht , doch dergestalt abkühlt , daß es ihm hernach sehr schwer wird , uns wieder in die Fassung zu setzen , worin er uns haben möchte . -- Man tadelt das -- und denkt nicht daran , daß seine Stücke eben darin natürliche Abbildungen des menschlichen Lebens sind .
Das Leben der meisten Menschen , und ( wenn wir es sagen dürften ) der Lebenslauf der großen Staatskörper selbst , in so fern wir sie als eben so viel moralische Wesen betrachten , gleicht den Haupt- und Staatsaktionen im alten gotischen Geschmack in so vielen Punkten , daß man beinahe auf die Gedanken kommen möchte , die Erfinder dieser letzteren seien klüger gewesen als man gemeiniglich denkt , und hätten , sofern sie nicht gar die heimliche Absicht gehabt , das menschliche Leben lächerlich zu machen , wenigstens die Natur eben so getreu nachahmen wollen , als die Griechen sich angelegen sein ließen sie zu verschönern .
Um itzo nichts von der zufälligen Ähnlichkeit zu sagen , daß in diesen Stücken , so wie im Leben , die wichtigsten Rollen sehr oft gerade durch die schlechtesten Akteurs gespielt werden -- was kann ähnlicher sein , als es beide Arten der Haupt und Staats-Aktionen einander in der Anlage , in der Abteilung und Disposition der Szenen , im Knoten und in der Entwicklung zu sein pflegen .
Wie selten fragen die Urheber der einen und der anderen sich selbst , warum sie dieses oder jenes gerade so und nicht anders gemacht haben ?
Wie oft überraschen sie uns durch Begebenheiten , zu denen wir nicht im mindesten vorbereitet waren ?
Wie oft sehen wir Personen kommen und wieder abtreten , ohne daß sich begreifen läßt , warum sie kamen , oder warum sie wieder verschwinden ?
Wie viel wird in beiden dem Zufall überlassen ?
Wie oft sehen wir die größten Wirkungen durch die armseligsten Ursachen hervorgebracht ?
Wie oft das Ernsthafte und Wichtige mit einer leichtsinnigen Art , und das Nichtsbedeutende mit lächerlicher Gravität behandelt ?
Und wenn in beiden endlich alles so kläglich verworren und durch einander geschlungen ist , daß man an der Möglichkeit der Entwicklung zu verzweifeln anfängt ; wie glücklich sehen wir durch irgend einen unter Blitz und Donner aus papiernen Wolken herabspringenden Gott , oder durch einen frischen Degen-Hieb den Knoten auf einmal zwar nicht aufgelöst , aber doch aufgeschnitten , welches in so fern auf eines hinaus lauft , daß auf die eine oder andere Art das Stück ein Ende hat , und die Zuschauer klatschen oder zischen können , wie sie wollen oder -- dürfen .
Übrigens weiß man , was für eine wichtige Person in den komischen Tragödien , wovon wir reden , der edle Hans Wurst vorstellt , der sich , vermutlich zum ewigen Denkmal des Geschmacks unserer Voreltern , auf dem Theater der Hauptstadt des deutschen Reichs erhalten zu wollen scheint .
Wollte Gott , daß er seine Person allein auf dem Theater vorstellte !
Aber wie viele große Aufzüge auf dem Schauplatze der Welt hat man nicht in allen Zeiten mit Hans Wurst -- oder , welches noch ein wenig ärger ist , durch Hans Wurst -- aufführen gesehen ?
Wie oft haben die größten Männer , dazu geboren , die schützenden Genii eines Throns , die Wohltäter ganzer Völker und Zeitalter zu sein , alle ihre Weisheit und Tapferkeit durch einen kleinen schnakischen Streiche von Hans Wurst , oder solchen Leuten vereitelt sehen müssen , welche ohne eben sein Wams und seine gelben Hosen zu tragen , doch gewiß seinen ganzen Charakter an sich trugen ?
Wie oft entsteht in beiden Arten der Tragikomödien die Wicklung selbst lediglich daher , daß Hans Wurst durch irgend ein dummes oder schelmisches Stückchen von seiner Arbeit den gescheiten Leuten , ehe sie sich_es versehen können , ihr Spiel verderbt ? -- Manum de tabula ! -- Aber wenn diese Vergleichung , wie wir besorgen , ihren Grund hat ; so mögen wir wohl den Weisen und Rechtschaffenen Mann bedauern , den sein Schicksal dazu verurteilt hat , unter einem schlimmen , oder -- welches ist ärger ? -- unter einem schwachen Fürsten , in die Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten verwickelt zu sein ?
Was wird es ihm helfen , Einsichten und Mut zu haben , nach den besten Grundsätzen und nach dem richtigsten Plan zu handeln ; wenn das verächtlichste Ungeziefer , wenn ein Sklave , ein Kuppler , eine Bacchidion , oder etwas noch schlimmes , irgend ein Parasite , dessen ganzes Verdienst in Geschmeidigkeit , Verstellung und Schalkheit besteht , es in ihrer Gewalt haben , seine Maßregeln zu verrücken , aufzuhalten , oder gar zu hintertreiben ?
Indessen bleibt ihm , wenn er sich einmal an ein so gefahrvolles Abenteuer gewagt hat , wie zum Exempel dasjenige , welches Agathon wirklich zu bestehen hat , kein anderes Mittel übrig , sich selbst zu beruhigen , und auf alle Fälle sein Betragen vor dem unparteiischen Gericht der Weisen und der Nachwelt rechtfertigen zu können -- als daß er sich , ehe er die Hand ans Werk legt , einen regelmässigen Plan seines ganzen Verhaltens entwerfe .
Wenn gleich alle Weisheit eines solchen Entwurfs ihm für den Ausgang nicht Gewähr leisten kann ; so bleibt ihm doch der tröstende Gedanke , alles getan zu haben , was ihn , ohne Zufälle die er entweder nicht vorhersehen , oder nicht hintertreiben konnte , des glücklichen Erfolgs hätte versichern können .
Dieses war also die erste Sorge unseres Helden , nachdem er sich anheischig gemacht hatte , die Person eines Ratgebers und Vertrauten bei dem Könige Dionys zu spielen .
Er sah alle , oder doch einen großen Teil der Schwierigkeiten , einen solchen Plan zu machen , der ihm durch den Labyrinth des Hofes und des öffentlichen Lebens zum Leitfaden dienen könnte .
Aber er glaubte , daß der mangelhafteste Plan besser sei , als gar keiner ; und in der Tat war ihm die Gewohnheit , seine Ideen worüber es auch sein möchte , in ein System zu bringen , so natürlich geworden , daß sie sich , so zu sagen , von sich selbst in einen Plan ordneten , welcher vielleicht keinen anderen Fehler hatte , als daß Agathon noch nicht völlig so übel von den Menschen denken konnte , als es diejenigen verdienten , mit denen er zu tun hatte .
Indessen dachte er doch lange nicht mehr so erhaben von der menschlichen Natur , als ehemals ; oder richtiger zu reden , er kannte den unendlichen Unterschied zwischen dem metaphysischen Menschen , welchen man sich in einer spekulativen Einsamkeit erträumt ; dem natürlichen Menschen , in der rohen Einfalt und Unschuld , wie er aus den Händen der allgemeinen Mutter der Wesen hervorgeht ; und dem gekünstelten Menschen , wie ihn die Gesellschaft , ihre Gesetze , ihre Gebräuche und Sitten , seine Bedürfnissen , seine Abhänglichkeit , der immer währende Kontrast seiner Begierden mit seinem Unvermögen , seines Privat-Vorteils mit den Privat-Vorteilen der übrigen , die daher entspringende Notwendigkeit der Verstellung , und immerwährenden Verlarvung seiner wahren Absichten , und tausend dergleichen physikalische und moralische Ursachen in unzählige betrügliche Gestalten ausbilden -- er kannte , sage ich , nach allen Erfahrungen , die er schon gemacht hatte , diesen Unterschied der Menschen von dem was sie sein könnten , und vielleicht sein sollten , bereits zu gut , um seinen Plan auf platonische Ideen zu gründen .
Er war nicht mehr der jugendliche Enthustast , der sich einbildet , daß es ihm eben so leicht sein werde , ein großes Vorhaben auszuführen , als es zu fassen .
Die Athener hatten ihn auf immer von dem Vorurteil geheilt , daß die Tugend nur ihre eigene Stärke gebrauche , um über ihre Hasser zusiegen .
Er hatte gelernt , wie wenig man von anderen erwarten kann ; wie wenig man auf sie Rechnung machen , und ( was das wichtigste für ihn war ) wie wenig man sich auf sich selbst verlassen darf .
Er hatte gelernt , wieviel man den Umständen nachgeben muß ; daß der vollkommenste Entwurf an sich selbst oft der schlechteste unter den gegebenen Umständen ist ; daß sich das Böse nicht auf einmal gut machen läßt ; daß sich in der moralischen Welt , wie in der materialeschen , nichts in gerader Linie fortbewegt , und daß man selten anders als durch viele Krümmen und Wendungen zu einem guten Zweck gelangen kann -- Kurz , daß das Leben , zumal eines echten Staats-Mannes , einer Schifffahrt gleicht , wo der Pilot sich gefallen lassen muß , seinen Lauf nach Wind und Wetter einzurichten ; wo er keinen Augenblick sicher ist durch widrige Ströme aufgehalten oder seitwärts getrieben zu werden ; und wo alles darauf ankommt , mitten unter tausend unfreiwilligen Abweichungen von der Linie , die er sich in seiner Carte gezogen hat , endlich dennoch , und so bald und wohlbehalten als möglich , an dem vorgesetzten Ort anzulangen .
Diesen allgemeinen Grundsätzen zufolge bestimmte er die Absichten bei allem was er unternahm , den Grad des Guten , welches er sich zu erreichen vorsetzte , und sein Verhalten gegen diejenige , welche ihm dabei am meisten hinderlich oder beförderlich sein könnten -- jenes , nach dem Zusammenhäng aller Umstände , worin er die Sachen antraf -- dieses nach Beschaffenheit der Personen mit denen er es zu tun hatte , oder richtiger zu reden , nach der zum Teil wenig sicheren Vorstellung , die er sich von ihrem Charakter machte .
Er konnte , seit dem er den Dionys näher kannte , nicht daran denken , ein Muster eines guten Fürsten aus ihm zu machen ; aber er hoffte doch nicht ohne Grund , seinen Lastern ihr schädlichstes Gift benehmen , und seiner guten Neigungen , oder vielmehr seiner guten Launen , seiner Leidenschaften und Schwachheiten selbst , sich zum Vorteil des gemeinen Besten bedienen zu können .
Diese Meinung von seinem Prinzen war in der Tat so bescheiden , daß er sie nicht tiefer herabstimmen konnte , ohne alle Hoffnung zu Erreichung seiner Entwürfe aufzugeben ; und doch zeigte sich in der Folge , daß er noch zu gut von ihm gedacht hatte .
Dionys hatte in der Tat Eigenschaften , welche viel gutes versprachen ; aber unglücklicher Weise hatte er für jede derselben eine andere , welche alles wieder vernichtete , was jene zusagte ; und wenn man ihn lange genug in der Nähe betrachtet hatte , so befand sich_es , daß seine vermeinten Tugenden wirklich nichts anders als seine Laster waren , welche von einer gewissen Seite betrachtet , eine Farbe der Tugend annahmen .
Indessen ließ sich doch Agathon durch diese guten Anscheinungen so verblenden , daß er die Unverbesserlichkeit eines Characters von dieser Art , und also den Ungrund aller seiner Hoffnungen nicht eher einsah , als bis ihm diese Entdeckung zu nichts mehr nutzen konnte .
Die größte Schwachheit des Prinzen , seiner Meinung nach , war sein übermäßiger Hang zur Gemächlichkeit und Wollust .
Er hoffte dem ersten dadurch zu begegnen , daß er ihm die Geschäfte so leicht und so angenehm zu machen suchte als möglich war ; und dem anderen , wenn er ihn wenigstens von den wilden Ausschweifungen abgewöhnte , zu denen er sich bisher hatte hinreißen lassen .
Unsere Vergnügungen werden desto feiner , edler und sittlicher , je mehr die Musen Anteil daran haben .
Aus diesem richtigen Grundsatz bemühte er sich , dem Dionys mehr Geschmack an den schönen Künsten beizubringen , als er bisher davon gehabt hatte .
In kurzem wurden seine Paläste , Landhänser und Gärten , mit den Meisterstücken der besten Maler und Bildhauer Griechenlandes angefüllt .
Agathon zog die berühmtesten Virtuosen in allen Gattungen von Athen nach Syracus ; er führte ein prächtiges Odeon nach dem Muster dessen , worauf Perikles den öffentlichen Schatz der Griechen verwendet hatte , auf ; und Dionys fand so viel Vergnügen an den verschiedenen Arten von Schauspielen , womit er , unter der Aufsicht seines Günstlings , fast täglich auf diesem Theater belustiget wurde , daß er , seiner Gewohnheit nach , eine Zeitlang allen Geschmack an anderen Ergötzlichkeiten verloren zu haben schien .
Indessen war doch eine andere Leidenschaft übrig , deren Herrschaft über ihn allein hinlänglich war , alle guten Absichten seines neuen Freundes zu hintertreiben .
Gegenwärtig befand sich die Täuzerin Bacchidion im Besitz derselben ; aber es fiel bereits in die Augen , daß die unmäßige Liebe , welche sie ihm beigebracht , sehr viel von ihrer ersten Heftigkeit verloren hatte .
Es würde vielleicht nicht schwer gehalten haben , die Wirkung seiner natürlichen Unbeständigkeit um etliche Wochen zu beschleunigen .
Aber Agathon hatte Bedenklichkeiten , die ihm wichtig genug schienen , ihn davon abzuhalten .
Die Gemahlin des Prinzen war in keinerlei Betrachtung dazu gemacht , einen Versuch , ihn in die Grenzen der ehelichen Liebe einzuschränken , zu unterstützen .
Dionys konnte nicht ohne Liebeshändel leben ; und die Gewalt , welche seine Mätressen über sein Herz hatten , machte seine Unbeständigkeit gefährlich .
Bacchidion war eines von diesen gutartigen fröhlichen Geschöpfen , in deren Phantasie alles Rosenfarbe ist , und welche keine andere Sorge in der Welt haben , als ihr Dasein von einem Augenblick zum anderen wegzuscherzen , ohne sich jemals einen Gedanken von Ehrgeiz und Habsucht , oder einigen Kummer über die Zukunft anfechten zu lassen .
Sie liebte das Vergnügen über alles ; immer aufgelegt es zu geben und zu nehmen , schien es unter ihren Tritten aufzusprossen ; es lachte aus ihren Augen , und atmete aus ihren Lippen .
Ohne daran zu denken , sich durch die Leidenschaft des Prinzen für sie wichtig zu machen , hatte sie aus einer Art von mechanischer Neigung , vergnügte Gesichter zu sehen , ihre Gewalt über sein Herz schon mehrmals dazu verwandt , Leuten die es verdienten , oder auch nicht verdienten ( denn darüber ließ sie sich in keine Untersuchung ein ) gutes zu tun .
Agathon besorgte , daß ihre Stelle leicht durch eine andere besetzt werden könnte , welche sich versuchen lassen möchte , einen schlimmeren Gebrauch von ihren Reizungen zu machen .
Er hielt es also seiner nicht unwürdig , mit guter Art , und ohne daß es schien , als ob er einige besonderen Aufmerksamkeit auf sie habe , die Neigung des Prinzen zu ihr mehr zu unterhalten als zu bekämpfen .
Er verschaffte ihr Gelegenheit , ihre belustigende Talente in einer Mannigfaltigkeit zu entfalten , welche ihr immer die Reizungen der Neuheit gab .
Er wußte es zu veranstalten , daß Dionys durch öftere kleine Entfernungen verhindert wurde , sich zu bald an dem Vergnügen zu ersättigen , welches er in den Armen dieser angenehmen Kreatur zu finden schien .
Er ging endlich gar so weit , daß er bei Gelegenheit eines Gesprächs , wo die Rede von den allzustrengen Grundsätzen des Plato über diesen Artikel war , sich kein Bedenken machte , zu sagen :
Daß es unbillig sei , einen Prinzen , welcher sich die Erfüllung seiner großen und wesentlichen Pflichten mit gehörigem Ernst angelegen sein lasse , in seinen Privat-Ergötzungen über die Grenzen einer anständigen Mässigung einschränken zu wollen .
Alles , was ihm hierüber wiewohl in allgemeinen ausdrücken , entfiel , schien die Bedeutung einer stillschweigenden Einwilligung in die Schwachheit des Prinzen für die schöne Bacchidion zu haben , und in der Tat war dieses sein Gedanke .
Wir lassen dahin gestellt sein , ob die gute Absicht die er dabei hatte , hinlänglich sein mag , eine so gefährliche Äußerung zu rechtfertigen ; aber es ist gewiß , daß Dionys , der bisher aus einer gewissen Scham vor der Tugend unseres Helden sich bemüht hatte , seine schwache Seite vor ihm zu verbergen , von dieser Stunde an weniger zurückhaltend wurde , und aus dem vielleicht unrichtigen aber sehr gemeinen Vorurteil , daß die Tugend eine erklärte Feindin der Gottheiten von Cythere sein müsse , einen Argwohn gegen unseren Helden faßte , wodurch er um einige Stufen herab , und mit ihm selbst und den übrigen Erdenbewohnern , in Absicht gewisser Schwachheiten , in die nämliche Linie gestellt wurde -- ein Verdacht , der zwar durch die sich selbst immer gleiche Aufführung Agathons bald wieder zum Schweigen gebracht , aber doch nicht so gänzlich unterdrückt wurde , daß sein geheimer Einfluß in der Folge den Beschuldigungen der Feinde Agathons , den Zugang in das Gemüt eines Prinzen nicht erleichtert hätte , welcher ohnehin so geneigt war , die Tugend entweder für Schwärmerei oder für Verstellung zu halten .
Indessen gewann Agathon durch seine Nachsicht gegen die Lieblings-Fehler dieses Prinzen , daß er sich desto williger bewegen ließ , an den Geschäften der Regierung mehr Anteil zu nehmen , als er gewohnt war ; und wir an unserem Teil können es ihm verzeihen , daß er das viele Gute , welches er dadurch erhielt , für eine hinlängliche Vergütung des Tadels ansah , den er sich durch diese Gefälligkeit bei gewissen Leuten von strengen Grundsätzen zuzog , welche in der weiten Entfernung von der Welt , worin sie leben , gute Weile haben , an anderen zu verdammen , was sie an derselben Platz , vielleicht noch schlimmer gemacht haben würden .
Außer der schönen Bacchidion , welche , wie wir gesehen haben , allen ihren Ehrgeiz darein setzte , das Vergnügen eines Prinzen , den sie liebte , auszumachen -- war Philistus , durch die Gnade , worin er bei Dionysen stand , die beträchtlichste Person unter allen denjenigen , mit denen Agathon in seiner neuen Stelle mehr oder weniger in Verhältnis war .
Dieser Mann spielt in diesem Stück unserer Geschichte eine Rolle , welche begierig machen kann , ihn näher kennen zu lernen .
Und über dem ist es eine von den geheiligten Pflichten der Geschichte , den verfälschenden Glanz zu zerstreuen , welchen das Glück und die Gunst der Großen sehr oft über nichtswürdige Kreaturen ausbreitet , um der Nachwelt , zum Exempel , zu zeigen , daß dieser Pallas , welchen so viele Decrete des Römischen Senats , so viele Statuen und öffentliche Ehren-Mähler eben dieser Nachwelt als einen Wohltäter des menschlichen Geschlechts , als einen Halb-Gott ankündigen , nichts besseres noch größeres als ein schamloser lasterhafter Sklave war .
Wenn Philistus in Vergleichung mit einem Pallas oder Tigellin nur ein Zwerg gegen einen Riesen scheint , so kommt es in der Tat allein von dem unermeßlichen Unterschied zwischen der Römischen Monarchie im Zeitpunkt ihrer äußersten Höhe , und dem kleinen Staat , worin Dionys zu gebieten hatte , her .
Eben dieser Teufel , der seinem schlimmen Humor Luft zu machen , eine Herde Schweine ersäufte , würde mit ungleich größerem Vergnügen den ganzen Erdboden unter Wasser gesetzt haben , wenn er Gewalt dazu gehabt hätte :
Und Philistus würde Pallas gewesen sein , wenn er das Glück gehabt hätte , in den Vorzimmern eines Claudius aufzuwachsen .
Die Proben , welche er in seiner kleinen Sphäre von dem was er in einer größeren fähig gewesen wäre , ablegte , lassen uns nicht daran zweifeln .
Ein geborener Sklave , und in der Folge einer von den Freigelassenen des alten Dionys , hatte er sich schon damals unter seinen Kameraden durch den schlauesten Kopf und die geschmeidigste Gemüts-Art hervorgetan , ohne daß es ihm jedoch einigen besonderen Vorzug bei seinem Herrn verschaffet hätte .
Philistus grämte sich billig über diese wiewohl nicht ungewöhnliche Laune des Glücks ; aber er wußte sich selbst zu helfen .
Glücklichere Vorgänger hatten ihm den Weg gezeigt , sich ohne Mühe und ohne Verdienste zu dieser hohen Stufe emporzuschwingen , nach welcher ihm eine Art von Ambition , die sich in gewissen Seelen mit der verächtlichsten Niederträchtigkeit vollkommen wohl verträgt , ein ungezähmtes Verlangen gab .
Wir haben schon bemerkt , daß der jüngere Dionys von seinem Vater ungewöhnlich hart gehalten wurde .
Philistus war der einzige , der den Verstand hatte zu sehen , wieviel Vorteil sich aus diesem Umstande ziehen lasse .
Er fand Mittel , die Nächte des jungen Prinzen angenehmer zu machen als seine Tage waren .
Brauchte es mehr , um als ein Wohltäter von ihm angesehen zu werden , dessen gute Dienste er niemals genug werde belohnen können ?
Philistus ließ es nicht dabei bewenden ; er fiel auf den Einfall , zu gleicher Zeit , und durch einen einzigen kleinen Handgriff , sich dieser Belohnung würdiger und bälder teilhaft zu machen .
Eine bösartige Kolik , wozu er das Rezept hatte , beschleunigte das Ende des alten Tyrannen ; Philistus war der erste , der seinem jungen Gebieter die freudige Nachricht brachte , und nun sah er sich auf einmal in dem geheimsten Vertrauen eines Königs , und in kurzem am Ruder des Staats .
Diese wenigen Anekdoten sind zureichend , uns einen so sicheren Begriff von dem moralischen Charakter dieses würdigen Ministers zu geben , daß er nunmehr das ärgste dessen ein Mensch fähig ist , begehen könnte , ohne daß wir uns darüber verwundern würden .
Aber was für ein Physiognomist müßte der gewesen sein , der diese Anekdoten in seinen Augen hätte lesen können ?
Es ist wahr , Agathon dachte anfangs nicht vorteilhaft von ihm ; aber wie hätte er , ohne besondere Nachrichten zu haben , oder selbst ein Philistus zu sein , sich vorstellen sollen , daß Philistus das sein könnte , was er war ?
Wenige kannten die inwendige Seite dieses Mannes ; und diese wenige waren zu gute Hofmänner , um ihren bisherigen Gönner eher zu verraten , als sein Sturz gewiß war , und sie wissen konnten , was sie dadurch gewinnen würden ; und Aristipp , für den sein wahrer Charakter gleichfalls kein Geheimnis war , hatte sich vorgesetzt , einen bloßen Zuschauer abzugeben .
Agathon konnte also desto leichter hintergangen werden , da Philistus alle seine Verstellungs-Kunst anstrengte , sich bei ihm in Achtung zu setzen .
Zu seinem großen Mißvergnügen konnte er mit aller Kenntnis , die er ( nach einem gewöhnlichen , wiewohl sehr betrüglichen Vorurteil der Hofleute ) von den Menschen zu haben glaubte , die schwache Seite unseres Helden nicht ausfindig machen .
Es blieb ihm also kein anderer Weg übrig , als durch eine große Arbeitsamkeit und Pünktlichkeit in den Geschäften sich bei dem neuen Günstling in das Ansehen eines brauchbaren Mannes , und durch Tug enden , die er eben so leicht als man eine Maskerade-Kleidung anzieht , affektieren konnte , so bald er ihrer vonnöten hatte , sich endlich so gar in das Ansehen eines ehrlichen Mannes zu setzen .
Da zu diesen Eigenschaften , welche Agathon in ihm zu finden glaubte , noch die Achtung , welche Dionys für ihn trug , und die Betrachtung hinzukam , daß es für den Staat weniger sicher sei , einen ehrgeizigen Minister abzudanken , als ihn mit scheinbarer Beibehaltung seines Ansehens in engere Schranken zu setzen :
So geschah es , daß sich diejenige in ihrer Meinung betrogen fanden , welche den Fall des Philistus für eine unfehlbare Folge der Erhebung Agathons gehalten hatten .
Das Ansehen desselben schien sich eher zu vermehren , indem er zum Vorsteher aller der verschiedenen Tribunalien ernennt wurde , unter welche Agathon , mit der erforderlichen Einschränkung und Subordination , diejenige Gewalt verteilte , welche vormals von den Vertrauten des Prinzen willkürlich ausgeübt worden war :
In der Tat aber wurde er dadurch beinahe in die Unmöglichkeit gesetzt , böses zu tun , sofern ihn etwan eine Versuchung dazu ankommen sollte ; da er bei allen seinen Handlungen von so vielen Augen beobachtet , und verbunden war , von allem Rechenschaft zu geben , und nichts ohne die Einstimmung des Prinzen , oder , welches eine Zeitlang einerlei war , seines Repräsentanten , zu unternehmen .
Wir könnten ohne Zweifel viel schönes von der Staatsverwaltung Agathons sagen , wenn wir uns in eine ausführliche Erzählung aller der nützlichen Ordnungen und Einrichtungen ausbreiten wollten , welche er in Absicht der Staats-Ökonomie , der Einziehung und Verwaltung der öffentlichen Einkünfte , der Polizei , der Landwirtschaft , des Handlungs-Wesens , und ( welches in seinen Augen eines der wesentlichsten Stücke war ) der öffentlichen Sitten und der Bildung der Jugend , teils wirklich zu machen anfing , teils gemacht haben würde , wenn ihm die Zeit dazu gelassen worden wäre .
Allein alles dieses gehört nicht zu dem Plan des gegenwärtigen Werkes ; und es wäre in der Tat nicht abzusehen , wozu ein solcher Detail in unseren Tagen nutzen sollte , worin die Kunst zu regieren einen Schwung genommen zu haben scheint , der die Maßregeln und das Beispiel unseres Helden eben so unnütz macht , als die Projekte des guten Abts von Saint Pierre , patriotischen Gedächtnisses .
Die Art , wie sich Agathon ehemals seines Ansehens und Vermögens zu Athen bedient hat , kann unseren Lesern einen hinlänglichen Begriff davon geben , wie er sich einer beinahe unumschränkten Macht und eines königlichen Vermögens bedient haben werde .
Nur einen Umstand können wir nicht vorbeigehen , weil er einen merklichen Einfluß in die folgende Begebenheiten unseres Helden hatte .
Dionys befand sich , als Agathon an seinen Hof kam , in einen Krieg mit den Carthaginensern verwickelt , welche durch verschiedene kleine Republiken des südlichen und westlichen Teils von Sizilien unterstützt , unter dem Schein sie gegen die Übermacht von Syracus zu schützen , sich der innerlichen Zwietracht der Sizilianer , als einer guten Gelegenheit bedienen wollten , diese für ihre Handlungs-Absichten unendlich vorteilhaft gelegene Insel in ihre Gewalt zu bringen .
Einige von diesen kleinen Republiken wurden von so genannten Tyrannen beherrscht ; und diese hatten sich bereits in die Arme der Carthaginenser geworfen ; die anderen hatten sich bisher noch in einer Art von Freiheit erhalten , und schwankten , zwischen der Furcht von Dionysen überwältiget zu werden , und dem Mißtrauen in die Absichten ihrer anmaßlichen Beschützer , in einem Gleichgewicht , welches alle Augenblicke auf die Seite der letzteren überzuziehen drohte .
Timocrates dem Dionys die oberste Befehlhabers-Stelle in diesem Kriege anvertraute , hatte sich bereits durch einige Vorteile über die Feinde den oft wohlfeilen Ruhm eines guten Generals erworben ; aber mehr darauf bedacht , bei dieser Gelegenheit Lorbeern und Reichtümer zu sammeln , als das wahre Interesse seines Prinzen zu besorgen , hatte er das Feuer der innerlichen Unruhen Siziliens mehr ausgebreitet als gedämpft , und durch seine Aufführung sich bei denjenigen , welche noch keine Partei genommen hatten , so verhaßt gemacht , daß sie im Begriff waren sich für Karthago zu erklären .
Agathon glaubte , daß seine Beredsamkeit dem Dionys in diesen Umständen größere Dienste tun könne , als die ganze , wiewohl nicht verächtliche Land- und Seemacht , welche Timocrates unter seinen Befehlen hatte .
Er hielt es für besser Sizilien zu beruhigen , als zu erobern ; besser es zu einer Art von freiwilliger Übergabe an Syracus zu bewegen , als es den Gefahren und verderblichen Folgen eines Kriegs ausgesetzt zu lassen , der , wenn er auch am Glücklichsten für den Dionys ausfiele , ihm doch nichts mehr als den zweydentigen Vorteil verschaffen würde , seine Untertanen um eine Anzahl gezwungener und mißvergnügter Leute vermehrt zu haben , auf deren guten Willen er keinen Augenblick hätte zählen können .
Dionys konnte den Gründen , womit Agathon sein Vorhaben , und die Hoffnung des gewünschten Ausgangs unterstützte , seinen Beifall nicht versagen .
Überhaupt galt es ihm gleich , durch was für Mittel er zu ruhigem Besitz der höchsten Gewalt in Sizilien gelangen könnte , wenn er nur dazu gelangte ; und ob er gleich klein genug war , sich auf die zwar wenig entscheidende aber desto prahlerischer vergrösserte Siege seines Feldherrn eben so viel einzubilden , als ob er sie selbst erhalten hätte ; so war er doch auch feigherzig genug , sich zu dem unrühmlichsten Frieden geneigt zu fühlen , so bald er mit einiger Aufmerksamkeit an die Unbeständigkeit des Kriegs-Glückes dachte .
Die edleren Beweggründe unseres Helden fanden also leicht Eingang bei ihm , oder richtiger zu reden , Agathon schrieb die gefällige Disposition , die er bei ihm fand , dem Eindruck seiner eigenen Vorstellungen zu , ohne wahrzunehmen , daß sie ihren eigentlichen Grund in der niederträchtigen Gemütsart des Prinzen hatte .
Er begab sich also ingeheim ( denn es war ihm daran gelegen , daß Timocrates von seinem Vorhaben keinen Wink bekäme ) in diejenige Städte , welche im Begriff Stunden , die Partei von Karthago zu verstärken .
Es gelang ihm , die widrigen Vorurteile zu zernichten , womit er alle Gemüter gegen die gefürchtete Tyrannie Dionysens eingenommen fand ; er überzeugte sie so vollkommen davon , daß das Beste eines jeden besonderen Teils von dem Besten des ganzen Sizilien unzertrennlich sei ; machte ihnen ein so schönes Gemälde von dem glücklichen Zustande dieser Insel , wenn alle Teile derselben durch die Bande des Vertrauens und der Freundschaft , sich in Syracus als in dem gemeinschaftlichen Mittelpunkt vereinigen würden -- daß er mehr erhielt als er gehofft hatte , und so gar mehr als er verlangte .
Er wollte nur Bundsgenossen , und es fehlte wenig , so würden sie in einem Anstoß von überfließender Zuneigung zu ihm , sich ohne Bedingung zu Untertanen eines Prinzen ergeben haben , von dessen Minister sie so sehr bezaubert waren .
Die Veränderung , welche hierdurch in den öffentlichen Angelegenheiten gemacht wurde , brachte den Krieg so schnell zu Ende , daß Timocrates keine Gelegenheit bekam , durch ein entscheidendes Treffen ( es möchte allen falls gewonnen oder verloren sein ) Ehre einzulegen .
Man kann sich vorstellen , ob Agathon sich dadurch die Freundschaft dieses Mannes , den sein großes Vermögen und die Verschwägerung mit dem Prinzen zu einer wichtigen Person machte , erworben ; und mit welchen Augen Timocrates den allgemeinen Beifall , die frohlockenden Segnungen der Nation , welche unseren Helden nach Syracus zurückbegleiteten , die Merkmale der Hochachtung , womit er von dem Prinzen empfangen wurde , und das außerordentliche Ansehen , worin er sich durch diese friedsame Eroberung befestigte , angeschielt haben werde .
genötigt , seinen Unwillen und Haß gegen einen so siegreichen Nebenbuhler in sich selbst zu verschließen , lauerte er nur desto ungeduldiger auf Gelegenheiten , in geheim an seinem Untergang zu arbeiten ; und wie hätte es ihm an einem Hofe , und an dem Hofe eines solchen Fürsten , an Gelegenheiten fehlen können ?
Zweites Kapitel .
Beispiele , daß nicht alles , was gleißt , Gold ist .
Wenn Agathon während einer Staats-Verwaltung , welche nicht ganz zwei Jahre dauerte , das vollkommenste Vertrauen seines Prinzen und die allgemeine Liebe der Nation , welche er regierte , gewann , und sich dadurch auf diese hohe Stufe des Ansehens und der Schein baren Zehntes Buch , zweites Kapitel . baren Glückseligkeit emporschwang , welche unverdienter Weise , der Gegenstand der Bewunderung aller kleinen , und des Neides aller zugleich boshaften Seelen zu sein pflegt :
So müssen wir gestehen , daß diese lannische unerklärbare Macht , welche man Glück oder Zufall nennt , den wenigsten Anteil daran hatte .
