Zweites Bänden .
Tübingen , in der J. G. Cotta'schen Buchhandlung .
1804. Nro. 18. Echinit .
Der Schmollgeist .
Es braucht keinen großen diplomatischen Verstand , um zu erraten , daß der Notar in der Sonntagsnacht nicht zu Hause blieb , sondern noch spät zu dem Theaterschneider Purzel gehen wollte , wo sein Bruder wohnte , um bei ihm mehr über den blauen Jüngling zu hören .
Aber dieser empfing herunter eilend ihn auf der Gasse , die er als Saal und Corso des Volks in Feier- Nächten erhob und zum Spaziergange vorschlug .
Ziemlich entzückt Nahms Walten an .
So Sonntags in der Nacht unter den Sternen mit Hunderten auf- und abzugehen , sagte er , das zeige ihm , was Italien sei ; zumal da man den Hut aufbehalten und ungestört zu Fuße träumen könne .
Er wollte sofort viel reden und fragen , aber Vult bat ihn , bis in andere , einsamere Gassen zu schweigen und nicht Du zu sagen .
" Wie so gern ! " sagte Walten .
Unbemerkt war ihm in der Dämmerung die Brust voll Liebe gelaufen wie Flegeljahre II. Bd. 1 eine Blume voll Tau -- so oft er durfte , streifte er mit der Hand ein wenig an eine jede blutfremde vorbeigehende an , weil er nicht wissen könne , dachte er , ob er sie je wieder berühre -- ja er wagt es in schattigeren Stellen der Nacht sogar , zu Erkern und Balkons , wo deutlich die vornehmsten Mädchen standen , aufzusehen und sich von der Gasse hinauf zu denken mitten darunter mit einer an der Hand als Bräutigam , den sein Himmel halb erstickt .
Endlich spannt er vor dem Flötenspieler in einer schicklichen Sackgasse das glänzende historische Blatt von seinem inneren Banquet und Freuden Gewühle eines Nachmittages auf , der darin bestand -- als Vult neugierig näher nachsah , -- daß er draußen hin und her gegangen , und den Blaurock getroffen .
" Man sollte geschworen haben , versetzte Vult , Sie kämen eben aus Gladheim * ) statt aus dem Rosentale her , und hätten sich entweder die Freya oder die Sidfna , oder die Gunnur , oder die Gierskogul , oder die Miße , * )
Das Freudental in Walhalla . oder sonst eine Göttin zur Ehe abgeholt , und ein paar Taschen voll Weltkugeln als Brautgabe dazu . --
Doch ist_es zu rühmen , wenn ein Mann das Galakleid der Lust noch so wenig abgetragen -- die Fäden zähl ich auf meinem , -- ausgenommen wenn der Mann nicht bedenkt , daß Zauberschlösser leicht die Vorzimmer von Raubschlössern sind . "
Aber jetzt wies ihm Walten den Berg der heutigen Weinlese , den blauen Jüngling , und fragte nach dessen Namen und Wohnung .
Der Bruder erwiderte gelassen , es sei der Graf Klotar , ein sehr reicher stolzer , sonderbarer Philosoph , der fast den Briten spiele , sonst gut genug .
Dem Notar wollte der Ton nicht gefallen , er legte Volten Klothars reiche Worte und Kenntnisse vor .
Vult erwiderte , darin sehe er fast einige merkliche Eitelkeit des Stolzes .
" Ich könnte es nicht ertragen , versetzte Walten , wenn Menschen gewisser Größe demütig wären . "
-- " Und ich kann , versetzte Vult , es nicht erdulden , wenn der englische Stolz , oder der irische oder der schottische , der sich sehr gut in Bücher Darstellungen ausnimmt , in der Wirklichkeit auftritt und pustet .
In Romanen gefällt uns fremde Liebe und Stolziererei und Empfindelei ; -- aber drüber hinaus schlecht . "
Nein , Nein , ( sagte Walten ) wie mir denn dein eigener Stolz gefällt .
Wenn wir uns recht fragen , so erzürnt uns nie der Stolz selber , sondern nur sein Mangel an Grund -- daher kann uns oft Demut eben so gut quälen ; -- daher ist unser Haß des Stolzes kein Neid gegen Vorzüge ; denn indes wir allzeit größere über uns anerkennen und nur erstohlene , vorgespiegelte hassen :
so ist unser Haß nicht Liebe gegen uns , sondern eine gegen die Gerechtigkeit .
-- " Sie philosophieren ja wie ein Graf , sagte Vult .
Hier wohnt der Graf . "
Mit unsäglicher Freude sah Walten an die leuchtenden Fenster-Reihen einer Garten-Villa hinauf , die der Gasse den glänzenden Rücken zeigte und in welche ein langer Garten durch eine breite Vorhalle von Bäum-Ordnungen führte .
Jetzt lies Walten vor dem Bruder eine durstige Seele in alle ihre Gedichte und Hoffnungen der Liebe ausbrechen .
Der Flötenspieler sagte ( eine gewöhnliche Ergiessung seines Zorns ) : " freilich in gewissen Stücken -- indessen -- zumal so -- in sofern ja freilich , o Himmel ! " und fügte bei , seines schwachen Bedünkens sei Klotar vielleicht nicht weit von dem entfernt , was man im gemeinen Sprachgebrauch einen Egoisten nennt .
Walten hielt es jetzt schon für Freundes Pflicht , den unbekannten Grafen hierüber heftig zu beschützen und berief sich auf dessen edle Physiognomie , die gewiß darum , vermutete er , so trübe beschattet sei , weil er fruchtlos nach einer Sonne sehe , die ihm auf irgend einem Altare voll Opfer-Asche den alten Phönix der Freundschaft erwecke ; und ganz reiner Liebe schließe gewiß kein Herz sich zu .
" Wenigstens setzen Sie vorher , sagte Vult , ehe ' Sie vor seinen Kammerdiener treten , einen Fürstenhut auf , ziehen einen Stern an , binden ein blaues Hosenband um :
-- dann mögen Sie bei ihm zur Cour vorfahren ; so nicht wohl .
Ich ja selber , der ich von einem so eisgrauen Adel bin , daß er vor Alters-Marasmus fast erloschen ist , mußte vorher bei ihm eigene Ver- Dienste vorschützen -- .
Und wie wollen Sie ihm Ihre Freundschaft promulgieren ?
Denn bloßes Hegen derselben tut es nicht . "
-- " Von morgen an , sagte Walten unschuldig , suche ich ihm so nahe zu kommen , daß er alles deutlich lesen kann in meinem Herzen und Gesicht , was die Liebe an ihn hineingeschrieben , Vult ! "
-- " Van der Harnisch zum Henker !
Was ist zu Volten ?
Sie bauen demnach auf Ihren Diskurs und dessen Gewalt ? "
-- versetzte Vult .
" Ja wohl , sagte Walten , was hat denn der Mensch außer so seltenen Taten noch anderes ? " --
Aber den Flötenspieler überraschte an einem so bescheidenen Wesen , das höhere Stände vergötterte , dieses stille feste Vertrauen auf Sieg ausnehmend .
Die Sache war indes , daß der Notar schon seit geraumen Jahren , wo er Petrarkas Leben gelesen , sich für den zweiten Petrarca still ansah , nicht bloß in der ähnlichen Zeugungskraft kleiner Gedichte -- oder darin , daß der Welsche von seinem Vater nach Montpellier geschickt wurde , um das Jus zu studieren , das er gegen Verse später fahren lies -- sondern auch -- und hauptsächlich -- darin mit , daß der erste Petrarca ein gewandter zierlicher Staatsmann war .
Der Notarius glaubte , er dürfe , nach den Reden zu schließen , die er mehrmals siegend an Goldenen und die Mutter gehalten , ohne Unbescheidenheit auf einige Ähnlichkeit mit dem Italiener rechnen , falls man ihn nur in die rechten Lagen brächte .
So geht eigentlich in dieser Minute kein Jüngling in ganz Jena , Weimar , Berlin u. s. w. über den Markt , der nicht glauben müßte als Schrein -- Sakramenthäusern -- Heiligen-Haus -- Rindenhaus -- oder Mumienkasten irgend eines jetzt oder sonst lebenden Geisterriesen heimlich herum zu laufen , so daß wenn man besagten Schrein und Mumienkasten aufschlüge , der gedachte Riese deutlich ausgestreckt darin läge und munter blickte .
Ja Schreiber dieses war früher fünf bis sechs große Männer schnell nach einander , so wie er sie eben gerade nachahmte .
Kommt man freilich zu Jahren , nämlich zu Einsichten , besonders zu den größten , so ist man nichts .
" Wir wollen doch in Einem fort hier auf- und abgehen " sagte Walten , der in Vults Repli ken , zumal von seiner Himmelsluft berauscht , nichts spürte als dessen Manier .
" Ins Bette lieber ; -- wir stören vielleicht Klotarn , der schon darin liegt , denn ich höre , morgen verreiset er auf einige Tage sehr frühe " -- berichtete Vult , als wolle er ordentlich sich selber zur Pein , aus Walts vollem Herzen recht viel Liebe vorpressen .
" So Ruhe sanft , Geliebter ! " sagte Walten und schied gern von der lieben Stelle und dann vom verdrießlichen Bruder .
Voll Freude und Friede zog der Notar nach Hause -- in die stillen Gassen schauten nur die hohen Sterne -- er sah im Marktwasser einer nach Norden offenen Straße die Mitternachts-Nöte abgespiegelt -- im Himmel zogen helle Wölken wie verspätet aus dem Tage heim und trugen vielleicht oben die Genien , die den Menschentag reich beschenket hatten -- und Walten konnte , als er so glücklich in sein einsames dämmerndes Stübern zurück kam , sich so wohl des Weinens als des Dankens nicht enthalten .
Sehr früh bekam er am Morgen von Volten ein Briefen , mit einer versiegelten Inlage , überschrieben tempori !
Jenes lautete :
" Freund , ich fordere nichts von Euch als eine kurze Unsichtbarkeit , bis mein Blinden- und Flötenkonzert gegeben ist , zumal da ich dazu Gründe habe , die Ihr selber habt .
Schreiben können wir uns sehr .
Wächst mein Erblinden so hastig fort wie bisher :
so blase ich den vierzehnten , obgleich als Stockblinder Dülon , bloß um nur das arme Ohren-Publikum nicht länger aus einem Wochentagsblatt ins andere zu schleppen -- .
Ich bitte Euch , macht kein Instrument , ohne mir_es zu schreiben -- .
Ich hoffe , daß Ihr Familien- Ehre schonet , wenn Ihr in den Webstuhl tretet , um das bewußte Freundschafts-Band zu weben , und daß Ihr darauf rechnet , daß ich nötigsten Falls auch ein Paar Fußstösse im Stuhle mit zu tun bereit wäre .
Auf Beilage setzt Euer Siegel neben meines und schickt sie zurück ; zu gehöriger Stunde wird sie vor Euch einst erbrochen .
Adio !
v. D. H. Flegeljahre II. Bd. 2 N. S.
Man muß jetzt meiner Augen wegen mit ellenlangen Buchstaben an mich schreiben wie diese da .
Letzteres tat Walten in seiner Antwort gern , aber der Blindheit gedacht er nicht , aus Wahrheitsliebe .
Er versprach alles Verlangte und beklagte leidend die Trennung einer so kurzen Vereinigung ; beteuerte aber , daß Vult jeden Schritt , und jedes Glück bei dem Grafen mit ihm schriftlich teilen solle -- .
Übrigens erkannte Walten in dieser Unsichtbarkeit den Bruder nur als einen rechten Weltluchs , der sich auch gegen das kleinste Wetter-Leuchten des Zufalls einbauet , das den Menschen oft mitten in seiner besten Dunkelheit vom Scheitel bis zur Sohle aufrecht erhellet .
Das geheime Paket hätte man dem Notar eben so gut unversiegelt geben können , so sehr erfreute er sich , eine Gelegenheit der Treue gegen andere und sich zu erleben .
Das versiegelte Blatt lautete so :
" Da es ungewiß ist , ob du je diesen Brief an dich lesen darfst : so kann ich offen genug schreiben .
Es hat mich ungemein und diese ganze Nacht durch gekränkt , lieber Bruder -- wer weiß , ob wir uns noch so anreden bei dem Erbruche dieses Blattes , der entweder im schlimmsten oder im besten Falle geschieht , -- daß du von der Freundschaft deines Bruders nicht so , wie er von deiner , befriedigt wirst , sondern schon eine neue suchst .
Daß ich deinetwegen im dummen Haslau bleibe , oder daß ich für Dich mit Würg-Engeln und Scharf- und Höllenrichtern mich herumschlagen würde -- daraus kann nicht viel gemacht werden ; aber daß ein Mensch , dem auf seinem Reisewagen das Herz halb ausgefahren , gerädert , ja abgeschnitten worden , doch für dich allein eines mitbringt , das darf er anrechnen , zumal in einem Tausche gegen deines , das zwar unbeschreiblich rein und heiß , aber auch sehr offen -- der Windrose aller Weltgegenden -- dasteht .
Und nun wird_es gar einem Grafen aufgemacht , der als Freund den Thron besteigt , indes ich auf dem Geschwister-Bänken oder Kinder-Stühlen sitze -- o Bruder , das durchbrennt mich .
So Rotten-Weise , so in der Landsmannschaft aller Menschen auch mit geliebt zu werden , und um ein Herz sich mit seinem samt hundert anderen Herzen wie ein Archipelagus von Zirkel-Inseln herum zu lagern -- -- Freund , das ist mein Geschmack nicht .
Ich muß wissen und halten , was ich habe .
Wollte ich dir freilich meinen schwülen Giftbaum , worunter ich diese Nacht geschlafen , aufblättern :
so kenne ' ich dein schönes sanftes opferndes Gemüt , -- aber lieber wollte ich ihn ganz abernten , ehe ich so demütig wäre .
Es verdrießet mich schon , daß ich vor dir nur so viel schon am Grafen getadelt .
Sieh selber -- wähle selber -- nur deine Empfindung treibe dich , hinzu oder hinweg -- Umgekehrt vielmehr werde ich dir alle mögliche Flugwerke , Strickleitern und Schneckentreppen zum hohen Grafen machen und leihen , dem ich so Gram bin ; aber dann , wann du entweder ganz bezaubert , oder ganz entzaubert bist , lös ich das Siegel von folgender Schilderung dieses Herrn :
Er ist nicht zum Ausstehen .
Eitelkeit des Stolzes , und Egoismus sind die beiden Brenn- oder Frostpunkte seiner Ellipse .
Mir missfällt ein junger elender Fant gar nicht -- denn ich sehe ihn nicht , -- der ein Narr ist , ein Bilderdiener seines Spiegelbilds , ein Spiegel seiner Pfauenspiegel ; und so gern ich in effigie jedem männlichen Fratzen , der sich hinsetzen und als Elegant einem Mode-Journalisten sitzen kann , einen tapferen Fusstritt gäbe :
so bekümmern mich doch die Narren zu wenig , ja ich könnte einem , der frei seine Eitelkeit erklärte , solche nachsehen . . . Hingegen einem , der sie leugnet -- der den Pfauenschweif hinter den Adlersflügeln einheften will -- der nur an Sonntagen schwarz geht , weil da der Schornsteinfeger weiß geht -- der sehr ernst sich bloß die Glatze auskämmt -- der wie eine Spinne nächtlich das Gewebe , womit er die Sums- Mücke , Lob einfängt , wieder verschluckt und dann wieder ausspannt -- und der die Ansprüche des Philosophen und Narren gern verbände -- und der natürlich noch dabei vollends so egoistisch ist . . . Ich sage egoistisch .
Macht sich ein Mensch , Bruder , aus den Menschen nicht viel , so bin ich stiller als einer dazu ; nur mache ' er sich auch nicht mehr aus sich , und im Streit-Fall seines und fremden Glücks , wähl er großmütig .
Hingegen ein echter , recht frecher Selbstsüchtlinge , der ganz unverschämt gerade die Liebe begehrt , die er verweigert , der die Welt in einer Kochenille-Mühle malen könnte , um sich Weste und Wangen rot zu färben , der sich für das Herz der Allheit ansieht , deren Geäder ihm Blut zu- und abführt , und der den Schöpfer und Teufel und Engel und die gewesenen Jahrtausende bloß für die Schaffner und stummen Knechte , die Weltkugeln für die Dienerhäuser eines einzigen erbärmlichen Ich_es nimmt :
-- Walten , es ist bekannt , einen solchen könnte ich gelassen und ohne Vorreden tot schlagen und verscharren .
Die Leidenschaften sind doch wenigstens kecke , großmütige , obwohl zerreißende Löwen ; der Egoismus aber ist eine stille sich einbeissende fortsaugende Wanze .
Der Mensch hat 2 Herzkammern , in der einen sein Ich ; in der anderen das fremde , die er aber lieber leer stehen lasse , als falsch besetze .
Der Egoist hat , wie Wür mehr und Insekten , nur eine .
Du , glaube ich , vermietest deine rechte an Weiber , die linke an Männer und behilfst dich , so gut kannst , im Herzohr oder Herzbeutel .
Vom Grafen will ich dir nichts sagen , als daß er als protestantischer Philosoph eine liebliche aber katholische Braut , -- dir frappant ähnlich in der Liebe gegen jeden Atem des Lebens -- schlechterdings aus ihrer Religion in seine schleppen will , bloß aus egoistischer stolzer Unduldsamkeit gegen einen stillen Glauben in der Ehe , der seinen als einen falschen schölte .
Und dieses Menschen Kebs-Braut wolltest du werden ? --
Es schmerzet mich jetzt , wo ich mich ins Kühle geschrieben , recht ins Herz hinein , daß du Sanfter bis dahin , bis zur Eröffnung dieses Testaments dieses Briefs so manche Plage von zwei Spitzbuben erdulden wirst , wovon der zweite ich selber bin .
Denn wie ich bis dahin schmollen , dich auf harte Proben stellen , -- z. B. auf die , ob meine Unsichtbarkeit , Ergrimmung und Ungerechtigkeit dir genug ans Herz gehe -- und wie ich überhaupt des Teufels ge gen dich sein werde , ist Gott und mir am besten bekannt ; denn ich kenne meine Schmol-Natur , welche -- so sehr ich mir auf dieser Zeile das Gegenteil vornehme -- so wenig , als ein schwimmender Kork in einem Gefäß Wasser , in der Mitte bleiben kann .
Ach , auf jedem frischen Druckbogen des Lebens kommt immer unten der Haupttitel des Werks wieder vor .
Mein Übel aber eben ist der Schmollgeist , esprit de Debit d'amour , den mir eine der vermaledeitesten Feen muß in die Nasenlöcher eingeblasen haben .
Eine schlimmere Bestie von Polter- und Plagegeist ist mir in allen Dämonologien und Geister-Inseln noch nicht aufgestoßen -- .
Ordentlich als sei das Lieben nur zum Hassen da , erbosest man sich den ganzen Tag auf das süßeste Herz , sucht es sehr zu peinigen , breit zu drücken , einzuquetschen , zu vierteilen , zu Beizen -- -- aber wozu ? --
Um es halbtod an die Brust zu nehmen und zu schreien : o ich Höllenhund !
So gottlos hielte ich mit Freunden Haus , noch gottloser freilich mit Freundinnen -- .
Drei tausend zwei hundert und fünf Mal söhnt ' ich mich mit einer thüringischen Geliebten in dem kurzen Wonnemonde unserer Liebe aus ; -- mit anderen aber öfter -- und kündigte doch gleich darauf , wie ein kopulierter Fürst , die Seelen-Trauung wieder durch Kanonen-Schüsse und Mord-Knälle an , weil ich wieder den kleinsten schönsten allerliebsten Reif der Liebe für Schnee ansah -- .
Bei solchen Umständen , das schwor ich feierlich , heirate der Teufel oder ein Gott ; denn ist die Person nicht abwesend , die man zu lieben hat ( abwesend geht_es sehr ; auch brieflich ) oder was eben so gut ist , abgegangen mit Tod ( Liebe und Testament werden durch Sterben erst ewig ) : so hat man nach den bekannten wenigen Flitter-Sekunden seine Blei-Jahre , bringt sein Leben wie an einem Kamin hin , halb den Steiss im Feuer , halb den Bauch im Frost oder wie ein Stück Eis im Wasser , oben von der schönen Sonne , unten durch die Wellen zerfließend -- .
Und da schaue Gott den Jammer !
Jeder hüte sich , lehre ich oft genug , vor dem sauren Schmol- und Salzgeist , weil es keinen schlimmeren gibt -- .
Daß ich immer abreiste von alten Menschen zu neuen , muß ich eben tun , um nicht zu zanken , sondern noch zu lieben .
Der Himmel weiß , wie ich dich peinigen werde .
Aber vorausgesagt habe ich_es hier in bester Laune ; und dann sei dieses Blatt , wenn es aufgemacht wird , mein Schirmmein Feigen- mein Ölblatt .
Q. H. Nro. 19. Mergelstein .
Sommers-Zeit -- Klothars Jagd .
Jetzt fing das Notariat des Notarius ordentlich erst recht an .
Er wurde der allgemeine Instrumenten-Macher der neugierigen Stadt .
Gerichtlich bei den Testamentsexekutoren sind die Schuldverschreibungen , die Protokolle über verdorbene Warenfässer , Pachtbriefe über Handelsgewölbe , Kontrakte über zu reparierende Stadt- Uhren u. dergleichen niederlegt , die er in so kurzer Zeit ausfertigte , daß ein alter hinkender Notarius nicht wusste , was er dazu sagen sollte aus Grimm , sondern zu Gott hoffte , der Amtsbru der werde , was er da einbrocke , schon einmal auszuessen haben , wenn ihn einst die 7 Erben und die geheimen Testamentsartikel für jedes Notariats-Verbrechen bei den Haaren nehmen , wie ja das sein tägliches Gebet zum Himmel sei .
Walten fand nichts dabei unbegreiflich , als daß er -- freilich mehr sein Petschaft -- im Stande sein sollte , die wichtigsten Dinge zu bestätigen , da er kaum begriff , wie er einst einen Ehemann oder Staatsbürger abgeben könnte statt einem leeren Jüngling . Seinem Bruder schrieb er , wie er mitten unter den Instrumenten den Roman weiter webe , indem er so lange , bis eine Kopie abtrockne , ungehindert dichten könne -- so wie D' Aguesseau behauptete , er habe viele seiner Werke im Zwischenraume gemacht , wo er sagte , qu'on serve , und wo man meldete , qu' il etoit servi .
Aber Vult schrieb ihm Bitten und Gebote zurück , ums Himmelswillen bei sich zu sein , sich nie zu irren , kein Stunden-Datum und andere Beiwerke der Kontrakte zu vergessen , nie zu abbrevieren mit Zeichen oder notis , obgleich notarius da von herstamme ; -- da er zumal sicher wisse , daß man jedem Federzug auflaure und daß ihm nur deshalb , der Hoffiskal das Kunden-Heer zuweise .
Einst schrieb ihm etwas Ähnliches sein Vater Lukas -- nachdem er bisher jeden dritten Tag mündlich deswegen gekommen war , -- in einem kalligraphischen , kopierten Briefe , worin er ihn bei der Erbschaft beschwor , in seinen Instrumenten nichts zu radieren , noch zweierlei Tinte zu nehmen , und darauf befragte , ob es außer Treibers Spatzenrecht , Klubs Hundsrecht und Müllers Bienenrecht nicht noch Wespenrechte , Hühnerrechte und Rabenrechte gebe , und was das Bienenrecht statuiere , wenn einer nur eine Biene tot mache oder ein Paar .
Der Sohn schickte eine höfliche und ernste Antwort mit einer Spielkarte , worein er einen Maxd'or als einen Ehrensold für den Rat gesteckt .
Er hatte das Goldstück gegen übermäßiges Agio von Neupetern erwechselt , um seine Eltern durch das Gold ( den Phönix und Messias des Landvolks , ) in den dritten Himmel zu werfen .
Die Botenfrau musst ihm aber die Viertelstunde ihrer Ankunft bestimmen und beteuern , damit er erstlich bis dahin in den seligsten Träumen des nahen elterlichen Glückes schwimmen und zweitens doch noch die Viertelstunde kosten könne , wo er entschieden wusste , das ganze Haus in Elterlein sei nun außer sich vor Jubel über den Maxd'or und lasse Schomakern aus dem Schul- und die Goldwaage aus dem Pfarrhause dazu holen .
So viel süßer wird_es , lieber durch Boten als mit der Hand , lieber fernen Leuten als einem dasitzenden Mann zu schenken , der alles ausmacht , wenn er einsteckt und sich bedankt .
Seine alte Seelen-Schwester Goldine erhielt jetzt einen Brief .
Vorn herein schrieb er : " er übertreib ' es nicht , wenn er sowohl in Rücksicht seiner jetzigen Bekanntschaften als seiner künftigen Hoffnungen sich für ein Glückskind des gütigsten Schicksals erkläre ; und nur mit griechischer Furcht vor der Nemesis bekenn er , daß sein erster Ausflug fast zu glücklich , seine erste Ziel-Palme schon voll Früchte sei und seine Abende einen Abendstern besäßen , und die Morgen den Morgenstern . "
Darauf ging er weiter zur Malerei des Sommerlebens , an welche er sich ohne Furcht mit folgenden Farben machte :
" Schon der Sommer allein erhöbe !
Gott , welche Jahres-Zeit !
Wahrlich ich weiß oft nicht , bleibe ich in der Stadt oder gehe ich aufs Feld , so sehr ist_es einerlei und hübsch .
Geht man zum Tor hinaus :
so erfreuen einen die Bettler , die jetzt nicht frieren und die Postreiter , die mit vieler Lust die ganze Nacht zu Pferde sitzen können , und die Schäfer schlafen im Freien .
Man braucht kein dumpfes Haus ; jede Staude macht man zur Stube und hat dabei gar meine guten emsigen Bienen vor sich und die prächtigsten Zweifalter .
In Gärten auf Bergen sitzen Gymnasiasten und ziehen im Freien Vokabeln aus Lexizis .
Wegen des Jagdverbotes wird nichts geschossen , und alles Leben in Büschen und Furchen und auf Ästen kann sich so recht sicher ergötzen .
Überall kommen Reisende auf allen Wegen daher , haben die Wagen meist zurück geschlagen , den Pferden stecken Zweige im Sattel und den Fuhrleuten Rosen im Mund .
Die Schatten der Wolken laufen , die Vögel fliegen dazwischen auf und ab , Handwerksbursche wandern leicht mit ihren Bündeln und brauchen keine Arbeit .
Sogar im Regenwetter steht man sehr gern draußen und riecht die Erquickung , und es schadet den Viehhirten weiter nichts , die Nässe .
Und ist_es Nacht , so sitzt man nur in einem Kühlern Schatten , von wo aus man den Tag deutlich sieht am nördlichen Horizont , und an den süßen warmen Himmels-Sternen .
Wohin ich nur blicke , so finde ich mein liebes Blau , am Flachs in der Blüte , an den Kornblumen und am göttlichen unendlichen Himmel , in den ich gleich hineinspringen möchte wie in eine Flut . --
Kommt man nun wieder nach Hause , so findet sich in der Tat frische Wonne .
Die Gasse ist eine wahre Kinder-Stube , sogar Abends nach dem Essen werden die Kleinen , ob sie gleich sehr wenig anhaben , wieder ins Freie gelassen , und nicht wie im Winter unter die Bett-Decke gejagt .
Man isst am Tage und weiß kaum , wo der Leuchter steht .
Im Schlafzimmer sind die Fenster Tag und Nacht offen , auch die meisten Türen , ohne Schaden .
Die ältesten Weiber stehen ohne Frost am offenen Fenster und nähen .
Überall liegen Blumen , neben dem Tintenfaß , auf den Akten , auf den Sessions- und Ladentischen .
Die Kinder lärmen sehr und man hört das Rollen der Kegelbahnen .
Die halbe Nacht geht man in den Gassen auf und ab und spricht laut , und sieht die Sterne am hohen Himmel schießen .
Selber die Fürstin geht noch Abends vor dem Essen im Park spazieren .
Die fremden Virtuosen , die gegen Mitternacht nach Hause gehen , geigen noch auf der Gasse fort bis in ihr Quartier und die Nachbarschaft fährt an die Fenster .
Die Extraposten kommen später und die Pferde wiehern .
Man liegt im Lärm am Fenster und schläft ein , man erwacht von Posthörnern , und der ganze gestirnte Himmel hat sich aufgetan .
O Gott , welches Freuden-Leben auf dieser kleinen Erde !
Und doch ist das erst Deutschland !
Denk ich vollends an Welschland ! -- Goldine , dabei habe ich noch die tröstende Aussicht , daß ich diesen Erntetanz der Zeit , den ich Ihnen hier in matter Prosa ge schildert , weil ich Ihre Liebe , Ihr Vergeben kenne , mit ganz anderem poetischen Farben- Schmelze malen kann . -- -- Freundin , ich schreibe einen Roman . --
Genug , genug !
was ich sonst noch gefunden , was ich vielleicht nach anderthalb Stunden finde -- Goldine , dürfte ich diese Freuden in Ihr Herz ausgießen !
O müsst ich nicht vor die glänzenden Sonnen-Wolken verhüllende Erdenwolken ziehen ! --
Adio , Carissima ! "
Aber hier sprang er auf , ließ unabgeschrieben den Kaufbrief liegen , unter dessen Abfassung er heute eben vernommen , daß Klotar zurück und der Himmel in der Nähe sei , und lief in des Grafen Garten .
Im Schreiben war Walten Befehlshaber seiner Phantasie beträchtlich , aber im Leben nur Diener derselben ; wenn jene spielend ihm ihre Blumen und Früchte wechselnd in den Schoß hinein und über den Kopf hinüber warf :
so drang unaufhaltsam sein ernstes Herz seinen Gärten , seinem Gipfel zu und suchte den Zweig .
In Klothars Park hofft er auf ein schönes Flegeljahre II. Bd. 3 Begegnen .
Alle Fenster der Villa standen offen , aber kein Kopf darin .
Der Gärtner , der ihn für einen Gartenfreund nahm , ging ihm nach der Sitte mit einem Blumenstrauß in der Hoffnung entgegen , er werde diese Gärtners-Blumen- Schwabacher und Fernschreiberei lesen können , und ihm dafür ein paar Groschen schenken .
Der Notar weigerte sich höflich vor dem blühenden Geschenke , nahm es endlich mit den dankbarsten Minen an , und drückte den aufrichtigsten Dank noch mündlich vor dem Gärtner aus , der sich mit den finstersten überwebte , weil er keinen Heller bekam .
Selig strich der Notar durch die Gänge , in die dunklen Busch-Nischen , an betitelte Felsen und Mauern , vor grüne Bänke der Aussichten -- und überall flog ihm ein Blumenkranz auf den Kopf oder ein Sommervogel ans Herz , nämlich wahre Freuden , weil er überall ein Beet erblickte , woraus , wie er dachte , sein künftiger Freund sich einige Blumen oder Früchte des schnellen Lebens-Frühlings ausgezogen .
" Der edle Jüngling kann -- sagte Gottwalt an den verschiedenen Plätzen -- wohl auf dieser Bank lang der Abendröte nachgesehen haben -- in diesem Blüthendickig dämmernde Herzens-Träume ausgesponnen -- auf dem Hügel wird er an Gott gedacht haben voll Rührung -- Hier neben der Statue , o wenn er hier könnte die sanfte Hand seiner Geliebten genommen haben , falls er eine hat -- wenn er betet , tat er_es gewiß in diesem mächtigen Hain . "
Es gab wenige Bänke im Park , worauf er sich nicht niedersetzte , voraussetzend , Klotar habe früher da gesessen .
-- " Der englische Garten ist göttlich -- sagte er abgehend zum stillen Gärtner an der Pforte -- Abends erschein ich gewiß wieder , liebster Mann . "
Er machte auch zur versprochenen Zeit die Gartentüre auf .
In der Villa war Musik .
Er verbarg sich und seine Wünsche in die schönste Grotte des Parks .
Aus der Felsenwand hinter ihm drangen Quellen und überhängende Bäume .
Vor ihm goß der glatte Fluß seinen langen Spiegel durch ein Auen-Land .
Windmühlen kreisten ungehört auf den fernen Höhen um .
Ein sanfter Abendwind wehte das rote Sonnengold aus den Blumen höher um die Hügel .
Eine weibliche Statue , die Hände in ein Vestalinnen- Gewand gehüllt , stand mit gesenktem Haupte neben ihm .
Die Töne der Villa hingen sich wie helle Sterne ins Quellen-Rauschen und blitzten durch .
Da Gottwalt nicht wusste , welches Instrument Klotar spiele : so gab er ihm lieber alle in die Hand ; denn jedes sprach einen hohen , tiefen Gedanken aus , den er dem Herzen des Jünglings leihen musste .
Er entwarf sich unter den süßen Klängen mehrmals den Umriß von der unerhörten Seligkeit , wenn der Jüngling auf einmal in die Grotte träte und sagte :
" Gottwalt , warum stehest du so allein ?
Komme zu mir , denn ich bin dein Freund . "
Er half sich durch einige Streckverse an Jonathan ( so wollt ' er im Haschlauer Wochenblatte den Grafen verziffern ) die ihm aber schlecht gelangen , weil sein innerer Mensch viel zu rege und zitternd war , um den poetischen Pinsel zu halten .
Zwei andere Streckgedichte , unter welche er jene absichtlich im Wochenblatte zum Scheine mischen wollte als sei alles Dichtung , waren viel besser und hießen so :
Bei einem Wasserfalle mit dem Regenbogen .
O wie schwebt auf dem grimmigen Wassersturm der Bogen des Friedens so fest .
