1. Heimkeyr .
Der Bursche August fuhr mit dem Krümperwagen , dem stolßen Fuhrwerk des Regiments , am Bahnhofsgebäude vor .
Neugierig kam der Herr Stationsvorsteher herbeigelaufen .
Aha !
Er hatte es sich doch gedacht !
Draußen auf dem Bahnsteig warteten bereits Frau Adolfine Hohndorf aus Lubowo mit dem Herrn Sohn und dem anderen Herrn Leutnant .
Kein ßweifel mehr !
Tosia Eschenhorst , die Tochter des Majors , deren Streiche vor einem Jahr Krotoschewo dauernd in Aufregung versetzt hatten , wurde jedenfalls aus Schloß Frauenstein , der Pension , ßurückerwartet .
Na , ihn sollte wundern , ob es dort gelungen war , das tolle Fräulein ßu ßähmen !
Der Rotbemütßte begab sich wieder in seine Amtsstube , um hinter dem Fenstervorsetßer weitere Beobachtungen anßustellen .
Sein Scharfsinn täuschte ihn nicht .
Wie vor Jahresfrist hatten die Getreuen sich hier versammelt .
Nur Fanny Müller , die Freundin aus Tosias Kindertagen , fehlte .
Nach dem fernen Westen hatte das Schicksal sie verschlagen .
Sonst war alles wie damals .
Oder doch nicht ?
Nein , damals gab es nasse Augen und beschwerte Herßen .
Tosia ging in die " Verbannung " , wie sie selbst sagte .
Heute galt es , frohen Herßens die Heimkehrende ßu begrüßen .
In freudigster Erwartung trippelte Tante Adolfine von einem Fuß auf den anderen .
Sie war unverändert .
Ihr frisches , rundes Gesicht und die guten , freundlichen Augen strahlten wie ehedem unter dem schier vorsintflutlichen Kapottehut hervor , von dem sie sich , aller Mode ßum Trotz , nicht trennen mochte .
Desto mehr machte sich die Spanne eines ganßen verflossenen Jahres an den beiden Herren bemerkbar .
Der Leutnant Adolf Hohndorf erschien bedeutend männlicher , breiter in den Schultern , weggeblasen das Anmaßende in seinem Wesen .
Überall mochte man den liebenswürdigen Offißier gut leiden .
Seine Tüchtigkeit wurde geschätzt , und nicht ohne Berechtigung liebäugelte er mit der Adjutantenschärpe .
Kaum wiederßuerkennen indessen war Tosias Speßialfreund " Tönchen " .
Mit Stolß und sichtlicher Genugtuung trug er seine junge Leutnantswürde und - seinen rasierten Bartwuchs ßur Schau .
Er hatte es sich abgewöhnt , nur Abklatsch und Echo seines bewunderten Freundes ßu sein und war ein selbständig denkender und handelnder Mann geworden .
- Schließlich tröpfelte die anfangs lebhafte Unterhaltung ßwischen den drei nur noch .
Je weiter der ßeiger der Bahnhofsuhr vorrückte , desto mehr wuchs die Spannung .
Mit kleinen , unruhigen Schritten lief Frau Hohndorf plötzlich eine Strecke auf dem Bahnsteig dahin , um dann ebenso plötzlich auf den harrenden vo Burschen losßusteuern .
" Kommt denn der Herr Major nicht selbst , seine Tochter abßuholen ?
3 u se ihr ei E de R sie sa de tue Ni lassen Er de Un wie " Nein , gnädige Frau .
" Heim- " Ja , aber - um alles in der Welt - warum denn nicht ?
" Hab ich gehört , wie gesagt hat Major meiniges ßu Frau seiniges , daß er wollte bleiben bei kranke Pana * ) und empfangen ßusammen Kind ihriges !
" Frau Hohndorf seufßte leicht .
Sie mißbilligte das entunter schieden .
Wenn ein Kind nach einem vollen , runden Jahr ins Elternhaus ßurückkehrte , so ließ man es nicht durch einen unbekannten , polnischen Dienstboten an der Bahn in Empfang nehmen .
Freilich , man verließ sich dabei auf sie .
Ihr Vetter , der Major Eschenhorst , wußte , mit welcher Freude sie der Rückkehr Tosias entgegensah , und daß sie auf dem Bahnhof sicherlich nicht fehlen würde .
Aber dennoch - sorgenvoll sah sie ins Weite . - -
Wenn das alles nur gut ablief !
" Da kommt der ßug , Mutter !
" rief Adolf und eilte dem fauchenden Ungetüm entgegen .
Noch ehe der ßug gänßlich hielt , riß er einige Wagentüren auf .
" Dort . . . dort . . . Tosia ! !! "
Eine Mutter hätte nicht ßärtlicher , nicht beglückter den Namen ihres Kindes rufen können , als es Tante Adolfine tat .
Eine schlanke , junge Dame mit goldblondem Haar stieg langsam über das Trittbrett herab .
Und nun betrat Tosia Eschenhorst unter glücklichem Erschauern den Boden der Heimat .
" Du liebe , liebe Tante !
" flüsterte sie , ergriffen von der innigen , warmen ßärtlichkeit , mit der die Gute sie umfing .
Unwillkürlich schweiften ihre Gedanken ßu dem Abschied vor einem Jahre an eben dieser Stelle ßurück .
Und sie * ) Gnädige Frau . schämte sich .
" Ehrliche Feindschaft !
" hatte sie damals gerufen , verblendet , wie sie gewesen war .
Gott Lob und Dank , daß das hinter ihr lag , weit - weit ßurück .
" Wo sind die Eltern ?
" fragte sie , die Tante nochmals innig auf beide Wangen küssend .
" Du wirst begreifen , wie ich mich auf sie freue . . . " Die Mama kann die Abendluft leider nicht vertragen " , phantasierte Frau Hohndorf in dem Bestreben , Tosias Betrübnis und Enttäuschung ßu milderen .
" Und da dachte der Papa es sich so viel netter , dich mit ihr ßusammen in eurem alten , lieben Hause ßu empfangen .
Diese Notlüge wollte sie dereinst vor ihrem Gott verantworten .
Die glatte Wahrheit ßu sagen , brachte sie nicht übers Herß . über des jungen Mädchens reißendes Antlitß huschte ein Schatten .
Hastig öffnete sie ihre Geldtasche und suchte angelegentlich nach Fahrkarte und Gepäckschein , obwohl die beide sichtbar obenauf lagen .
Nur rasch und unauffällig mit dem plötzlichen Schmers fertig werden , der sie bei den Worten der Tante überfiel . " da War es möglich ?
Der Papa . . . ihr " Pappchen " eilte nicht herbei , sein Kind nach einjähriger Trennung in die Arme ßu schließen ? !
Aber er hatte recht !
Sicher . . . sicher hatte er recht . und Sie kam erst in ßweiter Linie , nachdem nun die Mutter den heimgekehrt war , die nach der langen Abwesenheit , nach dem endlosen Kränkeln ein Anrecht auf Liebe und Pflege , ung von auf alle nur erdenkliche Rücksicht hatte .
Tosia hob den Kopf .
Noch lag es wie ein feuchter die Schleier über ihren Augen .
Aber ihre Lippen lächelten .
Ster Tapfer wollte sie sein , allen Egoismus hintenan setzen Hof und stets der Lehren ihres Schutßengels in der Pension , der geliebten Lehrerin Fräulein von Junghart , eingedenk .
O He tie "2 we ab- Un en Au Eid - suchte fällig eilte recht . setzen Ihre Blicke begegneten denen der beiden jungen Offißiere , und mit fast schüchterner Gebärde streckte sie die Hand aus .
Ihr - ? - - ? " sprach sie in ßögernder Frage .
Da schritten beide auf sie ßu , hastig , stürßend fast .
Adolf ergriff als erster ihre Hand und verneigte sich tief , tief und feierlich , wie vor einer richtigen Dame , und " Tönchen " gar küßte die kleine Mädchenhand .
Tosia erglühte und ßog schleunigst ihre Hand weg .
" Nee , Kindes . . . wißt ihr , das geht denn doch ßu weit ! ! Ich habe mir ßwar alle meine schönen Kraftausdrücke abgewöhnt , aber mir scheint , ihr kennt mich nicht mehr !
Und so muß ich - so schwer es mir auch fällt - euch Gans energisch ob eures Gebarens ßur Rede stellen und sage : ßum Donnerwetter , wollt ihr mich ußen ?
" Ihre blauen Schelmenaugen lachten , und erst in diesem Augenblick war sie die alte Tosia .
Erleichtert atmeten die Leutnants auf .
Von neuem , diesmal aber ohne jedes ßeremoniell , schüttelten sie der Freundin Hand .
" Na , Gott sei Dank , " sagte der Vetter Adolf lachend , " dann wäre ja alles wieder im richtigen Fahrwasser !
" Und Freund Anton meinte mit düsterer Stirn :
" Ich dachte schon , ich müßte dich nun " gnädiges Fräulein und " Sie nennen , als ich dich so scheußlich ßivilisiert aus dem Abteil steigen sah ! !
Man lachte fröhlich und betrachtete sich gegenseitig ungeniert mit prüfenden Blicken .
Und man war befriedigt von der Musterung .
Da kam der Bursche August angetrabt .
Laut klapperten die Nägel seiner Kommißstiefel auf den Steinfliesen .
Stramm stand er vor den Offißieren , die Hände an der Hosennaht .
" Iss sich nicht gekommen Koffer von gnädige Freilein !
" Im ersten Augenblick hörte Tosia bloß die Komik seiner Worte .
Doch dann überfiel sie helle Angst .
Unersetßliche Schätze barg ihr Gepäck ; alle die köstlichen Andenken an die Pension .
114 " Ja , mit welchem ßuge wird er denn dann kommen ? fragte sie betreten .
" Sagt Vorsteher von Station , was hat rote Mütße auf Kopf seiniges , wird sich kommen Koffer vielleicht morgen , wird sich kommen vielleicht in paar Taggen , wird sich kommen vielleicht gor nicht ! !
" Das sind ja hübsche Aussichten " , sprach Tosia mit ßitternden Lippen .
Weiter nichts .
Kein ßornesausbruch , kein Wettern und Schimpfen , nicht die geringste Explosion , auf welche die Leutnants warteten .
Während sie nach dem Bahnhofsgebäude eilten , um personuch wegen des Gepäcks ßu verhandeln , stellten sie fe "1 sa te ri V. he m. M seiner Mütße - fest , daß dieses Jahr in der strengen ßucht des Stiftes " die arme Tosia " wirklich um und umgewandelt ßu haben schien .
Sie würde doch hoffentlich keine langweilige , temperamentlose ßierpuppe geworden sein ?
Nur Frau Hohndorf schätzte der Nichte Schweigen richtig ein .
Sie spürte die Selbstbeherrschung , die sonst des Mädchens Sache nicht gewesen und gewißlich nur unter heißen Kämpfen errungen war .
So streichelte sie innig die erhitßten Wangen und sagte mütterlich :
" Nun aber heim , mein süßes Kind !
ßu Vater und Mutter , ins Paradies deiner Kindertage !
" Sc 2. Tosia erlebt Enttäuschungen .
An den winßigen Kleinsttathäusern vorbei , über das schauderhafte Pflaster dahin ratterte der Wagen .
Schon schlief das Leben der Stadt .
Nur ab und ßu glitt schemenhaft eine menschliche Gestalt durch das Halbdunkel der von weichem Frühlingshauch erfüllten Gassen .
Tosia staunte .
Gans anders stand dieses Bild vor ihrer Erinnerung ; großartiger .
.. imposanter !
So klein wie ein Spielßeug erschien ihr nun dies alles .
Und dennoch !
Es war die Heimat , die ersehnte , das Paradies glückseliger Kindertage .
Und wenn in dem Jahre des Fernseins sich auch ihr Blick geschärft hatte , wenn sie die Dinge nun vielleicht mit anderen Augen ansah , wenn manches klein und bedeutungslos geworden war , was ihr ein Jahr früher noch herrlich und groß und von weltbewegender Wichtigkeit gedeicht - -
so würde sie neue - köstlichere Schätze für die verlorenen Illusionen Br eintauschen .
Eine Mutter . . . Mutterliebe !
Süße Pflichten ; die uni endlich Heimgekehrte hegen und pflegen ßu dürfen und als wonnigen Lohn eine sorgende , ßärtliche Mutterhand über ihrem Leben ßu spüren .
. . Aufgeregt sprang sie aus der Krümperkutsche , als siesch wie lassen Ka ßu Ab * tra die da 3 stet bei daohn von Bl .
tra ver Arnun nid schließlich vor dem kleinen , trauten Hause hielt , vor diesem wohlbekannten , unscheinbaren Hause , um das ßwölf Monate lang unaufhörlich ihre sehnenden Gedanken gekreist waren .
Kaum , daß sie der Tante , die sie begleitet hatte , Lebewohl ßu sagen vermochte .
Die Gute !
Sie wollte das Wiedersehen , diesen ersten Abend nicht stören und wandte sich , nicht Gans leichten Herßens , heimwärts .
Durch das Geräusch der anhaltenden Räder gelockt , trat die alte Köchin vor die Haustür .
Ihre Hand hielt einen dicken Blumenstrauß . das " Na , Fräulein Tosia , sind Sie gottlob auch wieder da ? " rief sie froh erregt , die runden , roten Arme , die sie stets entblößt trug , der Heimkehrenden entgegenstreckend .
" Und was die Pana ist , die will ja nun auch für immerßu bei uns bleiben !
Nee , daß ich das noch Mal erleben würde , das hätte ich mir nie nicht träumen lassen .
Mit flüchtigem Gruße , ohne die Blumen ßu nehmen , ohne Dank , stürmte Tosia an der treuen , alten Person vorüber .
Heiß schossen die Tränen ihr in die leuchtenden das Blauaugen . dem Wo war der Vater ?
Auch auf der Schwelle des Hauses trat er ihr nicht entgegen ?
Bedeutete sie , die früher sein verwöhnter Liebling gewesen war , ihm denn nichts mehr ? war , Doch da öffnete sich hastig die Wohnßimmertür .
Ein Schrei - ein Jubellaut - - und sie lag in seinen Armen .
Innig schloß der Major das schlanke Mädchen an seine Brust .
In leidenschaftlicher ßärtlichkeit küßte er sie wieder die und wieder und murmelte kaum vernehmbar : und " Tosia !
Mein Kind . . . mein Herßblatt !
Willst du nun bei deinem alten Vater bleiben - - - willst du ihn nicht mehr verlassen ?
" " Du hast mich ja weggeschickt , du Böser !
" flüsterte Tosia unter Lachen und Weinen und preßte sich nur Bei Takt noch enger in seine Arme .
" Weißt du es nicht mehr ? der Ich habe doch niemals fortgewollt .
. . Pappchen .
.. ßuk Pappchen . . . daß ich nun wieder bei dir bin - - daheim - - - und die liebe , liebe Mutter . . . mu Sanft löste er sich aus der Umklammerung und ßog ger sie in das von einer rot verschleierten Lampe magisch beleuchtete Wohnßimmer .
Dort ruhte auf einem Diwan die sie ßarte Gestalt der Leidenden .
" Komme ßur Mutter , Tosia !
" sagte er , ein glückliches wann Leuchten in den ernsten Augen .
" Nun bleiben wir ßusammen , sie und du und ich !
Tosia sank an dem Ruhebett in die Knie und schlang ihre Arme um die schmächtige Frauengestalt .
Ein Quell die friss von Liebe und ßärtlichkeit sprang reißend in ihr auf für die so schmerßlich Entbehrte , die , fast so weit ihre Erinnerung ßurückreichte , meist nur als Gast im eigenen Hause geweilt hatte . wür Wenn auch der Empfang , den man ihr in der Heimat Gel bot , ein anderer war , als sie sich in nimmermüden , glückßeit seligen Träumen vorgestellt , so leuchteten doch all die mu guten , beglückenden Vorsätße , die sie in Frauenstein unter halte dem Einfluß von Fräulein von Junghart gefaßt hatte , wie mit Flammenschrift vor ihrem inneren Auge . sa " Mutter . . . Mütterchen , laß dich lieb haben !
" sprach ge sie fast flehend .
" Ich will für dich sorgen und denken , dich hegen und pflegen und immer nur glücklich sein , weil ich 0 * nun eine Mutter haben darf !
Frau Eschenhorst hob das schmale Gesichtchen , um das der kurße , dunkle Locken sich ringelten , von dem brennend roten es Seidenkissen . Schah Sie war ein wenig ärgerlich .
Mit der verßeihlichen teuf Selbstsucht , die andauernde Kränklichkeit in vielen Menschen Vor großßieyt , fühlte sie sich vernachlässigt durch die lange Begrüßung ßwischen Vater und Kind .
Das war nicht nur taktvoll von Tosia .
Sie hätte fühlen müssen , daß nun ihr , der Mutter , in erster Reihe alle Rücksicht und alles Denken ßukam .
Nachdem Frau Eschenhorst sie ßum Willkommen geküßt , musterte sie das schlanke Mädchen , das sich wieder aufßog gerichtet hatte und , ihre Hände haltend , neben ihr stand .
be- Solch eine große Tochter !
Wie eine junge Dame sah t die sie fast schon aus .
Gans erstaunt war sie darüber , denn - veranlaßt durch die lange Trennung - sie hatte erwartet , in der Siebßehnjährigen noch ein Kind ßu finden .
ßu- Leiser Mutterstolß regte sich in ihr .
Hübsch war sie geworden und hold und mädchenhaft , die wilde Tosia .
Und wie sie plauderte und erßählte !
Wie frisch und fröhlich ihr Lachen klang . für Gans verklärt hing des Vaters Auge an seiner jungen Tochter. ge- Da wurde Frau Eschenhorst nachdenklich .
Der Vater würde wieder anfangen , wie früher , das Mädchen über Gebühr ßu verwöhnen und den ganßen Erfolg der Pensionsßeit in Frage stellen .
Wenn es ihr auch schwer ankam , die mußte sie stets darauf bedacht sein , das Gegengewicht ßu halten .
Es war nur ßum Besten des Kindes .
" Sprich nicht so laut , das ist ja eine entsetzliche Manier !
" sagte sie verweisend in ihrem leicht gebrochenen , polnisch gefärbten Deutsch .
" Du mußt dich nun daran gewöhnen , ,dich ßu denken an andere , ßu nehmen Rücksichten , mein Kind !
" Tosias Blick irrte hilflos ßum Vater hinüber .
Würde er es ruhig geschehen lassen , daß man ihr in der ersten halben Stunde bittere Worte gab ?
Konnte er es mit anhören , daß die Mutter vorwurfsvoll mit ihr schalt , nachdem sie soeben stumm all die schwere Enttäuschung hinabgewürgt und mit ungewohnter Demut gute Vorsätße geäußert hatte ?
War es denn möglich , daß er sie nicht in seine Arme schloß und in gerührter , ßärtlicher stie Verwunderung ihren Edelmut und die mit ihr vorgegangene Wandlung anerkannte und rühmte und in hohen Tönen pries ?
Allein Tosias wortlose , dringliche Bitte um Beistand wü der blieb erfolglos .
Mit leichtem Seufßer wandte der Major sich ab und gut machte sich umständlich mit Kohlenkasten und Feuerhaken 444. da ßu tun .
Denn man heißt noch .
Vorläufig war die Frühlingsviel wärme noch nicht in die Häuser gedrungen . Sch Kein Wort war gefallen , seit die klagende Stimme der Majorin verstummt war .
Und es schien Tosia in dem schr Sturm der Gefühle , der sie durchtobte , als seien Ewigkeiten such seitdem verstrichen .
Allein sein , nur allein sein mit sich !
Sich abfinden mit auf den erlittenen Enttäuschungen , klar sich werden über sich Van selbst und die so neue , so ungeahnte Lebenslage .
Das waren die Empfindungen , die sie qualvoll beherrschten . das Sie legte die noch immer vom Handschuh bekleidete Ker Rechte auf die Türklinke .
" Ich will nun ablegen und mich ein bißchen ßurechtnich machen " , sagte sie leise .
Dann stand sie mit hervorbrechenden Tränen draußen dam im Flur .
Alle Selbstbeherrschung verließ sie . sich Das also war die Heimkehr ?
Die Erfüllung jener weil unstillbaren , nie schweigenden Sehnsucht , die ßwölf Monate lang sie unablässig begleitet und ihr jeden Genuß , jede noch leid .
Freude vergällt hatte ! ?
Als wären Verfolger hinter ihr her , so lief sie die Treppe Auge erho empor .
In der Traulichkeit des ßimmers , das man der großen Tochter gewiß liebend bereitet hatte , wollte sie sich wieder- Gest finden , gute Vorsätße fassen , neue Liebe in ihrem Herßen werde sammeln .
Klopfenden Herßens , von heimlichem Hoffen beseelt , stieß sie die Tür ihres ßimmers auf . . . Sie fand Kälte und Finsternis .
Nach dem ersten Schreck tröstete sie sich .
Sicherlich würde man ihr das große , schöne Fremdenßimmer neben der Schlafstube der Eltern eingeräumt haben !
Oh , der gute , gute Vater , diese liebe Mutter !
Ihre geheimsten und Wünsche hatten sie ihr abgelauscht !
Was für Überraschungen da wohl noch ihrer warteten ?
Ein echtes Mädchenstübchen vielleicht ?
Mit Sofa und Schreibtisch und Bücherschrank wohl gar - ?
- - dem Tosias ßitternde Hand suchte nach dem Leuchter auf dem Nachttisch des Vaters .
Endlich .
.
Das Und ßweimal erlosch das Streichholß , ehe die Keße wirklich brannte .
Ach , daß die Eltern sie nicht heraufbegleitet hatten , außen damit sie alle ßusammen sich an der Überraschung jener weideten !
Vergessen war das eben leid .
Leuchtenden , lachenden erhobenen Hand .
Ein deckenhoher Spiegel warf funkelnd ihre ganße Aber nein !
Solch ein Luxus !
Gans eitel würde sie werden , wenn sie in ihren vier Wänden keinen Schritt in ßukunft tun könnte , ohne ihre niedliche - wirklich , sie l fand es - , riesig niedliche Person vom Scheitel bis ßur Stoß Fußspitße bewundern ßu müssen .
una Ah !
Und diese wohlige Wärme !
Und der Duft ! !
Das heißt , es roch viel ßu stark im ßimmer .
Sie würde wen die Fenster bis ßum Schlafengehen weit öffnen müssen .
Tosias Fuß betrat einen weichen , weichen Teppich . und Ach , und da war auch das kühn erträumte Sofa - -
Ein Schrei des Entßückens hallte von ihren Lippen , Das doch der jedoch ebenso jäh abbrach .
Kein Bett im ßimmer ?
Und hier und dort und da Gegenstände , die unmöglich für sie bestimmt sein konnten , gew und die sie ßum Teil als der Mutter gehörend erkannte .
Beschämt schlich sie davon .
Es war natürlich das Ankleideßimmer der Mutter , das kosige Nest der armen , ewig Frei Kränkelnden , das sie da Gans vermessen für das ihre gewori Was halten hatte . Schaf Und wieder tröstete sie sich rasch .
Das wäre ja auch viel ßu schön und üppig für sie ge- und Wesen !
Drüben würde man ihr schon auch ein niedliches he- Nest bereitet haben .
Was tat es , daß man vergessen hatte echte ßu heißen ?
Es war ja doch Frühling - -
Aber dann weinte Tosia fassungslos .
Als ob es nie , ßu , 3 nie wieder im ganßen Leben Glück und Freude geben frühkönnte , als ob alles Leid der Erde auf ihr junges Herß sogan ßermalmend sich gesenkt hätte .
Auf dem schmalen , eisernen Bett , in dem sie die lustigen , Sie von keinem Kummer getrübten Träume ihrer Kindheit sprac geträumt hatte , lag sie wie vom Blitze hingefällt und vergrub das Antlitß in dem harten Roßhaarkissen . trat Nur nichts sehen - !
- Nicht sehen , daß da alles - alles noch beim alten war ! traut Das " gräßliche " Arbeitspult mit der Holßbank davor , 19 an dem sie die schlimmsten Stunden ihres Daseins seufßend Mutt sie verbracht hatte .
Der klobige Tisch , verschrammt und verßur stoßen , eine leibhaftige Anklage gegen taschenmesserbewehrte , unartige Mädchenhände .
Und der elende Kinderwaschtisch - - ach , alles an seinem alten Platz .
Nur der Puppenwinkel grinste leer und öde nach ihr hin .
Von neuem umklammerten ihre Hände die Bettstatt und rüttelten ßornig daran .
Natürlich !
Die Puppen hatte man ihr genommen ! !
Das einßige , woran ihr Herß hing - - - und vergaß doch Gans und gar , was für schlecht behandelte , bemitleidenswerte Geschöpfe diese Puppen schon seit Jahren gewesen waren .
Oh , wäre sie an Rose-Maries Stelle !
An- Die war nun auch daheim .
Wie ßärtlich würde die ewig Freundin im Kreise der großen Familie wohl aufgenommen e geworden sein !
Und solch einen Bruder ßu haben wie Rolf ! !
Was für verheißungsvolle Andeutungen er auf der gemeinschaftlichen Reise gemacht hatte , über die Vorbereitungen und - Gans im Vertrauen - die Überraschungen , die ihrer bei der Rückkehr aus der Pension harrten !
Gewiß ein hatte echtes , süßes Jung-Mädchen-ßimmer .
.. Nein , Tosia hatte ein Recht ßum Weinen .
Sie war geben früher aus all solchem " Kram " nichts gemacht , ja , ihn Herß sogar als " weibisch " verachtet hatte .
Und plötzlich war sie eingeschlafen .
Aller Not entrückt . ndheit sprach so liebe Worte vom Wiedersehen - - - Und dann war sie in Krotoschewo , und Fräulein von Junghart , die geliebte Lehrerin aus Schloß Frauenstein , trat mit ihrem leichten Schritt über die Schwelle des alten , Licht und hell gestalten für die geliebten Eltern - - Glück auf , Tosia !
Und Tosia schluchßte und lächelte im Traum . .
Dann kam die alte , treue Dore herauf , stellte einen großmächtigen Napfkuchen auf den Tisch und steckte den Blumenstrauß hinein , so daß der erste Blick der Erwachenden darauf fallen mußte .
Und aus dem Schrank nahm sie all die schönen Sachen , welche die " Pana " ßum Empfang des Töchterleins hatte machen lassen , und breitete sie im ßimmer aus .
Mit einem liebevollen Blick auf die Schläferin schlich sie schmunßelnd auf knarrenden Sohlen davon .
Als später der Major heraufstieg , um ßu sehen , wo Tosia blieb , und sie ßum Abendessen ßu holen , mußte er mehrmals ihren Namen rufen , ehe sie sich ermunterte .
Lächelnd , all des Kummers nicht mehr gedenkend , sprang sie in die Höhe .
Dankbar und freudig bewunderte sie die " Bescherung " , die Dore höchst eigenartig bereitet , und hüpfte dann plaudernd am Arme des Vaters die Treppe hinab . d 1 e n v ei fe he den des im wo und 3 .
" Auf Wiedersehen , Mama !
" Für einen Augenblick steckte Tosia den Kopf durch die Spalte der Wohnßimmertür , um sie hastig wieder hinter sich ßußuschlagen .
Eilend wollte sie davon , doch der Mutter Stimme hielt sie ßurück .
" Tosia ! -
Tosia - - !
Wo willst du hin ?
" Tosia ßauderte .
Wäre es nicht möglich , diesen Ruf überhört ßu haben ?
Denn ihr ahnte nichts Gutes .
Aber schließlich siegten Ehrlichkeit und gute Vorsätße .
Langsam ging sie hinein , den aufsteigenden Unmut niederswingend .
Frau Eschenhorst lag , von Kissen und Decken fast begraben , in einem Schaukelstuhl an der geöffneten Gartentür , durch die eine ungewöhnlich warme Maisonne hereinlachte .
Nach einer langen Reihe von Regentagen , die Tosia das Siechwieder-Einleben in der alten Heimat nicht erleichtert und verschönt hatten , war es der erste köstlich warme Sonnentag .
" Wo willst du denn hin ?
" fragte Frau Eschenhorst noch einmal unwillig .
" Adolf und " Tönchen " holen mich ßum Spaßierenfahren ab .
" " Du vergißt wohl Gans , daß du um Erlaubnis ßu fragen hast , ehe du das Haus verläßt - - "
Sie darf nicht !
Tosia lachte belustigt .
" O Mama , du machst wohl Spaß ! !
Früher fragte ich doch auch keinen Menschen !
Und nun jetzt gar , wo ich erwachsen bin . . . " Schlimm genug ! " brauste die Mutter auf .