Die Verdienste , die er sich in so kurzer Zeit um den Prinzen sowohl als die Nation machte , die Beruhigung Siziliens , das befestigte Ansehen von Syracus , die Verschönerung dieser Hauptstadt , die Verbesserung ihrer Polizei , die Belebung der Künste und Gewerbe , und die allgemeine Zuneigung , welche er einer vormals verabscheuten Regierung zuwandte -- alles dieses legte ein unverwerfliches Zeugnis für die Weisheit seiner Staats-Verwaltung ab ; und da alle diese Verdienste durch die Uneigennützigkeit und Regelmässigkeit seines Betragens in ein Licht gestellt wurden , welches keine Mißdeutung zu zulassen schien ; so blieb seinen heimlichen Feinden , ohne die ungewisse Hilfe irgend eines Zufalls , von dem sie selbst noch keine Vorstellung hatten , wenig Hoffnung übrig , ihn so bald wieder zu stürzen , als sie es für ihre Privatabsichten wünschen mochten .
Die heimlichen Feinde Agathons -- wie konnte ein Mann , der sich so untadelig betrug , und um jedermann Gutes verdiente , Feinde haben ? -- werden diejenige vielleicht denken , welche bei Gelegenheit , zu vergessen scheinen , daß der weise Mann notwendig alle Narren , und der Rechtschaffene , unvermeidlicher Weise , alle die es nicht sind , zu öffentlichen , oder doch gewiß zu immerwährenden heimlichen Feinden haben muß .
Eine Wahrheit , welche in der Natur der Sachen so gegründet , und durch eine nie unterbrochene Erfahrung so bestätiget ist , daß wir weit bessere Ursache zu fragen haben : Wie sollte ein Mann , der sich so wohl betrug , keine Feinde gehabt haben ?
Es konnte nicht anders sein als daß derjenige , dessen beständige Bemühung dahin ging , seinen Prinzen tugendhaft , oder doch wenigstens seine Schwachheiten unschädlich zu machen , sich den herzlichen Haß dieser Höflinge zuziehen mußte , welche ( wie Montesquieu von allen Hofleuten behauptet ) nichts so sehr fürchten , als die Tugend des Fürsten , und keinen zuverlässigeren Grund ihrer Hoffnungen kennen , als seine Schwachheiten .
Sie konnten nicht anders als den Agathon für denjenigen ansehen , der allen ihren Absichten und Entwürfen im Wege stand .
Er verlangte zum Exempel , daß man vorher Verdienste haben müsse , ehe man an Belohnungen Ansprüche mache ; sie wußten einen kürzeren und bequemeren Weg ; einen Weg auf welchem zu allen Zeiten ( die Regierungen der Antonine und Juliane ausgenommen ) die nichtswürdigsten Leute an Höfen ihr Glück gemacht haben -- kriechende Schmeichelei , blinde Gefälligkeit gegen die Leidenschaften unserer Oberen , Gefühllosigkeit gegen alle Regungen des Gewissens und der Menschlichkeit , Taubheit gegen die Stimme aller Pflichten , unerschrockene Unverschämtheit sich selbst Talente und Verdienste beizulegen , die man nie gehabt hat ; fertige Bereitwilligkeit jedes Bubenstück zu begehen , welches eine Stufe zu unserer Erhebung werden kann -- und diesen Weg hatte ihnen Agathon auf einmal versperrt .
Sie sahen , so lange dieser seltsame Mann den Platz eines Günstlings bei Dionysen behaupten würde , keine Möglichkeit , wie Leute von ihrer Art sollten gedeihen können .
Sie hassten ihn also ; und wir können versichert sein , daß in den Herzen aller dieser Höflinge eine Art von Zusammem-Verschwörung gegen ihn brütete , ohne daß es dazu einiger geheimen Verabredung bedurfte .
Allein von allem diesem wurde noch nichts sichtbar .
Die Maske , welche sie vorzunehmen für gut fanden , sah einem Gesicht so gleich , daß Agathon selbst dadurch betrogen wurde ; und sich gegen die Philiste und Timocrate , und ihre Kreaturen eben so bezeugte , als ob die Hochachtung , welche sie ihm bewiesen , und der Beifall , den sie allen seinen Maßnehmungen gaben , aufrichtig gewesen wäre .
Diese wackeren Männer hatten einen gedoppelten Vorteil über ihn -- daß er , weil er sich nichts Böses zu ihnen versah , nicht daran dachte , sie scharf zu beobachten --- und daß sie , weil sie sich ihrer eigenen Bosheit bewußt waren , desto vorsichtiger waren , ihre wahren Gesinnungen in eine undurchdringliche Verstellung einzuhüllen .
Versichert wie sie waren , daß ein Mensch notwendig eine schwache Seite haben müsse , gaben sie sich alle mögliche Mühe die seinige zu finden , und stellten ihn , ohne daß er einen Verdacht deswegen auf sie werfen konnte , auf alle mögliche Proben .
Da sie ihn aber gegen Versuchungen , denen sie selbst zu unterliegen pflegten , gleichgültig oder gewaffnet fanden ; so blieb ihnen , bis auf irgend eine günstige Gelegenheit nichts übrig , als ihn durch den magischen Dunst einer subtilen Schmeichelei einzuschläfern , welche er desto leichter für Freundschaft halten konnte , da sie alle Anscheinungen derselben hatte ; und je mehr er berechtiget war , in einem Lande , worin er sich um alle verdient machte , einen jeden für seinen Freund zu halten .
Diese Absicht gelang ihnen , und man muß gestehen , daß sie dadurch schon ein großes über ihn gewonnen hatten .
Übrigens können wir nicht umhin , es mag nun unserem Helden nachteilig sein oder nicht , zu gestehen , daß zu einer Zeit , da sein Ansehen den höchsten Gipfel erreicht hatte ; da Dionys ihn mit Beweisen einer unbegrenzten Gunst überhäufte ; da er von dem ganzen Sizilien für seinen Schutzgott angesehen wurde , und das seltene , wo nicht ganz unerhörte Glück zu genießen schien , in einem so blendenden Glücksstande lauter Bewundrer und Freunde , und keinen Feind zu haben -- die Damen zu Syracus die einzigen waren , welche ihre wenige Zufriedenheit mit seinem Betragen ziemlich deutlich merken ließen .
Mit einer Figur wie die seinige , mit allem dem was den Augen und Herzen nachstellt in so außerordentlichem Grade begabt , war es sehr natürlich , daß er die Aufmerksamkeit der Schönen auf sich ziehen mußte .
Die Damen zu Syracus hatten so gut Augen wie die zu Smyrna --- und Herzen da zu -- oder wenn sie keine hatten , so hatten sie doch etwas , dessen Bewegungen sehr gewöhnlich mit den Bewegungen des Herzens verwechselt werden ; oder wenn sie auch das nicht hatten , so hatten sie doch Eitelkeit , und konnten also nicht gleichgültig gegen die eigensinnige Unempfindlichkeit eines Mannes sein , welcher eben dadurch ein Feind wurde , dessen Überwindung seine Siegerin zur Liebenswürdigsten ihres Geschlechts zu erklären schien .
In den Augen der meisten Schönen ist der Günstling eines Monarchen allezeit ein Adonis ; wie natürlich war also der Wunsch , einen Adonis empfindlich zu machen , der noch dazu der Liebling eines Königs , und in der Tat , den Namen , und eine gewisse Binde um den Kopf ausgenommen , der König selbst war ?
Man kann sich auf die Geschicklichkeit der schönen Sizilianerinnen verlassen , daß sie nichts vergessen haben werden , seiner Kaltsinnigkeit auch nicht den Schatten einer anständigen Entschuldigung übrig zu lassen .
Und womit hätte sie wohl entschuldiget werden können ?
Es ist wahr , ein Mann , der mit der Sorge für einen ganzen Staat beladen ist , hat nicht so viel Muße als ein junger Herr , der sonst nichts zu tun hat , als sein Gesicht alle Tage ein paarmal im Vorzimmer zu zeigen , und die übrige Zeit von einer Schönen , und von einer Gesellschaft zur anderen fortzuflattern .
Aber man mag so beschäftiget sein als man will , so behält man doch allezeit Stunden für sich selbst , und für sein Vergnügen übrig ; und obgleich Agathon sich seinen Beruf etwas schwerer machte , als er in unseren Zeiten zu sein pflegt , nachdem man das Geheimnis erfunden hat , die schwersten Dinge mit einer gewissen unseren plumperen Vorfahren unbekannten Leichtigkeit -- vielleicht nicht so gut , aber doch artiger -- zu tun ; so war es doch Augenscheinlich , daß er solche Stunden hatte .
Der Einfluß , den er in die Staats-Verwaltung hatte , schien ihm so wenig zu schaffen zu machen ; er brachte so viel Freiheit des Geistes , so viel Munterkeit und guten Humor zur Gesellschaft , und zu den Ergötzlichkeiten , wo ihn Dionys fast immer um sich haben wollte , daß man die Schuld seiner seltsamen Aufführung unmöglich seinen Geschäften beimessen konnte .
Man mußte also sie begreiflich zu machen auf andere Hypothesen verfallen .
Anfangs hielt eine jede die andere im Verdacht , die geheime Ursache davon zu sein ; und so lange dieses dauerte , hätte man sehen sollen , mit was für Augen die guten Damen einander beobachteten , und wie oft man in einem Augenblicke eine Entdeckung gemacht zu haben glaubte , welche der folgende Augenblick wieder vernichtigte .
Endlich befand sich_es , daß man einander Unrecht getan hatte ; Agathon war gegen alle gleich verbindlich , und liebte keine .
Auf eine Abwesende konnte man keinen Argwohn werfen ; denn was hätte ihn bewegen sollen , den Gegenstand seiner Liebe von sich entfernt zu halten ?
Es blieben also keine andere als solche Vermutungen übrig , welche unserem Helden auf die eine oder andere Art nicht sonderliche Ehre machten ; ohne daß sie den gerechten Verdruß vermindern konnten , den man über ein so wenig natürliches und in jeder Betrachtung so verhaßtes Phänomen empfinden mußte .
Unsere Leser , welche nicht vergessen haben können , was Agathon zu Smyrna war , werden so gleich auf einen Gedanken kommen , welcher freilich den Damen zu Syracus unmöglich einfallen konnte -- nämlich , daß es ihnen vielleicht an Reizungen gefehlt habe , um einen hinlänglichen Eindruck auf ein Herz zu machen , welches nach einer Danae ( welch ein Gemälde macht dieses einzige Wort ! ) nicht leicht etwas würdig finden konnte , seine Neugier rege zu machen .
Allein wenn die Nachrichten , denen wir in dieser Geschichte folgen , Glauben verdienen , so hat eine den mehr bemehlten Damen so wenig schmeichelnde Vermutung nicht den geringsten Grund :
Syracus hatte Schönen , welche so gut als Danae , den Polykletten zu Modellen hätten dienen können ; und diese Schönen hatten alle noch etwas dazu , das die Schönheit gelten macht ; einige Witz , andere Zärtlichkeit ; andere wenigstens ein gutes Teil von dieser edlen Unverschämtheit , welche eine gewisse Klasse von modernen Damen zu caracterisiren scheint , und zuweilen schneller zum Zweck führt als die vollkommensten Reizungen , welche unter dem Schleier der Bescheidenheit versteckt , ein nachteiliges Mißtrauen in sich selbst zu verraten scheinen .
Es konnte also nicht das sein -- Gut !
So wird er sich etwan des Sokratischen Geheimnisses bedient , und in den verschwiegenen Liebkosungen irgend einer gefälligen Cypassis das leichteste Mittel gefunden haben , sich vor der Welt die Mine eines Xenokrattes zu geben ? -- Das auch nicht !
wenigstens sagen unsere Nachrichten nichts davon .
Ohne also den Leser mit vergeblichen Mutmassungen aufzuhalten , wollen wir gestehen , daß die Ursache dieser Kaltsinnigkeit unseres Helden , etwas so natürliches und einfältiges war , daß , so bald wir es entdeckt haben werden , Schah Baham selbst sich einbilden würde , er habe wo nicht eben das , doch ungefähr so etwas erwartet .
Der Kaufmann , mit welchem Agathon nach Syracus gekommen war , war einer von denjenigen , welchen er ehemals zu Athen das Bildnis seiner Psyche zu dem Ende gegeben hatte , damit sie mit desto besserem Erfolg aller Orten möchte aufgesucht werden können .
Gleichwohl erinnerte er sich dieses Umstands nicht eher , bis er einsmals bei einem Besuch , den er ihm machte , dieses Bildnis von ungefähr in dem Cabinet seines Freundes ansichtig wurde .
Dasjenige was Agathon in diesem Augenblick empfand , war wenig von dem unterschieden , was er empfunden hätte , wenn es Psyche selbst gewesen wäre .
Die Ideen seiner ersten Liebe wurden dadurch wieder so lebhaft , daß er , so schwach auch seine Hoffnung war , das Urbild jemals wieder zu sehen , sich aufs Neue in dem Entschluß bestätigte , ihrem Andenken getreu zu bleiben .
Die Damen von Syracus hatten also wirklich eine Nebenbuhlerin , ob sie gleich nicht erraten konnten , daß diese zärtlichen Seufzer , welche jede unter ihnen seinem Herzen abzugewinnen wünschte , in mitternächtlichen Stunden vor einer gemalten Gebieterin ausgehaucht wurden .
Unter allen denjenigen , welche sich durch die Unempfindlichkeit unseres Helden beleidiget fanden , konnte keine der schönen Cleonissa in Absicht aller Vollkommenheiten , welche Natur und Kunst in einem Frauenzimmer vereinigen können , den Vorzug streitig machen .
Eine vollkommen regelmässige Schönheit ist ( mit Erlaubnis aller derjenigen , welche dabei interessiert sein mögen , die Grazien ihrer Königin vorzuziehen ) unter allen Eigenschaften , die eine Dame haben kann , diejenige welche den allgemeinsten , geschwindesten und stärksten Eindruck macht ; und für tugendhafte Personen hat sie noch diesen Vorteil , daß sie das Verlangen von der Besitzerin eines so seltenen Vorzugs geliebt zu sein , in dem nämlichen Augenblick durch eine Art von mechanischer Ehrfurcht zurückscheucht , deren sich der verwegenste Satyr kaum erwehren kann .
Cleonissa besaß diese Vollkommenheit in einem so hohen Grade , der den kaltsinnigsten Kennern des Schönen nichts daran zu tadeln übrig ließ ; es war unmöglich sie ohne Bewunderung anzusehen .
Aber die ungemeine Zurückhaltung , welche sie affektierte , das Majestätische , das sie ihrer Mine , ihren blicken und allen ihren Bewegungen zu geben wußte , mit dem Ruf einer strengen Tugend , worein sie sich dadurch gesetzt hatte , verstärkte die bemehlte natürliche Wirkung ihrer Schönheit so sehr , daß niemand kühn genug war , sich in die Gefahr zu wagen , den Jxion dieser Juno abzugeben .
Die Mittelmässigkeit ihrer Herkunft , und sowohl der Stand als die Vorsicht eines eifersüchtigen Ehemannes , hatten sie während ihrer ersten Jugend in einer so großen Entfernung von der Welt gehalten , daß sie eine ganz neue Erscheinung war , als Philistus ( der sie , wir wissen nicht wie , aufgespürt , und Mittel gefunden hatte , sie mit guter Art zur Witwe zu machen ) sie in Qualität seiner Gemahlin an den Hof der Prinzessinnen brachte ; unter welchen Namen die Mutter , die Gemahlin , und die Schwestern des Dionys begriffen wurden .
Nicht viel geneigter als sein Vorgänger , eine Frau von so besonderen Vorzügen mit einem anderen , und wenn es Juplter selbst gewesen wäre , zu teilen , hatte er anfangs alle Behutsamkeit gebraucht , welche der geizige Besitzer eines kostbaren Schatzes nur immer anwenden kann , um ihn vor der schlauesten Nachstellung zu verwahren .
Aber die Tugend der Dame , und die herrschende Neigung , welche Dionys in den ersten Jahren seiner Regierung für diejenige Klasse von Schönen zeigte , welche nicht so viel Schwierigkeiten machen ; vielleicht auch eine gewisse Laulichkeit , welche die Eigentümer dieser Wundertätigen Schönheiten gemeiniglich nach Verfließen zweier oder dreier Jahre , oft auch viel früher , unvermerkt zu überschleichen pflegt ; hatten seine Eifersucht so zahm gemacht , daß er in der Folge kein Bedenken trug , sie den Prinzessinnen so oft sie wollten zur Gesellschaft zu überlassen .
Wir wollen nicht untersuchen , ob Cleonissa damals wirklich so tugendhaft war , als die Sprödigkeit ihres Betragens gegen die Manns-Personen und die strengen Maximen , wonach sie andere von ihrem Geschlecht beurteilte , zu beweisen schienen .
Genug daß die Prinzessinnen , und was noch mehr ist , ihr Gemahl , vollkommen davon überzeugt waren , und daß sich noch keiner von den Höflingen unterstanden hatte , eine so ehrwürdige Tugend auf die Probe zu setzen .
Während der Zeit , da Plato in so großem Ansehen bei Dionysen stand , war Cleonissa eine von den eifrigsten Verehrerinnen dieses Weisen , und diejenige , welche den erhabenen Jargon seiner Philosophie am geläufigsten reden lernte .
Es mag nun aus Begierde sich durch ihren Geist eben so sehr als durch ihre Figur über die übrigen ihres Geschlechts zu erheben , ( eine ziemlich gewöhnliche Schwachheit der eigentlich so genannten Schönen , ) oder aus irgend einem reineren Beweggrunde geschehen sein ; so ist gewiß , daß sie alle Gelegenheiten den göttlichen Plato zu hören mit solcher Begierde suchte , eine so ausnehmende Hochachtung für seine Person , einen so unbedingten Glauben an seine Begriffe von Schönheit und Liebe , und alle übrige Teile seines Systems zeigte , und mit einem Wort , in kurzer Zeit , an Leib und Seele einer Platonischen Idee so ähnlich sah :
Daß dieser weise Mann , stolz auf eine solche Schülerin , durch den besonderen Vorzug , den er ihr gab , die allgemeine Meinung von ihrer Weisheit unendlich erhöhte .
Es ist wahr , es wäre nur auf ihn angekommen , bei gewissen Gelegenheiten gewisse Beobachtungen in ihren schönen Augen zu machen , welche ihn ohne eine lange Reihe von Schlüssen auf die Vermutung hätten bringen können , daß es nicht unmöglich sein würde , diese Göttin zu humanisieren .
Aber der gute Plato hatte damals schon über sechzig Jahre , und machte keine solche Beobachtungen mehr .
Cleonissa blieb also in dem Ansehen eines lebendigen Beweises des Platonischen Lehrsatzes , daß die äußerliche Schönheit ein Widerschein der intellectualischen Schönheit des Geistes sei ; das Vorurteil für ihre Tugend hielt dem Eindruck , welchen ihre Reizungen hätten machen können , das Gleichgewicht ; und sie hatte das Vergnügen , die vollkommene Gleichgültigkeit , welche Dionys für sie behielt , der Weisheit ihres Betragens zu zuschreiben , und sich dadurch ein neues Verdienst bei den Prinzessinnen zu machen .
Aber -- o ! wie wohl läßt sich jener Solonische Ausspruch , daß man niemand vor seinem Ende glücklich preisen solle , auch auf die Tugend der Heldinnen anwenden !
Cleonissa sah den Agathon , und -- hörte in diesem Augenblick auf Cleonissa zu sein -- Nein , das eben nicht ; ob es gleich nach dem Platonischen Sprachgebrauch richtig gesprochen wäre ; aber sie bewies , daß die Prinzessinnen , und sie selbst , und ihr Gemahl , und der Hof , und die ganze Welt , den göttlichen Plato mit eingeschlossen , sich sehr geirrt hatten , sie für etwas anders zu halten als sie war , und als sie einem jeden mit Vorurteilen unbefangenen Beobachter , einem Aristipp zum Exempel , in der ersten Stunde zu sein scheinen mußte .
Sich über einen so natürlichen Zufall zu verwundern , würde unserem Bedünken nach , eine große Sünde gegen das nie genug anzupreisende Nil admirari sein , in welchem ( nach der Meinung erfahrener Kenner der menschlichen Dinge ) das eigentliche große Geheimnis der Weisheit , dasjenige was einen wahren Adepten macht , verborgen liegt .
Die schöne Cleonissa war ein Frauenzimmer , und hatte also ihren Anteil an den Schwachheiten , welche die Natur ihrem Geschlecht eigen gemacht hat , und ohne welche diese Hälfte der menschlichen Gattung weder zu ihrer Bestimmung in dieser sublunarischen Welt so geschickt , noch in der Tat , so liebenswürdig sein würde als sie ist .
Ja wie wenig Verdienst würde selbst ihrer Tugend übrig bleiben , wenn sie nicht durch eben diese Schwachheiten auf die Probe gesetzt würde ?
Dem sei nun wie ihm wolle , die Dame fühlte , so bald sie unseren Helden erblickte , etwas , das die Tugend einer gewöhnlichen Sterblichen hätte beunruhigen können .
Aber es gibt Tugenden von einer so starken Komplexion , daß sie durch nichts beunruhiget werden ; und die ihrige war von dieser Art .
Sie überließ sich den Eindrücken , welche ohne Zutun ihres Willens auf sie gemacht wurden , mit aller Unerschrockenheit , welche ihr das Bewußtsein ihrer Stärke geben konnte .
Die Vollkommenheit des Gegenstandes rechtfertigte die außerordentliche Hochachtung , welche sie für ihn bezeugte .
Große Seelen sind am geschicktesten , einander Gerechtigkeit widerfahren zu lassen ; und ihre Eigenliebe ist so sehr dabei interessiert , daß sie die Parteilichkeit für einander sehr weit treiben können , ohne sich dadurch besonderer Absichten verdächtig zu machen .
Ein so unedler Verdacht konnte ohnehin nicht auf die erhabene Cleonissa fallen ; indessen war doch nichts natürlicher , als die Erwartung , daß sie in unserem Helden eben diesen , wo nicht einen noch höheren Grad der Bewunderung erwecken werde , als sie für ihn empfand .
Diese Erwartung verwandelte sich eben so natürlich in ein mit Unmut vermischtes Erstaunen , da sie sich darin betrogen sah ; und was konnte aus diesem Erstaunen anders werden , als eine heftige Begierde , ihrer durch seine Gleichgültigkeit äußerst beleidigten Eigenliebe eine vollständige Genugtuung zu verschaffen ?
Auch wenn sie selbst gleichgültig gewesen wäre , hätte sie mit Recht erwarten können , daß ein so feiner Kenner ihren Wert zu empfinden , und eine Cleonissa von den kleineren Sternen , welchen nur in ihrer Abwesenheit zu glänzen erlaubt war , zu unterscheiden wissen werde .
Wie sehr mußte sie sich also beleidiget halten , da sie mit diesem edlen Enthusiasmus , womit die privilegierte Seelen sich über die kleinen Bedenklichkeiten gewöhnlicher Leute hinwegsetzen , ihm entgegengeflogen war , und die Beweise ihrer sympathetischen Hochachtung nicht so lange zurückzuhalten gewürdigt hatte , bis sie von der seinigen überzeugt worden wäre ?
Da es nur von ihrer Eigenliebe abhing , die Größe des Unrechts nach der Empfindung ihres eigenen Werts zu bestimmen ; so war die Rache , welche sie sich an unserem Helden zu nehmen vorsetzte , die grausamste , welche nur immer in das Herz einer beleidigten Schönen kommen kann .
Sie wollte die ganze vereinigte Macht aller ihrer intellectualischen und körperlichen Reizungen , verstärkt durch alle Kunstgriffe der schlauesten Koketterie ( wovon ein so allgemeines Genie als das ihrige wenigstens die Theorie besitzen mußte ) dazu anwenden , ihren Undankbaren zu ihren Füßen zu legen ; und wenn sie ihn durch die gehörige Abwechslungen von Furcht und Hoffnung endlich in den kläglichen Zustand eines von Liebe und Sehnsucht verzehrten Seladons gebracht , und sich an dem Schauspiel seiner Seufzer , Tränen , Klagen , Ausrufungen und aller anderen Ausbrüche der verliebten Torheit lange genug ergötzt haben würde -- ihn endlich auf einmal die ganze Schwere der kaltsinnigsten Verachtung fühlen lassen .
So wohlausgesonnen diese Rache war ; so eifrig und mit so vieler Geschicklichkeit wurden die Anstalten dazu ins Werk gesetzt ; und wir müssen gestehen , daß wenn der Erfolg eines Projekts allein von der guten Ausführung abhinge , die schöne Cleonissa den vollständigsten Triumph hätte erhalten müssen , der jemals über den Trotz eines widerspenstigen Herzens erhalten worden wäre .
Ob diese Dame , wenn Agathon sich in ihrem Netze gefangen hätte , fähig gewesen wäre , die Rache so weit zu treiben als sie sich selbst versprochen hatte ? -- ist eine problematische Frage , deren Entscheidung vielleicht sie selbst , wenn der Fall sich ereignet hätte , in keine kleine Verlegenheit gesetzt haben würde .
Aber Agathon ließ es nicht so weit kommen .
Er legte eine neue Probe ab , daß es nur der Danae gegeben war , die schwache Seite von seinem Herzen ausfindig zu machen .
Cleonissa hatte bereits die Hälfte ihrer Künste erschöpft , ehe er nur gewahr wurde , daß ein Anschlag gegen ihn im Werke sei ; und von dem Augenblick , da er es gewahr wurde , stieg sein Kaltsinn , nach dem Verhältnis wie ihre Bemühungen sich verdoppelten , auf einen solchen Grad ; oder deutlicher zu reden , der Absatz , den ihre zuletzt bis zur Unanständigkeit getriebene Nachstellungen mit der affektierten Erhabenheit ihrer Denkungs-Art , und mit der Majestät ihrer Tugend machten , tat eine so schlimme Wirkung bei ihm , daß die schöne Cleonissa sich genötigt sah , die Hoffnung des Triumphs , womit sich ihre Eitelkeit geschmeichelt hatte , gänzlich aufzugeben .
Die Wut , in welche sie dadurch gesetzt wurde , verwandelte sich nach und nach in den vollständigsten Haß , der jemals ( mit Shakespeare zu reden ) die Milch einer weiblichen Brust in Galle verwandelt hat .
Alles was sie ihrer Tugend in diesen Umständen zu tun gab , war , die Bewegungen dieser Leidenschaft so geschickt zu verbergen , daß weder der Hof nach Agathon selbst gewahr wurde , mit welcher Ungeduld sie sich nach einer Gelegenheit sehnte , ihn die Wirkungen davon empfinden zu lassen .
In dieser Situation befanden sich die Sachen , als Dionys , des ruhigen Besitzes der immer gefälligen Bacchidion , und ihrer Tänze überdrüssig , sich zum ersten Mal einfallen ließ , die Beobachtung zu machen , daß Cleonissa schön sei .
Er hatte sie noch nicht lange mit einiger Aufmerksamkeit beobachtet , so dünkte ihn , daß er noch nie keine so schöne Kreatur gesehen habe ; und nun fing er an sich zu verwundern , daß er diese Beobachtung nicht eher gemacht habe .
Endlich erinnerte er sich , daß die Dame sich jederzeit durch eine sehr spröde Tugend und einen erklärten Hang für die Metaphysik unterschieden hatte ; und nun zweifelte er nicht mehr , daß es dieser Umstand gewesen sein müsse , was ihn verhindert habe , ihrer Schönheit eher Gerechtigkeit widerfahren zu lassen .
Eine Art von maschinalischer Ehrfurcht vor der Tugend , die von seiner Indolenz und der furchtbaren Vorstellung herkam , welche er sich von den Schwierigkeiten sie zu besiegen in den Kopf gesetzt hatte , würde ihn vielleicht auch diesmal in den Grenzen einer untätigen Bewunderung gehalten haben , wenn nicht einer von diesen kleinen Zufällen , welche so oft die Ursachen der größten Begebenheiten werden , seine natürliche Trägheit auf einmal in die ungeduldigste Leidenschaft verwandelt hätte .
Da dieser Zufall jederzeit eine Anekdote geblieben ist , so können wir nicht gewiß sagen , ob es ( wie einige Sizilianische Geschichtsschreiber vorgeben ) der nämliche gewesen , wodurch in neueren Zeiten die Schwester des berühmten Herzogs von Marlborough den ersten Grund zu dem außerordentlichen Glück ihrer Familie gelegt haben soll ; oder ob er sie vielleicht von ungefähr in dem Zustand überrascht haben mochte , worin der Aktäon der Poeten das Unglück hatte , die schöne Diana zu erblicken .
Das ist indessen ausgemacht , daß von dieser geheimen Begebenheit an , die Leidenschaft und die Absichten des Dionys einen Schwung nahmen , wodurch sich die Tugend der allzuschönen Cleonissa in keine geringe Verlegenheit gesetzt befand , wie sie in einer so schlüpfrigen Situation dasjenige , was sie sich selbst schuldig war , mit den Pflichten gegen ihren Prinzen vereinigen wollte .
Dionys war so dringend , so unvorsichtig -- und sie hatte so viele Personen in Acht zu nehmen -- sie , die in jedem anderen Frauenzimmer eine Nebenbuhlerin hatte , und bei jedem Schritt von hundert eifersüchtigen Augen belauert wurde , welche nicht ermangelt haben würden , den kleinsten Fehltritt , den sie gemacht hätte , durch eben so viele Zungen der ganzen Welt in die Ohren flüstern zu lassen .
Auf der einen Seite , ein von Liebe brennender König zu ihren Füßen , bereit eine unbegrenzte Gewalt über ihn selbst und über alles was er hatte , um die kleinste ihrer Gunstbezeugungen hinzugeben -- auf der anderen , der glänzende Nuhm einer Tugend , welche noch kein Sterblicher für fehlbar zu halten sich unterstanden hatte , das Vertrauen der Prinzessinnen , die Hochachtung ihres Gemahls -- Man muß gestehen , tausend andere würden sich zwischen zweien auf so verschiedene Seiten ziehenden Kräften nicht zu helfen gewußt haben .
Aber Cleonissa wußte es , ob sie sich gleich zum ersten Mal in dieser Schwierigkeit befand , so gut , daß der ganze Plan ihres Betragens sie schwerlich eine einzige schlaflose Nacht kostete .
Sie sah beim ersten Blick , wie wichtig die Vorteile waren , welche sie in diesen Umständen von ihrer Tugend ziehen konnte .
Das nämliche Mittel , wodurch sie ihren Ruhm sicher stellen , und die Freundschaft der Prinzessinnen erhalten konnte , war unstreitig auch dasjenige , was den unbeständigen Dionys , bei dem vorsichtigen Gebrauch der erforderlichen Aufmunterungen , auf immer in ihren Fesseln behalten würde .
Sie setzte also seinen Erklärungen , Verheissungen , Bitten , Drohungen , ( zu den feineren Nachstellungen war er weder zärtlich noch schlau genug ) eine Tugend entgegen , welche ihn durch ihre Hartnäckigkeit notwendig hätte ermüden müssen , wenn das Mitleiden mit dem Zustand , worein sie ihn zu setzen gezwungen war , sie nicht zu gleicher Zeit vermocht hätte , seine Pein durch alle die kleinen Palliative zu lindern , welche im Grunde für eine Art von Gunstbezeugungen angesehen werden können , ohne daß gleichwohl die Tugend , bei einem Liebhaber wie Dionys war , dadurch zuviel von ihrer Würde zu vergeben scheint .
Die zärtliche Empfindlichkeit ihres Herzens -- die Gewalt welche sie sich antun mußte , einem so liebenswürdigen Prinzen zu widerstehen -- die stillschweigenden Geständnisse ihrer Schwachheit , welche zu eben der Zeit , da sie ihm den entschlossensten Widerstand tat , ihrem schönen Busen wider ihren Willen entflohen --- o ! tugendhafte Cleonissa !
Was für eine gute Actrice warst du ! -- Was hätte Dionys sein müssen , wenn er bei solchen Anscheinungen die Hoffnung aufgegeben hätte , endlich noch glücklich zu werden ?
Inzwischen war , ungeachtet aller Behutsamkeit , welche Cleonissa , und Dionys selbst gebrauchte , die Leidenschaft dieses Prinzen , und die unüberwindliche Tugend seiner Göttin , ein Geheimnis , welches der ganze Hof wußte , wenn man schon nicht dergleichen tat , als ob man Augen oder Ohren hätte .
Cleonissa hatte die Vorsicht gebraucht , die Schwestern des Prinzen , von dem Augenblicke , da sie an seiner Leidenschaft nicht mehr zweifeln konnte , zu ihren Vertrauten zu machen ; diese hatten wieder im Vertrauen alles seiner Gemahlin entdeckt , und die Gemahlin seiner Mutter .
Die Prinzessinnen , welche seine bisherigen Ausschweifungen immer vergebens beseufzet , und besonders gegen die arme Bacchidion einen Widerwillen gefaßt hatten , wovon sich kein anderer Grund , als die launische Denkungsart dieser Damen angeben läßt , waren erfreut , daß seine Neigung endlich einmal auf einen tugendhaften Gegenstand gefallen war .