So steht Gott am Himmel und die Ströme der Zeiten stürzen und reißen , und auf allen Wellen schwebet der Bogen seines Friedens .
Die Liebe als Sphinx .
Freundlich blickt die fremde Gestalt dich an , und ihr schönes Angesicht lächelt .
Aber verstehst du sie nicht :
so erhebt sie die Tatzen .
Eben kam der Gärtner und befahl ihm an , sich weg zu machen , weil man den Garten schließe .
Er dankte und ging willig .
Aber zu seinem Erstaunen fuhr er in der Theaterschneiders Gasse nahe vor einem sechsspännigen Fackel- Wagen vorbei , worin Klotar saß nebst anderen , so daß er im Garten manches , sah er , vergeblich empfunden .
Er ging noch eine halbe Stunde vor Vults Fenstern auf und nieder zwar ohne diesen zu sehen , der ihn sah , aber doch um ihn sich nahe zu denken .
Tags darauf hatte er das Glück , den Grafen , der mit einer alten krummen Dame englisch sprach , auf einem Garten-Gange zu treffen und vor dessen ernstem schönen Gesicht den Hut mit Liebes-Augen zu ziehen .
Er suchte ihm noch sechs oder Siebenmale aufzustoßen , und zog eben so oft -- aus Unbekanntschaft mit der Garten- Kleiderordnung -- den Salutier-Hut , was zuletzt dem Grafen so verdrießlich fiel , daß er unter Dach und Fach auswich .
Auch der Gärtner , der längst über ihn und seine scharfen Beobachtungen des Land-Hauses seine eigenen angestellt , wurde konfus und glaubte , etwas zu vermuten .
Noch spät Abends kam ein Läufer vom polnischen General Zablocki -- der in Elterlein das bekannte Ritterschloß hatte -- mit dem Befehle , sich morgen ganz früh Punkt 11 Uhr einzustellen , um etwas zu machen .
" O lieber , wenn doch mein Klotar ein Instrument bei mir bestellte !
Gäbe es denn eine holdere Gelegenheit ? " dachte er .
Punkt 11 Uhr kam derselbe Läufer und bestellt ihn ab .
Aber an der Wirts tafel vernahm er , welche Himmelskugel nahe vor ihm seitwärts weggezogen war .
Die Tisch-Genossenschaft vereinigte sich nämlich , das göttliche Gemüt einer gewissen " Generals Wina . " zu erheben .
.. Es gibt vielerlei Ewigkeiten in der armen zeitlichen Menschenbrust , ewige Wünsche , ewige Schrecken , ewige Bilder -- so auch ewige Töne .
Der Laut Wina , ja nur der verwandte Wenigen , Wien , Mine , München , er faste den Notar eben so sehr , als wenn er an -- Aurikeln roch , auf deren Duft-Wolken er sich so lange in neue ausländische Welten verschwamm , bis er entdeckte , daß er nur die frühesten seines Lebens tauig ausgebreitet sehe .
Und die Ursache war eben Eine .
In seiner Kindheit war nämlich , da er an den Blattern blind da lag , ein Fräulein Wina , die die Tochter des General Zablocki , dem das halbe Dorf oder die sogenannten Linken gehörte , mit der Mutter zum Schultheiß gekommen .
In der Familie hatte sich erhalten , daß das kleine Mädchen gesagt , der arme Kleine sei ja sehr tot , und sie wolle ihm alle ihre Aurikeln geben , weil sie ihm keine Hand geben dürfte .
Der Notar beteuerte , daß er sich es noch klar und süß erinnere , wie ihn Blinden der Aurikelen-Geruch durchdrungen und ordentlich berauscht und aufgelöst habe , und wie er ein peinliches Schmachten gefühlt , nur eine Fingerspize des Kindes , dessen süßes Stimmen ihm fern , fern herzukommen schien , anzurühren .
Und wie er die kühlen Blumenblätter an seinen heißen Lippen totgedrückt .
Diese Blumen-Geschichte musst ihm , erzählt er , in der Krankheit und nachher in der Gesundheit unzählige Male erzählt werden , er habe aber Wina nie aus seiner Kindheits-Dämmerung gelassen und sie später nie angesehen , weil er es für Sünde gegen dieses für das Tageslicht ordentlich zu heilige zarte Wesen gehalten .
Wenn ansehnliche Dichter ihre Arme und Flügel zusammenstellen , um wie auf einem Minervens Schilde eine Schönheit empor zu heben durch Wolken hindurch , über schwache Monde , mitten unter die Nacht-Sonnen hinein : so hob doch Walten die ungesehene süß sprechende Wina viel höher nämlich in das dunkle tiefste Sternen blau , wo das Höchste und das Schönste glüht und strahlt , ohne Strahlen für uns Tiefe ; gleich den großen Zentral-Sonnen Herschels , welche durch ihre unendliche Größe ihren unendlichen Glanz wieder an sich ziehen und ungesehen in ihrem Feuer schweben .
Gottwalt fragte , ob diese Wina die Tochter Zablocki's sei .
Er hörte , es sei diese eben die Braut -- Klothars .
Welche Überraschung , sich einen männlichen , markigen scharfen Geist und Freund mit der sanften Liebe zu denken , mit dem Dämpfer , der das Schmettern zu Nach- und Wiederklängen erweicht , einen Heros neben einer heiligen Jungfrau -- und auf der anderen Seite sich die Braut eines Freundes zu denken , diese höhere geistige Schwester , diese Gott geweihte Nonne im Tempel der Freundschaft , ( denn für eine schöne Seele gibt es keine schönere als des Freundes Geliebte ) -- -- mehr Liebe und Freuden-Träume konnte eine einzige Nachricht schwerlich einem Menschen zuwerfen , als die neue dem Notar die neueste ausgenommen , daß heute beim General die Ehepakten aufgesetzt wor den oder doch würden .
Der Notar , der aus seiner Abbestellung das Widerspiel wusste , fuhr ordentlich vor der aufgeschobenen Herzens-Szene zusammen , die ihm entgangen war , " ich glaube , ich sterbe -- dachte er , -- vor Liebe gegen zwei solche Menschen , die ich auf einmal in ihrer fände , den Kontrakt würde ich ohnehin mit zehntausend Fehlern aufsetzen , und stände mein Kopf darauf . "
Er hörte aber noch mehr .
" Der Graf , sagte die Wirtstafel , heirate sie bei seinem Reichtum nur der Schönheit und Ausbildung wegen , denn er habe zehnmal mehr Geld als der General Schulden .
" Was tut es , sagt ein unbeweibter Komödiant , der Väter machte , die Hehre soll die Liebe und Charis selber sein . "
-- " Zwar die Mutter in Leipzig glaube ich -- versetzte ein Konsistorial-Sekretair -- konsentiert bequem , da sie lutherischer Konfession ist , so gut , wie der Bräutigam ; aber der Vater " -- --
Wie so ? fragte der Komödiant .
" Tochter und Vater sind nämlich Katholiken " antwortete der Sekretär .
-- " Wird sie die Religion changieren ? " fragte ein Offizier .
" Das weiß man eben nicht . " ( sagte der Sekretär ; ) bleibt sie inzwischen bei ihrer , so sind sehr viele Dinge vorher auszumachen ; und beide müssen durchaus zweimal kopuliert werden , einmal von einem lutherischen Geistlichen , hernach von einem katholischen . "
-- " Ihr Konsistorien , sagte der Offizier , bleibt doch bei Gott ein ganzer wahrer diffiziler , nichts nüziger , langweiliger Schnickschnak , der mich ordentlich revoltiert ; wie stecht ihr ab gegen einen Feldprediger ! " --
So beklommen als ( nach der medizinischen Geschichte ) Leute erwachen , die in ihrem Schlafzimmer einen Pomeranzenbaum hatten , der in der Nacht die Blüten auftat , und sie mit seinem Duft-Frühling überfiel :
so stand Walten , mit der süß-nagenden Geschichte am liebewunden Herzen , vom Tische auf .
Er wollte , er musste die Brautleute sehen .
Wina , die er früher als der Graf , wenigstens gehört , konnte er ordentlich bitten , ihn dem Bräutigam , und diesen , den er längst gesehen und gesucht , ihn der Braut vorzustellen .
Sehr hatte ihm an der Wirtstafel die Bemerkung gefallen , daß Wina eine Katholikin sei , weil er sich darunter immer eine Nonne und eine welsche Huldin zugleich vorstellte .
Auch daß sie eine Polin war , sah er für eine neue Schönheit an ; nicht als hätte ' er etwa irgend einem Volke den Blumenkranz der Schönheit zugesprochen , sondern weil er so oft in seinen Phantasien gedacht : Gott , wie köstlich muß es sein , eine Polin zu lieben -- oder eine Britin -- oder Pariserin -- oder eine Römerin -- eine Berlinerin -- eine Griechin -- Schwedin -- Schwäbin -- Koburgerin -- oder eine aus dem 13 Säckul -- oder aus den Jahrhunderten der Chevalerie -- oder aus dem Buche der Richter -- oder aus dem Kasten Noahs -- oder Eva es jüngste Tochter -- oder das gute arme Mädchen , das am letzten auf der Erde lebt gleich vor dem jüngsten Tage .
So waren seine Gedanken .
Den ganzen Tag ging er in neuer Stimmung herum , so kühn und leicht -- als liebe er selber , war ihm -- und doch war ihm wieder , als wenn er zwar alle habe , aber keine -- er wollte Weinen eine Brautführerin zuführen , in die er selber sterblich verliebt wäre -- er lechzte nach dem Bruder , nicht um ihn darüber zu belehren oder zu vernehmen , sondern um eine liebe Menschenbrust zum Druck an seine zu haben -- ein großer Regenbogen Abends in Osten spannt ihn noch höher .
Der leichte schwebende Bogen schien ihm ein offenes Farben-Thor für ein unbekanntes Paradies -- es war der alte glänzende Siegesbogen der Sonne , durch welchen schon oft so viele schöne , tapfere Tage gegangen , so viele sehnsüchtige Augen gesehen .
Auf einmal fiel ihm ein gutes Mittel ein , drei Wünsche zu befriedigen , zwei laute und einen stillen .
Nro. 20. Zeder von Libanon .
Das Klavierstimmen .
Es ist bekannt , daß nach der sechsten Klausel des Testamentes der Notar auch einen Tag lang stimmen muß , um zu erben .
Längst hatte ihn außer Vult noch sein Vater , der nicht erwarten konnte , wie der sogenannte Regulier-Tarif oder die geheimen Artikel Fehler setzen und strafen würden , um Verwaltung dieses Erb-Amts als des kürzesten angelegen , um hinter die Ehrlichkeit des seel. Testators zu kommen ; aber Walten hatte beiden stets das Unrecht entgegengesetzt , den alten gebenden Mann für einen Schelm zu halten .
Aus schöneren Gründen hingegen konnte ' er jetzt stimmen , wenn er wollte ; diese waren die dreifache Hoffnung , er werde , da sein Stimm-Amt vorher im Wochenblatt dem Publikum musste angeboten werden , in die vornehmsten Häuser und Zimmer kommen -- die schönsten Töchter vorfinden ( denn Töchter und Instrumente sind nicht weit auseinander ) -- und wohl auch die köstlichen Mahagonie-Piano von Schiedmaier aufdecken , auf deren Tasten Klotar und Wina die beringten Finger gehabt .
Walten betrieb feurig die Sache ohne alles Ratfragen .
Er zeigte seinen Willen den Testament Exekutoren oder dem regierenden Bürgermeister Kuhnold an .
Dieser eröffnete ihm , daß er nach dem geheimen Regulier-Tarif 4 Louis aus der Erbschaftskasse erhalte , weil der Testator ihn keiner Verbindlichkeit fremder Bezahlung aussetzen wollen .
Wie ein Vater ermahnte er ihn , sein Ohr unter dem Stimmen nicht zu zerstreuen und er würde ihm deutlicher raten , sagte er , wenn es seine Pflicht erlaubte .
" Auch ich gebe Ihnen ein Instrument " setzt er mit einem wohlwollenden Lächeln dazu .
Walten -- in die Liebe verliebt -- erinnerte sich mit Vergnügen an Kuhnolds bekannte fruchttragende Ehe voll Töchter .
Die Sache wurde ins Wochenblatt gesetzt .
Der einsilbige Vult schrieb nach der Erscheinung desselben einen ganzen fast ernsthaften Kautelar-Bogen voll Predigten über Saiten- Nummern , Seiten-Sprengen und falsche Temperaturen , samt dem Flehen , doch nur einen Tag lang kein Dichter zu sein .
" Sondern Instrumente statt zu machen wie ein Notar , zu stimmen wie ein ordentlicher Regenspurger Komizial-Mensch . "
Am Abend vor dem Stimm-Tag erhielt Walten die Liste der Stimmhäuser ; aber darunter war weder sein Wohnhaus -- Neupeter war zu stolz dazu -- noch Klothars und Zablockis ihre , doch sonst hohe genug .
Als er am Morgen zuerst bei Kuhnold -- nach der anciennete des Meldens hatte er zu hausieren -- als Stimmer ankam : fand er im netten , glatten Klavier-Zimmer statt der dlles Kuhnold den oben gedachten hinkenden grämlichen Notar , den der Fiskal Knol als der Kardinalprotektor der 7 Erben , hergeschickt zum Zeugen aller Fehler , weil ein Notar , wie Deutschland weiß , zwei Zeugen schwer wiegt , folglich für das Jus gerade jener nervus probandi , und erster Grundsatz der Widerspruchs , jene geistige Tonika dominante oder Primzahl ist , wonach so lange schon die Weltweisen wettrennen , um solche nur zu sehen ; daher der Jurist in Minuten mehr beweiset , als der Philosoph in Säckuln . --
Auch war Knol weitläufig schriftlich darauf bestanden , den Stimm-Tag durchaus nicht zu Walts Notariats-Zeit zu schlagen -- was sich , replizierte Kuhnold , ja von selber verstanden hätte .
Das heiter-geordnete Zimmer ohne Töchter trug indes überall die Farben-Asche weiblicher Schmetterlings-Flügel , bunte Arbeiten und Ar beitszeug schöner Finger .
Das Pianoforte war fast wie gestimmt , nur zu hoch um einen Ton -- eine Stimmgabel lag dabei -- auf den Tasten waren die Nummern der Seiten , auf dem Sangboden neben den Stiften das Tasten-Abc mit schwärzerer Tinte retuschiert -- für Stille war in der Nachbarschaft gesorgt -- und Kuhnold kam zuweilen nachschauend , aber ohne ein Wort zu sagen .
Er bot den Notarien ein Frühstück an .
" Wollte Gott , dachte Walten , eine oder die andere Tochter trüge es herein ! "
Eine runzlige ehrliche männliche Haut von mehr Jahren als Haaren brachte es so freundlich als sei sie in der Tat der Wirt . -- --
Redlicher Bürgermeister van Haslau , lasse mich in dieser Minute wo ich eben die folgende Nummer und Naturalie Großmaul oder Wydmonder samt Dokumenten von dir und der Post erhalte , die Geschichte mit der Versicherung stören , daß ich wissen würde , wie hoch ich dich zu stellen habe -- wärest du auch weniger der Schirmherr des ewig in Schlingen gehenden Notars -- , schon daraus meine ich , daß du Flegeljahre II. Bd. 4 erstlich einen ganz alten ( wahrscheinlich beweibten ) Bedienten hast , und daß er zweitens noch vergnügt aussieht .
Beide Notarien frühstückten und der Exekutor sprach , während die Wachparade gleichsam mit ihrem Rauschgold und Knallsilber auf den Uniformen , mit einem Geschrei auf der Trommel , das nicht bloß an die Haut des sie überziehenden Tiers erinnerte , vorbei marschierte und niemanden sonderlich die Stimme und das Stimmen zuließ .
Da hinter der Parade noch Musik englischer Bereiter zog : so versicherte Kuhnold , jetzt höre niemand sein Wort , geschweige den zartesten Misston .
So ging der ganze Vormittag unter fehler- und töchter-losem Stimmen vorüber und beide Notarien zum Essen , jeder ganz verdrießlich , der hinkende darüber , daß er wie ein Narr dagesessen ohne das geringste mögliche Niederschreiben , der stimmende , daß er niemand gesehen .
In gewissen Jahren versteht das männliche -- und das weibliche Geschlecht unter Niemand das eigene , und unter Jemand das andere .
Zu Buchhändler Passvogel zogen darauf beide Notars .
Dem Flügel des Stimm-Hauses fehlte nicht so sehr die Stimmung als Saiten dazu .
Stadt des Stimmhammers musste Walten mit einem Gewölbe-Schlüssel drehen und arbeiten für Musikschlüssel .
Ein geschmücktes schönes Mädchen von 15 Jahren , Passvogels Nichte , führte einen Knaben von 5, dessen Sohn , in seinem Hemde herum und suchte leise-singend , eine leise Tanz- Musik aus den zufälligen Stimm-Tönen zusammen zu weben für den jungen Satan .
Der Kontrast des kleinen Hemdes und der langen Chemise war artig genug .
plötzlich sprangen die drei Saiten a , c , h. , nach Haschlauer offiziellen Berichten , welche gleichwohl nicht festsetzen , in welchen gestrichenen Oktaven .
" Ja lauter Lettern aus ihrem Namen , G. Harnisch Pasvos gell . "
Sie wissen doch die musikalische Anekdote von Bach .
Es fehlt ihnen nur mein p !
-- " Ich Stimme am b , sagte Walten , aber für das Springen kann ich nicht . "
-- Da der hinkende Notar so viel Verstand besaß , um einzusehen , daß ein Stimm-Schlüssel nicht drei Saiten auf einmal sprenge :
so stand er auf und sah nach und fand .
" Aus dem Ach , wird ja ein Bach , ( scherzte der Buchhändler ablenkend ) .
Was macht der Zufall für Wortspiele , die gewiß keine Bibliothek der schönen Wissenschaften unterschriebe oder schriebe " !
Allein der hinkende Notar versicherte , die Sache sei sonderbar und protokollmässig ; und als er noch einmal den Sangboden besah , guckte gar hinter der Papier-Spirale aus dem Resonanz-Loche eine -- Maus heraus .
" Die hat_es gemacht " sagte er , schrieb es nieder und schüttelte so , als ob er vermute , der Buchhändler habe sie aus Absichten in den Sangboden schießen lassen .
Walten fragte auf einmal sich besinnend : " stimme ' ich denn fort ?
Ich sehe überall die Mausspuren und alles springt . "
Er legte den Gewölbe-Schüssel sanft hin .
Passvogel wollte als hitziger Mann ausfallen .
Aber Walten entkräftete ihn durch die Erklärung , er wolle in der Stadt herumstimmen und zu ihm zuletzt , aber bei anderen Saiten kommen .
Sie gingen zu H. van der Harnisch , der sich auch auf die Liste gesetzt .
Er sagte , er erwartete jede Stunde sein Miet-Pantalon , und lies beide fast eine ganze lauern .
Es verschnupfte ordentlich den hinkenden Notar , der noch dazu nicht faste , wie der stimmende den Edelmann so liebreich anschauen konnte .
Walten schrieb alles dem brüderlichen Sehnen nach Wiedersehen zu , indes Vult dabei die Absicht hatte , dem Tage und Band-Wurm , der an der Erbschaft Fraß , ein Stück abzureißen .
Endlich lies er beide unverrichteter Sache abziehen , nachdem er sie ein Paarmal gefragt , ob sie noch da wären , weil er sie nicht höre in seiner Blindheit .
Sie kamen zu einer verwitweten schönen Stickjunkerin , die sich mit ihrem Stickrahmen ( eine Paukendecke stickte sie ) sehr nahe an das gleissendgebohnte Klavier setzte , das sie ihn vielleicht stimmen lies , um ihn für sich zu stimmen .
Er horchte so vergnügt auf ihre Anreden , daß er einmal den Stimmhammer auf den Sangboden fallen lies und ein Paar Seiten abdrehte .
Am Ende des Geschäfts zeigte sie ihm das musikalische Würfelspiel und bat ihn , damit zur Probe zu komponieren .
Er tat es und spielte seine erste Komposition vom Blatte ; er wollte noch län ger Vorspielen -- denn nie spielt der Mensch lieber als nach dem Stimmen -- ; aber der hinkende Notar setzt ihm die Testaments-Klausel entgegen .
Die Stückjunkerin machte selber einige prüfende Griffe -- der Schoos-Hund sprang empor und ging mit vier dergleichen über die Tastatur und verstimmte ein wenig .
Walten wollte nachhelfen ; aber der hinkende Notar trieb ihn mit der Klausel von dannen .
Er ging ungern .
Sie war eine blonde Witwe von 30 Jahren , also um 5 oder 7 Jahre jünger als eine Jungfrau von 30 .
Es freute ihn , daß die Saite doch einmal der herrufende Klingeldraht der Schönheit geworden ; " aber Himmel , dachte er , ein Stimmen kann ich ja im Doppelroman zur Einkleidung aller Zufälle gebrauchen ! " --
Er musste zum Polizeiinspektor Harprecht , der , wie sein Protokollist sagte , mit einer Herde Töchter geschoren sei .
Harprecht empfing ihn sehr verbindlich , stäubte ein altes Hackbrett eilig weiter ab und schob ihm dasselbe freundlich zum Stimmen vor .
Töchter waren nicht zu sehen .
Walten stutzte und sagte mit langer sanfter Höflichkeit Nein ; er setzte auseinander , daß er , da in der 6 Klausel nur von Kla vieren die Rede sei , durch heutiges Stimmen -- morgendes versprach er ihm gern -- gegen die vielen noch restierenden Stimm-Häuser auf der Liste ( er wies sie vor ) verstoßen würde , die alle ein gleiches Recht auf sein Stimmen ohne Geld besessen .
Auch der hinkende Notar sagte , unter Klavier könne nicht wohl ein Hakbrett begriffen werden .
" Oft doch , -- versetzte mit alter Liebreichigkeit Harprecht , lächelnd bloß mit einem Mundwinkel , so wie er nur eine gerade Stirnfalte runzelte -- ; allein er sei vielleicht so billig als einer ; und da er mit dem Hoffiskal Knol Ein Instrument gemeinschaftlich gemietet für ihre Kinder , so begleite er ihn zum Stimmen desselben hin , um sich das Vergnügen seiner Gesellschaft etwas zu verlängern , dürfe aber gewiß bei der Testaments-Exekution darauf antragen , daß das Compagnie-Instrument und also jeder Stimm- Fehler für zwei gelte , wobei ja H. Harnisch genug an Zeit und Mühe erspare und gewinne " -- " Wahrlich , versetzte Walten , ich wollte es wäre Recht , ich fragte nichts danach . "
Harprecht drückte ihm die Hand , und sagte , einen solchen jungen Mann hätte er längst zu finden gewünscht ; und alle gingen .
" Eben jetzt , sagte Harprecht unterwegs , Tanz- und Klavierschule bei Knol und alle meine Töchter . "
Es wird nicht unter der Würde der Geschichte sein , hier anzumerken , daß Harprecht und Knol sich ein einziges Spinett als eine Finger- Tenne und Palästra für ihre Jugend und deren parzielle Gymnastik , ein passives Hammerwerk für ihr aktives , gemeinschaftlich bestanden von einem alten Kanzellisten , und daß das Spinett alternierend von einem Semester zum anderen in den Häusern beider Dioskuren stand .
Harprecht hatte sogar den Curas und Meidinger aus der Gymnasiumsbibliothek für die gallischen Stunden seiner Töchter geborgt , und sagte , er schäme sich dessen gar nicht .
Der kürzere Weg zum Fiskal ging durch grüne , rote , blaue , bunte Gärten , denen der Vor-Herbst schon die Früchte färbte vor den Blättern ; und Walten , dem die Vesper-Sonne so warmfreundlich ins Angesicht fiel , sehnte sich in den Abend-Glanz hinaus .
" Wären Sie im Stande , sagte Harprecht , so auf der Stelle ein Gedicht in Ihrer neuen Gattung , die man so lobt , auf was man will , zu machen -- ?
Etwa ein Gedicht über die Dichter selber , z. B. , wie sie glücklicher Weise so hoch stehen auf ihrer fernen idealischen Welt , daß sie von der kleinen wirklichen wenig oder gar nichts sehen und also verstehen ? "
-- Er sann lange nach ; und sah gen Himmel ; endlich schlug aus diesem der schöne Blitz eines Gedichtes in sein Herz .
Er sagte , er habe etwas ; und bitte ' ihn bloß sich zu dessen Verständnis an die astronomische Meinung zu erinnern , daß das , womit die Sonne leuchtet , nicht ihr Körper sei , sondern ihr Gewölk .
Er fing an und deklamierte in die Sonne schauend :
Die Täuschungen des Dichters .
Schön sind und reizend die Irrtümer des Dichters alle , sie erleuchten die Welt , die die gemeinen verfinstern .
So steht Phöbus am Himmel ; dunkel wird die Erde unter ihrem kalten Gewölk , aber verherrlicht wird der Sonnengott durch seine Wolken , sie reichen allein das Licht herab und wärmen die kalten Welten ; und ohne Wolken ist er auch Erde .
" Hübsch und spitzig genug " sagte der Inspektor mit aufrichtigem Lob einer Ironie , die er im Streckvers fand , die aber nicht der Dichter , sondern das Schicksal hineingelegt .
-- In solcher Eile -- versetzte Walten -- kann man zwar wohl den Gedanken schaffen -- denn jeder Gedanke des Menschen ist doch ein Impromptu -- aber gar zu schwer den rechten Versbau ; ich gäbe ein solches Gedicht nie öffentlich .
Sie traten ins laute Knollische Zimmer ein , wo außer dem Kompagnie-Spinett und dem Compagnie-Musik- und Tanzmeisterlein noch der Zusammenwarf beider Nester war , die mit Füßen und mit Händen sausen und brausen wollten -- lauter hagere , schmalleibige , hänghäutige , mokante , scharfe Mädchen-Figuren von jedem Alter , worunter zwei Knaben mit turnierten .
Sämtliche Tanzschule harrte auf ihre Klavierschule , die wieder auf das Stimmen des Spinners wartete .
Der Musikmeisterlein schwor , heute sei daran nichts zu brauchen , so toll klinge das Spinett .
Gleichwohl hatte sich den Abend vorher der Polizei-Inspektor über das Spinett gemacht , um , wie er sagte zum Fiskal , der ihn vertrauend machen lies , dem jungen Universal-Erben etwas vorzuarbeiten -- hatte aber die meisten Saiten zu tief herabgelassen -- ferner im Eifer der Vorarbeit zu dicke Nummern auf dreimal gestrichene Noten oder Tasten gespannt -- und in der Tat genug gefehlt .
Walten fing an .
Er sprengte eine Saite nach der anderen entzwei .
Harprecht kegelte mit Saiten-Rollen aus der einen Hand in die andere , und trachtete sehr , wie er sagte , seinem jungen Freunde ein ziemlich langweiliges Geschäft zu versüßen durch Diskurse ; auch reicht er ihm die Saiten-Knäuel , die er brauchte .
Anfangs hielt der Notar den Tanz bei dem Klavierstimmen so gut aus , daß er sogar , da ihm keines Menschen Freudenstunde gleichgültig war , teils in das stimmende Oktaven- und Quinten- Probieren eine Art leichtern Tanz-Takt zu le gen versuchte , teils ins Einhämmern der Stifte , so unangenehm ihm auch die sämtlichen Mädchen erschienen , die sogleich in den jüngsten Jahren die venia aetatis * ) , die einem Freiherrn über 300 fl. in Wien kostet , auf dem Gesicht als Brautschatz mit gebracht .
Da aber jede Saite zersprang -- und beinahe sein eigenes Trommelfell , das er und andere spannten und aufschraubten -- :
so ersuchte er um erforderliche Stille .
Man schwieg allgemein -- er stimmte fort und lärmte allein -- die Tanzschule samt dem Tanz- und Musikmeisterlein sah jede Minute dem Anfange der Klavierstunde entgegen -- Walten durchschwitzte die Wind- und Meerstille -- die Saiten sprangen jetzt statt der Tänzer -- das Stimmen verstimmte sein Herz und Spinett -- er hatte die annahende Nacht und die restierenden Stimmhäuser voll schönster Töchter und Zimmer im Kopfe -- verdumpft hatte er sich schon längst , weil keine Anspannung so hart ins Gehirn drückt als die des Ohrs -- an sieben und zwanzig Saiten-Sprünge * ) Alters-Erlass . hatte der hinkende Referent schon zu Papier gebracht -- und nun läutete die Abendglocke . --
Mit Wut warf der Notar den Stimmhammer ins Zimmer und rief : " der Donner und . . . . . . Was ist das ? --
Doch der bürgerliche und der kanonische Tag ist jetzt zu Ende , Herr Inspektor , und alles ; die Saiten zahle ich . "
Am Morgen darauf wurde ihm von Hrn. Kuhnold der geheime Artikel des Regulier-Tarifs eröffnet , welcher bestimmt verordnete , daß ihn jede Saite , die er im Erb-Amte des Stimmens zerrissen hätte , ein Beet der Erb-Äcker kosten sollte , so daß er jetzt , nach dem Protokoll des Hink-Notars , um zwei und dreißig Saiten oder Beete ärmer war .
Walten erschrak ungemein seines Vaters wegen .
Aber als er dem regierenden redlichen Burgermeister in das traurige Gesicht recht sah , erriet er etwas , nämlich dessen ganze gestrige Güte , die ihm durch ein hoch gespanntes Instrument und durch jede andere Erleichterung und durch die Entfernung der schönen Töchter so wohl die Gelegenheit zu Saiten- Rissen im eigenen Hause abschnitt , als auch ein großes Stück Zeit zu mehreren in einem fremden .
Dieser erquickende Gewinn einer schönen warmen Erfahrung erstattete ihm den metallischen Verlust so reichlich , daß er den Abschied vom Bürgermeister mit einer frohen dankenden Rührung nahm , die jener nur halb zu verstehen scheinen musste .
Nr. 21 .
Das Großmaul oder Wydmonder .
Aussichten .
Gottwalt schwor beim Eintritt in sein Haus , er finde darin nach einem solchen Stein-Plaz- und Mäuse-Regen des Schicksals ein sehr hübsches Stück Sonnenschein .
Und Flora brachte das Stück , nämlich eine mündliche Einladungskarte -- weil man ihn einer schriftlichen nicht wert halten konnte , so lieb ihm auch ein Expektanzdekret eines Himmels , ein Wechselbrief auf Lust gewesen wäre , -- nämlich morgen Sonntags Mittags zu Neupeters Geburtstags- Diener auf einen Löffel Suppe zu erscheinen .
Auf den Diner-Löffel und das Souper-Butter Brot , auf diese Es-Pole laden die Deutschen ein , nie auf die Mitte , auf Hechte , Hasen , Säue und dergleichen .
Flora sagte , des Grafen Klothars wegen feiere man die Geburt schon um 2 Uhr .
Walten beteuerte , er komme gewiß .
Ihn wiegte darauf ein zweiter warmer Glückswind , das Wochenblatt mit Vults Nachricht ans Publikum , er flöte lieber Sonntags Abends um 7 Uhr öffentlich , so stockblind er jetzt sei , als daß er länger ein verehrtes Publikum fort täusche und herum zerre in großen Erwartungen .
Dem Zeitungs-Blatte lag ein Billet an Walten bei , worin ihn Vult um einen Vorschuß von 2 Louis für die Konzert-Dienerschaft ersuchte und um das Protokoll des Stimm-Tags , und um ein paar Ohren für Morgen und um das Ohren-Gehenk , das Herz .
Es hat nicht den Anschein , daß einen so schönen und schweren Terzentriller der Lust jene Göttin , die immer plötzlich ins arme von rauhen Wirklichkeiten zerrissene Menschen-Ohr mit linden Melodien herabfährt , je vor dem Notar geschlagen als eben den mitgeteilten .
Er war selig und alles und redselig und schrieb erstlich : hier das begehrte Darlehn doppelt , was gestern von Kabel für das Stimmen eingelaufen -- dann schrieb er die köstlichen Hoffnungen auf Klotar -- zugleich die Streckverse auf den Grafen -- die bisherigen Präsgänge und Kesseljagden nach diesem -- die Träume vom morgenden Flötengetakt und von der Zukunft eines Freiern Bruder-Lebens ohne Blindheit -- und den Verlust von 32 Beeten .
Es fürchte doch immer der Mensch die innerste Entzückung , er glaube nur nie ganz toll , es werde jemals ein so leiser sanfter Himmels- Tau wie sie ist , auf der stürmischen Erde und in ihren Windklüften die seltenen Windstillen finden , worin allein er sich in feste offene Blumenkelche einsenkt , gleichsam die helle gediegene Perle aus dem grauen Wolken-Meer .
Sondern der Mensch erwarte , daß er den zweiten Brief sogleich erhalten werde , den Vult an Walten in folgender Stimmung schrieb :
Vult hatte sich nämlich seit dem gestrigen Anblicke des Bruders mit ganz frischer Liebe für denselben versorgt , und sich besonders heimlich mit ihm befreunden wollen durch die Bitte , ihm vorzuschießen -- er hatte sich gute Plane voll jauchzender Hoffnungen auf die Zeit nach dem Sonn- und Konzert-Tag entworfen und sich gesagt : " sobald ich nur sehe , was ich gleich nach dem Konzerte tue , so fallen lauter Bundes- Feste des Zusammenlebens und -schreibens vor und mein versiegelter Brief an ihn wird täglich dümmer " -- er war , wie oft , aus seinem eigenen Himmels- sein Höllenstürmer geworden -- er hatte es recht tapfer gefühlt , daß einige fliegende Winter des Herzens , den fliegenden Sommern so ähnlich , dessen freudige Wärme nicht mehr wegnehmen als Eisstücke an den Ufern den Lenz .