" Jedenfalls , jetzt wirst du fragen !
Außerdem schickt es sich nicht , ßu fahren allein mit ßwei Leutnants !
Hole Handarbeit und setze dich ßu mir .
" Ohne ein Wort ßu erwidern , verließ Tosia das ßimmer und trat aus der Haustür .
Der Leutnant Hohndorf fuhr seinen Dogcart in dem großen Hof herum , immer mitten ßwischen die sich empörende Enten- und Hühnerschar .
Es war ein Höllenlärm .
" Na , kommst du endlich , Tosia !
" rief er und hielt seinen Goldfuchs dicht neben der Kusine an .
Und " Tönchen " schüttelte mißbilligend den Kopf : " Was man von dir denken soll , weiß ich wirklich nicht , Tosia !
Früher brauchtest du noch keine Minute , um das Kleid ßu wechseln .
" Ja , früher !
" sagte Tosia bitter .
" Freilich , es steht dir entßückend !
" fuhr der jüngste Leutnant im Regiment feurig fort .
" Rede ' doch kein Blech !
" fertigte das junge Mädchen ihn unwirsch ab .
Die Leutnants lachten .
Gans glücklich waren sie immer , wenn Tosias alte Natur einmal wieder durchbrach .
Tödliche Beleidigungen hätte sie jetzt schleudern dürfen , ohne daß man sie übelnahm .
Aber sie schleuderte keine - - leider - - " Nun steige ' bloß Mal endlich auf !
" drängte Adolf , ungeduldig die Uhr ßiehend .
" Wir haben nur noch eine Stunde und achtßehn Minuten ßeit .
" Fahrt alleine !
" sprach sie Kurs und wandte ihnen den Rücken .
" Tosia - .
.. - !! wo ich fahren of : jüngste immer , Stunde " Tönchen " riß die lange Fahrpeitsche an sich und war , sie der Davonschreitenden gleich einem Lafso über den Kopf .
" Nee , du , so haben wir nicht gewettet !
Kehrt gemacht und Rede gestanden .
Vorsichtig versuchte er , die Freundin wieder an den Wagen heranßußiehen .
Schweigend kroch sie aus der Schlinge .
Mit würde- 1 *2 5 Hif t u i dd B vollen , abgemessenen Bewegungen .
Was war das nur mit ihr ?
Und sie lachte nicht und schalt und wetterte nicht ?
Nun schlug sie ßum erstenmal die Augen ßu ihnen auf , diese sonst so klaren , schönen blauen Augen .
Donnerwetter , weint sie etwa ? dachten die beiden Herren erschrocken und sahen diskret von ihr weg nach verschiedenen Seiten .
Sie streckte ihnen die Hand entgegen und sagte in einem Tone , als gälte es einen langen , schweren Abschied ßu nehmen :
" Lebt wohl !
" Der Vetter ergriff ihre Hand und hielt sie fest .
Innig sah er auf sie nieder .
" Nun sagst du uns aber erst , was los ist , Tosia !
Bitte 16 ja ?
Und " Tönchen " sekundierte eifrig .
" Ja , denkst du etwa , wir führen nun lustig davon und ließen dich hier einfach Trübsal blasend ßurück ?
Was glaubst du eigentlich von uns ?
" Sein Grimm war so voller Komik , daß Tosia nun doch lächeln mußte .
Und damit hatte sie sich auch wiedergefunden .
" Ich darf nicht !
" sagte sie betrübt und entrüstet ßugleich .
" Denkt euch bloß so etwas :
Tosia Eschenhorst , die daheim immer alles getan hat , was sie nur irgend wollte . . . sie darf nicht ! !
Und in Frauenstein bildete ich mir ein , das freie Leben ginge nun wieder von vorne an !
Gans ratlos sahen die Leutnants auf sie herab .
Auch ihnen erschien es schier unglaublich , daß Tosia , dieses in Freiheit aufgewachsene Füllen , nun plötzlich etwas nicht " dürfen " sollte .
" Ja , aber warum denn nicht , um Himmels Willen ?
" fragte Adolf und kitßelte gedankenlos den Goldfuchs mit der Peitsche .
Und Anton hetßte kindisch : " Laß es dir nicht gefallen , Tosia !
" " Jüngelchen , davon verstehst du ja nun nichts !
" sagte Tosia ruhig überlegen und setzte dann pompös hinßu , so hoch sich aufreckend , wie es nur möglich war , "- denn es schickt sich nämlich nicht , meine sehr verehrten Herren !
Die Leutnants machten nicht eben geistreiche Gesichter , was Tosia vollends ihren Frohsinn wiedergab .
Ihr altes , frisches , wohlbekanntes Lachen tönte über den Hof . nun an !
" nicht " Na , ihr seid wirklich possierlich !
Geht euch das etwa über euren Horißont ? ! Ich bin doch nun eine " junge Dame und - - und habe einen ernsten Lebensßweck - Blick und Stimme verschleierten sich von neuem , und um das nicht merken ßu lassen , versetzte sie dem Goldfuchs einen so heftigen Schlag auf den Hals , daß er nervös davonstob .
Adolf haschte eiligst nach den sorglos hängenden ßügeln , " Tönchen " riß aufgeregt die Peitsche an sich .
Und von Tosias jubelndem Lachen verfolgt , karriolte das leichte Gefährt in hüpfenden Sprüngen durch das noch genau wie vor Jahresfrist schief in seinen Angeln hängende Hoftor .
Denn der Hausbesitßer ließ lieber alles verfallen , ehe er auch nur einen Groschen für Reparaturen verausgabte .
Vorüber an dem langen , wackligen Gartenßaun , an anderen , ähnlich verfallenen Häusern ging es im Saus , und man war schon auf der ßdunyer Chaussee angelangt , als es dem Leutnant Hohndorf endlich gelang , das eigenwillige Pferd ßu einem regelrechten Trab ßu bewegen .
" Wollen wir nicht umkehren und sie holen ?
" fragte der Leutnant von Brederloh - wie " Tönchen " nämlich außerdem noch hieß .
" Woßu ?
Sie " darf " ja doch nicht !
" Eine Weile fuhren sie schweigend ßwischen den unabsehbaren Feldern , auf denen in lichtem Grün die junge Saat prangte , dahin .
Endlich begann " Tönchen " von neuem , schüchtern und unter heißem Erröten , was ihn recht mädchenhaft erscheinen ließ : " Findest du nicht , Hohndorf , daß sie einfach süß geworden ist ?
" Mit düsterer Miene starrte der Angeredete auf des Tieres Mähne , die in lauter niedliche , kleine ßöpfchen geflochten war und mit himmelblauen Schleifchen endeten .
Erstens hatte er sich das als ßarte Aufmerksamkeit für die goldblonde Tosia und ihre Leibcouleur ausgedacht , dann aber liebte er es auch , etwas Apartes ßu haben , etwas , worüber die Krotoschewoer Spießbürger sich aufregen konnten .
" Ich werde sie umtaufen !
" sagte er , nachdem der Freund lange genug auf eine Antwort geharrt hatte , und knallte mit der Peitsche über dem Roßlein hin , so daß es nicht übel Lust beßeigte , wiederum einen kecken Galopp ßu riskieren .
Verständnislos sah Brederloh auf den unvorsichtigen Rosslenker .
" Wen - - 2 ! -
Die Tosia - ? -
1 "
" Blödsinn ! !
Die Rosinante natürlich . J4 " Ja , das wollen wir !
" begeisterte " Tönchen " sich , " das ist ein grandioser Gedanke !
Und als sie nun endlich im Walde anlangten und ein kleines Bächlein ßu Seiten des Weges gluckste und murmelte , sprang er vom Wagen .
Hingenommen von der herrlichen Idee , vergaß er alle Sparsamkeit und schöpfte mit seiner guten , neuen Mütße Wasser .
Unter vorsichtigem Balancieren erklomm er dann wieder seinen Sitz .
" Los !
Nun taufe , Hohndorf , aber etwas plötzlich , wenn ich bitten darf !
Sonst dritt das Jordanwasser durch die Mütße hindurch .
" Kindskopf ! " sagte Hohndorf und lächelte überlegen .
" Tönchen " aber war nun einmal im ßuge .
" So taufe ich dich denn , du Schöne , an Stelle deines Besitßers , der dich nicht verdient !
" sprach er feierlich , daß es klingend den Wald durchdrang .
" Tosia sei fortan dein Name !
Mache deiner Gevatterin Ehre !
Und bei dem mit Pathos hervorgeschleudert Worte " Ehre " schwangen seine Hände die Mütße über Tosia JJ .
Natürlich kam es ßur Katastrophe .
Für die nächste etwas , daß es Lob ßu ichtigen nächste Viertelstunde wußten die beiden Leutnants nicht recht , wie ihnen eigentlich geschehen war .
Querfeldein , über Stock und Stein jagte die empörte " Schöne " , die von der ganßen Taufhandlung recht wenig verstanden und nur den Guß " Jordanwasser " auf ihrem goldglänßenden Fellchen mehr als übel vermerkt hatte .
Atemlos und schweißtriefend landete das Trio dann glücklich nach geraumer ßeit vor den Pforten der Kaserne , nicht Gans pünktlich nota bene .
Und dank der Mücken Tosias der Vierbeinigen erhielten die beiden Leutnants von dem Herrn Vorgesetzten eine Gans gehörige Nase .
4. Tosias Mission .
Als sie den Dogcart ßum Hoftor hinaussausen sah , kehrte Tosia lachend ins Haus ßurück .
Der Anblick der verblüfften Leutnants und des nach allen Seiten auskeilenden Goldfuchses hatte sie derart erheitert , daß der Schmers , nicht mit bei dieser gewiß köstlich wilden Partie sein ßu können - für den Augenblick wenigstens - vergessen war .
Strahlend betrat sie die Gartenstube .
Und da ihre lebhafte Natur nach Mitteilung verlangte , begann sie sofort :
" Nein , Muttel , das hättest du bloß sehen müssen .
Sie sind davongejuxt , als ob der Gottseibeiuns hinter ihnen her wäre .
Unwillig sah Frau Eschenhorst ihr entgegen .
" Wie oft sage ich dir , daß ich nicht will hören dies vulgäre " Muttel " , tadelte sie in ihrem hart gesprochenen Deutsch .
" Und überhaupt , was für eine unfeine , jungenhafte Ausdrucksweise !
Und wie du wieder mit dem Kamm durch die Haare fährst .
Wie eine Wilde siehst du aus um den Kopf . . . -
Man tut das überhaupt in seinem Schlafßimmer .
Diese ßurechtweisung paßte Tosia durchaus nicht . sah , der Auster ihre Sie dies nicht .
Doch einer Vision gleich tauchte der mahnend erhobene Finger Fräulein von Junghardts vor ihr auf .
Noch lebte dieses Bild frisch in ihr , noch wirkte diese Erinnerung nach .
Und so preßte Tosia die Lippen aufeinander und schwieg .
Aber sie kannte sich ßu genau , um sich nicht klar darüber ßu sein , daß das sich eines Tages ändern würde .
Und was dann werden sollte - - - Ein vernehmlicher Seufßer entfloh ihr .
" Nun bist du natürlich schon wieder beleidigt !
" schalt die Majorin .
" Ich kann mir denken , es war viel schöner , als man konnte tun und lassen alles nach eigenem Belieben .
Als die arme , kranke Mama allein saß , mutterseelenallein in der Fremde - - " O Mama , das war deine freie Wahl !
Pappchen und ich haben dich genug entbehrt und uns gewünscht , daß es anders sein möchte - - "
Tosias Stimme verlor sich in Schluchßen .
" Ach , mein Kind , das klingt wie ein Vorwurf " , sagte die beklagenswerte Frau betrübt .
" Du kannst mich nicht verstehen !
Glaubst du nicht , daß ich auch wie andere Mütter gern hätte gelebt immer mit meinem lieben Kinde und mich an ihm erfreut ? !
Meinst du nicht , daß es war namenlos traurig für mich , ßu Sitzen den größten Teil des Jahres 14 schwach und kränklich fern von meiner lieben Familie ?
Sie brach in bittere Tränen aus .
Sofort war Tosia an ihrer Seite .
ßärtlich umfing sie die Gestalt der Weinenden .
Wie man ein trostloses Kind beschwichtigt , so sprach sie liebe , beruhigende Worte .
Sie hatten einfach die Rollen getauscht , und jede von beiden fühlte sich augenscheinlich in ihrem Element .
Schnell wie der Ausbruch gekommen war , ging er auch vorüber .
Ihre Tränen trocknend , lächelte Frau Eschenhorst innig der Tochter ßu , die für ihr Wohl sich liebevoll bemühte , die klaglos um ihretwillen das heiß ersehnte Vergnügen aufgab .
Ermattet und dennoch froh und ßufrieden lehnte sie sich in die Kissen ßurück , die Tosia ihr frisch aufgeschüttelt hatte .
" Nun Sätze dich , Kind , und erßähle mir etwas Hübsches .
" Gleich , Mamachen , ich will mir nur eine Arbeit holen .
" Das ist sehr gut .
.. das gefällt mir !
" lobte die Mutter .
" Aber höre , du wirst doch etwas machen für mich ?
Einen schönen Kragen sticken oder ein Kissen ?
Ich sah neulich etwas Gans Unnötiges in deinen Händen , einen mühsamen Durchbruch - " Ich brauche neue Hemden , Mamachen , und da dachte ich " J wo , da kauft man ein einfaches Spitßchen " , wehrte die Mutter ab .
" Ich liebe es Gans und gar nicht , wenn junge Mädchen treiben Luxus in diesen Dingen .
Und man kann den Dienstmädchen nicht ßumuten ßu plätten diese mühseligen Sachen . . . " O Mamachen , du hast doch aber selbst alles so wundervoll !
" warf Tosia schüchtern ein .
" Das ist etwas Gans anderes , mein Kind .
Ich bin noch einmal so alt wie du und krank , und meine einßige Freude diese Dinge . . .
Gehe , oben in meinem Arbeitskorb liegt eine Kragengarnitur , sehr schön .
Ich habe gekauft sie in Nißa - - Oh , la belle Nice !
" - wie Verklärung huschte es über ihr blasses , kränkliches Gesichtchen - - " die wirst du mir sticken fertig , nicht wahr , Tosia , Chrie ?
Willig holte Tosia die Stickerei und machte sich an die sehr mühevolle Arbeit .
Wie froh war sie nun , daß Fräulein von Junghart so energisch darauf bestanden hatte , ihr Und liegt wirst Eine Weile saß sie stumm .
Emsig ßog sie den Seidenfaden durch den feinen Stoff ; doch ihre Gedanken waren bei den Freunden auf der lustigen Fahrt durch den grünen Wald .
" Aber du solltest mir ja etwas erßählen , Tosia " , drängte schließlich Frau Eschenhorst , die das Schweigen langweilte .
" Von der Pension und von der Reise .
So wenig habe ich noch gehört von dem allen .
" Und Tosia freute sich , daß die Mutter endlich Teilnahme dafür beßeigte , was ihr junges Herß noch so warm und wonnig erfüllte .
Und wie aus einer aufgesogenen Schleuse , so schoß der Strom ihrer Erlebnisse und Erinnerungen durch die von Maienduft und -wärme durchflutete Gartenstube .
Vom ersten Anfang an begann sie .
Wie feindselig sie von Tante Adolfine geschieden sei . . . " Das ist kein Wunder !
Sie ist auch wohl nicht liebenswert " , sagte Frau Eschenhorst , welche die Kusine ihres Mannes nur sehr wenig kannte .
Aber da geriet Tosia in Feuer .
Mit ungeheurem Eifer verteidigte sie die " gute , gute " Tante Adolfine und gestand beschämt , wie sie selbst ein solcher Nichtsnutß und an allem , aber auch an allem schuld gewesen sei .
Jedoch davon mochte die Mama nichts hören .
" Passons là dessus !
" wehrte sie mit ihren kleinen , weißen Händen dem töchterlichen Redefluß , " du mußt dich nicht machen unnötig so schlecht .
Du bist ein gutes Kind mit einem weichen Herßen .
Sprich was anderes .
" Und Tosia fing an , die kurßweilige Fahrt ßu schildern , nun oer das Pensionsjahr begonnen hatte .
Doch bald alle diese Kunstfertigkeiten beißubringen .
Nicht gern würde sie der Mutter gesagt haben :
" Das kann ich nicht ! schon wieder stockte ihre Rede .
Eine unwillkürliche Scheu verschloß ihr die Lippen und hinderte sie daran , der Mutter von Rolf Hardarsen , dem Bruder ihrer vielgeliebten Freundin Rose-Marie , ßu sprechen .
Es tat ja auch nichts ßur Sache , ob sie erfuhr , daß die ßufällige Gegenwart dieses fröhlichen Menschen jene Reise ßu einer besonders heiteren gestaltet hatte .
So sprang sie mit kühnem Satße mitten in den Klosterfrieden von Frauenstein hinein .
Alt und jung , durch ein paar knappe Worte in seiner Eigenart geschildert , ßog an dem Auge der Majorin in fast greifbarer Wirklichkeit vorüber .
" Liebkind " säuselte , der Professor wetterte , la Réunion des Six marschierte mit ihrem kecken Feldgeschrei durch die Stube und trieb mit " Monsieur " , dem drolligen Tanßlehrer , ihren Scherß .
Und Frau Eschenhorst lachte und amüsierte sich .
Gans stolß war sie auf die große Tochter , die so hübsch ßu erßählen verstand .
Und fast ärgerte sie sich , als Tosia schließlich mit Gans veränderter Stimme von ihrem guten Engel , ihrem geliebten Fräulein von Junghart ßu reden begann .
Denn mit dem Moment wurde Tosia eine Gans andere .
Fortgewischt aller Übermut , die sprudelnde Schelmerei .
Wie man ein Heiligtum nicht mit derber Hand angreifen möchte , so klang aus ihren Worten eine verhaltene , tiefe , dem Herßen entquellende Innigkeit .
Doch mit dem feinen Taktgefühl , das sich unter der sorgsamen Pflege von Fräulein von Junghart so schön entwickelt hatte , spürte sie rasch , daß der Mutter gute Laune verflog .
Daß sie nichts davon wissen mochte , wie lange einer anderen der erste Platz im Herßen ihres Kindes gehört hatte .
Tosia wunderte sich , wie klar und vernünftig sie das alles sah .
Welch ein Glück , daß Fräulein von Junghart sie solch liebevolles Verstehen gelehrt hatte !
Ach , wenn Scheu trieb Gans ihrem Denn Kindes sie das , wenn der liebe Gott ihr doch helfen wollte , immer nach dem Vorbilde dieser Teuren , Fernen ßu handeln !
Nachdem sie das Heer ihrer Gedanken gesichtet hatte , schickte sie sich an , von etwas anderem ßu sprechen , von etwas , das ihr sehr am Herßen lag .
Sie hob den blonden Kopf und sah eindringlich ßu der Mutter hinüber .
" Und was soll nun eigentlich aus mir werden , Mama ?
" Erschrocken fuhr die Leidende in die Höhe .
Wie Rotkäppchen den bösen Wolf , so schaute sie verängstigt ßu der Tochter hinüber .
" Wie meinst du das , Tosia ?
Ich verstehe dich überhaupt gar nicht . . . Tosia lachte vergnügt und warf die Arbeit hin .
Mit jungenhaftem Satße , welcher der alten Tosia nichts nachgab , war sie neben dem Stuhl der Mutter .
Stürmisch umhalste sie die nervös bebende Frau .
" O du kleine , kleine Misi-Mama !
Du guckst mich ja an , als wäre ich der schwarße Mann !
So goldig siehst du aus , Mamachen , wie ein Gans kleines Mädchen , das sich vor einer bösen alten Märchen-Stiefgroßmutter fürchtet - !
" Sie lachte ausgelassen und nahm von neuem mit Beschütßerinnenmiene die ßarte Frau in ihre Arme .
Vergebens versuchte die Majorin ein strenges Gesicht aufßustecken .
Es mißlang vollständig .
Und so lachten sie ßusammen ein gar vergnügliches Duett .
Aber als sie genug gelacht hatte , warf Tosia die goldenen Haarringel aus der Stirn ßurück und sagte noch einmal , mit einem sehnsüchtigen Blick in die Weite und einem Ton , der keinen ßweifel an dem Ernst ihrer Frage aufkommen ließ : " Ja , Mamachen , also nun müssen wir doch Mal über meine ßukunft reden !
" Als Frau Eschenhorst merkte , daß die Tochter durchaus nicht spaßhaft aufgelegt ßu sein schien , warf sie sich so ungehalten in ihren Schaukelstuhl ßurück , daß er einige heftige Schwingungen vollführte .
" Wie du einen aber doch kannst ärgern , Tosia !
" schalt sie aufgebracht .
" Nun hast du mir wieder verdorben meine ganße gute Stimmung !
Ich weiß gar nicht , was diese törichten Fragen sollen !
Als ich war ein junges Mädchen , dachte kein Mensch an so etwas , und ich bin doch wahrhaftig auch noch keine Urgroßmutter .
" Ja , an was dachtet ihr denn , als ihr junge Mädchen wart ?
" fragte Tosia wißbegierig .
Die Majorin hüstelte in leichter Verlegenheit .
Tosia konnte recht unbequem als Fragestellerin sein .
Viel besser , das verfängliche Thema kurßerhand abßubrechen .
" Mit siebßehn Jahren macht man einfach noch kein ßukunftsprogramm . . . " Und warum nicht , Mamachen ?
" fragte Tosia erstaunt .
" Fräulein von Junghart hat uns in der Pension gerade das Gegenteil gelehrt .
Sie meinte , daß wir nicht früh genug unser späteres Leben bedenken könnten .
. " Du sprichst da lauter unverstandene Sachen , mein Kind " , sagte die Majorin kühl .
" Und ich Teile gar nicht die Ansichten von deine liebe Fräulein .
Ein heftiges Wort schwebte auf Tosias Lippen , doch schluckte sie es tapfer wieder hinunter .
So fest hatte sie sich ja vorgenommen , nie außer acht ßu lassen , daß die Mutter durch stetes Kränkeln und Elendsein gereist und nervös war .
Man durfte nicht mit ihr rechten .
Außerdem hatte Fräulein von Junghart ja auch gesagt , daß ihr , als der Tochter , das gar nicht ßukam .
" Vielleicht weißt du nicht , wie sie das gemeint hat , Mamachen " , sprach Tosia sanft .
" Soll ich es dir Mal erßählen ?
1r Und auf ein kaum merkliches Kopfnicken hin wiederholte sie die treulich bewahrten Worte der geliebten Lehrerin .
U se 4. d 9 9 5 tige ftig die sich der er- 35 Gewissenhaft hatte sie alles ßusammengetragen , was bei dieser und jener Gelegenheit gesprochen worden war .
Und mit Stolß und Freude wurde sie sich bewußt , daß die liebevolle Hand nicht umsonst die gute Saat ausgestreut hatte , sondern daß die Samenkörner in ihrem Herßen fröhlich sproßten und grünten . meänß K. vmn Ranncan , B , cn , 3ger " So , also vom Heiraten rät euch ab diese Dame ? ! " -- setßungen der Tochter .
" Aber wer kann wissen den Grund daßu !
Ich finde nicht schön von ihr , daß sie euch will machen alle ßu alte Jungfern .
" " Nein , Mama , so verhält sich das wirklich nicht !
" flammte Tosia auf .
" Glaube ' mir , wenn du Fräulein von Junghart kenntest , würdest du so etwas gar nicht denken .
Sie meint ja nur - und hat sie denn nicht recht damit ? - , daß man doch nicht wissen kann , ob man nun gerade den Mann bekommt , den man lieb hat .
Und die Liebe , Mamachen , die ist doch nun Mal die Hauptsache beim Heiraten , nicht wahr ?
" setzte Tosia aus eigenem Ermessen mit allerliebst altkluger Miene hinßu .
" Stelle ' dir doch nur vor , was sollte man denn wohl ein ganßes Leben lang mit solch einem Ehegesponst anfangen , das man nicht unmenschlich lieb hat ?
Seufßend verschränkte Frau Eschenhorst die Hände hinter ihrem dunklen Lockenkopf .
" Ach ja , so lieb hatten wir uns auch , dein Vater und ich .
Aber dann kam das Unglück meines Krankseins , und ich mußte nach dem Süden , Jahr für Jahr , meines armseligen , gebrechlichen Körpers wegen .
Jnßwischen habt ihr euch müssen gewöhnen ohne mich ßu sein , fertig ßu werden ohne mich !
Da ist es kein Wunder , wenn ihr mich nun auch nicht mehr braucht !
" " Mama !!!
Das ist ein Irrtum !
Verßeih , aber wenn du das glaubst , kennst du den Vater nicht !
Wenn du wüßtest , wie er stets unter deinem Fernsein litt , wie er sich nach dir sehnte und wie er glückselig an mich schrieb , als es hieß , du wolltest nun für immer ßu uns ßurückkehren .
Nein , meine geliebte Mama , tue ihm das nicht an und denke so von ihm !
" Mit glühenden Wangen war Tosia neben dem Stuhl der Mutter in die Knie gesunken .
Bebend küßte sie immer wieder die feinen , blassen Hände und netßte sie mit ihren Tränen .
Hier war - sie fühlte es so deutlich - wieder ein Teil ihrer Mission , deren Erfüllung , deren Segen Fräulein von Junghart ihr geweissagt und so warm ans Herß gelegt hatte .
Wenn ihr das gelänge - - - Schluchßend , in einem unbeschreiblichen Gemisch von Angst und Glückseligkeit , preßte sie ihr Antlitß in der Mutter Schoß .
Und Frau Eschenhorst weinte auch .
Einem lindernden Balsam gleich fiel die hingebungsvolle Liebe ihres Kindes in ihr durch Lewen und Einsamkeit verbittertes Herß .
d d i ihr du von von In ein Lächeln wehmutsvollen Glückes verwandelte sich der herbe ßug , der meist um ihre Lippen lag .
" Mein Kind !
Meine gute Tosia !
ßärtlich hielten Mutter und Tochter sich umschlungen .
Als der Major in diesem Augenblick die wenigen Stufen der Gartentreppe emporstieg und mit stillem Gruß über die Schwelle trat , herein in das vom Segen der Liebe erfüllte Gemach , streckte Frau Eschenhorst über das Haupt ihres Kindes hinweg beide Hände innig nach dem Gatten aus .
Und mit einem dankerfüllten Aufblick ßum blauen Himmel , über dem ein allgütiger Schöpfer wohnt , nahm der ernste Mann wortlos Weib und Kind in seine starken , treuen Arme .
5enminie nect .
Se- Wichtige Beratungen .
Am folgenden Tage setzte Tosia sich freiwillig , ungeachtet der Lockungen , die von Seiten der Freunde an sie ergangen waren , ßur Mutter ins Gartenßimmer .
Die guten Vorsätße , die unter der ßuweilen nicht leichten Aufgabe der letzten Wochen schon ein wenig ßu verblassen begonnen hatten , waren durch das gestrige Erlebnis wieder wachgerüttelt worden .
Ein Sommertag war_es wie seine Vorgänger , und eine weiche Stimmung lagerte über den Gemütern .
Auch Frau Eschenhorst hatte eine kleine Nadelarbeit ßur Hand genommen .
Obgleich ihr Rücken heftig schmerßte , bemühte sie sich , minder bequem in ihrem Schaukelstuhl ßu Sitzen .
So vielerlei gab es nun ßu tun , und man mußte doch der großen Tochter mit gutem Beispiel vorangehen .
Und Gans von selbst nahm sie heute das Gespräch wieder auf , das sie gestern mit solchem Unwillen erfüllt hatte .
" Du hast gestellt mir gestern eine sonderbare Frage , Tosia , und ich möchte kommen ßurück darauf noch einmal " , sprach sie sanft , ßwiefach gerührt durch den Eifer , mit dem die Tochter sich ihr und der schwierigen Handarbeit widmete .
" Ich sage dir Gans offen , daß ich nicht sehe mit Freude solche neumodischen Ideen bei meiner Tochter , wo ich gefunden habe , daß die vorigen Generationen gewesen 2 in E 3 1 1 3 ßur dem * sind auch ohne das glücklich und ßufrieden - Oh , viele , viele Generationen .
Aber nun bist du einmal erßogen in dieser Weise , und nun will ich , deine Mutter , auch hören deine Gedanken , die mir übrigens oft scheinen ein wenig kraus in deinem Kopfe .
Über Tosias arbeitseifrige Miene huschte ein frohes Lächeln .
" Das war eigentlich bei uns allen in Frauenstein der Fall , Mamachen .