Die ausnehmende Klugheit der schönen Cleonissa machte ihnen Hoffnung , daß es ihr gelingen würde , ihn unvermerkt auf den rechten Weg zu bringen .
Cleonissa erstattete ihnen jedes Mal getreuen Bericht von allem was zwischen ihr und ihrem Liebhaber vorgegangen war -- oder doch von allem , was die Prinzessinnen davon zu wissen nötig hatten ; alle Maßregeln , wie sie sich gegen ihn betragen sollte , wurden in dem Cabinet der Königin abgeredet ; und diese gute Dame , welche das Unglück hatte , die Kaltsinnigkeit ihres Gemahls gegen sie lebhafter zu empfinden , als es für ihre Ruhe gut war , gab sich alle mögliche Bewegungen , die Bemühungen zu befördern , welche von der tugendhaften Cleonissa angewandt wurden , den Prinzen in die Schranken der Gebühr zurückzubringen .
Alles dieses machte eine Art von Jntrigue aus , bei welcher , ungeachtet der anscheinenden Ruhe , der ganze Hof in innerlicher Bewegung war .
Der einzige Philistus , derjenige der am meisten Ursache hatte , aufmerksam zu sein , wußte nichts von allem was jedermann wußte ; oder bewies doch wenigstens in seinem ganzen Betragen eine so seltsame Sicherheit , daß wir , wenn uns das außerordentliche Vertrauen nicht bekannt wäre , welches er in die Tugend seiner Gemahlin zu setzen Ursache hatte , fast notwendig auf den Argwohn geraten müßten , als ob er gewisse Absichten bei dieser Aufführung gehabt haben könnte , welche seinem Charakter keine sonderliche Ehre machen würden .
Alles ging wie es gehen sollte ; Dionys setzte die Belagerung mit der äußersten Hartnäckigkeit und mit Hoffnungen fort , welche der tapfere Widerstand der weisen Cleonissa ziemlich zweideutig machte -- die Liebe schien noch wenig über ihre Tugend erhalten zu haben , obgleich diese allmählich anfing , von ihrer Majestät nachzulassen , und zu erkennen zu geben , daß sie nicht ganz ungeneigt wäre , unter hinlänglicher Sicherheit sich in ein geheimes Verständnis , in so fern es eine bloße Liebe der Seele zur Absicht hätte , einzulassen -- Die Prinzessinnen sahen mit dem vollkommensten Vertrauen auf die keuschen Reizungen ihrer Freundin , der Entwicklung des Stücks entgegen -- und Philistus war von einer Gefälligkeit , von einer Indolenz , wie man niemals gesehen hat :
Als Agathon , zum Unglück für ihn und für Sizilien , durch einen Eifer , der an einem Staats-Mann von so vieler Einsicht kaum zu entschuldigen war , sich verleiten ließ , den glücklichen Fortgang der verschiedenen Absichten , welchen Dionys -- Cleonissa -- die Prinzessinnen -- und vielleicht auch Philistus -- schon so nahe zu sein glaubten , durch seine unzeitige Dazwischenkunft zu unterbrechen .
Drittes Kapitel .
Große Fehler wider die Staats-Kunst , welche Agathon beging --- Folgen davon .
Die Vertraulichkeit , worin Dionys mit seinen Günstlingen zu leben pflegte , und das natürliche Bedürfnis eines Verliebten , jemand zu haben , dem er sein Leiden oder seine Glückseligkeit entdecken kann -- hatten ihm nicht erlaubt , dem Agathon aus seiner neuen Liebe ein Geheimnis zu machen ; und dieser trieb die Gefälligkeit anfänglich so weit , sich von dem schwatzhaftesten Liebhaber , der jemals gewesen war , mit den Angelegenheiten seines Herzens ganze Stunden durch langweile machen zu lassen , in denen es dem guten Prinzen kein einziges Mal einfiel , daß diese Angelegenheiten einem dritten unmöglich so wichtig vorkommen könnten , als sie ihm selbst waren .
Ohne seine Wahl geradezu zu mißbilligen ( wovon er eine schlechte Wirkung hätte hoffen können ) begnügte er sich anfangs , ihm die Schwierigkeiten , welche er bei einer Dame von so strenger und systematischer Tugend finden würde , so fürchterlich abzumalen , daß er ihn von einer Unternehmung , welche sich dem Ansehen nach , wenigstens in eine entsetzliche Länge hinausziehen würde , abzuschrecken hoffte .
Wie er aber sah , daß Dionys anstatt durch den Widerstand , über den er sich beklagte , ermüdet zu werden , von Tag zu Tag mehr Hoffnung schöpfte , diese beschwerliche Tugend durch hartnäckig wiederholte Anfälle endlich selbst abzumatten :
So glaubte er der schönen Cleonissa nicht zu viel zu tun , wenn er sie im Verdacht eines gekünstelten Betragens hätte , welches die Leidenschaft des Prinzen zu eben der Zeit aufmunterte , da sie ihm alle Hoffnung zu verbieten schien .
Je schärfer er sie beobachtete , je mehr Umstände entdeckte er , welche ihn in diesem Argwohn bestärkten ; und da seine natürliche Antipathie gegen die majestätischen Tugenden das ihrige mit beitrug , so hielt er sich nun vollkommen überzeugt , daß die weise und tugendhafte Cleonissa weder mehr noch weniger als eine Betrügerin sei , welche durch einen erdichteten Widerstand zu gleicher Zeit sich in dem Ruf der Unüberwindlichkeit zu erhalten , und den leichtgläubigen Dionys desto fester in ihrem Garn zu verstricken im Sinne habe .
Nunmehr fing er an die Sache für ernsthaft anzusehen , und sich so wohl durch die Pflichten der Freundschaft für einen Prinzen , für den er bei allen seinen Schwachheiten eine Art von Zuneigung fühlte , als aus Sorge für den Staat , verbunden zu halten , einem Verständnis , welches für beide sehr schlimme Folgen haben könnte , sich mit Nachdruck zu widersetzen .
Bacchidion , welche , ohne eine so regelmässige Schönheit zu sein , in seinen Augen unendlichmal liebenswürdiger war als Cleonissa , schien ihm ihres Herzens -- oder richtiger zu reden , ihrer glücklichen Organisation wegen -- ungeachtet des gemeinen und gerechten Vorurteils gegen ihren Stand , in Vergleichung mit dieser tugendhaften Dame eine sehr schätzbare Person zu sein : Und da sie in der Unruhe , worein sie die immer zunehmende Kaltsinnigkeit des Prinzen zu setzen anfing , ihre Zuflucht zu ihm nahm , so machte er sich desto weniger Bedenken , sich ihrer mit etwas mehr Eifer als die Würde seines Characters vielleicht gestatten mochte , anzunehmen .
Dionys liebte sie nicht mehr ; aber er maßte sich noch immer Rechte über sie an , welche nur die Liebe geben sollte .
Die schöne Bacchidion wurde nur zu deutlich gewahr , daß sie nur die Stelle ihrer Nebenbuhlerin in seinen Armen vertreten sollte ; und ob sie gleich nur eine Tänzerin war , so dünkte sie sich doch zu gut , Flammen zu löschen , welche eine andere angezündet hatte .
Dionys schien bei der anhaltenden Strenge seiner neuen Gebieterin , einer solchen Gefälligkeit mehr als jemals benötiget zu sein ; und eben darum gab ihr Agathon den Rat , an ihrem Teil auch die Grausame zu machen , und zu versuchen , ob sie durch ein sprödes und launisches Betragen , mit einer gehörigen Dose von Koketterie vermischt , nicht mehr als durch zärtliche Klagen und verdoppelte Gefälligkeit gewinnen würde .
Dieser Rat hatte einen so guten Erfolg , daß Agathon , der sich des Sieges zu früh versichert hielt , itzo den gelegenen Augenblick gefunden zu haben glaubte , dem Dionys offenherzig zu gestehen , wie wenig Achtung er für die angebliche Tugend der Dame Cleonissa trage .
Die Folgen der geheimen Unterredung , welche sie mit einander über diese Materie hatten , entsprachen der Erwartung unseres Helden nicht .
Alles nachteilige , was Agathon dem Prinzen von seiner neuen Göttin sagen konnte , bewies höchstens , daß sie nicht so viel Hochachtung verdiene als er geglaubt hatte ; aber es verminderte seine Begierden nicht ; desto besser für seine Absichten , wenn sie nicht so tugendhaft war .
Diesen edlen Gedanken ließ er zwar den Agathon nicht sehen ; aber Cleonissa wurde ihn desto deutlicher gewahr .
Dionys hatte nicht so bald erfahren , daß die Tugend der Dame nur ein Popanz sei , so eilte er was er konnte , Gebrauch von dieser Entdeckung zu machen , und setzte sie durch ein Betragen in Erstaunen , welches mit seinem vorigen , und noch mehr mit der Majestät ihres Characters , einen höchst beleidigenden Kontrast machte .
Er war zwar diskret genug , ihr nicht geradezu zu sagen , was für Begriffe man ihm von ihr beigebracht habe ; aber sein Bezeugen sagte es so deutlich , daß sie nicht zweifeln konnte , es müßte ihr jemand schlimme Dienste bei ihm geleistet haben .
Dieser Umstand setzte sie in der Tat in keine geringe Verlegenheit , wie sie dasjenige was sie ihrer beleidigten Würde schuldig war , mit der Besorgnis , einen Liebhaber von solcher Wichtigkeit durch allzuweit getriebene Strenge gänzlich abzuschrecken , zusammenstimmen wollte .
Allein ein Geist wie der ihrige weiß sich aus den schwierigsten Situationen herauszuwickeln ; und Dionys ging überzeugter als jemals von ihr , daß sie die Tugend selbst , und allein durch die Stärke der Sympathie , wodurch ihre zum ersten Mal gerührte Seele gegen die seinige gezogen werde , fähig werden könnte , die Hoffnungen dereinst zu erfüllen , welche sie ihm weder erlaubte noch gänzlich verwehrte .
Von dieser Zeit an nahm seine Leidenschaft und das Ansehen dieser Dame von Tag zu Tag zu ; die schöne Bacchidion wurde förmlich abgedankt ; und Agathon würde in den Augen seines Herren gelesen haben , wenn er es nicht aus seinem eigenen Munde vernommen hätte , daß er gute Hoffnung habe , in wenigen Tagen den letzten Seufzer der sterbenden Tugend von den Lippen der zärtlichen , und nur noch schwach widerstehenden Cleonissa aufzufassen .
Jzo glaubte er , daß es die höchste Zeit sei einen Schritt zu tun , der nur durch die äußerste Notwendigkeit gerechtfertigt werden konnte , aber seiner Meinung nach , das unfehlbarste Mittel war , dieser gefährlichen Jntrigue noch in Zeiten ein Ende zu machen .
Er ließ also den Philistus zu sich rufen , und entdeckte ihm mit der ganzen Vertraulichkeit eines ehrlichen Mannes , der mit einem ehrlichen Manne zu reden glaubt , die nahe Gefahr , worin seine Ehre und die Tugend seiner Gemahlin schwebe .
Freilich entdeckte er dem edlen Philistus nichts , als was dieser in der Tat schon lange wußte ; aber Philistus machte nichts desto weniger den Erstaunten ; indessen dankte er ihm mit der lebhaftesten Empfindung für ein so unzweifelhaftes Merkmals seiner Freundschaft , und versicherte , daß er auf ein schickliches Mittel bedacht sein wollte , seine Gemahlin , von welcher er übrigens die beste Meinung von der Welt habe , gegen alle Nachstellungen der Liebesgötter sicher zu stellen .
Man hat wohl sehr recht , uns die Lehre bei allen Gelegenheiten einzuschärfen , daß man sich die Leute nach ihrer Weise verbindlich machen müsse , und nicht nach der unsrigen .
Agathon glaubte sich kein geringes Verdienst um den Philistus gemacht zu haben , und würde nicht wenig über die Apostrophen erstaunt gewesen sein , welche dieser würdige Minister an ihn machte , so bald er sich wieder allein sah .
In der Tat mußte es diesen notwendig ungehalten machen , sich durch eine so unzeitige Vorsorge für seine Ehre auf einmal aller Vorteile seiner bisherigen diskreten Unachtsamkeit verlustigt zu sehen .
Indessen konnte er nun , ohne sich in Agathons Augen zum Verräter seiner eigenen Ehre zu machen , nicht anders ; er mußte den Eifersüchtigen spielen .
Die Komödie bekam dadurch auf ctliche Tage einen sehr tragischen Schwung -- Wie viel Mühe hätten sich die Haupt-Personen dieser Farce ersparen können , wenn sie die Maske hätten abnehmen , und sich einander in puris naturalibus zeigen wollen ?
Aber diese Leute aus der großen Welt sind so pünktliche Beobachter des Wohlstands ! -- und sind darum zu beloben ; denn es beweiset doch immer , daß sie sich ihrer wahren Gestalt schämen , und die Verbindlichkeit etwas besseres zu sein als sie sind , stillschweigend anerkennen -- Cleonissa rechtfertigte sich also gegen ihren Gemahl , indem sie sich auf die Prinzessinnen , als unverwerfliche Zeugen der untadelhaften Unschuld ihres Betragens berief .
Niemals ist ein erhabeneres und pathetischeres Stück von Beredsamkeit gehört worden , als die Rede war , wodurch sie ihm die Unbilligkeit seines Verdachts vorhielt ; und der gute Mann wußte sich endlich nicht anders zu helfen , als daß er den Freund nannte , von dem er , wiewohl aus guter Absicht , in diesen kleinen Anstoß einer , wie er nun vollkommen erkannte , höchst unnötigen und sträflichen Eifersucht gesetzt worden sei .
Die Wut einer stürmischen See -- einer zur Rache gereizten Hornisse -- oder einer Löwin , der ihre Jungen geraubt worden , sind nur schwache Bilder in Vergleichung mit der Wut , in welche Cleonissens tugendhafter Busen bei Nennung des Namens Agathon aufloderte .
Wirklich war nichts mit ihr zu vergleichen , als die Wollust , womit der Gedanke sie berauschte , daß sie es nun endlich in ihrer Gewalt habe , die lange gewünschte Rache an diesem undankbaren Verächter ihrer Reizungen zu nehmen .
Sie mißhandelte den Dionys , ( den sie für die unerträgliche Beleidigung , welche sie von ihrem Gemahl erduldet hatte , zur Rechenschaft zog ) so lange und so grausam , bis er ihr , wiewohl ungern , ( denn er wollte seinen Günstling nicht aufopfern ) entdeckte , wie wenig sie dem Agathon für seine Meinung von ihr verbunden sei .
Nunmehr klärte sich , wie sie sagte , das ganze Geheimnis auf ; und in der Tat mußte sie sich nur über ihre eigene Einfalt verwundern , da sie sich eines besseren zu einem Manne versehen hatte , von dessen Rache sie natürlicher Weise das Schlimmste hätte erwarten sollen -- Wenn Dionys bei diesen Worten stutzte , so kann man sich einbilden , was er für eine Mine machte , da sie ihm , vermittels einer Konfidenz , wozu sie durch ihre eigene Rechtfertigung gezwungen war , umständlich entdeckte , daß der Haß Agathons gegen sie allein daher entsprungen sei , weil sie nicht für gut befunden habe , seine Liebe genehm zu halten .
Dieses war nun freilich nicht nach der Schärfe wahr .
Aber da sie nun einmal dahin gebracht war , sich selbst verteidigen zu müssen ; so war natürlich , daß sie es lieber auf Unkosten einer Person , die ihr verhaßt war , als auf ihre eigene tat .
So viel ist gewiß , daß sie ihre Absicht dadurch mehr als zu gut erreichte .
Dionys geriet in einen so heftigen Anfall von Eifersucht über seinen unwürdigen Liebling -- dieser Mann , der dtr Liebe eines Dionys unwürdig war , war Agathon ! -- daß Cleonissa , ( welche besorgte , daß ein plötzlicher Ausbruch zu mißbeliebigen Erläuterungen Anlaß geben könnte ) alle ihre Gewalt über ihn anwenden mußte , ihn zurückzuhalten .
Sie bewies ihm die Notwendigkeit , einen Mann , der zu allem Unglück der Abgott der Nation wäre , vorsichtig zu behandeln .
Dionys fühlte die Stärke dieses Beweises , und hasste den Agathon nur um so viel herzlicher .
Die Prinzessinnen mischten sich auch in die Sache , und legten unserem Helden sehr übel aus , daß er , anstatt den Prinzen von Ausschweifungen abzuhalten , eine Kreatur wie Bacchidion mit so vielem Eifer in seinen Schutz genommen hatte .
Man scheute sich nicht , diesem Eifer so gar einen geheimen Beweggrund zu leihen ; und Philistus brachte unter der Hand verschiedene Zeugen auf , welche in dem Cabinet des Prinzen verschiedene Umstände aussagten , die ein zweideutiges Licht auf die Enthaltsamkeit unseres Helden und die Treue der schönen Bacchidion zu werfen schienen .
Dieser Minister fand vermutlich die Absichten seines Herrn auf seine tugendhafte Gemahlin so rein und unschuldig , daß es anstößig , und lächerlich gewesen wäre , über die Freundschaft , womit er sie beehrte , eifersüch , tig zu sein .
Ein täglicher Zuwachs der königlichen Gunst rechtfertigte und belohnte eine so edelmütige Gefälligkeit .
Timocrat fand bei diesen Umständen Gelegenheit , sich gleichfalls wieder in das alte Vertrauen zu setzen ; und beide vereinigten sich nunmehr mit der triumphierenden Cleonissa , den Fall unseres Helden desto eifriger zu beschleunigen , je mehr sie ihn mit Versicherungen ihrer Freundschaft überhäuften .
Wir haben in diesem und dem vorigen Kapitel ein so merkwürdiges Beispiel gesehen , ( und wollte Gott ! diese Beispiele kämen uns nicht so oft im Leben selbst vor ) wie leicht es ist , einem lasterhaften Charakter , einer schwarzen , hassenswürdigen Seele , den Anstrich der Tugend zu geben .
Agathon erfuhr nunmehr , daß es eben so leicht ist , die reinste Tugend mit verhaßten Farben zu übersudeln .
Er hatte dieses zu Athen schon erfahren ; aber bei der Vergleichung die er zwischen jenem Fall und seinem itzigen anstellte , schienen ihm seine Athenische Feinde , im Gegensatz mit den verächtlichen Kreaturen , denen er sich nun auf ein Mal aufgeopfert sah , so weiß zu werden , als sie ihm ehemals , da er noch keine schlimmere Leute kannte , schwarz vorgekommen waren .
Vermutlich verfälschte die Lebhaftigkeit des gegenwärtigen Gefühls sein Urteil über diesen Punkt ein wenig ; denn in der Tat scheint der ganze Unterschied zwischen der republikanischen und höfischen Falschheit darin zu bestehen , daß man in Republiken genötigt ist , die ganze äußerliche Form tugendhafter Sitten anzunehmen ; da man hingegen an Höfen genug getan hat , wenn man den Lastern , welche des Fürsten Beispiel adelt , oder wodurch seine Absichten befördert werden , tugendhafte Namen gibt .
Allein im Grunde ist es nicht ekelhafter , einen hüpfenden , schmeichelnden , untertänigen , vergoldeten Schurken zu eben der Zeit , da er sich vollkommen wohl bewußt ist , nie keine Ehre gehabt zu haben , oder in diesem Augenblick im Begriff ist , sofern er eine hätte , sie zu verlieren -- von den Pflichten gegen seine Ehre reden zu hören ; als einen gesetzten , schwerfälligen , gravitätischen Schurken zu sehen , der unter dem Schutz seiner Nüchternheit , Eingezogenheit und pünktlichen Beobachtung aller äußerlichen Formalitäten der Religion und der Gesetze , ein unversöhnlicher Feind aller derjenigen ist , welche anders denken als er , oder nicht zu allen seinen Absichten helfen wollen ; und sich nicht das mindeste Bedenken macht , so bald es seine Konvenienz erfordert , eine gute Sache zu unterdrücken , oder eine böse mit seinem ganzen Ansehen zu unterstützen .
Unparteiisch betrachtet , ist dieser noch der schlimmere Mann ; denn er ist ein eigentlicher Heuchler :
Da jener nur ein Komödiant ist , der nicht verlangt , daß man ihn wirklich für das halten solle , wofür er sich ausgibt ; vollkommen zufrieden , wenn die Mitspielenden und Zuschauer nur dergleichen tun , ohne daß es ihm einfällt sich zu bekümmern , ob es ihr Ernst sei , oder nicht .
Agathon hatte nunmehr gute Muße , dergleichen Betrachtungen anzustellen ; denn sein Ansehen und Einfluß nahm zusehends ab .
Äußerlich zwar schien alles noch zu sein , wie es gewesen war .
Dionys und der ganze Hof liebkosten ihm so sehr als jemals , und die Dame Cleonissa selbst schien es ihrer unwürdig zu halten , ihm einige Empfindlichkeit zu erkennen zu geben .
Aber desto mehr Mißvergnügen wurde ihm durch geheime , schleichende , und indirekte Wege gemacht .
Er mußte zusehen , wie nach und nach , unter tausend falschen und nichtswürdigen Vorwänden , seine besten Anordnungen als schlecht ausgesonnen , überflüssig , oder schädlich , wieder aufgehoben , oder durch andere unnütze gemacht -- wie die wenigen von seinen Kreaturen , welche in der Tat Verdienste hatten , entfernt -- wie alle seine Absichten mißdeutet , alle seine Handlungen aus einem willkürlich falschen Gesichtspunkt beurteilt , und alle seine Vorzüge oder Verdienste lächerlich gemacht wurden .
Zu eben der Zeit , da man seine Talente und Tugenden erhob , behandelte man ihn eben so , als ob er nicht das geringste von den einen noch von den anderen hätte .
Man behielt zwar noch , aus politischen Absichten ( wie man es zu nennen pflegt ) den Schein bei , als ob man nach den nämlichen Grundsätzen handle , denen er in seiner Staats-Verwaltung gefolgt war :
In der Tat aber geschah in jedem vorkommenden Falle gerade das Widerspiel von dem , was er getan haben würde ; und kurz , das Laster herrschte wieder mit so despotischer Gewalt als jemals .
Hier wäre es Zeit gewesen , die Clausul gelten zu machen , welche er seinem Vertrag mit dem Dionys angehängt hatte , und sich zurückzuziehen , da er nicht mehr zweifeln konnte , daß er am Hofe dieses Prinzen zu nichts mehr nütze war .
Und dieses war auch der Rat , den ihm der einzige von seinen Hoffreunden , der ihm getreu blieb , der Philosoph Aristippus gab .
Du hättest , sagte er ihm in einer vertraulichen Unterredung über den gegenwärtigen Lauf der Sachen , du hättest dich entweder niemals mit einem Dionysius einlassen , oder an dem Platz , den du einmal angenommen hattest , deine moralische Begriffe -- oder doch wenigstens deine Handlungen nach den Umständen bestimmen sollen .
Auf diesem Theater der Verstellung , der Betrügerei , der Jntriguen , der Schmeichelei und Verräterei , wo Tugenden und Pflichten bloße RechenPfenninge , und alle Gesichter Masken sind ; kurz , an einem Hofe , gilt keine andere Regel als die Konvenienz , keine andere Politik , als einen jedem Umstand mit unseren eigenen Absichten so gut vereinigen als man kann .
Im übrigen ist es vielleicht eine Frage , ob du so wohl getan hast , dich um einer an sich wenig bedeutenden Ursache Willen mit Dionysen abzuwerfen .
Ich gestehe es , in den Augen eines Philosophen ist die Tänzerin Bacchidion viel schätzbarer , als diese majestätische Cleonissa , welche mit aller ihrer Metaphysik und Tugend weder mehr noch weniger als eine falsche , herrschsüchtige und boßhafte Kreatur ist .
Bacchidion hat dem Staat keinen Schaden getan , und Cleonissa wird unendlich viel Böses tun -- Aus dieser Betrachtung ( unterbrach ihn Agathon ) habe ich mich für jene und gegen diese erklärt -- Und doch war es leicht vorherzusehen , daß Cleonissa siegen würde , sagte Aristipp -- Aber ein rechtschaffener Mann , Aristipp , erklärt sich nicht für die Partei , welche siegen wird , sondern für die , welche Recht , oder doch am wenigsten Unrecht hat -- Mein lieber Agathon , ein rechtschaffener Mann muß , so bald er an einem Hofe leben will , sich eines guten Teils von seiner Rechtschaffenheit abtun , um ihn seiner Klugheit zu zulegen .
Ist es nicht Schade , daß so viel Gutes , das du schon getan hast , so viel Gutes , das du noch getan haben würdest , bloß darum verloren sein soll , weil du eine schöne Dame nicht verstehen wolltest , da sie dir_es so deutlich , daß es der ganze Hof ( einen einzigen ausgenommen ) verstehen konnte , zu erkennen gab , daß sie schlechterdings -- geliebt sein wollte .
Doch dieser Fehler hätte sich vielleicht wieder gut machen lassen , wenn du nur gefällig genug gewesen wärest , ihre Absichten auf Dionysen zu befördern .
Wolltest du auch dieses nicht , war es denn nötig ihr entgegen zu sein ?
Was für Schaden würde daraus erfolgt sein , wenn du neutral geblieben wärest ?
Die kleine Bacchidion würde nicht mehr getanzt haben , und Cleonissa hätte die Ehre gehabt , ihren Platz einzunehmen , bis er ihrer eben so wohl überdrüssig geworden wäre als so vieler anderer .
Das wäre alles gewesen .
Und gesetzt , du hättest auch die Gewalt über ihn mit ihr teilen müssen ; so würdest du ihr wenigstens das Gleichgewicht gehalten , und noch immer Ansehen genug behalten haben , viel Gutes zu tun .
Dem Schein nach in gutem Vernehmen mit ihr , würde dir dein Platz , und die Vertraulichkeit mit dem Prinzen tausend Gelegenheiten gegeben haben , sie , so bald ihre Gunstbezeugungen aufgehört hätten , etwas neues für ihn zu sein , unvermerkt und mit der besten Art von der Welt wieder auf die Seite zu schaffen -- Aber ich kenne dich zu gut , Agathon ; du bist nicht dazu gemacht dich zu Verstellung , Ränken und Hofkünsten herabzulassen ; dein Herz ist zu edel , und wenn ich es sagen darf , deine Einbildungs-Kraft zu warm , um dich jemals zu der Art von Klugheit zu gewöhnen , ohne welche es unmöglich ist , sich lange in der Gunst der Großen zu erhalteu .
Auch kenne ich den Hof nicht , welcher wert wäre , einen Agathon an seiner Spitze zu haben .
Das alles hätte ich dir ungefähr vorher sagen können , als ich dich überreden half , dich mit Dionysen einzulassen ; aber es war besser durch deine eigene Erfahrung davon überzeugt zu werden .
Ziehe dich jetzt zurück , ehe das Ungewitter , das ich aufsteigen sehe , über dich ausbrechen kann .
Dionys verdient keinen Freund wie du bist .
Wie sehr hättest du dich betrogen , wenn du jemals geglaubt hättest , daß er dich hochachte !
Woher sollte denen von seiner Art die Fähigkeit dazu kommen ?
Selbst damals , da er am stärksten für dich eingenommen war , liebte er dich aus keinem anderen Grunde , als warum er seinen Affen und seine Papageien liebt -- weil du ihm Kurzweil machtest .
Seine Gunst hätte eben so leicht auf einen anderen Neuangekommenen fallen können , der die Zither noch besser gespielt hätte als du .
Nein , Agathon , du bist nicht gemacht , mit solchen Leuten zu leben ziehe dich zurück ; du hast genug für deine Ehre getan .
Die Torheit der neuen Staats-Verwaltung wird die Weisheit der deinigen am besten rechtfertigen .
Deine Handlungen , deine Tugenden , und ein ganzes Volk , welches deine Zeiten zurückwünschen , und dein Andenken segnen wird , werden dich am besten gegen die Verleumdungen und den albernen Tadel eines kleinen Hofes voll Toren und schelmischer Sklaven verteidigen , deren Haß dir mehr Ehre macht als ihr Beifall .
Du befindest dich in Umständen , in einem unabhängigen Privatstande mit Würde leben zu können .
Deine Freunde zu Tarent werden dich mit offenen Armen empfangen .
Ich wiederhole es , Agathon , verlaß einen Fürsten , der seiner Sklaven , und Sklaven die eines solchen Fürsten wert sind ; und denke nun daran , wie du selbst des Lebens genießen wollest , nachdem du den Versuch gemacht , wie schwer , wie gefährlich , und insgemein wie vergeblich es ist , für anderer Glück zu arbeiten .
So sprach Aristipp ; und Agathon würde wohl getan haben , einem so guten Rate zu folgen .
Aber wie sollte es möglich sein , daß derjenige , welcher selbst eine Haupt-Rolle in einem Stücke spielt , so gelassen davon urteilen sollte , als ein bloßer Zuschauer ?
Agathon sah die Sachen aus einem ganz anderen Gesichtspunkt .
Er betrachtete sich als einen Mann , der die Verbindlichkeit auf sich genommen habe , die Wohlfahrt Siziliens zu befördern .
" Warum kam ich nach Syracus ?
- - sagte er zu sich selbst -- und mit welchen Absichten übernahm ich das Amt eines Freundes und Ratgebers bei diesem Tyrannen ?
Tat ich es , um ein Sklave seiner Leidenschaften , oder ein Werkzeug der Tyrannie zu sein ?
Oder hatte ich einen großen und rechtschaffenen Zweck ?
Würde ich mich jemals mit ihm eingelassen haben , wenn er mir nicht Hoffnung gemacht hätte , daß die Tugend endlich die Oberhand über seine Laster erhalten würde ?
Er hat mich betrogen , und die Erfahrungen , die ich von seiner Gemüts-Art habe , überzeugen mich , daß er unverbesserlich ist .
Aber würde es edel von mir gehandelt sein , ein Volk , dessen Wohlfahrt der Endzweck meiner Bemühungen war , ein Volk , welches mich als seinen Wohltäter ansieht , den Launen dieses weibischen Menschen , und der Raubsucht seiner Schmeichler und Sklaven Preis zu geben ?
Was für Pflichten habe ich gegen ihn , welche sein undankbares , niederträchtiges Verfahren gegen mich nicht aufgehoben , und vernichtet hätte ?
Oder wenn ich noch Pflichten gegen ihn habe ; sind nicht diejenigen unendlichmal heiliger , welche mich an ein Land binden , das durch meine Wahl , und die Dienste , die ich ihm geleistet habe , mein zweites Vaterland worden ist ? -- Wer ist denn dieser Dionys ?
Was für ein Recht hat er an die höchste Gewalt , der er sich anmaßt ?
Wem anders als dem Agathon hat er das einzige Recht zu danken , worauf er sich mit einigem Schein berufen kann ?
Seit wenn ist er aus einem von aller Welt verabscheuten Tyrannen ein König geworden , als seit dem ich ihm durch eine gerechte und wohltätige Regierung die Liebe des Volks ! zugewandt habe ?
Er ließ mich arbeiten ; er verbarg seine Laster hinter meine Tugenden ; eignete sich meine Verdienste zu , und genoß die Früchte davon , der Undankbare ! -- und nun , da er sich stark genug glaubt , mich entbehren zu können , überläßt er sich wieder seinem eigenen Charakter , und fängt damit an , alles Gute das ich in seinem Namen getan habe , wieder zu vernichten ; gleich als ob er sich schäme , eine Zeitlang aus seinem Charakter getreten zu sein , und als ob er nicht genug eilen könne , die ganze Welt zu belehren , daß es Agathon , nicht Dionys gewesen sei , der den Sizilianern eine Morgenröte besserer Zeiten gezeigt , und Hoffnung gemacht , sich von den Mißhandlungen einer Reihe schlimmer Regenten wieder zu erholen .
Was würde ich also sein , wenn ich sie in solchen Umständen verlassen wollte , wo sie meiner mehr als jemals benötiget sind ?
Nein -- Dionys hat Beweise genug gegeben , daß er unverbesserlich ist , und durch die Nachsicht gegen seine Laster nur in der lächerlichen Einbildung bestärkt wird , daß man ihnen Ehrfurcht schuldig sei .
Es ist Zeit der Komödie ein Ende zu machen , und diesem kleinen Theater-Könige den Platz anzuweisen , wozu ihn seine persönliche Eigenschaften bestimmen .
Unsere Leser sehen aus dieser Probe der geheimen Gespräche , welche Agathon mit sich selbst hielt , daß er noch weit davon entfernt ist , sich von diesem enthustastischen Schwung der Seele Meister gemacht zu haben , der bisher die Quelle seiner Fehler sowohl als seiner schönsten Taten gewesen ist .
Wir haben keinen Grund in die Aufrichtigkeit dieses Monologen einigen Zweifel zu setzen ; seine Seele war gewohnt , aufrichtig gegen sich selbst zu sein .
Wir können also als gewiß annehmen , daß er zu dem Entschluß , eine Empörung gegen den Dionys zu erregen , durch eben so tugendhafte Gesinnungen getrieben zu werden glaubte , als diejenigen waren , welche fünfzehn Jahre später einen der edelsten Sterblichen , die jemals gelebt haben , den Timoleon von Korinth , aufmunterten , die Befreiung Siziliens zu unternehmen .
Allein es ist darum nicht weniger gewiß , daß die lebhafte Empfindung des persönlichen Unrechts , welches ihm zugefügt wurde , der Unwille über die Undankbarkeit des Dionys , und der Verdruß sich einer verachtenswürdigen Buhler-Jntrigue aufgeopfert zu sehen , einen großen Einfluß in seine gegenwärtige Denkensart gehabt , und zur Entzündung dieses heroischen Feuers , welches in seiner Seele brannte , nicht wenig beigetragen habe .