So bekam er Walts obiges Freudengeschrei und Schreiben an einen Bruder , der so lange als blinder Mann zu Hause gesessen -- gegen dessen Unsichtbarkeit der andere sich noch so wenig gesträubt -- auf welchen dieser noch kein einziges Streck-Gedicht gemacht , obwohl auf den fremden Narren zwei oder drei -- kurz an einen Flegeljahre II. Bd. 5 Mann , der den allliebenden Notar dreitausend Mal mehr liebe und allein .
. . . Folgendes setzte der Mann an Walten auf :
" Anbei folgen 2 Plus Louis retour ; mehr war ich nicht benötigt , obgleich kein Mensch so viel Geld bedarf als einer , des verachtet .
-- Das hole der Teufel , daß 32 Beete jetzt vom Feinde mit Unkraut angesät werden .
Solche Tonleitern sind mehr Höllen- als Himmelsleitern für mich .
Bei Gott , ein anderer als der eine von uns hätte vorher zu sich gesagt :
paß ' auf !
Kato schrieb ein Kochbuch ; ein Streckdichter könnte wahrlich stimmen , wenn er wollte ; nur umgekehrt geht_es nicht , daß ein Koch einen Kato schreibt , sondern höchstens ein Cicero , dieser Zizerone alter Römer .
Böse Träume , die echten Seelen-Wanzen des armen Schlafs , gegen welche mein Kopf nicht so viel verfangen will als ein Pferde-Kopf gegen Leibes-Wanzen , hatten mir manches vorgepredigt , was ich jetzt nachpredige vor Denselben , mein Herr !
Noch zeigen Sie mir fast verwundert an , daß Ihnen nach der Marsch-Ordre vom und zum General Zablocki dahier um 11 Uhr , gerade um dieselbe Stunde Kontre-Ordre zum Kontre- Marsch zugekommen , ohne daß Sie zu erwägen scheinen , daß er sich einen ganzen Tag Zeit genommen , um sich zu ändern .
Herr , sind denn die Großen nicht eben das einzige echte Quecksilber der Geisterwelt ? --
Die erste Ähnlichkeit damit bleibt stets ihre Verschiebbarkeit -- ihr Rinnen --
Rollen --
Durchseigern --
Einsickern --
Verdammt !
Die rechten Gleichheiten dringen nach , und sind nicht zu zählen .
Wie besagtes Quecksilber so kalt und doch nicht zu festem stoischem Eis zu bringen -- glänzend ohne Licht -- weiß ohne Reinheit -- in leichter Kugelform und doch schwer drückend -- rein und sogleich zu ätzendem Gift sublimiert -- zusammenfließend , ohne den geringsten Zusammenhäng -- recht zu Folien und Spiegeln unterzulegen -- sich mit nichts so eng verquickend als mit edlen Metallen -- und noch , aus wahrer Wahl-Anziehung etwan mit Quecksilber selber -- Männer , die sich mit ihnen befassen , sehr zum Ausspucken reizend -- -- Herr , das wollte ich die große Welt nennen , deren goldenes Alter immer das quecksilberne ist .
Aber auf solchen glatten , blanken Welthügeln siedle sich nur niemand an ! --
Übrigens folgen auch Einlaßbillets für das Flötenkonzert ; à revoir , Monsieur ! v. d. H. Walten taten indes nur die Retour-Louis so weh als wären sie von Louis XVIII geprägt ; sonst nahm er Vults Stampfen aus Zorn für Tanzen aus Lust und für Takt-Treten .
Hätte er ahnen können , mit welchen Peinigungen der Liebe er den Schmollgeist Vults wechselnd weg- und herbannte :
er hätte in seiner ganzen Gegenwart wenige Hoffnungen gefunden .
Jetzt schlief er mit der schönsten auf morgen ein .
Nro. 22. Sassafras .
Peter Neupeters Wiegenfest .
Der Notarius konnte den ganzen Morgen nichts Gescheites machen als Plane , an einem solchen Ehrentage ein neuerer Petrarca zu sein , oder ein in einem Dorfe gebrochener Juwel , der sich auf der Edelsteinmühle der Stadt schon sehr ausgeschliffen .
Er hielt sich vor , das sei das erstemal , daß er in den schimmernden Thier- Kreis des feinsten Cercle oder Kränzgens rücke .
" Gott , wie fein werden sie alles drehen , sagte er sich , und vor Tournüre kaum reden !
Madam -- kann der Graf sagen -- ich bin zu glücklich , um es zu sein. H. Graf , kann sie versetzen , Ihr Verdienst und Ihre Schuld -- Darf man das Erraten erraten , fragt er -- Sollte Fragen mehr erlaubt sein als Antworten -- fragte Sie --
Das eine erspart das andere , versetzt er .
Oh Graf sagt sie -- Aber Madam , sagt er ; denn nun können sie vor Feinheit nichts mehr vorbringen , und wenn sie toll würden .
Ich für meine Person setze vieles in den Hoppelpoppel oder das Herz . "
Walten goß sich bei Zeiten seinen Sonntags- Beschlag , den Nanking , als sein eigener Gelbgießer über und setzte statt des Braunflammchen Hutes -- den wollte er in der Hand tragen -- mehr Puder als gewöhnlich auf .
Er ging geputzt ein paar Stunden leicht auf und ab .
Er hörte vergnügt einen Wagen nach dem anderen vordonnern ; " nur abgeladen , sprach er , lauter Fracht und Meßgut für den Roman , in dem ich Leute von Stande so nötig habe als Tinte .
Und wie wird sich uns allen mein Klotar von so mannigfachen Seiten zeigen müssen ; der alte treue Freund !
Gott wird mir schon dazu verhelfen , daß ich auch etwas sagen kann zu ihm . "
Da er endlich bei einem neuen Rollen es für Zeit hielt , sich hinab zu machen , und den Cercle zu schließen und zu runden mit seinem eigenen Bogen und Bückling :
so stellte er sich oben , mit seinem Hute in der Hand , ans Treppengeländer und schaute so lange hierdurch hinab , bis er dem neuen Nachschuß sich zuschießen konnte , um so unbemerkt und ohne sonderliche Kurvaturen im Saale einzutreffen .
Er glänzte sehr , der Saal , die vergoldeten Schlösser waren aus den Papier-Wickeln herausgelassen , dem Lüstre der Staub- und Bussack ausgezogen , die Seiden-Stühle hatten höflich vor jedem Steiss die Kappen abgenommen , und auf den getäfelten Fußboden war die Leinwand ganz von den Papiertapeten weggezogen , welche die ostindische Decke so zudeckten , daß diese sowohl sich als den getäfelten Fußboden an einigen Winkeln leicht zeigten .
Den Salon selber hatte der Kaufmann , weil lebendige Sachen zuletzt jeden krönen , mit Gästen-Gefülsel ordentlich wie ein hohes Pasteten-Gewölbe saturiert , namentlich mit Aigretten , -- Chemisen -- Schmink-Backen -- Rotnasen -- feinsten Tuchröcken -- spanischen Röhren -- Patentwaren und französischen Uhren , so daß vom Kirchenrat Glanz an bis zu netten Reisedienern und ernsten Buchhaltern sich alles mischen musste .
Der große Kaufmann sucht weiter in keine höchste Klasse zu kommen als in die der Gläubiger , wenn seine hohen Schuldner fallieren .
Er als kalter stiller Justierer des Verdienstes , schätzt gleich sehr den niedrigsten Bürger , wenn er Geld hat , und den höchsten Adel , wenn dessen altes Blut in silbernen und goldenen Adern läuft und dessen Stammbaum Nahrung und Handelszweige treibt .
Freilich -- so wie dem Pater Hardouin die Münzen der Alten mehr historische Glaubwürdigkeit hatten , als alles Schriftliche derselben , -- so kann der abwägende Kaufmann Adels-Pergament und sonstige Ehren- Punktierkunst nie so hoch stellen , als dessen Münzen , insofern er von fremder Zuverlässigkeit sprechen soll .
Schon die Anfuhrt des Ehrentages fand der Notar viel lustiger und leichter als er nur hoffen wollen ; denn er bemerkte bald , daß er nicht bemerkt wurde , sondern sich auf jeden Seidenstuhl setzen konnte , und ihn zum Weberstuhl seiner Träume machen .
Noch hatte er nichts vom Grafen , noch vom Wiegenfest , und den beiden Töchtern gesehen -- als endlich Klotar , der Eskönig , zu seiner Freude blühend hereintrat , obwohl in Stiefeln und Überrock , als habe er sich mehr auf parlamentarische Wollen-Säcke zu setzen als auf seidene Agenten-Stühle .
" Hr. Hofagent , sagte er ohne die Versammlung zu prüfen , wenn Sie wollen , mich hungert verdammt . "
Der Hofagent befahl Suppe und Töchter ; denn er schätzte den Grafen längst und innigst , weil er als der Agioteur von dessen Renten am besten wusste , wie viel er war , besonders ihm selber ; und er behauptete oft , einem Manne von so vielen jährlichen Einkünften solle doch jede vernünftige Seele es zu gute halten , wenn er seine eigenen Meinungen habe oder lese was er wolle .
plötzlich kam Musik -- mit ihr die Suppenterrine mit gedruckten Geburtsfestliedern -- dann die beiden Töchter mit einer langen Blumen-Guirlande , die sie Neupeter so geschickt über den Körper wanden , daß er in einem blühenden Ordensband da stand -- die Komtoristen liefen und teilten die Gedichte aus -- und zuerst ihrem Prinzipal ein vergoldetes --
Nun fing andere Instrumentalmusik an , um das Karmen , oder vielmehr den Gesang desselben zu begleiten -- die Gesellschaft mit ihren Papieren in den Händen stimmte ihn an als ein längeres Tischgebet -- und selber Neupeter sah singend in sein Blatt .
Vult hätte nicht unter die gehört , die dabei am ernsthaftesten geblieben waren , zumal als der blumige Ordens-Mann sich selber ansang ; aber wohl Gottwalt war dazu gemacht .
Ein Mensch , so bald er an seine Geburt denkt , ist so wenig lächerlich als es ein Toter sein kann ; da wir , wie sinesische Bilder , zwischen zwei langen Schatten oder langen Schlummern laufen , so ist der Unterschied nicht groß , an welchen Schatten man denke .
Walten quälte sich mit leisem Singen bei schlechter Stimme ; und als es vorbei und der Alte sehr gerührt war , über das fremde Gedächtnis für sein Wiegenfest bei eigener Vergeßlichkeit und die Seinigen ihm früher gratulierten als die Fremden :
so war kein Glückwunsch so aufrichtig in irgend einem Herzen als Gottwalts ferner und stiller ; aber es beklemmte ihn , daß der Mensch -- " besonders , sehe ich , an Höfen " dachte er -- gerade den heiligen Tag , wo er sein erneuertes Leben überrechnen und ebnen sollte , im Ranschen fremder Wellen verhört -- daß er das neue Dasein mit der lärmenden Wiederholung des alten feiert , anstatt mit neuen Entschlüssen -- daß er statt der einsamen Rührung mit den Seinigen , deren Wiegen oder Gräber seinen ja am nächsten stehen , den undankbaren Prunk und trockene Augen sucht .
Der Notar setzte sich vor , seinen ersten Geburtstag , an den ihn ein guter Mensch erinnerte --
denn noch hatte er in seiner harten Armut keinen einzigen erlebt -- ganz anders zu begehen , nämlich sehr weich , still und fromm . -- --
Man setzte sich zu Tisch .
Walten wurde neben den zweiten armen Teufel -- Fletten -- als der erste postiert und rechts neben den jüngsten Buchhalter .
Ihm verschlug wenig ; ihm gegenüber saß der Graf .
Rund wie Geld , das wie der Tod alles gleich macht , war die Tafel , gleichsam ein größerer Kompagnie-Teller .
Der Notar , ganz geblendet von der Neuheit des Geschirres und dessen Inhalts streckte statt seiner sonstigen zwei linken Hände zwei rechte aus und suchte mit wahrem Anstand zu essen und den Ehren-Säbel des Messers zu führen ; belesen genug , um mit der Breite des Löffels zu essen , nicht mit der Spitze , erhielt er sich bloß bei bedenklichen Vorfällen durch die alte Vorsicht im Sattel , nicht eher anzuspießen , bis ihm andere das Speisen vorgemacht ; wiewohl er sie bei den Artischocken so wenig für nötig erachtete , daß er , Beweisen nach , deren bitteren Stuhl und die Spitzblätter aufkaute , die er hätte in die holländische Sauce getunkt ablecken können und sollen .
Was ihm indes weit besser schmeckte als alles , was darin lag , waren die Senfdosen , Dessertlöffel , Eierbrecher , Eistassen , goldene Obstmesser , weil er das neue Geschirr in seinen Doppelroman als in einen Küchenschrank abliefern konnte : " esset ihr in Gottesnamen , dachte er , die Kiebitzen Eier , die Mainzer Schinken , und Rauch- Lachse ; sobald ich nur die Namen richtig überkomme durch meinen guten Nachbar Flette , so habe ich alles , was ich für meinen Roman brauche , und kann auftischen . "
In die höchste Schule der Lebensart gingen seine Augen bei dem Grafen , der keine Umstände machte -- geradezu weißen Portwein forderte -- und einen Kapaunenflügel mit nichts abschälte als mit dem Gebiß , -- des Gebackenen nicht zu gedenken , das er mit den Fingern annahm .
Diese schöne Freiheit -- eingekleidet noch in Stiefeln und Überrock -- spornte Walten an , daß er , als mehrere Herrn Konfekt einsteckten für ihre Kinder , sich es zur Pflicht und Welt rechnete , auch einige süße Papierchen oder Süßbriefen , die ihm ganz gleichgültig waren , in die Tasche zu schaffen .
Auch sein Nachbar Flette , der ungemein fraß und forderte , zeigte deutlich , wie man zu leben habe -- besonders wovon .
Indes war sein ewiger Wunsch der , etwas zu sagen und von Klotar vernommen , wenn nicht gar angeredet zu werden .
Aber es ging gar nicht .
Dem Grafen war aus Achtung ein philosophischer Nachbar , der Kirchenrat Glanz , an die linke Seite gebeten -- an die rechte die Agentin gesetzt ; -- aber er aß bloß .
Walten sann scharf nach , in wie weit die Vorsitzende Vorschrift feinster Sitten zu kopieren sei , kein Wort zu sagen zur Hausfrau .
Er behalf sich , wie , ein Verliebter , mit optischer Gegenwart auf Kosten der Zukunft .
Es war ihm doch einige Erquickung , wenn der schöne gräfliche Jüngling etwas vom Teller nahm -- oder die Flasche -- oder froh umher sah -- oder träumend in den Him Mehl hinter dem Fenster -- oder in den auf einem lieblichen Gesicht .
Aber bitterböse wurde er auf den Kirchenrat , der einer so fruchttragenden Nachbarschaft ansitzen konnte , ohne den geringsten schönsten Gebrauch von derselben , da er doch so leicht , dachte Walten , über Klothars Hand zufällig mit seiner hinstreichen könnte , und vollends ihn ins Reden locken .
Allein Glanz glänzte lieber -- er war vergötterter Kanzelredner und Kanzelschreiber -- auf seinem Gesicht stand wie auf den Bologneser-Münzen geprägt :
Bononia docet * ) -- wie andere Redner die Augen , so schloß er die Ohren unter dem Flusse der Zunge -- --
Mit einer solchen Autors-Eitelkeit schloß er Klothars stolzen Mund .
Darüber aber machte auch Walten seinen nicht auf .
Er hielt es für Tisch-Pflicht , jedem Gesicht eine Freuden-Blume über die Tafel hinüber zu werfen -- die Artigkeit in Person zu sein -- und immer ein wenig zu sprechen .
Wie gern hätte er sich öffentlich ausgedrückt und ausgesprochen !
* ) Bologna lehrt .
Leider wie Moses saß er mit leuchtendem Antlitz und mit schwerer Zunge da , weil er schon zu lange mit dem Vorsatze gepasst , in das aufgetischte Zungen- und Lippen-Gehecke , das er fast roh und unbedeutend fand , etwas bedeutendes seiner Seits zu werfen , da es ihm unmöglich war , etwas Rohes wie der Kaufmann zu sagen : ein Westfale , der einen feinen Faden spinnt , ist gar nicht vermögend einen groben zu ziehen .
Je länger ein Mensch seinen sonnigen Aufgang verschob , desto glänzender , glaubt er , müsst er aufgehen und sinnet auf eine Sonne dazu ; könnte er endlich mit einer Sonne einfallen , so fehlt ihm wieder der schickliche Osten zum Aufgang und in Westen will er nicht gern zuerst empor .
Auf diese Weise sagen nun die Menschen hienieden nichts .
Walten legte sich indes auf Taten .
Die beiden Töchter Neupeters hatten unter allen schönen Gesichtern , die er je gesehen , die häslichsten .
Nicht einmal der Notarius , der wie alle Dichter zu den weiblichen Schönheits-Mitteln gehörte , und nur wenige Wochen und Empfindun gen brauchte , um ein Wüsten-Gesicht mit Reizen anzusäen , hätte sich darauf einlassen können , eine und die andere Phantasie-Blumen in Jahren auf beide Stängel fertig zu sticken .
Es war zu schwer .
Da er nun gegen nichts so viel Mitleiden trug als gegen eine weibliche Hässlichkeit , die er für einen lebenslangen Schmerz hielt :
so sah er die Blonde , ( Raffaele hieß sie ) , die ihm zum Glücke Blickschuß-recht saß , in einem fort mit unbeschreiblicher Liebe an , um ihr dadurch zu verraten , hofft er , wie wenig er sich von ihren Gesichts-Ecken abstoßen lasse .
Auch auf die Brünette , Namens Engelberta , lies er von Zeit zu Zeit einen sanften ruhenden Seitenblick anfallen , wiewohl er sie wegen ihrer Lustigkeit nur eines matteren Mitleids würdigte .
Es stärkte und erquickte ihn ordentlich bei seinem Mitleiden , daß beide Mädchen mit Putz und Pracht jeden weiblichen Neid auf sich zogen ; -- als vergoldete Wirtschaftsbirnen , geschminkte Blatternarben , in herrlichen Franz gebundene Leberreime musste man sie anerkennen .
Hoch musst er bei dieser Denkungsart den sympathetischen Nach bar Flette stellen , der mit ihm in Aufmerksamkeit und Achtung für dieselbe hässliche Raphaela wetteiferte !
Er drückte Fletten -- der als armer Teufel nichts weiter von der verhassten Schönheit wollte , als die Hand mit dem Heiratsgut -- unter der Serviette die seinige ; und sagte nach dem dritten Glas Wein : auch ich würde mit einer Häslichen zuerst sprechen und tanzen unter vielen Schönen -- " Sehr galant !
( sagte der Elsässer ) Sahen Sie aber je eine superber Taille ? "
-- Diese nahm jetzt erst der Notar an beiden Töchtern auf Erinnern wahr ; wer sie köpfte , machte jede zur Venus , ja mit dem Kopfe sogar konnte jede sich für eine Grazie halten , aber in doppelten Spiegeln .
Gelehrte kennen keine Schönheiten , als physiognomische ; Walten war majorenn geworden , ohne zu wissen , daß er zwei Backenbärte habe , oder andere Leute Taillen , schöne Finger , hässliche Finger u. s. w. -- " Wahrhaftig , antwortete der Notar dem Elsässer , ich wollte wohl einer Häslichen ohne allen Gewissensbiß die schöne Taille ins Gesicht sagen , und loben , um die Arme damit bekannt Flegeljahre II. Bd. 6 und darauf stolz zu machen . "
Wenn Flette etwas gar nicht begriff , so fragte er nichts danach , sondern sagte schnell Ja .
Walten heftete jetzt in Einem fort recht sichtbar die Augen auf Raphaelens Taille , um sie damit bekannt zu machen .
Die Blonde schielte von seinen Blicken zurück und suchte sich tugendhaft zu beunruhigen über die Frechheit des jungen Harnisch .
" Wer mir lieber , Herr ?
Die Blonde oder Braune ? " ( sagte der Hofagent vom Weine lustig ) -- Auf jeden Fall die Blonde , sage ich ; denn sie kostet vierteljährlich der Kassa zwölf Groschen weniger .
Für 3. thlr. 12 gr. gutes Geld verkauft der Mundkoch Goullon in Weimar seine Flasche roten Schminkessig ( vinaigre de rouge ) nota bene für Blonde ; für Braune hingegen jede um nette 4 thlr . ; hat sie vollends schwarzes Haar , so muß ich gar die Flasche zu 4 thlr .
12 gr. verschreiben .
Raphel !
Du sollst leben ! " --
Cher père versetzte sie , nenuen Sie mich doch nur Raphaela .
-- " Er verdientes , ( dachte Walten betroffen über Neupeters Unschick lichkeit , ) daß sie sagte : Scheer-Bär ? "
Denn so hatte er verstanden .
" Heute gibt der arme blinde Baron sein Flöten-Konzert , sagte schnell Raphaela ; ach !
ich weiß noch , wie ich über Dülon geweint . "
-- " Ich weiß des Menschen Namen nicht -- sagte die brillantierte Mutter , Namens Pulcheria , aus Leipzig , wohin sie beide Töchter mehrmals abgeführt , als in eine hohe Schule bester Sitten -- der Habenichts ist aber ein grober Knoll und dabei ein Flausenmacher . "
-- Walten arbeitete in sich , weinglühend , an der schnellsten Verteidigung .
-- " So bald ein powere Edelmännern , sagte Engelberta spöttisch , nur etwas lernt und versteht , so nehme ich_es nicht so genau . "
-- " Wer weiß es denn , sagte die Mutter , was er auf der Flöte kann für Leute , die schon was gehört haben ? "
-- " Er ist , fuhr Walten in größter Kürze los , nicht grob , nicht dürftig , nicht ungeschickt , nicht manches andere , sondern wahrlich ein königlicher Mensch . "
Hinterher merkte er selber die unabsichtliche Hitze in seiner Stimme und Kürze ; aber seinen sanften Geist hatte die absprechende Kauffrau überrumpelt , die zwar in den Zeiten hübsch gewesen , wo sie Gelehrten reiten sehen , die aber jetzt -- aus ihren eigenen Relikten bestehend -- als ihr eigenes Gebeinhaus -- als ihre eigene bunte Toilettenschachtel , -- ihren kostbaren Anzug zum bemalten metallischen mit Samt ausgeschlagenen , mit vergoldeten Handheben beschlagenen Prunksarg ihrer gepuderten Leiche machte .
Walten hatte gar nicht wild sein wollen , nur gerecht .
Man hörte seine vorlaute Phrase mit kurzem Erstaunen und Verachten an .
Neupeter aber nahm sofort den Faden auf :
" Buhlen , sagte er zur Frau in angetrunkener Barmherzigkeit , ich will , weil_es doch eine arme Haut sein soll und noch dazu blind , drei Billetts für euch Weibsen holen lassen vom povern Wicht . "
" Die ganze Stadt geht hin , sagte Raphaela , auch meine teuerste Wina .
O !
Dank , cher père !
Wenn ich den Unglücklichen höre , zumal im Adagio , ich freue mich darauf , ich weiß , da " sammeln sich alle gefangenen Tränen um mein Herz " * ) ich denke an den blinden Julius im Hesperus und Tränen begießen die Freuden-Blumen . "
Darauf sah sie nicht nur der Vater entzückt über ihren Sprechstil an -- ob er gleich als ein alter Mann den seinigen fortackerte -- desgleichen Flette begeistert , sondern auch der Notar begab sich mit innigstem Beifall wieder in ihr Gesicht herauf , voll kurzer Wünsche , letzteres wäre auszustehen oder doch zu heben durch Liebe , da er unter einem Dache mit ihr lebte .
Aber ihm wurde durch Winas Ankündigung ein Sturm in die Seele geschickt -- sein beseeltes Auge hing sich an ihren Bräutigam -- als plötzlich wieder Raphaela die größten Revolutionen an dem Tische anstiftete durch die Frage an Glanz : " wie kommt , Hr. Kirchenrat , um auf Sehende zu kommen , daß alle Bilder im Auge verkehrt sind , und wir doch nichts verkehrt erblicken ? "
Dann als der Kirchenrat langsam und * )
Die Redensart hat sie aus dem Hesper . langweilig die Sache aus seiner Lektüre so gut auseinandersetzte , daß die Tafel bewundern musste :
so fing der Graf Feuer .
Es sei , daß er satt war des Essens -- oder satt des Hörens -- oder übersatt der Glanzischen theologischen Halbwisserei und lingua Franke , jener schalen Kanzel-Philosophie , wovon ¼ moralisch , ¼ unmorallich , ¼ verständig , ¼ schief ist und das Ganze gestohlen -- genug , der Graf begann und unterhielt ein so langes heftiges Feuern gegen den Kirchenrat -- wozu die nahe Nummer Congeries von Mäusefahlen Katzenschwänzen aus- und eingeräumt wird -- daß er ordentlich nicht mehr Haß gegen das Mattgeld der theologischen Moralisten und Autoren hätte zeigen können , wenn er auch der Flötenspieler Quod deus vult selber gewesen wäre , der sich allerdings so aussprach : " von alten Schimmelwäldern der Philosophen klauben sich die Theologen die abgefallenen Lese-Früchte auf und säen damit an . -- Diese größten engsten Egoisten machen Gott zum frere servant der Pönitenzpfarren , wohin sie voziert worden , und auf dem Wege nach dem Filiale glauben sie , die Sonnenfinsternis sei gekommen , damit sie weniger schwitzen und schattiger reiten -- und so fegen sie die Herzen und Köpfe , wie in Irland die Bedienten die Treppen , mit ihren Perücken . "
Nro. 23. Congeries von mäusefahlen Katzenschwänzen .
Tischreden Klothars und Glanzes .
Nachdem also Glanz geäußert hatte : " daß eben , da sich im Auge alle Gegenstände umwenden , also wir uns auch mit , wir mithin nichts von einem Umkehren spüren könnten . --
So entgegnete der Graf : " warum wird denn das einzige Bild im Auge nicht mit umgekehrt ? --
Warum greifen operierte Blinde nichts verkehrt ?
-- Was hat denn das Hautbilden mit dem inneren Bilde zu tun ?
Warum fragt man nicht auch , warum uns nicht alles eben so klein als jenes Bilden erscheine ? "
-- " Glanz äußerte nach Garve : unsere Vor Züge seien am Ende keine und daher Demut unsere Pflicht . "
Der Graf entgegnete : " so sehe ' ich wenigstens nicht , warum ich Bettler demütig gegen den zweiten Bettler sein soll ; -- und ist er gar stolz , so habe ich ja einen zweiten Vorzug vor ihm , die Demut . "
Es wurde ein schöner Satz aus Glanzes gedruckten Reden angeführt : daß die Kinder für Geringschätzung des Alters die vergeltende Strafe gewiß von ihren eigenen Kindern empfangen würden .
Klotar entgegnete : " folglich hat das gering geschätzte Alter auch einmal gering geschätzt ; und es geht ins Unendliche , oder man kann die Strafe erhalten ohne die Sünde . "
Glanz äußerte , wie leicht das Gedächtnis zu überladen sei .
Klotar entgegnete : " das ist bloß unmöglich .
Ist denn etwas zu behalten , eine Beschwerde für Gehirn oder Geist !
Verspürt ein Mann den Schatz , den zwanzig Jahre Leben in ihm niederlegten , wohl an seinem Gedächtnis als wäre dieses belasteter als in der Jugend ? --
Aber ferner : der Bauer trägt eben so viele Ideen in seinem Gedächtnis als der Gelehrte , nur andere , Sachen , Bäume , Äcker , Menschen .
Überladung des Gedächtnisses kann also nichts heißen als versäumte Kultur anderer Kräfte . "
Glanz äußerte , man könne bei den Endabsichten leicht sich Voltairrens Spotte aussetzen , daß die Nase für die Brille geschaffen sei .
Klotar versetzte :
" Und das ist die Nase auch : sobald alle Kräfte einer Welt berechnet wurden , musste auch die Kraft in Anschlag kommen , Gläser zu schleifen . "
Glanz äußerte :
er sei ja dafür und finde in allen seinen gedruckten Reden in der künstlichen Weltordnung einen unendlichen Verstand .
Klotar fragte :
Was soll gedachter Verstand dabei sein ?
Glanz äußerte : " die Ursache . "
Jener entgegnete : " jede künstliche Ordnung , z. B. im Körperbau , erklären Sie doch jetzt aus blinden Kräften , nicht aus einer fremden Schöpfung , diese Kräfte wieder aus blinden , und wo wollen Sie denn in der durchaus mechanischen Endlichkeit mit dem Blitze der Geistigkeit einschlagen ? " --
Glanz aussäte spät darauf : eine hübsche eingeschränkte Monarchie wie in England sei wohl am besten für jeden .
Klotar versetzte : " nur nicht für die Freiheit .
Warum hatten nur meine Voreltern die Freiheit , sich Gesetze zu wählen , und ich nicht ?
Wohin ich fliehe , finde ich schon Gesetze .
Das Ideal eines Staats wäre , daß die kleinsten Föderativstaaten , die sich immer freie Gesetze gäben , sich in Föderativ-Dörfer -- dann in Föderativ- Häuser -- und zuletzt in Föderativ-Individuen fällten , die in jeder Minute sich ein neues Gesetzbuch geben könnten . "
Glanz äußerte , durch kleinere Staaten würden freilich eher die Kriege aufhören .
Klotar versetzte : " gerade umgekehrt .
An mehreren Orten zugleich und häufiger in der Zeit entständen sie .
Soll auf der ganzen Erde der Krieg aufhören :
so muß sie in zwei ungeheure Staaten sich geteilt haben ; davon muß der eine den anderen verschlingen , und dann bleibt im einzigen Staate auf der Kugel Friede , und die Vaterlandsliebe ist Menschenliebe geworden .
Glanz glaubte beim Dessert wenigstens so viel äußeren zu dürfen , daß es gut sei , daß die Aufklärung den Hexenglauben vertrieben .
Klotar entgegnete : " noch nicht einmal untersucht hat sie ihn . "
Glanz schüttelte leicht .
" Ich weiß nicht , fuhr jener fort , welche von zwei Meinungen Sie haben , aber da Sie nur eine von beiden hegen können , -- entweder die , daß alles Trug des Zeitalters , oder die , daß etwas Wunderbares bei der Sache ist :
so müssen Sie in beiden Fällen irren . "
Glanz schüttelte sehr , äußerte aber , er sei wie jeder Vernünftige der ersten Meinung .
Klotar versetzte : " die Wundergeschichte der Hexen ist eben so historisch bewiesen , als die der griechischen Orakel im Herodot ; und diese ist_es gerade so sehr als überhaupt alle Geschichte .
Auch Herodot unterscheidet sehr die wahren von den bestochenen Orakeln .
In jedem Falle war es eine große Zeit , wo noch Götter die Weltgeschichte lenkten , und darin mitspielten , daher ist Herodot so poetisch wie Homer . --
Gemeine Seelen machen in der Hexen-Geschichte alles zum Werk der Einbildung .
Wer aber viele Hexenprozesse gelesen , findet es unmöglich .
Eine durch Völker und Zeiten reichende Einbildung festgehaltener , nuanzirter Tatsachen ist so unmöglich als die Einbildung einer Nation , daß sie einen Krieg oder König habe , der nicht ist .
Will man die Einbildung als Kopie einer solchen allgemeinen Einbildung erklären , so hat man das Urbild vorher zu deduzieren .
Meist waren alte , dürftige , einfältige Frauen die Aktricen des Trauerspiels , mithin gerade am wenigsten fähig der Phantasie ; auch malt die Phantasie mehr ins Große und Verschiedene zugleich .
Hier findet man nur erbärmliche wiederholte Geschichten der Nachbarschaft -- der Buhle , der Teufel , begleitet in gemeiner Kleidung die Frau zu Fuße auf irgend einen benachbarten Berg , wo sie Tanz , bekannte Spielleute , elendes Essen und Trinken , lauter Bekannte aus dem Dorfe an trifft , und nach dem Tanze mit dem Buhlen wieder heimgeht .
Die Versammlungen auf dem Blocksberge können bloß für dessen nächste Anwohnerinnen gelten ; aber in anderen Ländern wurde nur der nachbarliche Berg zum Tanzplaz gewählt .
Will man alle Bekenntnisse für Lügengeburten der Folter erklären :
so bedenkt man nicht , daß man in den Prozessen findet , daß sie oft nach der Tortur zwei , drei unbedeutende Bekenntnisse , die ihnen den Tod nicht ersparten , feierlich und ängstlich widerriefen ; und daß also der halbe Widerruf das halbe Geständnis -- besiegelt , um so mehr da man in damaligen Zeiten zu religiös dachte , um mit Lügen auf der Zunge zu sterben . "
" Die berauschenden Getränke und Salben , womit sie sich sollen in den Traum vom Blocksberg und dergleichen gezaubert haben , sind nirgends aus den Akten erweislich oder nach der Physiologie möglich -- da es kein Getränk gibt , das faktisch bestimmte Visionen erschüfe , -- und dann , um nur beide zu brauchen , mussten sie sich ja schon für Hexen halten .
Glanz äußerte : " warum gibt es aber jetzt keine mehr ?
Und warum ist alles so natürlich und alltäglich dabei zugegangen , wie Sie vorhin selber einräumten .
Doch mache ich diese Einwürfe gar nicht , Hr. Graf , als wenn ich glaubte , daß Sie im Ernste jener Meinung wären . "
Hudo versetzte : " dann verkennen Sie meine Denkweise .