Stelle dir nur vor , was da für ein Unsinn ßusammengedacht wird , wo so viele unnütße Mädels beieinander sind !
Der Schaukelstuhl der Majorin begann etwas erregter ßu wippen .
" Also war die ganße Reederei von ßukunft und was aus dir soll werden nur ein Unsinn ! ? " Tosia schnellte in die Höhe , obgleich sie sich die ganße mühsam angelegte Spinne , die den Kragen der Mutter ßieren sollte , dadurch verdarb .
" Nein , Mama , das war mein bitterer Ernst .
" Nun gut . . . also - 2 " Ich kann doch nicht immer einfach hier so Sitzen und handarbeiten oder die ßeit totschlagen , Mamachen - " und wieder den drollig belehrenden Ton anschlagend , " weißt du , das war früher so , als die Mädchen dasaßen und auf einen Mann warteten , und wenn er nicht kam , sehr schnell alte Jungfer wurden .
Aber das ist eben jetzt Gans anders .
Und so richtige , komische alte Jungfern , von denen manche Bücher noch erßählen , die gibt es eigentlich gar nicht mehr .
Und ßwar deshalb , weil alle etwas Tüchtiges lernen und kein ßweckloses , unbefriedigtes Dasein führen .
Auf diese Weise bleiben die Mädchen jung und frisch , wenn sie eigentlich auch schon uralt sind ; und wenn sie dann plötzlich noch Lust haben ßu heiraten , können sie es immer noch tun .
Fräulein von Junghart sagt , das gäbe oft die glücklichsten Ehen .
Erstens , weil solche Mädchen nicht wie oft die blutjungen Dinger die faule , sich bedienen lassende gnädige Frau spielen , sondern arbeiten wollten und die Arbeit verstünden , und ßweitens - - " , suchend glitten Tosias Augen umher , " und ßweitens - Jedoch der Weisheitsbronnen war augenscheinlich erschöpft .
So schloß sie denn unbekümmert und Gans energisch :
" Und Kurs und gut , Mamachen , ich muß etwas unternehmen !
" Aufmerksam hatte Frau Eschenhorst dem Redestrom ihres Töchterleins gelauscht .
Da sie heute , im Gegensatz ßu gestern , der Unterhaltung wirklich einen guten Willen entgegenbrachte , ließ sie diese Auseinandersetßungen - so sehr sie ihrer Natur auch häufig ßuwiderliefen , ruhig über sich ergehen .
Es mochte ja sein , daß ihre Anschauungen unmodern , veraltet waren .
In ihrem Hotelleben da unten im Süden hatte sie nicht viel auf die Erßiehung der heutigen Jugend geachtet .
Und wenn sie durch Lektüre darauf aufmerksam geworden war , so hatte sie nicht daran gedacht , daß dies auch ihr eigenes Kind betreffe .
So leid tat ihr das nun , daß sie Trotz Krankheit den Ihrigen nicht mehr gewesen war , nicht inniger über alle Ferne hinweg mit ihnen gelebt hatte .
Freundlich fragte sie :
" Nun ja , also was willst du denn " unternehmen ? !
Du redest so große Worte , da wirst du vermutlich dir sein auch klar über alles Weitere ?
" " Klar - ?
Nein , Mamachen , das eigentlich nicht .
Fräulein von Junghart meinte ßwar . . . " Nun , was meinte denn dein geliebtes Orakel ?
" Tosia überhörte den leichten Spott in der Mutter Worten .
Sie ließ ihre Arbeit im Stich , kam ßur Mutter herüber und , sich leicht auf die Lehne des Schaukelstuhles schwingend , legte sie ihre blühende Wange auf den dunkellockigen Scheitel der Majorin .
" Fräulein von Junghart meinte , ich sollte meinen Lebensßweck nur darin sehen , dich ßu pflegen , für dich ßu sorgen , Gans mich dir ßu widmen .
.. " Nun siehst du wohl , - Fräulein von Junghart ist vernünftiger , als ich dachte bisher nach deinen kuriosen Reden " , meinte Frau Eschenhorst befriedigt .
" Sie hat richtig erfaßt die ganße Situation .
Ich begreife nur nicht , was du denn eigentlich noch willst - - - Tosia lachte geßwungen .
" Aber , Mamachen , du bist ja gar nicht so krank , wie sie dachte , Gott sei Dank !
ßu pflegen , so Gans richtig , was man pflegen nennt , das gibt es ja gar nicht bei dir .
Ich kann dir keine Umschläge machen , keine Medißinen eingeben , keine kühlenden Getränke bereiten , nicht einmal die Temperatur messen .
" Höre ' auf !
Höre auf !
" wehrte die für Tosias Betätigungsdrang nicht genügend kranke Kranke entsetzt ab .
" Du wirst mir reden noch die gräßlichsten Sachen an den Hals .
Als ob es wäre notwendig , ßu liegen gleich fast im Sterben , um ßu haben notwendig eine sorgsame Pflege !
Erschrocken streichelte Tosia der Mutter blasse Wange .
" Um Gottes Willen , Mama , wie kannst du so etwas sagen !
Aber ich meine ja nur , daß ich doch mein Leben nicht damit ausfüllen kann , so heute und alle Tage bei dir ßu Sitzen und nutßlose Handarbeiten ßu fabrißieren !
Da würde es ja bald eine ganße Überschwemmung von Kissen , Deckchen und womöglich gar gestickten Pantoffeln geben !
Stelle dir das Mal vor , Mamachen !
Auf deinen seidenen Strümpfen ein Paar Kanevasschuhe mit Rosen und Vergißmeinnicht drauf . . .
Nun machte die Majorin ein böses Gesicht .
" Sei nicht albern , Tosia !
Als ob es auf der Welt keine anderen Handfertigkeiten gäbe !
Du behauptest ja , von deinem Fräulein von Junghart noch ßu haben gelernt alles mögliche andere .
Beweise es also .
Male , binde Bücher ein , schnitße , damit kannst du dir schaffen genug Abwechslung .
Außerdem sollst du üben Klavier und franßösisch und englisch mir vorlesen .
Du wirst nicht haben genügend ßeit - die Tage werden dir sein ßu Kurs für alles das ßu tun .
" Und wo soll ich alle diese Beschäftigungen vornehmen , Mama ?
" Nun , hier natürlich , in der Gartenstube !
" Aber wird - - " jetzt still , Tosia !
Ich mag nun nichts mehr hören .
Richte dich nach meinen Wünschen .
Du hast ja gesehen , daß deine Erßieherin in der Pension ist Gans und gar meiner Meinung .
Damit war das Gespräch für Frau Eschenhorst beendet .
Erschöpft schloß sie die Augen .
Und die wilde Tosia setzte sich wieder still ßu ihrer Arbeit , während draußen der Sonnenschein lachte und die Vögel ihre süßen Lieder sangen .
Das Programm scheitert , und Tante Adolfine greift ein .
So begann nun Tosia nach Wunsch und Angaben der Mutter mit ihren verschiedenen Beschäftigungen .
Und es gewährte der kränkelnden Frau eine neue und reißvolle Unterhaltung , der Tochter einen vollständigen Stundenplan ausßuarbeiten , für dessen Innehaltung sie selbst Sorge tragen wollte .
Tosia , als die Mutter ihr diesen sauber notierten Stundenplan überreichte , erblaßte vor Entsetzen .
Als sollte ihr trostloser Blick das Papier durchbohren , so grub er sich in die vor ihr einen wilden Reigentanß aufführenden Buchstaben .
Also ade ihr Träume von Jugendlust und Freiheit !
Sie stürßte in ihr ßimmer und tobte dort ihren ersten Schmers aus .
Fast ein Wutanfall war es , ein wildes , haderndes Siechauflehnen gegen die mütterliche Gewalt .
Erst als sie in ihrem ßorn ein reißendes Kristallfläschchen , eine bis dahin ßärtlich gehütete Erinnerung an Rose-Marie ßerbrochen hatte , schlug ihr Grimm in weiche Schmerssensestimmung um , und sie vergoß heiße ßähren um den " unersetßlichen " Verlust , den sie selbst sich ßugefügt hatte .
So steckte also noch immer ein Teil der ungebändigten , alten Tosia in ihr ?
Sie schämte sich ehrlich .
Wenn Fräulein von Junghart sie in diesem Augenblick im ßauberspiegel belauscht hätte !
Wie betrübt würde die so innig Geliebte das Haupt geschüttelt haben !
Aber sah denn nicht auch das Leben , das sich vor ihr auftat , gar ßu trostlos aus ?
War das im Sinne der teuren Lehrerin ?
Hatte sie das wirklich so gemeint ?
Ein Dasein in klirrenden , eisernen Ketten !
Ein ödes , freudloses Einerlei , so dehnten sich wie eine endlose Sandwüste die kommenden Tage , Monate und Jahre vor Tosias schauderndem Blick .
Und über allem das eine flammende , erbarmungslose Wort :
Pflicht ! !
Keine Freude , keine Sonne , keine Blume an ihrem Lebensweg , immer nur das eine :
Pflicht ! !
Tosia kam sich entsetzlich beklagenswert vor , gradeßu als Märtyrerin .
Und wenn sie sich auch hundertmal vorsagte , daß ja gerade in erfüllten Pflichten , in freudig getaner Arbeit die höchste Befriedigung , der größte Segen des Lebens liegen sollte , so war sie noch nicht weit genug in Selbstsucht und Selbstverleugnung , um die Wahrheit dieser Weisheit an sich selbst erproben ßu wollen .
ßu bitter dünkte ihr eine solche Hintansetßung der eigenen Wünsche , des eigenen , lieben Ich .
Einer Verurteilten gleich wankte sie an diesem ersten Tage durch das Haus , eine fleischgewordene Anklage gegen das ewige Gesetz der elterlichen Gewalt .
Und wollte ihr Frohsinn ja einmal die Oberhand über diese grauen Gespenster gewinnen , so griff sie nach dem knisternden Verdammungsurteil in ihrer Kleidertasche , um sich den ganßen tödlichen Ernst ihrer Lage wieder vor Augen ßu führen .
Vergeblich auch , daß sie von dem Papa Trost und Beistand erwartete .
Er bemerkte - oder beachtete ßum mindesten gar nicht die anklagenden Blicke , die ergebene Märtyrermiene seines Töchterleins .
So beschloß sie denn , allein und schweigend ßu leiden und ßu dulden .
Erst wenn sie einmal auf ihrem Sterbebette lag , dann wollte sie die Lippen auftun .
Und dann sollten sie erkennen , was für ein edles , selbstloses Wesen das ganße Leben hindurch verkannt neben ihnen einhergeschritten war und sich für sie aufgeopfert hatte .
Mit diesen erhabenen Gedanken legte Tosia sich am Abend ßu Bett , und sie bedauerte nur , daß es keine harte Holßpritsche war , auf der sie ihr Martyrium würdig hätte beginnen können .
Jedoch machte der Sandmann selbst vor dem Schwelgen in solchen Gefühlen nicht halte .
Tosia betete ihr Nachtgebet , und mit den frischen , feuchten Tränenspuren auf der sich immer mehr glättenden Duldermiene schlummerte sie hinüber in ihren süßen Kinderschlaf .
Das Unglaubliche geschah .
Tosia , die Langschläferin , die bisher nur auf flehende Bitten der alten Dore ihr Bett in weit vorgerückter Stunde ßu verlassen geruht hatte , diese Tosia fing an , sich mit der Sonne von ihrem Lager ßu erheben .
Sie fand , daß das in ihre Rolle als Märtyrerin paßte .
Und außerdem fand sie auch , daß ihr diese Neuerung wundervoll ßugute kam .
Mit vollen ßügen genoß sie diese stillen , köstlichen , ungestörten Morgenstunden , für die es kein Programm gab und die sie ausfüllen konnte nach eigenem Belieben .
Glückselig wie in ihrer fidelen , ungebundenen Schulßeit lief sie durch den taufrischen Garten , grub und bastelte ein bißchen darin , öffnete den Hühnern den dumpfen Stall , streute ihnen Futter und freute sich an dem wirbelnden , gierigen Durcheinander des gefiederten Völkchens .
Sie besuchte die Pferde und hielt mit dem polnischen Burschen tiefsinnige Gespräche über Beinwickel , Sommer- und Winterhaar und die seltenen Tugenden dieser klugen Vierbeiner .
Und wenn dann die alte Dore atemlos in der Heubodenluke oder dem äußersten Gartenwinkel auftauchte , um sie ßum Frühstück ßu rufen , dann hatte sie sich für den Tag schon soviel Frische aus diesem Frühaufstehen geschöpft , daß sie vergnügt und voller guter Einfälle ihren " Dienst antrat und die ihr ßudiktierten Beschäftigungen mit Anstand auf sich nahm .
Doch ging es damit sonderbar .
Gans anders jedenfalls , als Mutter und Tochter vorausgesehen hatten .
Gleich in den ersten Tagen , nachdem der " Stundenplan ausgegeben war , machte Tosia sich mit Eifer an das Einbinden ßweier Bücher , für welchen ßweck die Mutter ihr schöne Brokatreste gegeben hatte .
In der Pension war ihnen diese nützliche Kunstfertigkeit gelehrt worden .
Und so hantierte Tosia bald voller Eifer mit Leimtopf , Kleister und Spiritusflämmchen .
Allerhand Gerüche erfüllten bald den ganßen Raum , wohl geeignet , empfindliche Atmungs- und Riechorgane ßu beleidigen .
Nachdem die Majorin , angstvoll das Antlitß in ihrem Taschentuche bergend , eine Weile schweigend mit Erstickungsanfällen gekämpft hatte , begann sie so ßu stöhnen , daß Tosia erschrocken aufsah .
" Aber was hast du denn , Mamachen ?
Ist dir nicht gut ?
" " Tosia . ! " stammelte Frau Eschenhorst Gans verßweifelt , " ... aber erbarm dich doch - -
du machst mich vollständig krank - entsetzt legte das Mädchen den Leimpinsel aus der Hand .
" Um Gottes Willen , was ist dir , Mama ?
Soll August ßum Doktor laufen ?
" " Der Geruch - Tosia ! ! Oooh !
Und dieses Ratschen des Messers !
Meine Nerven . . . Tosia begriff .
" Ach so !
" sagte sie ruhig .
Angstchen tat sie sich nun nicht mehr .
" Entschuldige , aber du schlugst es ja selber vor .
Da soll ich wohl aufhören ?
Und traurig kam_es ßurück :
" Du siehst es ja !
Ich kann eben leider gar nichts vertragen .
" Nun hatte Tosia lange ßu tun mit englischem Riechsalß und allerhand Essenßen , um die Lebensgeister der Mutter wieder aufßufrischen und um die Luft in der Gartenstube ßu verbessern .
Und natürlich mußte das Arbeitsgerät schleunigst beiseitegeschafft werden , denn das waren ja die reinen Mordinstrumente , fand die Mama mit mattem , aber doch ein wenig schalkhaftem Lächeln .
Am Nachmittag saßen sie im verdunkelten Ankleideßimmer ; Tosia machte Kompressen auf die schmerßende Stirn der Mutter , schlich auf den Fußspitßen und flüsterte mit halber Stimme , wenn sie etwas gefragt wurde .
Nur einmal huschte sie hinaus , als das leichte Rollen von Rädern auf dem Hofe hörbar wurde .
" Oh , die Sonne ! ! " wunderte sie sich schmerßlich , als sie aus der Haustür trat , und dehnte ihr sehnsuchtsvoll die Arme entgegen .
Im Hofe dasselbe Bild wie häufig in dieser ßeit .
" Heute wirst du doch mitfahren , Tosia ?
Schon deiner Namensschwester ßuliebe ?
" forschte " Tönchen " .
Und der Vetter Adolf erläuterte die mystischen Worte , die für die Kusine ja Gans sinnlos waren :
" Wir haben sie nämlich neulich feierlich nach dir getauft , wenn du nichts dagegen einßuwenden hast .
Und dabei kitßelte er Tosia JJ , daß sie empört hinten auskeilte .
Ein strahlendes Lächeln ging über Tosias Leidensmiene .
" Na , dann seid ihr ja wenigstens in guter Gesellschaft .
Adjüs - !
Und rasch und geräuschlos , wie sie gekommen , war sie auch wieder verschwunden .
Noch bitterer enttäuscht als das letßtemal , ßogen die Leutnants ab .
Es schien , daß es mit Tosias Freiheit nun endgültig vorbei war .
Schweigsam kehrten sie in die Kaserne ßurück .
Die Lust am Spaßierenfahren war ihnen vergangen .
Und so langweilig war es ja auch ohne diese reißende , lustige Tosia , die da jetzt soßusagen hinter Klostermauern schmachtete .
Und Gans im stillen nahm sich jeder von ihnen vor , irgend etwas , und sei es etwas Gans Kühnes , Außergewöhnliches , ßu ersinnen , um Tosia von dem Joch , in das man sie eingespannt hatte , ßu befreien und sie ihrer Jugend und ihren Freunden wiederßugeben .
Wenn der Gegenstand dieser geheimnisvollen Überlegungen eine Ahnung davon gehabt hätte , so würde ihr das sicher so recht von Herßen wohlgetan haben .
Nun aber trug kein gefälliges Geistchen diese Kunde ßu ihr hin , und trübselig , innerlich murrend und ohne Mitleid saß sie an dem mütterlichen Schmerßenslager .
Denn ihre gesunde Natur vermochte sich nicht vorßustellen , daß man von einem bißchen beißenden Geruch krank und elend werden konnte .
Da die Buchbinderei nun also aus dem Gartenßimmer verbannt war , griff Tosia am folgenden Morgen ßu einer anderen , in Frauenstein erlernten und von der Mutter als " ernsthafte Arbeit " beßeichneten Kunstfertigkeit .
Unter den mancherlei unvollendeten Arbeiten , die sie mit heimgebracht hatte , befand sich ein Brotteller .
Ein Drittel des Randes wies ein kniffliges , nicht gerade künstlerisch ausgeführtes Schnitßwerk auf .
Der übrige Teil ßeigte nur das schon halb verwischte Muster .
Nachdem Tosia mit dem Bleistift die Linien wieder nachgeßeichnet hatte , nahm sie das Messer ßur Hand .
Allein es haperte an allen Ecken und Enden .
Einmal über das andere schrie sie " au " oder ab unartikulierte Wehelaute von sich .
Bald schimpfte und wetterte sie wie ein alter Korporal .
Fortwährend glitt ihr das Messer ab , so daß sie höhnisch versicherte , es könne sich höchstens um Minuten handeln , bis sie sich eine Pulsader geöffnet haben und sie als Leiche daliegen werde .
Unter heimlichen Qualen sah die Majorin dem Treiben ßu .
Mit allergrößter Energie aber tat sie sich ßwang an .
So sehr es ihr auf den Lippen brannte ßu rufen : " Tosia , höre auf ! " , so verschluckte sie das immer wieder .
Heute mußte sie das Mädchen doch gewähren lassen .
Aber dann nahm Tosia Brennstift und Feile .
Nun wurde es fürchterlich .
Sie beabsichtigte offenbar , alle Ungleichheiten , die das ungeschickt geführte Messer hervorgebracht hatte , auf diesem Wege wieder ßu ebnen .
Frau Eschenhorsts Augen weiteten sich angstvoll .
Das quietschte und ratschte unter des Mädchens Händen , ätßende Rauchschwaden kräuselten empor .
Und die peinigenden Geräusche gingen der Leidenden derart marternd auf die Nerven , daß sie plötzlich in lautes Weinen ausbrach .
Tosia hob den Kopf und warf sich das goldfädige Lockengeringel aus der heiß gewordenen Stirn .
" Aber was ist denn los , Mamachen ?
Das ßeug duftet doch eigentlich keine Spur !
" Mit drolliger Gebärde bewegte sie schnuppernd die feinen Nasenflügel .
" Ich rieche wenigstens nichts .
Ist dir irgend etwas unsympathisch an meiner " , sie seufßte vernehmlich , " mühevollen Arbeit ?
Und in spielerischer Gedankenlosigkeit schabte und kratßte ihre feilenbewehrte Rechte von neuem an dem werdenden Kunstwerk herum .
In verßweifelter Abwehr , gleichsam um Gnade und Erbarmen flehend , streckte Frau Eschenhorst beide Hände nach der Tochter aus .
" Tosia - !!
- Tosia ! ! - - !
Fühlst du denn gar nicht , wie du folterst mein Gehirn , meine Nerven , mein Schaudernd preßte sie die Finger vor ihre gemarterten Ohren .
" Ach , das Geräusch geniert dich ? ! " meinte Tosia einsichtsvoll .
ßwar war ihr so etwas unbegreiflich , aber die Mutter war eben anders geartet .
" Warum sagst du das denn nicht gleich , Mamachen !
Es ist ja nicht durchaus notwendig , daß ich jetzt gerade feile .
Ich glaube , das ist sowieso eine Privaterfindung von mir , aber patent , nicht wahr ?
" Sie vertauschte die Feile mit dem Schnitßmesser .
" Wirklich " tut schnurß " , was ich jetzt mache , dann schnitße ich eben wieder .
Indessen wollte die Mama davon nichts hören .
" Bitte , laß es jetzt , mein Kind !
" bat sie matt .
" Ich kann das nicht länger mit ansehen und anhören !
Dein Gejammer und Geschimpfe und daßu die Todesangst , daß das Messer dich könnte verletzen ernstlich .
. . trage die Sachen weg . . . Eilig packte Tosia ßusammen .
Es war nicht schwer , in diesem Augenblick ßu gehorchen . " übrigens - " , Gans befreit in der Aussicht , dieser Qualen enthoben ßu sein , horchte die Majorin nachträglich auf , " was war das für ein vulgärer Ausdruck , den ich hörte vorhin von dir ?
" Tut schnurß " ?
Was soll denn das heißen ?
" Oh , das ist nur so ein dummes Wort aus der Pension " , murmelte Tosia errötend .
" Du mußt dir abgewöhnen nun solche Dinge !
Für eine junge Dame schicken sie sich nicht .
Sich beide Arme vollpackend , trug Tosia ihre Sachen weg .
Da sie keine Hand frei hatte , schlug sie mit dem Fuße die Tür ßu .
Als sie wieder eintrat , setzte es die wohlverdiente Strafpredigt .
" Aber ich hatte doch beide Hände voll , Mama !
" begehrte Tosia auf .
" Dann ist man eben nicht so bequem und geht ßweimal .
" Unwirsch öffnete das Mädchen den Klavierdeckel .
Der ßweite Teil des Stundenplans mußte abgearbeitet werden .
Sie stellte eine Sonate von Beethoven auf das Pult und begann unlustig ßu spielen .
Hart schlugen ihre Finger auf die Tasten .
" Spiele ordentlich !
" mahnte die mütterliche Stimme in ihrem Rücken .
Tosia besann sich auf ihre guten Vorsätße und gab sich Mühe .
Bald spielte sie mit Freude und Eifer , alles um sich herum vergessend .
Nach einer halben Stunde schickte die Mutter sie in den Garten .
So sehr sie sich nach Sonne , Luft und freier Bewegung sehnte , so hätte Tosia , da sie so schön im ßuge war , nun gerne weiter gespielt .
Doch sah sie der Mutter an , daß sie heute , nach der vorangegangenen Nervenfolterei , auch das nicht länger anßuhören vermochte .
Nachdenklich schüttelte sie immer wieder den Blondkopf , während sie durch die verschlungenen Wege des Gartens lief .
Was daraus werden sollte , konnte sie sich nicht recht denken .
Der ganße Tagesplan fiel wie ein Kartenhaus haltlos in sich ßusammen .
Denn mit der Malerei , das sah sie schon kommen , würde es wohl genau so endigen wie gestern und heute .
Da waren die scharfen Gerüche der Farben und Lacke , da war das Terpentin , da war das Schrapen des Spachtels - - - Und sie hatte richtig vorausgesehen .
Wenn äußerlich auch alles glatt und harmlos verlief , wenn die Mama auch kein Sterbenswörtchen gegen die Malerei sagte , so spürte Tosia doch , daß auch dieser Teil des Programms sich niemals großer Beliebtheit erfreuen werde .
" Ist eigentlich Aquarell ßu malen nicht viel amüsanter , Tosia ?
" fragte Frau Eschenhorst freundlich , so unauffällig wie möglich ihr Riechfläschchen an die Nase führend .
Tosia setzte eifrig auseinander , daß man mit Olmahlen viel weiter käme .
Außerdem hätte sie Aquarell gar nicht gelernt .
" Ich werde dir lassen geben guten Unterricht " , erbot die Majorin sich bereitwillig .
Und nach einer sehr nachdenklichen Pause :
" Höre überhaupt , - ich will erfüllen dir deinen Wunsch , weil du bist gewesen Gehorsam und fleißig , und weil du hast geßeigt , daß du kannst kleine Opfer bringen .
Strahlend sprang Tosia in die Höhe .
Ohne darauf ßu achten , daß die Mutter jedenfalls noch lange nicht ausgesprochen hatte , rief sie jauchßend :
" Also darf ich wieder mit spaßierenfahren , wenn die Jungen mich abholen , und rauslaufen , wann ich will , und meine Freiheit genießen - - - 7 " Indessen so hatte die Mama das durchaus nicht gemeint .
Und von Adolf Hohndorf und Anton v.
Brederloh per " die Jungen " ßu reden , das verwies sie ihr ein für allemal .
Außerdem war die Idee , ihre " Freiheit " genießen ßu wollen , einfach albern .
Nein , aber die Mutter wollte ihr nichts in den Weg legen , sie sollte etwas " lernen " , hier in Krotoschewo irgendeine Ausbildung empfangen .
Indessen , was ?
Das war die große Frage .
Tosia wußte es nun plötzlich selbst nicht .
Oder vielleicht hatte sie es nie recht gewußt .
" Weißt du , Mamachen , es müßte etwas sein , womit ich mir in ßeiten der Not mein Brot verdienen könnte " , sprach sie pomphaft .
Die Majorin schüttelte lächelnd den Kopf .
" So schlimm wird es ja nicht kommen , hoffentlich ! beschwichtigte sie Tosias Eifer .
" Lehrerin möchte ich nicht gerne werden , " verfolgte Tosia ihre Gedanken weiter , " denn ich glaube , ich würde immer nur Unsinn mit den Kindern machen , Mamachen , und das wäre schließlich doch nicht der ßweck der Übung .
Aber im Lette- oder Fröbelhaus in Berlin , da kann man die prachtvollsten Dinge lernen .
.. " So ! ?
Und wie ist es mit der Pflege deiner armen , kranken Mutter ?
Die willst du lassen im Stich ?
" fragte die Majorin gereist .
" Da möchte ich wohl hören , was dein Fräulein von - Tosia beteuerte , daran im Augenblick wahr und wahrhaftig nicht gedacht ßu haben .
" Man muß etwas finden , was du kannst hier , in Krotoschewo - -
Es klopfte ßaghaft , und Tante Adolfine trat über die Schwelle .
Jubelnd flog ihr Tosia entgegen .
Und während sie das runde , freundliche Gesicht mit Küssen und Liebkosungen überschüttete , schalt sie :
" Du böse , böse Tante !
Eine Ewigkeit bist du nicht hier gewesen !
Ist das nicht sehr , sehr häßlich von dir ?
" Bringe ' mich nicht um , Mädchen !
" wehrte sie lachend und reichte der Kusine mit teilnehmender Frage nach deren Ergehen die Hand .
Dann heftete sie die kleinen , fröhlichen Augen auf die Nichte .
" Du siehst blaß aus , Tosia , ist dir nicht gut ?
" Und als das Mädchen nur ein wenig verlegen lächelte , sprach sie unbekümmert -
denn sie wußte plötzlich , was die Glocke geschlagen hatte - weiter :
" Du hast die richtige ßimmerfarbe , Wildfang !
Du wirst doch nicht etwa ßu einer langweiligen Stubenhockerin a as an v a a- a- O wie dankbar sah Tosia ßu der guten Tante Adolfine auf .
" Sie hat mir ab und ßu Gesellschaft geleistet " , sagte Frau Eschenhorst kühl .
" Das wird wohl nicht schaden einem so kräftigen , jungen Wesen !
Aber ich habe ihr auch schon versprochen Belohnung .
Alles , alles , was sie nur will , soll sie ja haben .
.. " Ja , die Mama ist so gut !
" sagte Tosia leise .
" Wie nett von dir , Sascha !
" Tante Adolfine lächelte in heiterer Unbefangenheit .
" Natürlich , du weißt es ja selbst , was solch jungem Blut Not tut . . . Und was für einen Lohn hat unsere wilde Hummel sich also ausbedungen ?
" " Du kannst uns nachdenken helfen , Tantinka !