Im Grunde hatte er keine andere Pflichten gegen die Sizilianer , als welche aus seinem Vertrag mit dem Dionys entsprangen , und vermöge eben dieses Vertrags aufhörten , so bald diesem seine Dienste nicht mehr angenehm sein würden .
Syracus war nicht sein Vaterland .
Dionys hatte durch die stillschweigende Anerkenntnis der Erbfolge , Kraft deren er nach seines Vaters Tode den Thron bestieg , eine Art von Recht er , langt .
Agathon selbst würde sich nicht in seine Dienste begeben haben , wenn er ihn nicht für einen rechtmässigen Fürsten gehalten hätte .
Die nämlichen Gründe , welche ihn damals bewogen hatten , die Monarchie der Republik vorzuziehen , und aus diesem Grunde sich bisher den Absichten des Dion zu widersetzen , bestanden noch in ihrer ganzen Stärke .
Es war sehr ungewiß , ob eine Empörung gegen den Dionys die Sizilianer wirklich in einen glücklicheren Stand setzen , oder ihnen nur einen anderen , und vielleicht noch schlimmeren Herrn geben würde , da sie schon so viele Proben gegeben hatten , daß sie die Freiheit nicht ertragen könnten .
Dionys hatte Macht genug , seine Absetzung schwer zu machen ; und die verderblichen Folgen eines Bürgerkriegs waren die einzigen gewissen Folgen , welche man von einer so zweifelhaften Unternehmung voraussehen konnte -- Alle diese Betrachtungen würden kein geringes Gewicht auf der Waagschale einer kalten unparteiischen Überlegung gemacht , und vermutlich den entgegenstehenden Gründen das Gleichgewicht gehalten haben .
Aber Agathon war weder kalt noch unparteiisch ; er war ein Mensch .
Seine Eigenliebe war an ihrem empfindlich sten Teil verletzt worden .
Der Affekt , in welchen er dadurch gesetzt werden mußte , gab allen Gegenständen , die er vor sich hatte , eine andere Farbe .
Dionys , dessen Laster er ehemals mit freundschaftlichen Augen als Schwachheiten betrachtet hatte , stellte sich ihm jetzt in der häßlichen Gestalt eines Tyrannen dar .
Je besser er vorhin von Philistus gedacht hatte , desto abscheulicher fand er jetzt seinen Charakter , nachdem er ihn einmal falsch und niederträchtig gefunden hatte ; es war nichts so schlimm und schändlich , daß er einem solchen Manne nicht zutraute .
Die reizenden Bilder , welche er sich von der Glückseligkeit Siziliens unter seiner Verwaltung gemacht hatte , erhielten durch den Unmut , sie vor seinen Augen vernichten zu sehen , eine desto größere Gewalt über seine Einbildungs-Kraft .
Es war ihm unerträglich , Leute , welche nur darum seine Feinde waren , weil sie Feinde alles Guten , Feinde der Tugend und der öffentlichen Wohlfahrt waren , einen solchen Sieg davontragen zu lassen .
Er hielt es für eine allgemeine Pflicht , sich den Unternehmungen der Bösen zu widersetzen , und die Stelle , welche er beinahe zwei Jahre lang in Sizilien behauptet hatte , machte ( wie er glaubte ) seinen Beruf zur besonderen Ausübung dieser Pflicht in gegenwärtigem Falle unzweifelhaft .
Diese Betrachtungen hatten , außer ihrer eigentümlichen Stärke , noch sein Herz und seine Einbildungs-Kraft auf ihrer Seite ; und mußten also notwendig alles überwägen , was die Klugheit dagegen einwenden konnte .
Sobald Agathon seinen Entschluß genommen hatte , so arbeitete er an der Ausführung desselben .
Dion , welcher sich damals zu Athen befand , hatte einen beträchtlichen Anhang in Sizilien , durch welchen er bisher alle mögliche Bewegungen gemacht hatte , seine Zurückberufung von dem Prinzen zu erhalten .
Er hatte sich deshalb vorzüglich an den Agathon gewandt , so bald ihm berichtet worden war , in welchem Ansehen er bei Dionysen stehe .
Aber Agathon dachte damals nicht so gut von dem Charakter Dions als die Akademie zu Athen eine Tugend , welche mit Stolz , Unbiegsamkeit und Austerität vermischt war , schien ihm , wo nicht verdächtig , doch wenig liebenswürdig ; er besorgte mit einiger Wahrscheinlichkeit , daß die Gemüts-Art dieses Prinzen ihn niemals ruhig lassen , und daß er , ungeachtet seiner republikanischen Grundsätze , eben so ungelehrig sein würde , das höchste Ansehen im Staat mit jemand zu teilen , als ohne Ansehen zu leben .
Er hatte also , anstatt seine Zurückberufung bei dem Dionys zu befördern , diesen der äußersten Abneigung , die er davor zeigte , überlassen , und sich durch diese Aufführung einiges Mißvergnügen von Seiten der Freunde Dions zugezogen , welche es ihm eben so übel nahmen , daß er nichts für diesen Prinzen tat , als ob er gegen ihn agiert hätte .
Allein seitdem seine eigene Erfahrung das schlimmste , was Dionysens Feinde von ihm denken konnten , rechtfertigte , hatte sich auch seine Gesinnung gegen den Dion gänzlich umgewandt .
Dieser Prinz , welcher unstreitig große Eigenschaften besaß , stellte sich ihm jetzt unter dem Bilde eines rechtschaffenen Mannes dar , in welchem der langwierige Anblick des gemeinen Elendes unter einer heillosen Regierung , und die immer vergebliche Bemühung , dem reißenden Strom der Verderbnis entgegen zu arbeiten , einen anhaltenden gerechten Unmut erregt hat , der ungeachtet des Scheins einer gallsüchtigen Melancholie , im Grunde die Frucht der edelsten Menschenliebe ist .
Er beschloß also , mit ihm gemeine Sache zu machen .
Er entdeckte sich den Freunden Dions , welche , erfreut über den Beitritt eines Mannes , der durch seine Talente und seine Gunst beim Volke ihrer Partei das Übergewicht zu geben vermögend war , ihm hinwieder die ganze Beschaffenheit der Angelegenheiten Dions , die Anzahl seiner Freunde , und die geheimen Anstalten entdeckten , welche in Erwartung irgend eines günstigen Zufalls , bereits zu seiner Zurückkunft nach Sizilien gemacht worden waren :
Und so wurde Agathon in kurzer Zeit aus einem Freund und ersten Minister des Dionys , das Haupt einer Konspiration gegen ihn , an welcher alle diejenigen Anteil nahmen , die aus edleren oder eigennützigeren Bewegursachen , mit der gegenwärtigen Verfassung unzufrieden waren .
Agathon entwarf einen Plan , wie die ganze Sache geführt werden sollte ; und dieses setzte ihn in einen geheimen Briefwechsel mit Dion , wodurch die bessere Meinung , welche einer von dem anderen zu fassen angefangen hatte , immer mehr befestiget wurde .
Der Hof , in Lustbarkeiten und ein wollüstiges Vergessen aller Gefahren versunken , begünstigte den Fortgang der Konspiration durch eine Sorglosigkeit , welche so wenig natürlich schien , daß die Zusammenverschworen dadurch beunruhiget wurden .
Sie verdoppelten ihre Wachsamkeit , und ( was bei Unternehmungen von dieser Art am meisten zu bewundern , und dennoch sehr gewöhnlich ist ) ungeachtet der großen Anzahl derjenigen , die um das Geheimnis wußten , blieb alles so verschwiegen , daß dem Ansehen nach niemand auf einigen Argwohn verfallen wäre , wenn nicht auf der einen Seite die Unwahrscheinlichkeit , daß Agathon seinen Fall wirklich so gleichgültig ansehen könne , als er es zu tun schien ; und auf der anderen die Nachrichten , welche von den nicht sehr geheimen Zurüstungen des Dion eingingen , den von Natur mißtrauischen Philistus endlich aufmerksam gemacht hätten .
Von diesem Augenblick an wurde Agathon und alle diejenige , welche als Freunde Dions bekannt waren , von tausend unsichtbaren Augen aufs schärfste beobachtet ; und es glübte endlich dem Philist , sich eines Sklaven zu bemächtigen , der mit Briefen an Agathon von Athen gekommen war .
Aus diesen Briefen , welche die Ursachen enthielten , warum Dion die vorhabende Landung in Sizilien nicht sobald , als es unter ihnen verabredet gewesen , ausführen könne , erhellte zwar deutlich , daß Agathon und die übrigen Freunde Dions an der eigenmächtigen Wiederkunft desselben Anteil hätten ; aber von einem Anschlag gegen die gegenwärtige Regierung und die Person des Dionys , war außer einigen unbestimmten ausdrücken , welche ein Geheimnis zu verbergen scheinen konnten , nichts darin enthalten .
Man kann sich die Bewegung vorstellen , welche diese Entdeckung in dem Cabinet des Dionys verursachte .
Man war sich Ursachen genug bewußt , das ärgste zu besorgeu ; aber eben darum hielt Philistus für ratsamer , die Sache als ein Staats-Geheimnis zu behandeln .
Agathon wurde , unter dem Vorwande verschiedener Staats-Verbrechen in Verhaft genommen , ohne daß dem Publikum etwas bestimmtes , am allerwenigsten aber die wahre Ursache , bekannt wurde .
Man fand für besser , die Partei des Dion , ( welche man sich aus Panischem Schrecken größer vorstellte als sie wirklich war ) in Verlegenheit zu setzen , als zur Verzweiflung zu treiben ; und gewann indessen , daß man sich begnügte sie aufs genaueste zu beobachten , Zeit , sich gegen einen feindlichen Überfall in gehörige Verfassung zu setzen .
Wir sind es schon gewohnt , unseren Helden niemals größer zu sehen als im widrigen Glücke .
Auf das ärgste gefaßt , was er von seinen Feinden erwarten konnte , setzte er sich vor , ihnen den Triumph nicht zu gewähren , den Agathon zu etwas das seiner unwürdig wäre , erniedrigt zu haben .
Er weigerte sich schlechterdings , dem Philistus und Timocrates , welche zu Untersuchung seiner angeblichen Verbrechen ernannt waren , Antwort zu geben .
Er verlangte von dem Prinzen selbst gehört zu werden , und berief sich deshalb auf den Vertrag , der zwischen ihnen errichtet worden war .
Aber Dionys hatte den Mut nicht , eine geheime Unterredung mit seinem ehemaligen Günstling auszuhalten .
Man versuchte es , seine Standhaftigkeit durch eine harte Begegnung und Drohungen zu erschüttern ; und die schöne Cleonissa würde ihre Stimme zu dem strengsten Urteil gegeben haben , wenn die Furchtsamkeit des Tyrannen , und die Klugheit seines Ministers gestattet hätten , ihren Eingebungen zu folgen .
Sie mußte sich also durch die Hoffnung zufrieden stellen lassen , die man ihr machte , ihn , sobald man sich den Dion , auf eine oder die andere Art , vom Halse geschafft haben würde , zu einem-öffentlichen Opfer ihrer Rache-Dürstenden Tugend zu machen .
Inzwischen Stunden die Freunde Agathons seinetwegen in desto größeren Sorgen , da sie seinen Feinden Bosheit genug zutrauten , dem Tyrannen das ärgste gegen ihn einzugeben ; und diesem Schwachheit genug , sich von ihnen verführen zu lassen .
Denn das Unvermögen ihren Lieblingen zu widerstehen , macht öfters wollüstige Fürsten , wider ihre natürliche Neigung , grausam .
Sie wendeten also unter der Hand alles an , was ohne einen Aufstand zu wagen , dessen Erfolg allzu unsicher gewesen wäre , die Rettung Agathons befördern konnte .
Dion gab bei dieser Gelegenheit eine Probe seiner Großmut , indem er durch ein freundschaftliches Schreiben an Dionysen sich verbindlich machte , seine Kriegs-Völker wieder abzudanken , und seine Zurückberufung als eine bloße Gnade von dem guten Willen seines Prinzen zu erwarten , in so fern Agathon freigesprochen würde , dessen einziges Verbrechen darin bestehe , daß er sich für seine Zurückkunft in sein Vaterland interessiert habe .
So edel dieser Schritt war , und so wohlfeil dem Dionys dadurch die Aussöhnung mit dem Dion angetragen wurde ; so würde er doch dem Agathon wenig geholfen haben , wenn seine italienischen Freunde nicht geeilt hätten , dem Tyrannen einen noch dringenderen Beweggrund vorzulegen .
Aber zu eben dieser Zeit langten Gesandte von Tarent an , um im Namen des Archytas , welcher alles in dieser Republik vermochte , die Freilassung seines Freundes zu bewirken , und im Notfall zu erklären , daß diese Republik sich genötigt sehen würde , die Partei Dions mit ihrer ganzen Macht zu unterstützen , sofern Dionys sich länger weigern wollte , diesem Prinzen sowohl als dem Agathon vollkommene Gerechtigkeit widerfahren zu lassen .
Dionys kannte den Charakter des Archytas zu gut , um an dem Ernst dieser Drohung zweifeln zu können .
Er hoffte sich also am besten aus der Sache zu ziehen , wenn er unter der Versicherung , daß er von einer Aussöhnung mit seinem Schwager nicht abgeneigt sei , in die Entlassung Agathons einwilligte .
Aber dieser erklärte sich , daß er seine Entlassung weder als eine Gnade von dem Dionys annehmen , noch der Fürbitte seiner Freunde zu danken haben wolle .
Er verlangte , daß die Verbrechen , um derentwillen er in Verhaft genommen worden , öffentlich angezeigt , und in Gegenwart des Dionys , der Gesandten von Tarent und der Vornehmsten zu Syracus , untersucht , seine Rechtfertigung gehört , und sein Urteil nach den Gesetzen ausgesprochen werden sollte .
Da er sich bewußt war , daß außer seinen neuerlichen Verbindungen mit dem Dion , welche leicht zu rechtfertigen waren , seine boßhaftesten Hasser nichts mit einigem Schein der Wahrheit gegen ihn aufbringen könnten ; so hatte er gut auf eine so feierliche Untersuchung zu dringen .
Aber dazu konnten es die Cleonissen und die Philiste , und der Tyrann selbst , der bei allem diesem sehr verlegen war , nicht kommen lassen ; und da die Tarentiner ihnen keine Zeit lassen wollten , die Sache in die Länge zu ziehen ; so sah Dionys sich endlich genötigt , öffentlich zu erklären :
Daß eine starke Vermutung , als ob Agathon sich in eine Konspiration gegen ihn habe verwickeln lassen , die einzige Ursache seines Verhafts gewesen sei ; und daß er keinen Augenblick anstehen wolle , ihm seine Freiheit wiederzugeben , sobald er sich , unter Verbürgung der Tarentiner , durch ein feierliches Versprechen , auf keinerlei Weise künftighin gegen Dionysen etwas zu unternehmen , sich von diesem Verdacht am besten gereinigt haben werde .
Die Bereitwilligkeit , womit die Gesandten von Tarent sich diesen Antrag gefallen ließen , bewies , daß es dem Archytes allein um die Befreiung Agathons zu tun war ; und wir werden vielleicht in der Folge den Grund entdecken , warum dieses Haupt einer in diese Sache nicht unmittelbar verwickelten Republik , sich dieses Punkts mit so außerordentlichem Eifer annahm .
Aber Agathon , der seine Freiheit keinem unedlen Schritt zu danken haben wollte , konnte lange nicht überredet werden , eine Erklärung von sich zu geben , welche als eine Art von Geständnis angesehen werden konnte , daß er die Partei , die er genommen hatte , verleugne .
Doch diese in Ansehung seiner Umstände , in der Tat spitz fündige Delikatesse mußte endlich der gründlicheren Betrachtung weichen , daß er durch Ausschlagung eines so billig scheinenden Vergleichs sich selbst in Gefahr setzen würde , ohne daß seiner Partei einiger Vorteil dadurch zugige ; indem Dionys viel eher einwilligen würde , ihn in der Stille aus dem Wege räumen zu lassen , als zu zugeben , daß er mit soviel neuen Reizungen zur Rache die Freiheit bekommen sollte , der Faction des Dions wieder neues Leben einzuhauchen , und sich mit diesem Prinzen zu seinem Untergang zu vereinigen .
Die reizenden Schilderungen , so ihm die Tarentiner von dem glücklichen Leben machten , welches in dem ruhigen Schosse ihres Vaterlandes , und in der Gesellschaft seiner Freunde auf ihn warte , vollendeten die Wirkung , welche natürlicher Weise der gewaltsame Zustand von Unruhe , Sorgen und heftigen Leidenschaften , worin er einige Zeit her gelebt hatte , auf ein Gemüte wie das seinige machen mußte ; und gaben ihm zu gleicher Zeit den ganzen Abscheu vor dem geschäftigen Leben , welchen er nach seiner Verbannung von Athen dagegen gefaßt , und den ganzen Hang , welchen er zu Delphi für das Contemplative gehabt hatte , wieder .
Er bequemte sich also endlich , einen Schritt zu tun , der ihm von den Freunden Dions für eine feigherzige Verlassung der guten Sache ausgelegt wurde ; in der Tat aber das einzige war , was ihm in den Umständen , worin er sich befand , vernünftiger Weise zu tun übrig blieb .
Wie viel dunkle Stunden würde er sich selbst , und wie viele Sorgen und Mühe seinen Freunden erspart haben , wenn er dem Rate des weisen Aristippus ein paar Monate früher gefolgt hätte !
Einer von den zuverlässigsten und seltensten Beweisen der Tugend eines ersten Ministers ist , wenn er armer oder doch wenigstens nicht reicher in seine einsame Hütte zurückkehrt , als er gewesen war , da er auf den Schauplatz des öffentlichen Lebens versetzt wurde .
Die Epaminondas , die Walsinghams , die More , und Dessins sind freilich zu allen Zeiten selten ; aber wenn etwas , welches den verstocktesten Tugend-Leugner , einen Hippias selbst , zwingen muß , die Wirklichkeit der Tugend zu gestehen , und auch wider seinen Willen ihre Göttlichkeit zu erkennen :
So sind es die Beispiele solcher Männer .
Der Himmel verhüte , daß ich die Hippiasse jemals einer anderen Widerlegung würdigen sollte !
Sie mögen nach Aekerö reisen !
Und wenn sie den einzigen Anblick unter dem Himmel , auf welchen ( nach dem Ausdruck eines weisen Alten ) die Gottheit selbst mit Vergnügen herabsieht , wenn sie den ehrwürdigen Greis gesehen haben , der daselbst , zufrieden mit der edlen beneidenswürdigen Armut des Fabricius und Cincinnatus , doch zu tugendhaft um stolz darauf zu sein , die einzige Belohnung eines langen , ruhmwürdigen , Gott , seinem Könige und seinem Vaterland aufgeopferten Lebens in dem stillen Bewußtsein seiner Selbst , und ( so oft er seinen Telemach erblickt ) in der Hoffnung , nicht ganz umsonst gearbeitet zu haben , findet -- und , vergessen , vielleicht so gar verfolgt von einer undankbaren Zeit , sich ruhig in seine Tugend und den Glauben einer besseren Unsterblichkeit einhüllt --- wenn sie ihn gesehen haben , diesen wahrhaftig großen Mann , und dieser Anblick nicht zu Wege bringt , was alle Diskurse der Platon und Seneca nicht vermocht haben -- Nun , so mögen sie glauben was sie wollen , und tun , was sie ungestraft tun können ; sie verdienen eben so wenig Widerlegung , als ihre Besserung möglich ist -- Und du , ruhmvoller und liebenswürdiger alter Mann , empfange dieses wiewohl allzuvergängliche Denkmal von einem , dessen Feder niemals durch feiles , oder gewinnsüchtiges Lob der Großen dieser Welt entweiht worden ist -- Ich habe keine Belohnung , keinen Vorteil von dir zu hoffen -- du wirst dieses niemals lesen -- Meine Absicht ist rein , wie deine Tugend -- empfange dieses schwache Merkmal einer aufrichtigen Hochachtung von einem , der wenig Hochachtungswürdiges unter der Sonne sieht -- diese , und die Dankbarkeit für die stillen Tränen der Entzückung , die ihm ( in einem Alter , wo seine Augen zu dieser reinsten Wollust der Menschlichkeit noch nicht versieget waren ) das Lesen deiner Tugend-atmenden Briefe aus den Augen lockte -- diese Empfindungen allein haben ihn bei dieser Gelegenheit dahingerissen -- er hat sich nicht entschließen können , seinem Herzen Gewalt anzutun -- und bittet niemand , der dieses Buch lesen wird , wegen dieser Abschweifung um Verzeihung .
Agathon hatte über den Sorgen für die Wohlfahrt Siziliens , und über der Bemühung andere glücklich zu machen , sich selbst so vollkommen vergessen , daß er nicht reicher aus Syracus gegangen wäre , als er gewesen war , da er Delphi verließ , oder da er aus Athen verbannt wurde ; wenn ihm nicht zu gutem Glücke , bald nach seiner Erhebung zu einer Würde , welche ihm in allen Griechischen Staaten kein geringes Ansehen gab , ein Teil seines väterlichen Vermögens wieder zugefallen wäre .
Die Athener waren damals eben zu gewissen Handlungs-Absichten der Freundschaft des Königs Dionys benötiget ; und fanden daher für gut , ehe sie sich um die Vermittlung Agathons bewarben , ihm durch ihre Abgesandte ein Dekret überreichen zu lassen , Kraft dessen nicht nur sein Verbannungs-Urteil aufgehoben , sondern auch der ganze Prozeß , wodurch er ehemals seines väterlichen Erbguts beraubt worden war , kassiert , und der unrechtmässige Inhaber desselben verurteilt wurde , ihm alles unverzüglich wieder abzutreten .
Agathon hatte zwar großmütiger Weise nur die Hälfte davon angenommen ; und diese war nicht so beträchtlich , daß sie für die Bedürfnisse eines Alcibiades oder Hippias zureichend gewesen wäre :
Aber es war noch immer mehr , als ein Weiser selbst von der Sekte des Aristippus , nötig hätte , um frei , gemächlich und angenehm zu leben ; und soviel war für einen Agathon genug .
Unser Held verweilte sich , nach dem er wieder in Freiheit war , nicht längere Zeit zu Syracus , als er gebrauchte , sich von seinen Freunden zu beurlauben .
Dionys , welcher ( wie wir wissen ) den Ehrgeiz hatte , alles mit guter Art tun zu wollen , verlangte , daß er in Gegenwart seines ganzen Hofes Abschied von ihm nehmen sollte .
Er überhäufte ihn , bei dieser Gelegenheit , mit Lobsprüchen und Liebkosungen , und glaubte , einen sehr feinen Staatsmann zu machen , indem er sich stellte , als ob er ungern in seine Entlassung einwillige , und als ob sie als die besten Freunde von einander schieden .
Agathon hatte die Gefälligkeit , diesen letzten Auftritt der Komödie mitspielen zu helfen ; und so entfernte er sich , in Gesellschaft der Gesandten von Tarent , von jedermann beurteilt , von vielen getadelt , und von den wenigsten , selbst unter denen , welche günstig von ihm dachten , gekannt , aber von allen Rechtschaffenen vermißt und oft zurückgeseufzt , aus einer Stadt und aus einem Lande , worin er das Vergnügen hatte , viele Denkmäler seiner ruhmwürdigen Administration zu hinterlassen ; und aus welchem er nichts mit sich hinausnahm , als eine Reihe von Erfahrungen , welche ihn in dem Entschluß bestärkten -- keine andere von dieser Art mehr zu machen .
Viertes Kapitel .
Nachricht an den Leser .
Dank sei ( so ruft hier der Autor des griechischen Manuskripts , als einer , dem es auf einmal ums Herz leichter wird , aus ) Dank sei den Göttern , daß wir unseren Helden aus dem gefährlichsten aller schlimmen Orte , wohin ein ehrlicher Mann verirren kann , unversehrt , und was beinahe unglaublich ist , mit seiner ganzen Tugend davon gebracht haben !
Er hat allerdings von Glück zu sagen , fährt das Manuskript fort ; aber -- beim Hund ( dem großen Schwor des weisen Socrates ) was hatte er auch an einem Hofe zu tun ?
Er , der sich weder zu einem Sklaven , noch zu einem Schmeichler , noch zu einem Narren geboren fühlte , was wollte er am Hofe eines Dionysius machen ?
- - Was für ein Einfall -- und wenn ist jemals ein solcher Einfall in das Gehirn eines klugen Menschen gekommen ? -- einen lasterhaften Prinzen tugendhaft zu machen !
- - Oder welcher rechtschaffene Mann , der einen Fond von gesunder Vernunft und gutem Willen in sich gefühlt , ist jemals damit an einen Hof gegangen , wenn er im Sinne hatte , von dem einen oder dem anderen Gebrauch zu machen ?
- - Man muß gestehen , es ist eine ganz hübsche Sache um den Enthusiasmus -- eines Lycurgus , der aus einem Monarchen ein Bürger wird , um sein Vaterland glücklicher zu machen -- oder eines Leonidas , der mit dreihundert eben so entschlossenen Männern als er selbst , sich dem Tode weiht , um eben so vielen Myriaden von Barbaren den Mut , mit Griechen zu fechten , zu benehmen .
Doch so groß , so schön diese Taten sind ; so sind sie durch die Kräfte der Natur möglich , und diejenige , welche sie unternahmen , konnten sich versprechen , daß sie ihre Absichten erreichen würden .
Aber wenn hat man jemals gehört , daß ein Mensch , oder ein Held , der Sohn einer Göttin , oder eines Gottes , oder ein Gott selbst , dasjenige zu Stande gebracht hätte , was Agathon unternahm , da er mit der Zither in der Hand sich überreden ließ , der Mentor eines Dionys zu werden .
Auf diesen humoristischen Eingang , womit unser Autor dieses Kapitel beginnt , folget eine lange , und wie es scheint , ein wenig milzsüchtige Deklamation gegen diejenige Klasse der Sterblichen , welche man große Herren nennt ; mit verschiedenen Digressionen über die Mätressen -- über die Jagdhunde -- und über die Ursachen , warum es für einen ersten Minister gefährlich sei , zuviel Genie , zuviel Uneigennützigkeit , und zuviel Freundschaft für seinen Herrn zu haben -- So viel man sehen kann , ist dieses Kapitel eines von den merkwürdigsten , und sonderbarsten in dem ganzen Werke .
Aber unglücklicher Weise , befindet sich das Manuskript an diesem Ort halb von Ratten aufgegessen ; und die andere Hälfte ist durch Feuchtigkeit so übel zugerichtet worden , daß es leichter wäre , aus den Blättern der Cumäischen Sibylle , als aus den Bruchstücken von Wörtern , Sätzen und Perioden , welche noch übrig sind , etwas Zusammenhängendes herauszubringen .
Wir gestehen , daß uns dieser Verlust so nahe geht , daß wir uns eher der sinnreichen Ergänzungen , welche Herr Naudot zum Petronius in seinem Kopfe gefunden hat , oder der sämtlichen Werke des Ehrwürdigen Paters *** beraubt wissen wollten .
Indessen ist doch dieser Verlust in Absicht des Lobes der großen Herren um so leichter zu ertragen , da wir über den weiten Umfang der Einsichten , die Größe der Seelen , die edlen Gesinnungen und den guten Geschmack , welcher ordentlicher Weise die großen Herren von den übrigen Erden-Söhnen zu unterscheiden pflegt , in dem besten und schlimmsten Buche ( je nachdem es Leser bekommt ; welches wir übrigens ganz unpräjudicierlich und niemand zu Leide gesagt haben wollen ) das in unserem Jahrhundert zur Welt gekommen ist , in dem Buche des Herrn Helvétius , alles gesagt finden , was sich über einen so reichen und edlen Stoff nur immer sagen läßt .
Eine gleiche Bewandtnis hat es mit der Digression über die Mätressen , und über die Jagdhunde ; über welche Materien der geneigte Leser in des Grafen Anton Hamiltons Beiträgen zur Histoire amoureuse des Hofes Karls des zweiten von England , und in den bewundernswürdigen Schriften eines gewissen neueren Staatsmannes ( den wir seiner Bescheidenheit zu schonen , nicht nennen wollen ) mehr als hinlängliche Auskunft finden kann .
Aber den Verlust der dritten Digression bedauern wir von Herzen , indem , ( nach der Versicherung eines der größten Bücher-Kenner von Europa ) dermalen noch kein Buch in der Welt ist , in welchem diese interessante und ziemlich verwickelte Materie recht auseinandergesetzt und gründlich ausgeführt wäre .
Zum Unglück ist dieses Kapitel eben an diesem Ort am mangelhaftesten .
Doch läßt sich aus einigen Worten , welche zum Schlusse dieser Digression zu gehören scheinen , abnehmen , daß der Verfasser neun und dreißig Ursachen angegeben habe ; und wir gestehen , daß wir begierig wären , diese neun und dreißig Ursachen zu wissen .
Fünftes Kapitel .
Moralischer Zustand unseres Helden .
Der Autor der alten Handschrift , aus welcher wir den größten Teil dieser Geschichte gezogen zu haben gestehen , triumphiert , wie man gesehen hat , darüber , daß er seinen Helden mit seiner ganzen Tugend von einem Hofe hinweggebracht habe .
Es würde allerdings etwas sein , daß einem Wunder ganz nahe käme , wenn es sich wirklich so verhielte ; aber wir besorgen , daß er mehr gesagt habe , als er der Schärfe nach zu beweisen im Stande wäre .
Wenn es nicht etwan moralische Amulette gibt , welche der ansteckenden Beschaffenheit der Hofluft auf eben die Art widerstehen , wie der Krötenstein dem Gift , so deucht uns ein wenig unbegreiflich , daß das Getümmel des beschäftigten Lebens , die schädlichen Dünste der Schmeichelei , welche ein Günstling , er wolle oder wolle nicht , unaufhörlich einsaugt -- die Notwendigkeit , von den Forderungen der Weisheit und Tugend immer etwas nachzulassen , um nicht alles zu verlieren -- und was noch schädlicher als dieses alles ist , die unzähligen Zerstreuungen , wodurch die Seele aus sich selbst herausgezogen wird , und über der Aufmerksamkeit auf eine Menge kleiner vorbeirauschender Gegenstände , die Aufmerksamkeit auf sich selbst verliert -- nicht einige nachteilige Einflüsse in den Charakter seines Geistes und Herzens gehabt haben sollten .
Indessen müssen wir gestehen , daß es ihm hierin eben so erging , wie es , vermöge der täglichen Erfahrung , allen anderen Sterblichen zu gehen pflegt .
Er wurde diese eben so unmerkliche als unleugbare Einflüsse , und die Veränderungen , welche sie verstohlener Weise in seiner Seele verursachten , eben so wenig gewahr , als ein gesunder Mensch die geheimen und schleichenden Zerrüttungen empfindet , welche die Unbeständigkeit der Witterung , die kleinen Unordnung in der Lebensart , die heterogene Beschaffenheit der Nahrungs-Mittel , und das langsam wirkende Gift der Leidenschaften , stündlich in seiner Maschine verursachen .
Die Veränderungen , die in unserer innerlichen Verfassung vorgehen , müssen beträchtlich sein , wenn sie in die Augen fallen sollen ; und wir fangen gemeiniglich nicht eher an , sie deutlich wahrzunehmen , bis wir uns genötigt finden , zu stutzen , und uns selbst zu fragen , ob wir noch eben dieselbe Person seien , die wir waren ?
Aus diesem Grunde geschah es vermutlich , daß Agathon die Progressen , welche die schon zu Smyrna angefangene Revolution in seiner Seele während seinem Aufenthalt zu Syracus machte , ohne das mindeste Mißtrauen in sie zu setzen , ganz allein den neuen oder bestätigten Erfahrungen zuschrieb , welche er in dieser ausgebreiteten Sphäre zu machen , so viele Gelegenheiten hatte .
Es ist unstreitig einer der größten Vorteile , wo nicht der einzige , den ein denkender Mensch aus dem Leben in der großen Welt mit sich nimmt , sofern es ihm jemals so gut wird , sich wieder aus derselben herauswinden zu können -- daß er die Menschen darin kennen gelernt hat .
Es läßt sich zwar gegen diese Art von Kenntnis der Menschen , aus guten Gründen eben so viel einwenden , als gegen diejenige , welche man aus der Geschichte , und den Schriften der Dichter , Sittenlehrer , Satiristen und Romananmacher zieht -- oder gegen irgend eine andere :
Aber man muß hingegen auch gestehen , daß sie wenigstens eben so zuverlässig ist , als irgend eine andere ; ja daß sie es noch in einem höheren Grade ist , wenn anders das Subjekt , bei dem sie sich befindet , mit allen den Eigenschaften versehen ist , die zu einem Beobachter erfordert werden .
Denn freilich kann nichts lächerlicher sein als ein Geck , der nachdem er zehn oder fünfzehn Jahre seine Figur durch alle Länder und Höfe der Welt herumgeführt , etliche Dutzend zweideutige Tugenden besiegt , und eben so viel schale Histörchen oder verdächtige Beiträge zur Chronique scandaleuse eines jeden Ortes , wo er gewesen ist , zusammengebracht hat , mit deren Hilfe er zweien oder drei Tage eine Tischgesellschaft lachen oder gähnen machen kann -- sich selbst mit dem Besitz einer vollkommenen Kenntnis der Welt und der Menschen schmeichelt , und denjenigen mit dummem Hohnlächeln von der Seite ansieht , der vermöge einer vieljährigen tiefen Erforschung der menschlichen Natur , gelegenheitlich von Charaktern und Sitten urteilt , ohne die sieben Türme gesehen , oder der Vermählung des Doge von Venedig mit dem adriatischen Meer beigewohnt zu haben .