Wie ?
Kann man aus dem Aussetzen oder Wegbleiben einer Erfahrung , z. B. einer elektrischen , einer somnabulistischen auf ihre Unmöglichkeit schließen ?
Nur aus positiven Erscheinungen ist zu beweisen ; negative sind ein logischer Widerspruch : Kennen wir die Bedingungen einer Erscheinung ?
So viele Menschen und Jahre gehen vorüber , kein Genie ist darunter ; -- und doch gibt_es Genies ; -- könnte es nicht eben so mit den Sonntags-Kindern sein , die Augen und Verhältnisse für Geister haben ? --
Was Ihre Alltäglichkeit , die Sie einwenden , anlangt , so gilt diese auch für jede positive Religion , die sich in die Alltäglichkeit ihrer ersten Apostel versteckt ; alles Geistige schmiegt sich so scheinbar an das Natürliche an , wie unsere Freiheit an die Naturnotwendigkeit .
Glanz äußerte :
er wünsche nun doch sehr zu erfahren , was die zweite Meinung für sich habe .
Klotar versetzte : " zuerst die damaligen Zeugen für die Erste .
Um eine Frau zu verurteilen , brauchte man statt der Tatsachen nur Zeugenschlüsse ; meistens aus drei ganz fremden Tatsachen , aus dem Alpdruck , dem Drachen-Einflug und einem schnellen Unglück , z. B. Tod des Viehes , der Kinder etc. schlossen die Zeugen und ihre Schlüsse waren ihre Zeugnisse . "
Zweitens lief der ganze Zauber-Erfolg auf ein Raupen- oder Schnecken- oder anderes Schadenpulver hinaus , das der Buhle , der Teufel , dem getäuschten Weibe nebst einem Antrittsoter Werbe-Taler gab , den sie zu Hause oft als eine Scherbe befand .
Die Macht des Teufels gab ihr weder Reichtum , noch einen Schutzbrief gegen den Scheiterhaufen .
Ich schlies se aus allem , daß damals die Männer sich des Zauberglaubens bedienten , um unter der leichten Verkleidung eines teuflischen Buhlen die Weiber schnöde zu mißbrauchen ; ja daß vielleicht irgend eine geheime Gesellschaft ihren Landtag unter die Hülle eines Hexen-Tanzes verbarg .
Immer machten Männer in den Hexenprozessen den Teufel gegen die Weiber , selten umgekehrt --
Nur unbegreiflich bleibt_es , daß die Weiber bei dem damaligen Schauder vor dem Teufel , so wie vor der Hölle , sich nicht vor seiner Erscheinung und vor der höllischen Umtaufe * ) und Apostasie entsetzet haben . "
Glanz lächelte , äußerte aber , jetzt träfen sie beide ja vielleicht zusammen -- Hudo versetzte sehr ernst : " kaum !
denn eine Nachspielerei hebt ein Urbild nicht auf , sie setzt eben eines voraus .
Noch mangelt eine rechte Geschichte des Wunder-Glaubens oder vielmehr des Glaubens-Wunders -- von den Orakeln , Gespenstern an bis zu den Hexen und sympa * ) Bekanntlich hob der Buhle die erste Taufe durch eine unreine wieder auf . thetischen Kuren ; -- aber kein engsichtiger und engsüchtiger Aufklärer könnte sie geben , sondern eine heilige dichterische Seele , welche die höchsten Erscheinungen der Menschheit rein in sich und in ihr anschauet , nicht außer ihr in materiellen Zufälligkeiten sucht und findet -- welche das erste Wunder aller Wunder versteht , nämlich Gott selber , diese erste Geistererscheinung in uns vor allen Geistererscheinungen auf dem engen Boden eines endlichen Menschen . "
. . .
Hier konnte sich der Notar nicht länger halten , eine solche schöne Seelenwanderung seiner Gedanken hatte er in dem hohen Jüngling nicht gesucht : " auch im Weltall , hob er an , war Poesie früher als Prosa , und der Unendliche müsste vielen engen prosaischen Menschen , wenn sie es sagen wollten , nicht prosaisch genug denken . "
" Was wir uns als höhere Wesen denken , sind wir selber , eben weil wir sie denken ; wo unser Denken aufhört , fängt das Wesen an " sagte Klotar feurig , ohne auf den Notarius sonderlich hinzusehen .
" Wir ziehen immer nur einen Theater-Vor Flegeljahre II. Bd. 7 hang von einem zweiten weg und sehen nur die gemalte Bühne der Natur " sagte Walten , der so gut wie Klotar etwas getrunken .
Keiner antwortete mehr recht dem anderen .
" Gäbe ' es nichts Unerklärliches mehr , so möchte ich nicht mehr leben , weder hier noch dort .
Ahnung ist später als ihr Gegenstand ; ein ewiger Durst ist ein Widerspruch , aber auch ein ewiges Trinken ist einer .
Es muß ein drittes geben , so wie die Musik die Mittlerin ist zwischen Gegenwart und Zukunft , " sagte der Graf .
" Der heilige , der geistliche Ton wird von Gestalten geschaffen , aber er schafft wieder Gestalten "
* ) sagte Walten , den die Fülle der Wahrheit allein fortzog , nicht einmal mehr der Wunsch der Freundschaft .
" Eine geistige Kraft bildet den Körper , dann bildet der Körper sie , dann aber bewegt sie am mächtigsten auf der Erde die Körper " sagte Klotar .
* )
Die Figuren auf klingenden Glasscheiben .
" O die unterirdischen Wasser der tiefen zweiten Welt , die den gemeinen weltweisen Berg- Knappen in seinem Bergbau stören und ersäufen , ihn , der Höhen nur zum Durchbohren und Vertiefen haben will -- diese sind eben für den rechten Geist der große Todesfluß , der ihn in den Mittelpunkt zieht " ... sagte Walten ; er stand längst aufrecht am Tisch , und hört ' und sah nicht mehr .
" Echte Spekulation " -- -- fing der Graf an .
" Mr. Vogtländer -- unterbrach Neupeter , sich zum Buchhalter wendend und Klotarn am Arm haltend , da er gelehrten Diskursen eben so gern zuhörte , als entsprang -- die 23 Ellen Spekulation haben Sie doch heute gebucht * ) ?
Nun aber weiter , Hr. Philosoph ! "
-- * ) d. h. zu Buch gebracht .
-- Spekulation ist in Neupeters Sinn ein ungekreuzter halbleinener , halbseidener Pariser Zeug , der sich von der Enzyklopädisttischen Spekulation , ebenfalls da gewebt , zu seinem Vorteil unterscheidet .
Der Graf hörte den Misston des Missgriffs , und schwieg und stand gern auf , die vergessene längst wartende Gesellschaft noch lieber .
Des Notars Keckheit und Rede-Narrheit hatte am meisten sie unterhalten .
Der Kirchenrat Glanz hatte es seinen Nachbarn leise zu verstehen gegeben , was sie von den gräflichen Sätzen zu halten hätten , und daß dergleichen ihn nicht weniger langweilte und anekelte als jeden .
Walten war in den dritten Himmel gefahren , und behielt zwei übrig in der Hand , um sie wegzuschenken .
Er und der Graf trugen nun -- nach seinem Gefühl -- die Ritterkette des Freundschafts-Ordens mit einander ; nicht etwan , weil er mit ihm gesprochen -- der Notar dachte gar nicht mehr an sich und seinen Wunsch der Audienz -- sondern weil Klotar ihm als eine große , freie , auf einem weiten Meere spielende Seele erschien , die alle ihre Ruderringe abgebrochen , und in die Wellen geworfen ; weil ihm sein kecker Geistes-Gang groß vorkam , der weniger einen weiten Weg als weite Schritte machte , und weil der Notar unter die wenigen Menschen ge hörte , die mit unähnlichem Werte sympathisieren , wie das Klavier von fremden Blas- und Bogen-Tönen anklingt .
So lieben Jünglinge ; und aller ihrer Fehler ungeachtet ist ihnen , wie den Titanen , noch der Himmel ihr Vater , die Erde nur ihre Mutter ; aber später stirbt ihnen der Vater und die Mutter kann die Waisen schwer ernähren .
Wie ganz anders -- nämlich viel weniger schleichend , weniger stillgiftig , vipernkalt und vipernglatt -- stehen die Menschen von Tafeln , selber an Höfen , auf , als sie sich davor niedergesetzt !
Wie geflügelt , singend , das Herz federleicht und federwarm ! --
Neupeter bot leicht seinen Park dem Grafen an -- der schlug ein -- Walten drang nach .
Unterwegs riß der Agent sein blumiges Ordens-Band entzwei und steckte es ein , weil er , sagte er , nicht wie ein Narr aussehen wolle .
Nro. 24. Glanzkohle .
Der Park -- der Brief .
Der Graf ging zwischen seinen Brautfüh Ren , wovon der linke im Gehen das Spinnrad drehte zu einem Faden der Rede , und Seile der Liebe ; doch hielt oft schwer , in den engsten Gängen drei Mann hoch aufzumarschieren .
Ein Markthelfer hielt sich hinter ihnen , um aus dem Sande alle 6 Fußstapfen auszubügeln .
Der Agent führte Klotarn vor die Glanz-Partien des Parks in der Absicht , Ehrenflinten und Säbel da von Grafenhand zu empfangen -- vor Kinderstatuen unter Turm-Bäumen -- vor Herkules-Würggruppen unter Blumen ; aber den Grafen griff nichts an .
Neupeter zählte das " schöne Geld " aufs Rechenbrett hin , das ihm die Bildsäulen schon gefressen , besonders einige der feinsten , die er gegen Regenwetter in ordentliche wasserdichte Ueber- oder Reitersröcke eingewindelt und brachte ihn vor eine eingekleidete Venus im Wachtrock .
Klotar schwieg .
Neupeter ging weiter im Versuche und Garten , er setzte eigenhändig seinen Park herunter gegen einen in England und erhob z. B. Hagley's seinen darüber , " aber , sagte er , die Engländer haben auch die Batzen dazu . "
Der Graf wider legte nichts .
Bloß Walten bemerkte : " am Ende werde doch jeder Garten , sei er noch so groß , kurz jede künstliche Eingrenzung klein und ein Kindergärten in der unermeßlichen Natur ; nur das Herz baue den Garten , der noch zehnmal kleiner sein könne als dieser . "
Darauf fragte der Kaufmann den Grafen , warum er nicht aufgucke , z. B. an die Bäume , wo manches hänge .
Dieser sah auf ; weiße Zolltafeln der Empfindung waren von Raphael daran geschlagen zum Überlesen : " bei Gott , meine Tochter hat sie ohne fremde Hilfe ersonnen , sagte der Vater , und sie sind sehr neu und hochtragend geschrieben , so glaube ich . "
Der Graf stand vor den nächsten Gefühls-Brettern , und Herz-Blättern poetischer Blumen fest ; auch der Notar las den an die Welt wie an Arznei- Gläsern gebundenen Gebrauchzettel herab , welcher verordnete , wie man schöne Natur einzunehmen habe , in welchen Löffeln und Stunden .
Walten gefiel die Gefühls-Anstalt , es waren doch Antritts- oder Oster-Programmen der Frühlings-Natur , Frachtbriefe der Jahrs-Zeiten , zweite heimlich abgedruckte Titelblätter der Natur-Bilderbibel .
Dennoch strich Klotar stumm darunter hinweg .
Aber Walten sagte begeistert von den Baum- Noth- und Hilfs-Täfelchen : " alles ist hier schön , die Partien , die Bäume und die Tafeln .
Wahrhaftig man sollte die Poesie verehren , auch bis ins Streben danach .
Freilich wird nur die höchste , die griechische , gleich den Schachten der Erdkugel immer wärmer , je tiefer man dringt , ob sie gleich auf der Fläche kalt erscheint ; indes andere Gedichte nur oben wärmen . "
-- " Mein Mietsmann , H. Notar Harnisch " -- sagte schnell der über dessen Nähe und Kecke drüsliche Neupeter , als der Graf ihn bedeutend ansah -- " Der Lac da um Ermenonville herum -- so lässt meine Frau den Teich nennen , weil sie sich auf Gärten versteht , da sie aus Leipzig ist -- der Teich , sage ich , ist bloß um die Insel herum geführt , die ich um meinen seligen Vater , einen Kaufmann wie wenige , aufschütten lassen .
Die Statue drinnen das ist er selber nun . "
-- Auf der Teich-Insel sah unter Trauer- und Pappel Bäumen allein gleichsam wie ein Robinson der alte seel. Christelf Neupeter in Stein gebracht herüber , übrigens in seinem Börsen-Habit ausgehauen , wiewohl die in Marmor übersetzte Beutelperücke , und die petrifizierten Wickelstrümpfe und Rockschösse dem mageren Manne nicht das leichte Ansehen gaben , das er nackt hätte haben können .
" Sagen Sie nur heraus wie Ihnen der ganze Park und Quark vorkommt ? " fragte Neupeter der Sohn .
" Was bedeutet noch die hölzerne wunderbare Pyramide , ( fragte der , die Insel und den See umkreisende Graf , ) die mit der Basis halb über dem Wasser schwebt ? "
Dem Hofagenten gefiel die Frage ; er versetzte schelmisch : " in die Pyramide kann man ordentlich hinein gehen durch eine Türe . "
-- " Cestius Pyramide ? " sagte Walten halblaut -- Der Graf verstand den merkantilischen Schelm nicht .
" Nun , es dient nun so , erläuterte er weiter , froh über die Einkleidung jener Verkleidung , bei der oder jener Gelegenheit -- wenn man_es eben braucht -- ein Mensch trinkt Mittags viel , besieht sich den Garten , und nun natürlich . "
. . . " God d -- , sagte der verständigte Graf , im Feuer , ich muß in die Pyramide " und gab , des Agenten satt , das Zeichen des Zurückbleibens .
Ein Regenbogen -- darein war die Holz- Brücke durch Farben verkleidet -- führte an die Pyramide .
Der unschuldige Notar dachte zu zart , um alles zu verstehen .
Der stolze Kaufmann , der hier das Stehenlassen äußerst unhöflich fand , murmelte halb für sich , halb für Walten :
ein höflicher , eigener Herr !
Er blieb nun nicht so lange , daß der Notar , der ein Riesen-Kniestück vom Klotar anlegen wollte , solches hätte aufspannen können ; sondern ließ wieder diesen stehen , mit dem Pinsel voll Flammen in der Hand .
Ein zarter Genius war es , der den einsamen Gottwalt vom Betreten des Regen- und Brücken-Bogens zurücklenkte durch die Eröffnung der -- Wahrheit .
Anderthalb Garten- Gänge prallte davor der Jüngling zurück , den schon der vornehme Tafel-Zynismus mit den nackt gezogenen Zahnstochern geärgert ; -- ohne doch auf den Agenten zu zürnen , daß er auf die väterliche Pappel-Insel eine solche Spitzsäule pflanzen können ; Er hatte oft zu viel Liebe , um Geschmack zu haben , wie andere umgekehrt .
Als der Graf von Ermenonville zurückgekommen : schlug Walten mehrere schmale Radien- Gänge ein , um ihm zufällig aufzustoßen und so , verschmolzen mit ihm , zu gehen .
Aber der Graf , der allein bleiben wollte , merkte das stete Nachstreichen , und bog ihm verdrießlich aus .
Auch dem Notar selber wurde am Ende das freundschaftliche Ballett versalzen , weil der Markthelfer mit seinem Verwaschpinsel , als Schrittzähler hinter ihm blieb und ihm jeden Schritt dadurch vorrechnete , daß er ihn ausstrich .
" Welch ein ganz anderes Glück wäre es , träumte er , fiel ich ins Lac -- Wasser , und mein Jüngling schleppte mich heraus und ich läge ihm mit tropfenden Augen zu Füßen .
Das denke ich mir gar nicht , -- weil es zu groß wäre , das Glück , -- wenn etwan gar er selber hineinstürzte und ich der Selige würde , der sein stolzes Leben rettete und ihn an der Brust ins Dasein trüge . "
Indes fand er jetzt etwas besseres auf seinem Wege , einen verlorenen Brief an Klotar .
Indem er sich umsah , ihn zu übergeben , war der Graf unter die ins Haus gehende Gesellschaft zurückgetreten .
Er lief nach .
Jener war schon davon geritten auf ein Dorf .
Es war ihm nicht sonderlich bitter , daß er durch den Brief ein Recht in die Hände bekam , den Grafen morgen auf seinem eigenen Zimmer aufzusuchen .
Er erstieg eilig das seinige -- nicht ohne Freude , daß er als der einzige Gast im Hause verbleibe , indes alle andere daraus fort mussten ; -- und besah und las ruhig droben den schon Erbrochenen Brief -- außen .
Denn innen ihn zu lesen , auch irgend einen anderen fremden lag außer seiner Macht .
Sein Lehrer Schomaker -- der , wie Vult sagte , für Schimmelwäldern Waldordnungen entwürfe -- behauptete , nicht einmal gedruckte dürfe man lesen , wenn sie wider des Verfassers Wunsch erschienen , da die Leichtigkeit und die Teilhaber einer Sünde an dieser nichts änderten .
Eine Taube mit einem Ölzweig im Schnabel und in den Füßen flog auf dem Siegel .
Der Umschlag roch anmutig .
Er zog den Brief daraus hervor , faltete ihn auf von weitem und las frei den Namen -- Wina , und legte ihn eiligst weg . . . " Ich will ihm alle meine Aurikeln geben " hatte sie einst in der tiefen Kindheit gesagt , aus deren dunklen überblühten Tempe unaufhörlich jene Töne wie bedeckte Nachtigallen herauf sangen .
Jetzt aber berührte die zitternde Saite -- deren Klänge bisher süß-drückend sein Herz umrungen hatten -- seine Finger ; er hatte ordentlich die Vergangenheit , die Kindheit in der Hand -- Und heute trat vollends die Unsichtbare im Konzertsaale endlich aus der blinden Wolke -- Sein Bewegung bedarf keines Gemäldes , da jede auf jedem erstarrt .
Er hielt sich jetzt den offenen Brief nahe unter die Augen , obwohl umgekehrt --
Das Papier war so blau-weiß-zart , wie eine feinste Haut voll Geäder . --
Die umgestürzte Handschrift so zierlich und gleich -- Blumengewinde waren den vier Papier-Rändern eingepresst -- er besah jeden -- und ging auf Aurikeln aus -- als er aber auf dem unteren suchte , fuhr ihm die letzte Zeile ins Auge , mit 7 letzten Worten .
Da steckt er das Blatt erschrocken in die Hülle zurück .
Es lautete aber das Schreiben an Klotar so : " Wozu meine längeren Kämpfe , die vielleicht schon selber Sünden sind ?
Ich kann nun nach Ihrem gestrigen entscheidenden Worte nicht die Ihrige werden ; denn ich könnte Ihnen wohl so leicht und so gern Glück und Leben und Ruhe opfern , aber meine Religion nicht .
Ich schaudere vor dem Bilde eines erklärten Abfalls .
Ihre religiöse Philosophie kann mich quälen , aber nicht ändern .
Die Kirche ist meine Mutter ; und nie können mich alle Beweise , daß es bessere Mütter gebe , von dem Busen der meinigen reißen .
Wenn meine Religion , wie Sie sagen , nur aus Zeremonien besteht :
so lassen Sie mir die wenigen , die meine mehr hat als Ihre .
Denn am Ende ist doch alles , was nicht Gedanke ist , Zeremonie .
Gebe ich Eine auf , so weiß ich nicht , warum ich noch irgend eine bewahre .
Halten Sie ja , wie ich , vor meinem Vater Ihre scharfe Forderung des Abfalls geheim , ich weiß , wie es ihn kränken müsste . --
Ach lieber Jonathan , was könnte ich noch sagen ; jene Stille , die Sie oft rügen , ist nicht Laune noch Kälte , sondern die Trauer über meine Ungleichheit gegen Ihren großen Wert .
O Freund , ist dieser Anfang unseres Bundes wohl der rechte ?
Mein Herz ist nur fest , aber wund .
Wina .
Er beschloß im ersten Feuer , das Schreiben ihr selber im Konzerte zuzustellen .
Jetzt übrigens , da er ein wenig seine heutige schwelgerische Lage überschlug -- Diener Mittags -- Konzert Abends -- Sonntag den ganzen Tag -- :
so konnte ' er sich weiter nicht bergen , wie sehr er sich gleich einem Großen , schwindelnd auf dem Glücksrad umschwinge , oder eine wahre Nacht der Ergötzlichkeiten durchträume , in der ein Sternbild voll freudiger Strahlen aufgeht , wenn ein anderes niedergeht , indes arme Teufel nichts haben , als einen Blau-Dunkeln Tag mit beigefügter Sonne .
So machte er sich denn -- Kopf und Brust voll flötender Volte , heiliger Aurikelenbräute , feinster ihnen zu übergebender Briefe -- auf den Weg zum ersten Konzert in seinem Leben .
Denn für die Leipziger Konzerte im Gewandhause hatte er nie den dazu gehörigen Eintritts- und Thorgroschen erschwingen können , bekanntlich 16 Groschen schwer Geld. Nro. 25. Smaragdfluß .
Musik der Musik .
Die Einlaßkarte fest drückend , langte er in der langen Prozession mit an , die seine Flügelmännin und Wegweiserin war .
Das Einrauschen des glänzenden Stroms , der hohe Saal , das Stimmen der Instrumente , das Schicksal seines Bruders machten ihn zu einem Betrunkenen , der Herzklopfen hat .
Dem Lauf des goldführenden Stroms sah er mit Freude über die Goldwäsche seines Bruders zu , er hätte die Wellen zählen mögen .
Vergeblich sah er nach ihm sich um .
Auch Wina suchte er , aber wie sollte er einen Juwel in einer Ebene voll Thau- Glanz ausfinden ?
Nach seiner Schätzung und Vermessung mochten unter den ihm zugekehrten Mädchen an 47 wahre Anadyomenen , Uranien , Cytheren und Charitinnen sitzen in Pracht ; unter den abgewandten Rücken konnten sie sich noch höher belaufen .
Er legte sich die Frage vor , wenn diese ganze Kette von 47 Paradiesvögeln aufstiege , und er sich einen darunter herabschießen sollte mit dem Amors-Pfeil , welchen er wohl nähme ? -- --
Er brachte keine andere Antwort aus sich heraus als die : jede , die mir die Hand recht drückte und etwas bei der Natur und für mich empfände .
Da nun unter diesem schönen , Hondekoeters * ) fliegenden Korps unzählige Raubvögel , Harpyen und dergleichen gewiß steckten :
so ermesse doch aus diesem Selbstgespräch ein ganz * ) ein großer Vögelmaler .
Flegeljahre II. Bd. 8 junger Mensch , der seine erste Liebe zur ersten Ehe machen will , in was er rennen könne .
Eben stellte sich der Buchhändler Passvogel grüßend neben den Notar , als Haydn die Streitrosse seiner unbändigen Töne losfahren lies in die enharmonische Schlacht seiner Kräfte .
Ein Sturm wehte in den anderen , dann fuhren warme nasse Sonnenblicke dazwischen , dann schleppte er wieder hinter sich einen schweren Wolken- Himmel nach , und riß ihn plötzlich hinweg wie einen Schleier und ein einziger Ton weinte in einem Frühling , wie eine schöne Gestalt .
Walten -- den schon ein elender Gesang der Kinderwärterinnen wiegte und der zwar wenige Kenntnisse und Augen , aber Kopf und Ohren und Herzohren für die Tonkunst hatte -- wurde durch das ihm neue Wechselspiel von Fortissimo und Pianissimo , gleichsam wie von Menschenlust und Weh , von Gebeten und Flüchen in unserer Brust , in einen Strom gestürzt , und davon gezogen , gehoben , untergetaucht , überhüllt , übertäubt , umschlungen und doch -- frei mit allen Gliedern .
Als ein Epos strömte das Leben unten vor ihm hin , alle Inseln und Klippen und Abgründe desselben waren Eine Fläche -- es vergingen an den Tönen die Alter , -- das Wiegenlied und der Jubelhochzeit-Gesang klangen in einander , Eine Glocke läutete das Leben und das Sterben ein -- er regte die Arme , nicht die Füße , zum Fliegen , nicht zum Tanzen -- er vergoß Tränen , aber nur feurige , wie wenn er mächtige Taten hörte -- und gegen seine Natur war er jetzt ganz wild .
Ihn ärgerte , daß man Pst rief , wenn jemand kam , und daß viele Musiker , gleich ihrem Notenpapier , dick waren , und daß sie in Pausen Schnupftücher vorholten , und daß Passvogel den Takt mit den Zähnen schlug , und daß dieser zu ihm sagte : " ein wahrer ganzer Ohrenschmaus " : für ihn ein so widriges Bild , wie im Fürstentum Krain der Name der Nachtigall : Schlauz .
" Und doch muß nun erst das Adagio und mein Bruder kommen " sagte sich Walten .
" Den einer dort herführt -- sagte Passvogel zu ihm -- das ist der blinde Flautotraversist und der Führer ist unser blinder Hof-Pauker , der aber das Terrain besser kennt .
Das Paar gruppiert sich indes ganz artig . "
-- Da der schwarzhaarige Vult jetzt langsam kam , das eine Auge unter einem schwarzen Band , mit dem anderen starrblickend , den Kopf wie ein Blinder ein wenig hoch und die Flöte am Munde haltend , -- mehr um sein Lachen zu bedecken ; -- da er sich vom Pauker verbeugungs-recht stellen ließ -- und da alle Schwätzereien stumm wurden und weich , so konnte Walten sich der Tränen gar nicht mehr enthalten , sowohl wegen der vorhergehenden als schon über das blasse Gemälde eines blinden Bruders und über den Gedanken , das Verhängnis könne den Spasstreiber beim Worte fassen ; und zuletzt braucht ' er wenig , um mit dem ganzen Saale zu glauben , Vult sei erblindet .
Dieser gab wie eine Monatsschrift stets das beste Stück zuerst , und führte an , er gehe mit Einsicht von den allmählich steigenden Virtuosen ab , weil die Menschen einander nach der Erstgeburt , und nicht nach der Nachgeburt schätzten und den schlimmen , mithin auch den guten Erst lings-Eindruck festhielten -- und weil man den Weibern , die von nichts so leicht taub würden , als von langer Musik , das Beste geben müsste , wenn sie noch hörten .
Wie eine Luna ging das Adagio nach dem vorigen Titan auf -- die Mondnacht der Flöte zeigte eine blasse schimmernde Welt , die begleitende Musik zog den Mondregenbogen darein .
Walten ließ auf seinen Augen die Tropfen stehen , die ihm etwas von der Nacht des Blinden mitteilten .
Er hörte das Tönen -- dieses ewige Sterben -- gar nicht mehr aus der Nähe , sondern aus der Ferne kommen , und der Herrnhutische Gottesacker mit seinen Abend-Klängen lag vor ihm in ferner Abendröte .
Als er das Auge trocken und hell machte : fiel es auf die glühenden Streifen , welche die sinkende Sonne in die Bogen der Saalfenster zog ; -- und es war ihm , als sehe er die Sonne auf fernen Gebirgen stehen -- und das alte Heimweh in der Menschenbrust vernahm von vaterländischen Alpen ein altes Tönen und Rufen und weinend flog der Mensch durch heiteres Blau den duften den Gebirgen zu und flog immer und erreichte die Gebirge nie -- --
O ihr unbefleckten Töne , wie so heilig ist eure Freude und euer Schmerz !
Denn ihr frohlockt und wehklagt nicht über irgend eine Begebenheit , sondern über das Leben und Sein und eurer Tränen ist nur die Ewigkeit würdig , deren Tantalus der Mensch ist .
Wie könntet ihr denn , ihr Reinen , im Menschenbusen , den so lange die erdige Welt besetzte , euch eine heilige Stätte bereiten , oder sie reinigen vom irdischen Leben , wäret ihr nicht früher in uns als der treulose Schall des Lebens und würde uns euer Himmel nicht angeboren vor der Erde ?
Wie ein geistiges Blendwerk verschwand jetzt das Adagio , das rohe Klatschen wurde der Leitton zum Presto .
Aber für den Notar wurde dieses nur zu einer wildern Fortsetzung des Adagio's , das sich selber löset , nicht zu einer englischen Farce hinter dem englischen Trauerspiel .
Noch sah er Wina nicht ; sie konnte es vielleicht im langen himmelblauen Kleide sein , das neben dem ihm zugewandten Rücken saß , der nach den Kopffedern und nach der nahen Stimme zu schließen -- die in Einem fort , unter der Musik , die Musik laut pries -- Raphael zukam ; aber wer Wust es ?
Gottwalt sah bei solcher Mehrheit schöner Welten unter dem Prestissimo an dem weiblichen Sternenkegel hinauf und hinab , und drückte mit seinen Augen die meisten ans Herz , vorzüglich die schwarzen Habite , dann die weißen , dann die sonstigen .
Unglaublich steigerte die Musik seine Zuneigung zu unverheirateten , er hörte die Huldigungsmünzen klingen , die er unter die Lieben warf .
" Könnt ' ich doch dich , gute Blasse -- dachte er ohne Scheu -- mit Freudentränen und Himmel schmücken .
Mit dir aber , du Rosenglut , möchte ich tanzen nach diesem Presto -- Und du blaues Auge , solltest , wenn ich könnte , auf der Stelle vor Wonne überfließen und du müsstest aus den weißen Rosen der Schwermut Honig schöpfen -- Dich , Milde , möchte ich vor den Hesperus stellen , und vor den Mond und dann wollte ich dich rühren durch mich oder durch sonst wen -- Und ihr kleinen helläugigen Spiel Dinger von 14. 15. Jahren , ein paar Tanzsäle voll Kleiderschränke möchte ich euch schenken --
O ihr sanften , sanften Mädchen , wäre ich ein wenig das Geschick , wie wollte ich euch lieben und laben !
Und wie kann die grobe Zeit solche süße Wangen und Äuglein einst peinigen , naß und alt machen , und halb auslöschen ? "
-- -- Diesen Text legte Walten dem Prestissimo unter .
Da er schon seit Jahren herzlich gewünscht , in einem schönen weiblichen Auge von Stand und Kleidung einer Träne ansichtig zu werden -- -- weil er sich ein schöneres Wasser in diesen harten Demanten , einen goldeneren Regen oder schönere Vergrösserungslinsen des Herzens nie zu denken vermocht : -- so sah er nach diesen fallenden Licht- und Himmelskügelgen , diesen Augen der Augen , unter den Mädgen-Bänken umher ; er fand aber -- weil Mädchen schwer im Putze weinen -- nichts als die ausgehangenen Weinzeichen , die Tücher .
Indes für den Notar war ein Schnupftuch schon eine Zähre und er ganz zufrieden .
Endlich fingen die in allen Konzerten eingeführten Hör-Ferien an , die Sprech-Minuten , in denen man erst weiß , daß man in einem Konzert ist , weil man doch seinen Schritt tun und sein Wort sagen und Herzen und Gefrorenes auf der Zunge schmelzen kann .
Wer Henker , sagt Vult sehr gut , in einem Extrablatt seines Hoppelpoppels oder das Herz überschrieben Vox humana -- Konzert .
" Wer Henker wollte Ton- wie Dicht-Kunst lange aushalten ohne das Haltbare , das nachhält ?
Beider Schönheiten sind die herrlichsten Blumen , aber doch auf einem Schinken , den man anbeissen will .
Kunst und Manna -- sonst Speisen -- sind jetzt Abführungsmittel , wenn man sich durch Lust und Last verdorben .
Ein Konzertsaal ist seiner Bestimmung nach ein Sprachzimmer ; für den leisen Ton der Feindin und Freundin , nicht für den lauten der Instrumente , hat das Weib das Ohr ; wie ähnlicher Weise nicht für Wohlgeruch , sondern nur für Geruch feindlicher und bekannter Menschen nach Bächstein die Nase der Hund hat .
Bei Gott man will doch etwas sagen im Saal , wenn nicht etwas tanzen .
( Denn in kleinen Städten ist ein Konzert ein Ball , und keine Musik ohne Sphärentanz himmlischer Körper . )
Daher sollte das Pfeifen und Geigen mehr Nebensache sein , und wie das Klingeln der Mühle , nur eintreten , wenn zwei Steine oder Köpfe nichts mehr klein zu machen haben .
Aber gerade umgekehrt dehnen -- muß ich klagen , so gern ich auch allerdings einige Musik in jedem Konzerte verstatte , wie Glocken und Kirchenmusik , vorher , ehe Kanzeln bestiegen werden -- sich die Spielzeiten weit über die Sprechzeiten hinaus und mancher sitzt da und wird taub und darauf stumm , indes es doch durch nichts leichter wäre als durch Musizieren , Menschen , so wie Kanarienvögel , zum Sprechen zu reizen , wie sie daher nie länger und lauter reden , als unter Tafelmusiken .
-- Nimmt man vollends die Sache auf der wichtigeren Seite , wo es darauf ankommt , daß Menschen im Konzert etwas genießen , es sei Bier oder Tee oder Kuchen :
so muß man , wenn man erfährt , daß das Musizieren länger dauert als das Trine ken , gleichsam das Blasen zur Hoftafel länger als die Tafel selber , oder das Mühlen-Geklingel länger als das Zähne-Mahlen " -- -- -- und so weiter ; denn der Hoppelpoppel gehört in sein eigenes Buch und nicht in dieses .
Jetzt da sich die ganze neue Welt und Hemisphäre der Schönheiten vordrehte und aufstellte , musste Wina zu finden sein .