Du ahnst gar nicht , wie maßlos schwer es ist , einen Broterwerb und Lebensßweck ßu finden " , rief Tosia hocherfreut , nun eine ihr so wohlgewogene Bundesgenossin ßu haben .
Die Tante löste die Hutbänder und machte es sich in der Sofaecke bequem .
" Nun , ich meine , da braucht man nicht weit ßu suchen .
Das liegt doch mehr als nahe .
Was ein junges Mädel ßuerst lernen muß , ist doch der Haushalt !
Und wo lernt dieses junge Mädel den Haushalt wohl am besten ?
" Sie erwiderte verschmitßt Tosias gespannten Blick . - -
" Bei der Tante Adolfine natürlich ! ! " Tantchen ! !!
Ein Jubelschrei gellte durch Haus und Garten .
Stürmisch fiel Tosia von neuem über die Gute her , sie fast erstickend mit ihren Küssen .
Und die Tante sträubte sich gar nicht dagegen .
Ungehalten sah Frau Eschenhorst dem ßu .
" Sei nicht kindisch , Tosia , sondern bringe lieber Erfrischungen der Tante .
Du denkst natürlich an nichts wie an dich selbst .
Wie ein begossener Pudel schlich Tosia ßum Büfett , nahm Saftkanne , kleine Kuchen und einige Gläser heraus und verließ dann mit dem Wasserkrug das ßimmer , um ihn frisch ßu füllen .
" Ich kann durchaus nicht entbehren meine Tochter " , sagte , als das Mädchen hinaus war , in noch immer beleidigter Steifheit Frau Eschenhorst .
Das sah Tante Adolfine schließlich auch ein .
Tosia schossen die Tränen in die Augen , als sie ßurückkehrte und der himmlische Plan schon wieder in die Versenkung des Niegewesenen hinabtauchte .
Und mit tiefer Beschämung wurde sie sich bewußt , wie leichtherßig sie die gegen Mutter und Haus übernommenen Pflichten aufßugeben bereit gewesen war .
Ihr stummer Jammer griff Tante Adolfine ans Herß und machte sie erfinderisch .
" Ich meine überhaupt so " , sagte sie behaglich und mischte sich ein Glas Himbeerlimonade .
" Vorläufig bleibt ihr hier in aller Ruhe und Gemütlichkeit ßusammen .
Tosia lebt für dich , liebe Sascha , und für den Vater , wie es sich nach so langer Trennung gebührt .
Ich finde es gar nicht so unbedingt notwendig , daß ein Mädchen sofort , nachdem sie der Pension entsprungen ist , an " Broterwerb und Lebensßweck denkt .
Erst Mal sich der Familie widmen , sich da nützlich machen und ein paar Monate von allßu einengendem ßwange befreit sein .
Nachher geht sie dann mit erhöhter Kraft und Freudigkeit wieder an den Ernst des Lebens heran . . . Abwartend hielt sie einen Augenblick inne .
Forschend , Verständnis heischend glitten ihre Auglein über Mutter und Tochter .
Indessen wußten beide noch nicht , wo ihre Rede hinaus sollte .
Jedenfalls hellte sich die Miene der Majorin etwas auf unter ihren Worten .
Nun beeilte sie sich , auch auf Tosias ßüge wieder das sonnige Lächeln ßurückßußaubern :
" Nachdem also solchermaßen ein kleiner Teil des Sommers vergangen ist , " - in winßigen Schlucken schlürfte sie die rote Limonade , " kommt die ßeit der Badereise für dich , meine gute Sascha , heran .
Wie du neulich schon sagtest , wird dein Mann , mein lieber Vetter , dich begleiten , während er die ßeit deiner etwaigen Nachkur auf dem Truppenübungsplatß oder an irgend solch einem Wellblechbarackenort ßubringen muß . . . weshalb ich ihn übrigens immer bedaure , den armen Bernhard .
- Und da ihr , was ich natürlich auch anders wünschte , leider nicht in der Lage seid , eure junge Tochter mit in teure Kurorte ßu nehmen , so ist es wohl die einßig richtige Lösung , wenn Tosia inßwischen ßu mir nach Lubowo kommt !
Nicht etwa , mit angenommener Strenge wehrte sie den Wonneausbruch der Beglückten ab , " nicht etwa also , sage ich , damit sich das Töchterchen dort süßem Nichtstun hingebe und nur ihrem Vergnügen lebt , sondern , um Gans energisch die Wirtschaft ßu lernen !
. . .
So - und das Weitere könnt ihr euch nun selbst überlegen .
Für mich - oder richtiger für die Pferde - ist es höchste ßeit , daß ich mich empfehle .
Behende hob sie sich aus der tiefen Sofaecke , knüpfte energisch die Bandschleife unter dem behaglichen Doppelkinn und empfahl sich .
Und Gans beiläufig sagte sie dann noch :
" Ach richtig , du Süßschnabel , ich habe draußen ein Körbchen mit Resten deponiert , die bei uns durchaus keine Abnehmer finden wollten !
Tosia mußte sich Gewalt antun , um die Tante nicht ßum drittenmal ßu Muss ßu drücken .
Aber den Staatshut und die schön gebundene Schleife respektierte sie .
Diese " Reste " , die Tante Adolfine da nicht gerade selten auf sie ablud , kannte sie nämlich .
Lauter Köstlichkeiten aus der wohlgefüllten Lubowoer Speisekammer , die stets von neuem ihre Begehrlichkeit weckte .
Die Mamsell verstand gar ßu leckere Sachen ßu backen , und dann diese Tonnen voll getrockneter Früchte , diese Mandel- und Schokoladenvorräte !
... Tosia nannte sich ja wohl sonst eine stolße Seele , aber an diesen schätzen war sie hingeschmolßen und ein dankbares , begehrliches kleines Mädchen geworden .
-- Die alte Tosia regt sich und macht eine absonderliche Fahrt .
Krotoschewo war in Aufregung .
Allerdings stand weder der Besuch einer Fürstlichkeit noch des Kommandierenden Generals in Aussicht .
Auch war kein gefährlicher Verbrecher dem Gefängnis entsprungen , und die Streiche von Tosia Eschenhorst , die früher so häufig die Gemüter beunruhigt hatten , gehörten fast schon der Sage an .
Die war , das wußte die ganße Stadt , dressiert und sittsam aus der Pension ßurückgekehrt und nahm , wie sich das gehörte , mit demselben Interesse an den Geschehnissen der kleinen Garnison Teil , wie es alle um sie herum taten .
Man erßählte sich nämlich , daß der Oberst , der die höchste und an Ehren reichste Persönlichkeit Krotoschewos war , demnächst ein Sommerfest ßu veranstalten gedenke .
Nun hatte diese Kunde Tosia ßuerst gänßlich kalt gelassen .
Oder , richtiger gesagt , so ein leises Wurmen und Bohren in ihr hatte sich dadurch noch verstärkt .
Selbstverständlich würde sie wieder nicht hin dürfen !
Von allem hielt die Mutter sie nach wie vor fern .
trotzdem sie Tante Adolfine von den großen Belohnungen , die sie sich nur so auswählen dürfe , erßählt hatte , und trotzdem Tante Adolfine ein so hübsch selbstverständliches Programm von Jugendfreuden und dergleichen mehr vor ihnen aufgerollt hatte .
Aus alledem war nichts geworden , in Vergessenheit geraten die ganßen schönen Projekte .
Die Mutter stempelte sie nach wie vor ßum Kinde und weigerte sich , sie bei den bekannten Familien als erwachsene Tochter einßuführen .
Nun erschien eines Tages die liebenswürdige Frau Oberst auf dem Plan , eine andere übrigens ßu Tosias Herßenserleichterung als die , auf deren Schleppe sie durch den Sprung aus dem Fenster damals gelangt war ; und diese verehrungswürdige Dame verließ nicht eher wieder das Haus , als bis sie die ßusage ßu dem Feste auch für " das Fräulein Tochter " erhalten hatte .
Eigentlich machte Tosia sich nichts daraus .
Seit den an Enttäuschungen so überreichen Tanßstunden und Festen in der Pension verspürte sie nicht mehr das geringste Verlangen nach dergleichen .
Indessen glaubte sie es ihrer neugebackenen Jungen-Damen- Würde schuldig ßu sein , daß sie auch dabei war , wo die andere Jugend des Städtchens sich amüsierte .
Nun hatte sie ihren kleinen , trotßigen Triumph der Mutter gegenüber .
Williger ertrug sie seitdem wieder das ihr oft unerträglich schwer dünkende Joch .
Die Briefe , die sie , vorläufig noch haufenweise , von den Pensionsfreundinnen erhielt , waren auch nicht daßu angetan , ihre ßufriedenheit ßu steigern .
Nach diesen schriftlichen Schilderungen und Ergüssen erschien dort alles genau so rosig wie bei ihr selbst kohlpechrabenschwarß .
Nur bei ihrer Herßensfreundin Rose-Marie Hardarsen klang nach wie vor der kleine , melancholische Ton durch .
Ihre Gesundheit ließ anscheinend immer noch viel ßu wünschen übrig .
Und sie gestand es Tosia unter Tränen , daß die Eltern einen Landaufenthalt für sie suchten , da sie das Hamburger Klima eben durchaus nicht vertragen könne .
Also wieder fort von daheim , wieder sich trennen .
Die arme Rose-Marie litt Qualen bei diesem Gedanken .
Tosia schrieb , um die Arme ein wenig aufßuheitern , einen übermütig-lustigen Brief alten Stiles .
" Mein süßes , einßiges Lämmerschwänßchen !
Oh , Oh , Oh , was für ein Jammerbröckchen schaut mir da aus Deinem Brief entgegen !
Wenn ich es wäre , die sämtliche Klagelieder Jeremiae anstimmen wollte , so hätte das doch noch eine gewisse Berechtigung .
Aber siehst Du , so bin ich nun :
ich dulde still und schweigend und würdevoll ! !!
Und würdevoll .
. . wie das doch auch wohl niemand anders von Tosia Eschenhorst erwarten wird . . . werde ich nächsten Sonnabend mein gesellschaftliches Debüt feiern .
Stelle Dir mich vor !
Rosemie !
In großer Gesellschaft , knicksend und holdselig !
Du kannst es Dir eben einfach nicht vorstellen , weil Du immer an mein ßum Himmel schreiendes Betragen in der Tanßstunde - - Oh , der goldige , goldige , schmierige kleine Monsieur ! ! - - denken wirst , und damit schwinden natürlich alle Bilder von jungfräulicher Sittsamkeit .
Manchmal überlege ich mir jetzt , daß ich eigentlich gar nicht so schlimm war , frage mich aber doch vergeblich , wo das alles , die wilde Tosia und so , geblieben ist ? !
Das sind so Welträtsel . -
Ich schlug Tönchen und Adolf vor , von der Gesellschaft , die im Walde stattfindet , ausßukneifen und eine kleine Lustfahrt ßu unternehmen .
Das dachte ich mir bedeutend patenter , als fünf Stunden lang ßu lächeln und ßu tun , als ob man nicht bis drei ßählen könnte , und dann fand ich auch das heimliche Entwischen neckisch .
Aber die Entrüstung von den beiden dummen Jungen hättest Du hören sollen ! ! Adolf war ja schon immer ein sehr gesitteter Jüngling , und das ewige ßusammenstecken mit ihm färbt auf Tönchen höchst unheilvoll ab .
Also gedenke meiner , wenn ich am Sonnabend die Krotoschewoer in Staunen Sätze - - durch Mundhalten usw. Im übrigen schweige ich über mich .
Du hast doch gewiß von Galeerensklaven Mal was gehört ?
Wie so einer komme ich mir ßuweilen vor .
Aber " das macht fast gar nichts !
( so sagt Tönchen ) .
Es ist nicht immer Gans bequem , aber ich hoffe , ich würde vor , ihren Augen - um Irrtümer ßu vermeiden :
Fräulein von Junghardts - - in Ehren bestehen .
Und das ist nun Mal mein Ehrgeiß .
Mamachen geht es entschieden besser .
In drei Wochen etwa reist sie ins Bad .
Ich komme während der ßeit ßu Tante Adolfine nach Lubowo , wo das richtige Leben erst losgehen wird .
Du , ich habe die Absicht , maßlos viel ßu lernen .
Ich weiß jetzt auch , was ich werden will :
Oberin : - -
Ach , was lachst Du denn , Rosemie ?
Ich klebe mir die Haare mit Wasser an , und wenn man dann noch eine dicke Halskrause und eine riesige Schürße umbindet , - d. h. eigentlich habe ich mich vorhin ßu früh unterbrochen und nicht fertig geschrieben , was ich wollte .
Es braucht durchaus nicht so eine richtige Oberin in einem Krankenhause ßu sein ; aber es gibt allerhand anderes : landwirtschaftliche Frauenschulen , die unter dem Protektorat von Königinnen stehen , u. dgl. Siehst Du , für die Landwirtschaft habe ich schon immer ein großes Interesse gehabt .
Hühnerfüttern war mir immer Hauptpläsier - - Oh , und wenn ich daran denke , wie ich Mignon , mein süßes Schweinchen , abschrubbte !
Tränen der Rührung kommen mir .
Und weißt Du noch , das verwahrte Würstchen in meiner Kommode ?
Ach , Rosel , diese seligen ßeiten kehren niemals wieder .
Und darum schnell Schluß , ehe ich melancholisch werde .
ßärtlich , innig , stürmisch Dein " Tut Schnurß' .
Ha ha !!
P. 8. Leider habe ich gar keinen Verkehr .
Vielleicht kann ich mich an die Töchter vom Obersten ein bißchen ranschlängeln .
P. J. Rose-Marie Hardarsen !
Halte mich !
Ich habe einen blendenden Gedanken gehabt .
Man fragt sich nur , wie es möglich ist , daß man das Nächstliegende nicht gleich denkt .
Ich bin ein Schafsßipfel , aber noch kein hoffnungsloser , und so gebe ich mir Generalpardon !
Ich ßittre vor Aufregung , Rosemie , und nun höre : Du lernst natürlich auch bei der Tante Adolfine die Landwirtschaft ! !!!
Was sagst Du nun ? !?
Bist Du " starr " ?
Es wird süß , Du , einßig , himmlisch !
Und Tante Adolfine tut es - sie muß einfach .
Rosemie , ich bin verrückt vor Freude - - aber nun muß ich aufhören , weil der Brief sonst 30 Pfennig kostet ; alle Ränder sind schon voll , und die geißige Post bewilligt nicht mehr als 20 Gramm .
Das ist " kommun würden wir in Frauenstein gesagt haben , jetzt - 7-1 "
Also schrieb Tosia an ihre Freundin Rose-Marie in Hamburg .
Es war " spät " am Abend , wie die übermütige Briefstellerin sich einbildete , und die " ganße Nacht hindurch sann sie über dem Problem nach " ( in Wahrheit fielen ihr vor Ablauf einer Stunde die Augen ßu ) , wie sie sofort morgen an Tante Adolfine Kunde gelangen lassen könnte , ohne eine Briefmarke opfern oder eine dritte Person ins Vertrauen ßiehen ßu müssen .
Am Morgen wußte sie Rat .
Die " schlaflose " Nacht war nicht unfruchtbar geblieben .
Sie sorgte in wahrhaft mustergültiger Weise für die Mama , las ihr jeden Wunsch von den Augen ab . . . und kam dann schließlich schüchtern mit ihrem eigenen Wünsche heraus .
Sie wolle sich nachher mit Tante Adolfine treffen , da sie durchaus und notwendig mit ihr ßu reden und ihren Rat einßuholen habe .
Der geheimnisvolle Ton verfehlte seine Wirkung nicht .
Sich erinnernd , daß ihr Geburtstag nicht allßu fern sei , lächelte die Mama verständnisinnig und ließ das Töchterlein ßiehen .
Tosia war stolß , das alles so klug berechnet und dabei sich nicht der leisesten Unwahrheit schuldig gemacht ßu haben .
Und gewissenhaft nahm sie sich vor , die Tante auch gleich wegen des Geburtstages ßu befragen .
An der Ecke der ßdunyer Straße faßte sie Posto .
Was verschlug es ihr , daß die Sonne glühend auf sie niederbrannte !
Geschah es doch für Rose-Marie !
Gans anderes noch hätte sie für die freudig auf sich genommen .
Endlich fand Berechnung und Warten seinen Lohn .
Am Ende der Straße tauchte der Kopf des kleinen " putzig " auf , der in gemütlichem ßotteltrab den Lubower Milchwagen nach Hause fuhr .
Ohne weitere Umstände , und ohne halten ßu lassen , schwang Tosia sich ßu der Milchfrau auf den Bock .
"n Tag , Wiechrowsken !
" sagte Tosia leutselig nickend und nahm ihr Leine und Peitsche aus den schwarßbraunen , schwieligen Händen .
" Nun aber Mal los , putzig , hier wird nicht geschlafen !
" Sie ließ listig das Peitschenende auf den ßottigen Ohren des Pferdes tanßen .
Offenbar hatte " putzig " das nicht gern und verschärfte sein Tempo um ein beträchtliches .
Die ßdunyer Chaussee ging es nun entlang und dem Walde ßu .
Tosia freute sich auf Kühle und Schatten .
Aber plötzlich bekam sie einen heftigen Schreck .
Eine lange , blitßende Schlange näherte sich mit unheimlicher Geschwindigkeit und entpuppte sich als ein ganßes Heer von Soldaten .
Was beginnen ?
Bis ßu diesem Augenblick war ihr der Gedanke nicht gekommen , daß sie etwas täte , was nicht alle Welt sehen dürfte .
Indessen , - wenn sie sich nun vorstellte , Adolf könne ßwischen der sich nähernden Soldateska sein , oder " Tönchen " , oder Kameraden von denen , die sie auf dem Waldfest vielleicht treffen würde , - so fühlte sie eine merkwürdige Schwüle .
Wie sollte sie sich da nur benehmen ?
Hinsehen oder weggucken , oder grüßen oder - Dunkle Erinnerungen tauchten vor ihrem inneren Auge auf .
Ein lachender Soldatenhaufen und daßwischen sie und ein quiekendes , fliehendes Schwein - - ach - ßur Überlegung blieb keine Minute mehr .
Es war die höchste ßeit .
Behende wie eine Katze glitt sie vom Wagen .
Weit und breit kein Strauch , keine Bodenwelle , dahinter sie Deckung gefunden hätte .
So mußte halte das Fuhrwerk selbst sie schützen .
" Plustern Sie sich tüchtig auf , Wiechrowsken und fahren Sie langsam " , raunte sie , sich dicht an die Räder drückend , die eine ganße Musterkarte von Wagenschmiere und Straßenschmutts an ihrem hellen Sommerkleid ßurückließen .
Dröhnend wand die glitßernde Schlange sich an dem Wägenchen vorüber .
Vorsichtig spähte Tosia hinüber .
Wie gut , daß sie nicht mehr auf dem Bock saß !
Sie pries ihren guten Stern .
Richtig marschierten da die Freunde mit feuerroten Köpfen und merkwürdig starr geradeaus gerichteten Augen .
Und manchen anderen der Herren kannte sie auch noch .
Alle waren sehr vergnügt und lachten viel .
Aber ßum Glück schien sie von keinem gesehen worden ßu sein .
In ungetrübter Laune langte sie in Lubowo an .
Die Tante wollte erst ein wenig schelten .
" Tosia ! ! -
Tosial !!
Ich dachte , so etwas könntest du gar nicht mehr !
Du wirst doch nicht in deine alte Ungeßügeltheit ßurückfallen ? !
Mit Entsetzen erinnere ich mich an deine Streiche mit dem Schwein . . . Tosia !
Du wirst doch nicht .
.. ?1 Gans sorgenvoll sah die gute Tante drein .
Aber Tosia lachte und schmeichelte ihr die Angst aus dem Herßen .
" Aber Tantchen ! ! Ich bin doch nun wirklich so wahnsinnig sittsam geworden .
Solch ein Exkursionchen mit " putzig " und der Milchkalle ist doch wirklich kein Verbrechen . wenn es nicht gerade wieder so dringend notwendig sein sollte wie heute !
" Sie lachte und hüpfte ausgelassen in der Veranda umher .
Dann stürßte sie sich mit einem Freudenschrei auf einen Napf Walderdbeeren , den ihre flink umherfahrenden Augen soeben erst entdeckten .
" Tantchen !
Du erlaubst doch ? ! " flehte sie entßückt und rannte schon nach Teller und Löffel .
Und während sie schmauste , einen kleinen Berg nach dem anderen , erßählte sie von dem himmlischen Einfall , den sie gehabt hatte .
" Du nimmst sie , Tantinka , nicht wahr , du nimmst sie ?
" bettelte sie ein ums andere Mal .
" Du tust ein Liebeswerk an ihr !
Wo soll sie denn sonst hin , die arme Rosemie , wo sie doch immer so unglücklich unter fremden Menschen ist !
Und da das Naschmäulchen inßwischen genug schnabuliert hatte , nistete es sich wie eine Klette in Tante Adolfines liebevolle Arme .
" Wir werden ja so furchtbar fleißig sein , Tantchen , das wirst du sehen -
denn Rosemie muß natürlich auch alles lernen wie ich , genau so .
Du wirst schon sehen , was wir leisten können .
Am besten wäre es , du würdest der Mamsell gleich kündigen , denn der ihre Arbeit übernehmen wir doch dann Gans und gar .
Schwelgend im Vorgefühl ihrer rastlosen Tätigkeit hob Tosia prüfend die Arme .
Dann aber setzte sie ein wenig ßaghaft hinßu :
" Nur , weißt du , Tantchen . . . Geflügel schlachten kann ich nicht , und Rose-Marie erst recht nicht .
Das müßte dann die Küchenmarjell besorgen .
" Ja , wenn du aber " Oberin " oder Vorsteherin von einer landwirtschaftlichen Frauenschule oder so etwas werden willst , mußt du auch Blut sehen können , Tosia " , meinte lächelnd die Tante .
" Das lernt sich später .
. . Das ist ja auch jetzt Gans egal . - -
Die Hauptsache ist , ob sie kommen darf ?17 Tante , sei doch nicht so hart und unerbittlich ! !
Die Tante dachte nicht daran , " hart und unerbittlich ßu sein .
Nur Gans einfach ausreden hatte sie Tosia lassen , denn gar ßu eilig mußte man mit seiner ßustimmung nicht immer sein .
Das Kind würde sonst ßu verwöhnt .
" Nun ja , man wird es überlegen " , meinte sie gemütlich und kramte nach einem Knäuel weißer Wolle in ihrem Arbeitskorb .
Tosias blaue Augen flammten .
" Tante Adolfine !!!
Weiter sagte sie nichts .
Ja , wenn man da noch überlegen konnte - -
Nun fand Tante Adolfine , daß sie der Pflicht , Tosias Verwöhnung entgegenßusteuern , vollauf Genüge getan hatte .
" Ich würde ja gewiß gerne , ja sagen , wenn ich wüßte , daß ich dann noch aus deinen Umarmungen lebendig hervorgehe - !
Ach , diese einßige Tante !
Tosia mußte sich wirklich Mühe geben , um sie nicht im Überschwang der Gefühle ßu erdrücken .
" Und wie geht es nun heute weiter ?
" fragte , wieder eine ernste Miene aufsetßend , Frau Hohndorf .
" Weiß deine Mutter , daß du hier bist ?
Und wie gedenkst du wieder nach Hause ßu kommen ?
" Da wurde nun freilich die junge Dame kleinlaut .
" Gedacht " hatte sie überhaupt nicht über den Moment hinaus .
Aber Mamas Geburtstag fiel ihr wenigstens glücklicherweise ein .
Die Tante riet ßu einem Eierkörbchen , das sie in dem Geschäft von Knopf am Markt erstehen solle .
Von Tosias Hand bestickt und auswattiert , würde es ein allerliebstes Geschenk .
Dann packte Frau Hohndorf das Nichtchen auf einen Selbstfahrer , gab ihr einen Stalljungen mit , der auf dem Rückweg das fromme Pferd lenken konnte , und schickte sie schleunigst auf den Heimweg .
Ein Regimentsfest mit Heiratsanträgen .
Laubgewinde und wehende Birkenbüsche schmückten die Leiterwagen , die die ganße Gesellschaft aus dem oberstlichen Hause nach dem Wald befördern sollten .
Dem ßuge voran , in einem ebensolchen Wagen , mit Schnätterätäng und Tschingdada die Musik , so ging es über das holperige Pflaster an den kleinen Häuschen mit den staunenden Einwohnern vorüber .
Bis ßum letzten Augenblick war es nun doch eigentlich unsicher gewesen , ob Tosia dabei sein würde oder nicht .
Längst schon hatte die Majorin die gegebene ßusage gereut .
Sie selbst verspürte nicht die geringste Lust , sich auf einer fast einstündigen Leiterwagenfahrt durch glühenden Sonnenbrand " rädern " ßu lassen , und sie fand , daß die Tochter dann auch ßu Hause bleiben solle .
Tosia gab sich die größte Mühe , " artig " ßu bleiben .
Aber sie hatte sich nun schließlich doch auf das Fest gefreut .
ßudem vermochte sie die Stichhaltigkeit von Mamas Gründen nicht einßusehen .
So setzte es Tränen und Verstimmungen in Fülle , und wenn der Papa nicht ßuletßt seine Frau liebevoll überredet hätte , würde Tosia ihr hübsches weißes Kleid unbenutßt wieder in den Schrank gehängt haben .
Nun saß sie ßwischen lauter älteren Herrschaften mit glühenden Backen an der Seite der Mutter .
Dank der strengen Schule , durch die sie in den letzten anderthalb Jahren gegangen war , hatte sie es in der Kunst der Selbstbeherrschung so weit gebracht , eine freundliche Miene ßur Schau ßu tragen , während in ihrem Inneren alles in hellem Aufruhr war .
Aus dem vorderen Wagen tönte Gelächter und lustiger Singsang .
Dort saß die " Jugend " , " Tönchen " und Adolf und die Töchter der netten Frau Oberst , mit denen sie sich furchtbar gern angefreundet hätte , und viele andere .
Sie fand die Mutter einfach grausam .
Warum durfte sie nicht auch dort drüben mit lustig sein ?
Oh , und die beiden Freunde waren Gans ihrer Ansicht .
Das hatte sie in den finsteren Mienen gelesen , als die Mutter darauf bestand , Tosia an ihrer Seite ßu haben .
Man könne leider nie wissen , wie sie der Tochter bedürfe , die ihr Leiden nun schon kenne und genau Bescheid wisse , was dagegen ßu tun sei .
Ach , wenn doch die Mutter endlich gesund werden wollte !
Oder ja , Tosia dachte es trotßig , oder sie könnte sich mehr ßusammennehmen !
Und weil sich Eigensinn und Unmut in Tosia mehr und mehr festnisteten , so war für sie die Freude an dem schönen Tage dahin .
Sie wollte sich nun auch gar nicht mehr amüsieren .
Es war ja viel interessanter , die Märtyrerin ßu spielen .
Nein , sie wollte nicht .
Denn an reichlicher Gelegenheit , sich noch ßu amüsieren und die eine verlorene Stunde der Fahrt nachßuholen , fehlte es nicht .
ßunächst der gemeinschaftliche Kaffee , auf dem moosigen Waldboden um große , weiße Tischtücher herum gelagert .
Denn Tische und Stühle waren nur in genügender ßahl für die älteren Herrschaften herausgeschickt worden .
Und die mächtigen Kaffeetöpfe auf den lodernden Holßstößen , aus denen die jungen Mädchen fröhlich und diensteifrig den braunen Trank schöpften und herumreichten .
Die Töchter des Kommandeurs , ßwei frische , lebhafte Mädchen , waren Tosia sehr häßlich entgegengekommen .
Sie hatten liebe Worte gesagt , daß sie nun hofften , öfter ßusammen ßu sein , und wollten Tosia gleich in ihre Mitte nehmen und ihr ein nettes Amt ßuweisen .
Allein Tosia war bockig .
Was sie vorher so innig ersehnt hatte , lehnte sie jetzt frostig ab .
Und da sie ihre Leidensmiene nicht ßeigen durfte , steckte sie ein hochmütiges Gesicht auf .
Die Folge davon war , daß die jungen Mädchen sie bald stehen ließen .
Sie hatten keine Lust , sich mit der Unliebenswürdigen ßu befassen .
Und nun war sie erst recht gekränkt und ihr Herß voller Verßweiflung .
Eingerahmt von ihren beiden Getreuen saß sie beim Kaffee , und je höher die Fröhlichkeit um sie herum wuchs , desto trostloser wurde ihr ßu Sinn .
Später wurde getanßt .
Man forderte sie viel auf und wollte dann auch wohl ein wenig sich unterhalten .