Wir wissen nicht , wie groß ungefähr die Anzahl der so genanuten Welt-Leute sein mag , die in diese Klasse gehören :
Aber das scheint uns gewiß zu sein , daß ein Mann von Genie und aufgeklärtem Verstande ( denn die bloße Empirie reicht hier so wenig zu , als in irgend einer anderen praktischen Wissenschaft ) durch das Leben in der großen Welt , ( in so fern wir dieses Wort in seiner echten Bedeutung nehmen ) durch die Verhältnisse , worin er an einem beträchtlichen Platze mit allen Arten von Ständen und Charaktern kommt , durch die häufigen Gelegenheiten die er hat , diejenige so er beobachtet , unter allerlei Umständen , mit und ohne Maske zusehen , sie auf allerlei Proben zu setzen , und so wohl durch den Gebrauch , den man von ihnen macht , als den sie von anderen zu machen suchen , ihre herrschenden Neigungen und geheime Springfedern ausfindig zu machen -- daß er dadurch zu einer unmittelbaren , ausgebreiteteren und richtigeren Kenntnis der Menschen gelangt , als andere , welche ihre Theorie lediglich den Geschichtsschreibern , Metaphysikern und Moralisten ( drei sehr wenig zuverlässigen Gattungen von Lehrern ) zu danken -- oder welche ihre Beobachtungen nur in dem Microcosmus ihres eigenen Selbst angestellt haben .
Es ist oben schon bemerkt worden , daß Agathon bei seinem Auftritt auf dem Schauplatz , von dem er nun wieder abgetreten ist , lange nicht mehr so erhaben und idealisch von der menschlichen Natur dachte , als zu Delphi ; denn es macht einen beträchtlichen Unterschied , ob man unter Bildsäulen von Göttern und Helden , oder unter Menschen lebt ; aber nachdem er die Beobachtungen , die er zu Athen und Smyrna schon gesammelt , noch durch die nähere Bekanntschaft mit den Großen , und mit den Hofleuten bereichert hatte , sank seine Meinung von der angeborenen Schönheit und Würde dieser menschlichen Natur , von Grade zu Grade so tief , daß er zuweilen in Versuchung geriet , gegen die Stimme seines Herzens ( welche eben so wohl , dachte er , die Stimme der Eigenliebe oder des Vorurteils sein könnte , ) alles was der göttliche Plato erhabenes und herrliches davon gesagt und geschrieben hatte , für Märchen aus einer anderen Welt zu halten .
Unvermerkt kamen ihm die Begriffe , welche sich Hippias davon machte , nicht mehr so ungeheuer vor , als damals , da er sich in den Garten dieses wollüstigen Weisen in den Mondschein hinsetzte , und Betrachtungen über den Zustand der entkörperten Geister anstellte .
Endlich kam es gar so weit , daß ihm diese Begriffe wahrscheinlich genug deuchen , um sich vorstellen zu können , wie Leute , die in ihrem eigenen Herzen nichts fanden , das ihnen eine edlere Meinung von ihrer Natur zu geben geschickt wäre , durch einen langen Umgang mit der Welt dazu gelangen könnten , sich gänzlich von der Wahrheit desselben zu überreden .
Soweit hätte Agathon gehen können , ohne die Grenzen der weisen Mässigung zu überschreiten , welche uns in unseren Urteilen über diesen wichtigen Gegenstand , und alles was sich auf ihn bezieht , langsam und zurückhaltend machen sollen .
Aber in Stunden , da der Unmut seine schönsten Hoffnungen durch die Torheit oder Bosheit derjenigen mit denen er leben mußte , vor seinen Augen vernichten zu sehen , eine mehr als gewöhnliche Verdüsterung in seiner Seele verursachte , ging er noch um einen Schritt weiter .
Nein , sagte er dann zu sich selbst , die Menschen sind nicht wofür ich sie hielt , da ich sie nach mir selbst , und mich selbst nach den jugendlichen Empfindungen eines gefühlvollen Herzens , und nach einer noch ungeprüften Unschuld beurteilte .
Meine Erfahrungen rechtfertigen das Schlimmste , was Hippias von ihnen sagte ; und wenn sie nichts besseres sind , was für Ursache habe ich , mich darüber zu beschweren , daß sie sich nicht nach Grundsätzen behandeln lassen , die in keinem Ebenmaß mit ihrer Natur stehen ?
An mir war der Fehler , an mir , der einen Merkur aus einem knotigen Feigenstock schnitzeln wollte .
Sagte er mir nicht vorher , daß ich nichts anders zu gewarten hätte , wenn ich den Plan meines Lebens nach meinen Ideen einrichten würde .
Seine Vorhersagung hätte nicht richtiger eintreffen können .
Hätte ich seinen Grundsätzen gefolgt , hätte ich mich ehemals zu Athen , oder hier zu Syracus so betragen , wie Hippias an meinem Platze getan haben würde -- so würde ich meine Absichten ausgeführt haben ; so würde ich glücklich gewesen sein -- und der Himmel weiß , ob es den Sizilianern desto schlimmer ergangen wäre .
Dieses ist nun das zweite Mal , daß Philistus , ein echter Anhänger des Systems meines Sophisten , ob er gleich nicht fähig wäre es so zusammenhängend und scheinbar vorzutragen , über Weisheit und Tugend den Sieg davon getragen hat . -- Und habe ich noch der Erfahrung vonnöten , um zu wissen , daß er eben so gewiß über einen anderen Plato , und über einen anderen Agathon siegen würde ?
- - Wieviel ließ ich von meinen Grundsätzen nach , wie tief stimmte ich mich selbst herab , da ich die Unmöglichkeit sah , diejenigen mit denen ich es zu tun hatte , so weit zu mir heraufzuziehen ?
Wozu half es mir ? -- ich konnte mich nicht entschließen niederträchtig zu handeln , ein Schmeichler , ein Kuppler , ein Verräter an dem wahren Interesse des Fürsten und des Landes zu werden -- und so verlor ich die Gunst des Fürsten , und die einzige Belohnung , die ich für meine Arbeiten verlange , die Vorteile , welche dieses Land von meiner Verwaltung zu genießen anfing , auf einmal , weil ich mich nicht dazu bequemen konnte , alles für anständig und recht zu halten , was nützlich ist -- O ! gewiß Hippias , deine Begriffe und Maximen , deine Moral , deine Staatskunst , gründen sich auf die Erfahrung aller Zeiten .
Wenn sind die Menschen jemals anders gewesen ?
Wenn haben sie jemals die Tugend hochgeschätzt , als wenn sie ihrer Dienste benötigt waren ; und wenn ist sie ihnen nicht verhaßt gewesen , so bald sie ihren Leidenschaften im Lichte stand ?
Diese Betrachtungen führten unseren Helden bis an die äußerste Spitze des tiefen Abgrunds , der zwischen dem System der Tugend , und dem System des Hippias liegt ; aber der erste schüchterne Blick , den er hinunter wagte , war genug , ihn mit Entsetzen zurückfahren zu machen .
Die Begriffe des wesentlichen Unterschieds zwischen Recht und Unrecht , und die Ideen des sittlichen Schönen , hatten zu tiefe Wurzeln in seiner Seele gefaßt , waren zu genau mit den zartesten Fibern derselben verflochten und zusammengewachsen , als daß es möglich gewesen wäre , daß irgend eine zufällige Ursache , so stark sie immer auf seine Einbildung und auf seine Leidenschaften wirken mochte , sie hätte ausreuten können .
Die Tugend hatte bei ihm keinen andere Sachwalter nötig als sein eigenes Herz .
In eben dem Augenblick , da eine nur allzugegründete Misanthropie ihm die Menschen in einem verächtlichen Lichte , und vielleicht wie gewisse Spiegel , um ein gutes Teil häßlicher zeigte , als sie wirklich sind , fühlte er mit der vollkommensten Gewißheit , daß er , um die Krone des Monarchen von Persien selbst , weder Hippias noch Philistus sein wollte ; und daß er , sobald er sich wieder in die nämliche Umstände gesetzt sähe , eben so handeln würde , wie er gehandelt hatte , ohne sich durch irgend eine Folge davon erschrecken zu lassen .
Hingegen konnte es nicht wohl anders sein , als daß diese Betrachtungen , denen er sich seit seinem Fall , und sonderheitlich während seiner Gefangenschaft , fast gänzlich überließ , den Überrest des moralischen Enthusiasmus , von dem wir ihn bei seiner Flucht aus Smyrna erhitzt gesehen haben , vollends verzehren mußten .
Der Gedanke für das Glück der Menschen , für das allgemeine Beste der ganzen Gattung zu arbeiten , verliert seinen mächtigen Reiz , sobald wir klein von dieser Gattung denken .
Die Größe dieses Vorhabens ist es eigentlich , was den Reiz derselben ausmacht -- und diese schrumpft natürlicher Weise sehr zusammen , sobald wir uns die Menschen als eine Herde von Kreaturen vorstellen , deren Grössester Teil seine ganze Glückseligkeit , den letzten Endzweck aller seiner Bemühungen auf seine körperliche Bedürfnisse einschränkt , und dabei dumm genug ist , durch eine niederträchtige Unterwürfigkeit unter eine kleine Anzahl der schlimmsten seiner Gattung , sich fast immer in den Fall zu setzen , auch dieser bloß tierischen Glückseligkeit nur selten oder auf kurze Zeit , bittweise oder verstohlener Weise habhaft zu werden .
Jedes Tier sucht seine Nahrung -- gräbt sich eine Höhle , oder baut sich ein Nest -- begattet sich -- schläft -- und stirbt .
Was tut der größte Teil der Menschen mehr ?
Das beträchtlichste Geschäfte , das sie von den übrigen Tieren voraus haben , ist die Sorge sich zu bekleiden , welche die hauptsächlichste Beschäftigung vieler Millionen ausmacht .
Und ich sollte , ( sagte Agathon in einer von seinen schlimmsten Launen zu sich selbst ) ich sollte meine Ruhe , meine Vergnügungen , meine Kräfte , mein Dasein der Sorge aufopfern , damit irgend eine besondere Herde dieser edlen Kreaturen besser esse , schöner wohne , sich häufiger begatte , sich besser kleide , und weicher schlafe als sie zuvor taten , oder als andere ihrer Gattung tun ? -- Ist das nicht alles was sie wünschen ?
Und gebrauchen sie mich dazu ?
Was sollte mich bewegen , mir diese Verdienste um sie zu machen ?
Ist vielleicht nur ein einziger unter ihnen , der bei allem was er unternimmt , eine edlere Absicht hat , als seine eigene Befriedigung ?
Bin ich ihnen etwan einige Hochachtung oder Dankbarkeit dafür schuldig , daß sie für meine Bedürfnisse oder für mein Vergnügen arbeiten ?
Ich bin schuldig , sie dafür zu bezahlen ; das ist alles was sie wollen , und alles was sie an mich fordern können .
Himmel ! -- so deucht mich , höre ich hier einige rührende Stimmen ausrufen -- ist_es möglich ?
Konnte Agathon so denken ?
So klein , so unedel -- so kalt , meine schönen Damen , so kalt !
Und sie werden mir gestehen , daß man in einer Einkerkerung von zweien oder drei Monaten , die man sich ganz allein durch große und edle Gesinnungen zugezogen , gute Gelegenheit hat , sich von der Hitze der großmütigen Schwärmerei ein wenig abzukühlen -- Aber was wird nun aus der Tugend unseres Helden werden ?
- - Was ist die Tugend ohne dieses schöne Feuer , ohne diese erhabene Begeisterung , welche den Menschen über die übrigen seiner Gattung , welche ihn über sich selbst erhöht , und zu einem allgemeinen Wohltäter , zu einem Genius , zu einer subalternen Gottheit macht ? -- Wir gestehen es , sie ist ohne diese ätherische Flamme ein sehr unansehnliches , sehr wenig glänzendes Ding -- " Und wie traurig ist es , die Tugend unseres Helden gerade da unter " liegen zu sehen , wo sie sich in ihrer größten Stärke zeigen sollte ?
- Wie ? -- erliegen , weil man Wider "stand findet ?
Die gute Sache aufgeben , weil man , und vielleicht ohne Not , an einem glücklichen Aus " Gang verzweifelt ?
Was ist denn die wahre Tugend anders , als ein immerwährender Streit mit den Lei " denschaften , Torheiten und Lastern -- in uns , und außer uns ? "
- - Vortrefflich ! -- und in Bunyaus Reise so wohl ausgeführt , meine Herren , daß ihr uns hier weiter nichts zu sagen braucht .
Es ist bedauerlich , daß unser Held seine Rolle nicht besser behauptet -- Aber allem Ansehen nach , war er wohl niemals ein Held -- und wir hatten Unrecht ihm einen so ehrenvollen Namen beizulegen -- " Das eben nicht ; er fing " vortrefflich an ; er war ein Held , da er sich den zu " dringlichen Liebkosungen der verführischen Pythia ent " riß " -- Das konnte die scheue und schamhafte Unschuld der unbärtigen Jugend getan haben ; und liebte er damals nicht die schöne Psyche ? -- " So verdiente " er doch ein Held genannt zu werden , als er den Mut " hatte , sich eines verlassenen Unschuldigen gegen eine " mächtige Partei anzunehmen ? "
- - Ihr könntet vielleicht eben soviel aus Ehrgeiz -- oder aus Haß gegen einen der Feinde eures Klienten -- oder aus einer geheimen Absicht auf die Gemahlin eures Klienten -- oder um vierzig tausend Livres aus der Kasse eures Klienten tun ? -- und ihr hättet in keinem von diesen Fällen eine Heldentat getan .
Daß Agathon damals aus edlen Gesinnungen handelte , wissen wir -- von ihm selbst ; und wir haben Gründe , es ihm zu glauben -- aber er konnte sich mit der größten Wahrscheinlichkeit einen glänzenden Success versprechen ; und was für ein Triumph war das für die Ruhmbegierde eines Jünglings von zwanzig Jahren ? -- " Nun , so war er doch gewiß ein Held , da er gleichmütig und unschütter " lich sich dem ungerechten Verbannungs-Urteil der Athener unterzog , und lieber das äußerste Erdul " den , als seine Lossprechung einer Niederträchtigkeit zu danken haben wollte !
- - So war er_es damals , da er von sich sagen konnte :
" Ich verwies es der Tugend nicht , daß sie mir den Haß und die Verfol " gungen der Bösen zugezogen hatte ; ich fühlte , daß sie sich selbst belohnt . " -- In der Tat , er war in diesem Augenblick groß ; aber wir müssen nicht vergessen , daß er sich damals in einem ausserordeutlichen Zustande , auf dem äußersten Grade dieses Enthusiasmus der Tugend befand , der den Menschen vergessen macht , daß er nur ein Mensch ist .
Diese Art von Heldentum dauert natürlicher Weise nicht länger , als der Paroxysmus des Affekts .
Agathon war sich damals , als er so dachte , einer unbefleckten Tugend bewußt ; und zu was für einem Stolz mußte dieses Gefühl seine Seele in einem Augenblick aufschwellen , da sich ganz Athen zusammenverschworen zu haben schien , ihn zu demütigen ; in einem Augenblick , da dieser Stolz der ganzen Last seines Unglücks das Gleichgewicht halten mußte , und ihm den Triumph verschaffte , die Herren über sein Schicksal die ganze Obermacht , die ihm seine Tugend über sie gab , fühlen zu lassen ?
Diese Art von Stolz gleicht in ihren Wirkungen der Wut eines tapferen Mannes der zur Verzweiflung getrieben wird .
Die Gewißheit des Todes , in den er sich hineinstürzt , macht , daß er Taten eines Unsterblichen tut .
Aber Agathon hatte dermalen nicht mehr soviel Ursache , auf seine Tugend stolz zu sein .
Eben diese enthusiastische Gemüts-Beschaffenheit , welche ihm bei seiner Verbannung zu Athen die Gesinnungen eines Gottes eingehaucht , hatte ihn zu Smyrna den Schwachheiten eines gemeinen Menschen ausgesetzt .
Er dachte nicht mehr so groß von sich selbst , und da ihm nun , in ähnlichen Umständen , dieser heroische Stolz nicht mehr zu statt kommen konnte , so mußte sich derselbe notwendig in diejenige Art von Misanthropie verwandeln , welche sich über die ganze Gattung erstreckt .
In diesem Stücke , wie in vielen anderen , ist die Geschichte Agathons die Geschichte aller Menschen .
Wir denken so lange groß von der menschlichen Natur , als wir groß von uns selber denken ; unsere Verachtung hat alsdann nur einzelne Menschen oder kleinere Gesellschaften zum Gegenstand .
Aber sobald wir in unserer Meinung von uns selbst fallen , sinkt durch eine innerliche Gewalt über welche wir nicht Meister sind , unsere Meinung von der ganzen Gattung zu welcher wir gehören ; wir verwundern uns , daß wir nicht eher wahrgenommen , daß die Torheiten , die Laster derjenigen , unter denen wir leben , Gebrechen der Natur selbst sind , denen ( mehr oder weniger , auf diese oder eine andere Art , je nachdem Zeit , Umstände , Temperament und Gewohnheit es mit sich bringen ) ein jeder unterworfen ist ; je genauer wir die Menschen untersuchen , je mehr Gründe finden wir , so zu denken ; und diese Denkungsart flösset uns , zu eben der Zeit , da sie uns eine gewisse Geringschätzung gegen die ganze Gattung gibt , mehr Nachsicht gegen die Fehler und Gebrechen der einzelnen Personen , und besonderen Gesellschaften , mit denen wir in Verhältnis stehen , ein ; so daß wir das , was wir an jenem tugendhaften Schwülst , welchen die Einfalt übereilter Weise für die Tugend selbst hält , verlieren , zu eben der Zeit an den notwendigsten und liebenswürdigsten Tugenden , an Geselligkeit und Mässigung gewinnen : Tugenden , welche zwar nichts blendendes haben , aber desto mehr Wärme geben , und uns desto geschickter machen , unter Geschöpfen zu leben , welche ihrer alle Augenblicke benötiget sind .
Es ist ein gemeiner und oft getadelter Fehler des menschlichen Geschlechts , daß sie das Wunderbare mehr lieben als das Natürliche , und das Glänzende mehr als was nicht so gut in die Augen fällt , wenn es gleich brauchbarer und dauerhafter ist .
Diese Art von dem Werte der Sachen zu urteilen ist nirgends betrüglicher , als wenn sie auf moralische Gegenstände angewendet wird .
Der Schluß , den man öfters von der Erhabenheit der Begriffe und Empfindungen einer Person , und von der Fertigkeit eine gewisse Sprache der Begeisterung zu reden , welche ( wie die homerische Göttersprache ) allen Dingen andere Namen gibt , ohne daß die Dinge selbst darum etwas anders sind , als sie unter ihren gewöhnlichen Namen sind , auf eine außerordentliche Vortrefflichkeit des Characters dieser Person zu machen pflegt , ist eben so falsch , als das Vorurteil , welches viele gegen eine gelassene und bescheidene Tugend gefaßt haben , welche , ohne sich durch feierliches Gepränge , hochfliegende Ideen , anmaßliche Privilegien von den Gebrechen der menschlichen Natur , und unerbittliche Strenge gegen dieselben anzukündigen , nur darum weniger zu versprechen scheint , um im Werke selbst desto mehr zu leisten .
Dieses vorausgesetzt könnten wir vielleicht mit gutem Grunde behaupten , daß die Tugend unseres Helden , durch die neuerliche Veränderung , die in seiner Denkensart vorging , in verschiedenen Betrachtungen , große Vorteile erhalten habe .
Aber ( wir wollen es nur gestehen ) was sie dabei auf einer Seite gewann , verlor sie auf einer anderen wieder .
Die Begriffe , welche wir uns von unserer eigenen Natur machen , haben einen entscheidenden Einfluß auf alle unsere übrigen Begriffe .
So irrig , so lächerlich und kindisch es ist , wenn wir uns einbilden ( und doch bilden sich das die Meisten ein ) daß der Mensch die Hauptfigur in der ganzen Schöpfung , und alles andere bloß um seinetwillen da sei -- So natürlich ist hingegen , daß er es in dem besonderen System seiner eigenen Ideen ist .
In dieser kleinen Welt ist und bleibt er , er wolle oder wolle nicht , der Mittelpunkt -- der Held des Stücks , auf den alles sich bezieht , und dessen Glück oder Fall alles entscheidet .
Alles ist groß , wichtig , interessant , wenn die Hauptperson wichtig ist , und eine große Rolle zu spielen hat ; aber wenn Scapin oder Harlekin der Held ist , was kann das ganze Stück anders sein , als eine Farce ?
Man erinnert sich vermutlich noch der Zweifel , worin sich Agathon verwickelt fand , als er die bezauberten Ufer von Ionien verließ , wo er , vielleicht zu seinem Vorteil , erfahren hatte , daß die Ideen , welche sich in den Hainen zu Delphi seiner jugendlichen Seele bemächtiget , und durch den Unterricht und Umgang des göttlichen Platons zu Athen noch mehr darin befestiget hatten , ihm bei einer Gelegenheit , wo er sich mit vollkommener Sicherheit auf ihre Stärke und beschützende Kraft verlassen hatte , mehr nachteilig als nützlich gewesen waren , ja sich endlich ( zu einem billigen Verdacht gegen ihre Realität ) von ganz entgegengesetzten so unmerklich und gutwillig hatten verdrängen lassen , daß er die Veränderung nicht eher wahrgenommen , als da sie schon völlig zu Stande gekommen war .
Agathon hatte damals keine Zeit , dieser Zweifel wegen mit sich selbst einig zu werden ; er glaubte zwar , oder hoffte vielmehr überhaupt , daß dasjenige was in seinen vormaligen Grundsätzen wahres sei , sich mit seinen neuerlangten Begriffen sehr wohl vereinigen lassen werde -- aber er sah doch noch nicht deutlich genug , wie ? -- und wurde beim ersten Anblick Lücken gewahr , welche ihm desto mehr Sorge machten , je weniger er geneigt war , sie nach dem Exempel der Meisten , die sich in dieser Schwierigkeit befinden , mit dem ersten Besten , es möchte Stroh , Leimen , Lumpen oder was ihm sonst in die Hände fiele , sein , auszustopfen .
Indes hatten doch damals seine vorigen Lieblings-Ideen noch einen starken Anhang in seinem Herzen , und er beruhigte sich , auf die Eingebungen desselben hin , mit der Hoffnung , daß es ihm , sobald er in ruhigere Umstände käme , leicht sein würde , die Harmonie zwischen seinem Kopf und seinem Herzen vollkommen wieder herzustellen .
Allein die Geschäfte und die Zerstreuungen , welche zu Syracus alle seine Zeit verschlangen , hatten ihn genötigt , eine für ihn so wichtige Arbeit lange genug aufzuschieben , um sie durch immer neu hervorbrechende Schwierigkeiten ungleich schwerer zu machen , als sie anfangs gewesen wäre .
Die ungereimte und lächerliche Seite der menschlichen Meinungen , Leidenschaften , und Gewohnheiten ist gemeiniglich die erste , welche sie einem Manne von Verstand und Witz zeigen , der die Muße nicht hat , sie mit anhaltender Aufmerksamkeit zu betrachten .
Agathon gewöhnte sich also unvermerkt an diese Art , die Sachen anzuschauen ; die natürliche Heiterkeit und Lebhaftigkeit seiner Sinnesart disponierte ihn ohnehin dazu ; und die Syracusaner , deren Charakter eine Vermischung des Atheniensischen und Korinthischen , oder eine Komposition von den widersprechendsten Eigenschaften , welche ein Volk nur immer haben kann , ausmachte -- und ein Hof , wie Dionysens Hof war --- versahen ihn so reichlich mit komischen Charaktern , Bildern und Begebenheiten , daß der Absatz , welchen der gegenwärtige Ton seiner Seele ( wenn man uns dieses malerische Kunst-Wort hier erlauben will ) mit seinem ehemaligen machte , von Tag zu Tag immer stärker werden mußte .
Der Oromasdes und Arimanius der alten Persen werden uns nicht als tödlichere Feinde vorgestellt , als es der komische Geist , und der Geist des Enthusiasmus sind ; und die natürliche Antipathie dieser beiden Geister wird dadurch nicht wenig vermehrt , daß beide gleich geneigt sind , über die Grenzen der Mässigung hinauszuschweifen .
Der Enthustastische Geist steht alles in einem strengen feierlichen Licht ; der komische alles in einem milden und lachenden ; nichts ist dem ersten leichter als so weit zugehen , bis ihm alles , was Spiel und Scherz heißt , verdammend vorkommt ; nichts dem anderen leichter , als gerade in demjenigen , was jener mit der größten Ernsthaftigkeit behandelt , am meisten Stoff zum Scherzen und Lachen zu finden .
Nehmen wir zu diesem noch , daß der leichtsinnige und scherzhafte Ton von jeher den Höfen vorzüglich eigen gewesen ist -- und den besonderen Umstand , daß die anmaßlichen Akademisten , oder Hof-Philosophen des Dionys , den einzigen Aristipp ausgenommen , eine Art von Tragikomischen Narren vorstellten , welche recht mit Fleiß dazu ausgesucht zu sein schienen , um die erhabenen Wissenschaften , für deren Priester und Mystagogen sie sich ausgeben , so verächtlich zu machen , als sie selbst waren -- Nehmen wir alles dieses zusammen , so werden wir uns kaum verwundern können , wie es möglich gewesen , daß unser Held nach und nach sich endlich auf einem Punkt befand , wo ihn damals , da er in der Grotte der Nymphen auf Erscheinungen der Götter wartete -- oder da er die Grundsätze , die Verheissungen und die Freundschaft des Sophisten Hippias mit einem so feurigen Unwillen von sich stieß -- vermutlich niemand , oder nur die schlauesten Kenner des menschlichen Herzens erwartet haben mögen -- nämlich da , wo ihm ein großer Teil seiner vormaligen Ideen , an denen er zu Smyrna nur zu zweifeln angefangen hatte , nun selbst ganz schimärisch und belachenswert , und diejenigen , deren Gegenstände ihm zwar ehrwürdig bleiben mußten , doch subjectivisch betrachtet , in der barockeschen Gestalt , wie sie in der Einbildung der Sterblichen verkleinert , verzerrt , vermischt oder verkleidet werden , zu nichts anderem zu taugen schienen , als lustig damit zu machen .
Unsere nachdenkenden Leser werden nunmehr ganz deutlich begreifen , warum wir Bedenken getragen haben , dem Urheber der Griechischen Handschrift in seinem allzugünstigen Urteil von dem gegenwärtigen moralischen Zustande unseres Helden , Beifall zu geben .
Wir können uns nicht verbergen , daß dieser Zustand für seine Tugend gefährlich ist , und desto gefährlicher , je mehr man in demselben durch eine gewisse Behaglichkeit , Munterkeit des Geistes , und andere Anscheinungen einer völligen Gesundheit , sicher gemacht zu werden pflegt , sich in seinem natürlichen Zustande zu glauben .
Nicht als ob es uns eben so leid sei , unseren Helden ( den wir mit allen seinen Fehlern eben so sehr lieben , als ob er ein Sir Carl Grandison wäre ) auf dem Wege zu sehen , von allen Arten der Schwärmerei von Grund aus geheilt zu werden -- Denn so viel schönes und gutes sich immer zu ihrem Vorteil sagen lassen mag , so bleibt doch gewiß , daß es besser ist gesund sein , und keine Entzückungen haben , als die Harmonie der Sphären hören , und an einem hitzigen Fieber liegen -- aber wir besorgen billig , daß die allzustarke Nachlassung , welche in der Seele eben sowohl als im Leibe , auf eine übermäßige Spannung zu folgen pflegt , seinem Herzen wenigstens so nachteilig werden könnte , als es die liebenswürdige Schwärmerei , womit wir ihn behaftet gesehen haben , seiner Vernunft sein mochte .
Der neue Schwung , den seine Denkungsart zu Syracus bekam , würde uns ziemlich gleichgültig sein , wenn die Veränderung sich bloß auf spekulative Begriffe oder den Ton und die Verteilung des Lichts und Schattens in seiner Seele erstreckte :
Aber wenn er dadurch weniger rechtschaffen , weniger ein Liebhaber der Wahrheit , weniger empfindlich für das Beste des menschlichen Geschlechts , weniger edelgesinnt , und wohltätig , weniger zur vorzüglichen Teilnehmung an der Glückseligkeit irgend einer besonderen Gesellschaft ( ohne welche die anmaßliche Welt-Bürgerschaft gewisser Leute bloße Großsprecherei oder höchstens eine Art von Don-Quischotterie ist ) und zur Freundschaft , diesem Lieblings-Phantom schöner Seelen , weniger aufgelegt würde -- erlaubet mir , ihr strengen Anti-Plantonisten , denen alles Schimäre heißt , was sich nicht geometrisch beweisen läßt , erlaubet mir noch weiter zu gehen -- wenn dieser schöne , herzerhöhende , wohltätige , und der Tugend so vorteilhafte Gedanke -- für eine größere Sphäre als dieses animalische Leben , für eine edlere Art von Existenz , für vollkommenere Gegenstände , und zu einer vollkommeneren Art von Aktivität , als unsere damalige bestimmt zu sein -- und die begeisternden , wiewohl träumerischen Aussichten , die uns dieser Beste aller Gedanken gibt -- wenn er keinen Reiz , keine Macht auf seine Seele mehr hätte -- O !
Agathon , Agathon !
dann würdest du , nicht unseren Haß , nicht eine lieblose Beurteilung , nicht eine triumphierende Freude über deinen Fall , aber -- unser Mitleiden verdienen .
Die Gemüts-Verfassung worin wir ihn in diesem Kapitel gesehen haben , scheint allerdings nicht sehr geschickt zu sein , uns über diesen Punkt seinetwegen außer Sorgen zu setzen .
Es ist eine so unbeständige Sache um die Begriffe , Meinungen und Urteile eines Menschen !
Die Umstände , der besondere Gesichtspunkt , in den sie uns stellen , die Gesellschaft worin wir leben , tausend kleine Einflüsse , die wir einzeln nicht gewahr werden , haben soviel Gewalt über dieses unerklärbare , launische , widersinnische Ding , unsere Seele ! -- daß wir nicht Bürge dafür sein wollten , was aus unserem Helden hätte werden können , sofern er mit solchen Dispositionen in eine Gesellschaft von Hippiassen und Alcibiaden , oder zurück in die schöne Welt zu Smyrna versetzt worden wäre .
Zu gutem Glück sehen wir ihn im Begriff , zu Leuten zukommen , welche ihn mit der Menschheit wieder aussöhnen , und seinem schon erkaltenden Herzen diese beseelende Wärme wieder mitteilen werden , ohne welche die Tugend eine bloße Spekulation ist , die zwar einen unerschöpflichen Stoff zu scharfsinnigen Betrachtungen gibt , aber unter den vielerlei chemischen Prozessen , welche die spitzfindige Vernunft mit ihr vornimmt , endlich ein so abgezogenes , so feines , so delikates Ding wird , daß sich kein Gebrauch davon machen läßt .
So sehr sich auch die Einbildungs-Kraft unseres Helden abgekühlt hat , so unzuverlässig , übertrieben und grillenhaft er die Geister-Lehre und die metaphysische Politik seines Freundes Plato zu finden glaubt ; so komisch ihm seine eigene Ausschweifungen in dem Stande der Bezauberung , worin er sich ehemals befunden , vorkommen ; so klein er überhaupt von den Menschen denkt , und so fest er entschlossen zu sein vermeint , von dem schönen Phantom , wie er es itzo nennt , von dem Gedanken , sich Verdienste um seine Gattung zu machen , in seinem Leben sich nicht wieder täuschen zu lassen ; so ist es doch bei weitem noch nicht an dem , daß er diese zarte Empfindlichkeit der Seele , und diesen eingewurzelten Hang zu dem idealischen Schönen verloren haben sollte , der das geheime Prinzip seiner ehemaligen Begeisterung , und aller der mannigfaltigen Schwärmereien , Bezauberungen und Entzückungen , in deren magischem Labyrinthe sie ihn , nach Maßgabe der Umstände , herumgeführt , gewesen ist .
Die verstohlenen Blicke , die er noch so gerne in die Szenen seiner glücklichen Jugend wirft ; das Bild der liebenswürdigen Psyche , welches durch alle Veränderungen , die in seiner Seele vorgegangen , nichts von seinem Glanze verloren hat ; die Erinnerung dieser reinen , unbeschreiblichen , fast vergötternden Wollust , in welcher sein Herz zerfloß , als er es noch in seiner Gewalt hatte , Glückliche zu machen ; und als die Reinheit dieser göttlichen Lust noch durch keine Erfahrungen von der Undankbarkeit und Bosheit der Menschen verdüstert und trübe gemacht wurde -- diese Bilder , denen er sich noch so gerne überläßt -- welche sich selbst in seinen Träumen seiner gerührten Seele so oft und so lebhaft darstellen -- die Seufzer , die Wünsche , die er diesen geliebten verschwindenden Schatten nachschickt -- alle diese Symptomen sind uns Bürge dafür , daß er noch Agathon ist ; daß die Veränderung in seinen Begriffen und Urteilen , die neue Theorie von allem dem , was wirklich ein Gegenstand unserer Nachforschung zu sein verdient , oder von Eitelkeit und Vorwitz dazu gemacht worden , welche sich in seiner Seele zu entwickeln angefangen , die edleren Teile seines Herzens nicht angegriffen habe ; kurz , daß wir uns Hoffnung machen können , aus dem Streit der beiden widerwärtigen und feindlichen Geister , wodurch seine ganze innerliche Verfassung seit einiger Zeit erschüttert , verwirrt und in Gehrung gesetzt worden , zuletzt eine eben so schöne Harmonie von Weisheit und Tugend hervorkommen zu sehen , wie nach dem System der alten Morgenländischen Weisen , aus dem Streit der Finsternis und des Lichts , diese schöne Welt hervorgegangen sein soll .