Raphaela stand schon herwärts gekehrt , aber die himmelsblaue Nachbarin saß noch vor ihr .
Der Notar erkundigte sich zuletzt geradezu bei Pasvogeln nach ihr .
" Die , versetzte der Hofbuchhändler , neben der älteren dlle Neupeter -- in Himmelblau mit Silber -- mit den Perlenschnüren im Haar -- sie war bei Hof -- Jetzt steht sie auf -- sie wendet sich wahrlich um . --
Aber gibt_es denn schwärzere Augen und ein ovaleres Gesicht -- ob ich gleich sehr wohl weiß , daß sie nicht regelmäßig schön ist , z. B. scharfe Nase und die ausgeschweifte Schlangenlinie des entschiedenen Mundes , aber sonst , Himmel ! " --
Als Walten die Jungfrau erblickte , sagte die Gewalt über der Erde : " sie sei seine erste , und seine letzte Liebe , leide er wie er will . "
Der Arme fühlte den Stich der fliegenden Schlange , des Amors , und schauerte , brannte , zitterte , und das vergiftete Herz schwoll .
Es fiel ihm nicht ein , daß sie schön sei , oder von Stand , oder die Aurikelen-Braut der Kindheit , oder die des Grafen ; es war ihm nur als sei die geliebte ewige Göttin , die sich bisher fest in sein Herz zu ihm eingeschlossen und die seinem Geiste Seligkeit , und Heiligkeit und Schönheit gegeben , als sei diese jetzt aus seiner Brust durch Wunden herausgetreten und stehe jetzt , wie der Himmel außer ihm , weit von ihm (o ! alles ist Ferne , jede Nähe ) und blühe glänzend , überirdisch vor dem einsamen wunden Geiste , den sie verlassen hat , und der sie nicht entbehren kann .
Jetzt kam Wina an der angeklammerten Raphaela , die aus eitler Vertraulichkeit sich neben ihr unter die Menge drängen wollte , den Weg zu Walten daher .
Als sie ganz dicht vor ihm vorbei ging , und er das gesenkte schwarze Zauber-Auge nahe sah , das nur Jüdinnen so schön haben , aber nicht so still , ein sanft strömende Mond , kein zückender Stern und worüber noch verschämte Liebe das Augenlid als eine Amors- Binde halb hereingezogen :
so trat Walten unwillkürlich zurück und ein körperlicher Schmerz drückte in seinem Herzen als werde es überfüllt .
Da auf der Erde alles so erbärmlich langsam geht , sie selber ausgenommen , und da sogar der Himmel seine Rheinfälle in hundert kleine Regenschauer zersetzt :
so ist ein Mensch wie Walten ein Seliger , dem statt der von hundert Altären auffliegenden Phönix-Asche der Liebe und Schönheit ganz plötzlich der ausgespannte goldene Vogel farbeglühend am Gesicht vorüberstreicht .
Den Zeitungsschreiber , den plötzlich Bonaparte , den kritischen Magister , den plötzlich Kant anspräche , würde der Schlag des Glücks nicht stärker rühren .
Die Menge verhüllte Wina bald , so wie den Weg auf der fernen Seite , den sie an ihre alte Stelle zurück genommen .
Walten sah sie da wieder mit dem himmelblauen Kleide ; und er schalt sich , daß er vom verschwundenen Gesicht nichts behalten als die Augen voll Traum und voll Güte .
Aber beides allein war ihm ein geistiges All .
Das männliche Geschlecht will den Stern der Liebe gerade wie die Venus am Himmel , anfangs als träumerischen Hesperus oder Abendstern finden , der die Welt der Träume und Dämmerungen voll Blüten und Nachtigallen ansagt , -- später hingegen als den Morgenstern , der die Helle und Kraft des Tags verkündigt ; und es ist zu vereinigen , da beide Sterne Einer sind , nur durch die Zeit der Erscheinung verschieden .
Obgleich Walten die andere Mädchen jetzt in sein Auge einlassen musste , so warf er doch ein mildes auf sie ; alle wurden Winas Schwestern oder Stiefschwestern und diese untergegangene Sonne bekleidete jede Luna -- jede Zeres -- Pallas -- Venus mit lieblichem Licht , desgleichen andere Menschen , nämlich die männlichen , den Mars , den Jupiter , den Merkur , -- und sehr den Saturn mit zwei Ringen , den Grafen .
Dieser war Walten plötzlich näher gezogen -- als sei der Freundschafts-Bund schon mündlich beschworen ; --
aber Wina ihm ferner ent rückt -- als stehe die Braut zur Freundin zu hoch .
Ihren Brief ihr zu übergeben , dazu waren ihm jetzt Kraft und Recht entgangen , weil er besser überdacht , daß eine bloße Unterschrift des weiblichen Taufnamens nicht berechtigte , eine Jungfrau für die Korrespondentin eines Jünglings durch Zurückgabe bestimmt zu erklären .
Die Musik fing wieder an .
Wenn Töne schon ein ruhendes Herz erschüttern , wie weit mehr ein tief bewegtes !
Als der volle Baum der Harmonie mit allen Zweigen über ihm rauschte :
so stieg daraus ein neuer seltsamer Geist zu ihm herab , der weiter nichts zu ihm sagte als : weine ! --
Und er gehorchte , ohne zu wissen wem -- es war als wenn sein Himmel sich von einem drückenden Gewölk plötzlich abregnete , daß dann das Leben luftig-leicht , himmelblau und sonnenglänzend und heiß da stände wie ein Tag -- die Töne bekamen Stimmen und Gesichte -- diese Götterkinder mussten Wina die süßesten Namen geben , -- sie mussten die geschmückte Braut im Kriegsschiff des Lebens ans Ufer einer Schäferwelt führen und wehen -- hier musste sie ihr Geliebter , Walts Freund , empfangen unter fremden Hirtenliedern und ihr rund umher bis an den Horizont die griechischen Haine , die Sennenhütten , die Vielen zeigen und die Steige dahin voll wacher und schlafender Blumen -- Er nötigte jetzt Cherube von Tönen , die auf Flammen flogen , Morgenröte und Blüthenstaub- Wolken zu bringen , und damit Wina's ersten Kuß dämmernd einzuschleiern und dann weit davon zu fliegen , um den stummen Himmel des ersten Kusses nur leise auszusprechen .
Auf einmal als unter diesen harmonischen Träumen der Bruder lang auf zwei hohen Tönen schwebte und zitterte , die den Seufzer suchen und saugen :
so wünschte Gottwalt mitzitternd , am Traum des fremden Glücks zu sterben .
Da empfing der Bruder ein mißtöniges rauhes Lob ; aber Walten war bei seiner heftigen Bewegung die äußere gar nicht zuwider .
Es war alles vorbei .
Er strebte -- und nicht ohne Glück -- am nächsten hinter Wina zu gehen ; nicht um etwa ihr Gewand zu bestreifen , sondern um sich in gewisser Ferne von ihr zu halten , mithin jeden anderen auch und so als eine nachrückende Mauer von ihr das Gedränge abzuwehren .
Doch drückte er unter dem Nachgange sehr innig ihre Hand im -- Brief an Klotar .
Zu Hause setzt er im Feuer , das fortbrannte , diesen Streckvers auf :
Die Unwissende .
Wie die Erde die weichen Blumen vor die Sonne trägt und ihre harten Wurzeln in ihre Brust verschließt -- wie die Sonne den Mond bestrahlt , aber niemals seinen zarten Schein auf der Erde erblickt -- wie die Sterne die Frühlingsnacht mit Tau begießen , aber früh hinunterziehen , ehe er morgensonnig entbrennt :
so du , du Unwissende , so trägst und gibst du die Blumen und den Schimmer und den Tau , aber du siehst es nicht .
Nur dich glaubst du zu erfreuen , wenn du die Welt erquickst .
O fliege zu ihr , du Glücklichster , den sie liebt , und sage es ihr , daß du der Glücklichste bist , aber nur durch sie ; und glaubt sie nicht , so zeige ihr andere Menschen , der Unwissenden .
Flegeljahre II. Bd. 9 Beim letzten Worte stürmte Vult ohne Binde ungewöhnlich lustig herein .
Nro. 26 .
Ein feiner Pektunkulus und Turkinite .
Das zertierende Konzert .
" Ich sehe ! " --
rief der Flötenspieler mit einer Lustigkeit , worein sich Walten nicht schnell genug hinüberschaffen konnte .
Er bat ihn , nur erst seine Augen-Kur anzuhören ; und dann zu sprechen , wovon er wolle .
Walten war es am meisten zufrieden .
" Es wird dir nicht bekannt sein -- fing Vult an -- daß heute des Kapellmeisters Wiegenfest war ; ob dir gleich aus dem guten Spiel aller Konzertesten bekannt werden konnte , daß sie sich noch früher als den Zuhörer berauschet .
Die Konzertesten sind von Hunden , die vom Herrn nur kleine Stücke , aber aus Furcht nie große annehmen , das Widerspiel -- Der Wein des Kapellmeisters war ihr Antihypochondriakus geworden und sie hatten so viele Brunnenbelustigungen an diesem Wahrheitsbrun einen getrieben , daß der Violoncellist seine Baßgeige für einen Himmel ansah ; und die anderen umgekehrt .
Nun glomm ein schwacher Funke zum nachherigen Kriegsfeuer schon unter dem Essen durch das einzige Wort an , daß ein Deutscher von einem deutschen großen Dreiklang sprach , worin Haydn , sagt er , den Aischylos , Gluck den Sophokles , Mozart den Euripides vorstelle .
Ein anderer sagte , von Gluck gebe er_es zu , aber Mozart sei der Shakespeare .
Jetzt mengten sich die Italiener darein , zu Ehren des Kapellmeisters , und sagten , in Neapel geige man dem Mozart was .
In der kurzen Zeit , wo ich mir die Kasse in die Hand legen lasse -- 60 Taler habe ich übrig und hier hast du deine 10 -- brach der Krieg wider die Ungläubigen in völlige Flammen aus , und als ich hinsah , fochten beide Nationen schon auf Hieb und Stoß .
Der Baßgeiger , ein Welscher , mochte zuerst mit seinem Fiedelbogen den Ellenbogen des Flötabec-Pfeifers im Feuer angestrichen , oder vielleicht auch auf solchen , wie auf eine Baß- Saite , piccicato geschlagen haben -- um wohl Harmonie der Meinungen vorzulocken : -- kurz , als ich_es sah , hatte der Pfeifer den Bogen von ihm entlehnt und an ihm solchen -- das eigene Instrument sollte ganz bleiben -- bald wie einen Stechheber , bald wie eine Streichnadel versucht .
Behend kehrte aber der Geiger den Bass um und rannte damit -- er hielt ihn am Geigenhals -- wie mit einem Mauerbock auf den Pfeifer los , wahrscheinlich um ihn um zurennen , der Flüte -- a -- Bek cist lag denn auch nieder , nahm sich aber auf dem Boden erst der Nation hitzig an , und fuhr dem Feinde mit der Flaute à Bek ins Gesicht und Maul , um ihn vielleicht so mit dem Schnabel der Flöte mehr an sich zu ziehen am eigenen .
Der erste Violinist und der zweite fochten eine kurze Zeit mit Pariser Bogen , nahmen aber bald die Geigen bei den Wirbeln als Streitkolben , als Fäustel in die rechte Hand , um entweder Deutsch- oder Welschland hinauf zu bringen ; das Resonieren der Geigenbäuche sollte ein Räsonieren der Köpfe vorstellen , aber es war wohl mehr Wort- und Ton-Spiel .
Du weist , H. Huschen zu Frankfurt am Main hebt einen kostbaren Büschel Haare von Albrecht Dürer auf * ) ; ein Amateur hielt ein Paar ähnliche herrliche Reliquien mit beiden Händen in die Höhe , in der einen die Perücke , die er einem Sänger ausgerauft , in der anderen das natürliche Haar , was er darunter angetroffen .
Um den liegenden Schnabelpfeifer häufte sich das Hand-Gemenge dichter ; der Violoncellist suchte den Bass von weitem tief in ihn zu drücken , näherte sich aber dadurch dem heftigen Flötabek , womit sich der Deutsche wie mit einem Kopulirreiß , mit einer Fall- und Eselsbrücke an den Welschen anzuschließen strebte .
Den stehenden Sieger griff von hinten mit einem faulen Trommelbaß ein deutscher Zugtrompeter an -- zur Schande der Deutschen ; -- den aber wieder ein welscher Bassetthornist von hinten angriff -- zur Schande der Welschen ; -- worauf sich der Deutsche gegen den Welschen * ) Meisels neue Mißell. art. Inhalts .
10. Stück . umkehrte , so daß nun beide in kurzem so glücklich waren , einander den Bruch , den sie sich sonst bliesen , jetzt -- um einen Bruch der Nationen zu heilen -- mit den Instrumenten zu stoßen , wenn ich recht sah .
Ein feiger Stadtpfeifer griff in die Tasche und zog Mittelstücke heraus , die er als Feldstücke von ferne auf die besten Köpfe warf , worauf ihm der Hofballettmeister mit dem Serpent , den er sonst bläst , zu Ohren kam .
O Zwillingsbruder ! wie wünscht ich sämtlichen Spitzbuben zu ihrem Mord und Totschlag Glück !
-- Nur ein Virtuose , der den Gyges- Ring scheinbarer Blindheit anhat , kann sehen , wie ihn Orchester auslachen und auskeltern vom Kapelldiener an bis zum Kapellmeister , und wie sie , wenn er sie mühsam zum Spielen gewonnen und gepresst , wieder ihrer Seits von ihm gewinnen und pressen .
Meine einzige Angst unter dem Waffentanz war , man möge mein Lachen und Sehen sehen ; ich kratzte mir daher in einem fort als Deckmantel das Kinn .
" Ich glaube wahrlich gar " fing der blinde Hofpauker neben mir an .
" Freilich , freilich , mein Pauker ! versetzt ich .
Und zwar sehr wird meines Wissens und Hörens zugeprügelt -- es soll eine schöne differtatiuncula pro loco zweier friedlichen guten Nationen vorstellen , wenn nicht eine Sonate à quarante mains -- Aber Himmel warum schenkte das Glück zu solchem reichen Ein- und Vielklang , zu solcher musikalischen Exekution und Stangenharmonie nicht noch mehr Gewehr -- Stangenharmonikas -- Posthörner -- Schulterviolen -- d' Amour-Violen -- gerade Zinken -- krumme Zinken -- Flageoletts -- Tubas -- Zittern -- Lauten -- Orphikas von Rollig -- Cölestinen vom Konrektor Zink -- und Klavizylinder von Chladni -- samt deren beigefügten gehörigen Spielern ? --
Wie könnten diese nicht damit sich schlagen und jeden ?
Wie könnte nicht gehämmert , gestaucht , gesägt , gepaukt werden , mein bester stiller Pauker ? " --
Jetzt hatte die Prügel-Partie ihre Blüte erreicht .
Mehrere Stadtmusikanten und der Bratschist fasten , weil sie friedlich dachten , Notenpulte an und hielten sie umgekehrt vor , um sich bloß zu zu decken , ehe sie damit rannten -- ein Trompeter sprang mit dem Instrument auf eine Fensterbrüstung und stieß und blies außer sich darein , und in die Kriegsflamme , und schmetterte , herunter springend , fort , als ein Kerl ihn an der Quaste niederzog -- Paukenschlägel flogen auf Kopf- und andere Häute -- ein Welscher band , weil der Bogen entzwei war , einem deutschen Spielmann die Roßhaare von hinten wie eine Vogelschneuß um den Kahlkopf -- der Fagottist und der Hoboist hatten einander an den linken Händen , so daß sie tanzend in dieser bequemen wie verabredeten Richtung , jeder des anderen Rückgrat und Mark darin vor sich sahen und sich gegenseitig , wie Lauten , mit ihren Instrumenten , wie mit Fächern , schlagen konnten , die sonst bliesen -- In die härtesten Köpfe wurde mehr Feuer hinein geschlagen , als heraus -- Wer einen Kamm und einen Delta-Muskel besaß , ließ beide schwellen , ohne nähere Rücksicht auf Religion --
Es kam eine beträchtliche Vereinigung des Organischen und Mechanischen zu Stande , Rückenwirbel und Geigenwirbel verknüpften sich , so Geigen- und sonstige Hälse , die Kunstwörter Vor- und Nachschlag , Dreimalgestrigen , Hämmerwerk , Kalkant bekamen lebendige organische Beziehung , die ohne dieses sonst als flaches Wortspiel gänzlich zu verwerfen wäre -- jede Hand wollte der Geigen-Frosch sein , der fremde Haare zu Tönen anziehet und spannt -- --
Ich wünschte nicht , daß du lachtest ; denn ganz furios fuhr der ernstere Kapellmeister aus Neapel umher und herum -- rief fanto Gennaro -- schrie fragend , ob das sein Wiegenfest sei oder ordentliche Ordnung -- bewaffnete sich , weil man ihm nichts darauf versetzte , obwohl jedem etwas , mit einer Armgeige links , mit einem Waldhorn rechts -- setzte und stauchte das Horn mit der weiten Öffnung siegenden Köpfen wie einen Stechhelm mit Feder-Bogen auf , doch so , daß er halb stieß -- schlug aber fort mit der Armgeige nach Knie- und allen Scheiben , die er traf .
Das musste zuletzt den Klavizembalisten , den Stadtterzius , ein Männlein , daß sich selber nicht einmal an die Knie geht , geschweige längeren Personen , dermaßen außer Fassung setzen , Bruder , da der Mann auf Sitten drang , aber auf mildere , daß er halb des Teufels hinter seinem Flügel mit einem Streit- und Stimmhammer auf- und niederlief , und jeden verfluchte und Welsch- und Deutschland abkanzelte ganz frei .
" " Was , Ihr dummer Teufel , Ihr Dampfhanse , Ihr Schwengelgalgen ! rief der Kapellmeister , habt Ihr Euch dazu besoffen bei mir ? " " und wollte dem Terzius das Waldhorn aufsetzen , weil er geringen Unterschied darin fand , ob er ihn damit anblies wie einen jagdgerechten Hirsch oder damit halb erstieß ; aber mit Stimm- und Gesetzes-Hammer in den Händen behauptete der Terzius den rechten Flügel des Flügels und der welsche Nabler musste diesen erobern als einen Brückenkopf . -- --
" Was bedeutet denn auf einmal das Lachen im Saal " sagte der Pauker zu mir .
" Herr , versetzt ich im Taumel , der Kapellmeister hat den kleinen Terzius unter dem Flügel beim Flü gell erwischt und vorgezogen und hängt ihn jetzt , wie ein paar Lederhosen , die ein Berliner trocknet , an den Beinen in die Luft . "
-- " Was Donner , Herr , " sagte zu meinem Schrecken der Pauker , " Sie sehen ja alles . "
-- " Eben diesen Augenblick " , versetzt ich , räumte aber eiligst das Schlag- und Schlachtfeld , um nicht selber darauf angestellt zu werden . -- --
Und so habe ich denn ganz unerwartet mein voriges Gesicht , obwohl noch ein äußerst kurzes , für Stadt und Land wieder erhalten durch galvanische Schläge von weitem .
Aber , mein Weltlein , eine so köstliche Nunziaturstreitigkeit enharmonischer Konkordaten bedenk !
Ist es nicht , als habe einer meiner besten Genien uns die Schlägerei als eine fertige Mauer mit Freskobildern für unseren Hoppelpoppel oder das Herz absichtlich so vor die Nase hingeschoben , daß wir unser romantisches Odeon nur darauf hinzumauern brauchen , bis sich die Mauer gerade da einfügt , wo es krumm läuft , Bruder ? "
" Wenn alle Personalitäten dabei auszutil gen sind , -- versetzte Walten , -- gut !
Froher ist_es auch zu lesen als zu sehen .
Gottlob , daß du nur siehst ! --
Ach was haben wir heute nicht zu reden , was gewiß in keiner Roman gehört und kommt ? "
" Nicht ? sagte Vult .
Darüber ließe sich noch reden , Walten . "
Nro. 27. Spatdrüse von Schneeberg .
Gespräch .
Walten kam am ersten aus dem Lachen zu sich , und zur ernsten Frage , wie Vult vor der Stadt seine Augen-Rolle jetzt hinausspiele .
" Ich habe , sagte Vult , -- schon einigen Schimmer , dann bessert sich_es zusehends , zuletzt komme ich mit einer großen Kurzsichtigkeit davon . "
Der Notar bezeugte , wie er sich auf eine leichtere Zukunft freue , worin sich das Leben wie eine bunte Blume weit auftun würde .
Er übergoß den Virtuosen , in der Hoffnung ihn zu überraschen , mit einem Frühlings-Regen von wohlriechenden Wassern des Lobs auf die Flöte .
Allein fahren de Ton-Meister , die man stets laut beklatscht , und nur hinter ihrem Rücken auspfeift , sind fast noch eitler als Schauspieler , welche doch zuweilen eine gute Monatsschrift kneift und ärgert .
" Ich darf mich -- versetzte Vult -- wohl , ohne die Bescheidenheit zu verletzen , einiger Bescheidenheit rühmen .
Aber wie hörtest du ?
Voraus und zurück , oder nur so vor dich hin ?
Das Volk hört wie das Vieh nur Gegenwart , nicht die beiden Polar-Zeiten , nur musikalische Silben , keine Syntax .
Ein guter Hörer des Worts prägt sich den Vordersatz eines musikalischen Perioden ein , um den Nachsatz schön zu fassen . "
Der Notar erklärte sich darüber ganz vergnügt ; er teilte dem Flautiesten die gewaltige Verstärkung des Eindrucks mit , die er selber der Flöte durch die Szenen-Träume , durch die Mädchen und durch Wina zugeschickt , ohne zu erraten , daß Vultens ganzes Gesicht an diesem Lorbeer verzogen käue , weil er den Unmut seinem mangelhaften Streckvers zuschrieb , worin der Virtuose las .
Dieser hatte das Gedicht in der Hoffnung aufgenommen , es lobe keine an deren Schönheiten als musikalische .
" Es ist , sagte der Notar stockend , an die Braut des Grafen ; ich bin auch nicht zufrieden mit manchem harten Fuß darin , ich meine der Ditrocheus (υ—υ— ) ; (uu--u ) dritten Päon und den Jonikus mit dem langen Anfang (----uu ) ; aber im Feuer wird man leicht hart . "
" Wie Prügel , z. B. , und Eier sagte Vult .
Aber , o Gott , wie hören deine Menschen !
Sollte man nicht lieber seine Flöte zum Blasrohr , oder zur Kinder-Klystiersprütze ansetzen oder zu Hobelspänen für einen Sarg verschneiden , wenn man so die gräßliche Bespritzung des einzigen Himmlischen erfährt , das noch über die Lebens- Spiessbürgerei oben vorüberfliegt :
-- Ich ziele nicht auf dich , Notar ; aber du bringst mich darauf .
Denn wie besonders Musik entheiligt wird -- obgleich jede Kunst überhaupt , -- das höre .
Tafelmusik lasse ich noch gelten , weil sie so schlecht ist wie Tafelpredigten , die man in Klöstern ins Kauen hinein hält ; von verfluchten , verruchten Hofkonzerten , wo der heilige Ton wie ein Billardsack am Spieltische zum Spielen spielen und klingeln muß , rede ich gar nicht vor Grimm , da ein Ball in einem Bilderkabinett nicht toller wäre ; aber das ist Jammer , daß ich in Konzertsälen , wo doch jeder bezahlt , mit solchem Rechte erwarte , er werde für sein Geld etwas empfinden wollen , allein ganz umsonst .
Sondern damit das Klingen aufhöre ein paarmal und endlich ganz , -- deswegen geht der Narr hinein .
Hebt noch etwas den Spiessbürger empor am Ohr , so ist_es zwei-höchstens dreierlei , 1 ) wenn aus einem halbtoten Pianissimo plötzlich ein Fortissimo wie ein Rebhuhn aufknattert , 2 ) wenn einer , besonders mit dem Geigenbogen , auf dem höchsten Seile der höchsten Töne lange tanzt und ruscht und nun kopf- unter in die tiefsten herunterklatscht , 3 ) wenn gar beides vorfällt .
In solchen Punkten ist der Bürger seiner nicht mehr mächtig , sondern schwitzt vor Lob .
Freilich bleiben Herzen übrig , Walten , die delikater fühlen und eigennütziger .
Ich habe aber Stunden , wo ich aufbrausen kann gegen ein Paar verliebte Bälger , die , wenn sie etwas Hohes in der Poesie oder Musik oder Natur vorbekommen , so fort glauben , das sei ihnen so recht auf den Leib gemacht , an ihren flüchtigen Erbärmlichkeiten , die ihnen selber nach einem Jahr bei noch größerer als solche erscheinen , habe der Künstler sein Maß genommen und komme mit dem gestickten Krönungsmantel und Isisschleier auf dem Ärmel zurück , für die Kunden .
Ein Affocie von Neupeter sieht bei solcher Gelegenheit Nachts gen Himmel an die Milchstraße und sagt zur Kauffrau : Edle , so empfange jenen Kreis als einen schlechten Ring von mir zum Zeichen und Braut-Gürtel unseres himmlischen Bunds .
" Ei , Bruder , sagte Walten , du bist so hart :
was kann denn ein Mensch für eine Empfindung oder gegen sie , es sei in der Kunst oder großen Natur ? --
Und wo wohnen denn beide , so groß sie auch sind , als nur in einzelnen Menschen ? --
Wohl mag er sie sich daher zueignen , als wären sie für ihn allein .
Die Sonne geht vor Schlachtfeldern voll Helden -- vor dem Gar ten der Brautleute -- vor dem Bette eines Sterbenden zugleich auf , ja in derselben Minute vor anderen unter ; und doch darf jeder nach ihr sehen und sie an sich heranziehen , als beleuchte sie seine Bühne nur allein und Stimme ein in sein Leid oder in seine Lust ; und ich möchte sagen , gerade so , wie man Gott so anruft als den seinigen , indes doch ein Weltall vor ihm betet .
Ach sonst wäre es ja schlimm , wir sind ja alle einzelne . "
" Gut , so nehmt die Sonne hin , sagte Vult , aber nur der Paradiesesfluß der Kunst treib eure Mühlen nicht .
Darfst du Tränen und Stimmungen in die Musik einmengen :
so ist sie nur die Dienerin derselben , nicht ihre Schöpferin .
Eine elende Pfeiferei , die dich am Todestage eines geliebten Menschen aus den Angeln höbe , wäre dann eine gute .
Und was wäre das für ein Kunst-Eindruck , der wie die Nesselsucht sogleich verschwindet , sobald man in die kalte Luft wieder kommt ?
Die Musik ist unter allen Künsten die rein-menschlichste , die allgemeinste . "
-- -- Flegeljahre II. Bd. 10 " Desto mehr besonderes geht hinein , versetzte Walten ; irgend eine Stimmung muß man doch mitbringen , warum nicht die günstigste , die weichste , da das Herz ja ihr wahrer Sangboden ist ? --
Aber deine Lehre will ich nicht vergessen , nämlich voraus- und zurückzuhören .
" Wie ging_es dir sonst ? fragte Vult mürrisch ?
Denn ich bleibe dabei , Wirklichkeit in die Kunst zu kneten zum Effekt ist so eine Mischung wie an manchen Deckengemälden , in welche der Perspektive wegen noch wirkliche Gips-Figuren geklebt sind .
Erzähle ! "
Walten -- der Vults Murrsinn bloß seiner unkünstlerischen Hörkunst zuschrieb und über welchen ohnehin die Liebe ihren Traghimmel hielt -- erzählte sanft und gern , wie eifrig er bisher den Grafen gesucht , wie er ihm bei Neupeter , dessen Diener er beschrieb , gegenüber gesessen -- mit ihm gesprochen und an ihm gefunden , daß er durch die stolze Gewandtheit seines Geistes und durch den philosophischen Schwung über enge Blicke und Winke dem Flötenspieler so ungemein ähnlich sei .
" Du liebst Doubletten , doch wahrlich hier sind keine , Freund , aber nur weiter ! " versetzte Vult , dem , wie Frauen , kein Lob der Ähnlichkeit gefiel .
Darauf zeigt er Winas Brief-Umschlag her als Einlaßkarte in Klothars Zimmer und Ohr .
" Ja , ja , ganz natürlich -- überhaupt ( fing Vult an ) ; aber nenne nur ins Henkers Namen nicht Spies- und Pfahlbürgerinnen wie die Dlles Neupeter Damen ; in großen Städten , an Höfen gibt_es Damen , aber in Haslau nicht .
Dein höllisches Preisen !
Ich will gehangen sein , sprichst du mehreren Mamsellen auf der Welt den Verstand ab als fünf , den 5 törichten im neuen Testamente .
-- Und was hältst du von der weiblichen Tugend dieser charmanten Wesen , der 5 klugen , der Rosenmädgen , der Wickel- und Freifrauen und der ersten Sängerinnen ?
Aber ich weiß es schon . "
" Nun , ich scheue mich nicht -- versetzte der Notar -- wenigstens dir meinem leiblichen Bruder zu bekennen , daß ich bis diese Stunde keinen Begriff habe , daß ein vornehm gekleidetes schönes Frauenzimmer sich sündlich vergessen könne ; etwas anders ist eine Bäuerin .
Gott weiß , wie heilig und zart alle insgeheim sind ; wer will_es wissen ?
Aber mein Blut , daß weiß ich , könnte ich für jede hingeben . "
Da sprang der Flautest wie von Verwunderung besessen im Zimmer auf und nieder , schnappte mit beiden Händen wie mit Schnapwaifen , nickte mit dem Kopfe und wiederholte : " vornehm gekleidetes ! "
-- Es wäre zu wünschen , daß die Leserinnen sein anstößiges Erstaunen wenn nicht rechtfertigen , doch entschuldigen wollten mit den Verhältnissen , worein er auf seinen großen Reisen geraten musste , da es , wie schon gemeldet worden , wenig größere Städte und höhere Stände gab , denen er nicht blies als anerkannter Flötenmeister .
Das bessert seinen Handel um vieles .
Walten wurde von der mimischen Widerlegung sehr beleidigt : " rede wenigstens , sagte er , denn dies widerlegt mich nicht . "
-- Aber Vult versetzte mit dem gleichgültigsten Tone von der Welt : de gustibus non und so weiter .
Von etwas Schönerem !
Äußertest du nicht vorhin etwas , als ob beide Dlles Neupeter sich in der Tat für häßlich ansähen , und zeigtest ein Mitleid ? "
-- " Desto besser , sagte Walten , wenn sie sich schöner finden .
Bei allen Mädchen entschuldige ich das , weil sie sich nur im Spiegel sehen , mithin , wie du aus der Katoptrik wohl weist , gerade in einer noch einmal so großen Ferne als der Fremde sie ; jede Ferne aber , auch die optische , macht schöner . "
" So scheints , sagte Vult erstaunt .
Spasses halber will ich dir doch nur die 3 Weiber , so weit ich sie im Klatschrosen-Tal kennen lernen , aufstellen .
Die alte Engelberta -- nein , das ist die Tochter -- die Mutter also , mag noch hingehen ; ihr Herz ist ein ausgesessener Großvaterstuhl , und übrigens hat sie von der Muschel-Auster nicht nur die Seele geerbt , sondern auch die Perlen .
Freilich wäre der Agent weniger bemittelt , so würde sie wohl , als Widerspiel der Österreicher Infanterie , die im Kriege aus den Zwilchkitteln Brotsäcke machen muß * ) , seinen Brodsack zu einem bunten Kittel verschnei * ) Gesetzbuch für die kais. k. Armee .
1785. S. 248. den . -- -- Engelberta , nun sie scherzt zuweilen -- viele Nennens verleumden -- wie Festungen bei schlimmem Wetter , so tut sie immer Ausfälle , wiewohl man sie nicht eben belagert -- wehrt sich , wie ein Hamster gegen einen Mann zu Pferde , und ich könnte sie wie den Hamster am Stocke wegtragen , worein sie sich eingebissen .
-- Raphaela -- sie empfinde , sagst du , aber doch nicht mehr als mein Fingernagel oder meine Ferse , frag ich ?
Freilich will sie , ich bekenne es , an der Angelschnur ihres sentimentalischen Haar- und Leibesseiles und an der biegsamen Angelrute ihrer poetischen Blumenstengel sich einen hübschen Wallfisch von Gewicht aus dem Meere heben , was andere einen Ehemann nennen .
An ihrem Ufer , zu ihren Füßen schnalzt der kleine glatte Elsässer Flette , der gern lebte und sich gern als ein Goldfischchen in einem Gehäuse auf einer Tafel stehen sähe , Semmelkrumen aus schönsten Händen fressend .
Die anderen -- Aber was soll_es ?
An der ganzen Tafel dauert mich nichts als der südliche -- Wein .
Es ist Sünde , wenn ihn jemand anders trinkt als ein Kopf von Witz .
Es ist Sünde gegen den heiligen Geist des Weins , wenn er Fracht-Mägen gemeiner Menschen durchziehen muß . "
" O Gott , sagte Walten , wie oft brauchst du nicht den Ausdruck gemeine Menschen , aber so erzürnt dabei , als habe sich das Gemeine freiwillig von einer Höhe herab begeben oder das Ungemeine von einer hinauf , indes du doch milder von Tieren und Feuerländern sprichst ? "
" Warum ? --
Mich erbittert die Zeit , das Leben , der Satan . Überhaupt ; -- aber was hilft_es ?
-- Grüße den Grafen von mir herzlich morgen .
Von den ehrlichen 7 Erben haben dir doch ein Paar an nahe 32 Beete gestohlen , ganz gegen meine Meinung weniger als gegen deine .