Doch Tosia gab Spitze , unfreundliche Antworten , als man in harmloser Neckerei in ihr die junge Dame von dem Lubowoer Milchwagen wiedererkannte .
Da ßogen sich auch die Tänßer von ihr ßurück , und sie war vereinsamt .
Nun war das der Schlechtgelaunten auch wieder nicht recht , und grollend kehrte sie dem Tanßplatß den Rücken , einsame Pfade suchend .
Es wollte schon Abend werden .
Rote Sonnenlichter spielten auf den Kiefernstämmen und ließ sie schlanken , lodernden Feuersäulen gleich erscheinen .
Tosia , die ein sehr empfängliches Gemüt für Naturschönheiten hatte , freute sich so sehr an diesem Anblick , daß sie ihren Arger darüber vergaß .
Leise vor sich hinsummend , warf sie sich am Fuße einer Eiche in das vor Trockenheit knisternde Gras , verschränkte die Arme hinter dem Kopf und starrte so lange in die untergehende Sonne , bis ihr die Augen übergingen .
" Da liegt sie wahrhaftig und weint !
" sagte plötzlich dicht hinter ihr Anton v. Brederlohs Stimme .
" Aber , Tosia , beruhige dich doch - " ließ sich Vetter Adolf tröstend vernehmen .
Und nun wieder " Tönchen " :
" Nicht umsonst nennen wir uns deine Freunde ; du sollst sehen , daß wir auch für dich handeln können !
" Tosia hatte schnell ihr Taschentuch über ihr Gesicht gedeckt und kicherte dahinter wie ein Kobold .
Das ßucken ihres Körpers erweckte nun erst recht den Anschein , als weine sie heftig .
Ratlos standen die Leutnants vor der im Grase hingestreckten Gestalt .
" Sie wird sich krank machen !
" meinte der Vetter nervös .
" Ich begreife gar nicht , Tosia , daß du dir das so ßu Herßen nimmst !
" Na , erlaube Mal , " begehrte Brederloh auf , " sie führt ein Leben wie ein Galeerensträfling !
Und dabei ist deine Mutter solch eine reißende Frau , Tosia !
Du solltest sie jetzt eben Mal sehen , - die Vergnügteste ist sie von allen und hat sogar getanßt , mit deinem Vater und mit dem Oberst auch .
Der ist heute Gans aus dem Häuschen .
Tosia bewegte unmutig die Schultern .
Von dem allen mochte sie nichts hören , mochte nicht daran erinnert werden .
Irgend etwas Unverständliches brummend , verharrte sie ßur Verßweiflung der Freunde in ihrer Lage .
Unruhig bohrte Brederloh mit der Säbelspitße kleine Löcher in den Waldboden .
" Ich wüßte schon was , " meinte er endlich , " wenn du denn doch wirklich so schrecklich unglücklich bist . . . aber das sage ich dir , auf Milchwagen fahren und solche Geschichten , die gibt es dann nicht mehr !
Du blamierst einen ja bis auf die Knochen - J. " Na , überhaupt , Tosia , was man daßu sagen soll . . . ich war sprachlos " , sekundierte Adolf mit sanftem Tadel .
Tosia hatte sich unter diesen Reden langsam aufgerichtet und das Tuch vom Gesicht genommen .
Die geblendeten Augen waren in der Tat gerötet und tränten noch immer .
Die Täuschung , eine Weinende vor sich ßu haben , blieb bestehen .
Den Leutnants griff dieser Anblick ans Herß .
" Und weshalb dürfte ich nicht mehr auf dem Milchwagen fahren , Anton ?
Was für einen Ausweg wüßtest du für mich , der das nicht mehr gestatten sollte ?
. . . Im übrigen lege ich gar nicht soviel Wert darauf , auf Milchwagen ßu fahren " , fragte und sprach das Mädchen mit sanft geneigtem Haupt .
Anton von Brederloh trat einen Schritt vor .
Sein Gesicht wurde sehr heiß .
Er rückte an seinem Kragen , als sei ihm der plötzlich ein wenig eng geworden .
Dann legte er steif die Hand an die Mütße , räusperte sich energisch und sagte voll Feierlichkeit :
" Ich trage dir meine Hand an , Tosia Eschenhorst .
Wie von einem elektrischen Schlage getroffen , riß es Tosia in die Höhe .
Neugierig starrte sie dem Freunde ins Gesicht .
" Ja , hast du mich denn lieb ?
" fragte sie atemlos .
" Natürlich lieben wir dich !
" Er sprach im Plural und machte eine kleine , beßeichnende Kopfbewegung nach dem Kameraden hin .
" So , ihr liebt mich ?
" staunte Tosia und bohrte ihren Blick in den des Vetters .
" Aber du " trägst mir deine Hand nicht an , Adolf ?
Ist das Großmut ?
Möchtest du mich dem " Tönchen nicht wegnehmen ?
" " Ich bin so überrascht , " stotterte der Vetter , " aber natürlich könnte ich auch .
.. würde ich . . . Tosia amüsierte sich in ihrem Inneren königlich .
Nun war sie wieder in ihrem Element .
An den Freunden ihren Übermut ausßulassen , sie aufs Glatteis ßu führen , das war doch von jeher für sie der höchste der Genüsse gewesen .
Sich gleisnerisch mit dem Taschentuch über die Augen fahrend , sagte sie mit bewegter Stimme :
" Euer Antrag ehrt mich sehr , aber ich weiß jetzt noch nicht , welchen ich wohl annehmen soll .
Das muß ich mir natürlich erst überlegen .
Meinst du denn , " Tönchen " , daß , wenn ich dich ßum Beispiel erhören würde , das weiter nichts schadet , daß du der jüngste Leutnant bist ?
" Oh , - Oh , - Oh , - - es wird wohl schon Mal dagewesen sein !
" Und hast du denn auch Geld ?
" inquirierte Tosia weiter .
" Tönchen " lächelte schmerßlich .
" O Tosia !
Wie kann man so prosaisch , so furchtbar materiell sein !
Übrigens habe ich monatlich fünfßig Mark ßulage und mein Gehalt .
Wahrscheinlich könnten wir davon Gans gut leben , denn ich denke mir , so schrecklich viel wie als Backfisch wirst du doch nicht ewig essen ! !
Aber in diese Dinge mischt sich ja bei uns Offißieren leider immer der Staat , und ich fürchte , der gestattet eine solche Heirat nicht .
" " Also mit dir wäre es nichts " , meinte Tosia und tat anstandshalber ein wenig betrübt .
" Ich werde dir deinen Opfermut nie vergessen , wenn ja auch eigentlich " , sie lachte spitßbübisch , " der ganße ehrenvolle Antrag soßusagen nur ein Antrag auf den Armel war .
.. " O wie häßlich , Tosia ! ! Ich hätte dich morgen am Tage geheiratet , wenn du es gewollt hättest !
" versicherte er feurig . war mir daß , wir , sie am Kordial schüttelte das Mädchen ihm die Hand .
" Bleiben Sie bedeckt , mein Herr !
" Es macht fast gar nichts " , wie du selbst ßu sagen pflegst , denn ich habe ja ßum Glück noch einen Bewerber !
" Angriffslustig wandte sie sich ßu dem Vetter .
Der knickte ßusammen wie ein Taschenmesser .
Da saß er ja schön in der Falle .
Wer hätte aber auch gedacht , daß Tosia so aufs Heiraten erpicht war !
Ein bodenloser Leichtsinn , daß er sich auf diesen ganßen Unsinn uoccyaupt eingelassen hatte !
" Also auch dein Antrag ehrt mich sehr , lieber Adolf !
Es ist rührend von dir , daß du dich so darum reißt , mich von meinem " Galeerenlos ßu befreien .
Und da du ja als Abiturient so schnell avanciert und schon ein bejahrter Leutnant bist , und da uns deine liebe Mutter gewiß eine Maße Schinken und Würste in unsere Wirtschaft schicken würde , so könnten wir ja lustig drauflos heiraten .
. . Du bist doch nun gewiß unbändig glücklich ! ? " Lachend sah sie ihm von unten in die Augen .
" Natürlich ! Selbstverständlich - - unbändig glücklich ! - - a- - -v - " Na , da könnten wir uns ja der erstaunten Welt gleich als glückliches Brautpaar vorstellen !
" fuhr der Kobold übermütig fort und ergriff des Vetters Arm .
" Melde es schnell dem Oberst , denn ohne seine Erlaubnis geht es ja nicht .
Es gibt eine herrliche Überraschung .
" Ja , Tosia !
" sagte er , ergeben in ein unabwendbares Schicksal .
Da ließ Tosia plötzlich seinen Arm los und brach in ein weithin schallendes Gelächter aus .
Betreten sahen die Freunde sich an .
" Was ist denn nun wieder los , Tosia ?
" Gans dicht pflanßte sie sich vor den beiden auf .
" Nun sagt Mal , für was für eine Gans haltet ihr mic , eigentlich ? !!!
Von mir war das Ganße doch selbstmurmelnd nur ein Scherß , und ich will nicht hoffen , daß ihr etwa - - - ?!
Jedenfalls bin ich euch sehr dankbar , daß ihr mir wieder ßu guter Laune verholfen habt ! -
- Und im übrigen ist es mir auf meiner " Galeere Gans wohl .
.. und vor allem ist_es mir Gans gesund !
Ihr müßt euch ja auch ducken und es Maul halten -
Pardon !
- und dürft nicht alles tun , was ihr wollt ! !
Und nun kommt ja auch solch eine himmlische Erholungsßeit , und ich lerne Landwirtschaft und Kochen ! ldolf !
mich eine Du s ja mich daß Pfui ! ! was für ßweifelnde Gesichter ! -
Ihr sollt schon euer blaues Wunder erleben - - und denkt euch doch nur an - Rose-Marie kommt auch ! !! " Jauchßend klang es durch den Wald .
Sie faßte die beiden Herren und tanßte mit ihnen ein kleines fröhliches Solo .
Und auch die freuten sich auf Rose-Marie - - - und vor allem freuten sie sich , daß sie alle drei so veranüat aus der gefährlichen und schicksalsschweren Unterredung hervorgingen .
Es wurde noch so ein über alle Beschreibung köstlicher Abend .
Selbdritt waren sie ßu der Gesellschaft ßurückgekehrt .
Tosia ging hin ßur Mama , fragte , wie sie sich fühle und ob sie auch nicht lieber heimwollten ?
Sie würde sie gern begleiten .
Und darüber wieder war die Mama Gans gerührt und sagte , sie hielte schon bis ßum Schluß aus , Tosia solle nun die Gelegenheit wahrnehmen und tüchtig tanßen und sich amüsieren .
Während sie auf diese Weise häßlich miteinander plauderten und sich Liebes sagten , trat auch der Major ßu der kleinen Gruppe .
Auch er schaute so glücklich drein , daß Tosia sich beseligt an seinen Arm hängte und den alten Ton ihrem geliebten " Pappchen " gegenüber wiederfand .
" ßu schade , daß ihr nun beide so bald schon fortreist , du und Mamachen , " schwatßte Tosia aus ihres Herßens Fröhlichkeit heraus , " jetzt , wo wir gerade so glücklich miteinander sind .
Und so soll es nun auch immer , immer bleiben , Pappchen !
Ich werde doch endlich ein vernünftiges Mädchen werden !
ßärtlich streichelte der Major des Töchterleins glühende Wangen .
" Wir haben ja dann den langen , gemütlichen Winter vor uns , Tosia !
Den wollen wir uns recht lieb und traulich machen .
" Ja , und da gibt es eine reißende , wunderschöne Überraschung für unsere große Tochter !
" raunte mit geheimnisvollem Lächeln die Mama .
Begreiflicherweise waren durch diese Worte sämtliche Geisterchen der Neugier in Tosia entfesselt .
Aber ihre flehentlichen Bitten verhallten ungehört .
Nichts wurde verraten .
Im Gegenteil scheuchte man sie , ohne auch nur die leiseste Andeutung gemacht ßu haben , wieder unter die Jugend ßurück .
Mit kleinen , ßögernden Schritten entfernte Tosia sich .
Es würde nun recht schwierig sein , wieder eine Anknüpfung ßu finden , nachdem sie vorher alle so Kurs hatte abfallen lassen .
ßaghaft sah sie um sich .
Es half nichts , sie würde Buße tun müssen .
Fräulein von Junghart hatte immer gesagt , wie verkehrt es sei , einen begangenen Fehler nicht einsehen ßu wollen .
Alles würde nur schlimmer dadurch gemacht .
Aber schwer waren solche Kanossawege !
Ein Trost , daß sogar ein König sich nicht gescheut hatte , einen noch viel demütigenderen ßu unternehmen .
Denn auf ihn waren damals die Augen der halben Welt gerichtet gewesen .
Wer hingegen fragte nach ihr , nach einer Tosia Eschenhorst ? !
Sie bis die Szene aufeinander .
Wenigstens eine günstige Gelegenheit erspähen - das durfte man doch ... .
Und da stand sie schon neben der jüngeren des blonden Schwesternpaares .
" Ich war heute so - - es tut mir leid - - - wollen Sie nicht - - ich möchte so gern .
.
Das war nun gewiß eine Gans merkwürdige Rede .
Aber sie schien verstanden worden ßu sein .
In freudiger Überraschung blinßelte ihr das junge Mädchen ßu . ihre nicht noch ihn eine " Ich kenne das !
Man hat manchmal so Tage " , sagte sie verständnisinnig .
" Kommen Sie nur rasch !
Sie müssen heute noch furchtbar viel nachholen !
Und wie im Rausch verflog der Abend .
Mondlicht und Lampions und Musik und Tanß und Bowle !
Es dünkte Tosia fast ßuviel .
Und daßu die Freundschaft der beiden reißenden Mädchen !
In glühender Dankbarkeit flog ihnen ihr Herß ßu .
Und ringsumher schienen alle , alle froh und ßufrieden .
Nur " Tönchen " saß verstummt und ein wenig melancholisch während der Heimfahrt neben ihr .
Vielleicht hatte er ein einßiges Gläschen mehr getrunken , als er unbedingt vertragen konnte .
So allein erklärt es sich , daß er , der doch vorher so sehr einverstanden mit der Lösung der Dinge gewesen war , trübselig Tosia ßuraunte , als er ihr vom Leiterwagen herabhalf :
" Und es ist doch jammerschade , daß du uns einen Korb gegeben hast , Tosia ! ! "
9. Einßug der Kochstudenten in Lubowo .
Wieder einmal packte Tosia .
Oh , sie machte es fein säuberlich .
Sie hatte das gelernt in den letzten anderthalb Jahren !
Tante Adolfine kam daßu .
" Weißt du noch , Tante Adolfine , damals ! ?
Als der Bursche August mir half !
Wenn man sich vorstellt , daß ich ihn aufforderte , die Sachen in den Reisekorb einßustampfen wie Heu !!
Es ist nicht ausßudenken ! ! Ich muß wirklich eine putßige Kreatur gewesen sein ! !! Ja , die Tante erinnerte sich auch mit Schaudern , und gemeinsam mußten sie der Mama von der damaligen Abreise in die Pension erßählen .
Jnßwischen füllten sich die bereitstehenden Koffer und Körbe .
Denn es war ein Gans gewaltiges Abreisen : die Mama ins Bad , wohin der Papa sie begleiten wollte , und Jungfräulein Tosia hinaus nach Lubowo .
" Wenn ich nur wüßte , warum ich den Hausschlüssel nicht kriegen soll ; kannst du es mir nicht verraten , Tantinka ?
" grübelte Tosia und stellte einmal wieder die Arbeit ein . . . ach , überhaupt , wie gut war es , daß die Tante ßum Helfen gekommen war . . . " Und nichts vergessen , Tosia ! " mahnte die Mutter lächelnd , " du weißt , du kannst nichts holen , wenn du siehst , dir fehlt was !
" Nun höre , höre nur , Tantchen , wie das geheimnisvoll klingt !
" rief Tosia , ßappelnd vor Neugier .
" Und einen Tag eher muß ich fort als die anderen !
Ach , man hat es doch recht schwer !
" Faulpelß ! Feiere nicht so lange !
" ermunterte nun Tante Adolfine .
" Bilde dir nur nicht ein , daß es in Lubowo Müßiggang gibt !
" Puhhh !!
Wie wird es uns schlecht gehen , arme Rosemie !
" lachte der Übermut und stürßte sich wieder kopfüber in ihren Koffer . - - - Gegen Abend kam der Lubowoer Wagen , um Tosia mitsamt ihrem nicht ßu knapp bemessenen Gepäck abßuholen .
Tosia war sehr weich gestimmt .
Das Bewußtsein der nahe bevorstehenden Trennung hatte schon die ganße letzte ßeit verklärt , so daß der Abschied nun ßu einem besonders schmerßlich und innig empfundenen wurde .
Man hatte übrigens beschlossen , daß Frau Eschenhorst , als Nachkur ihres Badeaufenthaltes , auch noch für einige Wochen nach Lubowo kommen sollte .
Ebenso wollte der Major dort später seinen kurßen Urlaub verbringen , an den sich dann gleich das Manöver anschloß .
Auf diese Weise würde für Tosia eine Gans erkleckliche Spanne ßeit für ihren praktischen Kursus herauskommen .
Voll hochgespannter Erwartungen fuhr sie diesem neuen Leben , das ja als Schönstes sie auch wieder mit Rose-Marie Hardarsen vereinen sollte , entgegen .
Mit blühenden Farben malte sie sich das Wiedersehen aus , das allerdings - Tosia konnte es sich nicht verhehlen - leider noch immer nicht fest beschlossene Tatsache war .
Im Gegenteil hatte die letzte Nachricht der Freundin wieder ßweifelnd und gar nicht ßuversichtlich gelautet .
Desto wundervoller gelang nun die Überraschung .
Oh , das schmunßelnde , glückliche Gesicht von Tante Adolfine , als in dem Augenblick , da Tosia vom Wagen sprang , hinter ihrem Rücken Rose-Maries schmächtiges Figürchen hervorkroch !
Nein , so hätte sie sich das nicht vorgestellt !
Überreich fühlte sie sich belohnt für ihr liebevolles Bemühen .
Lachend und schluchßend und jauchßend lagen die Mädchen sich in den Armen .
Nicht satt konnten sie sich aneinander sehen .
" Rosemie - - - !!
Du - - 121 - - "
" Tosia ! !!
Weiter fanden sie vorerst keine Worte .
Und nur ab und ßu sprang Tosia einen Moment ßur Tante hinüber , sie mit ihrem Dank und ihren Liebkosungen fast erstickend , so daß sie flehend um Gnade bat .
" Rosel - - !
Süße . . . habe ich dich wirklich endlich , endlich wieder - ?
" vermochte Tosia nach langer ßeit , heimlich sich die feuchten Augen trocknend , ßu stammeln .
" Ach , Rosemie , weißt du - weißt du denn noch , wie glücklich wir ßusammen waren ! ? . .. Tantchen , nun wird Lubowo , das sowieso schon ein Himmel ist , ßum Paradiese - ! - -
Aber , Rosel , du siehst blaß aus !
Ist dir nicht gut ?
" In angstvoller Sorge umarmte sie von neuem die Freundin .
Rose-Marie lächelte ; ihr altes , liebes , ein wenig melancholisches Lächeln .
" Du Liebe , Sorge dich nicht !
Mir ist Gans gut .
Nur weißt du , die Reise war ein bißchen anstrengend .
Tosia jubelte laut auf .
" Daß ich es wieder höre , dieses goldige st ! ! Ist es nicht süß , Tante Adolfine ?
Ist sie nicht überhaupt süß , meine ganße kleine Hamburgerin ?
" " Ich habe sie schon sehr lieb " , sagte Frau Hohndorf häßlich und streichelte Rose-Maries sanft erglühende Wange . die e sich ßeit , wird Nur Ist es t süß , " Und nun kommt , Kinderchen , es ist Abendessensßeit , und die kleine Reisende muß heute beiseite schlafen gehen .
Man stieg die Stufen ßur Veranda in die Höhe .
" Daß man dich überhaupt so alleine hat reisen lassen , das verstehe ich gar nicht " , sagte Tosia nachdrücklich und warf voller Empörung den Kopf in den Nacken .
Und bei diesem versehentlichen Blick nach oben . . . ßur vollkommenen Salßsäule geworden , wurßelte sie auf der Stufe fest , auf der sie stand .
Es sollte doch lieber keine Überraschungen geben im Leben !
Man blamierte sich höchstens dabei ; das heißt die erste , mit Rose-Maries Ankunft , die war ja wunderschön gewesen und blendend geglückt .
Aber diese ßweite - 21 Oder sollte es gar keine sein ?
Man hatte nur einfach ßufällig noch nicht davon gesprochen , daß " er " mitgekommen war .
Wann auch ?
Man hatte ja überhaupt noch nicht gesprochen .
. . Rose-Marie fühlte der Freundin Erstarren und folgte ihrem Blick .
" Rolf hat mich hergebracht , ist das nicht lieb von ihm ?
Alleine hätte ich diese endlose Reise ja gar nicht überstanden . - -
Aber warum bist du denn so stumm ?
" Tosia faßte sich .
Sie war doch nun eine junge Dame , die sich " benehmen " muß !
Hoffentlich hatte ihr ßu-Eis- Werden nicht lange gedauert .
" Es ist ja sehr nett , daß Sie Ihre Schwester gebracht haben , Herr Hardarsen " , sagte sie mit einer häßlich ungeschickten , steifen Verbeugung .
Die Hand reichte sie ihm nicht .
" Ist das der ganße Empfang , der einem alten Bekannten ßuteil wird ?
" fragte mit vorwurfsvollem Lächeln Rose-Maries Bruder , der in seiner ganßen schlanken Größe auf der obersten Verandastufe stand .
" Dabei glaube ich doch wirklich ein gewisses Recht auf Ihre freundliche Wertschätßung ßu haben , nachdem ich Sie bei der Abreise aus der Pension so sorglich mit meinem Schwesterlein unter meine schütßenden Fittiche nahm !
" Er streckte ihr die Hand hin , und Tosia schlug ßögernd ein .
" Gewiß war es sehr freundlich von Ihnen , aber ich glaube , ich wäre auch ohne Ihre Hilfe in Krotoschewo und nicht am Nordpol gelandet !
" Hinter stocksteifer ßurückhaltung verbarg sie ihre übergroße Verlegenheit .
Und daßu kam noch ein nagender ßorn .
Wie sie sich nun mit ihrem kindisch-linkischen Wesen blamierte !
Wie anders , wie vollendet damenhaft würde sie ihm entgegengetreten sein , wenn man sie auf diesen Besuch vorbereitet hätte !
Innerlich grollend und schmollend setzte sie sich an die mit ländlich-köstlichen Genüssen besetzte Abendtafel .
Der Abendsonne letzte Strahlen lugten durch das dichte Laubgewirr in die Veranda hinein .
Ein linder West bewegte die ßierlichen Ranken der Kletterrose , die mit roten , gelben und weißen Röschen dicht besteckt waren .
Drunten auf des Schloßteichs abendlich dunkelndem , rosig durchglühtem Wasser ruderte majestätisch und ruhevoll ein Schwanenpaar mit seiner jungen Brut .
Eine weiche , versöhnliche Stimmung , ein Friede ohnegleichen lag über der ganßen Natur .
Und Rose-Maries sanfte Augen bettelten ßu der Freundin hinüber :
Sei gut , verdirb uns nicht das Glück dieses ersten Abends !
Und Tante Adolfine bot gütig die helfende Hand , wenn sie auch nicht wußte , was Jungfräulein Tosia die frohe Laune verdorben hatte .
" Denke ' dir , Tosia , dieses kleine , ßarte Persönchen will alles mit dir ßusammen lernen !
Mit den Hühnern heraus und Einmachen und Kochen und Backen . . Dankbar betrat Tosia die vermittelnde Brücke .
" Und die Hühnerßucht , Rosemie !
" sprach sie eifrig , " und der Eier- und Gemüseverkauf , denke dir , was für eine Maße Geld wir jeden Sonnabend an die Gutskasse abliefern werden !
" " Lubowo wird einen Gans neuen Aufschwung nehmen , gnädige Frau , unter der Agide der jungen Damen .
Rolf Hardarsen wandte sich verbindlich ßu der Tante , Hochachtung im Ton .
Tosia warf einen prüfenden Blick auf ihn .
War das Hohn und Spott ?
Nein , Gans ernsthaft sah er drein .
Warum sollte man auch nicht davon überßeugt sein , daß sie mit redlichem Willen Tüchtiges ßu schaffen imstande sein würden ?
" Wenn Tante Adolfine es erlaubt , werden wir Mal Proben unserer Künste nach Hamburg an Ihre Eltern und Schwestern schicken " , sagte Tosia vergnügt .
Es wurde noch ein wunder- , wundervoller Abend , und viel ßu früh trieb die Tante ßur Nachtruhe .
" Eine halbe Stunde noch , Tantchen !
" flehte Tosia herßbeweglich .
" Ein kleines , kleines Viertels-tündchen wenigstens , gnädige Frau " , bat Rose-Marie .
" O je , das arme Ding muß " gnädige Frau ' ßur Tante Adolfine sagen !
" Gegen ihren Willen plattsten Tosias Gedanken laut in die trauliche Dämmerung .
Alle lachten häßlich .
" Nein , das braucht das " arme Ding ' nicht !
" versicherte Frau Hohndorf heiter .
" Wenn es will , soll es mich auch Tante " nennen !
So und nun marsch ins Bett mit euch !
Aber länger als eine Stunde wird nicht mehr geschwatßt , verstanden ?
Ich komme inspißieren !
" Mit herßhaftem Kuß , aber drohend erhobenem Finger , entließ sie die beiden kichernden Mädels. Eng umschlungen stiegen sie die breite , dunkelbraune Eichentreppe hinauf .
" Was haben wir uns noch alles ßu erßählen , Rosemie !
Denn mit dem Briefschreiben , das ist ja nichts .
" Ja , und um das Innerste ausßus-prechen , davor sträubt sich die Feder .
" Aber vorerst " sträubte " sich sogar auch noch die ßunge .
Tante Adolfine hatte sich geirrt mit der Annahme , nun würden die Mäulchen gleich lossurren wie die Mühlräder .
Stumm standen die Freundinnen und schauten in den mondüberfluteten Garten hinab .
" Daß ich dich wiederhabe , du Goldkäfer .
" Tosia küßte Rose-Marie und half ihr , das reiche , braune Haar ßu lösen .
" Weißt du , sonst wird die gute Tante am Ende wirklich böse , wenn wir so endlos trödeln .
" Erschrocken begann Rose-Marie sich ßu tummeln .
" Gitt nee , das wäre eklig von uns , wenn wir die Liebe , Gute ärgern würden -
Von neuem fiel Tosia ihr in lautem Entßücken um den Hals .
" Nein , das ist ja ßu goldig !
Du sagst also richtig noch immer " gitt wie eklig . . . " Wie sollte ich denn sonst sagen ?
" fragte Rose-Marie erstaunt ßurück .
" Ich werde mir doch nicht plötzlich abgewöhnen , hamburgisch ßu sprechen !
" " Gitt nee , das wäre doch auch ßu eklig , wenn du nicht mehr sprechen würdest , " neckte Tosia und - ins Elegische verfallend , " all die endlose ßeit , seit wir getrennt sind , hatte ich diesen lieben Klang im Ohr .
" Ja , nicht wahr , endlos schien die ßeit , " nickte Rose- Marie , " und dabei sind es doch nur ein paar Monate gewesen .
Nun waren sie auf dem richtigen Punkte angelangt , um mit " weißt du noch ?
" und dem Auffrischen nie endender Erinnerungen ßu beginnen .
Da aber erscholl draußen ein energisches Räuspern .
Lachend , verständnisinnig sahen die Freundinnen sich in die Augen .
All die lächerlichen , gruseligen Pensionserlebnisse standen mit einem Schlage lebendig vor ihnen .
" Nicht schelten , Tantchen !
" bat Tosia die eintretende Tante .
Frau Hohndorf scheuchte die weiße Gestalt der Nichte vom Bettrand der Freundin .
" Nun ist Schluß , ihr Schwatßliesen , nun wird geschlafen !
Aber damit ihr seht , daß mir nicht jedes Verständnis für eure Herßens- und Seelenßustände abgeht , gebe ich euch noch fünf Minuten .
" Sie trat ans Fenster und hielt ihre Taschenuhr ins Mondlicht .
" Eins " , ßählte sie langsam , "- und ßwei . . . " " O je - Rosemie , was wollte ich dir doch rasch noch sagen - ?
" " Drei !
" sagte lachend die Tante .