Erstes Kapitel .
Apologie des griechischen Autors .
bis hierher scheint die Geschichte unseres Helden , wenigstens in den hauptsächlichsten Stücken , dem ordentlichen Lauf der Natur , und den strengsten Gesetzen der Wahrscheinlichkeit so gemäß zu sein , daß wir keinen Grund sehen , an der Wahrheit derselben zu zweifeln .
Aber in diesem elften Buch , wir müssen es gestehen , scheint der Autor aus dieser unserer Welt , welche , unparteiisch von der Sache reden , zu allen Zeiten nichts besseres als eine Werkel-Tags-Welt ( wie Shakespeare sie irgendwo nennt ) gewesen ist , ein wenig in das Land der Ideen , der Wunder , der Begebenheiten , welche gerade so ausfallen , wie man sie hätte wünschen können , und um alles auf einmal zu sagen , in das Land der schönen Seelen , und der utopischen Republiken verirret zu sein .
Es steht bei den Lesern , ihm hierin soviel Glauben beizumessen , als sie gerne wollen ; wir an unserem Teil nehmen uns der Sache weiter nichts an ; unsere Absichten sind bereits erreicht , und die glücklichen oder unglücklichen Umstände , welche dem Agathon noch bevorstehen mögen , haben nichts damit zu tun .
Indessen glauben wir doch , daß der Autor allen den gutherzigen Leuten , welche sich für den Helden einer solchen Geschichte nach und nach interessieren , und gerne haben , wenn sich am Ende alles zu allseitigem Vergnügen , mit Entdeckungen , Erkennungen , glücklichem Wiederfinden der verlorenen Freunde , und etlichen Hochzeiten endet , einen Gefallen getan habe , seinen Helden , nachdem er eine hinlängliche Anzahl guter und schlimmer Abenteuer bestanden hat , endlich für seine ganze übrige Lebens-Zeit glücklich zu machen .
Es mag sein , daß der Verfasser der griechischen Handschrift hierin seinem guten Naturell den Lauf gelassen hat ; denn in der Tat , scheint es ein Zeichen eines harten und grausamen Herzens zu sein , welches ein Vergnügen an der Qual und den Tränen seiner unschuldigen Leser findet , wenn man alles anwendet , uns für den Helden und die Heldin einer wundervollen Geschichte einzunehmen , bloß um uns zuletzt durch einen so jämmerlichen Ausgang , als eine schwermütige , menschenfeindliche Imagination nur immer erdenken kann , in einen desto empfindlicheren und unleidlicheren Schmerz zu versenken , da es lediglich bei dem guten Willen des Autors stand , uns desselben zu überheben .
Gleichwohl aber scheint uns unser edler gesinnte Verfasser noch eine andere Absicht dabei gehabt zu haben , welche er , ohne sich einer noch größeren Unwahrscheinlichkeit schuldig zu machen , nicht wohl anders als durch diese nicht allzuwahrscheinliche Verbindung glücklicher Umstände , worein er seinen Helden in diesem Buche setzt , erreichen konnte -- Und was für eine Absicht mag das wohl sein ? -- Ich will es ihnen unverblümt und ohne Umschweife sagen , meine Herren und Damen , ob ich gleich besorgen muß , daß die ungewöhnliche Offenherzigkeit , welche ich ihnen in dem ganzen Laufe dieses Werkes habe sehen lassen , mir von einem oder dem anderen aus ihrem Mittel übel aufgenommen werden möchte -- Unser Verfasser wollte dem Vorwurf ausweichen , welchen Horaz gleichnisweise in dem bekannten Verse -- Amphora coepit Institui -- currente rota cur urceus exit ? -- denjenigen Dichtern macht , in deren Werken das Ende sich nicht zu dem Anfang schickt .
Er wollte in seinem Helden , dessen Jugend und erste Auftritte in der Welt so große Hoffnungen erweckt hatten , nachdem er ihn durch so viele verschiedene Umstände geführt , als er für nötig hielt seine Tugend zu prüfen , zu läutern und zu der gehörigen Konsistenz zu bringen , am Ende einen so weisen und tugendhaften Mann darstellen , als man nur immer unter der Sonne zu sehen wünschen , oder nach Gestalt der Sachen , erwarten könnte .
Der Enthusiasmus , der die eigentliche Anlage seines Helden zu einem mehr als gewöhnlichen Grade moralischer Vollkommenheit enthielt , verhinderte ihn zu eben der Zeit da er seine Tugend erhöhte , so weise zu sein , als man sein muß , um nicht mit den erhabensten Begriffen , und den edelsten Gesinnungen , von sich selbst und von anderen betrogen zu werden .
Eine Art zu denken , welche ihn zu einer höheren Klasse von Wesen als die gewöhnlichen Menschen sind , zu erheben schien , setzte ihn dem Neid , der verkehrten Beurteilung , den Nachstellungen und Verfolgungen dieser Menschen aus ; und machte ihn , welches für seine Tugend das Schlimmste war , unvermerkt vergessen , daß er im Grunde doch immer weder mehr noch weniger sei , als ein Mensch .
Die Erfahrungen , die er endlich hierüber bekam , öffneten ihm die Augen , und zerstreuten einen Teil der Bezauberung ; er lernte sich selbst besser kennen ; aber er kannte die Welt noch nicht genug .
Ein neues und großes Theater , auf welches er versetzt wurde , half diesem Mangel ab ; eine immer weiter ausgebreitete und vervielfältigte Erfahrung stimmte seine allzuidealische Denkart herab , und überführte ihn , daß er , wie der großmütige , tugendhafte und tapfere Ritter von Mancha ( dieses lehrreiche Bild der Schwachheiten und Verirrungen des menschlichen Geistes ! ) Windmühlen für Riesen , Wirtshäuser für bezauberte Schlösser , und Dorf-Nymphen für göttliche Dulzineen angesehen hatte .
Er wurde weiser , aber auf Unkosten seiner Tugend .
So wie die Bezauberung seiner Einbildungs-Kraft vorging , hörte auch die Begierde auf , große Taten zu tun , allem Unrecht in der Welt zu steuern , mit den Feinden der allgemeinen Glückseligkeit sich herumzuschlagen , und die Menschen , wider ihren Dank und Willen , glücklich machen zu wollen .
Nun sage man mir , nachdem es mit unserem Helden dazu gekommen war , ( und , alles wohl erwogen , mußte es auf eine oder andere Art endlich dazu kommen ; denn die edelste , die liebenswürdigste Schwärmerei , wenn sie gar zu lange dauert , und sich so gar durch die Maul-Esel-Treiber von Jangois nicht austreiben lassen will , wird endlich zu Narrheit , ) was sollte , was konnte unser Autor nun weiter mit ihm anfangen ?
Einen misanthropischen Einsiedler aus ihm machen ?
- - Dazu war sein Kopf zu heiter und sein Herz zu schwach -- oder zu zärtlich -- oder zu gut ; was ihr wollt ; und zudem mochte unser Autor , der ein Grieche war , und wenigstens in die Zeiten des Alciphrons gesetzt werden muß , ( wie die Gelehrten ohne unser Erinnern bemerkt haben ) vermutlich von der Vortrefflichkeit einer einsiedlerischen Tugend die erhabenen Begriffe nicht haben , welche man sich in den wundervollen Zeiten des dreizehnten und vierzehnten Jahrhunderts bis zu unseren philosophischen Zeiten davon gemacht hat , und ( allem Ansehen nach ) in einigen Ländern noch lange machen wird .
Ihn wieder in die weite Welt zurückzuführen , wäre nichts anders gewesen , als ihn der augenscheinlichsten Gefahr aussetzen , in seiner antiplatonischen Denk-Art durch immer neue Erfahrungen bestärkt , und durch die Gesellschaft witziger und liebenswürdiger Leute , welche entweder gar keine Grundsätze , oder nicht viel bessere als der weise Hippias , gehabt hätten , nach und nach auch um diesen kostbaren Überrest seine ehemalige Tugend gebracht zu werden , den er glücklicher Weise aus der verpesteten Luft der großen Welt noch davon gebracht hat .
Vielleicht hätte er in solchen Umständen noch immer eine Art von Mittel zwischen Weisheit und Torheit , eine mehr lächerliche als hassenswürdige Komposition von kühnem Witz und unschlüssiger Vernunft , von wahren und willkürlichen Begriffen , von Aberglauben und Unglauben , von guten und bösen Leidenschaften , Gewohnheiten und Launen , von gleich betrüglichen Tugenden und Lastern ; kurz , eine so vortreffliche Art von Geschöpfen werden können , wie ungefähr die meisten von uns anderen finde , wir mögen es nun einsehen -- und wenn wir_es einsehen , eingestehen -- oder nicht .
Bei so bewandten Umständen , und da es ( wie gesagt ) nun einmal die Absicht des Autors war , aus seinem Helden einen tugendhaften Weisen zu machen , und zwar solchergestalt , daß man ganz deutlich möchte begreifen können , wie ein solcher Mann -- so geboren -- so erzogen -- mit solchen Fähigkeiten und Dispositionen -- mit einer solchen besonderen Bestimmung derselben -- nach einer solchen Reihe von Erfahrungen , Entwicklungen und Veränderungen -- in solchen Glücks-Umständen -- an einem solchen Ort und in einer solchen Zeit -- in einer solchen Gesellschaft -- unter einem solchen Himmels-Strich -- bei solchen Nahrungs-Mitteln ( denn auch diese haben einen stärkeren Einfluß auf Weisheit und Tugend , als sich manche Moralisten einbilden ) -- bei einer solchen Diät -- kurz , unter solchen gegebenen Bedingungen , wie alle diejenigen Umstände sind , in welche er den Agathon bisher gesetzt hat , und noch setzen wird -- ein so weiser und tugendhafter Mann habe sein können , und ( diejenigen , welche nicht gewohnt sind zu denken , mögen es nun glauben oder nicht , ) unter den nämlichen , oder doch sehr ähnlichen Umständen , es auch noch heutzutage werden könnte :
Da , sage ich , dieses seine Absicht war , so blieb ihm freilich kein anderer Weg übrig , als seinen Helden in diesen Zusammenhäng glücklicher Umstände zu setzen , in welchen er sich nun bald , zu seinem eigenen Erstaunen , befinden wird .
Freilich ist ein solcher Zusammenfluß glücklicher Umstände allzuselten , um wahrscheinlich zu sein .
Aber wie soll sich ein armer Autor helfen , der ( alles wohl überlegt ) nur ein einziges Mittel vor sich sieht , aus der Sache zu kommen , und dieses ein gewagtes ?
Man hilft sich wie man kann , und wenn es auch durch einen Sprung aus dem Fenster sein sollte .
Der kleine Held der Königin von Golconde ist nicht der erste , der sich durch dieses Mittel helfen mußte :
Julius Cäsar würde ohne einen solchen Sprung das Vergnügen nicht gehabt haben , als Herr der Welt ( wie man , zwar lächerlich genug , zu sprechen gewohnt ist , ) durch die Straßen Roms ins Capitolium einzuziehen .
Und soviel mag dann zur Rechtfertigung unseres Autors gesagt sein ; wenn es anders zu seiner Rechtfertigung dienen kann , welches wir den Kunstrichtern überlassen müssen .
Das Urteil mag indessen ausfallen wie es will , so beladet sich der Herausgeber , wie er schon erklärt hat , dessen im geringsten nicht .
Die Absichten , warum er die alte Urkunde , welche zufälliger Weise in seine Hände gekommen ist , in einen Auszug von derjenigen Form und Beschaffenheit , wie die vorhergehenden zehn Bücher weisen , gebracht hat , sind bereits erreicht .
Es ist verhoffentlich unnötig , sich hierüber näher zu erklären .
Doch soviel können wir wohl sagen , daß er niemals daran gedacht hat , einen Roman zu schreiben , wie sich vielleicht manche , ungeachtet des Titels und der Vorrede , zu glauben in den Kopf gesetzt haben mögen -- und da dieses Buch , in so fern der Herausgeber Teil daran hat , kein Roman ist , noch einer sein soll ; so hat er sich auch um die so genannte Schürzung des Knotens , und ob der Verfasser der Urkunde seinen Knoten geschickt oder ungeschickt entwickelt oder zerschnitten hat , wenig zu bekümmern .
Zweites Kapitel .
Die Tarentiner .
Charakter eines liebenswürdigen alten Mannes .
Archytas , durch dessen nachdrückliche Verwendung Agathon der Hände seiner Feinde zu Syracus entrissen worden , war ein vertrauter Freund seines Vaters Stratonegus gewesen ; ihre beiden Familien waren durch die Bande des Gastrechts ( welches bekannter maßen den Griechen sehr heilig war ) von uralten Zeiten her verbunden ; der ausgebreitete Ruhm , welchen sich der Philosoph von Tarent , als der Würdigste unter den Nachfolgern des Pythagoras , als ein tiefer Kenner der Geheimnisse der Natur und der mechanischen Künste , als ein weiser Staatsmann , als ein geschickter und allezeit glücklicher Feldherr , und was allen diesen Vorzügen die Krone aufsetzt , als ein rechtschaffener Mann , in der vollkommensten Bedeutung dieses Worts erworben , hatte den Namen des Archytas unserem Helden schon lange ehrwürdig gemacht ; und hierzu kam noch , daß dessen jüngerer Sohn , Critolaus , in den Zeiten des höchsten Wohlstandes Agathons zu Athen zwei Jahre in seinem Hause zugebracht , und mit allen ersinnlichen Freundschafts-Erweisungen überhäuft , eine Zuneigung von derjenigen Art für ihn gefaßt hatte , welche in schönen Seelen ( denn damals gab es noch schöne Seelen ) sich nur mit dem Leben endet .
Diese Freundschaft war zwar durch zufällige Ursachen , und den Aufenthalt Agathons zu Smyrna eine Zeitlang unterbrochen , aber sogleich nach seinem Entschluß , bei dem Dionys zu leben , wieder erneuert , und seither sorgfältig unterhalten worden .
Agathon hatte während seiner Staats-Verwaltung sich öfters bei der weisen Erfahrenheit des Archytas Rats erholt ; und die verschiedenen Verhältnisse , worin die Tarentiner und Syracusaner , besonders in Absicht der Handelsschaft , mit einander Stunden , hatten ihm öfters Gelegenheit gegeben , sich um die ersten verdient zu machen .
Bei allen diesen Umständen ist leicht zu ermessen , daß er den zärtlichen und dringenden Einladungen seines Freundes Critolaus um so weniger widerstehen konnte , als die Pflichten der Erkenntlichkeit gegen seine Erretter ihm keine Freiheit zu lassen schienen , andere Beweggründe bei der Wahl seines Aufenthalts in Betrachtung zu ziehen .
In der Tat hätte er sich auch keinen zu seinen nunmehrigen Absichten bequemeren Ort erwählen können als Tarent .
Diese Republik war damals gerade in dem Zustande , worin ein jeder patriotischer Republikaner die seinige zu sehen wünschen soll -- zu klein , um ehrgeizige Projekte zu machen , und zu groß , um dem Ehrgeiz und die Vergrößrungs-Sucht ihrer Nachbarn fürchten zu müssen ; zu schwach , um in anderen Unternehmungen , als in den Künsten des Friedens , ihren Vorteil zu finden ; stark genug , sich gegen einen jeden nicht allzuübermächtigen Feind ( und solche Feinde hat eine kleine Republik publik selten ) in ihrer Verfassung zu erhalten .
Archytas hatte sie , in einer Zeit von mehr als dreißig Jahren , in welcher er sieben Mal die Stelle des obersten Befehlhabers in der Republik bekleidete , an die weisen Gesetze , die er ihnen gegeben hatte , so gut angewöhnt , daß sie mehr durch die Macht der Sitten als durch das Ansehen der Gesetze regiert zu werden schienen .
Der größte Teil der Tarentiner bestand aus Fabrikanten und Handelsleuten .
Die Wissenschaften und schönen Künste Stunden in keiner besonderen Hochachtung bei ihnen ; aber sie waren auch nicht verachtet .
Diese Gleichgültigkeit bewahrte die Tarentiner vor den Fehlern und Ausschweifungen der Athener , bei denen jedermann , bis auf die Gerber und Schuster , ein Philosoph und Redner , ein witziger Kopf und ein Kenner sein wollte .
Sie waren eine gute Art von Leuten , einfältig von Sitten , emsig , arbeitsam , regelmässig , Feinde der Pracht und Verschwendung , ( * ) leutselig und gastfrei gegen die Fremden , Hasser des Gezwungenen , Spitzfindigen und Übertriebenen in allen Sachen , und aus eben diesem Grunde , Liebhaber des Natürlichen und Gründlichen , welche bei allem mehr auf die Materie als auf die Form sahen , und nicht begreifen konnten , ( * ) Der Charakter , der hier den Tarentinneren gegeben wird , macht einen starken Absatz mit demjenigen , den sie zu den Zeiten des Königs Pyrrhus hatten , und bis zum Untergang ihrer Freiheit behielten ; allein es ist zu bemerken , daß Archytas und Pyrrhus wenigstens 80. Jahre von einander entfernt sind . daß eine fein gearbeitete Schüssel aus korinthischem Erzt besser sein könne , als eine schlechte aus Silber , oder daß ein Narr liebenswürdig sein könne , weil er artig sei .
Sie liebten ihre Freiheit , wie eine Gattin , nicht wie eine Beischläferin , ohne Leidenschaft , und ohne Eifersucht ; sie setzten ein billiges Vertrauen in diejenige , denen sie die Vormundschaft über den Staat anvertrauten ; aber sie forderten auch , daß man dieses Vertrauen verdiene .
Der Geist der Emsigkeit , der dieses achtungswürdige und glückliche Volk beseelte -- der unschuldigste und wohltätigste unter allen sublunarischen Geistern , die uns bekannt sind -- machte , daß man sich zu Tarent weniger , als in den meisten mittelmässigen Städten zu geschehen pflegt , um andere bekümmerte ; in so fern man sie durch keine gesetzwidrige Tat , oder durch einen beleidigenden Kontrast mit ihren Sitten ärgerte , konnte jeder leben wie er wollte .
Alles dieses zusammengenommen , machte , wie uns deucht , eine sehr gute Art von republikanischem Charakter ; und Agathon hätte schwerlich einen Freistaat finden können , welcher geschickter gewesen wäre , seinen gegen dieselbe gefaßten Widerwillen zu besänftigen .
Ohne Zweifel hatte dieses Volk auch seine Fehler , wie alle andere ; aber der weise Archytas , unter welchem der Nationalcharakter der Tarentiner erst eine gesetzte und feste Gestalt gewonnen hatte , wußte diejenige Art derselben , welche man die Temperaments-Fehler eines Volks Neunen kann , so klüglich zu behandeln , daß sie durch die Vermischung mit ihren Tugenden , beinahe aufhörten , Fehler zu sein -- eine notwendige und vielleicht die größte Kunst eines Gesetzgebers , deren genauere Untersuchung und Analyse wir , beiläufig , denjenigen empfohlen haben wollen , welche zu der schweren , und vermutlich späteren Zeiten aufbehaltenen , aber möglichen Auflösung eines Problems , welches nur von Liliputtischen Seelen für schimärisch gehalten wird , der Aufgabe , welche Gesetzgebung unter gegebenen Bedingungen , die beste sei ?
etwas beizutragen sich berufen fühlen .
Agathon entdeckte beim ersten Blick an die Italischen Ufer , seinen Freund Critolaus , der mit einem Gefolge der edelsten Jünglinge von Tarent ihm entgegengeflogen war , um ihn in einer Art von freundschaftlichem Triumph in eine Stadt einzuführen , welche sich es zur Ehre rechnete , von einem Manne wie Agathon , vor anderen zu seinem Aufenthalt erwählt zu werden .
Die angenehme Luft dieser von einem günstigen Himmel umflossenen Ufer , der Anblick eines der schönsten Länder unter der Sonne , und der noch süßere Anblick eines Freundes , von dem er bis zur Schwärmerei geliebt wurde , machten unseren Helden in einem einzigen Augenblick alles Ungemach vergessen , das er in Sizilien und in seinem ganzen Leben ausgestanden hatte .
Ein frohes ahnendes Erwarten der Glückseligkeit , die in diesem zum erstenmal betretenen Lande auf ihn wartete , verbreitete eine Art von angenehmer Empfindung durch sein ganzes Wesen , welche sich nicht beschreiben läßt .
Die unbestimmte Wollust , welche alle seine Sinnen zugleich einzunehmen schien , war nicht dieses seltsame zauberische Gefühl , womit ihn die Schönheiten der Natur und die Empfindung ihrer reinsten Triebe , in seiner Jugend durchdrungen hatte -- dieses Gefühl , diese Blüte der Empfindlichkeit , diese zärtliche Sympathie mit allem was lebt oder zu leben scheint ; dieser Geist der Freude , der uns aus allen Gegenständen entgegenatmet ; dieser magische Firnis der sie überzieht , und uns über einem Anblick , von dem wir zehn Jahre später kaum noch flüchtig gerührt werden , in stillem Entzücken zerfließen macht -- dieses beneidenswürdige Vorrecht der ersten Jugend verliert sich mit dem Anwachs unserer Jahre unvermerkt , und kann nicht wieder gefunden werden ; aber es war etwas , das ihm ähnlich war ; seine Seele schien dadurch wie von allen verdüsternden Flecken seines unmittelbar vorhergehenden Zustandes ausgewaschen , und zu den zärtlichen Eindrücken vorbereitet zu werden , welche sie in dieser ueuen Periode seines Lebens bekommen sollte .
Eine seiner glückseligsten Stunden , ( wie er in der Folge öfters zu versichern pflegte ) war diejenige , worin er die persönliche Bekanntschaft des Archytas machte .
Dieser ehrwürdige Greis hatte der Natur und der Mässigung , welche von seiner Jugend an ein unterscheidender Zug seines Characters gewesen war , den Vorteil einer Lebhaftigkeit aller Kräfte zu Damen , welche in seinem Alter etwas seltenes ist , aber bei den alten Griechen lange nicht so selten war , als bei den meisten Europäischen Völkern unserer Zeit , bei denen es zur Gewohnheit zu werden angefangen hat , die erste Hälfte des Lebens so unbesonnen zu verschwenden , daß man in der anderen die geheimsten Kräfte der Arznei-Kunst zu Hilfe rufen muß , um einen schmachtenden Mittelstand von Sein und Nichtsein , von einem Tag zum anderen erbettelter Weise fortschleppen zu können .
So erkaltet als die Einbildungs-Kraft unseres Helden war , so konnte er doch nicht anders als etwas idealisches in dem Gemische von Majestät und Anmut , welches über die ganze Person dieses liebenswürdigen Alten ausgebreitet war , zu empfinden -- und es desto stärker zu empfinden , je stärker der Absatz war , den dieser Anblick mit allem demjenigen machte , woran sich seine Augen seit geraumer Zeit hatten gewöhnen müssen -- Und warum konnte er nicht anders ?
Die Ursache ist ganz simpel ; weil dieses idealische nicht in seinem Gehirne , sondern in dem Gegenstande selbst war .
Stellet euch einen großen stattlichen Mann vor , dessen Ansehen beim ersten Blick ankündiget , daß er dazu gemacht ist , andere zu regieren , und dem ihr ungeachtet seiner silbernen Haare noch ganz wohl ansehen könnet , daß er vor fünfzig Jahren ein schöner Mann gewesen ist -- Ihr erinnert euch ohne Zweifel dergleichen gesehen zu haben ; aber das ist es noch nicht -- Stellet euch vor , daß dieser Mann in dem ganzen Laufe seines Lebens ein tugendhafter Mann gewesen ist ; daß eine lange Reihe von Jahren seine Tugend zu Weisheit gereift hat ; daß die unbewölkte Heiterkeit seiner Seele , die Ruhe seines Herzens , die allgemeine Güte wovon es beseelt ist , das stille Bewußtsein eines unschuldigen und mit guten Taten erfüllten Lebens , sich in seinen Augen und in seiner ganzen Gesichts-Bildung mit einer Wahrheit , mit einem Ausdruck von stiller Größe und Würdigkeit abmalt , dessen Macht man fühlen muß , man wolle oder nicht -- das ist , was ihr vielleicht noch nicht gesehen habt -- das ist das idealische , das ich meinte ; und das war es was Agathon sah -- Ihr erinnert euch doch der guten alten Frau Shirley ? -- welche ich , für meinen Teil , so reizend und selbst idealisch auch immer die Henriette Byrons , und ihre Rivalinnen sind , dennoch in gewissen Stunden einem ganzen Serail von Henriette , Clementinen und Emilie , ( die Charlotte , Olivin und alle anderen Göttinnen von dieser Art , samt der schönen Magellone , mit eingerechnet , ) vorziehen wollte -- Gut ; ein Gemälde von dieser nämlichen alten Frau , von der Hand eines van Dyk , ( wenn es noch einen van Dyk gäbe ) würde ein Cabinetstük machen , um welches ich alle Liebes-Göttinnen und Grazien der Vanloos und Bauchers , so wenig ich sonst ein Feind von ihnen wäre , mit Freuden geben würde .
Archytas , von der Hand eines Apelles ( wenn zu seiner Zeit ein Apelles gewesen wäre ) würde das Gegenbild davon sein .
Agathon hatte nichts nötig , als ihn anzusehen , um überzeugt zu sein , daß er endlich gefunden habe , was er so oft gewünscht , aber noch nie gefunden zu haben geglaubt hatte , ohne daß er in der Folge auf eine oder die andere Art seines Irrtums überführt worden wäre -- einen wahrhaftig weisen Mann , einen Mann , der nichts zu sein scheinen wollte , als was er wirklich war , und an welchem das scharfsichtigste Auge nichts entdecken konnte , das man anders hätte wünschen mögen .
Die Natur schien sich vorgesetzt zu haben , durch ihn zu beweisen , daß die Weisheit nicht weniger ein Geschenke von ihr sei , als der Genie ; und daß , sofern es gleich der Kunst nicht unmöglich ist , ein schlimmes Naturell zu verbessern , und aus einem Silen , so der Himmel will , einen Socrates zu machen , ( ein Triumph , den die Kunst gleichwohl sehr selten davon trägt , ) es dennoch der Natur allein zukomme , diese glückliche Temperatur der Elemente , woraus der Mensch zusammengesetzt ist , hervorzubringen , welche , unter einem Zusammenfluß eben so glücklicher Umstände , endlich zu dieser vollkommenen Harmonie aller Kräfte und Bewegungen des Menschen , worin Weisheit und Tugend in Einem Punkt zusammenfließen , erhöht werden kann .
Archytas hatte niemals weder eine glühende Einbildungs-Kraft , noch heftige Leidenschaften gehabt ; eine gewisse Stärke , welche den Mechanismus seines Kopfs und seines Herzens charakterisierte , hatte von seiner Jugend an die Wirkung der Gegenstände auf seine Seele gemässigt ; die Eindrücke , die er von ihnen bekam , waren deutlich und nett genug , um seinen Verstand mit wahren Bildern zu erfüllen , und die Verwirrung zu verhindern , welche in dem Gehirne derjenigen zu herrschen pflegt , deren allzuschlaffe Fibern nur schwache und matte Eindrücke von den Gegenständen empfangen ; aber sie waren nicht so lebhaft und von keiner so starken Erschütterung begleitet , wie bei denjenigen , welche , durch zärtlichere Werkzeuge und reizbarere Sinnen zu den enthusiastischen Künsten der Musen bestimmet , den zweideutigen Vorzug einer zauberischen Einbildungs-Kraft und eines unendlich empfindlichen Herzens durch die Tyrannie der Leidenschaften , der sie , mehr oder weniger , unterworfen sind , teuer genug bezahlen müssen .
Archytas hatte es dem Mangel dieses eben so schimmernden , als wenig beneidenswerten Vorzugs zu danken , daß er wenig Mühe hatte , Ruhe und Ordnung in seiner innerlichen Verfassung zu erhalten ; daß er anstatt von seinen Ideen und Empfindungen beherrscht zu werden , allezeit Meister von ihnen blieb , und die Verirrungen des Geistes und des Herzens nur aus der Erfahrung anderer kannte , von denen das schwärmerische Volk der Helden , Dichter und Virtuosen aller Arten aus seiner eigenen sprechen kann .
Und daher kam es auch , daß die Pythagoräische Philosophie , in deren Grundsätzen er erzogen worden war -- eben diese Philosophie , welche in dem Gehirne so vieler anderer zu einem seltsamen Gemische von Wahrheit und Träumerei wurde , -- sich durch Nachdenken und Erfahrung in dem seinigen zu einem System von eben so simpeln , als fruchtbaren und praktischen Begriffen ausbildete ; zu einem System , welches der Wahrheit näher zu kommen scheint , als irgend ein anders ; welches die menschliche Natur veredelt , ohne sie aufzublähen , und ihr Aussichten in bessere Welten eröffnet , ohne sie fremd und unbrauchbar in der gegenwärtigen zu machen ; welches durch das Erhabenste und Beste , was unsere Seele von Gott , von dem Welt-System , und von ihrer eigenen Natur und Bestimmung zu denken fähig ist , ihre Leidenschaften reiniget und mäßiget , ihre Gesinnungen verschönert , und ( was kein so kleiner Vorteil ist , als neunhundert und neun und neunzig Menschen unter tausenden sich einbilden , ) sie von der tyrannischen Herrschaft dieser pöbelhaften Begriffe befreiet , welche die Seele verunstalten , sie klein , niederträchtig , furchtsam , falsch und sklavenmässig machen ; jede edle Neigung , jeden großen Gedanken abschrecken und ersticken , und doch darum nicht weniger von politischen und religiösen Demagogen unter dem größten Teile des menschlichen Geschlechts , aus Absichten , woraus diese Herren billig ein Geheimnis machen , eifrigst unterhalten werden .
Die zuverlässigste Probe über die Güte der Philosophie des weisen Archytas ist , wie uns deucht , der moralische Charakter , den ihm das einstimmige Zeugnis der Alten beilegt .
Diese Probe , es ist wahr , geht bei einem System von metaphysischen Spekulationen nicht an ; aber die Philosophie des Archytas war ganz praktisch .
Das Exempel so vieler großen Geister , welche in der Bestrebung , über die Grenzen des menschlichen Verstandes hinauszugehen , verunglückt waren , hätte ihn in diesem Stücke vielleicht nicht weiser gemacht , wenn er mehr Eitelkeit und weniger kaltes Blut gehabt hätte ; aber so wie er war , überließ er diese Art von Spekulationen seinem Freunde Plato , und schränkte seine Nachforschungen über die bloß intellectualischen Gegenstände lediglich auf diese einfältigen Wahrheiten ein , welche das allgemeine Gefühl erreichen kann , welche die Vernunft bekräftiget , und deren wohltätiger Einfluß auf den Wohlstand unseres Privatsystems so wohl als auf das allgemeine Beste allein schon genügsam ist , ihren Wert zu beweisen .
Es läßt sich also ganz sicher von dem Leben eines solchen Mannes auf die Güte seiner Denkens-Art schließen .
Archytas verband alle häuslichen und bürgerlichen Tugenden , mit dieser schönsten und göttlichsten unter allen , welche sich auf keine andere Beziehung gründet , als das allgemeine Band , womit die Natur alle Wesen verknüpft .
Er hatte das seltene Glück , daß die untadelige Unschuld seines öffentlichen und Privat-Lebens , die Bescheidenheit , wodurch er den Glanz so vieler Verdienste zu milderen wußte , und die Mässigung , womit er sich seines Ansehens bediente , endlich so gar den Neid entwaffnete , und ihm die Herzen seiner Mitbürger so gänzlich gewann , daß er ( ungeachtet er sich seines hohen Alters wegen von den Geschäften zurückgezogen hatte ) bis an sein Ende als die Seele des Staats und der Vater des Vaterlands angesehen wurde , und in dieser Qualität eine Autorität beibehielt , welcher nur die äußerlichen Zeichen der königlichen Würde fehlten .
Niemals hat ein Despot unumschränkter über die Leiber seiner Sklaven geherrscht , als dieser ehrwürdige Greis über die Herzen eines freien Volkes ; niemals ist der beste Vater von seinen Kindern zärtlicher geliebt worden .
Glückliches Volk ! welches von einem Archytas geregiert wurde , und den ganzen Wert dieses Glücks so wohl zu schätzen wußte ! -- Und glücklicher Agathon , der in einem solchen Mann einen Beschützer , einen Freund , und einen zweiten Vater fand .
Drittes Kapitel .
Eine unverhoffte Entdeckung .
Archytas hatte zwei Söhne , deren wetteifernde Tugend die seltene und verdiente Glückseligkeit seines Alters vollkommen machte .
Diese liebenswürdige Familie lebte in einer Harmonie beisammen , deren Anblick unseren Helden in die selige Einfalt und Unschuld des goldenen Alters versetzte .
Niemals hatte er eine so schöne Ordnung , eine so vollkommene Eintracht , ein so regelmässiges und schönes Ganzes gesehen , als das Haus des weisen Archytas darstellte .
Alle Hausgenossen , bis auf die unterste Klasse der Bedienten , waren eines solchen Hausvaters würdig .