Inzwischen Adio ! " sagte Vult , schied hastig , über den geringen Erfolg verdrießlich , womit er mit seiner Welt und Kraft den unerfahrenen Meinungen des sanften Bruders gebot .
Walten sagte mit zärtlichster Stimme gute Nacht , aber ohne Umarmung , und er sah ihn nur mit Liebe und Trauer an .
Er warf sich vor , daß er durch seine Urteile den künstlerischen Bru der so wenig belohnet , und daß er diesem die -- Beete verloren habe .
" Wenigstens aber habe ich ihm doch , sagte er , die Tafelschmähungen gegen ihn * ) verschwiegen .
Er hielt es nur für erlaubt , ein Lob hinter dem Rücken , nicht einen Tadel hinter dem Rücken dem Gegenstande mitzuteilen .
Nro. 28. Seehaase .
Neue Verhältnisse .
Am Morgen eilte der Notar mit Winas Brief zum Grafen , übergab aber nichts , weil vergoldete Wagen und Bediente an der Türe und deren Herren im Besuchszimmer standen ; was hätte ich davon ? fragt er sich .
" Ich komme wieder , wenn niemand darin ist " sagte er zum Bedienten , dem das wie eine Diebs-Erklärung klang .
Im Speisehause fand er auf dem Tischtuche das Wochenblatt und Klothars gedruckte * )
An Neupeters Tische , wo er ihn kurz und stark verteidiget hatte .
Bitte darin , ein redlicher Finder soll ihm seinen Brief wieder zustellen .
Am Tische hörte er , daß der General Zablocki seinen Koch ein Dienstjubiläum feiern lasse .
Der Komödiant leitete die Feier aus dem Herzen des Generals , ein Offizier aus dessen Gaumen und Magen her ; der Jubelkoch , fügte er bei , ist ihm so nahe wie eine Kompanie oder sein Schwiegersohn .
Walten lief wieder in die Villa des Grafen hinaus -- Dieser aß eben bei dem General .
Zu erklären ist allerdings einer der kecksten Gedanken -- die je Walten Sporen und Flügel angesetzt , -- welcher ihm unter Klothars Gartentüre anflog ; so bald man erwägt , daß er das Sonntags-Konzert noch im Kopfe haben musste und im Herzen ohnehin .
Daher ist es wohl nur ein Nebenumstand dabei , -- aber er trug mit bei , -- daß der General der halbe Besitzer von Elterlein war und Gottwalt ein Linker .
Gleichwohl wollte er anfangs sich erst mit seinem Bruder beraten , ob er angehe , der Gang ; ließ es aber unter Wegs , um ihn , hofft er , Abends mehr mit der Nach richtet zu fassen und aufzurütteln , daß er ganz kühn beim polnischen General gewesen , um Winas Brief an dessen Schwiegersohn auszuliefern .
Sehr spät brach er dahin damit auf , um nicht ins Essen zu fallen .
Auch sollte jeder Mensch gegen Abend -- nämlich nie gegen Morgen , wo der Geist noch den Körper und das Gestern tauet -- mit Gesuchen und sich zu Großen kommen , welche er vielleicht alsdann halb betrunken und halb-menschlich , es sei vom Mittags-Essen oder Mittags-Trinken , zu finden hoffen darf .
Auf dem Wege dahin wallte Gottwalts Herz wie ein angewehtes Blumenbeet bei dem Gedanken auf , daß er dem Hause zugehe , worin Wina so lange als Kind und Jungfrau gelebt .
Auf der letzten Gasse musst er mit dem Plane der Übergabe ins Reine kommen .
" Anders , sagte er sich , kann_es doch nicht gehörig delikat ausfallen , als wenn ich_es so mache , daß ich mich beim General -- denn der Graf ist doch nur der Gast -- ordentlich melden lasse , mich dann entschuldige und sage , daß ich dem H. Grafen etwas in einem Seiten-Zimmer zu übergeben habe , dieser und seine Braut mögen nun dabei stehen oder nicht ; und dabei sehe ich doch auch einmal einen General , ja einen polnischen . "
Sehr suchte er sich unterwegs keine andere Freude vorzuhalten als die , einen General zu hören .
Drei Viertel-Stunden hatte er einmal in Leipzig am Hotel de Baviere gelauert , um einen Ambassadeur einsteigen zu sehen .
Denselben Durst hatte sein Herz nach dem Anblick eines preußischen Ministers .
Dieses Triumvirat war ihm der Dreizack der Gewalt , der Feinheit und des Verstandes ; feinere Tournüren als die sind , womit dieser Staats-Trident guten Morgen , guten Abend und alles sagen werde , ( indes ohne Blumen ) konnte er nicht wohl für möglich halten , weil er glaubte sie denen gleich setzen zu können , womit Louis XIV und Versailles auf die Nachwelt kamen .
Nur drei Personen , gleichsam Kuriazier , stellte er diesen drei Horaziern entgegen und sogar voraus -- deren Gemahlinnen ; oft lies er besonders eine Ambassadrice durch seinen Kopf gehen , welche es war , eine russische , dänische , französische , englische etc .
-- " Bei Gott , sagte er , sie ist ganz " Göttin sowohl in Betreff der zartesten Ausbil " dung und Tugend , als des feinsten Teints , " Gesichts und Anzugs :
-- aber warum habe " ich armer Teufel noch keine Ambassadrice zu " Gesicht bekommen ? "
Endlich stand er vor dem Zablockischen Palast .
-- Die Auffahrt und das Ketten-Gehenke an Pfeilern waren neue Siebenmeilenstiefel für seine Phantasie ; er freute sich auf die Nacht , wo er diese gespannte bange Stunde auf dem Kopfkissen frei und ruhig beschauen und behandeln werde .
Er trat in den Palast , er sah rechts und links breite Treppen mit Eisengeländern , -- große Flügeltüren -- sogar einen rennenden Mohr mit weißem Turban -- geputzte Menschen gingen herab , heraus , hinein -- Türen wurden oben auf und zugemacht -- Treppen berennt .
Schwer war_es für einen Notar , sich einen Menschen auf der Hausflur auszusuchen , dem die Bitte vorzutragen war , daß er zum General wolle .
Eine Viertelstunde stand er , hoffend , einer der Leute wende sich an ihn und frag ihn , und entwickle dann alles -- aber man lief vorüber .
Zuletzt spazierte er frei in der Hausflur auf und nieder -- einmal eine halbe Treppe hinan -- hielt sich die größten Männer aus der Weltgeschichte vor , um einen lebendigen besser zu handhaben -- und brachte es endlich zu einer Frage nach dem General an ein Mädchen .
Sie wies ihn an den Portier .
Der Himmel hat öfter eine Vorhölle als einen Vorhimmel -- tröstet er sich -- vielleicht die ganze gelehrte Vorwelt hat schon auf ähnlichen Pallast- Fluren geschwitzt .
Eine Himmelstüre tat sich ihm auf ; heraus trat ein ältlicher gepuderter verdrußlicher Mann , der ein breites Gehänge über dem Leib und einen Stock mit einem schweren Silber-Giebel trug .
Walten , ganz unvermögend , das lederne Bandelier für etwas anders zu halten , als für ein Ordensband und den Portier-Stab für einen Kommando- und Generalstab und den Portier für den General , machte ohne viele Umstände einige Verbeugungen und näherte sich dem Türsteher höflich murmelnd .
" Das hilft alles nichts -- sagte der Portier -- gegenwärtig schlafen Exzellenz , man muß sich gedulden .
. " -- --
Aber niemand braucht aus Walts Verwechslung viel zu machen , wenn man so viel von der Welt gesehen , daß -- keine möglich ist , -- sondern daß jeder vornehme Inhaber eines Türhüters selber wieder einer ist , nur an einer höheren Türe , entweder an einer kaiserlichen , königlichen , fürstlichen Gnaden- oder an einer Falltüre , entweder als Klopfer , der das Hereinwollen , oder als Klingel , die das Hereinkommen ansagt , und jeder wie Janus als Schwellen-Gott ein anderes Gesicht gegen die Gasse kehrend , ein anderes gegen das Haus . --
Sind manche gute Gemüter nur Portiers an blinden Toren :
so stecken sie doch ihren Sperrgroschen von Proselyten des Tors so gut ein , wie die schlimmsten , die wenigstens den Janustempel wie eine öffentliche Bibliothek gern öffnen .
Sehr rot trat der Notar in das lustige Da mestickenzimmer , das Geiselgewölbe eines dürftigen Gelehrten .
Bediente sind parasitische Menschen an Menschen , Dörfer , wo auf den Briefen die nächste Poststation angezeigt werden muß .
Doch die Zablokischen waren gut gelaunt , und schön-betrunken vom Küchen-Jubel ; -- Walten saß unbeunruhigt da .
Wo ist der Bonsoir , Freund ? fragte ein eintretender Lakai .
Walten glaubte sich gemeint und den Abendgruß vermisset , nicht aber den Licht-Töter ; er versetzte frisch : bon soir , mon cher !
In der Tat kam es endlich dahin , daß ein Bedienter vor ihm vorausgieng und er hinterdrein , durch Vorsäle voll langer Kniestücke -- über glatte Zimmer weg -- und endlich vor ein Kabinett , das der Bediente zwar auf- aber erst zumachte , da er hinein war , bevor er_es ihm auftat .
Der General , ein stattlicher , männlichschöner , stark genährter , lächelnder Mann fragt ihn mit freundlicher Mine und Stimme , was Monsieur Harnisch wünsche .
" Exzellenz , ich wünsche -- fing er an und hielt die Wiederholung des Zeitworts für Welt , -- dem Hrn. Grafen von Klotar einen verlorenen Brief zu übergeben , da ich ihn hier zu finden hoffe .
" Wen " fragte Zablocki .
" Den H. Grafen von Klotar " versetzte Walten .
" Wollen Sie mir " den Brief vertrauen , so kann ich ihn sogleich " übergeben ? " sagte Zablocki .
Der Notar hatte sich viel schönere Entwicklungen versprochen ; jetzt lief alles fast auf nichts hinaus ; dem Vater musst er den Brief der Tochter abstehen und lassen .
Er tat es , da der Umschlag entsiegelt war , mit den feinen Worten , " er bringe ihn so offen als er ihn gefunden . "
Er wollte damit vielerlei leise andeuten , -- seine eigene Rechtschaffenheit , ihn nicht gelesen zu haben , sein Erwarten der Nachahmung und noch allerhand Gefühle .
Der General steckte ihn nach einem leichten Entzifferungsblick auf die Überschrift , gleichgültig ein und sagte , er habe soviel Schönes über seine Flöte gehört , er wünsche sie selber einmal zu hören .
-- Große sind eben so vergeßlich als neugierig ; doch konnte es Zablocki auch tun , um reden zu hören .
Walten war_es angenehm , zu berichtigen : " ich wünschte -- sagte er fein -- ich würde nicht verwechselt , oder vielmehr ( fügt ' er bei , da ihm das gerade einen zweiten ganz entgegengesetzten Sinn geben wollte ) ich könnte es werden . "
-- Ich verstehe Sie nicht , sagte der General .
Walten entdeckte ihm kurz , er sei aus dessen elterleinischen Territorium gebürtig und sein Vater sei der Schulz .
Jetzt glaubte er an Zablocki den wahren menschenliebenden Menschen- Dulder ganz zu erkennen , als dieser sich des Schulzen , der so oft als ein Mauerbock sich an dessen Gerichtsstube die Hörner abgestoßen , vielmehr mit den freundlichsten Minen und sogar der van der Kabelschen Erbschaft entsann , ja teilnehmend eine genauere Geschichte derselben zu hören begehrte .
Die lieferte Walten , gern , nett und heiß ; indes halb schwindelte er vor Freude , wenn er von der Höhe und Spitze in die Dörfer hinunter sah , auf der er neben einem Großen stand und ihn so lange anreden , und sich gut ausdrücken durfte .
Mit Freuden hätte er für ein so menschenliebendes Herz , das er nie im Verband eines Ordensbandes gesucht hatte , Flegeljahre II. Bd. II einen Zacken oder Stein aus der polnischen Krone ausgebrochen , oder diese für den schönen Kopf zugeschmolzen , um durch ein Präsent damit erkenntlich zu sein .
In etwas drückte er seine Liebe -- weil er nichts näheres hatte , die Blicke ausgenommen -- streichelnd auf dem Kopfe eines Wind-Hunds aus , der sich hochbeinig an seine Schenkel anpresste .
" Haben Sie eine französische Hand ? " fragte der General auf einmal und schob ihm ein Papier vor zu einem Probeschuß .
Walten sagte : " er verstehe es leichter zu schreiben , in mehr als einem Sinn , als zu sprechen , und verdank es seinem Lehrer . "
Allein welchem Worte er unter so vielen Tausenden , die Gallien hat , das Schnupftuch zuwerfen sollte , daß Wust er schwer , da das Wort doch etwas vorstellen sollte .
-- " Was Sie wollen " sagte endlich Zablocki .
Er sann aber fort .
" Das Vater Unser " sagte jener .
In der Geschwindigkeit konnte er_es unmöglich übersetzen .
" Vorzüglich , fuhr der General fort , als jener noch nachdachte , würde ich auf rein fran zösische Endbuchstaben sehen , dergleichen wie Sie wissen , s , x , r , t , p , sind . "
Walten verstand die französische Benennung dieser Lettern nicht recht , aber sehr wohl das französische Camnephez * ) ; Schomaker , der Jahre lang keinen gallischen Dialog und Brief zu machen hatte -- erstlich weil dazu stets eine zweite Person gehört , zweitens weil auch eine erste erforderlich ist , er aber gar nichts davon verstand -- dieser Kandidat hatte ächt- französische Handschrift und Aussprache vermittels dergleichen Kaufmannsbriefe und Reisediener zu einer so außerordentlichen Höhe hinauf getrieben wie vielleicht außer Hermes und einem zweiten Romancier , kein Autor von Gewicht ohne Stand .
Und Walten hatte beides bei ihm erlernt .
" O vortrefflich ! -- sagte der General , als endlich jener Winas französische Adresse an Klotar probierend hinschrieb -- Recht gut ja ! --
Nun habe ich ein ziemliches Paket französischer * )
Dieses Wort fasset die hebräischen Buchstaben in sich , die am Ende größer und anders geschrieben werden .
Briefe über Einen Gegenstand auf meinen Reisen gesammelt -- von verschiedenen alten und neuen Personen , -- welche ich sehr gern in Ein Buch abgeschrieben sähe , da sie sonst leicht sich verspringen .
Wenn Sie denn täglich an dem Buche -- Memoires erotiques mag es heißen -- Eine Stunde -- hier in meinem Hause -- schrieben "
. . . . " Exzellenz -- stotterte Walten mit blitzenden rednerischen Augen -- wenn über den zartesten Gegenstand kein Ja zart genug sein kann " -- -- " Geht_es nicht ? " fragte der General .
-- " O am besten , versetzte jener , und jede Minute . "
-- " Ich werde , sagte Zablocki , die Briefe zusammensuchen und Ihnen die Kopier-Stunde nächstens bestimmen lassen . "
Darauf machte Zablocki den vornehmen Entlassungs-Bückling , Walten macht ihn leicht zurück , und harrte lange auf weiteren Verfolg , bis er endlich -- da der General sich umstellte und durchs Fenster guckte -- den Abschied , dessen Schnelle er schwer mit dem warmen Gespräche paaren konnte , heraus brachte durch Überlegung .
Jetzt musst er etwas su chen , was eben so schwer zu finden war als vorhin der Eingang , nämlich der Ausgang am glatten Kabinett .
Keiner wollte vorstechen .
Leise überstrich er mit den Händen die fugenlosen Wandtapeten , weil er sich schämte , zu fragen , wie er herein gekommen .
Über drei Wände glitt er mit dem Bügel der Hand , bis er endlich in eine Ecke auf ein goldenes Kreuz einer Türe griff .
Er dreht es mit Vergnügen um und es tat sich ein Wandschrank auf , worin Winas himmelblaues Konzert-Kleid lang und nahe nieder hing .
Staunend guckte er hinein und wollte noch lange davor erstaunen , als sich der General , der das Handstreicheln und Glätten vernommen , endlich umdrehte und ihn vor dem Schranke mit dem Schauen halten sah : " ich wollte hinaus " sagte er .
" Das geht hier " sagte Zablocki und öffnete eine Türe , wo das wirklich zu machen war .
Das Schicksal mag ihm absichtlich die kleine Schamröte auf seinen Sieges- Weg mitgegeben haben , um damit einigermaßen das Bewußtsein zu dämpfen , womit er so mit Ehren Medaillen und Bassas Roßschweifen behangen so mutig durch Zimmer und Haus marschierte , daß er sich auf der Straße mit einigen Maß , die , wie er , zu Fuße kamen von Hof .
Indes hatte er alle Welt lieb und verbarg sich am wenigsten , wie mancher dahin gehe , der ohne Schuld solche Erhebungen nie erlebe .
Daraus messe die Welt ab , wie vollends ein dürftiger Leutnant , der Sonntags seine seidenen Beine unter der Hoftafel gehabt , um 41/4 Uhr , mit dem Kurial-Kräzer und der Champagner-Folie im Kopfe , nach Hause gehen mag , mit welchem Selbst-Bewusstsein , meint man ; Julius Zäsar selber kann dem Ortshalter aufstoßen und dieser wird bloß fragen :
Jul , aber woher kommst denn du , wüsste Fliege ?
Mit größter Sehnsucht , vor allen Dingen auf Vults Tisch einige schwache Zeichnungen der heutigen Krönungsstadt und Ehrenpforte zu legen , klopfte Walten an dessen Türe ; sie war zu und mit Kreide stand daran : hodie non legitur .
Nro. 29. Grobspeisiger Bleiglanz .
Schenkung .
Nach einigen Tagen kam der Gärtner von Alcinous Gärten -- denn das war Walten Klothars Kutscher -- und lud ihn in die Villa ein .
Der Notar hatte kaum in größter Eile ein ganzes Philadelphia der Freundschaft auf einer Freundschaftsinsel gebaut und ein Sortiment Lorenzosdosen gedreht -- weil er die Einladung für einen Lohn der Brief-Gabe nahm -- als der Eden-Gärtner die Treppe wieder herauf kam und durch die Tür-Spalte nachholte : " er solle was zum Petschieren einstecken , es wären Notarius-Händel . "
Indes war_es in jedem Falle etwas .
Er traf als Notarius im reichen Landhaus Klothars zugleich mit dem Fiskal Knol ein .
Aber als er die vergoldeten Quartanten , die vergoldeten Wandleisten und das ganze Wohnzimmer des Luxus übersah :
so rügte die eigene Wohnung den Grafen weiter von ihm weg als die fremden bisher .
Klotar fuhr , ohne aus beiden Ankömm linnen viel zu machen , im Streite mit dem Kirchenrat Glanz und dessen flachem Tolerieren so fort : " der Wille arbeitet den Meinungen mehr vor als die Meinungen dem Willen ; man gebe mir eines Menschen Leben , so weiß ich sein System dazu .
Glaubens-Duldung schlösse auch Handelns-Duldung in sich ein .
Ganz tolerant ist daher niemand , Sie sind es z. B. nicht gegen Intoleranz . "
Glanz gab Recht , bloß weil sein Ich beschrieben wurde .
Aber der Notar stellte -- weil er ohnehin müßig stehen musste -- den Einwand auf : " ganz intolerant ist auch kein Mensch , kleine Irrtümer vergibt jeder ohne es zu wissen .
Aber freilich sieht der Eingeschränkte , gleichsam im Tal wohnende , nur Einen Weg ; wer auf dem Berge steht , sieht alle Wege . "
" Ins Zentrum gibt_es nur Einen Weg , aus dem Zentrum unzählige , sagte der Graf zu Glanz .
Wollen Sie indessen sich an meinen Sekretär setzen H. Notar , und den gewöhnlichen Eingang zu einem Schenkungs-Instrument für Fräulein Wina von Zablocki in meinem Namen machen ?
Ich heiße Graf Jonathan von Klotar . "
Die Namen Jonathan und Wina zitterten dem Notar wie Apfelblüten auf die Brust herab .
Er setzte sich und schrieb voll Lust : " kund und zu wissen sei jedermann durch diesen offenen Brief , daß ich Graf Jonathan von Klotar heute den " -- -- Walten fragte den Juristen , um den wie Vielesten :
" Der 16 " sagte dieser .
Höflich nahm er keinen neuen Bogen , sondern schabte am Schreibfehler des alten lange .
Unter dem Schaben konnte er auf des mageren haarigen Knols Vorlesung über Ehekontrakte hinhören , neben welchem der schöne Graf ihm wie der edle Hugo Blair in der Jugend , dessen Geisterhebende Predigten seine Flügel und seine Himmel zugleich gewesen , vorkam .
Ein Kontrakt zwischen Wina und Jonathan -- ein eigensüchtiges da ut des -- war ihm eine widrige widersprechende Idee , da man wohl mit dem Teufel einen Pakt macht , aber nicht mit Gott .
Er benutzte das Wegschaben des Datums als eine freie Sekunde und sagte ( eben so keck , wenn ihm etwas rechtes einfiel , als blöd im anderen Falle : ) " ob ich gleich ein Jurist bin , H. Fiskal , und ein Notar , so bedauer ich bei jedem Ehe-Kontrakt , den ich machen muß , daß die Liebe , das Heiligste , Reinste , Uneigennützigste , einen groben juristischen eigennützigen Körper annehmen muß , um ins Leben zu wirken , wie der Sonnenstrahl , der feinste , beweglichste Stoff , mit der heftigsten Bewegung nichts regen kann ohne Vermischung mit dem irdischen Dunstkreis . "
Knol hatte mit saurem Gesicht nur auf die Hälfte des Perioden gehört ; der Graf aber mit einem gefälligen : " ich lasse , sagte er , aber mit sanftester Stimme , wie schon gesagt , keine Ehestiftung machen , sondern nur ein Schenkungs- Instrument . "
Da trat ein Bedienter des Generals mit einem Briefe ein .
Klotar schnitt ihn aus dem Siegel -- ein zweiter , aber entsiegelter lag darin .
Als er einige Zeilen im ersten gelesen , gab er dem Notar ein schwaches Zeichen einzuhalten .
Den eingeschlossenen machte er gar nicht auf ; Walten kam er sehr wie der von ihm gefundene vor .
Mit leichtem Kopfnicken verabschiedete Klotar den Boten ; aber auch mit einer Bitte um Vergebung das Zeugenpaar und den Notarius : " er sei zweifelhaft , sagte er , ob er jetzt fortfahren lasse ; aber da er_es sei , so lasse er lieber nicht . " -- Einige Schatten von inneren Wolken flogen über sein Gesicht .
Walten sah zum erstenmal einen geliebten Menschen , noch dazu einen Mann , in verhehlter Bekümmernis -- und die fremde besiegte wurde in ihm eine siegende .
Eigennützig wäre es jetzt , dachte er , nur daran zu erinnern , ( wie er anfangs gewollt , ) daß er den Brief gefunden und gegeben ; desgleichen wahrhaft grob , nur danach zu fragen , ob der Schwiegervater solchen ausgehändigt .
Beim Abschied wollte der Graf ihm etwas härteres in die Hand drücken als seine eigene .
" Nein , nein , " stotterte Walten .
" Meine Verbindlichkeit , sagte der Graf , ist dieselbe , Freund , " -- Ich nehme nichts an , als die Anrede ! " sagte Walten , wurde aber wegen seines Ideen-Sprungs wenig verstanden .
Klotar drang verwundert und halb beleidigt in ihn .
" Aber meinen Bogen nähme ' ich gern " sagte Walten , weil es ihm so wohl getan , darauf zu schreiben : ich Jonathan von Klotar .
-- " H. Graf , sagte Knol , der Bogen gehört wohl uns 7 Erben , schon wegen der Rasur ; " und wollte ihn nehmen .
" Sie sei ja eingestanden , o Gott ! " sagte Walten erzürnt und behauptete den Bogen -- ein zorniger Tropfe und Blick entbrannt ' in seinen blauen Augen -- diesen zu entschuldigen , drückte er eilig Klothars Hand und floh davon , um sich zu trösten und anderen zu vergeben .
" Ach , dachte er unterwegs , wie weit ist_es von einem ähnlichen Herzen zum anderen !
Über welche Menschen , Kleider , Ordenssterne , Tage geht nicht der Weg !
Jonathan ! ich will dich lieben , ohne geliebt zu werden , wie ich deine Wina liebte ; es ist mir vielleicht möglich ; aber ich wünschte doch dein Porträt . "
Nro. 30. Misspickel aus Sachsen .
Gespräch über den Adel .
Der Notar verlor jeden Tag seinen Bruder einmal .
Er konnte dessen Verschwinden nicht fassen ; die Sonnenfinsternis des Schmollgeistes war ihm eine unsichtbare .
Bald hielt er ihn für ersoffen -- bald für verreiset -- bald für entlaufen -- bald für beglückt durch ein seltenes Abenteuer .
Er suchte den zweimal besiegelten Brief mit der Unsichtbarkeit zu kombinieren und rechnete einige Hoffnung heraus .
Immer machte er die Betrachtung , wie wenig auch die besten Gewinn- und Verlust-Rechnungen von der Zukunft in der dunklen Rechenkammer , die uns verhangen ist , bestätigt werden !
Welche freudige glänzende Bilder hatte er sich nicht schon weit in seine Zukunft hineingestellt , welche Bilder davon , wie er mit seinem Bruder in täglicher Auswechselung wachsender Empfindungen und Ideen und Bekanntschaften leben und mit wenigen Frei- Mäuererzeigen der Verwandtschaft den Grafen in den feurigen Bund hinein ziehen werde , indes aus allen , nichts wurde als die gedachte Betrachtung ! --
Aber schon bei dem peloponnesischen Kriege -- und überhaupt in der Geschichte der Völker sowohl als seines Lebens -- hatte er zuerst bemerkt , daß in der Geschichte -- was sie einem , alles motivierenden Dichter der Einheit ordentlich zum Ekel macht -- so unend lich wenig Systematisches in Leid oder Freude vorfalle , und daß man eben darum bei der falschen Voraussetzung einer trüben oder lichten Konsequenz seine oder fremde Zukunft so schlecht errate ; denn überall werden im historischen Bildersaal der Welt , aus den größten Wolken kleine , aus den kleinsten große -- um die größten Sterne des Lebens ziehen sich dunkle Höfe -- und nur der verhüllte Gott kann aus dem Spiel des Lebens und der Geschichte einen Ernst erschaffen .
Die Botenfrau aus Elterlein brachte Walten folgendes Briefen vom Bruder :
" Morgen Abends komme ich , gehe mir entgegen .
Eben schneidet deine Mutter einer Bettlerin Brot vor ; denn ich bin in Elterlein im Wirtshaus .
Ich habe seitdem in einigen bedeutenden Marktflecken geblasen für Geld ; es wachsen freilich mehr Gräser als Blumen , doch heben jene diese , ich rede von Menschen .
Es wird dir anvertraut , daß ich vor meiner Abreise aus Haslau so verstimmt war , wie eine Wind-Harfe oder wie die Glocke einer Brockenkuh .
Ich weiß nicht , wovon ; ich wollt ' aber , ein bedeutender Freund , oder gar du hättest meine Saiten so durch einander geschraubt , kurz einer von euch beiden hätte mich ein wenig beleidigt und meinen Schmollgeist zitiert .
Ich würde mich -- das hätte mich wieder ausgestemmt ohne Verlust von 32 Saiten oder Zähnen -- mit ihm tüchtig überworfen haben ; ich hätte häslich gedonnert , gehagelt , gewettert ; das macht , wie gesagt , gutes Blut .
Denn nichts ist schädlicher , Notarius , so wohl in Ehen als Freundschaften feiner Seelen , als ein langer unaufgelöster Verhalt auf einem Misston bei einem wechselseitigen fortwährenden Zusammenstimmen in allen zartesten Pflichten , so daß die Narren sich abstoßen , ohne sonst zu verstoßen ; da doch solche Seelen in jeder bedeutenden Spaltung auf nichts so eifrig denken sollten , als sie bis zum rechten Zanke zu treiben , worauf sich Versöhnen von selber einstellte .
Der Braunstein liefert bei mäßiger Erhitzung Stickgas ; aber zwing ihn zum Glühen , so haucht er ja Lebensluft .
Aus der Knallbüchse fliegt der Pfropf nicht anders heraus , als durch einen zweiten .
Zum Glück können wir beide jeden Hader entraten , sogar den stärksten .
Doch zurück zu kommen -- ich bekam bald Luft , sobald ich nur im Freien war und ritt und blies , und schrieb .
Erträgliche Sachen und Schwanzsterne setzt ich für unseren Hoppelpoppel oder das Herz teils auf dem Sattel auf , teils sonst .
Wahrlich ich wurde dir ganz gut ; deswegen glaube ich , konnte ich_es ordentlich nicht lassen , sondern musste nach Elterlein .
Ich dachte :
" Dein Freund ist doch da so gewiß ans Licht gekommen , und seiner desgleichen , " und was man so sagt , wenn man denkt .
Ein lang verschobenes Werk konnte ich da verrichten .
Da ich , wie ich dir öfters gesagt , dem entlaufenen jungen Harnisch Vult mit seiner Flöte mehrmals aufgestoßen :
so konnte ich dem alten Schulzen schöne Nachrichten und Briefe vom Wildfang geben .
Ich ließ den Vater ins Wirtshaus kommen .
" Der und der Edelmann sei ich ( sagt ' ich dem staunenden Manne , ) und sein Sohn sei mein Intimer -- er befinde sich wohl auf den Postwagen , wo man ihn außer den Konzertsälen zu suchen habe -- es gehe ihm so gut wie mir selber -- er würde ihn nicht kennen , stände er vor ihm da , so schön verändert sei er , schon mit der volljährigen Stimme , deren Diskantschlüssel der Bart dadurch abgedreht worden , daß er selber einen Bart bekommen -- und er lasse ihn grüßen . "
-- Er versetzte , es freue ihn über die Maßen , daß ein solcher braver Herr wie ich , gut auf seinen Halunken von Sohn zu sprechen sei und es widerfahre ihm und dem Flegel eine wahre Ehre .
Ich warf noch einiges ein , zur Entschuldigung des guten abwesenden Menschen und reicht ihm zum Behalten den bewussten Brief desselben aus Bayreuth an mich , worin er , einige musikalische Klagen über die dasigen Ohren ausgenommen , fast bloß von seiner geliebten Mutter spricht .
" Auch dessen Herrn Bruder , jetzigen Notar , kenne ich sehr wohl " fügte ich bei und schlug vor seiner Nase einen schwachen Riß von deinen Höhen und Tiefen auf : " mehr nicht als 32 Beete , hat der ad Flegeljahre II. Bd. 12 mirable Mann sich mit dem Stimm-Hammer weg- ( nicht zu ) geschlagen , und die Stadt hält es bei so vielen Saiten , die er unter sich hatte , mehr für ein Wunder als für einen Bock " sagte ich , um ihn für deine künftige Nachricht davon auszurüsten mit dem lindesten Herzen von der Welt .
Es wollte ihm aber schwer ein , das Herz ; und er schimpfte auf deinen Kopf .
" Er erlebe wenig Freude an seinen Söhnen -- beschloß er -- und der Teufel könne die Spitzbuben holen , wenn er wolle . "
Ich schickte den Bauer ganz kurz und hochtonig fort , da er zu vergessen anfing , daß seine Zwillinge meine Achtung in einigem Grade besäßen .
Abends -- als ich auf der schönsten Höhe des Zablockischen Garten lag , und für uns eine Satire über den Adel entwarf und dabei der untergehenden Sonne ins große Engels-Auge sah , die ein lumpiges Dörfern eben so gut als ihren Hof von Welten anschauet , und als über mir auf den leichten roten Wölken manche Bilder des Lebens dahin schiften , da erklang plötzlich eine köstliche kunstgerechte Singstimme , die mich aus allen Satiren , Träumen , untergehenden Sonnen wegjagte ins Ohr hinein , in dessen Labyrinth , wie im ägyptischen , Götter begraben liegen .
Die Generals Tochter sang ; sie hatte , wie vornehme Mädchen auf ihren Rittergütern pflegen , der Sonne und der Einsamkeit -- denn horchende Bauern sind nur stille Blumen und Vögel in einem Hain -- ein ganzes , leidendes Herz mit Tönen auseinander getan .
Sie weinte sogar , aber sanft ; und da sie sich allein glaubte , trocknete sie die Tropfen nicht ab .
Sollte der edle Klotar , dachte ich , seine Braut in dunkle Farben kleiden , weil sie eine taille fine geben ? --
Das schwerlich !
Endlich sah sie mich , aber ohne zu erschrecken , weil der blinde Konzertist , wofür sie mich noch halten musste , ja ihr nasses Auge und Angesicht nicht kennen konnte .
Sie , die Unwissende , sah sich nach meinem Führer um , indes sie leise ihr Busenlied ertönen ließ .
Bekümmert um den hülflosen Blinden , ging sie langsam auf mich zu , begann ein fremdes frohes Lied , um sich mir unter Singen so zu nähern , daß ich nicht zusammen führe , wenn man mich plötzlich anredete .
Ganz nahe an mir unter den heitersten Tönen floß ihr Auge heftig über aus Mitleid , und sie konnte es nicht eilig genug lichten , weil sie mich anschauen wollte .
Wahrlich ein gutes Geschöpf , und ich wollte , es wäre keine Braut oder eine Frau ! --
Wie ein Rosenbeet blühten , zumal vor der Abendsonne , alle ihre wohlwollenden Gefühle auf dem kindlichen Gesicht ; und bedenk ich die zarten schwarzen Bogen der schönsten schwarzen Augen , so hatte ich Augenlust und Augenbraunenlust zugleich und genug .