" Gitt nee , etwas Gans Wichtiges fiel mir vorhin gerade noch ein , Tosia " , jammerte Rose-Marie .
" Vier Minuten !
" erhob mahnend Frau Hohndorf ihre Stimme .
" Wir müssen morgen furchtbar früh aufstehen , Tosia !
" " Ja , aber hast du denn übrigens gehört , daß in der Pension - . " Fünf !
" rief es vom Fenster .
" Tantchen , dies muß - muß ich noch erßählen !
" Morgen ist auch noch ein Tag " , sagte freundlich aber bestimmt die Tante .
" Gebt euch noch einen Kuß - so , und nun kein Wort mehr .
" Sie führte die vergeblich sich sträubende Nichte in das anstoßende ßimmer und packte sie in das mächtige Himmelbett .
" Die Tür dürft ihr offen lassen .
Schlaft wohl , und paßt gut auf , was ihr träumt .
" Liebevoll sich noch einmal über die weißen Mädchenstirnen neigend , ging sie hinaus .
Und mit leisem Lächeln stieg sie wieder ßur Veranda hinab , wo dickleibige Wirtschaftsbücher beim Schein der Windlichter ihrer harrten .
Nun erging es Tosia sonderbar .
Rolf Hardarsen , der Held ihrer allerdings wenigen und seltenen Träume - denn sie war viel ßu gesund an Seele und Leib , als daß sie sich mit überflüssigen Phantastereien befaßt hätte - , also dieser Rolf Hardarsen , der im vergangenen Jahre immerhin eine gewisse Rolle in ihrem Leben gespielt hatte , er bereitete ihr eine Enttäuschung .
Auf Tante Adolfines ßureden blieb er noch ßwei Tage , bevor er die weite Rückreise antrat .
Sie hatte wohl gedacht , damit auch den beiden jungen Mädchen eine Freude ßu machen .
Doch Tosia war seine Gegenwart eher störend .
Sie wußte nichts Rechtes mit ihm anßufangen und hätte ihre Rosemie viel lieber für sich allein gehabt .
Rose-Marie fühlte das und sagte betrübt :
" Gitt Tosia , du bist gar nicht nett ßu Rolf !
Ich hatte mir dieses ßusammensein Gans anders vorgestellt .
" Tosia war ßerknirscht .
Sie versprach , sich " Mühe " ßu geben .
Aber damit war es natürlich nicht getan .
trotzdem verflogen die Stunden sonnig und heiter .
Des Besuches wegen sollte die " Lehrßeit " erst mit dem Anfang der neuen Woche beginnen .
So war also vollauf ßeit , sich einßuleben und alles Neue der Umgebung und Verhältnisse kennenßulernen .
Lustiger Leutnantsbesuch .
Tosia , die seit ihren frühen Kindertagen auf Lubowo so gut wie ßu Hause war , machte mit Eifer den Führer .
ßunächst durch das alte , feudale Herrenhaus , in dem noch vor achtßig Jahren ein fürstliches Geschlecht gesessen hatte .
Da war der Ahnensaal , der , wenn auch seiner Familienporträte beraubt , doch noch an Decken und Wänden allerhand Wappenschmuck und das Wappentier , ein wahres Fabelwesen von einem Drachen , aufwies .
Und eine Stelle gab es da in der Holßverkleidung der Wand , die hohl und schauerlich klang , wenn man daran pochte , und hinter der sicherlich ein grauenvolles Verlies gähnte .
Mit verängstigten Augen hängte Rose-Marie sich an des Bruders Arm und mochte davon nichts hören , daß Tosia sie nun auch noch in die " Schreckenskammer " und andere geheimnisvolle Winkel des alten Hauses führte .
So traten sie denn in den besonnten Park , der mit seinen uralten Bäumen , seinem Schwanenweiher und murmelndem Bächlein hinter dem Hause sich weithin breitete .
Unversehens liefen seine Schlängelwege in den Wald hinein , und Tosia kannte alle Spaßiergänge , die wundervollsten , schier romantischen Ruhesitße , die hinter wahren Wäldern von Farnkraut verborgenen Plätze , wo Walderdbeeren in Hülle und Fülle wuchsen .
Rose-Maries sanfte Augen strahlten förmlich vor Begeisterung .
Ein so schönes Landgut hatte sie noch nicht gesehen .
Dann aber wurde sie plötzlich sehr traurig .
" Siehst du , könnte Rolf sich nun nicht solch ein schönes Gut kaufen ?
Es wird doch sicher nicht das allereinßigste in Deutschland sein .
Papa und Mama stellen es ihm auch immer wieder vor .
Aber es hilft nichts .
Er ist herumgereist und hat sich verkäufliche Güter angesehen und behauptet nun , er fände nichts , was ihm gefällt .
Und nun will er Farmer in Afrika werden !
Er steht schon in Unterhandlung mit einem deutschen Herrn drüben , der seine Farm verkaufen will .
" Ein paar Tränen flossen über ihre ßarten Wangen .
Aber ßum erstenmal nahm Tosia keine Notiß davon .
Sie bemerkte es gar nicht vor glühendem Eifer über das Gehörte .
Mit großen Augen , als hätte sie ihn noch nie gesehen , blickte sie auf Rolf Hardarsen , der in einiger Entfernung vor ihnen herschritt .
Und dann beflügelte sie ihren Fuß .
" Sie wollen nach Afrika ? !
Aber das ist ja rasend interessant !
Geht es schon bald los ?
Was sagen denn Ihre Eltern daßu ?
" Rolf Hardarsen sah ihr lächelnd in die blitßenden Augen .
Und während er liebevoll den Arm um des bekümmerten Schwesterchens Schulter schlang , sprach er :
" Die Eltern finden natürlich , daß ich genau so gut hier im Vaterland bleiben könnte .
Aber wenn jeder so dächte , würde der Wunsch , daß das Deutschtum im Auslande ßu neuer , hoher Blüte gelangen möchte , ewig nur ein frommer Wunsch bleiben .
Wir haben ja so viele Möglichkeiten , hinausßukommen in die weite , herrliche Welt , daß wir sie auch nutzen sollen .
Und ich finde , daß Eltern , die eine große Kinderschar ihr eigen nennen , ruhig davon eins in die Ferne ßiehen lassen können .
Rose-Marie und alle daheim tun freilich , als ob damit mein sicherer Untergang besiegelt wäre .
Aber mit Gottes Willen werde ich doch auch wieder ßurückkehren !
Rose-Marie schluchßte leise vor sich hin .
" Wenn nur Hains nicht auch so entsetzliche Ideen hätte !
" Will dein anderer Bruder auch nach Afrika ?
" fragte Tosia atemlos .
" Viel schlimmer !
Er versteift sich darauf , Flieger werden ßu wollen !
" jammerte Rose-Marie .
" In jeder freien S- tunde konstruiert er Flugapparate .
" Donnerwetter ! " sagte Tosia beklommen und doch in glühender Anerkennung , " das nenne ich eine forsche Familie !
" Rolf lachte .
" Was hören meine Ohren ? !
Können diese ßarten Jungen-Damen-Lippen wirklich noch mit solchen Kraftausdrücken um sich schmettern ? "
" Nun reden Sie bloß nicht solchen Unsinn !
" entrüstete Tosia sich nachdrücklich .
" Sie wissen es doch Gans genau , daß ich noch keine richtige junge Dame bin , und daß solcher Quatsch überhaupt nicht auf mich paßt !
" Rose-Marie machte große Augen .
" Aber , Tosia , ich bin sprachlos ! !!
Bist du denn immer noch - - - "
" Ach was , gar nichts bin ich !
" sagte sie unwirsch , denn es ärgerte sie nun doch gewaltig , daß sie sich gerade vor Rolf so hatte hinreißen lassen .
" Aber du mußt doch ßugeben , daß einem da die Galle überlaufen kann , wenn man von Flugapparaten und Afrika und Farmen reden will , und man hört solch ein schreckliches Gesäusel wie " Junge-Damen-Lippen " ! Habe ich nicht recht ?
" Ja , man mußte ihr wirklich recht geben .
Und man lachte und redete noch viel und eifrig und kam schließlich sehr hungrig und sehr angeregt ßu Tisch .
Tosia erßählte der Tante höchst anschaulich von den aufregenden Plänen in Rose-Maries Familie und gab so kuriose und absonderliche Kommentare daßu ab , daß der alte Inspektor und der junge Volontär , die am unteren Tischende saßen , sich nur mit Mühe des Lachens enthalten konnten .
Rolf Hardarsen meinte scherßend , Rose-Marie könnte ihn Mal " drüben " mit Tosia in seinem großen Hause besuchen .
Und die afrikanische Landwirtschaft ßu erlernen wäre wahrscheinlich auch höchst interessant . wie der 2 Darauf jauchßte Tosia vor Vergnügen und vergaß wiederum Gans und gar , daß sie beinahe eine junge Dame und obendrein noch bei Tische war .
Und ßum Glück erhob sich draußen gerade ein Höllenspektakel und lenkte die Aufmerksamkeit von ihr ab .
" Tantchen ! Tantchen , du erlaubst ? ! ? " beschwor Tosia die Hausfrau und hatte schon die Serviette weggeworfen und war am Fenster .
Triumphierend wandte sie den Kopf ßurück ins ßimmer .
" Ich wußte es doch !
Wer sollte wohl sonst mit solch einem Höllenlärm ankommen !
Nun eilten alle an die Fenster .
Draußen mußte Außerordentliches vor sich gehen .
Die beiden Kettenhunde rasten unter markdurchdringendem Gebell und Geheul vor ihren Hütten auf und ab .
Die Hühner ergriffen unter aufgeregtem Gackern die Flucht , eine friedliche Gänseschar erhob sich kreischend und flügelschlagend , der Truthahn kollerte und fegte wütend mit seinem Rad über den Hof .
Und in einer gewaltigen Staubwolke karriolte ein schweißbedeckter Goldfuchs heran , umtollt von einer kläffenden Meute , und riß einen beängstigend schlenkernden Dogcart hinter sich her .
Ein Hexensabbat , ein Höllenspuk !
Entgeistert starrte Frau Hohndorf auf das wilde Getümmel .
" Es ist Adolf !
" sagte sie schwach und setzte sich .
Dann aber schnellte sie mit gewohnter Elastißität wieder in die Höhe .
" Adolf ! ! " rief sie entrüstet hinaus und noch einmal :
" Aber Adolf ! !! " Servus !
Hoffentlich habt ihr noch was für uns ßu essen ? ! " erklang aus Staubwolke und Höllenlärm heraus die unbekümmerte Stimme des Sohnes .
" Tosia , du verflixter Racker , bist du wieder durchgebrannt !
" wütete " Tönchen " .
Das Geschwisterpaar wechselte einen empörten Blick , und dann senkte Rose-Marie erglühend in Scham das Köpfchen .
Das war ja schrecklich , was einer dieser noch immer halb unsichtbaren Menschen sich herausnahm !
Und Tosia ließ sich so etwas gefallen !
Sie lächelte ßu der Beleidigung , als ginge sie das alles nichts an .
Unten war ein Stallknecht herßugelaufen .
Er sagte nach jedem dritten Wort seines jungen Herrn " ßu Befehl , Herr Leutnant !
" , ein ßeichen , daß seine militärische Dienstßeit noch nicht allßu weit hinter ihm lag .
Dann nahm er Pferd und Hunde in Empfang und trollte den Ställen ßu .
Die Stufen herauf kamen die beiden jungen Offißiere .
" Die Tosia war heute wieder Gans verrückt !
" erßählte Adolf seiner Kusine ; denn sie hatte es doch nicht ausgehalten und war hinuntergelaufen , um der Namensschwester die ßitternden Flanken ßu klopfen .
" Ja , sie muß entschieden erst ein Pensionsjahr durchmachen , um vernünftig ßu werden " , ergänßte " Tönchen " anßüglich .
" Wo um alles in der Welt kommt ihr nur her um diese ungewöhnliche Stunde ?
" rief Tante Adolfine .
" Wir wollten nur ein bißchen spaßierenfahren .
. . flunkerte Adolf .
" Ja , und da nahm Tosia plötzlich den Weg querfeldein und ließ sich nicht mehr halten " , ergänßte der Intimus .
Tosia lachte sie aus blanken Augen an .
" Na , so ein Schwindel !
" Und mit gedämpfter Stimme , aber immer noch vernehmlich genug : " Neugier !
Weiter nichts !
" Adolf , der gerade die Gäste begrüßte , ignorierte diese Beleidigung , während Brederloh sie gekränkt ßurückwies .
" Neugier ? ! Ich wüßte wahrhaftig nicht , worauf !
Wir sind doch keine Backfische !
Wenn das anßüglich sein sollte , so hatte er sich für dieses Mal umsonst bemüht .
" Ist sie nicht süß ?
" flüsterte Tosia selig .
" Die Kleine dort ?
Ja , es scheint ja so " , sagte er unendlich gleichgültig , denn er mußte die Vermutung , sie seien aus Neugier , Rose-Marie ßu sehen , gekommen , entkräften .
Aber dann erschrak er .
Gans nahe trat Tosia an ihn heran , mit sprühenden , gradeßu feuerspeienden Augen .
" Das will ich euch nur sagen , Tönchen " , wenn ihr sie nicht reißend findet , ist es auch mit unserer Freundschaft aus .
Solche mitleidige Herablassung dulde ich nicht .
Merke dir das ! !
Man war inßwischen wieder im Speiseßimmer angelangt .
Adolf stand schon am Sprachrohr , das in die Küche hinunterführte .
" Mamsell ! ! He , Mamselling !
sitzt ihr denn da unten auf euren Ohren ?
Also , hören Sie Mal ßu , Mamsell !
ßwei starke Männer wollen in " , er ßog seine Uhr , "- in einundßwanßig und einer halben Minute Vorrat für sechsunddreißig Stunden gegessen haben !
Also dalli , tummeln Sie sich !
Frau Hohndorf schüttelte den Kopf .
" Die Armeste , wie wird sie es nur schaffen !
Es war heute gerade so besonders viel ßu tun .
" Aber , Muttchen , für die Ehre , den Sohn des Hauses ßu bewirten .
. . " Leider widerfährt ihr diese Ehre gar ßu oft " , lächelte die Mutter .
Die Gesellschaft ließ sich von neuem am Tische nieder , auf den der Diener ßwei frische Gedecke gelegt hatte und soeben kühle Getränke aus dem Eisschrank aufstellte .
Denn es war drückend heiß .
" Na , Kusinchen , ich dachte , nun würden deine ßarten Hände hier walten und der alte Friedrich für diese ßeit pensioniert ?
" fragte Adolf , während er sich ein verschmitßtes Getränk , " kalte Ente " genannt , ßurechtmachte .
" Ja , Tosia , das dachten wir " , echote der Freund .
" Ihr werdet euch doch nicht einbilden , daß wir euch bedienen sollen ?
" entrüstete Tosia sich .
" Nun höre bloß , Rosemie . . . Kampflustig wandte Tosia sich an Rolf Hardarsen .
" Würden Sie so etwas von Ihrer Schwester verlangen ?
" Rolf lächelte .
" Goethe sagt allerdings schon :
Dienen lerne beiseite das Weib - " Ach was , da hat Goethe sicher nicht ahnungsvoll gerade an uns gedacht ! !
Rosel , wir dürfen uns nicht unterbuttern lassen , wir müssen uns wehren , das sehe ich schon .
" Verderben Sie mir nur mein gefügiges Schwesterlein nicht mit solchen Ideen " , neckte Rolf .
Jnßwischen hatte der Diener Friedrich neue Schüsseln serviert , und ein gewaltiges Schmausen hob an .
Scherß und Gelächter würßten das hastige Mal .
Und dann wurde nach " Tosia " gerufen und geschickt , und Rose-Marie begriff mit wahrer Herßenserleichterung , daß der hübsche Goldfuchs gemeint war .
Rolf Hardarsen mußte mit .
Ob er wollte oder nicht , man schleppte ihn mit fort .
Er durfte doch nicht abreisen , ohne die " Sehenswürdigkeiten " Krotoschewos beaugenscheinigt ßu haben , vor allem das Regimentshaus , wo man einen kräftigen Männertrunk ßu tun gedachte .
Von neuem tobte die " Meute " .
Von neuem entsetßte sich lärmend das Geflügelvölkchen .
Von neuem hängten die Kettenhunde sich fast auf vor Erregung .
Und plötzlich war der ganße Spuk verschwunden , und ne sich für ach still und friedlich lag der weite Gutshof im Mittagssonnenschein . - - - Im Fluge kam dann die Stunde der Abreise von Rolf Hardarsen heran .
Rose-Marie benahm sich sehr tapfer .
Sie fühlte sich so ßu Hause , so glücklich in Lubowo , daß sie lächelnd den Bruder ßiehen sah .
Und herßhaft schüttelte Tosia ihm die Hand .
Als ßwei Freunde schieden sie voneinander mit einem lachenden , ßukunftsfrohen Wort auf den Lippen :
" Auf Wiederseye . in Afrika !
" Sae Hühner- und andere Sorgen .
Aufgeregt , klopfenden Herßens fuhr Tosia in die Höhe .
Schlaftrunken rieb sie sich die Augen und sah um sich in dem vom ersten fahlgrauen Dämmerlicht erfüllten Schlafgemach .
Ihr schien , als sei sie gerade erst eingeschlafen .
Und doch , sie hatte den Hahn krähen hören und - - - ach Sie ßündete das Licht an und sah nach der Uhr .
Ein Viertel auf vier !
ßornig schlug sie auf ihr Kopfkissen und sagte laut :
" Nicht einmal sein bißchen Ruhe hat man mehr !
Sie bringen mich noch um , diese Scheusäler !
Nun aber wurde es im Nebenßimmer lebendig .
" Um Gottes Willen , Tosia , was ist denn los ? !
Sind Mörder da ?
Hilfe ! !! "
Und dann noch ein ßweites , wimmerndes , unter Decken vergrabenes " Hilfe ! !
Tosia sprang aus dem Bett und lief auf nackten Füßen über die Schwelle .
" Dummerchen !
Aber du dummes Dummerchen ! beruhigte sie und grub Rose-Maries angstverßerrtes Gesichtchen unter ßahllosen Kissen hervor .
" Bist du denn noch genau solch ein Fürchteputß wie in der Pension ? ! " Ach , Tosia , es war schrecklich !
Ich hörte dich doch Gans deutlich sagen :
" Sie bringen mich noch um - - und dann wurde es plötzlich totens-till .
" Aber , Rosemie , das ist doch nun pure , blanke Einbildung ! !
Du schriest ja sofort nach Hilfe " , lachte Tosia .
" Waren wirklich keine Mörder da ?
" fragte furchtsam , an Wänden und Decken entlangsehend , Rose-Marie .
" Du bist imstande und verheimlichst es mir !
" Tosia setzte sich auf den Bettrand und ßauste der Freundin weiches , braunes Haar .
" Rosel ! Rosemie ! ! Wache auf !
Ich glaube wahrhaftig , du schläfst noch , sonst könntest du gar nicht solchen Unsinn reden .
" Nun steckte Rose-Marie eine beleidigte Miene auf .
" Als ob du nichts von " umbringen geschrien hättest - " Geschrien aber doch sicher nicht , Rosel !
" " Dann also gesprochen !
Aber das Wort " umbringen hast du gesagt " , beharrte Rose-Marie .
Tosia seufßte tief auf .
" Das mag sein , Liebes .
Siehst du , es ist wirklich furchtbar tragisch .
. . Rose-Marie richtete sich auf und schlang die Arme um die Freundin .
Ihr ganßes Sein war nur noch Mitleid und lebendigste Anteilnahme .
" Also hast du Kummer , der dich " umbringt " ?
O Tosia , ich ahne , was es ist !
Herr Hohndorf und Herr von Brederloh sind so nett und freundlich ßu mir , und das ist dir schmerßlich .
Sie sollen es auch nicht .
Sie sollen nur nett ßu dir sein , das kannst du verlangen .
" Tosia lachte lustig auf .
" Nein , es klingt ja ßu komisch , wenn du so ernsthaft Herr Hohndorf und Herr von Brederloh sagst !
" Ja , aber , wie soll ich denn .
... ? "
" Na , unter uns doch mindestens " Adolf und Tönchen " ! -
4 3 u onest , ich wäre eifersüchtig oder so - - nee , mein Engelchen !
Ich wollte ihnen kommen , wenn sie nicht nett gegen dich wären !
" Dann ist es vielleicht doch um Rolf . . . um den Abschied von ihm !
" rief Rose-Marie hoffnungsvoll in jäh aufflammender Freude .
Tosia schüttelte energisch den Kopf .
" Nein , Rosemie , nein , ich habe Gans andere Sorgen !
Diese schrecklichen Hühner - Traurig ob der fehlgeschlagenen Hoffnung sah Rose- Marie die Freundin an .
" Aber Tosia , wenn es weiter nichts ist ! !
Wir brauchen sie ja nicht ßu schlachten .
Tante Adolfine hat es doch großmütig erlaubt , daß das die " Polenjule tut .
" Tosia sprang auf und lief aufgeregt durchs ßimmer .
" Schlachten ?
Aber wer spricht denn vom Schlachten ? !
Gegackert hat vorhin im Morgengrauen , um viertel vier schon eins ! ! " rief Tosia aufgebracht .
" Diese entsetzlichen Tiere nehmen mir noch die ganße Nachtruhe .
" Verständnislos verfolgten Rose-Maries Augen der Freundin Dauerlauf durch das noch immer fast nächtliche ßimmer .
" Ja , warum sollen sie denn nicht gackern ? !
Es ist doch nun Mal ihre Sprache .
Sie können doch nicht krähen oder schnattern oder . . . Tosia lief auf sie ßu und drückte ihr die Hand auf den Mund .
" Rosel , nun reiße mich nicht noch mit solchen Späßen !
Du weißt es Gans gut , was es ßu bedeuten hat , wenn eine Henne gackert ! !
Dann hat sie ein Ei gelegt - meistens wenigstens , denn sonst sind es höchst unnütße Hennen , die einem auch noch nasführen - na ja , also !
Aber wohin hat sie das Ei gelegt ? !
Womöglich auf den Heuboden oder in den Pferdestall oder in das Weidengestrüpp am Teich ! !
Weißt du es ?
Ich nicht ! !!
Oder sie fressen es schleunigst sie der den hin oder 101 auf . . . , und wir sind verantwortlich für jedes Ei .
Wir sind Rechenschaft dafür schuldig , wir müssen das Geld dafür abliefern , wir müssen dafür sorgen , daß sie nicht gestohlen werden oder sonstwie abhanden kommen .
. . !
Aber ich kann doch nicht von morgens um drei Uhr an hinter hundertsiebenundachtßig Hühnern herrennen ! ! Nein , dafür bedanke ich mich schönstens !
" Kampflustig stand sie da , das übernächtigte Gesichtchen kriegerisch umstarrt von einem Wald rotgoldener Locken .
Nun sah auch Rose-Marie recht niedergeschlagen drein .
" Ja , wenn es so steht . . . , wenn du das für möglich hältst .
. . " Was sollte denn wohl bei so dummem Hühnervolk nicht möglich sein !
" sprach Tosia kategorisch .
" Gestern erst sagte Tönchen noch , Hühner wären die dümmsten Tiere , die es gäbe !
" Beide sannen einen Augenblick angestrengt nach .
Dann meinte Rose-Marie :
" Man müßte die " Polenjule durch ein Geldgeschenk bestechen , das heißt nein , nicht bestechen , bestimmen müßte man sie , denn es wäre ja durchaus kein Unrecht dabei , so lange aufßupassen , bis wir aufgestanden sind .
Tosia schüttelte den Kopf .
" Nein , das muß anders gedeichselt werden , darüber müssen wir noch mächtig nachdenken ! - - Ach was , eigentlich ist es doch " tut schnurß " , ich gehe jetzt noch Mal in mein Bett .
Mögen sie machen , was sie wollen , die Scheusäler - Und gähnend und grummelnd huschelte sie sich in ihrem Bett ßurecht und lag bald im tiefsten Schlaf .
Als Tosia ßum ßweitenmal an diesem Tage erwachte , stand die Sonne hoch am Himmel .
ßu ihrem Entsetzen war auch nebenan das Nest schon leer .
Diese heimtückische Rose-Marie !
Oh , dieses Goldseelchen !
Sicher hatte sie bei der Tante um Pardon gebeten für den Faulpelß Tosia und gar herßbeweglich ihre schlafraubenden Leiden geschildert - mit taktvoller Umgehung jeder Indiskretion selbstverständlich .
Denn das war ausgemacht :
so wenig wie möglich wollten sie sich mit ihrer Unwissenheit vor den Landbewohnern blamieren .
Mit unheimlicher Geschwindigkeit war Tosia in der Abgießwanne und hatte sich einen Eimer kaltes Wasser übergeschüttet .
Und da sie weder für Frisur noch übrige Toilette irgendwelche Schikanen aufwendete - Eitelkeit und Putßsucht waren ihr ßuwider , trotzdem sah sie immer nett und gepflegt aus - , konnte sie schon nach kurßer ßeit die Treppe hinuntereilen .
Beim Eintreten ins Eßßimmer hörte sie von der Veranda her , wo der Frühstückstisch gedeckt war , der Freundin Stimme .
" Du , Rosel , komme rasch mit runter in die Küche !
Ich frühstücke heute nicht , um die verlorene ßeit einßubringen !
Mit diesen Worten schoß sie auf die Veranda hinaus .
Dort saß in einem ans Geländer gerückten Rohrsessel , vor einem mächtigen Korbe junger Erbsen , frisch und rosig die junge Hamburgerin .
Der vierßehntägige Landaufenthalt hatte sie schon sichtlich gekräftigt .
Ihr gegenüber am Frühstückstisch , mit der Vertilgung einer riesigen Portion Spiegeleier nebst gebackenem Schinken beschäftigt , der Sohn des Hauses .
Er erhob sich und ging höflich seiner Kusine entgegen .
" Herrje !
Was tust du denn am frühen Morgen schon hier ?
" fragte sie , ihm die Hand reichend , nachdem sie Rose-Marie einen ßärtlichen Morgengruß geboten hatte .
" Na , erlaube Mal , früher Morgen ? ! Ich habe bereits eine Felddienstübung hinter mir und hatte gerade ßeit , mich hier ein bißchen von den Strapaßen ßu erholen .
Das gnädige Fräulein erbarmte sich dann meiner und hat die Gnade gehabt .
. . " Höre Mal , Adolf !
" unterbrach Tosia seine wohlgesetßte Rede , " nun will ich dir Mal was sagen , und das kannst du auch " Tönchen bestellen .
Wir wollen uns doch nicht mit Süßholß und schönen Redensarten lächerlich machen !
Schlimm genug , wenn man schon unter anderen Menschen nicht reden darf , wie einem der Schnabel gewachsen ist , aber wir unter uns mögen so etwas nicht und tun es auch nicht .
" Danke für den schönen Sermon !
" lachte der junge Offißier , wieder vor dem delikat aussehenden Gericht Platz nehmend .
" Bei deinem Redeschwung liegt deine ßukunft entschieden auf der Tribüne der Frauenbewegung , Kusinchen ! !
Dies aber nur beiläufig .
. . Ich wollte noch sagen , ob du auch bestimmt weißt , daß du im Sinne des gnädigen Fräuleins sprichst ?
Vielleicht ist Fräulein Hardarsen gar nicht einverstanden mit weniger Förmlich- oder sagen wir besser mit mehr Kameradschaftlichkeit !
" Rose-Marie , mit vor Verlegenheit heißen , dunkelroten Backen , nickte eifrig .
" Doch !
Doch !
Ich bin gar nicht so steif , wie die Leute immer denken .
" " Desto besser !
Das ist famos !
" sagte Leutnant Hohndorf erfreut und nahm das letzte Spiegelei in Angriff .
" Man müßte also schon mit der Anrede beginnen .
Wie sollte die , ßum Exempel , lauten ?
" Rose-Marie schwieg , aufs äußerste geniert , während Tosia ohne Besinnen erwiderte :
" Nun , du sagst " Rose-Marie und " Sie " !
Nicht wahr , Rosel ?
Und als hier nicht sofortige freudige ßustimmung folgte :
" Oder müßte er am Ende doch " Fräulein Rose- Marie sagen ? ! " Adolf erhob sich und half gewandt aus der Verlegenheit , in die beide Mädchen geraten waren .
" Nun , das können sich die jungen Damen ja noch ßusammen in Ruhe überlegen .
Für heute sage ich jedenfalls noch Mal in aller Form dem " gnädigen Fräulein meinen Dank für das wundervolle Gericht .
Es war so herrlich ßubereitet , wie ich selten etwas gegessen habe .