Jedes schien für den Platz , den es einnahm , ausdrücklich gemacht zu sein .
Archytas hatte keine Sklaven ; der freie , aber sittsame Anstand seiner Bedienten , die Munterkeit , die Genauigkeit , der Wetteifer , womit sie ihre Pflichten erfüllten , das Vertrauen , welches man auf sie setzte , bewies , daß er Mittel gefunden hatte , selbst diesen rohen und mechanischen Seelen ein Gefühl von Ehre und Tugend einzuflößen ; die Art wie sie dienten , und die Art , wie ihnen begegnet wurde , schien das unedle und demütigende ihres Standes auszulöschen ; sie waren stolz darauf , einem so vortrefflichen Herrn zu dienen , und es war nicht einer , der die Freiheit auch unter den vorteilhaftesten Bedingungen angenommen hätte , wenn er der Glückseligkeit hätte entsagen müssen , ein Hausgenosse des Archytas zu sein .
Das Vergnügen mit seinem Zustande leuchtete aus jedem Gesicht hervor ; aber keine Spur dieses üppigen Übermuts , der gemeiniglich den müßiggängerischen Haufen der Bedienten in großen Häusern bezeichnet ; alles war in Bewegung ; aber ohne dieses lärmende Geräusch , welches den schweren Gang der Maschine ankündiget ; das Haus des Archytas glich dem inwendigen Mechanismus des animalischen Körpers , in welchem alles in rastloser Arbeit begriffen ist , ohne daß man eine Bewegung wahrnimmt , wenn die äußeren Teile ruhen .
Agathon befand sich noch in diesem angenehmen Erstaunen , welches in den ersten Stunden , die er in einem so sonderbaren Hause zubrachte , sich mit jedem Augenblick vermehren mußte ; als er auf einmal , und ohne daß ihn die mindeste innerliche Ahnung dazu vorbereitet hätte , durch eine Entdeckung überrascht wurde , welche ihn beinahe dahin gebracht hätte , alles was er sah , für einen Traum zu halten .
Das Gynäzeum war , wie man weiß , bei den Griechen den Fremden , welche in einem Hause aufgenommen wurden , ordentlicher Weise , eben so unzugangbar als der Harem bei den Morgenländern .
Aber Agathon wurde in dem Hause des Archytas nicht wie ein Fremder behandelt .
Dieser liebenswürdige Alte führte ihn also , nachdem sie sich ein paar Stunden , welche unserem Helden sehr kurz wurden , mit einander besprochen hatten , in Begleitung seiner beiden Söhne in das Innerste des Hauses , welches von dem weiblichen Teil der Familie bewohnt wurde ; um , wie er sagte , seinen Töchtern ein Vergnügen , worauf sie sich schon so lange gefreut hätten , nicht länger vorzuenthalten .
Stellet euch vor , was für eine süße Bestürzung ihn befiel , da die erste Person , die ihm beim Eintritt in die Augen fiel , seine Psyche war ! -- Augenblicke von dieser Art lassen sich besser malen , als beschreiben -- diese Erscheinung war so unerwartet , daß sein erster Gedanke war , sich durch eine zufällige Ähnlichkeit dieser jungen Dame mit seiner geliebten Psyche betrogen zu glauben .
Er stutzte ; er betrachtete sie von neuem ; und wenn er nunmehr auch seinen Augen nicht hätte trauen wollen , so ließ ihm das , was in seinem Herzen vorging , keinen Zweifel übrig .
Und doch kam es ihm so wenig glaublich vor , daß er glücklich genug sein sollte , nach einer so langen Abwesenheit und bei so wenigem Anschein , sie jemals wieder zu sehen , sie in dem Gynäceo seiner Freunde zu Tarent wieder zu finden !
Ein anderer Gedanke , der in diesen Umständen sehr natürlich war , vermehrte seine Verwirrung , und hielt ihn zurück , sich der Freude zu überlassen , welche ein eben so erwünschter als wenig verhoffter Anblick über seine Seele ergoß .
Psyche sah nicht so aus , als ob sie eine Sklavin in diesem Hause vorstelle ; was konnte er also anders denken , als daß sie die Gemahlin eines von den Söhnen des Archytas sein müßte ?
Es ist wahr , er hätte eben so wohl denken können , daß sie seine wiedergefundene Tochter sein könnte ; aber in solchen Umständen bildet man sich immer das ein , was man am meisten fürchtet .
In der Tat erriet er die Sache aufs erstemal ; Psyche war seit einigen Monaten die Gemahlin des Critolaus .
Unsere Leser sehen nun auf den ersten Blick , was für schöne Gelegenheit zu pathetischen Beschreibungen und tragischen Auftritten uns dieser kleine Umstand gibt -- was für eine Situation !
Den Gegenstand der zärtlichsten Neigung seines Herzens , seine erste Liebe , nach einer langen schmerzlichen Trennung unverhofft wieder finden , aber nur dazu wieder finden , um sie in den Armen eines anderen , und was uns nicht einmal das Recht zu klagen , zu wüten und Rache zu schnauben übrig läßt , in den Armen unseres liebsten Freundes zu sehen ! -- Zu gutem Glück für unseren Helden -- und für den Autor -- waren diejenigen , welche in diesem Augenblick Zeugen von seiner Bestürzung waren , keine so passionierte Liebhaber pathetischer Auftritte , daß sie hätten fähig sein können , an seiner Qual Vergnügen zu finden .
Sie wollten sich ein Vergnügen daraus machen , ihn zu überraschen ; aber es würde grausam gewesen sein , eine Tragödie mit ihm zu spielen , so glücklich auch am Ende die Entwicklung immer hätte sein mögen .
Die zärtliche Psyche sah etliche Augenblicke seiner Verwirrung zu ; aber länger konnte sie sich nicht zurückhalten .
Sie flog ihm mit offenen Armen entgegen , und indem ihre Freuden-Tränen seine glühende Wangen betauten , hörte er sich mit einem Namen benennen , der ihre zärtlichste Liebkosungen selbst in Gegenwart eines Gemahls rechtfertigte .
Wäre die Liebe , welche sie ihm in dem Hain zu Delphi eingeflößt hatte , weniger platonisch gewesen , so würde die Entdeckung einer Schwester in der Geliebten seines Herzens nicht so erfreulich gewesen sein , als sie ihm war .
Aber man erinnert sich noch , daß ihre Liebe , so ausnehmend zärtlich sie auch gewesen war , doch mehr der Liebe , welche die Natur zwischen Geschwistern von übereinstimmender Gemüts-Art stiftet , als derjenigen geglichen hatte , welche sich auf die Zauberei eines anderen Instinkts gründet , von dessen fieberischen Symptomen die ihrige allezeit frei geblieben war .
Sie hatten damals schon ein sonderbares Vergnügen daran gefunden , sich einzubilden , daß ihre Seelen wenigstens einander verschwistert seien , da sie nicht Grund genug hatten , so sehr sie es auch wünschten , die unschuldige Anmutung , welche sie für einander fühlten , der Wirkung der Sympathie des Blutes zu zuschreiben .
Agathon befand sich also über alles was er hätte wünschen können , glücklich , da er , nach den Erläuterungen , welche ihm gegeben wurden , nicht mehr zweifeln konnte , in Psyche eine Schwester , welche er nach der ehemaligen Erzählung seines Vaters für tot gehalten hatte , wieder zu finden , und durch sie ein Teil einer Familie zu werden , für welche sein Herz bereits so eingenommen war , daß der Gedanke sich jemals wieder von ihr zu trennen , ihm unerträglich gewesen sein würde .
Nun meine zärtlichen Leserinnen , mangelte ihm , um so glückselig zu sein , als es Sterbliche sein können , nichts als daß Archytas -- nicht irgend eine liebenswürdige Tochter oder Nichte hatte , mit der wir ihn vermählen könnten .
Aber unglücklicher Weise für ihn hatte Archytas keine Tochter ; und sofern er Nichten hatte , welches wir nicht für gewiß sagen können , so waren sie entweder schon verheiratet , oder nicht dazu gemacht , das Bild der schönen Danae , und die Erinnerungen seiner ehemaligen Glückseligkeit , welche von Tag zu Tag wieder lebhafter in seinem Gemüte wurden , auszulöschen .
Diese Erinnerungen hatten schon zu Syracus in melancholischen Stunden wieder angefangen einige Gewalt über sein Herz zu bekommen ; der Gram , wovon seine Seele in der letzten Periode seines Hof-Lebens , ganz verdüstert und niedergeschlagen wurde , veranlaßte ihn , Vergleichungen zwischen seinem vormaligen und nunmehrigen Zustande anzustellen , welche unmöglich anders als zum Vorteil des ersten ausfallen konnten .
Er machte sich selbst Vorwürfe , daß er das liebenswürdigste unter allen Geschöpfen , in einem Anstoß von schwärmerischem Heldentum , aus so schlechten Ursachen , auf die bloße Anklage eines so verächtlichen Menschen als Hippias , über welche sie sich vielleicht , wenn er sie gehört hätte , vollkommen hätte rechtfertigen können , verlassen habe .
Diese Tat , auf welche er sich damals , da er sie für einen herrlichen Sieg über die unedlere Hälfte seiner selbst , für ein großes Versöhnopfer , welches er der beleidigten Tugend brachte , ansah , so viel zu gut getan hatte , schien ihm jetzt undankbar und niederträchtig ; es schmerzte ihn , wenn er dachte , wie glücklich er durch die Verbindung seines Schicksals mit dem ihrigen hätte werden können ; und der Enthusiasmus gewann nichts dabei , wenn er zugleich dachte , durch was für schimärische Vorstellungen und Hoffnungen er ihn um seine Privat-Glückseligkeit gebracht habe .
Aber der Gedanke , daß er durch ein so schnödes Verfahren die schöne Danae gezwungen habe , ihn zu verachten , zu hassen , sich der Zärtlichkeit , die er ihr eingeflößt , niemals anders als wie einer unglücklichen Schwachheit zu erinnern , deren Andenken sie mit Gram und Reue erfüllen mußte -- dieser Gedanke war ihm ganz unerträglich ; Danae , so sehr sie auch beleidigt war , konnte ihn unmöglich so sehr verabscheuen , als er in den Stunden , da diese Vorstellungen seine Vernunft überwältigten , sich selbst verabscheute .
Allein diese Stunden gingen endlich vorüber , und das ungeduldige Gefühl der gegenwärtigen Übel trug nicht wenig dazu bei , ihm die Ursachen und Umstaude seiner Entfernung von Smyrna in einem so splenetischen Lichte vorzustellen .
Die glückliche Veränderung , welche die Versetzung in den Schoß der liebenswürdigsten Familie , die vielleicht jemals gewesen ist , in seinen Umständen hervorbrachte , veränderte notwendiger Weise auch die Farbe seiner Einbildungs-Kraft .
Hätte er Danae nicht verlassen , so würde er weder seine Schwester gefunden , noch mit dem weisen Archytas persönlich bekannt worden sein .
Diese Folgen seiner tugendhaften Untreue machten den Wunsch , sie nicht begangen zu haben , unmöglich ; aber sie beförderten dagegen einen anderen , der in den Umständen , worin er zu Tarent lebte , sehr natürlich war .
Die heitere Stille , welche in seinem ohnehin zur Freude aufgelegten Gemüt in kurzem wieder hergestellt wurde ; die Freiheit von allen Geschäften und Sorgen ; der Genuß alles dessen , womit die Freundschaft ein gefühlvolles Herz beseligen kann ; der Anblick der Glückseligkeit seines Freundes Crit_ laus , welche im Besitz der liebenswürdigen Psyche alle Tage zu zunehmen schien ; der Mangel an Zerstreuungen , wodurch die Seele verhindert wird , sich in die Sphäre ihrer angenehmsten Ideen und Empfindungen zu konzentrieren ; die natürliche Folge hiervon , daß diese Ideen und Empfindungen desto lebhafter werden müssen -- alles dieses vereinigte sich , ihn nach und nach wieder in Dispositionen zu setzen , welche die zärtlichste Erinnerungen an die einst so sehr geliebte Danae erweckten , und ihn von Zeit zu Zeit in eine Art von sanfter wollüstiger Melancholie setzten , worin sein Herz sich ohne Widerstand in diese zauberischen Szenen von Liebe und Wonne zurückführen ließ , welche -- aus Ursachen , die wir den Moralisten zu entwickeln überlassen wollen -- durch die in seiner Seele vorgegangene Revolution ungleich weniger von ihrem Reiz verloren hatten , als die abstrakteren und bloß intellectualischen Gegenstände seines ehemaligen Enthusiasmus .
Köunen wir ihn verdenken , daß er in solchen Stunden die schöne Danae unschuldig zu finden wünschte -- daß er dieses so oft und so lebhaft wünschte , bis er sich endlich überredete , sie für unschuldig zu halten -- und daß die Unmöglichkeit , ein Gut wieder zu erlangen , dessen er sich selbst so leichtgläubig und auf eine so verhaßte Art beraubt hatte , ihn zuweilen in eine Traurigkeit versenkte , die ihm den Geschmack seiner gegenwärtigen Glückseligkeit verbitterte , und sich nur desto tiefer in sein Gemüt eingrub , weil er sich nicht entschließen konnte , sein Anliegen denjenigen anzuvertrauen , denen er , diesen einzigen Winkel ausgenommen , das Innerste seiner Seele aufzuschließen pflegte -- Wohin uns diese Vorbereitung wohl führen soll ? -- werden vielleicht einige von unseren scharfsinnigen Lesern denken -- ohne Zweifel wird man uns nun auch die Dame Danae von irgend einem dienstwilligen Sturmwind herbeiführen lassen , nachdem uns , ohne zu wissen , wie ?
das gute Mädchen Psyche , durch einen wahren Schlag mit der Zauberrute , aus dem Gynäceo des alten Archytas entgegengesprungen ist -- " Und warum nicht ? -- nachdem wir nun einmal wissen , wie glücklich wir unseren Freund Agathon dadurch machen könnten " aber wo bleibt alsdann das Vergnügen der Überraschung , welches andere Autoren ihren Lesern mit so vieler Mühe und Kunst zu zuwenden pflegen .
Es bleibt aus , meine Herren ; und Diderot kann Ihnen , wenn Sie wollen , sagen , warum Sie wenig oder nichts dabei verlieren werden .
Inzwischen ist uns lieb , erinnert worden zu sein , daß wir Ihnen einige Nachricht schuldig sind , wie Psyche ( welche wir , in einen Ganymed verkleidet , in den Händen eines Seeräubers verlassen hatten , ) dazu gekommen sei , die Gemahlin des Critolaus und die Schwester Agathons zu werden .
Ein kurzer Auszug aus der Erzählung , welche dem Agathon teils von seiner Schwester selbst , teils von ihrer Amme gemacht wurde , ( und die letzte hatte den Fehler , ein wenig weitläufiger in ihren Erzählungen zu sein , als wir selbst , ) wird hinlänglich sein , deren gerechte Wissens-Begierde über diesen Punkt zu befriedigen .
Ein heftiger Sturm ist ein sehr unglücklicher Zufall für Leute , die sich mitten auf der offenen See , nur durch die Dicke eines Vrettes von einem feuchten Tode geschieden finden ; aber für die Geschichtsschreiber der Helden und Heldinnen ist es beinahe der glücklichste unter allen Zufällen , welche man herbeibringen kann , um sich aus einer Schwierigkeit herauszuhelfen .
Es war also ein Sturm , ( und Sie haben sich nicht darüber zu beschweren , meine Herren , denn es ist , unseres Wissens , der erste in dieser Geschichte , ) der die lieberswürdige Psyche aus der fürchterlichen Gewalt eines verliebten Seeräubers rettete .
Das Schiff scheiterte an der Italienischen Küste , einige Meilen von Capua ; und Psyche , von den Nereiden oder Liebes-Göttern beschirmt , war die einzige Person auf dem Schiffe , welche auf einem Brette glücklich von den Zephiren ans Land getragen wurde .
Die Zephiren allein wären hierzu vielleicht nicht hinreichend gewesen ; aber mit Hilfe einiger Fischer , welche glücklicher Weise bei der Hand waren , hatte die Sache keine Schwierigkeit .
Das war nun alles sehr glücklich ; aber es ist nichts in Vergleichung mit dem , was nun folgen wird .
Einer von den Fischern ( der mitleidigste ohne Zweifel ) führte die verkleidete Psyche , welche sehr vonnöten hatte , sich zu trocknen , und von dem ausgestandenen Ungemach zu erholen , zu seinem Weib in seine Hütte .
Die Fischerin , ( eine hübsche , dicke Frau von drei oder vier und vierzig Jahren ) welche die Mine hatte , in ihrer Jugend kein unempfindliches Herz gehabt zu haben , bezeugte ungemeines Mitleiden mit dem Unglück eines so liebenswürdigen jungen Herrn , als die schöne Psyche zu sein schien ; sie pflegte seiner , so gut es nur immer möglich war , und konnte sich nicht satt an ihm sehen .
Es war ihr immer , sagte sie , als ob sie schon einmal ein solches Gesicht gesehen hätte , wie das seinige ; und sie konnte es kaum erwarten , bis der schöne Fremdling im Stande war , nach eingeführter Gewohnheit , seine Geschichte zu erzählen .
Aber Psyche hatte der Ruhe vonnöten ; sie wurde also zu Bete gebracht ; und bei dieser Gelegenheit entdeckte die Fischerin , welche auf die kleinsten Umstände aufmerksam war , daß der vermeinte Jüngling ein überaus schönes Mädchen -- aber doch nicht mehr so schön war , als sie in ihren Manns-Kleidern ausgesehen hatte .
Es war natürlich , über diese Verwandlung im ersten Augenblick ein wenig mißvergnügt zu sein ; aber dieser kleine vorübergehende Unmut verwandelte sich bald in die lebhafteste und zärtlichste Freude -- kurz , es entdeckte sich , daß die Fischerin Clonarion , die Amme der schönen Psyche war , welche , mit Hilfe dieses Namens , ihrer geliebten Amme sich wieder eben so gut zu erinnern glaubte , als diese aus den Gesichts-Zügen der Psyche , aus ihrer Ähnlichkeit mit ihrer Mutter , Musarion , und besonders aus einem kleinen Mal , welches sie unter der linken Brust hatte , ihre allerliebste Pflegtochter erkannte .
Clonarion war die vertrauteste Sklavin der Mutter unserer Heldin gewesen , und ihrer Pflege wurde nach dem Tode derselben die kleine Psyche , oder Philoklee , wie sie eigentlich hieß , anvertraut ; denn Psyche war nur ein Liebkosungs-Name , den ihr ihre Amme aus Zärtlichkeit gab , und welchen die kleine Philoklee , weil sie sich niemals anders als Psyche oder Psycharion nennen gehört hatte , in der Folge als ihren wirklichen Namen angab .
Stratonegus hatte der Clonarion mit der noch unmündigen Psyche eine hinlängliche Summe Gelds übergeben , und befohlen , sie in der Nähe von Korinth zu erziehen , weil er dort die beste Gelegenheit hatte , sie von Zeit zu Zeit unerkannt zu sehen .
Die junge Psyche , die Freude und der Stolz ihrer zärtlichen Amme , von der sie wie ihr eigenes Kind geliebt wurde , wuchs so schön heran , daß man nichts liebenswürdigeres sehen konnte .
Die Hoffnung des Gewinsts reizte endlich einige Bösewichter , sie , da sie ungefähr fünf bis sechs Jahre alt war , heimlich wegzustehlen , und an die Priesterin zu Delphi zu verkaufen .
Ein Halsgeschmeide , woran ein kleines Bildnis ihrer Mutter hing , und womit die junge Psyche allezeit geschmückt zu sein pflegte , wurde zugleich mit ihr verkauft , und diente in der Folge zur Bestätigung , daß sie wirklich die Tochter des Stratonegus sei .
Clonarion raufte sich einen guten Teil ihrer Haare aus , da sie ihre Psyche vermißte ; und nachdem sie eine ziemliche Zeit zugebracht hatte , sie allenthalben ( außer da , wo sie wirklich war , ) zu suchen , wußte sie kein ander Mittel , sich bei ihrem Herrn von der Schuld einer strafbaren Nachlässigkeit entledigen zu können , als vorzugeben , daß sie gestorben sei ; und Stratonegus konnte desto leichter hintergangen werden , weil er damals eben in Geschäfte verwickelt war , welche ihn lange Zeit hinderten , nach Korinth zu kommen .
Inzwischen hatte die allenthalben herumirrende Clonarion eine Menge Abenteuer , welche sich endlich damit endigten , daß sie die Gattin eines schon ziemlich bejahrten Fischers aus der Gegend von Capua wurde , in dessen Augen sie damals wenigstens so schön als Thetis und Galathea war .
Sie hatte ihre geliebte Pflegtochter in so zärtlichem Andenken behalten , daß sie einer Tochter , von der sie selbst entbunden wurde , den Namen Psyche gab , bloß um sich derselben beständig zu erinnern .
Der Tod dieses Kindes , der beinahe in eben dem Alter erfolgte , worin Psyche geraubt worden war , riß die alte Wunde wieder auf ; und da ihr durch diese Umstände das Bild der jungen Psyche immer gegenwärtig blieb , so hatte sie desto weniger Mühe , sie wieder zu erkennen , ungeachtet vierzehn oder fünfzehn Jahre einige Veränderung in ihren Gesichts-Zügen gemacht haben mußten .
Unsere Heldin vermehrte also nunmehr die kleine Familie des alten Fischers , welcher seinen Aufenthalt veränderte , und in die Gegend von Tarent zog , wo er sie , weil sie alle unbekannt waren , für seine Tochter ausgeben konnte .
Psyche bequemte sich so gut in die schlechten Umstände , worin sie bei ihrer Pflegmutter leben mußte , als ob sie niemals in besseren gelebt hätte , und ließ sich nichts angelegener sein , als ihr durch emsiges Arbeiten die Last ihres Unterhalts zu erleichtern .
Endlich fügte es sich zufälliger Weise , daß der junge Critolaus unsere Heldin zu Gesicht bekam , welche in ihrem bäurischen , aber reinlichen Anzug , und mit frischen Blumen geschmückt , demjenigen , dem sie in einem Haine begegnete , eher eine von den Gespielen der Diana , als die Tochter eines armen Fischers scheinen mußte .
Critolaus faßte die heftigste Leidenschaft für sie ; weil seine Liebe eben so tugendhaft , als zärtlich war , so brachte er bald die mitleidige Clonarion auf seine Seite ; und da Psyche selbst nunmehr wußte , daß Agathon ihr Bruder sei , so war kein Grund , warum sie gegen die Zuneigung eines so liebenswürdigen jungen Menschen unempfindlich hätte sein sollen .
In der Tat war Critolaus in mehreren Absichten der zweite Agathon ; allein die Umstände ließen so wenig Hoffnung zu , daß eine rechtmässige Verbindung zwischen ihnen möglich sein könnte , daß Psyche sich verbunden hielt , ihm dasjenige , was zu seinem Vorteil in ihrem Herzen vorging , desto sorgfältiger zu verbergen , je entschlossener er war , seiner Liebe alle andere Betrachtungen aufzuopfern .
Endlich wußte er sich nicht anders zu helfen , als daß er das Geheimnis seines Herzens demjenigen entdeckte , dessen Beifall er am wenigsten zu erhalten hoffen konnte .
Die ganze Beredsamkeit der begeisterten Liebe würde über einen Weisen , wie Archytas war , wenig vermocht haben ; aber Critolaus sagte so viel außerordentliches von dem Geist und der Tugend seiner Geliebten , daß sein Vater endlich aufmerksam zu werden anfing .
Archytas hatte die Macht des Dämons der Liebe nie erfahren ; aber er war menschlich , gütig , und über die gemeine Vorurteile und Absichten erhaben .
Ein schönes und tugendhaftes Mädchen war in seinen Augen ein sehr edles Geschöpfe , dessen Wert durch den Schatten der Niedrigkeit und Armut nur desto mehr erhaben wurde .
Kaum wurde der junge Critolaus gewahr , daß sein Vater zu wanken anfing ; so wagte er_es , ihm das Geheimnis der Geburt seiner Geliebten zu entdecken , welches ihm Clonarion , in Hoffnung , daß es gute Folgen haben könnte , ohne Wissen der schönen Psyche vertraut hatte .
Archytas , welchem Stratonegus ehemals seine heimliche Verbindung mit Musarion entdeckt hatte , war über diesen Zufall nicht wenig erfreut ; er wünschte nichts mehr , als daß diejenige , für welche sein Sohn so heftig eingenommen war , die Tochter seines liebsten Freundes sein möchte ; aber er wollte gewiß sein , daß sie es sei ; und hierzu schien ihm das bloße Zeugnis eines Fischer-Weibs zu wenig .
Er veranstaltete es , daß er Psychen und ihre angebliche Amme selbst zu sehen bekam ; er glaubte , in der Gesichtsbildung der ersten einige Züge von ihrem Vater zu entdecken ; und die Unterredung , die er mit ihr hatte , bestätigte den günstigen Eindruck , den ihr Anblick auf sein Gemut gemacht hatte .
Er ließ sich ihre Geschichte mit allen Umständen erzählen , und fand nun immer weniger Ursache , an der Wahrheit dessen zu zweifeln , was sein Sohn auf die bloße Aussage der Amme , ohne die mindeste Untersuchung , für die ausgemachteste Wahrheit hielt .
Das Halsgeschmeide , welches Psyche in den Händen der Pythia hatte zurücklassen müssen , schien ihm allein noch abzugehen , um ihn gänzlich zu überzeugen .
Er schickte deswegen einen seiner Vertrauten nach Delphi ab ; und die Pythia , da sie sah , daß ein Mann von solcher Wichtigkeit sich des Schicksals ihrer ehemaligen Sklavin annahm , machte keine Schwierigkeiten , dieses Merkzeichen der Abkunft derselben auszuliefern .
Nunmehr glaubte Archytas berechtigt zu sein , Psyche als die Tochter eines Freundes , dessen Andenken ihm teuer war , anzusehen ; und nun hatte er selbst nichts angelegenes , als sie je eher je lieber in seine Familie zu verpflanzen .
Sie wurde also die Gemahlin des glücklichen Critolaus ; und diese Verbindung gab natürlicher Weise neue Beweggründe , sich der Befreiung Agathons mit so lebhaftem Eifer anzunehmen , als es , oberzählter maßen , geschehen war .
Viertes Kapitel .
Etwas , das man ohne Divination vorhersehen konnte .
Agathon hatte zwar viel früher zu leben angefangen , als es gemeiniglich geschieht ; aber er war doch noch lange nicht alt genug , um sich von der Welt gänzlich zurückzuziehen .
Indessen hielt er sich , nachdem er schon zu zweien malen eine nicht unansehnliche Rolle auf dem Schauplatz des öffentlichen Lebens gespielt , und sie für einen jungen Mann gut genug gespielt hatte , berechtiget , so lange er keinen besonderen Beruf erhalten würde , seiner Nation zu dienen , oder so lange sie seiner Dienste nicht schlechterdings vonnöten hätte , sich in den Zirkel des Privat-Lebens zurückzuziehen ; und hierin stimmten die Grundsätze des weisen Archytas völlig mit seiner Art zu denken überein .
Ein Mann von mehr als gewöhnlicher Fähigkeit , sagte Archytas , hat zu tun genug , an seiner eigenen Besserung und Vervollkommnung zu arbeiten ; er ist am geschicktesten zu dieser Beschäftigung , nachdem er durch eine Reihe beträchtlicher Erfahrungen sich selbst und die Welt kennen zu lernen angefangen hat ; und indem er solchergestalt an sich selbst arbeitet , arbeitet er wirklich für die Welt , in dem er dadurch um soviel geschickter wird , seinen Freunden , seinem Vaterland , und den Menschen überhaupt , nützlich zu sein , und es sei nun mit vielem oder wenigem Gepränge , in einem größeren oder kleineren Zirkel , auf eine öffentliche oder nicht so merkliche Art , zum allgemeinen Besten des Systems mitzuwirken .
Dieser Maxime zufolge beschäftigte sich Agathon , nachdem er zu Tarent einheimisch zu sein angefangen hatte , hauptsächlich mit den mathematischen Wissenschaften , mit Erforschung der Kräfte und Eigenschaften der natürlichen Dinge , mit der Astronomie , kurz mit demjenigen Teil der spekulativen Philosophie , welche uns , mit Hilfe unserer Sinnen und behutsamer Vernunftschlüsse zu einer zwar mangelhaften , aber doch zuverlässigen Erkenntnis der Natur und ihrer majestätischeinfältigen , weisen und wohltätigen Gesetze führt .
Er verband mit diesen erhabenen Studien , worin ihm die Anleitung des Archytas vorzüglich zu statt kam , das Lesen der besten Schriftsteller von allen Klassen , insonderheit der Geschichtsschreiber , und das Studium des Altertums , welches er , so wie die Verbal-Critik , für eine der edelsten und nützlichsten , oder für eine der nichtswürdigsten Spekulationen hielt , je nachdem es auf eine philosophische oder bloß mechanische Art getrieben werde .
Nicht selten setzte er diese austrengenden Beschäftigungen bei Seite , um , wie er sagte , mit den Musen zu scherzen ; und der natürliche Schwung seines Genie machte ihm diese Art von Gemüths-Ergözung so angenehm , daß er Mühe hatte sich wieder von ihr loszureißen .
Auch die Malerei und die Musik , die Schwestern der Dichtkunst , deren höhere Theorie sich in den geheimnisvollsten tiefen der Philosophie verliert , hatten einen Anteil an seinen Stunden , und halfen ihm , das allzueinförmige in den Beschäftigungen seines Geistes , und die schädlichen Folgen , die aus der Einschränkung desselben auf eine einzige Art von Gegenständen entspringen , zu vermeiden .
Die häufigen Unterredungen , welche er mit dem weisen Archytas hatte , trugen viel und vielleicht das Meiste bei , seinen Geist in den tiefsinnigeren Spekulationen über die metaphysischen Gegenstände , von Abwegen zurückzuhalten .
Agathon , welcher ehemals , da alles in seiner Seele zur Empfindung wurde , seinen Beifall zu leicht überraschen ließ ; fand jetzt , seitdem er mit kälterem Blute philosophierte , beinahe alles zweifelhaft ; die Zahl der menschlichen Begriffe und Meinungen , welche die Probe einer ruhigen , gleichgültigen und genauen Prüfung aushielten , wurde alle Tage kleiner für ihn ; die Systeme der dogmatischen Weisen verschwanden nach und nach , und zerflossen vor den Strahlen der prüfenden Vernunft , wie die Luft-Schlösser und Zaubergärten , welche wir zuweilen an Sommer-Morgen im duftigen Gewölk zu sehen glauben , vor der aufgehenden Sonne .
Der weise Archytas billigte den bescheidenen Skeptizismus seines Freundes ; aber indem er ihn von allzukühnen Reisen im Lande der Ideen zu den wenigen einfältigen , aber desto schätzbareren Wahrheiten zurückführte , welche der Leitfaden zu sein scheinen , an welchem uns der allgemeine Vater der Wesen durch diesen Labyrinth des Lebens sicher hindurchführen will -- verwahrte er ihn vor dieser gänzlichen Ungewißheit des Geistes , welche eine eben so große Unentschlossenheit und Mutlosigkeit des Willens nach sich zieht , und dadurch eine Quelle so vieler schädlicher Folgen für die Tugend und Religion , und also für die Ruhe und Glückseligkeit unseres Lebens wird , daß der Zustand des bezaubertesten Enthusiasten dem Zustand eines solchen Weisen vorzuziehen ist , der aus immerwährender Furcht zu irren , sich endlich gar nichts mehr zu bejahen oder zu verneinen getraut .
In der Tat gleicht die Vernunft in diesem Stück ein wenig dem Doktor Peter Rezio von Aguero ; sie hat gegen alles , womit unsere Seele genährt werden soll , soviel einzuwenden , daß diese endlich eben sowohl aus Inanition verschmachten müßte , wie die unglücklichen Statthalter der Insel Barataria bei der Diät , wozu sie das verwünschte Stäbchen ihres skrupulösen Leibarztes verurteilte .
Das beste ist in diesem Falle , sich wie Sancho zu helfen .
Der Instinkt und dieses am wenigsten betrügliche Gefühl des Wahren und Guten , welches die Natur allen Menschen zugeteilt hat , können uns am besten sagen , woran wir uns halten sollen ; und dahin müssen , früher oder später , die größten Geister zurückkommen , wenn sie nicht das Schicksal haben wollen , wie die Taube des Altvaters Noah allenthalben herumzuflattern und nirgends Ruhe zu finden .
Bei allen diesen mannigfaltigen Beschäftigungen , womit unser ehemaliger Held seine Muße zu seinem eigenen Vorteil erfüllte , blieben ihm doch viele Stunden übrig , welche der Freundschaft und dem geselligen Vergnügen gewidmet waren -- und für seine Ruhe nur allzuviele , in denen eine Art von zärtlicher Schwermut , deren er sich nicht erwehren konnte , seine Seele in die bezauberten Gegenden zurückführte , deren wir im vorigen Kapitel schon Erwähnung getan haben .
In einer solchen Gemüts-Disposition liebt man vorzüglich den Aufenthalt auf dem Lande , wo man Gelegenheit hat , seinen Gedanken ungestörter nachzuhängen , als unter den Pflichten und Zerstreuungen des geselligeren Stadt-Lebens .
Agathon zog sich also öfters in ein Landgut zurück , welches sein Bruder Critolaus , ungefähr zwei Stunden von Tarent besaß , und wo er sich in seiner Gesellschaft zuweilen mit der Jagd belustigte .