Aber wie kann ein Mann zu einer Schönheit sagen : heirate mich meines Orts , da ja durch die Ehe , wie durch Eva , das ganze Paradies mit allen 4 Flüssen verloren geht , ausgenommen den Paradiesvogel daraus , der schlafend fliegt .
Eine schöne Stimme aber zu ehelichen durch Ehepakten -- das ist Vernunft ; außerdem , daß sie , wie die Singvögel , immer wieder zurückkehrt , -- das Gesicht aber nicht , -- so hat sie den Vorzug vor diesem , daß sie nicht den ganzen Tag da steht , sondern manchmal . --
Kenne ich denn nicht mehr als einen abgeschabten Ehemann -- gelb geworden gerade dadurch , wodurch gelbes Elfenbein weiß wird , durch langes Tragen an warmer Brust -- der sogleich die Farben änderte , wenn die Frau sang , ich meine , wenn das welsche Lüften aus warmer alter Vergangenheit närrisch und tauend des Polar-Eis seiner Ehe anwehte ? --
Fast als schäme sich Wina , neben einem Blinden allein zu sehen , gab sie wenig auf die Himmelfahrt der Sonne acht .
Sie hörte auf zu singen , sagte ohne Umstände , wer vor mir stehe und fragte , wer mich geführt habe .
Ich konnte sie unmöglich mit dem Geständnis guter Augen beschämen , doch versetzt ich , es habe sich um vieles gebessert , ich sähe die Sonne gut und nur Nachts stehe es mit dem Sehen schlecht .
Um einen Handlanger meiner Augen zu erwarten , fing sie ein langes Lob meiner Flöte an , der man in größter Nähe , sagte sie , nicht den Atem anhöre , und erhob die Töne überhaupt als die zweiten Himmels-Sterne des Lebens .
" Wie hält aber das Gefühl die immerwährenden Rüh Rungen der Flöte aus , da sie doch sehr der Harmonika gleicht ? " fragte sie .
Wer so gut sänge , sagte ich , als sie , würde am besten wissen , daß die Kunst sich vom persönlichen Anteil rein halten lerne .
Soviel hätte ich sagen sollen , nur nicht mehr ; aber ich kann das nie : " ein Virtuose , fügte ich bei , muß im Stande sein , während er außen pfeift , innen Brezeln feil zu halten , ungleich den Brezel-Jungen , die beides von außen tun .
Rührung kann wohl aus Bewegungen entstehen , aber nicht Kunst , wie bewegte Milch Butter gibt , aber nur stehende Käse . "
Sie schwieg sehr betroffen als wäre sie Du -- nahm einige Dornenreiser weg , die mich Dornenstrauch stechen konnten -- und sie dauerte mich halb , zumal als ich sehr ihrem zu häufigen Augenlieder-Nicken zusah , das ihr lieblich lässt , ohne daß ich recht weiß warum .
Sie sagte , sie gehe , um mir aus dem Schlosse einen Führer zu hohlen , und ging fort .
Ich stand auf und sagte , es brauche es nicht .
Da sie mich Forttappen sah , kehrte sie lieber um und befahl mir , zu warten ; sie wolle mir bis ins Wirtshaus vorausgehen und jeden Anstoß und Eckstein melden .
Die Freundliche tat es wahrhaftig und ging mit dem ewig nach mir umgebogenen Halse , bis sie einem jungen Lehnbauer hinter seinem Pfluge begegnete , dem sie ein Stück Geld und die Bitte gab , mit dem blinden Herrn vor das Wirtshaus zu fahren .
Sie sagte liebreich gute Nacht , und die langhaarigen Augenlider nickten zu Schnellenmalen über den großen Augen .
" Der Satan hole -- vergib aber , Notarius , den Fluch -- den Grafen von Klotar , wenn er einer so gutmütigen Weiberseele nur die dünnste , leichteste Zähre aus den schönen bräutlichen Augen presste , dem armen Kinde , das das einzige ist , dem ich noch die freie Reichs- Ritterschaft gegönnt .
Denn mit wie viel Gall ' und Grimm ich in jedes Adels-Dorf eintrete , worin -- wenn bei den Römern ein ganzes Volk für das Geiseln Eines Menschen votieren musste -- umgekehrt nur Ein stimmender Mensch zum Prügeln eines Volks erfordert wird , das kennst Du ; aber in Winas Elterlein dachte ' ich ganz sanft .
Wie überall , besonders im Brautstand gegen den Ehestand :
so halten die Menschen , wie in der Musik , den Vorschlag länger und stärker als die Hauptnote ; und Klotar könnte doch schon im Vorschlag fehlen ? --
Einen schwachen Streckvers in deiner Manier fertigte ich im Wirtshaus auf Sie :
Bist du Philomele ?
Nein ; denn du hast zwar ihre Stimme ; aber du bist unvergleichlich schön !
So wirst du schon früher nachgeahmt als gedruckt .
-- Nachher , nach dem Speisen zog ich im Dorf herum .
Ich dachte an einen dir bekannten ersten und zweiten Abend so sehr , daß mir vorkam -- schreibe es auf Rechnung einer und der anderen Liebe -- als sei manches von der Vergangenheit nachher vergangen .
Eiligst , wenn du diesen Brief erhälst , was genau Nachmittags gegen 3 Uhr sein muß , weil ich_es bei der Botenfrau auf diese Weise und Stunde bei stellt habe , -- läufst Du mir entgegen .
-- Bei Gott , ich denke oft an vieles .
-- Und was ist denn das Leben als der ewige Ci-devant ? -- Werden denn nicht die reinsten Trompeten der Lust krumm gebogen , und mit Wasser gefüllt durch bloßes Blasen ? --
Muß man denn nicht die längsten Himmelsleitern , die freilich kürzer sind als die Höllenleitern -- bloß damit sie stehen , unten auf Dreck aufsetzen , ob man sie gleich oben an Sternbilder und Polarsterne anlegt ?
Ganz verdrießlich macht mich dergleichen , sonst nichts .
Inzwischen sehe ich sehr auf Antwort , auf mündliche nämlich , womit du sogleich entgegen gehst dem Wirtshaus zum Wirtshaus und dem dir sehr bekannten oder was Gott will Quoddeus etc. N. S. Walten , wir könnten Brüder sein , ja Zwillinge !
Schon der Stamm-Namen verkittet uns , aber noch weit mehr ! --
Walten nahm Flügel , aber sein Herz war schwer oder voll .
Alles was je ein Ritter zu Pferde für leidende Weiber zu tun gelobte , war er zu Fuße zu leisten bereit , für jede und dann für Wina noch unzähligemal so viel .
Auf dem Wege nach dem Wirtshaus begegneten ihm Neupeters Töchter an Flettes Armen .
" Vielleicht wissen Sie es -- redete ihn Raphaela an , und stimmte den Ton so schleunig um , daß man das Hinaufstimmen vernahm -- da Sie beim Generale schreiben und aus Elterlein her sind , was meine unglückliche Wina macht , ob die Teure noch dort ist ? "
-- Vor Schrecken konnte ' er kaum auf den Beinen , geschweige auf Vults schlaffem Lügen-Seile stehen : " sie ist noch da , sagte er , schreibt man mir eben .
Ich schreibe noch nicht bei ihr .
Ach warum ist sie denn unglücklich ? "
-- " Es ist jetzt bekannt , daß ihrem Vater , dem General , ein unschuldiger Brief von ihr in die Hände geriet , und daß darauf ihr Bund mit dem Grafen aufgehoben wurde , o die Gute ! " versetzte Raphaela und weinte etwas auf der Landstraße .
Aber ihre Schwester verdammte verdrießlich blickend die Straßen- Ausstellung hoher Bekanntschaften und Tränen ; und der lustige Elsässer drohte ihr aus dem warmen Gewölk oben Regen und schwemmte sie damit davon .
Raphaela hatte Walts verliebte Blicke über der Tafel nicht übersehen , mit ihren gerührten ; zur Liebe gehören ohnehin wie zur Gehrung -- sie ist ja selber eine -- zwei Bedingungen , Wärme und Nässe ; und mit letzterer begann Raphaela gern .
Es gibt weibliche Wesen -- sie darf sich darunter rechnen -- die nichts so gern haben als Mitleiden mit fremden Leiden , besonders mit weiblichen .
Sie wünschen sich ordentlich recht viel mitzuleiden , und suchen Freundinnen gerade in der Not am liebsten , ja sie wecken durch Mitteilen fremde Seelen zu gleicher Teilnahme und finden wahren Genuß in fremden Tränen , -- denn so viel vermag die Tugend durch Übung -- so wie etwa der Zaun- König nie lustiger springt und singt als vor Regenwetter .
Mendelssohn , der das Mitleid unter die vermischten Empfindungen bringt , hält eben darum reine für weniger schmackhaft .
Nur den Notar traf die bittere Ausnahme , daß ihn das Doppel-Unglück des Paares glühend durchstach und durchgrub -- ob ihn gleich ein guter Engel nicht auf den Argwohn fallen ließ , ob nicht sein an den Vater übergebener Brief das Scheidungsdekret geworden ; -- indes setzt er sich mehr an Klothars als an Winas Stelle und stieg in die Brust des Jünglings hinein , um von dort aus recht um die blühende Braut zu trauern , und in Klothars Namen an nichts zu denken als an das geliebte Mädchen .
Er kam traurig im Wirtshaus zum Wirtshanse an .
Vult war noch nicht da .
Die kurze Zeit hatte schon manches wieder mit ihrer Sichel abgemäht -- erstlich vom blühenden Herrnhutischen Gottesacker das Grumt -- zweitens am Wirtshaus ein Vergißmeinnicht und Jelängerjelieber der Erinnerung , nämlich die ausgebrochene Abendwand , wovor er mit dem Bruder gegessen , war zugemauert .
Vult kam .
Mit Flamme und Rührung flogen beide einander zu .
Walten bekannte , wie er geschmachtet nach Volten , wie er die Geschichte der Ab Wesenheit verlange , und wie sehr er eines Bruders bedürfe , um das Herz voll vermengter Gefühle in das verwandte zu gießen .
Der Flötenspieler wollte seine Geschichte zuletzt berichten , und begehrte die fremde zuerst .
Walten tat es , erzählte rückwärts , erstlich Raphaelens Erzählung -- aber so wie er zweitens den Schenkungsakt des Grafen samt der durch den Brief der Tochter jetzt gut motivierten Unterbrechung , drittens die Glücksfälle bei dem General berichtete und endlich mit den zusammengefassten Flammen seines Sehnens nach Klotar schloß :
so änderte Vult das mitgebrachte Gesicht -- brach noch vor dem Wirtshaus auf -- schickte den leeren Gaul durch einen außerordentlichen Schlag in Stadt und Stall voraus -- und bat Walten mitzugehen , und fortzufahren und nach keinem Regen zu fragen .
Er tat es .
Vult steckte seine Flöten-Ansätze aneinander und blies zuweilen einen lustigen Griff .
Bald hielt er sein Gesicht dem warm tropfenden Abend-Himmel unter und wischte die Tropfen daraus , bald schlug er ein wenig mit der Flöte in die Luft .
" Jetzt weist du alles , mein guter Mensch , urteile ! " sagte endlich Walten .
Vult versetzte : Bester , poetischer Fleu- und Florist ! --
Was soll ich urteilen ?
Verdammtes Regnen !
-- Der Himmel könnte auch trockener sein .
Ich meine , was ist zu urteilen , wenn du mir über keinen Menschen beitrittst .
Hinterher werde ich dann ganz schamrot , daß ich als ein Mensch , der vielleicht kaum vor ein Paar Stadttore hinaus , und durch ein Paar Flügeltüren hinein gekommen --
denn ich saß stets -- gegen einen Welt- und Hofmann wie du , Recht behalten will , der , die Wahrheit zu sagen , überall gewesen , an allen Höfen -- in allen Häfen -- Glücks- und Unglückshäfen -- in allen Kaffee- und Theehäusern Europas -- in belle-vue , in laidevue -- in Mon-plaisir , in Ton-plaisir und Son-plaisir -- und so etwas weiter herum , das war ich aber nicht , Walten ! "
" Verspottest du ernsthaft meine arme Lage , Bruder ! " fragte Walten .
" Ernsthaft ? sagte Vult .
Nein , wahrlich mehr spaßhaft .
Was den General anlangt , so sage ich , daß , was du Men schenliebe an ihm nennst , nur Anekdotenliebe ist .
Schon im gelehrten Deutschland gelten keine Wasser für tiefe als die flach breiten , vollends aber im geadelten ; nur breite lange Geschichte wollte der General von dir aus Langeweile , wenn er sie auch schon wusste .
Freund , wir Bücher-Menschen -- so täglich , so stündlich in Konversation mit den größten belebtesten Männern aus der gedruckten Vorwelt , und zwar wieder über die größten Weltbegebenheiten -- wir stellen uns freilich den Hunds-Ennui der Großen nicht vor , die weiter nichts haben , als was sie hören und essen bei Tafel .
Gott danken sie auf Knien , wenn sie irgend eine Anekdote erzählen hören , die sie schon erzählen hörten ; -- aber ich weiß nicht , was du dazu sagst ? "
" Über Sachen , versetzte Walten , kann man leicht die fremde Meinung borgen und glauben , aber nicht über Personen .
Wenn die ganze Welt gegen dich spräche : müsst ich wohl eher ihr als mir glauben ? "
" Natürlich , sagte Vult .
Was Wina anlangt , so ist_es mir ganz lieb , daß sie ihre wie chen Finger wieder aus den gräflichen Ringen gezogen .
So weiß ich auch , daß zwischen dir und dem Grafen die Missheirat eurer Seelen rückgängig wird . "
Darüber erschrak der Notar ordentlich .
Er fragte ängstlich , warum ?
Vult blies einen Läufer .
Er setzte dazu , daß er dem Jüngling seit dem Verluste einer solchen Jungfrau noch heftiger anhänge ; und fragte wieder : " warum , lieber Bruder ? "
Weil du , versetzte dieser , nichts bist , gar nichts als ein offener geschworener Notar , der Graf aber ein Graf ; du würdest ihm auch nicht größer , wenn du dich nach alter Weise noch einen tabellio nenntest -- einen protocollista -- einen judex chartularius - seriniarius - exceptor . "
-- " Unmöglich , versetzte Walten , ist in unseren Tagen ein philosophischer Klotar adelstolz ; ich hörte ihn selber die Gleichheit und die Revolution loben . "
" Wir Bürgerliche preisen sämtlich auch die Fall- und Wasenmeister sehr und ihren sittlichen Wert , erlesen aber doch keinen zum Schwiegervater , und führen keine maîtresse des haute oeuvres et des Basses oeuvres zum Tanze . --
Gott , wenn soll einmal mein Jammer enden , daß ich immer von abgelegtem Adelstolze schwatzen höre ?
Sei so höflich , Walten , mir einige Grobheiten gegen dich zu erlauben .
Bei Gott , was verstehst denn du von der Sache , vom Adel ? oder die Schreiber darüber ?
Ich wollte , du bliebest ein wenig stehen oder kröchest in jenen Schäferkarren und horchtest mir daraus zu ; ich zöge aus der Satire , die ich bei Sonnenuntergang im Zablockischen Garten gemacht , das aus , was herpasset .
Den adeligen Stolz in einen auf Ahnen oder gar in deren Verdienste zu setzen , ist ganz kindisch und dumm .
Denn wer hätte denn keine Ahnen ?
Nur unser Herrgott , der sonach der größte Bürgerliche wäre ; ein neuer Edelmann hat wenigstens Bürgerliche , es müsst ihm denn der Kaiser vier adelige rückwärts datierend mit geschenkt haben , wovon wieder der erste geschenkte Ahn seine neuen vier Geschenkten bedürfte und so fort .
Aber ein Edelmann denkt so wenig an fremde Verdienste , daß er sich lieber von Fiegeljahre II. Bd. 1316 adeligen Räubern , Ehebrechern und Saufaussen als ihr Enkel an einen Hof , oder in ein Stift oder auf einen Landtag geleiten lässt , als von einem Schock und Vortrab ehrlicher bürgerlichen davon hinwegführen .
Worauf stolziert denn der Edelmann ?
Zum Henker auf Gaben ; wie du und ich als Genies , wie der Millionär durch Erbschaft , wie die geborene Venus , wie der geborene Herkules .
Auf Rechte ist niemand stolz , sondern auf Vorrechte .
Letztere , sollte ich hoffen , hat der Adel .
So lange er ausschließend an jedem Hofe aufwarten , tanzen , der Fürstin den Arm und die Suppe geben darf , und die Karte nehmen : -- so lange die deutsche Reichs-Geschichte von Häberlin noch nie ein Paar bürgerliche Weibs-Füße am Sonntag unter einer Hof-Tafel angetroffen und vorgezogen ( der Reichs-Anzeiger rede , wenn er kann ) ; -- so lange Armeen und Stifte und Staaten ihre höchsten reichsten Frucht-Zweige nie von gemeinen harten Händen pflücken lassen , die bloß auf die Wurzeln Erde schaffen , und von den Wurzeln leben müssen :
so lange wäre der Adel toll , wenn er nicht stolz wäre , auf solche Vorrechte , meine ich .
Bürgerliche werden wie die Gewächse im alten System von Tournefort , nach Blumen und Früchten klassifiziert ; Adelige aber viel einfacher , wie von Line , nach dem Geschlechts- ( Sexual ) System ; und es gibt dabei keine Irrtümer .
Den Adelstand ferner verknüpft die Gleichheit der Vorrechte durch ganz Europa .
Er besteht aus einer schönen Familie von Familien ; wie Juden , Katholiken , Freimaurer und Professionisten halten sie zusammen ; die Wurzeln ihrer Stammbäume verfilzen sich durch einander und das Geflechte läuft bald hier unter dem Feudal-Acker fort , bald dort heraus am Thron hinan .
Wir bürgerlichen Spitzbuben hingegen wollen einander nie kennen ; der Bürgerstand ist ungefähr so ein Stand wie Deutschland ein Land , nämlich in lauter feindselige Unterabteilungen zersprengt .
Kein Harnisch in Wien fragt nach Harnischen aus Elterlein , kein Legationsrat in Coburg nach einem in Haslau oder Weimar .
Darum fährt der Adel in ein Fahrzeug mit Segeln eingeschifft , der Bürger in eines mit Rudern .
Jener ersteigt die höchsten Posten , so wie das Faultier nur die Gipfel sucht .
-- Aber was haben wir Teufel ?
Besitzen wir unbeschreibliche Verdienste :
so können diese nicht adeln , sondern sie müssen geadelt werden ; und dann sind wir zu brauchen , sowohl zu einem Ministers- als sonstigen Posten . "
Doch der Adel erkennt auch selber seine Kostbarkeit und unsere Notwendigkeit gern an ; denn er schenkt selber deswegen -- wie etwan die Holländer einen Teil Gewürz verbrennen oder die Engländer nur siebenjährig ihre Wasserblei- Gruben auftun , damit der Preis nicht falle -- in seiner Jugend der Welt fast nur Bürgerliche , und sparsam erst später in der Ehe eines und das andere Edelkind , er macht lieber zehn Arbeiter als eine Arbeit , weil er den Staat liebt und sich .
O schweige noch ! freilich war dies nur Ausschweifung in der Ausschweifung .
-- Abnahme des Adelstolzes wollen neuerer Zeit viele noch daraus sehr vermuten , daß ein und der andere Fürst mit einer Bürgers-Tochter tanzte , wie ich trotz meines gelehrten Standes mit einer Bauerstochter , oder daß ein Fürst zuweilen einen Gelehrten oder Künstler zu sich kommen ließ , wie den Klavier- und den Schneidermeister auch , nicht in seinen Zirkel , sondern zum Privatgespräch .
" Meine Leute , mes gens " sagen sie von den Bedienten , um sie von uns anderen Leuten zu unterscheiden .
Warum reitest und kletterst du aber so eifrig an einen der höchsten Stammbäume hinan ? --
Daß ich meines Orts droben sitze , als Herr van der Harnisch , hat seinen guten Grund , ich fenstere auf dem Gipfel meinen Zirkel aus , und erhebe , was drunten ist , euch Bürger- Pak ; kein Mensch kann sich rühmen , den Adel noch so geärgert zu haben als ich ; nur in Städten , wo ich nicht von Geburt war , musst ich mich von ihm ärgern lassen , wenn er unter dem Vorwand , meine Person zu schätzen , mich zur Tafel bat , um meine Flöte zu kosten ; dann blies ich aber nichts , sondern ich dachte :
ich pfeif Euch etwas .
Dem weich ich jetzt ganz aus . "
Walten versetzte : " ich will deinem halben Ernste ganz offen antworten .
Ein Dichter , für den es eigentlich gar keine gesperrten Stände gibt , und welchem sich alle öffnen sollten , darf wohl , denke ich , die Höhen suchen , wiewohl nicht , um da zu nisten , sondern den Bienen gleich , welche eben so wohl auf die höchsten Blüten fliegen , als auf die niedrigsten Blumen .
Die höheren Stände , welche nahe um das sonnige Zenit des Staates leuchten , als hohe Sternbilder , sind selber schon für die Poesie durch eine Poesie aus der schweren tiefen Wirklichkeit entrückt .
Welch eine schöne freie Stellung des Lebens !
Wäre es auch nur Einbildung , daß sie sich für erhoben hielten , und das zwar geistig --
denn jeder Mensch , der Reiche , der Glückliche ruht nicht eher als bis er aus seinem Glück sich ein geistiges Verdienst gemacht -- :
so würde dieser Wahn Wahrheit werden ; wer sich achtet , den muß man achten . W_ch' eine hohe Stellung , alle mit einerlei Freiheit , alles zu wer den -- alle im Triumphwagen derselben Ehre , die sie beschützen müssen -- -- " Es ist pechfinster , sagte Vult , aber ich bin wahrlich ernsthaft . "
" Die einzeln Namen verewigt und in Wappen-Werken wie Sterne gezählt und fortglänzend , indes im Volke die Namen wie Tautropfen ungeordnet verlöschen -- in der heiligen Nähe des Fürsten , der sie zart behandelt im Wechsel seiner Repräsentation , es sei als Gesandte oder Generale oder Kanzler -- näher dem Staate verwandt , dessen große Segel sie aufziehen , wenn das Volk nur rudert -- wie auf einer Alpe nur von hohen Gegenständen umrungen -- hinter sich die glänzende königliche Linie der alten Ritter , deren hohe Taten ihnen als Fahnen vorwehen , und in deren heilige Schlösser sie als ihre Kinder einziehen . -- -- " Glaube mir auf mein Wort , sagte Vult , ich lache nicht " -- -- vor sich den Glanz des Reichtums , der Güter , der Höfe und einer blühenden Zukunft -- Und nun vollends die schöne freie Bil dung , nicht zu einem abgehauenen eckigen Staats- Gliede , sondern zu einem ganzen geformten Menschen , welche ihnen Reisen , Höfe , gesellige Freuden unter Gemälden , unter Tönen , und am meisten ihre noch mehr gebildeten , schönen Frauen , deren Reize kein Gewicht der Not und Arbeit erdrückte , leicht und froh zuspielen , so daß im Staate der Adel die italienische Schule ausmacht , und das arme Volk die niederländische . " -- --
Der Flötenspieler hatte bisher öfters , wiewohl mit verdächtiger Stimme geschworen , er ziehe nicht eine Miene zum Lachen -- beteuert , er wolle nicht Vult heißen , wenn er die Finsternis benutze , und darin still lächle -- wiederholt , er sei kein solcher Mann , der lache , sondern so ernst wie ein Totenvogel .
Jetzt aber lachte er hell , und sagte indes so viel : Walten , um wieder einmal auf deinen Grafen zu kommen -- schere dich nichts um mein dummes Gelächter über etwas anders , ich bin doch ernsthaft -- den du sonach in Bildungs-Bezug für einen Raphael hältst und dich für einen Te nies , wie wollet ihr zwei Figuren euch denn auf Einer Leinwand paaren ? " --
Walten schwieg verwundet , weil er sich gar nicht für einen Teniers , sondern eher für einen Petrarca ansah .
Aber Vult drang heftig auf das Bindemittel , das der Bruder sich zutraue .
" Ich glaubte dadurch , sagte er leise demütig , wenn ich ihn recht liebte . "
Vult wurde etwas bewegt , blieb aber unerbittlich und sagte : " um dir aber zuzutrauen , daß du deine Liebe einem solchen Herrn zeigen könntest , musst du dich , so bescheiden du auch tust , innerlich für einen zweiten Karpser halten , ganz gewiß ? "
" Wer war dieser ? " fragte Walten .
" Balbieramtsmeister in Hamburg , wovon noch die Karpserstraße in der Stadt da ist , weil er darin wohnte ; ein Mann , darf ich dir sagen , von so feinen Sitten , so voll belebter Reden , so zauberisch , daß Fürsten und Grafen , die nach Hamburg kamen , ihr erstes und größtes Vergnügen nicht im Pestilenzhaus oder auf dem Dreckwal oder im Scheelengang und in den Alster- Alleen suchten und fanden , sondern lediglich darin , daß unser Balbier zu Hause war und sie vorlassen wollte . "
Der Notar , sich für einen versteckten Petrarca haltend , vermochte gar nicht , den Balbier- Amtsmeister so hoch über sich zu sehen ; er sagte aber , erweicht durch einen ganzen Nachmittag , nichts als die Worte : " wie glücklich ist ein Edelmann !
Er kann doch lieben , wen er will .
Und wäre ich einer und ein redlicher gemeiner Notar gäbe mir nur einige warme Zeichen seiner Liebe und Treue : wahrlich ich würde sie bald verstehen , und ihn dann nicht eine Minute lang quälen , ja ich glaube , eher gegen meines Gleichen könnte ich stolzer sein . "
" Himmel , weist du was -- fing plötzlich Vult mit anderer Stimmen an -- ich habe ein sehr treffliches Projekt -- in der Tat für diesen Fall das beste -- denn es löset alles auf und bindet dich und den Grafen ( falls er deinem Bilde entspricht ) schön auf ewig . "
Walten zeigte ihm seine Entzückung darüber ganz , und die Neugier , womit er es zu hören kaum erwarten könne .
Aber Vult versetzte : " ich " glaube , morgen oder übermorgen ' lasse ' ich mich " mehr heraus . "
-- Walten flehte um das Projekt , sie waren nahe am Stadttore und Abschied .
Vult antwortete : " so viel kann ich sagen , daß ich nie Proschekt sage , sondern entweder französisch projet oder lateinisch projectum . "
-- Walten fragte , ob er denn nicht seine Freude über den bloßen Vorschlag merke , und ob er nicht denke , daß sie noch stärker steige durch Eröffnung .
" Gewiß ? ( sagte Vult ) Allein das projet gehört ja in eine ganz andere Nummer , sage ich dir , denn die heutige ist aus und gute Nacht ! " --
Nro. 31. Pillenstein .
Das Projekt .
" Purzel tut es " fuhr heftig Vult in die Stube des Notars , der freudig versetzte : " das gebe Gott , und was denn ? "
-- " Ich erkläre alles und Purzel ist der Theaterschneider , mein Hausherr -- erwiderte Vult mit den Blitzen der Laune im Auge , weil er eben die Digression über den Adel für den Doppel-Roman zu Papier gebracht .
-- So viel gibst du zu , daß du einige Heft- oder Demantnadeln zur Bundes- Naht mit Klotar -- was eben mein Projekt sein will -- vonnöten hast .
Handlungen freilich galten von jeher für die besten Fähren zum Herzen , für die rechten Kernschüsse zur Brust , da Worte nur Bogenschüsse sind , oder was man will .
Einem einen Uhrschlüssel abkaufen , oder sonst ein Kauf , das sperret mehr am bedeckten Gehäuse eines Menschen auf als dreißig dejeauners in einem Monat von 31 Tagen .
Wolltest du also dem Grafen z. B. nur einen Stein ins Fenster werfen oder an das Schulterblatt :
so kämest du sogleich mit ihm in Handlung und darauf leicht in nähere Verbindung ; oder eben so auch , wenn du im Finsteren auf ihn los fahren , ihn bei den Rockklappen packen und nicht los lassen wolltest , weil du ihn für deinen Bruder gehalten hättest , den du so unbeschreiblich liebtest , gäbest du vor .
Da aber das nicht geht , so höre :
mein Hausherr Purzel hat jetzt viele Turnier- und Tafelfähige Kleider in Arbeit , die er für das Theater kehrt und wendet ; ich staffiere dich mit einem vollständigen aus -- habe vorher dem Grafen , da ich ihn kenne , in einem Billet geschrieben , ich wünschte sehr , eines Abends vor ihm zu blasen -- bringe dich dann mit ( sprich noch nicht ) und lasse dich von ihm ohne besonderes artikuliertes Lügen , für einen Edelmann ansehen , bloß weil du ( das macht man ihm weiß ) mein Freund bist , und wir mit einander umgehen .
Dann kann sich das Adels- Pergament unmöglich mehr als Scheide- und Brand-Mauer und Ofenschirm zwischen eure Flammen ziehen ; und falls der Graf wirklich nicht wie ein Eisstück , eben so viel Eis unter dem Wasser verbirgt , als er daraus vorhebt :
so sehe ' ich euch , weil du unter und hinter der Flöte ihm alles sagen und zeigen kannst , vielleicht am Altar der Freundschaft verbunden stehen und ich bin freudig das Kopuliermesser * ) .
---- Jetzt sprich ! "
* ) Womit man bekanntlich Zweige pfropft .
" Göttlich , göttlich ! rief Walten und umhalste Volten .
Ich stehe dann auf dem Wagenstern der Liebe und rolle durch Himmel .
Aber , wenn ich ihn habe , den Lieben , ja dann muß ich durchaus -- noch denselben Abend -- meinen dürftigen Namen sagen ; nicht nur ein heißes Herz , auch ein offenes muß ich ihm bringen ; es tut dann nichts mehr . " -- Allein der bunte Zauberrauch verzog und senkte sich bald , womit seinen romantischen Geist anfangs das Wagstück berauschte .
Das Gewissen stellte sich kalt mit der Waage hin und wog nach Skrupeln .
Er konnte es nicht recht finden , die Freundschaft mit einem Blendwerk anzufangen , wenn er dieses auch nachher vertilge .
Der Bruder versicherte darauf , er wolle ihn bloß für seinen Verwandten desselben Namens ausgeben , was ja wahr sei , ferner das von im Feuer der Rede vergessen : " aber wenn ich nun zuletzt sage , ich bin dein Zwillingsbruder , was sagst denn du ? " sagte Walten .
-- " Herr Graf , sage ich -- versetzte Vult -- er ist allerdings der Bruder , ja Zwillingsbruder meines Herzens , und geistige oder kanonische Verwandtschaft , dächte ich , gälte wohl hienieden , da ja unser Herrgott selber eine dergleichen mit uns Bestien im Allgemeinen verstattet und sich unseren Vater nennen läßt .
-- Ist diese Verwandtschaft nicht wahr ? " Walten schüttelte .
" Was , fuhr der Flötenspieler fort , es wäre nicht so , nämlich daß wir uns geistig verbrüderten ?
O Zwilling , wer ist verwandter , bedenke ?
Wenn Körper Seelen ründen und Herzen gatten , so dächte ich , ein Paar Zwillinge -- um neun Monate früher einander verschwistert als alle andere Kinder -- in ihrer Zweischläferin Bett stelle des ersten Schlafes ohne Traum -- teilend alle und die frühesten und wichtigsten Schicksale ihres Lebens -- unter Einem Herzen schlagend mit zwei -- in einer Gemeinschaft , die vielleicht nie im Leben mehr vorkommt -- gleiche Nahrung , gleiche Nöten , gleiche Freuden , gleiches Wachsen und Welken -- beim Teufel , wenn ein solcher Fall , wo im eigentlichsten Sinn zwei Leiber Eine Seele ausmachen , wie ja der alte und erste Aristoteliker , nämlich Aristoteles selber , begehrt zur Freundschaft ; zum Sakerment , wenn von solchen Personen nicht der eine Zwilling sagen dürfte , er sei mit dem anderen geistig genug verwandt , Walten , wo wäre denn noch Verwandtschaft zu haben auf Erden ?
Kann es denn , du ordentlicher Bruder-Mörder , frühere , nähere , ältere , peinlichere Freundschaften geben , als bei solchen Zwillingen ?
O Gott , du lachst ja über Gerührte ! " schloß er wild und fuhr heftig mit der ganzen breiten Hand über die Augenknochen .
" Da wäre ich ja der Hölle wert , rief Walten und fing dessen Hand , um sie auf sein nasses Auge zu decken -- O Bruder , Bruder , weißt du es denn nie , wie ich dich fasse und deinen weichen Geist im stärksten Scherz ?
Ach wie ist dein Inneres so schön und mild , und warum weiß es denn nicht die ganze Welt ? --
Darum aber , was wäre ich , wenn ich es litte , was du bei Klotar wagen wolltest für mich ?
Nein , fremde Opfer mag man wohl annehmen , um von Martern loszukommen , aber nie , um mit ihnen Freuden einzukaufen .
Die Sache geht nicht , guter Vult ! "
Aber hier war dieser schon die Treppe hinab .
Indes , je mehr der Notar nachsann , desto unbilliger fand er_es , auf Vultens Kosten den Himmel der Freundschaft zu erstehen .
Zuletzt schrieb er ihm bestimmt , sein Gewissen leide es unmöglich .
Wenige Stunden darauf antwortete Vult folgendes : p. p. " Fraterkul !