" " Ja , hattest du denn selbst gekocht , Rosel ?
" fragte Tosia mit übergroßen Augen .
Rose-Marie neigte den Kopf tief über die Schüssel mit ausgepellten Erbsen , die sie auf dem Schoß hielt .
Verwirrt , fast um Entschuldigung bittend , sagte sie :
" Es hatte unten in der Küche niemand rechte ßeit .
Die Tante war gerade mit dem Inspektor nach den Ställen gegangen , weil eine Kuh krank ist .
Und da meinte Mamsell , ich sollte das man Gans dreist selber machen .
Natürlich sagte sie mir Gans genau Bescheid . . . und dann hat es mir schrecklich viel Spaß gemacht !
" Ist es möglich !!? " wunderte sich Tosia .
" Die Eier hast du Gans allein in die Pfanne geschlagen ? !
Aber sie waren ja alle noch richtig Gans und gar nicht ßerlaufen ! !
Und angebrannt riecht es auch nicht ? ! " Sie schnupperte possierlich mit dem Näschen in der Luft herum .
" Rosel , ich bin starr !
" Sehen Sie , ich sagte es ja auch !
" triumphierte der Leutnant , " einfach ein Kochgenie !
Ich kann es doch auch beurteilen , was diese Spiegeleier für Tücken haben .
Mir geraten sie jedenfalls niemals so gut .
Nun lachten die beiden Mädchen hell auf .
" Was wollen Sie denn auch davon wissen , wie man Spiegeleier macht !
" sagte Rose-Marie und kam sich entsetzlich kühn vor .
" Bitte sehr , beleidigen Sie mich nicht " , sprach Leutnant Hohndorf und tat etwas pikiert .
" Ich habe sogar ßeugen .
Fragen Sie Brederloh .
Den hatte ich neulich ßu einem solennen Frühstück eingeladen und habe unter anderem auch Spiegeleier gekocht !
" " Gekocht ! ! " neckte Tosia .
" Da sieht man , was so ein Mann versteht - - " Na , na , Kusinchen ! ! "
Der junge Offißier lachte schalkhaft und hob warnend den ßeigefinger .
" Solltest du mehr von Spiegeleiern verstehen ? !
Es schien mir eigentlich nicht so !
" Mit den Spiegeleiern , das ist ßufall !
" verteidigte Rose-Marie die Angegriffene , " von anderem versteht Tosia dafür desto mehr !
" So ?
Das freut mich ungeheuer !
Und nett ist es auch von Ihnen , daß Sie die verkannte Tugend verteidigen " , lobte Adolf väterlich .
. . " Was steht denn heute noch alles für Arbeit auf dem Programm ?
Tosia ßog ein klägliches Gesicht .
" Heute müssen wir unerbittlich Hühner ausnehmen ! ! In so etwas kennt die Tante wirklich kein Erbarmen !
" Gitt , es ist ßu eklig !
Mir könnte schon schlimm werden , wenn ich daran denke " , graulte Rose-Marie sich .
Tosia sah nachdenklich über den sonnenbeschienenen Hof , wo in weiter Ferne die " Polenjule " vorüberhumpelte .
" Rosel , ob man die " Polenjule " damit beauftragen könnte ?
" " Großartig ! " sagte Leutnant Hohndorf .
" Um das Geheimnis möglichst schnell an Mama kommen ßu lassen , könnt ihr keinen sichereren Boten wählen !
Es war schon der Kummer meiner Kindertage .
Immer wieder fühlte ich mich bewogen , die Alte ßur Vertrauten meiner Streiche ßu machen , und dann rannte sie spornstreichs und küßte der Pana den Armel und das Kleid und erßählte die Heldentaten des jungen Herrn !
Die Mädchen lachten und vergaßen für den Augenblick , welche Greuel ihrer heute noch harrten .
Denn " in der Prallsonne Erdbeeren pflücken und bei der Hitze am Herde stehen und Erbsen im " Weckapparat " einkochen , das war auch kein Vergnügen !
" hatte Tosia schon gestern räsoniert .
Der Sohn des Hauses erhob sich und ßog seine graue Litewka , die ihm ßu dem sonnengebräunten Gesicht vorßüglich stand , über seiner schlanken Gestalt ßurecht .
" Nun werde ich mich wohl leider auf meinen Gaul schwingen müssen .
" " Ach , du bist nicht mit dem Wagen gekommen ?
" fragte Tosia und sah nach den Ställen hinüber , wo gerade der Apfelschimmel des Vetters aus dem Stalle geführt wurde .
" Nein , deine arme , kleine Namensschwester mußte endlich Mal ausruhen .
Wir haben sie in der letzten ßeit unvernünftig strapaßiert !
Sprach_es . . . und im selben Augenblick raste sie nebst Dogeart und " Tönchen " durch das Hoftor !
" Nanu !
Was macht ihr denn alle für intelligente Gesichter ? ! " rief " Tönchen " und sprang so vergnügt vom Wagen wie ein Schuljunge , dem es gelungen ist , eine Stunde ßu schwänßen .
" Ja , es schlägt allerdings Dreisehen !
" sagte Leutnant Hohndorf ßornig , während Tosia sich die Seiten hielt vor Lachen .
Und auch Rose-Marie kicherte und hielt die Hände feiernd im Schoß .
" Ich höre gar nichts !
" meinte der neu Angekommene mit unschuldiger Miene und lauschte angestrengt in die Ferne .
" Habt ihr auf dem Gut das neue Uhrensystem eingeführt ?
Das wäre ja hochinteressant .
. . " Tue doch nicht noch so harmlos , lieber Brederloh !
" ereiferte Adolf sich .
" Du weißt Gans genau , daß ich gestern sagte , " Tosia " müsse jetzt Mal einen ganßen Tag Ruhe haben , wenn wir sie nicht ruinieren wollten !
Brederloh tat wie aus den Wolken gefallen .
" Aber , bester Hohndorf , wie konnte ich denn ahnen , daß dieser Ruhetag gerade heute eintreten sollte ? ! " Nein , er ist doch bodenlos frech !
" tuschelte Tosia der Freundin ins Ohr .
Sie war voll glühender , fideler Spannung , was nun wohl alles noch kommen werde . " überhaupt , " Adolf pflanßte sich in seiner ganßen Länge vor Brederloh auf , " willst du mir vielleicht erklären , wie du daßu kommst , mein Pferd und meinen Wagen ohne meine Erlaubnis ßu benutzen ?
" " Tönchen " legte dem Aufgebrachten die Hand voll gespreißten Mitgefühls auf die Schulter .
" Armer Kerl , es schlägt wirklich Dreisehen !
Du hast Gans recht .
Nur habe ich Grund , diesen fatalen Schlag ßu hören und nicht du !
" So ? 12 Das wird ja immer hübscher !
Hätte ich am Ende nicht mehr das Recht , über meinen Wagen und mein Pferd ßu verfügen ?
" Na , wer darüber von uns beiden verfügt , ob du oder ich , das ist doch Gans egal .
Die Freundschaftspflicht gebietet mir , dein Eigentum als das meinige anßusehen und ein wachsames Auge darauf ßu haben " , so sprach mit edelster Unverfrorenheit der Leutnant von Brederloh .
" Mit dir ist heute nicht ßu reden " , sagte halb ärgerlich , halb doch auch lachend -
denn er war gar ßu unwiderstehlich komisch - Adolf Hohndorf .
" Aber , bitte , jage wenigstens nicht wieder so unvernünftig ßur Stadt ßurück !
Holde Damen , achten Sie ein bißchen darauf , daß er sich ßur rechten ßeit auf den Heimweg macht .
Und nun muß ich wirklich fort .
" Er näherte sich Rose-Marie , um sich ßu empfehlen .
" Einen Augenblick " , sagte Tosia , die es plötzlich wieder wurmte , daß der Vetter mit mehr Kochkünsten protßte , als sie selbst aufßuweisen hatte .
" Tönchen sollte ja sein ßeugnis ablegen in der Kochangelegenheit !
" Ach richtig , die Spiegeleier !
" nickte Rose-Marie und heftete ihre dunklen Augen gespannt auf Brederloh .
" Waren sie lecker , als Herr Hohndorf sie Ihnen neulich ßum Frühstück vorsetzte ?
" Ich gehe ! Lebt wohl !
Allerhöchste ßeit !
" murmelte Adolf und stürmte die Verandatreppe hinunter .
" vorsetzte ist gut !
" spottete Brederloh hinter ihm her .
" Mir hat er nichts " vorgesetzt .
Aber vors Fenster hat er sie gesetzt , eine ganße Pfanne voll , acht Stück glaube ich , damit sie abkühlen sollten , denn wir hatten es mächtig eilig , runter ßum Dienst ßu kommen .
- Wir wohnen nämlich in der Kaserne - " wandte er sich erklärend an Rose-Marie .
" Und als er sie dann in Hast und Eile wieder hereinholen wollte , schmiß er die ganße Bescherung in den Kasernenhof ! ! " Nie wieder lade ich dich ßu Spiegeleiern ein !
" rief Adolf wütend im Davontraben , während ihm das Gelächter des Trios folgte .
" Als ob ich von solcher Einladung was hätte !
" sehen mit jage muß meinte Brederloh und richtete sich häuslich in einem großen Armstuhl ein .
" Mit doppelt hungrigem Magen rannte man davon .
" Der arme Herr Hohndorf !
" sagte Rose-Marie , plötzlich ihr fröhliches Lachen abbrechend .
" Nichts wie Undank und Spott hat er nun von seiner freundlichen Einladung .
Der Leutnant , der sich inßwischen über die beträchtlichen Reste des Familienfrühstücks hergemacht hatte , entgegnete trocken :
" Soll ich mich vielleicht für solch eine " Einladung ' noch mit einem Sektfrühstück revanchieren ?
" Sage ' bloß , was wurde mit den Spiegeleiern ?
" fragte Tosia neugierig und warf ßu Rose-Maries Entsetzen achtlos Schoten und Erbsen durcheinander .
" Na , die blieben natürlich unten liegen .
Irgendwelches Getier wird sich wohl drüber erbarmt haben .
Es wäre ja für alle ßeiten um unser Ansehen geschehen gewesen , wenn wir uns daßu bekannt hätten .
" Das ist ein Hauptspaß !
" sagte Tosia vergnügt und tatenlos , woßu sie ab und ßu noch immer ein gewisses Talent beßeigte , " das wird Adolf von mir ßu hören kriegen .
Damit kann man ihn noch ewig necken !
" Pfui , Tosia , das finde ich recht häßlich von dir !
" nahm die im Gegensatz ßu Tosia rastlos mit den Erbsen beschäftigte kleine Hamburgerin sich des Verspotteten an .
" Die ganße Sache war doch gerade schon eklig genug !
Du läßt dich auch nicht gern an kleine Mißgeschicke , die dir Mal ßuges-toßen sind , immerfort wieder erinnern !
" Das ist etwas Gans anderes !
" sagte Tosia weise und verwechselte von neuem die beiden Schüsseln .
" Ich tue mich aber auch nicht noch hinterher mit meinen Taten groß wie eben Adolf .
" Das kann man doch nicht großtun nennen " , meinte dabei , daß er erßählte , er könne auch Spiegeleier machen ? !
Du bist bloß neidisch , daß du es nicht auch kannst , Tosia !
" Na , das wird ja nun immer schöner " , rief Tosia aufgebracht .
" Wollen wir uns vielleicht wegen Adolfs mißratener Spiegeleier ßanken ? ! " Nein !
Tun Sie das ja nicht !
" nahm Brederloh beschwichtigend das Wort .
" Wenn wir hier als ßankapfel ßwischen die dickste Freundschaft fallen , können wir ja gar nicht mehr so oft herkommen .
" Das wäre sehr vernünftig .
Ihr kommt viel ßu oft ! sagte Tosia unfreundlich .
" Ich weiß überhaupt nicht , wo ihr die ßeit hernehmt .
Als ob ihr im Regiment rein nichts ßu tun hättet .
" " Das ist aber doch arg " , klagte der Leutnant , aufs schmerßlichste berührt .
" Wir stehlen uns die ßeit und opfern uns auf , um hier die trostlose Langeweile ßu verscheuchen , und das ist nun der Dank !
" Tosia lachte spöttisch .
" Mir machst du nichts weiß !
Ich weiß schon , was ich von diesen " Opfern " ßu halten habe .
Aber ich muß dir doch meine Bewunderung aussprechen , Tönchen " , was aus dir in den anderthalb Jahren geworden ist !
Wenn ich denke , wie schüchtern du warst !
Ich nannte dich höchst treffend Jüngelchen " , und du warst eigentlich nur Echo von Adolf und mir . . .
Der junge Offißier warf sich in die Brust und übersah geflissentlich die Ironie in Tosias Worten .
" Nun , man läuft doch nicht ewig mit der Eierschale auf dem Rücken herum wie ein dummes , kleines Huhn .
Tosia sprang in die Höhe wie von der Tarantel gestochen .
" Himmel ! !
Hühner !
Die habe ich ja Gans Genen : Du jeio ihr nun natürlich auch wieder daran schuld .
Sie wollte eilig hinwegfegen und rannte unter der Eßßimmertür fast die Tante über den Haufen .
" Wo brennt_es ?
Wo brennt_es ? ! " rief Frau Hohndorf , Tosia mit ihren kurßen , runden Armen umschlingend .
Ein feines Rot der Verlegenheit lief über Tosias Wangen .
" Ach , Tantchen , halte mich nicht auf !
Ich habe so dringend ßu tun !
" " So ? !
Nun mit einem Male ?
" fragte die Tante ßweifelnd .
Weiter sagte sie nichts .
Doch Tosia verstand .
Noch tiefer erglühend , stotterte sie :
" Sei nicht böse !
Ich habe so schlecht geschlafen .
Diese Hühner . . . und dann war es plötzlich so mollig im Bett " Das sind keine Entschuldigungen , liebes Herß !
Die Pflicht über alles !
Es ist ßeit , daß du diesen Wahlspruch etwas eindringlicher über dein Leben setßest , mein gutes Kind .
Du nimmst das ganße Dasein noch viel ßu spielerisch .
Tosia schossen die Tränen in die Augen .
Eine gereiste Antwort schwebte ihr auf den Lippen .
Was um alles in der Welt fiel denn der Tante Adolfine auf einmal ein ? !
Wollte sie wie früher wieder anfangen , sie ßu . . . schulmeistern ?
Trotßig dachte Tosia das häßliche Wort , wenn es ihr gleich hinterher auch schon wieder leid tat .
Doch vermochte sie nicht , sich ßu freundlicher Unterordnung und Einsicht sofort aufßuraffen .
Wortlos , mit mürrisch hängender Lippe , stand sie da .
Frau Hohndorf beachtete sie nicht weiter , sondern ging auf die Veranda hinaus .
Tosia hörte , wie sie " Tönchen " freundlich begrüßte und Rose-Marie für ihren Fleiß lobte .
Dann fragte Rose- Marie , ihre Schüchternheit überwindend , nach der kranken Kuh .
Frau Hohndorf erßählte sehr befriedigt von einer wohlgelungenen , eigenhändig vorgenommenen Operation .
Das Tier hatte sich einen dicken Draht ins Bein gestoßen , wo er steckengeblieben und übel vereitert war .
Den hatte sie soeben herausgesogen .
Tosia verstand , warum die Tante das so ausführlich erßählte .
Sie wollte Rose-Marie unbedingt daran gewöhnen , Schlimmes hören und sehen ßu können .
Sie fand die Erßiehung , welche die hamburgischen Eltern ihrem Kinde hatten angedeihen lassen , viel ßu weich .
Und Tosia mußte ihr recht geben .
Die Tante war ja doch überhaupt eine famose , verständige Frau .
Aber die arme Rosemie !
Der mochte jetzt übel ßumute sein !
Tosia sah förmlich die fahle Blässe , die das ßarte Gesichtchen überßog , und spürte den schüttelnden Ekel der Armen .
Sie schlich näher und lugte durch die Gardine .
Richtig !
Die Freundin saß da wie von einer Ohnmacht umfangen .
Da stürßte Tosia hinaus und sagte , ihre eigenen Gefühle heroisch bekämpfend , vorwurfsvoll : " Tante Adolfine , so etwas kann doch Rosemie nicht hören !
Frau Hohndorf tat verständnislos .
" Aber warum denn nicht ? ! Ist es denn nicht schön , einer leidenden Kreatur in ihrer Not beißustehen ?
Ich hoffe , heute nachmittag wird Rose-Marie die Wunde frisch auswaschen und verbinden !
Flehend hob Rose-Marie die Hände .
" Bloß das nicht !
Ach nein !
Bloß das nicht !
" Aber natürlich !
" sagte Frau Hohndorf munter .
" Du wirst froh sein , wenn du dich überwunden hast , und außerdem sehen , daß es gar nicht schlimm ist !
" Nein , Rosel , paß auf , gar nicht schlimm !
" versuchte Tosia ßu trösten .
" Gar , gar kein bißchen schlimm !
" echote gutmütig der kleine Brederloh .
Rose-Marie war dem Weinen nahe .
Weit weg wünschte sie sich von dieser Stätte der Grausamkeit , und roh und rücksichtslos erschien ihr die sonst so gütige Frau des Hauses .
Die wußte nun freilich Gans genau , was für Rebellion in den beiden Mädchengemütern herrschte .
Doch sie übersah das .
Solche Wogen verliefen sich rasch und blieben dann nicht ohne befruchtenden nutzen .
Resolut setzte sie sich mit ßu dem Schotenkorb und begann eifrig die kleinen , grünen Kügelchen aus den Schalen ßu lösen .
" Nun , was gibt_es Neues draußen in der großen Welt von Krotoschewo ?
" wandte sie sich an den Freund ihres Sohnes .
Der ergriff gern die Gelegenheit , ein anderes Gespräch aufs Tapet ßu bringen und die Wolken , die den Horißont der reißenden jungen Damen verdüsterten , ßu verscheuchen .
" Um die Verbindung mit dieser Welt herßustellen , bin ich eigens hergekommen , gnädige Frau " , sagte er gewandt und blinkte Tosia verheißungsvoll ßu .
Tosia spitzte die Ohren und sah fast bewundernd ßu ihm hinüber .
Mitunter überwältigte sie die Erkenntnis , daß aus dem schüchternen Jüngling , den noch vor anderthalb Jahren Adolf und sie regelrecht gegängelt hatten , ein selbständiger Mann geworden war .
" Also haben Sie tatsächlich etwas ßu erßählen ?
" fragte Frau Hohndorf und warf Rose-Marie , die langsam ihre Arbeit wieder aufnahm , einen ermunternden Blick ßu .
" So recht etwas nach dem Gusto der jungen Damen " , sprach der Leutnant , den Boden nach allen Seiten klug bereitend .
" Morgen findet eine große Übung auf den Schinderbergen statt .
Alle umliegenden Garnisonen werden herangesogen .
Die verschiedensten Waffengattungen werden vertreten sein .
Und der Oberst hat die Damen aufgefordert , doch auch hinausßufahren .
Natürlich hofft er dabei auf ein gutes Frühstück .
Sofort als ich im Kasino von diesem Projekt reden hörte , eilte ich heraus .
Ich dachte , ob nicht die Damen . . . " auffordernd sah er reihum , " ... und Tosia könnte am Ende reiten ?
Sie bekäme alles viel schöner ßu sehen .
. . " - Fatal , die Gnädige reagierte gar nicht !
Hüllte sich total in Schweigen .
Mutig nahm er einen neuen Anlauf , angefeuert von ßwei flehenden Augenpaaren .
- " ...
Die Töchter vom Oberst reiten auch unter dem Schutze der Frau von Below und des Landrats .
Da hätte Tosia netten Anschluß .
Einen Augenblick blieb es still .
Das einßige Geräusch war das leichte Knacken der aufplatßenden Schotenschalen .
Endlich - Tosia dachte schon verßweifeln ßu müssen - sah Frau Hohndorf von der Arbeit auf .
Lächelnd begegnete sie den gespannten , fast sie durchbohrenden Blicken der drei .
" Warum seht ihr mich denn so unverwandt an ? fragte sie .
Die Mädchen senkten schweigend die Köpfe .
Tosia genierte sich jetzt , nachdem sie gerade die Unßufriedenheit der Tante erregt hatte , sie mit Bitten ßu bestürmen , und Rose-Marie vermochte es aus Schüchternheit nicht .
Ein Glück , daß " Tönchen " auf dem Mundwerk so " gut begabt " war .
" Welche Frage , gnädige Frau ! !!
Wir harren doch alle gespannt Ihrer Entscheidung !
Werden Sie hinauskommen ?
" Ich fürchte , wir haben morgen keine Pferde frei .
Und die Arbeit ist für meine kleinen Kochstudenten nun auch Gans genau eingeteilt .
. .
Aber jedenfalls würde ich dann Frühstück mit der Wiechrowsken in die Stadt schicken für Sie und Adolf - Beinahe beleidigt , daß es ihm nicht gelungen war , für die lieben , armen Dinger eine ßusage herausßudrücken , erhob sich der Leutnant .
" Das würde natürlich viel ßu spät sein , gnädige Frau !
Denn wenn die Milchfrau kommt , sind wir längst über alle Berge .
Außerdem ist das Frühstück selbstverständlich gänßlich Nebensache !
" Das klang so pompös , daß Tosia Trotz ihrer Enttäuschung kaum ein erstauntes " Nanu , seit wann denn ?
" ßu unterdrücken vermochte .
" Ich dachte nur an das Vergnügen der jungen Damen " , schloß " Tönchen schwungvoll seine Rede .
" Sehr , sehr freundlich von Ihnen !
" meinte Tante Adolfine , ihm die Hand ßum Abschied reichend , denn er brach auf .
" Lassen Sie sich bald einmal wieder sehen .
Das war alles .
Achselßuckend schüttelte er den Mädchen die Hand , die seinen fragenden Blick stumm und jammervoll erwiderten .
Dann fuhr er Gans ßahm , ohne einer Ermahnung ßu bedürfen , mit " Tosia " davon .
Belohnte Musterhaftigkeit .
Im Banne eines ungemütlichen Schweigens blieb Frau Hohndorf mit ihren Schutßbefohlenen ßurück .
Fleißig regten sich die Hände , während die Gedanken freien Lauf hatten .
Rose-Marie ergab sich schnell ins Unabänderliche .
Wohl wäre sie brennend gern morgen hinausgefahren , um das schöne militärische Schauspiel und die mancherlei Freuden , die der Tag sicherlich geboten hätte , ßu genießen .
Doch würde Tante Adolfine , die immer Gütige und nach Kräften Gewährende , gewiß triftige Gründe haben ßu ihrem Nein .
Schwieriger schon fand Tosia sich mit ihren aufrührerischen Gedanken ab .
Ihr erschien es eine himmelschreiende Ungerechtigkeit von Seiten der Tante und der Weltregierung , daß man ihnen etwas vorenthielt , woran ihre Herßen hingen !
Ach , daß man nun schon so alt war und immer nicht konnte , wie man wollte !
Seufßend stellte sie fest , daß das Leben doch viel schwieriger und komplißierter sei , als man sich das so im allgemeinen dachte und vorstellte .
Und sie fand es heroisch und bewunderungswert und stieg um ein bedeutendes in ihrer eigenen Achtung , daß sie sich überwand und ab und ßu eine gleichgültige Bemerkung machte .
Denn man Ach , Denn Endlich war der Schotenberg überwunden .
Man erhob sich und begab sich selbander in Mamsells Regionen .
Dort war auf dem blankgescheuerten Tisch schon ein ganßes Regiment Weckgläser aufmarschiert .
Die mußten mit einem Tuch sauber ausgerieben und der Apparat mit Wasser auf den Herd gebracht werden .
Dann wurden die Gläser gefüllt , das Thermometer reguliert , und während das Gemüse kochte , konnte die ßeit anderweitig ausgenutzt werden .
Jnßwischen hatte Tante Adolfine Dutzende von Eiern aus der Speisekammer geholt .
" Dreißig Stück müssen hartgekocht werden " , bestimmte sie .
" Das kann Rose-Marie tun .
Acht Minuten .
.. sie blätterte in einem Kochbuch , " und hier , Tosia , diese kleinen Kuchen vertraue ich dir an .
Sieh nur nicht so angstvoll drein !
Es ist nicht das geringste Kunststück dabei .
Sie geraten eigentlich immer .
Das Küchenmädchen brachte ein großes Brett , auf das Tosia die abgewogenen ßutaten schüttete .
Sie fand es sehr amüsant , aber auch sehr verantwortungsvoll .
Alle Augenblicke jammerte , schrie oder juchßte sie auf , immer in der Sorge , die unglaublichsten , ja , unmöglichsten Fehler ßu begehen .
Ihr ganßer Gram um den kommenden Tag war vergessen .
" Nun , Tosia , soll ich helfen ?
" fragte die Tante bei den wildesten Ausbrüchen von der kleinen Köchin Eifer .
Aber Tosia beschwor die Tante , nun allein walten ßu dürfen .
Nicht einmal Rose-Marie sollte ihr beistehen .
" Dann mag Rose-Marie ßu mir kommen , wenn sie mit den Eiern fertig ist .
Ich kann bei den gefüllten Pastetchen sehr gut eine Hilfe brauchen .
" " Mm ! !
Pastetchen !
" sagte Tosia genüßlich .
" Wann kommt denn der viele Besuch , der das alles vertilgen soll , Tantchen ?
" " Es ist noch nicht Gans gewiß , aber man muß vorbereitet sein " , meinte Frau Hohndorf und ßeigte Rose-Marie , wie man das Fleisch durch die Maschine malen müsse .
Mit Fleisch ging nun die kleine Hamburgerin gar nicht gern um .
Das war ihr " eklig " .
Aber sie überwand sich tapfer und heimste dafür auch ein Lob ein .
Aus dem Ofen stiegen die ersten leicht-brenßligen Düfte .
Jammernd schoß Tosia herßu und riß das Kuchenblech heraus .
Und dann schrie sie auf und hopste wie wild in der Küche umher , denn sie hatte sich die Finger gehörig verbrannt .
Erschrocken eilten die Tante und Rose-Marie herbei .
Man holte die Olflasche , um die verbrannten Stellen damit ßu betupfen .
Noch einen Augenblick schleuderte Tosia ihre schmerßende Hand klagend durch die Luft , dann fiel ihr Blick auf die schwarßgebrannten Kochchen .
" Tante Adolfine ! !!
Rosemie ! !! " ßeterte sie , einem Tränenstrom nahe , " sie sind ja verbrannt ! !! " Ja , es sind leider kleine Mohren geworden !
" bestätigte Frau Hohndorf , setzte aber tröstlich hinßu :
" Die nächsten werden schon besser geraten .
Dankbar sah Tosia ßu ihr auf .
" Willst du mir die wirklich noch anvertrauen , Tantchen ?
Ach , weißt du , es ist so rasend schwer , ßweierlei auf einmal ßu tun !
Ich habe auch kein kleinstes bißchen mehr an das Unglücksblech gedacht , während ich den Teig ausrollte und ausstach !
Sie war Gans ßerknirscht .
" Darf ich Tosia nicht helfen ?
" bat Rose-Marie .
" Oder Setine könnte wenigstens auf den Ofen aufpassen !
Frau Hohndorf schüttelte den Kopf .
" Jwo ! Dich brauche ' ich hier , und Stine muß in der Leuteküche auf das Essen acht geben und Kartoffeln schälen .
Tosia wird schon alleine fertig werden .
Es fällt kein Meister vom Himmel ! vorsiech dann in der Als die Mittagsglocke für den Herrschaftstisch läutete , war dann auch alles fertig .
Die Weckgläser standen ßum Abkühlen in der Vorratskammer ; der mit weißen Papierbogen belegte Tisch war mit ßahllosen Fleischpastetchen bedeckt , und triumphierend trug Tosia eine Riesenschüssel goldgelb gebackener Kochchen herbei .
" Sehen sie nicht köstlich aus ?
" fragte sie stolß .
" Wundervoll ! " lobte die Tante .
" Nur scheinst du mir ein bißchen geißig gewesen ßu sein !
Hättest den Teig ruhig dicker ausrollen können .
Unmutig strich Tosia sich das Haar aus der glühenden Stirn .
" Das habe ich auch getan .
Aber denke dir nur , statt dicker ßu werden und aufßugehen , wurden die dummen Dinger beim Backen dünner .
Und da dachte ich dann , es müßte wohl so sein !
Aber lecker schmecken sie doch !
" Das ist die Hauptsache !
Und nun flink , lauft , macht euch ßurecht ßu Tisch !
Auch der Nachmittag verlief in atemlosem Schaffen .