Hier geschah es einsmals , daß sie von einem Ungewitter überrascht wurden , welches wenigstens so heftig war , als dasjenige , wodurch , auf Veranstaltung zweier Göttinnen , Aeneas und Dido in die nämliche Höhle zusammengescheucht wurden -- Aber da zeigte sich nirgends keine wirtschaftliche Höhle , welche ihnen einigen Schirm angeboten hätte ; und das schlimmste war , daß sie sich von ihren Leuten verloren hatten , und eine geraume Zeit nicht wußten , wo sie waren ; ein Zufall , der an sich selbst wenig außerordentliches hat , aber wie man sehen wird , eines der Glücklichsten Abenteuer veranlasste , das unserem Helden jemals zugestoßen ist .
Nachdem sie sich endlich aus dem Walde herausgefunden hatten , erkannte Critolaus die Gegend wieder ; aber er sah zugleich , daß sie etliche Stunden weit von Haus entfernt waren .
Das Ungewitter wütete noch immer fort , und es fand sich kein näherer Ort , wohin sie ihre Zuflucht nehmen konnten , als ein einsames Landhaus , welches seit mehr als einem Jahr von einer fremden Dame von sehr sonderbarem Charakter bewohnt wurde .
Man vermutete aus einigen Umständen , daß sie die Witwe eines Mannes von Ansehen und Vermögen sein müsse ; aber es war bisher unmöglich gewesen , ihren Namen und vorigen Aufenthalt , oder was sie bewogen haben könnte , ihn zu verändern , und in einer gänzlichen Abgeschiedenheit von der Welt zu leben , auszuforschen .
Das Gerüchte sagte Wunder von ihrer Schönheit ; indessen war doch niemand der sich rühmen konnte , sie gesehen zu haben .
Überhaupt hatte man eine Zeit lang vieles und desto mehr von ihr gesprochen , je weniger man wußte ; allein da sie fest entschlossen schien , sich nichts darum zu bekümmern ; so hatte man endlich auf einmal aufgehört von ihr zu reden , und es der Zeit überlassen , das Geheimnis , das unter dieser Person und ihrer sonderbaren Lebens-Art verborgen sein möchte , zu entdecken .
Vielleicht , sagte Critolaus , ist es eine zweite Artemisia , die sich , ihrem Schmerz ungestört nachzuhängen , in dieser Einöde lebendig begraben will .
Ich bin schon lange begierig gewesen sie zu sehen ; dieser Sturm Hof ich , soll uns Gelegenheit dazu geben .
Sie kann uns eine Zuflucht in ihrem Hause nicht versagen ; und wenn wir nur einmal drinnen sind , so wollen wir wohl Mittel finden , vor sie zu kommen , ob wir gleich die ersten in dieser Gegend wären , denen dieses Glück zu Teil würde .
Man kann sich leicht vorstellen , daß Agathon , so gleichgültig er auch seit seiner Entfernung von der schönen Danae gegen die Damen war , dennoch begierig werden mußte , eine so außerordentliche Person kennen zu lernen .
Sie kamen vor dem äußersten Tor eines Hauses an , welches einem verwünschten Schlosse ähnlicher sah , als einem Landhause in Ionischem oder Korinthischem Geschmacke .
Das schlimme Wetter , ihr anhaltendes Bitten , und vielleicht auch ihre gute Mine brachte zuwegen , daß sie eingelassen wurden .
Einige alte Sklaven führten sie in einen Saal , wo man sie mit vieler Freundlichkeit nötigte , alle die kleinen Dienste anzunehmen , welche sie in dem Zustande , worin sie waren , nötig hatten .
Die Figur dieser Fremden schien die Leute des Hauses in Verwunderung zu setzen , und die Meinung von ihnen zu erwecken , daß es Personen von Bedeutung sein müßten ; aber Agathon , dessen Aufmerksamkeit bald durch einige Gemälde angezogen wurde , womit der Saal ausgeziert war , wurde nicht gewahr , daß er von einer Sklavin mit noch weit größerer Aufmerksamkeit betrachtet wurde .
Diese Sklavin , ( wie Critolaus in der Folge erzählte , denn anfangs hielt er es bloß für eine Wirkung der Schönheit unseres Helden ) schien einer Person gleich zu sehen , welche nicht weiß , ob sie ihren Augen trauen soll ; und nachdem sie ihn einige Minuten mit verschlingenden blicken angestarrt hatte , verlor sie sich auf einmal aus dem Saal .
Sie lief so hastig dem Zimmer ihrer Gebieterin zu , daß sie ganz außer Atem kam .
Und wer meinen sie wohl , gnädige Frau , keuchte sie , daß unten im Saal ist ?
Hat es ihnen ihr Herz nicht schon gesagt ? -- Diana sei mir gnädig !
Was für ein Zufall das ist !
Wer hätte sich das nur im Traum einbilden können ?
Ich weiß vor Erstaunen nicht wo ich bin -- In der Tat deucht mich , du bist nicht recht bei Sinnen , sagte die Dame ein wenig betroffen ; und wer ist denn unten im Saal ? -- O !
bei den Göttinnen !
ich hätte es bei nahe meinen eigenen Augen nicht geglaubt -- aber ich erkannte ihn auf den ersten Blick , ob er gleich ein wenig stärker worden ist ; es ist nichts gewisser -- er ist es , er ist es ! -- Plage mich nicht länger mit deinem geheimnisvollen Galimathias , rief die Dame , immer mehr bestürzt ; rede Närrin , wer ist es ? -- Aber sie erraten doch auch gar nichts , gnädige Frau -- wer ist es ? -- Ich sage ihnen , daß Agathon unten im Saal ist , ja Agathon , es kann nichts gewisser sein -- er selbst , oder sein Geist , eines von beiden unfehlbar , denn die Mutter die ihn geboren hat , kann ihn nicht besser kennen , als ich ihn erkannt habe , sobald er den Mantel von sich warf , worin er anfangs eingewickelt war -- Das gute Mädchen würde noch länger in diesem Ton fortgeplaudert haben , denn ihr Herz überfloß von Freude -- wenn sie nicht auf einmal wahrgenommen hätte , daß ihre Gebieterin ohnmächtig auf ihren Sofa zurückgesunken war .
Sie hatte einige Mühe sie wieder zu sich selbst zu bringen ; endlich erholte sich die schöne Dame wieder , aber nur , um über sich selbst zu zürnen , daß sie sich so empfindlich fand .
Sie machen einem ja ganz bange , Madam , rief die Sklavin -- wenn sie schon bei seinem bloßen Namen in Ohnmacht fallen , wie wird es ihnen erst werden , wenn sie ihn selbst sehen ? -- Soll ich gehen , und ihn geschwinde heraufholen ? -- Ihn heraufholen ? versetzte die Dame ; nein wahrhaftig ; ich will ihn nicht sehen ! -- Sie wollen ihn nicht sehen , Madam ?
Was für ein Einfall !
Aber es kann nicht ihr Ernst sein !
O !
wenn sie ihn nur sehen sollten -- er ist so schön -- so schön als er noch nie gewesen ist , deucht mich ; ich hätte ihn mit den Augen aufessen mögen ; sie müssen ihn sehen , Madam -- das wäre ja unverantwortlich , wenn sie ihn wieder fortgehen lassen wollten , ohne daß er sie gesehen hätte -- wofür hätten sie sich dann -- Schweige , nichts weiter , rief die Dame ; verlaß mich -- aber untersteh dich nicht wieder in den Saal hinunter zu gehen ; wenn er es ist , so will ich nicht , daß er dich erkennen soll ; ich hoffe doch nicht , daß du mich schon verraten haben solltest ? -- Nein , Madam , erwiderte die Vertraute ; er hat mich noch nicht wahrgenommen , denn er schien ganz in die Betrachtung der Gemälde vertieft , und mich dünkte , ich hörte ihn ein oder zweimal seufzen ; vermutlich -- Du bist nicht klug , fiel ihr die Dame ins Wort ; verlaß mich -- ich will ihn nicht sehen , und er soll nicht wissen , in wessen Hause er ist ; wenn er_es erfährt , so hast du eine Freundin verloren -- die Sklavin entfernte sich also , in Hoffnung , daß ihre Gebieterin sich wohl eines besseren besinnen würde , und -- die schöne Danae blieb alleiu .
Eine Erzählung alles dessen , was in ihrem Gemüte vorging , würde etliche Bogen ausfüllen , ob es gleich weniger Zeit als sechs Minuten einnahm . -- Was für ein Streit !
Was für ein Getümmel von widerwärtigen Bewegungen !
Sie hatte ihn bis auf diesen Augenblick so zärtlich geliebt -- und glaubte jetzt zu fühlen , daß sie ihn hasse -- Sie fürchtete sich vor seinem Anblick -- und konnte ihn kaum erwarten .
Was hätte sie vor einer Stunde gegeben , diesen Agathon zu sehen , der , auch undankbar , auch ungetreu , über ihre ganze Seele herrschte ; dessen Verlust ihr alle Vorzüge ihres ehemaligen Zustandes , den Aufenthalt zu Smyrna , ihre Freunde , ihre Reichtümer , unerträglich gemacht hatte -- dessen Bild , mit allen den zauberischen Erinnerungen ihrer ehemaligen Glückseligkeit , das einzige Gut , das einzige Vergnügen war , welches sie noch zu empfinden fähig war .
Aber nun da sie wußte , daß es in ihrer Gewalt war , ihn wieder zu sehen , wachte auf einmal ihr ganzer Stolz auf , und schien etliche Augenblicke sich nicht entschließen zu können ihm zu vergeben Und wenn auch einen Augenblick darauf die Liebe wieder die Oberhand erhielt ; so stürzte sie die Furcht , ihn unempfindlich zu finden , sogleich wieder in die vorige Verlegenheit .
Zu allem diesem kam noch eine andere Betrachtung , welche vielleicht bei der schönen Danae spitzfindig scheinen könnte , wenn wir nicht zu ihrer Rechtfertigung sagen müßten , daß die Flucht unseres Helden , die Entdeckung der Ursachen , welche ihn zu einem so gewaltsamen Entschluß getrieben , der Gedanke daß ihre eigene Fehltritte sie in den Augen des einzigen Mannes , den sie jemals geliebt hatte , verächtlich gemacht -- eine Veränderung in ihrer ganzen Denkens-Art hervorgebracht hatte , wozu sie durch den Umgang mit Agathon und jene Seelen-Mischung , wovon wir bereits im fünften Buche gesprochen haben , vorbereitet worden war .
Danae ließ sich durch die Vorwürfe , welche sie sich selbst zu machen hatte , und von denen vielleicht ein guter Teil auf ihre Umstände fiel , nicht von dem edlen Vorsatz abschrecken , sich in einem Alter , wo dieser Vorsatz noch ein Verdienst in sich schloß der Tugend zu widmen .
In der Tat hatte eine Art von verliebter Verzweiflung den größten Anteil an dem außerordentlichen Schritt , sich aus einer Welt , worin sie angebetet wurde , freiwillig in eine Einöde zu verbannen , wo die Freiheit , sich mit ihren Empfindungen zu unterhalten , das einzige Begnügen war , welches sie für den Verlust alles dessen , was sie aufopferte , entschädigen mußte .
Aber es gehörte doch eine große , und zur Tugend gebildete Seele dazu , um in den glänzenden Umständen , worin sie lebte , einer solchen Verzweiflung fähig zu sein , und in einem Vorsatz auszuhalten , unter welchem eine jede schwächere Seele gar bald hätte erliegen müssen .
Wäre Danae nur wollüstig gewesen , so würde sie zu Smyrna , und allenthalben Gelegenheit genug gefunden haben , sich wegen des Verlusts ihres Liebhabers zu trösten .
Aber ihre Liebe war , wie man sich vielleicht noch erinnern wird , von einer edleren Art , und so nahe mit der Liebe der Tugend selbst verwandt , daß wir Ursache haben , zu vermuten , daß in der gänzlichen Abgeschiedenheit , worin unsere Heldin lebte , jene sich endlich gänzlich in dieser verloren haben würde .
Allein eben darum , weil ihre Liebe zur Tugend aufrichtig war , machte sie sich ein gerechtes Bedenken , bei dem Bewusstfein der unfreiwilligen Schwachheit ihres Herzens für den allzuliebenswürdigen Agathon , sich der Gefahr auszusetzen , durch eine nur allzumögliche Wiederkehr seiner ehemaligen Empfindungen mit dahin gerissen zu werden ; ein Gedanke , der ohne eine übertriebene Meinung von ihren Reizungen zu haben , in ihr entstehen konnte , und durch das Mißtrauen in sich selbst , womit die wahre Tugend allezeit begleitet ist , kein geringes Gewicht erhalten mußte .
Solchergestalt kämpften Liebe , Stolz und Tugend für und wider das Verlangen , den Agathon zu sehen , in ihrem unschlüssigen Herzen -- mit welchem Erfolg läßt sich leicht erraten .
Die Liebe müßte nicht Liebe sein , wenn sie nicht Mittel fände , den Stolz und die Tugend selbst endlich auf ihre Seite zu bringen .
Sie flößte jenem die Begierde ein , zu sehen wie sich Agathon halten würde , wenn er so plötzlich und unerwartet der einst so sehr geliebten , und so grausam beleidigten Danae unter die Augen käme ; und munterte diese auf , sich selbst Stärke genug zu zutrauen , von den Entzückungen , in welche er vielleicht bei diesem Anblick geraten möchte , nicht zu sehr gerührt zu werden .
Kurz ; der Erfolg dieses innerlichen Streites war , daß sie eben im Begriff war , ihre Vertraute ( die einzige Person , welche sie bei ihrer Entfernung von Smyrna mit sich genommen hatte ) hereinzurufen , um ihr die nötige Haltungsbefehle zu geben ; als diese Sklavin selbst hereintrat , und ihrer Dame sagte , daß die beiden Fremden durch einen von den Sklaven , von denen sie bedient worden waren , auf eine sehr dringende Art um die Erlaubnis anhalten ließen , vor die Frau des Hauses gelassen zu werden -- Neue Unentschlossenheit , über welche sich niemand wundern wird , der das weibliche Herz kennt .
In der Tat klopfte der guten Danae das ihrige in diesem Augenblick so stark , daß sie nötig hatte , sich vorher in eine ruhigere Verfassung zu setzen , ehe sie es einer so schweren Probe auszustellen sich getrauen durfte .
Unterdessen , bis diese schöne Dame mit sich selbst einig wird , wozu sie sich entschließen , und wie sie sich bei einer so erwünschten , und so gefürchteten Zusammenkunft verhalten wolle , kehren wir einen Augenblick zu unserem Helden in den Saal zurück .
Je mehr Agathon die Gemälde betrachtete , womit die Wände desselben behänget waren , je lebhafter wurde die Einbildung , daß er sie in dem Landhause der Danae zu Smyrna gesehen habe .
Allein er konnte sich so wenig vorstellen , wie sie von dem Orte , wo er sie vor zweien Jahren gesehen hätte , hierher gekommen sein sollten , daß er für weniger unmöglich hielt , von seiner Einbildung betrogen zu werden .
Zudem konnte ja der nämliche Meister unterschiedliche Kopien von seinen Stücken gemacht haben .
Aber wenn er wieder die Augen auf ein Stück heftete , welches die Göttin Luna vorstellte , wie sie mit Augen der Liebe den schlafenden Endymion betrachtet -- so glaubte er es so gewiß für das nämliche zu erkennen , vor welchem er in einem Garten-Saal der Danae zu Smyrna oft Viertelstunden lang in bewundernder Entzückung gestanden , daß es ihm unmöglich war , seiner Überzeugung zu widerstehen .
Die Verwirrung , in die er dadurch gesetzt wurde , ist unbeschreiblich -- Sollte Danae -- aber wie könnte das möglich sein ? -- Und doch schien alles das Sonderbare , was ihm Critolaus von der Dame dieses Hauses gesagt hatte , den Gedanken zu bekräftigen , der in ihm aufstieg , und den er sich kaum auszudenken getraute .
Die schöne Danae hätte zufrieden sein können , wenn sie gesehen hätte , was in seinem Herzen vorging .
Er hätte nicht erschrockener sein können , vor das Antlitz einer beleidigten Gottheit zu treten , als er es vor dem Gedanken war , sich dieser Danae darzustellen , welche er seit geraumer Zeit gewohnt war , sich wieder so unschuldig vorzustellen , als sie ihm damals , da er sie verließ , verächtlich und hassenswürdig schien .
Allein das Verlangen sie zu sehen , verschlang endlich alle andere Empfindungen , von denen sein Herz erschüttert wurde .
Seine Unruhe war so sichtbar , daß Critolaus sie bemerken mußte .
Agathon würde besser getan haben , ihm die Ursache davon zu entdecken ; aber er tat es nicht , und behalf sich mit der allgemeinen Ausflucht , daß ihm nicht wohl sei .
Dem ungeachtet bezeugte er ein so ungeduldiges Verlangen , die Dame des Hauses zu sehen , daß Critolaus aus allem was er an ihm wahrnahm , zu mutmaßen anfing , daß irgend ein Geheimnis darunter verborgen fein müsse , dessen Entwicklung er begierig erwartete .
Inzwischen kam der Sklave , den sie abgeschickt hatten , sie bei seiner Gebieterin zu melden , mit der Antwort zurück , daß er Befehl habe sie in ihr Zimmer zuführen .
Und hier ist es , wo wir mehr als jemals zu wünschen versucht sind , daß dieses Buch von niemand gelesen werden möchte , der keine schönen Seelen glaubt .
Die Situation , worin man unseren Helden in wenigen Augenblicken sehen wird , ist vielleicht eine von den delikatesten , in welche man in seinem Leben kommen kann .
Wäre hier die Rede von solchen phantasierten Charaktern , wie diejenige , welche aus dem Gehirn der Verfasserin der geheimen Geschichte von Burgund , und der Königin von Navarra hervorgegangen sind , so würden wir uns kaum in einer kleineren Verlegenheit befinden , als Agathon selbst , da er mit pochendem Herzen und schweratmender Brust dem Sklaven folgte , der ihn ins Vorgemach einer Unbekannten führte , von der er fast mit gleicher Heftigkeit wünschte und fürchtete , daß es Danae sein möchte .
Allein da Agathon und Danae so gut historische Personen sind als Brutus , Portia , und hundert andere , welche darum nicht weniger existiert haben , weil sie nicht gerade so dachten , und handelten wie gewöhnliche Leute :
So bekümmern wir uns wenig , wie dieser Agathon und diese Danae , vermöge der moralischen Begriffe des einen oder anderen , der über dieses Buch gut oder übel urteilen wird , hätten handeln sollen , oder gehandelt haben würden , wenn sie nicht gewesen wären , was sie waren .
Das Recht zu urteilen kann und soll niemandem streitig gemacht werden ; unsere Pflicht ist zu erzählen , nicht zu dichten ; und wir können nichts dafür , wenn Agathon bei dieser Gelegenheit sich nicht weise und heldenmässig genug , um die Hochachtung strenger Sittenrichter zu verdienen , verhalten ; oder wenn Danae die Rechte des weiblichen Stolzes nicht so gut behaupten sollte , als viele andere , welche dem Himmel danken , daß sie keine Danaen sind , an ihrem Platze getan haben würden .
Die schöne Danae erwartete , auf ihrem Sofa stzend , den Besuch , den sie bekommen sollte , mit so vieler Stärke als eine weibliche Seele nur immer zu haben fähig sein mag , welche zugleich so zärtlich und lebhaft ist , als eine solche Seele sein kann - .
Ob es wohl weibliche Seelen gibt ? -- O mein Herr , ich sagte ihnen ja , daß der letzte Teil dieses Kapitels nicht für sie geschrieben sei -- Sie mögen vielleicht überall in Zweifel ziehen , ob die Weiber Seelen haben ; denn wenn sie Seelen haben , so sind es weibliche Seelen , der Himmel bewahre uns vor den Penthesilea und Männinnen , an denen nichts als die Figur weiblich ist ! -- Doch darüber wollen wir jetzt nicht streiten .
Danae erwartete also den Anblick ihres Flüchtlings mit ziemlicher Standhaftigkeit ; aber was in ihrem Herzen vorging , mögen unsere zärtlichen Leserinnen , welche fähig sind , sich an ihre Stelle zu setzen , in ihrem eigenen Herzen lesen .
Sie wußte , daß Agathon einen Gefährten hatte , und dieser Umstand kam ihr zu statt ; aber Agathon befand sich wenig dadurch erleichtert .
Die Türe des Vorzimmers wurde ihnen von der Sklavin eröffnet -- er erkannte beim ersten Anblick die Vertraute seiner Geliebten , und nun konnte er nicht mehr zweifeln , daß die Dame , die er in einigen Augenblicken sehen würde , Danae sei .
Er raffte seinen ganzen Mut zusammen , indem er zitternd hinter seinem Freunde Critolaus fortwankte -- Er sah sie , wollte auf sie zugehen , konnte nicht , heftete seine Augen auf sie , und sank , vom Übermaß seiner Empfindlichkeit überwältiget , in die Arme seines Freundes zurück .
Auf einmal vergaß die schöne Danae alle die großen Entschließungen von Gelassenheit und Zurückhaltung , welche sie mit so vieler Mühe gefaßt hatte .
Sie lief in zärtlicher Bestürzung auf ihn zu , nahm ihn in ihre Arme , ließ dem ganzen Strom ihrer Empfindung den Lauf , und dachte nicht daran , daß sie einen Zeugen davon hatte , der über alles was er sah und hörte , erstaunt sein mußte .
Allein die Güte seines Herzens , und diese Sympathie , welche schöne Seelen in wenigen Augenblicken vertraut mit einander macht , gab ihm in einer Situation , auf die er sich so wenig hatte gefaßt machen können , gerade die nämliche Art des Betragens ein , die er hätte haben können , wenn er schon von Jahren her ihr Vertrauter gewesen wäre .
Er trug seinen Freund auf den Sofa , auf welchen sich Danae neben ihn hinwarf , und da er nun schon genug wußte , um zu sehen , daß er hier weiter nichts helfen konnte , so entfernte er sich unvermerkt weit genug , um unsere Liebenden von dem Zwang einer Zurückhaltung zu entledigen , welche in so sonderbaren Augenblicken ein größeres Übel ist , als die unempfindlichen Leute sich vorstellen können .
Allmählich bekam Agathon , an der Seite der gefühlvollen Danae , und von einem ihrer schönen Arme umschlungen , das Vermögen zu atmen wieder ; sein Gestech ruhte an ihrem Busen , und die Tränen , welche ihn zu benzen anfingen , waren das erste , was ihr seine wiederkehrende Empfindung anzeigte .
Ihre erste Bewegung war , sich von ihm zurückzuziehen ; aber ihr Herz versagte ihr die Kraft dazu ; es sagte ihr , was in dem seinigen vorging , und sie hatte den Mut nicht , ihm eine Linderung zu entziehen , welche er so nötig zu haben schien , und in der Tat nötig hatte .
Allein in wenigen Augenblicken machte er sich selbst den Vorwurf , daß er einer so großen Gütigkeit unwürdig sei -- er raffte sich auf , warf sich zu ihren Füßen , umfaßte ihre Knie mit einer Empfindung , welche mit Worten nicht ausgedrückt werden kann , versuchte es sie anzusehen , und sank , weil er ihren Anblick nicht auszuhalten vermochte , mit Tränen beschwemmtem Gesicht , auf ihren Schoß nieder .
Danae konnte nun nicht zweifeln , daß sie geliebt werde , und es kostete sie , die Entzückung zurückzuhalten , worin sie durch diese Gewißheit gesetzt wurde ; aber es war notwendig , dieser allzuzärtlichen Szene ein Ende zu machen .
Agathon konnte noch nicht reden -- und was hätte er reden sollen ? -- Ich bin zufrieden , Agathon , sagte sie mit einer Stimme , welche wider ihren Willen verriet , wie schwer es ihr wurde , ihre Tränen zurückzuhalten -- Ich bin zufrieden -- du findest eine Freundin wieder -- und ich hoffe du werdest sie künftig deiner Hochachtung weniger unwürdig finden , als jemals -- Keine Entschuldigungen mein Freund , ( denn Agathon wollte etwas sagen , das einer Entschuldigung gleich sah , und woraus er sich in der heftigen Bewegung , worin er war , schwerlich zu seinem Vorteil gezogen hätte ) du wirst keine Vorwürfe von mir hören -- wir wollen uns des Vergangenen nur erinnern , um das Vergnügen eines so unverhofften Wiedersehens desto vollkommmer zu genießen -- Großmütige , göttliche Danae ! rief Agathon in einer Entzückung von Dankbarkeit und Liebe -- Keine Beiwörter , Agathon , unterbrach ihn Danae , keine Schwärmerei !
Du bist zu sehr gerührt ; beruhige dich -- wir werden Zeit genug haben , uns von allem , was seitdem wir uns zum letzten Mal gesehen haben , vorgegangen ist , Rechenschaft zu geben -- Laß mich das Vergnügen dich wieder gefunden zu haben unvermischt genießen ; es ist das erste , das mir seit zweien Jahren zu Teil wird . stand sie auf , näherte sich dem Critolaus , und ließ dem mehr als jemals bezauberten Agathon Zeit , sich in eine ruhigere Gemütsfassung zu setzen .
Coetera intus agentur -- Unsere schönen Leserinnen wissen nun schon genug , um sich vorstellen zu können , was diese zärtliche Szene für Folgen haben mußte .
Danae und Critolaus wurden gar bald gute Freunde .
Dieser junge Mann gestand , seine Psyche ausgenommen , nichts vollkommenes gesehen zu haben , als Danae ; und Danae erfuhr mit vielem Vergnügen , daß Critolaus der Gemahl der schönen Psyche , und Psyche die wiedergefundene Schwester Agathons sei .
Sie hatte nicht viel Mühe ihre Gäste zu bereden , das Nachtlager in ihrem Hause anzunehmen ; unsere Liebenden hätten also die Schuld sich selbst beimessen müssen , wenn sie keine Gelegenheit gefunden hätten , sich umständlich zu besprechen , und gegen einander zu erklären .
Die schöne Danae meldete ihrem Freunde , daß sie die Verräterei des Hippias , und die Ursache der heimlichen Entweichung Agathons , bei ihrer Zurückkunft nach Smyrna bald entdeckt habe .
Sie verbarg ihm nicht , daß der Schmerz ihn verloren zu haben , sie zu dem seltsamen Entschluß gebracht , der Welt zu entsagen , und in irgend einer entlegenen Einöde sich selbst für die Schwachheiten und Fehltritte ihres vergangenen Lebens zu bestrafen ; jedoch setzte sie hinzu , hoffe sie , daß wenn sie einmal Gelegenheit haben würde , ihm eine ganz aufrichtige und umständliche Erzählung der Geschichte ihres Herzens bis auf die Zeit , da sein Umgang und die Begeisterung , worein sie durch ihn allein zum ersten Mal in ihrem Leben gesetzt worden , ihrer Seele wie ein neues Wesen gegeben , zu machen -- er Ursache finden würde sie , wo nicht immer zu entschuldigen , doch mehr zu bedauern als zu verdammen .
Die Furcht , den Gedanken in ihr zu veranlassen , als ob sie durch das was ehemals zwischen ihnen vorgegangen war , von seiner Hochachtung verloren hätte , zwang unseren Helden eine geraume Zeit , die Lebhaftigkeit seiner Empfindungen in seinem Herzen zu verschließen .
Danae wurde indessen mit der Familie des Archytas bekannt , man mußte sie lieben , sobald man sie sah ; und sie gewann desto mehr dabei , je besser man sie kennen lernte .
Es war überdies eine von ihren Gaben , daß sie sich sehr leicht und mit der besten Art in alle Personen , Umstände und Lebens-Arten schicken konnte .
Wie konnte es also anders sein , als daß sie in kurzem durch die zärtlichste Freundschaft mit dieser liebenswürdigen Familie verbunden werden mußte ?
Selbst der weise Archytas liebte ihre Gesellschaft , und sie machte sich ein Vergnügen daraus , einem alten Manne von so seltenen Verdiensten die Beschwerden des hohen Alters durch die Annehmlichkeiten ihres Umgangs erleichtern zu helfen .
Aber nichts war der Liebe zu vergleichen , welche Psyche und Danae einander einflößten .
Niemals hat vielleicht unter zwei Frauenzimmern , welche so geschickt waren , Rivalinnen zu sein , eine so zärtliche , und vollkommene Freundschaft geherrscht .
Man kann sich einbilden , ob Agathon dabei verlor .
Er sah die schöne Danae alle Tage ; er hatte alle Vorrechte eines Bruders bei ihr -- aber wie sollte es möglich gewesen sein , daß er sich immer daran begnügt hätte ? -- Es gab Augenblicke , wo er , von den Erinnerungen seiner ehemaligen Glückseligkeit berauscht , sich die Rechte eines begünstigten Liebhabers herausnehmen wollte .
Aber Danae wurde durch den vertrauten Umgang mit so tugendhaften Personen , als diejenigen waren , mit denen sie nunmehr lebte , in ihrer neuen Denkungs-Art so sehr bestärkt , daß die zärtlichsten Verführungen der Liebe nichts über sie erhielten .
In diesem Stücke wollte sie nicht mehr Danae für ihn sein .
Das ist unwahrscheinlich , werden die Kenner sagen ; unwahrscheinlich , antworte ich , aber möglich .
Mit einem Worte , Danae bewies durch ihr Exempel , daß es einer Danae möglich sei ; und Agathon erfuhr es so sehr , daß Psyche endlich selbst Mitleiden mit ihm zu haben anfing .
Sie wußte die geheime Geschichte ihrer Freundin ; Danae hatte Tugend genug gehabt , ihr eine aufrichtige Erzählung davon zu machen .
Die Bedenklichkeiten sind leicht zu erraten , welche der Glückseligkeit dieser Liebenden , welche so ganz für einander geschaffen zu sein schienen , im Wege stand .
Aber waren sie wichtig genug , um ihretwillen unglücklich zu sein ? -- Hatte er nicht das Beispiel des großen Perikles vor sich ?
Verdiente Danae nicht in allen Betrachtungen das Schicksal der Aspasta ? -- Es wäre uns leicht , unseren Lesern hierüber aus dem Wunder zu helfen ; aber wir überlassen es ihnen zu erraten , was er tat -- oder auszumachen , was er hätte tun sollen .
Fünftes Kapitel .
Abdankung .
Und nun , nachdem wir in diesem letzten Buche zu Gunsten unseres Helden alles getan zu haben glauben , was die zärtlichsten Freunde , die er sich erworben haben kann , ( und wir hoffen , daß er einige haben werde , ) nur immer zu seinem Besten wünschen konnten -- Nachdem er so glücklich ist , als es vielleicht noch kein Sterblicher gewesen ist -- oder es doch in seiner Gewalt hat , glücklich zu sein -- Nun bleibt uns nichts übrig , als unseren Lesern und Leserinnen , welche Geduld genug gehabt haben , bis zu diesem Blatte fortzulassen -- dafür zu danken -- und sie zu versichern , daß es uns sehr angenehm sein sollte , wenn sie soviel Geschmack an dieser Geschichte gefunden hätten , um sie noch einmal zu lesen -- und noch angenehmer , wenn sie weiser oder besser dadurch geworden sein sollten .
Indessen ist das ihre Sache .
Der Herausgeber dieser Geschichte schmeichelt sich wenigstens , ( und wer schmeichelt sich nicht ? ) daß er ihnen viele Gelegenheit zu dem einen und zu dem anderen gegeben habe ; und sofern der Erfolg seiner Erwartung nicht entsprechen sollte , so wird er sich durch das tägliche Beispiel so vieler tausend Anstalten und Bemühungen , welche ihren Zweck verfehlen , bernhigen , und mit Horaz , sich in die Tugend seiner Absicht einwickeln .
Übrigens kann er nicht umhin , seinen Freunden im Vertrauen zu entdecken , daß ihn das griechische Manuskript , welches er in Händen hat , in den Stand setzt , noch einige Nachträge oder Zugaben zu der Geschichte des Agathon zu liefern , welche ihrer Neugier vielleicht nicht unwürdig sein möchten .
Es ist zum Exempel nicht unmöglich , daß sie begierig sein könnten , das System des weisen Archytas genauer zu kennen ; oder zu wissen , wie Agathon in seinem fünfzigsten Jahre über alles was im Himmel und auf Erden ein Gegenstand unseres Nachforschens , unserer Gedanken -- Neigungen -- Wünsche -- oder Träume zu sein verdient , gedacht habe .
Vielleicht möchte es ihnen auch nicht unangenehm sein , die Geschichte der schönen Danae ( so wie sie den Mut gehabt , sie dem Agathon zu einer Zeit zu erzählen , da er nicht mehr so enthusiastisch , aber desto billiger dachte ) in einer ausführlichen Erzählung zu lesen ? -- Mit allem diesem könnten wir dem Verlangen unserer Freunde ein Genüge tun -- wenn wir erst gewiß davon wären , daß sie ein solches Verlangen hätten -- und wenn wir einige Ursache finden sollten zu hoffen , daß dem Publikum durch diese Nachträge nur ein halb so großer Dienst geleistet würde , als der französische Verfasser des Traktats von den Nachtigallen ( dessen Helvétius erwähnt ) dem menschlichen Geschlecht durch , sein Buch geleistet zu haben glaubte .
ENDE .
- Holder of rights
- Bildungsroman Projekt
- Citation Suggestion for this Object
- TextGrid Repository (2025). Korpus. Geschichte des Agathon: Teil 2. Geschichte des Agathon: Teil 2. Bildungsromankorpus. Bildungsroman Projekt. https://hdl.handle.net/21.11113/4c0fw.0