Eben erhalt ich des Grafen Jawort mit deinem Neinwort ; du musst also mit , oder meine Ehre leidet gewaltig .
Fleuche und fliehe in einer guten Stunde zu mir .
Dein Umkleide oder Masken-Karakter liegt schon auf dem Stuhl .
Der Friseur ist bestellt mit Vorsteck-Locken .
Sporen und die Steifstiefel dazu stehen auch fertig .
Glaube mir aber auf Ehre , daß ein Bühnen-Habit für dich ausgelesen ist , der nicht simuliert , sondern nur dissimuliert .
Ein anders -- als was ich tue und miete -- wäre , wenn ich dich in einen Berghabit oder in eine Mönchskutte , oder in einen Waffenmantel oder in ein Bischofs-Pallium oder in englische Flegeljahre II. Bd. 14 Kapitains-Uniform oder in den Satan und seine Großmutter steckte ; so hingegen fällest du proper aus und unkenntlich , und dabei doch sittlich und wahr .
Versuche ihn nur bei mir an , deinen polnischen Rock und Mantel der Liebe für Klotar .
Purzel denkt gut , ja wohlfeil .
-- Ich schmachte freudig nach dem Spaß .
Der Abend macht dich noch unkenntlicher , des Puders gar nicht zu gedenken , den du weglassen musst . Dir zu schreiben vergesse ' ich ganz , daß ich nämlich , -- als ich den guten Grafen anfangs ins Rosenthal eingeladen zu einem matten Souper , natürlich ohne Deiner Erwähnung -- von ihm umgekehrt in seinen Garten invitieret worden .
Komme bestimmt , ich brenne .
Denn dieser Abend fället Definitiv-Sentenzen und Mandate ohne Klauseln über 40 bis 50 Tausend Abende nachher .
Gegenwärtiges schreibe ' ich fast gerührt ; -- Garrick wusste das bloße Alphabet so herzusagen , daß die Leute dazu trennten ; aber woraus besteht denn alles , was angreift , als aus Alphabeten ? -- Herzen gleichen Gänse-Eiern ; die , so in lauem Wasser nicht sich bewegen , sind fau le und tote -- Gott , ich werde heute so blasen , so trillern !
Ich freue mich freilich zu sehr. P. S.
Ich muß dir doch berichten -- anfangs wollte ich nicht -- daß dein künftiger Freund Klotar morgen früh um 3 Uhr auf und davon reiset , wie er sagt , nach Dresden -- eigentlich aber wohl , wie ich sage , nach Leipzig , um durch die protestantische Mutter die katholische Braut sich anzuöhren .
Bist du nicht der vollständige Schomaker II :
so kommst du heute und schlägst als Bürger mit dem Edelmann den Pedal-Triller der verwobenen Freundschaft .
Denn wo wäre Lüge , sobald ich nicht sage -- und du ohne dies nicht , -- daß du ein Edelmann bist , sondern ich nur anfangs , daß du mein Freund -- und du zuletzt , daß du ein Notarius bist -- wo , frag ich ? "
Ach , ich komme freilich ! schrieb Gottwalt zurück .
Nro. 32. Heller im Straußenmagen .
Menschenhaß und Reue .
Personen , die Vults alten noch versiegelten Brief an Walten gedruckt gelesen , durchschauen am ersten alle geheime Zwecke bei seiner Einkleidung des reinen Notars , und finden deren nicht weniger als zwei .
Der erste geheime Zweck Vults ist wahrscheinlich der , sich mehr zu ärgern als bisher , und dadurch -- indem er der brüderlichen Freundschaft gegen den Grafen zusieht oder gar der Erwiderung derselben -- sich zu jenem zornigen Ausbruch aufzutreiben , ohne welchen , seiner bekannten Meinung nach , an Versöhnungen gar nicht zu denken ist , außer an schlechte .
Freundschaftliche Eifersucht ist viel stärker als liebende , schon weil sie nicht , wie diese , ihren Gegenstand zu verachten vermag . --
Die zweite Absicht Vults bei dem Verkleiden kann sich nur auf den Wechsel- oder Hornschluß gründen , daß der Graf den Notar -- wenn dieser den adeligen Pfauenschwanz fallen lassen -- als nackte Notariats-Krähe entweder wild aus Herz und Gar ten jagt ( dann gewänne eben Vult ) , oder ihm , wie eine Krähe der anderen , nichts aushackt ( dann könnte Vult sehr zanken und sich spät versöhnen ) ; -- und einen dritten Fall gibt es eben nicht .
Der Notar kam ziemlich beklommen bei dem Bruder an . " hier , sagte Vult , liegt der menschenhassende Meinau aus Kotzebues Menschenhaß und Reue auf dem Stuhl " und zeigte auf den feinsten Überrock , den Purzel für edle Bühnen-Karaktere gekehrt hatte , ferner einen langhaarigen Rundhut , gespornte Steifstiefel , drei Ellen lange Halsbinden für den Hals , um die Farben im Gesicht zu unterbinden , und seidene Unterkleider .
Aber was vorher leicht durch den Äther der Einbildung flog , steckte jetzt fest vor Walten in der unbehilflichen Gegenwart , und die Sünde zerfiel in Sünden .
" Beim Henker , sagte Vult und streifte dem Notarius das Zöpflein herunter , skrupelst du doch als könnte es nicht eben so gut eine An- als Verkleidung vorstellen .
Besteht denn ein Edelmann in einem Paar Stiefeln und Sporen ?
Säuere mir nichts ! "
-- Ein Friseur erschien .
Das ganze Haar musste in unzählige Locken zurückrollen .
Darauf wurde er hermetisch mit Seide und Tuch versiegelt ; und sein Kern wuchs ganz in die Kotzebuische Schote hinein .
Unterwegs schwor ihm Vult , er sei -- schon wegen der Dämmerung -- unkenntlich genug ; und ein Großer sehe und behalte kein Bürgergesicht .
Am Ende wurde ihm selber der Notar , der blühend , liebe-zitternd neben ihm ging , ordentlich zum menschenfeindlichen Meinau .
" Es fehlt nicht viel , sagte er , so falle ich dich an , weil ich denke , ich habe Meinau vor mir , der sich einige Akte lang schmeichelte und angewöhnte , die Menschen zu hassen aus Mädgen-Liebe , wie etwan Hasen durch Schlangen dahin zu bringen sind , daß sie trommeln wie Krieger .
Weichen Schlamm und Sumpf soll der Kollegienrat K. abmalen , aber nicht Dietrichs Felsen .
Mit seinen Patent-Herzen , wie Pott mit Patent-Füssen zum Knien , stehe er feil , sogar mit verächtlichen , aber nur nicht mit verachtenden !
Da sei der Teufel so sanft , wie ein Exjesuit , wenn man überall vor und auf der Bühne Jünglingen begegnet , die Fait von Menschen-Verachtung machen , weil ein Mädchen sie ein wenig verachtet hatte -- Tröpfe , bei denen der misanthropische Tollwurm nur , wie bei Hunden , im Zungenbande besteht und denen er , wie Kindern der Wurm , abgienge , wenn man sie stärkte -- Walten , unterstehst du dich auch und hassest die Menschen ? "
-- " Nicht Einen , auch nicht einen unglücklichen Menschenfeind ( sagt ' er unendlich sanft ) , aber du fragst doch sehr hart ? "
-- " Vergib , versetzte Vult , ich fahr schon seit zehn Jahren auf und los , wenn ich nur etwas vom Theater rieche und wäre es nur ein Souffleur , oder der Souffleur des Souffleurs , der Poet , ja ein bloßer Hofrat , -- da doch die meisten Theater-Helden wie in Dorpat die Professoren , H fraths-Rang -- ; denn , das Schauspielervolk ausgenommen , zeigt nichts eine so ekle Gemeinheit als das Bühnenschreibervolk ; Spieler und Schreiber verkörpern und beseelen sich wechselseitig ; und bekielen sich mit Lanierschwänzen " -- " Lanierschweife ? " fragte Walten .
" Sind der Schwanz , versetzte Vult , den ein Falkeniere einem abkräftigen Falken in die offenen Kiele des ausgefallenen künstlich einklebt mit ein wenig Hausenblasenleim .
Die armen Schauspieler ( transßendente Statisten ) sind die Statuen , welche * ) jeden Abend eine Seele von ihren Bildhauern oder Dichtern fordern , um davon zu leben . "
Sie kamen im Park an , wo ihnen der Graf mit seiner einfachen , ernsten , vornehmen Haltung entgegen ging .
" Es ist mein Freund und Verwandter gleiches Namens , stellte Vult den gekehrten Meinau dem Grafen vor , -- seine Liebe zur Flöte treibt ihn mir nach . "
Walten machte statt vieler Entschuldigungen -- die ihm der Bruder abgeraten -- ganz keck nur einen Bückling , weil der Graf , hatte Vult gesagt , wenig Welt besäße , wenn er ihn in seinem Garten ausfragen wollte , wie ein Katechet unter dem Tore .
* )
Die Perser glauben , daß die Statuen am jüngsten Tage Seelen von den Bildhauern begehren werden .
Walten dachte gleichfalls zu redlich , um vor dem Grafen etwas anders , nur den schwächsten Gedanken , zu verkleiden , als seinen Leib .
Vult hatte Recht gehabt , daß Große , die auf Reisen und an Höfen an zwanzig Heere von Menschen gesehen , nicht leicht den Nachtrab aus einem Notarius sonderlich im Kopfe behalten und aufheben ; Klotar sah ihn ein wenig sinnend an , kannte aber den viellockigen , zopflosen , dickbindigen Kavalier in der Dämmerung nicht .
Letzterem wurde es etwas eng in seiner Meinaus-Haut .
Die Verkleidungen in Romanen bilden die in der Wirklichkeit den Menschen zu lustig vor .
Wie im Zimmer das Wetter , so ist im Freien die schöne Natur der Notpfennig und Hecktaler des Gesprächs -- Walten hatte dem Grafen kein Hehl , daß diese Stelle , ( wo er einmal Abends dem Musizieren zugehöret hatte , ) mit der Katarakte hinter dem Rücken , der Vestalen- Statue dabei , den fernen Höhen , ihre wahren Reize habe .
Klotar aber wollte wenig daraus machen , sondern versicherte , jeder Park gefalle nur einmal .
Der Flötenspieler war so wortkarg und höflich gegen den Grafen als dieser selber , und sparte Laune und Zunge nur der Flöte auf .
Die Gebrüder Harnisch wurden mit einem mehr aus Blättern als aus Beeren gequetschten Wein bewirtet .
Der Graf trank keinen ; Walten aber einigen , um wie ein Schmied Verstärkungs-Wasser ins Feuer zu sprengen .
Vult , über den Krätzer und alles aufgebracht , ging schnell mit der Flöte auf und ab , ohne zu blasen .
Klotar überlies ihn seiner Laune .
Endlich fing er ( lustwandelnd dabei ) sein Flötenkonzert ein wenig an , und blies aus Künstler-Kälte gegen jenen nur obenhin -- zerstückte Phantasier-Gallopaden -- musikalische Halbfarben zu Halbschatten -- starke Eingriffe in die Flöten- Saiten , wie sie die Faust eines Sturmwinds auf die Äolsharfe tut .
Beiden Kavalieren wurde durch dieses melodramatische Absetzen das Gespräch angenehm durchschossen , in welches sie mit einander geraten durften unter solcher Musik .
Der englische Park wurde ein Postschiff , worauf bei de nach England übersetzten , um es einmütig zu besehen und zu erheben .
Klotar lobte die britische Ungeselligkeit : " zu gewissen Fehlern gehören Vorzüge " sagte er .
" Nur Blumen schlafen , nicht Gras , " sagte Walten , der durch Poesie und Übersicht leicht die fremde Meinung in seine übersetzte und umgekehrt .
Wer immer nur die Morgen- und Sonnenseite sucht , findet leicht überall Wärme und Licht .
Klotar behauptete , daß die Freundschaft keinen Stand kenne , wie die Seele kein Geschlecht .
Walten tournierte seine Antwort dergestalt , daß sie so klang : " auch im Bestreben , die Ungleichheit zu vergessen , müssen beide Freunde gleich sein " aber seine Aussprache war ein wenig bäuerisch , und sein Auge blickte nicht fein , sondern es strömte klar über von Liebesfeuer .
Der Graf stand ruhig auf und sagte , er entferne sich nur einen Augenblick , um die Abreise eine halbe Stunde später anzuordnen , und er gestehe , er sei selten so leicht verstanden worden als diesen Abend .
Mit unsäglicher Entzückung sagte Walten leise zu Vult : " habe Dank , habe Dank , mein Vult ! --
O so sollte man doch nie das Benehmen eines Menschen gegen uns , und wäre es noch so frostig , zum Maße seines Wertes machen !
Wie viel reiche Seelen gehen uns durch Stolz verloren ! --
Ich sage Ihm nachher alles , Vult . "
-- -- " Der Krätzer aber -- versetzte Vult -- könnte etwas besser sein . --
Das tue ' ! --
Ich halte Ihn selber für keinen selbstsüchtigen Eisvogel und Frost-Zuleiter weiter .
-- Er wusste zwar von deinem Gesichte und von der schnellen Kur meiner Stadtkündigen Erblindung nichts mehr ; es mag aber mehr in seiner Memorie liegen , und ohnehin darin , daß ein fremder Mensch ihm weniger sein muß als sein eigener . "
Und hier vergoß er sich , ohne Antwort abzuwarten , in seine Flöte , seine zweite Luftröhre , sein Feuerrohr und blies schon trefflich , als der Graf kam .
Dieser hörte das Spiel aus , und sagte nichts .
Walten konnte nichts sagen ; er hatte den Mond , den Grafen , den Wein , die Flöte und sich selber im Kopfe .
Der Mond hatte die mit Windmühlen besetzten Höhen erstiegen , und glänzte vom Himmel herunter in die weite Ebene und den Fluß voll Licht .
Der Notar sah auf dem Gesicht des Jünglings ein ernstes , tiefes und schmachtendes Leben wehmütig im Mondschein blühen .
Die Töne wurden ihm ein Tönen , die Flöte setzt er schon als ein Posthorn auf den Bock , das ihm den neuen Freund und die süßeste Zukunft davon blase in weite Fernen hinein ; " und wo kann der Gute wieder finden , dachte Walten , was er verlassen und beweinen muß , eine Geliebte wie Wina ? " --
Länger konnte er sich nicht halten , er musste die zarte Hand des Grafen haben .
Da er unbeschreiblich delikat sein wollte und zwar in einem Grade , der , hofft er , über die ältesten französischen Romane der französischen Weiber hinauslief :
so erlaubte er sich nicht von weitem zu bemerken , daß die Achse an Klothars Braut-Wagen zerbrochen sei .
" Wir hätten uns früher , setzte der Graf und drückte die Hand , sehen sollen , ehe die Sphinx , wie ein sehr wackerer Dichter die Liebe beschreibt , mir die Tatzen zeigte . "
-- Walten war der wackere Dichter selber gewesen .
Mit diesem silbernen Leitton wurde er ordentlich von dem zur Saite gespannten Liebesseil , das ihn gab und worauf er tanzte , aufgeschnellt , er konnte die Himmel nicht zählen ( der Flug war zu schnell ) , wodurch er fuhr .
Er drückte mit seiner zweiten Hand seine erste recht an die fremde ergriffene und sagte -- nichts von seiner dichterischen Vaterschaft , sondern :
-- " Edler Graf , glauben Sie mir , ich kannte Sie schon früher , ich suchte und sah Sie lange -- -- Blase , Guter -- wandte er sich plötzlich zu Vult , der zwischen Himmel und Hölle auf- und niederfuhr mit jener männlichen Lustigkeit , die dem weiblichen hysterischen Lachen gleicht -- milder , blase Hirtenlieder , Lautenzüge , Gottesfrieden . "
Vult spielte noch fünf oder sechs Kehraus und Valetstürme , und hörte gar auf , weil er sich zu gut dünkte , und es zu lächerlich fand , den Abfall von seinem Herzen , den Text abtrünniger Empfindungen , in Musik zu setzen .
" Auch ich entsinne mich Ihrer Erscheinung , aber dunkel , doch wünsche ich Ihr Inkognito nicht zu brechen " versetzte der Graf .
" Nein , es werde gebrochen ( rief der Notar ) , ich bin der Notarius Harnisch aus Elterlein , derselbe , der den Brief des Fräuleins Wina im Park fand und übergab . "
" Was ? " sagte der Graf gedehnt und stand als König auf ; er besann sich aber wieder und sagte ruhig : " ich bitte Sie sehr ernsthaft um Ihren Namen und besonders um die Eröffnung , in wie fern Sie in die Brief-Sache verwickelt waren . "
Walten sah sich nach dem Flötenisten um ; aber dieser war nach seinen Sturm-Stössen in die Flöte seitwärts in einen Gang getreten , um zwei Herzens-Ergießungen aus dem Weg zu gehen , wobei nach seiner Überzeugung , nichts geringeres als er selber ersoff .
Walten erschrak über des Grafen Erschrecken und sagte :
er wünsche herzlich , nichts Unangenehmes gesagt zu haben .
" Gott , was ist mit meinem Bruder ? " rief er ; eine Schlägerei und Vults Stimme lärmten im Gebüsch .
" Im Park ist keine Gefahr -- sagte der Graf -- nur weiter , weiter ! " --
Walten erzählte schnell das Finden des offenen Briefes im Park .
" Was , Mon fieur ? rief jener laut neben dem lauten Wasserfall .
Er kann sich unterstehen , meine Briefe , die Er in meinem Parke aufgelesen , dem Generale zu übergeben , um sich bei ihm einzuschmeicheln , weil dieser der Rittergutsherr von Elterlein ist , Herr ? "
Walten wurde wie von zwei Blitzen getroffen , gelähmt und gereizt ; mit sterbender milder Stimme sagte er : " Ach Himmel ! das ist aber zu ungerecht -- Unglück über Unglück -- ich bin wohl unschuldig -- Nein , nein , nur nicht so entsetzlich ungerecht sei man -- Und es war in Neupeters Park . "
-- Vult hörte Klothars Stimme und lief aus der Mooshütte her , worin er aus Verdruß seine alte Kunst , mit seinem Ich eine prügelnde Stube vorzustellen , getrieben ha___ Walten stand an der Statue der Vestalin , die den Kopf senkte , als wäre er ihr Ehemann .
Der Flötenist , auf eine noch geistigere Schlägerei treffend , als seine gewesen , sah aus allem , daß Walten seine adelige Hülse und Raupen-Haut abgesprengt habe , und als feste unbewegliche Puppe da hänge .
Er bat sich sogleich vom Grafen einige Erklärung des Unwillens aus .
" Sie liegt in der Sache -- versetzte , ohne ihn anzusehen , dieser -- nur begreif ich nicht , wie man keck genug dieselbe Person aufsuchen kann , deren Briefe man liest , man usurpiert und man in falsche Hände spielt , die ausdrücklich darin verbeten wurden . "
-- " O ich habe nichts gelesen -- sagte Walten -- ich habe nichts getan ; aber ich erdulde gern das härteste Wort , da ich ein solches Unglück über Sie gebracht " sagte Walten und zog im Krampf der Hand einen kurzen Theaterdolch aus dem menschenfeindlichen Überrock und schwang ihn unbewusst .
Der Graf bog sich ein wenig zurück vor dem Sack- Stilett :
was soll das ? sagt er zornig -- " Herr Graf , fing Vult sehr stark an , auf mein Ehrenwort , er hat nichts gelesen , sage ich , ob ich gleich nicht weiß , von was die Rede ist .
-- Gottwalt besieh , was du in der Hand hast ! "
Glühend stieß dieser die Waffe in die Scheide der Tasche .
Flegeljahre II. Bd. 15 " Herr van der Harnisch , wandte Klotar sich zum Flötenspieler , von Ihnen habe ich mir eine besondere Erklärung auszubitten , in wiefern Sie mir diesen Notar unter fremdem Namen präsentieren konnten . "
-- " Ich stehe zu jeder da -- versetzte Vult -- als meinen Freund und Verwandten gab ich ihn -- das bleibt er -- ich konnte ihn auch als mutmaßlichen Gesammt- Erben der von der Kabelschen Erbschaft präsentieren .
Ist sonst noch eine Erklärung nötig ?
-- " Ich würde sie fordern , versetzte der Graf , wenn ich nicht eben in den Reise-Wagen stiege . "
-- " Ich bin erbötig nachzusteigen und darin aus einander zu setzen oder überall " sagte Vult und ging beleidigt dem Grafen nach , der auf seinen Wagen mit stolzer Kälte zuschritt .
" O höre auf mich , schone mich , bat Walten , du weist nicht , was ich ihm genommen . "
-- " Der Narr soll nicht hitzig reden , und du bist auch einer " fuhr er den Notarius an .
" Hr. Graf , Sie sind mir noch Antwort schuldig " sagte Vult .
" Gar keine ; aber ich frage : sind Sie beide Brüder ? " sagte Klotar .
" Vater und Mutter müssen Sie fragen , nicht mich " sagte Vult .
Der unglückliche Notar konnte matt den Sargdeckel nicht aufstoßen , zu welchem hinunter er die polternden Zurüstungen zu einem Duelle über seinem Kopfe hörte .
" Wenn Sie niemand unter falschem Titel präsentiert haben als sich selber , so brauche ich keine Erklärung ; von Bürgerlichen forder ich keine " sagte der Graf und saß im Wagen .
Vult ließ die Türe nicht schließen , und rief noch hinein : " können denn nicht die zwei Narren von Adel sein -- oder gar drei ? "
Aber der Wagen rollte fort und er blieb mit vergeblicher Tapferkeit zurück .
Walten konnte erdrückt dem Menschen kein Glück nachwünschen , dem er das größte genommen ; nicht einmal im Herzen wagt er es , Wünsche auszudenken .
Ohne Worte schlich er mit dem stillen Bruder aus dem verlorenen Eden- Garten .
Vult sah den Bruder unter der inneren tiefhängenden Wetterwolke gebogen gehen ; aber er sprach kein Wort zum Trost .
Walten nahm dessen Hand , um sich an ein Herz anzuhalten ; und fragte : wer kann mich noch lieben ?
Vult schwieg und hielt seine Hand nur schlaff .
Walten entzog sie ; das steife scharfe Schweigen hielt er für eine Strafpredigt gegen seine Versündigung .
Er ging weinend durch die lustigen Abend-Gassen , neben einem Bruder , um dessen eifersüchtige Brust die Tränen wie versteinernde Wasser nur Stein-Rinden ansetzten .
" Warum hast du mich beschützen wollen , sagte Walten ?
Ich war ja nicht unschuldig .
Weist du alles mit dem Briefe ? "
Vult schüttelte kalt den Kopf ; denn Walts frühere Erzählungen davon waren , wie alle seine von sich , aus blöder Demut zu karg und unbestimmt gewesen , als daß Vult sein altes , von der Welt gewecktes historisches Talent , jede Begebenheit rück- und vorwärts zu konstruieren und zu der kleinsten eine lange Vergangenheit und Zukunft zu erfinden , sehr dabei hätte zeigen können .
Walten hatte von diesem Hoftalent nichts an sich ; er sah und strich in Einem fort ein Faktum malend an ; und weiter brachte ' er_es nie .
Walten erzählt ihm nun das unglückliche Übergeben von Winas Brief an ihren Vater .
" Ei Teufel ! -- rief Vult verändert , denn er erriet nun alles und erschrak über die Verwicklung , in welche er den Bruder gezogen -- " Schuppe dich droben bei mir ab . "
-- " Ja -- sagte Walten -- Und ob ich gleich kein Unglück wollte , so hätte ich doch die Absicht nicht haben sollen , den Vater und die Braut zu sehen .
Ach wer kann denn sagen im vielfach verworrenen Leben :
ich bin rein .
Das Schicksal hält uns ( fuhr er auf der Treppe fort ) im Zufalle den Vergrößerungsspiegel unserer kleinsten Verzerrung vor -- Ach über dem leisen leeren Wort , über sanften Klängen steht eine stille bedeckte Höhe , aus der sie einen ungeheuren Jammer auf das Leben herunter ziehen * ) . "
" Schäle dich nur zuvörderst aus dem Hunds-Meinau heraus " sagte Vult sanfter , als sie ins stille von Mondlicht gefüllte Zimmer traten .
Schweigend hob der Notar den Kotzebuischen Zuckerguss wie ein Strom sein Eis , tat sanft den Überrock und Koadjutor-Hut * )
Ein Wort , ein Glockenton reißet oft die Lauwine ins Fallen. ab , und strich die Locken wieder aus .
Als Vult im Mondlicht dem betrübten Schelm das dünne Nankingrökgen wie einen Gehenkten , am Aufhäng-Bänden hinlangt , und er es überhaupt überlegte , wie lächerlich der Bruder mit dem Korkwams der Verkleidung auf dem Trocknen sitzen geblieben :
so dauerte ihn der getäuschte stille Mensch in seinen weiten Steifstiefeln unsäglich und ihm brach mitten im Lächeln das Herz in zwei Stücke von -- Tränen entzwei .
" Ich will Dir -- sagte er , sich hinter ihn wie hinter ein Schiesspferd stellend -- das Zöpflein machen . --
Nimm aber das Zopfband zwischen die Zähne ; das eine Ende . "
Er tat_es fast verschämt .
Als Vult gar das weiche Kräuselhaar unter die Finger bekam und den brüderlichen Rücken vor sich hatte -- der sehr leicht den Menschen auf einmal tot , fern und abwesend darstellt und durch diese Linienperspektive des Herzens das fremde mitleidig bewegt : -- so hielt er dem Kopfe den Zügel des Haares ganz kurz am Genick , damit Gottwalt sich nicht umkehren könnte , weil er ihm mit fast schwerer Stimme ( weinen konnte ' er in solcher Stellung frei und lustig wie er wollte ) die Frage tat : Gottwalt , liebst du einen gewissen Quoddeus Vult noch ?
In der Stimme lag etwas gerührtes .
Walten wollte sich eiligst herum werfen , aber er wurde an den Haaren gehalten : " O Vult , liebst du mich denn noch ? " rief er weinend , und ließ das Zopfband fahren .
" Mehr als jeden und alle Spitzbuben hienieden -- versetzte Vult und konnte schwer reden -- und darum krächz ich wie ein Hund und wie ein Weib .
Beiße wieder aufs Zopfband ! " --
Aber der Notar fuhr schnell herum und wurde schneeweiß , als er Tränen über das Wellen schlagende Gesicht des Bruders rinnen sah : o Gott !
was fehlt Dir , rief er ? -- " Vielleicht nichts oder so etwas , sagte Vult , oder gar Liebe .
So fahr nur heraus , das verfluchte Wort , ich war eifersüchtig auf den Grafen .
Es ist nicht sauber vom Bruder , sagte ich mir , daß Er so reviert und jagt , da man ihm mehr zugetan ist als allen Menschen , die der Satan sämtlich hole , und von welchen ich in der Tat so schlimm denke , als irgend ein Kirchen-Vater , ein griechischer oder römischer .
Er muß nur nicht denken , mich mit lumpiger Geschwister-Liebe abzufinden .
Mein junges Leben steht schon sehr trocken da , die Freihäfen der Liebe hat ihr Meer verlassen -- und keine Katze kann hinein und ankern -- Bruder , ich hatte oft einige Tage voll Ohrenbrausen , Nächte voll Herzgespann -- Der Donner , ich weinte einmal Abends gegen halb 12 Uhr " -- --
Er musste aber innen halten , die Unterlippe des bestürzten Notars zog ein heißer schwerer Liebesschmerz tief herunter .
" Was betrübt dich so ? " fragte Vult .
Walten schüttelte -- schritt weit auf und ab -- nahm bald ein Glas , bald ein Buch in die Hand -- sah nichts an -- schaute in den hellen Mond und weinte heißer .
" So sei es gut , sagte Vult ; wir wollen die alten sein " und umarmte ihn , aber Walten riß sich bald los .
Endlich fast er sich und sagte schmerzlich : " muß ich denn alles unglücklich machen ?
Du bist heute der dritte Mensch .
Die drei Wachskinder in meinem Traum . "
Vult fragte , um ihn von den Schmerzen abzuführen , dringend nach dem Traum .
Ungern , eilig erzählte Walten :
" Verhüllte Gestalten gingen vor mir vorbei und fragten mich , warum ich nicht jammerte und nicht blaß würde .
Eine nach der anderen kam und fragte .
Ich zitterte vor einer ungeheuren Entschleierung .
Da flogen drei bildschöne Kinder aus Wachs vom Himmel , sie blickten freundlich , Gerüsten mich .
Gebt mir die weisen Händlein und zieht mich hinauf , sagte ich .
Sie taten es , aber ich riß ihnen die Arme mit der Brust aus , und sie fielen tot herunter .
Und schon als ich erwachte , sah ich noch einen fernen dunklen Leichenzug , der auf den Knien weiter zog .
Der Traum ist eingetroffen . "
Vult , dem der zornige Schmerz wie weggezaubert war , machte jetzt alle Anstalten zur Kur des fremden ; er stellte ihm alles auf der leichtern Seite vor , klagte den giftigen Schmollwinkel in seiner linken Herzenskammer an , in welchem ein Schmoll-Kobold und Währwolfhause und feurig blicke , zog das Silber von den Giftpillen ab , die er bisher in seine Billett eingewickelt hatte , und machte sein Naturel bekannt , das ohne tüchtigen Zank nicht traktabel werde , wie die Haubenlerche allezeit singe , wenn sie keife , und schwor , Walten sei nicht der Erste , dem er mit diesem Seelen-Pips beschwerlich falle , sondern der letzte ; denn dessen grenzenlose Leutseligkeit stelle ihn gewiß davon her . "
Aber Walten wollte wenig Vernunft annehmen , hielt alles für opfernde Zartheit , und warf ein , daß ihn Vult ja eben gegen den Grafen so feurig beschirmt , und bisher zu diesem sogar den Weg gebahnt habe .
" Aus Gift , Schatz , sagte Vult , und einigem Stolz dazu , nur darum .
Hier -- fuhr er fort und holte den mit zwei Siegeln verschlossenen Brief hervor -- lies den Beweis , ich habe dich voraus gerechtfertigt , und mich besonders . "
Der Notarius machte aber das Blatt nicht auf , er sagte , er glaubte aufs Wort und ver stehe ihn endlich und jetzt sei ihm wieder um vieles besser .
Vult ließ es dabei und drückte sich dem Bruder , mit der lang verschobenen heißen Umarmung an das Herz , die seinen wilden Geist erklärte .
Und der Bruder wurde glücklich und sagte : wir bleiben Brüder .
" Nur einen Freund kann der Mensch haben , sagt Montaigne " sagte Vult .
" O ! nur Einen , sagte Walten -- Und nur Einen Vater , und nur Eine Mutter , Eine Geliebte -- und nur Einen , Einen Zwillings- Bruder ! "
Vult versetzte ganz ernsthaft : " ja wohl , nur Einen !
Und in jedem Herzen bleibe nur die Liebe und das Recht . "
" Spaße wieder wie sonst , ich lache gewiß , so gut ich kann -- sagte Walten -- zum Beweise deiner Versöhnung ; Dein Ernst durchschneidet sehr das Herz . "
" Wenn du willst , so kann wohl gescherzt werden -- sagte er -- Und nein !
Bei Gott nein ! --
Wenn die Kamtschadalen glauben , -- nach Steller , -- von zwei Zwillingen habe jederzeit der eine einen Wolf zum Vater :
so bin ich wahrlich dieser Wolfs-Bastard-Mestize- Mondkalb , du schwerlich . "
Jetzt , da wir alle klar über die Verwicklung sprechen können , darf ich dir sagen , daß du durchaus rein und recht gegen den Grafen gehandelt ; nur daß du zu wenig Egoismus hast , um irgend einen zu erraten .
Klotar hat fast großen -- wahrlich , ich greife heute niemand an , sondern schlage Dir nach -- Aber die Philosophen , junge gar , wie er , sind doch bei Gott den Augenblick egoistisch .
Menschenliebende Maximen und Moralien sind , weist du , nur Scherwenzel ; ein Licht ist kein Feuer , ein Leuchter kein Ofen ; dennoch meint sämtliches philosophisches Pak das Deutschland hinauf und hinab , sobald es nur sein Talglicht in das Herz trage und auf den Tisch setze , so heize das Licht beide Kammern zulänglich . "
" Lieber Vult -- sagte Walten mit der zärtlichsten Stimme -- erlasse mir die Antwort ; ich darf heute am wenigsten über den unglücklichen Klotar aburteilen , dem ich das Schönste genommen , und der nun einsam in der Nacht hinreiset mit nächtlichem Herzen in nächtliche Zukunft .
Du bist rein , nicht ich ; du kannst sprechen . "
" So spreche ich , sagte er , der Philosoph hat sich diesen Abend gehäutet ; und das bedeutet , wenn_es Spinnen tun , klares Wetter .
Apropos ! häute dich , aber besser und physisch ! --
Das tat Walten ; jener hielt ihn , als er sich zum Entkleiden auf den Stiefelknecht stellte : " wie lächelt der Mond , sagte Vult , im Zimmer herum ! "
-- Darauf setzte er hinzu : " stelle dich in den süßen Schein , und nimm wieder das Band- Ende zwischen die Zähne ; jetzt flechte ich dir dein Zöpflein mit ganz anderen Empfindungen und Fingern als vorhin , pompöser Krauskopf ! "
-- Darauf schieden sie ruhig und liebreich .
Ende des zweiten Bändgens .

License
CC-BY
Link to license

Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2025). Paul, Jean. Flegeljahre: Teil 2. Bildungsromankorpus. https://hdl.handle.net/21.11113/4c0bp.0