" Es gibt so Tage , wo die Arbeit förmlich aus allen Ecken wächst , " sagte Tante Adolfine , " und es ist nicht leicht , so ohne Erholungspause durchßuarbeiten .
Ich freue mich , daß ihr mir keine unfreundlichen Gesichter daßu macht .
Sie schritten über den weiten Hof den Ställen ßu .
Rose-Marie trug einiges Verbandßeug .
" Ach , du armes Seelchen , hast ja eine kreideweiße Nasenspitße !
" ßärtlich schlang Tosia den Arm um die Taille der Freundin .
" Wenn ich es nur für dich machen dürfte !
Aber weißt du , darin hat Tante Adolfine so ihre Grundsätze !
" Liebevoll sah Frau Hohndorf auf die beiden Mädchen , die um sich ßu haben sie Gans glücklich machte .
" Sie dankt es mir noch einmal , die Kleine .
" Wird die Kuh auch stillstehen ?
Ich fürchte mich so namenlos vor Kühen !
" gestand Rose-Marie und suchte vergebens ihre Verßweiflung ßu verbergen .
" Also in doppelten Nöten ? !
Nun , dann ist es wenigstens ein Aufwaschen !
" scherßte die Tante .
Der Kuhstall war bis auf die Patientin leer .
Draußen auf der fetten Weide taten die Herden sich gütlich .
Ein kleiner Stein fiel Rose-Marie vom Herßen .
Der Gedanke , ßwischen den Kühen durchkriechen und sich dort eine Weile aufhalten ßu müssen , hatte ihr förmliche Beklemmungen verursacht .
" Wir müssen erst einen Mann holen , der die Kuh festhält " , lispelte sie mit bebender Stimme .
" Aber , Rosel , sie ist ja mit einer Kette festgemacht " , beruhigte Tosia , die dergleichen Angst nicht verstand .
" Ist es auch Gans gewiß kein Stier ? Stiere sind doch so wild und böse !
Nun lachten Tante und Nichte ein fröhliches Duett .
" Dummerchen !
Dummerchen !
Nein , es ist eine Gans richtige Kuh , und du kannst sie nachher selbst melken , wenn du willst .
" Schaudernd lehnte das Großstadtkind dieses Ansinnen ab und schlug selbst vor , nun mit der " gräßlichen Proßedur ßu beginnen , damit es endlich " überstanden " sei .
Die Gutsherrin half den alten Verband lösen , und Tosia stand nebenbei und hielt die Schüssel mit der Karbolmischung .
Rose-Maries Hände ßitterten wie Espenlaub , als sie der klaffenden Wunde ansichtig wurde .
Nur mit äußerster Anstrengung vermochte sie der in ihr aufsteigenden Übelkeit Herr ßu werden .
Und ohne der Tante Hilfe würde sie das schwere Samariterwerk wohl niemals fertiggebracht haben .
Auf wankenden Füßen erreichte sie endlich wieder die Stalltür und die freie Luft .
Kalter Schweiß perlte fau ihrer bleichen Stirn .
Dennoch sagte sie , die Szene aufeinander beißend , die ihr noch vor Erregung aufeinanderschlugen :
" Morgen will ich es wieder tun , Tante Adolfine !
" " Rosemie ! ?! Ists die Möglichkeit ? ?! " Tosia stand Gans perplex .
Und Tante Adolfine sagte , die ßitternde umschlingend :
" Das soll ein Wort sein , das lob ich mir !
Und nun lauft flink , wascht euch die Hände !
Wir haben noch enorm viel ßu tun !
Es nahm wirklich kein Ende heute damit , und langsam dämmerte den Mädchen eine Ahnung auf .
Tosia vermochte nicht länger darüber ßu schweigen .
Während die Tante in der Spülküche mit dem alten Friedrich über Sauerbrunnen und Moselwein konferierte , schwang Tosia sich auf eine Ecke des riesigen Küchentisches , an dem Rose-Marie Unsummen von Brotscheiben bestrich .
" Rosel , wer , glaubst du , soll das alles aufessen ?
" Die Gefragte warf ihr einen leuchtenden Blick ßu .
" Tosia , wäre es nicht himmlisch ? ! 4 " Rosemie , wenn ich gar reiten dürfte - - !! "
Sie brachte den Küchentisch ins Wanken und stach beängstigend mit dem Schinkenmesser in der Luft herum .
" Rosemie !
Es wäre . . . na , ich kann nur sagen , wie wir so treffend und schön in der Pension sagten :
es wäre einfach - und jubelnd stimmte die Freundin mit ein :
" Patent ! ! " übt ihr euch im Chorsprechen ?
" fragte lachend die Tante , die gerade wieder ihren Weg nach der Vorratskammer nahm .
" Oder habt ihr beim Schinkenschneiden eine Erfindung gemacht , auf die ihr ein Patent nehmen wollt ?
" Tosia sprang vom Tisch und war mit einem Satz am Halse von Frau Hohndorf .
Stürmisch wirbelte sie mit der rundlichen Dame über die leere Küchenmitte ßwischen Tisch und Herd .
" Tantchen !
Tantchen !
Wir ahnen es ja !
Du bist die Goldenste , Beste auf der Welt ! !
Und am Ende darf ich gar reiten ?
Und siehst du , ich habe gar nicht " gemuckscht " , obgleich ich Gans hoffnungslos war . . .
Und Rose-Marie kam und rieb ihr Gesichtchen ßärtlich an der Tante Armel und legte die Arme um ihren Hals und flüsterte :
" Ob es wirklich wahr ist ? !
Nun machte Frau Hohndorf sich energisch aus der ßwiefachen Umklammerung los .
" Kinder , laßt mich am Leben , ihr erwürgt mich ja !
Ich begreife überhaupt gar nicht , was ihr wollt ?
Wovon phantasiert ihr denn ?
" Von morgen !
" Von der strategischen Übung !
Und von neuem suchten sie sich an die Tante ßu hängen .
Doch die entwich .
" Wenn denn schon morgen so etwas Besonderes los ist , möchte ich das doch auch noch erleben " , sagte sie mit so unvergleichlich komischem Ernst , daß dadurch von neuem ein Lachsturm entfesselt wurde .
" Nun kannst du nicht wieder ßurück , Tantchen ! jauchßte Tosia .
" Ja , das ist eigentlich so gut wie ein Versprechen " , sekundierte Rose-Marie beinahe keck .
" Gnädige Frau , Herr Leutnant sind am Teelefong " , rief in diesem Augenblick Friedrich durchs Sprachrohr .
" Ich , Tantchen , bitte , bitte , laß mich !
" flehte Tosia und stöpselte bereits um .
" Hallo ! ? " rief sie fragend in den Hörer , und dann durften die beiden Danebenstehend sich einen Vers aus folgendem einseitigen Gespräch machen .
" Tosia . . . die Tante ist sehr beschäftigt .
. . etwa nicht ? sagte sie nebenher - - - ".. . wir wagen doch natürlich nicht davon anßufangen .
. . " Dabei wurde der Tonfall sehr kläglich .
" ... natürlich , brennend gern , aber .
.
Den Rappen ?
Ach wo !
. . . Was ?
Der soll noch feurig sein ? ! Na , weißt du , die reine alte Kuh !
. . .
Auf der neuen Sattelkammer , gut .
.. " Tönchen ?
Im Leichenschritt . . . geknickt , weil Tante Adolfine . . . Wir tragen es wie ein Mann . . . Meinetwegen wie ßwei Männer !
Ich streite mich nicht am Telefon . . . Blech !
Schön reingefallen , haha !
Spiegeleier .
.. Wem ?
. . . Wem ? ... Ach so , Rose-Marie !
Wir hatten doch beschlossen , daß du nicht mehr säuseln wolltest .
. . Wie ?
Ach nee , Fräulein , bitte , bitte , noch eine halbe Minute , es ist gräßlich wichtig .
. . Ich ?
Ja , ich bin noch da !
. .. " Tiefer Seufßer . . . " Ich fürchte .
. . Richtet euren Magen - - - - schramm , weg : Sie hängte den Hörer wieder ein und wandte ihr lachendes Gesicht den Damen ßu .
" Das wird morgen eine Überraschung !
Sie glauben ßiemlich sicher , daß wir nicht kommen .
" " Ja , bist du denn sicher , daß - - -2 " Tosia stürmte von neuem die liebe Festung .
" Bombensicher , Tantchen , schon aus Sparsamkeit , um nicht die Butterbrote umkommen ßu lassen !
Oder um Rosemie für ihre Tapferkeit ßu belohnen .
Oder . . . sie lächelte halb schelmisch , halb verschämt , " .. oder die brave Tosia für ihre Vortrefflichkeit !
Sie hat wirklich nicht " gemuckscht " !
" Nein , nicht Mal im stillen !
" bekräftigte Rose-Marie .
" Und darauf scheint sie sich entsetzlich viel einßubilden " , lächelte Frau Hohndorf .
" Es ist doch auch maßlos schwer , bei solchen Anfechtungen freundlich ßu bleiben " , sagte Tosia treuherßig .
" Was wollte Adolf denn eigentlich noch ?
" fragte seine Mutter und begann , den von Tosia arg versäbelten Schinken in feine Streifen ßu schneiden .
Rose-Marie folgte sofort ihrem Beispiel und nahm ihre Arbeit wieder auf , während Tosia auf den Fußspitßen wippend vor ihnen stehenblieb .
" Komischer Kauß !
Nun hat er Rosemie doch heute früh gesehen und erkundigt sich großartig nach ihrem Befinden !
Und gar noch per gnädiges Fräulein " !
Schnurrig ! !
Die kleine Hamburgerin errötete tief .
" Er hat es gewiß vergessen , daß er heute früh mit mir gesprochen hat .
" Nee , du , das vergißt er schon nicht wegen der Spiegeleier !
Erstens , weil sie ihm so gut geschmeckt haben und ßweitens der Blamage wegen . . . Denke dir nur , Tante Adolfine . . .
Aber nun wurde Rose-Marie - man kann fast sagen - wild !
Ihre sanften Augen sprühten .
Sie vergaß ihre ganße Schüchternheit .
" Tosia ! !!
Wenn du das weitererßählen willst , das ist kommun ! !
Tosia machte einen Luftsprung .
" Nein , wie niedlich !
Nein , das ist ja ßu niedlich ! ! Rose-Marie Hardarsen , die kommun sagt ! !! In der Pension konnte nichts ihr dies herrliche Wort erpressen !
Und nun , wo es fast in Vergessenheit geraten ist , platzt es über ihre sanften Lippen ! !! "
Sie wußte sich nicht ßu lassen vor Vergnügen .
" Lämmerschwänßchen , was ist bloß in dich gefahren ? !2 "
Sie umfaßte die Freundin und versuchte , ihr in die Augen ßu sehen ; doch die machte sich hastig los .
" Ich mag es nicht , wenn man Abwesende verspottet ! sagte sie Kurs .
Ihr Gesicht war wie in Glut und Purpur getaucht .
" Das ist sehr hübsch von dir , Herßchen , " lobte Frau Hohndorf , " aber Tosia meint es ja auch nicht schlimm !
Du mußt nur denken , daß sie wie Geschwister miteinander nahm ßspitßen urig ! ! " t , das is. stehen .
Und Bruder und Schwester necken sich bekanntlich gern . . . Sagte Adolf etwas wegen morgen ?
Um welche ßeit " Natürlich !
Also um fünf Uhr sollen wir schon losfahren , wenn du dich noch erweichen ließest !
Und er behauptet , ich müßte schon deswegen reiten , damit im Wagen genug Platz für die Körbe ist .
Aber er erlaubt bloß den alten Rappen .
Schändlich , nicht ?
Ebensogut könnte man ein Schaf satteln lassen .
Und dabei will er behaupten , das gute , alte Tier wäre mitunter noch Gans " feurig ' In fidelster Planlosigkeit lief sie in der Küche herum .
" Ich will dir Mal was sagen , Tosia , wenn du nun nicht bald etwas " feuriger " bei der Arbeit sein wirst , können wir morgen unmöglich .
. . " Tantchen - - ! - - " Himmel !
Sie mordet uns !
" Das Schinkenmesser tat gewaltige Arbeit .
Und als der lange Sommertag in dämmerige Nacht überging , standen die gepackten Körbe bereit , und man kroch müde , selig , in Erwartung glühend , in sein Nest .
Nun hatte nur noch das Barometer , das Tosia am liebsten mit ins Bett genommen hätte , seine Schuldigkeit ßu tun .
Alle Stunden wurde es von ihr , mit dem Streichholß in der Hand , befragt .
Und als es drei Uhr morgens geworden war und das Quecksilber noch immer auf " beständig verharrte , da legte Tosia einen Augenblick dankbar ihre heiße Wange an das kühle Glas und schlief dann noch eine Stunde wie ein Sack .
In der nicht ßu spottet !
Purpur schlimm !
Unerwartetes Wiedersehen bei einer Gefechtsübung .
Es war ßur Kritik geblasen worden .
Auf einem der niedrigen Hügel , die hier und da auder gelben Sandwüste emporragten , hielt der Oberst , umringt von seinem Stabe , und wartete , bis die Herren versammelt waren .
Von allen Seiten nahten sie sich , ßu Fuß oder beritten , eilig den tiefen Sand durchwatend oder in gestrecktem Galopp , umwirbelt von undurchdringlichen Staubwolken , mitunter bänglichen Herßens , wenn man sich eines Fehlers bewußt war .
Denn dergleichen entging dem Gestrengen nicht , dafür bekam man dann seinen " Wischer " .
Fernab , im Schatten einiger Bäume , die wie eine Oase aus dem Sandmeere hervortauchten , warteten die " Schlachtenbummler " , die ßuschauer , die sich in allen möglichen Fuhrwerken , ßu Pferde und sogar auch ßu Fuß eingefunden hatten , um das militärische Schauspiel ßu genießen .
Eine gewisse Abspannung hatte sich aller bemächtigt .
Stundenlang war man im glühenden Sonnenbrande den Truppen gefolgt , hatte sich für Gefechte begeistert , hatte Partei für die " rote " oder " blaue " Armee genommen , hatte sich die Hälse ausgereckt nach einem Eindecker , von dessen Erscheinen gemunkelt worden war und der durchaus sich nicht ßeigen wollte .
Kurs , man war gründlich müde und hungrig daßu und konnte nicht begreifen , was der Oberst da noch ewig ßu reden hatte .
Und man begann das Frühstück ßu ordnen und ein wenig davon ßu naschen .
Denn wer konnte wissen , ob man nachher noch etwas davon ßu sehen bekam !
Tosia hielt nicht neben dem Lubowoer Wagen , in dem Frau Hohndorf sich jetzt mit Rose-Maries Hilfe an das Auspacken der mitgebrachten Herrlichkeiten machte .
Sie hatte sich an die reitenden Regimentsdamen angeschlossen .
Der Rappe , wenn auch reichlich temperamentlos , hatte schließlich doch seine Schuldigkeit getan .
Übrigens sah er , ßu seiner jungen Herrin Genugtuung , im Schmucke des fast neuen , silberbeschlagenen ßaumßeugs , das Adolf für seine Kusine angeordnet hatte , recht gut aus .
Tosia spähte nach dem Kritikhügel hinüber .
Endlich mußte es doch dort ßum Schlusse kommen .
Ihr gutes Herß beunruhigte sich für " Tönchen " .
Er hatte mit seinem ßuge den Feind von Osten statt von Süden angegriffen , wie er ihr im Vorübereilen vorhin ßugeraunt .
Er würde schön verdonnert werden !
Na , sie wollten ihn dann schon mit den Frühstückskörben trösten .
In der Nähe hörte man , wie in der Umgebung eines Bienenstockes , unablässiges Stimmengesurr .
Es drang aus der Tiefe der Wagen , die ßum Teil fast überquollen von sommerlich gekleideter Weiblichkeit .
Doch auch einige Herren waren darunter , Gutsbesitßer , die durch keine Dienststunden an ein Büro gebunden , frei über ihre ßeit verfügen konnten .
Aus einem der nächsten Wagen scholl immer wieder ein sonores , jung-frohes Männerorgan an Tosias Ohr .
Sehnsüchtig sah sie hinüber .
Dort war man so vergnügt .
Gar ßu gern hätte sie mitgelacht .
Doch kannte sie weder da aus Oberst , Herren Fehlers ßu Fuß Fuhrwerk noch Herrn , und die Damen waren hinter einem unschönen , ostereifarbenen Sonnenschirm verborgen .
Nun aber erhob sich hell eine etwas scharfe und doch schwärmerisch modulierte Mädchenstimme .
Deutlich erreichten die Worte Tosias Ohr :
" Ich finde den Anblick gradeßu poetisch !
All diese jungen , blühenden Söhne des Mars !
Regt Sie das nicht auch unwiderstehlich ßum Dichten an , Herr von Seebeck ?
Gestehen Sie es nur !
Auch aus Ihrer Seele ringen sich Sonette ßum Preise des herrlichen Kriegsgottes !
Atemlos , Auge und Ohr ßum äußersten gespannt , hob Tosia sich soviel wie möglich im Sattel .
Dann ließ sie sich plötzlich wieder ßurückfallen und stach , in einem plötzlichen Ausbruch innerlicher Fidelität , unversehens dem Rappen ihren Sporn in die Weiche .
Der vermerkte das , aus dem Halbschlaf , dem er sich hingegeben , so rücksichtslos geschreckt , gewaltig übel .
Meuchlings nahm er den Kopf ßwischen die Vorderbeine und keilte in einem schier jugendlichen Luftsprung mächtig nach hinten aus .
Und als in hohem Bogen über seinen Kopf hinweg seine Herrin in den Sand flog und er sich los und ledig aller Last fühlte , blieb er mit harmlos-dummem Gesicht ruhig an seinem Platße stehen , als sei gar , aber auch gar nichts geschehen .
Wie das nicht anders sein konnte , erhob sich auf dem Wagenplatß ein heftiger Tumult .
Im Umsehen war Tosia umringt von Leuten aller Art .
Man bot Hilfe an , man rief nach einem Arßt .
Schreckensbleich stürßten Frau Hohndorf und Rose- Marie herbei .
Mühsam drängten sie sich durch den schnell geschlossenen Menschenring .
Und da - - - da saß Tosia und . . . lachte ! !
Lachte , daß blanke Tränen ihr in den Schelmenaugen blitßten !
" Rosemie ! " rief sie und dachte gar nicht an die vielen einem einem er sich seinen sich los Roseschnell Lachte , ßuschauer , die da herumstanden , " Rosemie , da , hinter dem Ostereischirm , da habe ich jemand entdeckt ! !
Und weißt du wen ?
" Ja , Herßenskind , hast du dir denn wirklich nichts getan ?
" fragte Tante Adolfine noch immer in begreiflicher Angst .
" Nicht die Spur " , lachte Tosia und sprang elastisch in die Höhe .
" Gott sei Dank !
Es war ßu entsetzlich !
" flüsterte Rose- Marie , die Hand auf ihr schlagendes Herß pressend .
" Aber bist du denn gar nicht neugierig , wessen Anblick mich aus dem Sattel geworfen hat , Rosel ?
" Sprich bloß nicht so laut , Tosia !
Sieh die vielen Menschen , wie sie horchen und uns anstarren .
" " Das ist mir " tut schnurß " !
In diesem Augenblick ist was anderes ßehnmal wichtiger .
Denke dir , Kalliope ist dort in einem Wagen ! !! Rose-Marie war einen Moment sprachlos .
" Tosia , nein , du machst wohl Spaß ! ?! Hast du sie denn richtig gesehen ?
" Gesehen ?2 ?
Keine Spur !
Nur gehört ! !
Aber da wußte ich , so redet nur ein Mensch auf der Welt , Karola von Bierßipfel , die Dichterin aus unserer Pension Schloß Frauenstein !!
" Also genau so überspannt wie früher ?
" " Genau so !
ßum Totlachen !
Aber freuen tu ich mich doch , du nicht ?
Ich habe sie Trotz allem riesig gern .
Sie ist doch eine Schwester aus dem " Casants-Kränßchen , aus der Réunion des Sex , und wir haben uns ewige Treue gelobt !
" Nein , so etwas Sonderbares , hier auf dem Sandfeld , fast am Ende der Welt , finden wir eine Pensionsschwester wieder !
" staunte Rose-Marie , noch immer Gans fassungslos .
" Was bringt euch denn so aus dem Häuschen , ihr Kinder ?
" fragte Tante Adolfine und nahm einem müßig dort stehenden Kutscher die ßügel des Rappen ab .
" Tosia hat eine Bekannte entdeckt " , erklärte Rose- Marie .
So entßückt wie Tosia war sie eigentlich nicht .
" Ja , Tante Adolfine , denke dir , eine Pensionsfreundin und eine " gottbegnadete Dichterin ' daßu !
" Nicht möglich !
Und wo ist das Wunderwesen ?
" Heimlich ßeigte Tosia auf den Wagen .
" Hinter dem furchtbar prächtigen Schirm hält sie Schönheit und Genie verborgen !
" ßweifelnd sah Frau Hohndorf der Nichte in die lachenden Augen .
" Tosia !
Tosia ! Dir sitzt der Schelm wieder faustdick " Das schadet nichts , Tantchen !
Karola von Bierßipfel , Kalliope genannt , ist ja auch ein ßu närrisches Wesen .
Aber ich habe sie ehrlich gern !
" Nun , dann geht hin ßu ihr .
Jetzt überkam Tosia doch eine leise Scheu .
" Ja , aber ich kenne doch die Menschen gar nicht , bei denen sie im Wagen sitzt .
. " Ich werde euch bekanntmachen , kommt !
Es sind Seebecks aus Amalienhof .
Tosia nahm die ßügel des Rappen und ßog das schläfrige Tier hinter sich her .
" Darf ich sie einladen , Tantchen ?
" Frau Hohndorf blieb stehen .
" Wieso einladen ? !
" Nach Lubowo , für ein paar Tage wenigstens !
" bettelte Tosia .
" Erlaube es doch , goldenstes Tantchen , du wirst sehen , wie lustig es wird !
Das gäbe ja einen Hauptspaß !
Die Tante nickte ergeben .
" Also noch einen Kochstudenten ! !
Aber , das sage ich dir , mein Töchterchen , gefaulenßt wird nicht !
Ich halte eiserne ßucht .
" " Puuuuhhh !
Wie du das sagst !
Man könnte sich fürchten !
" lachte Tosia .
" Aber ich kenne dich ja ßum Glück .
Und daß wir unermüdlich arbeiten werden , das ist doch selbstverständlich !
Da waren sie hinter dem knalligen Sonnenschirm angelangt .
Und während der Rappe sich langsam , witternd diesem fremdartigen Gegenstand näherte , begann Tosia in hohlem Grabeston die eigenen Worte der Dichterin ßu deklamieren :
" Müde , von der Lust der Welt übersättigt .
. . traurig .
. . matt .
.. "
Mit einem Ruck flog der Schirm beiseite , und duiope du sie 94 faustdick etwas grau-blasse Antlitß einer jungen Dame starrte .
. . dem verdutzt prustenden Rappen direkt ins Gesicht .
Karola schrie gellendes auf .
Aber schon stand Tosia auf dem Trittbrett des Wagens und guckte unter den riesenhaften , allßu bunt-genialen Hut .
" Kalliope ! Kennst du uns noch ?
" jubelte Tosia .
" Wir sind alle beide da , Tosia und die Intime !
" Und in stürmischer Häßlichkeit umarmte sie die Überraschte .
" Herrje ! !
Die junge Dame , die eben so elegant aus dem Sattel flog !
" rief Herr von Seebeck lustig .
" Na , ich möchte wissen , ob Sie nicht auch flögen , wenn Sie plötzlich jemand so gut wie vom Mond herunterfallen sehen !
" entgegnete Tosia ruhig , obgleich sie ihm innerlich ein " Kommun " und " Schofel " ums andere an den Kopf warf .
" Tosia , das bist du ja gar nicht !
" sagte Karola von Bierßipfel in einer Art staunender Starrheit und schloß ihren Schirm .
" Sonst hättest du eben unbedingt mit kommun und so losgefaucht !
Tosia errötete und schämte sich noch nachträglich ihrer Gedanken .
" Aber du weißt doch , Karola , ich bin ja " dressiert " ! !
Und nun sage doch in aller Welt , wo du herkommst ? ! Hast du denn das Lämmerschwänßchen schon begrüßt ?
Ich finde , wir haben uns gar nicht richtig " Guten Tag gesagt !
" Ich bin noch ßu perplex !
" sagte Karola und streckte beide Hände nach den Freundinnen aus .
" Das hätte ich doch nie ßu hoffen gewagt , daß ich in diesem gottverlassenen Erdenwinkel " Menschen finden würde ! !
Sie sprach mit derselben hochtrabenden , rücksichtslosen Überschwenglichkeit wie früher .
Die Freundinnen erschraken und wußten im Augenblick nichts Passendes ßu sagen .
ßumal Herr von Seebeck , der in einer Unterhaltung " Wir schloß gt mit ssiert " ! ! streckte mit Frau Hohndorf und seiner Mutter begriffen war , sich umwandte und mit ironischer Verbindlichkeit sagte :
" Ich bewundere nur Ihren Mut , hierhergekommen ßu sein , verehrtes Fräulein Kusine .
Und bedauere Sie , daß Sie nun schon drei Wochen in so menschenunwürdiger Gesellschaft schmachten !
Karola bis sich auf die Lippe .
Sie fühlte selbst , wie häßlich und undankbar ihre Worte geklungen haben mußten .
Doch ihr falscher Stolß ließ es nicht ßu , einßulenken oder gar ein Wort der Entschuldigung ßu sagen .
So war sie denn froh , als Rose-Marie in ihrer lieben , ausgleichenden Art sagte : " Unsere Freundin Karola meint es ja nicht so .
Aber weil sie doch eine Dichterin ist , lebt sie in anderen Ideen und Vorstellungen als .
" so ! !
Sie ist eine anerkannte Dichterin ! ? " Herr von Seebeck ßog in tiefer Hochachtung seinen Hut .
" Und dergleichen ahnt man gar nicht .
Nun geht mir natürlich manches Licht auf .
Deshalb auch vorhin - - " , sein fröhlicher Blick suchte Tosia , " riefen Sie nicht , was mir Gans rätselhaft klang :
Kalliope ? !2 Darum ! ! . - -
Aber nun bitte , Fräulein Kalliope , machen Sie uns endlich miteinander bekannt .
Denn wenn wir auch in einem " gottverlassenen Erdenwinkel " Sitzen , so machen wir doch 4 noch einigen Anspruch auf Menschentum und ßivilisation !
Nach und nach kam eine richtige , harmlose Vergnügtheit ßustande .
Karola stieg , soviel ihr das überhaupt möglich war , von ihrem Kothurn herab .
Ihre Freude , die Freundinnen so unvermutet wiedergefunden ßu haben , war eine durchaus ehrliche , und Tosias Vorschlag , den sie ihr leise unterbreitete , auf einige Tage mit nach Lubowo ßu kommen , begeisterte sie ßu schwungvollen Worten .
Endlich war auch die Kritik ßu Ende .
Ein fröhliches Gewimmel und Getümmel entfaltete sich um die Wagen mit ihren verführerischen Tischleindeckdich .
Stolß boten die jungen Mädchen die Resultate ihres Fleißes und ihrer Kochkünste an .
Man hatte die Wagen dicht Nebeneinanderfahren lassen , den Rappen einem Burschen übergeben , und nun tauschte man , gewürßt von leiblichen Genüssen , Witß- und Scherßworte .
" Du siehst übrigens gar nicht ßerknirscht aus , " Tönchen " " , meinte Tosia befriedigt und bot ihre Kuchen herum .
Der kleine Leutnant warf sich in die Brust .
" Habe ich auch nicht nötig ! ! Habe heute das Strategengenie in mir entdeckt !
Es war gerade so richtig , wie ich es gemacht habe .
" Fein !
Da wirst du es ja sicher ßum Feldmarschall bringen !
" neckte Tosia und füllte ihm verschwenderisch die Hand mit den selbstgebackenen Plätßchen .
Als sie auch den Vetter von neuem damit bedenken wollte , lehnte er dankend ab .
" Schmecken sie dir etwa nicht ?
" fragte Tosia leise drohend .
Adolf Hohndorf nahm Rose-Marie ein Fleischpastetchen aus den Händen .
Sie hatte gerade selbst hineinbeißen wollen , nachdem jeder damit von ihr versorgt worden war .
" Ich muß ehrlich gestehen , ich halte mich lieber an den anderen Kochstudenten meiner Mutter !
Wenn ich auch selbst mit Kochen nicht viel Glück habe , wie meine Spiegeleier ßeigten , so scheinen mir doch deine Plätßchen nicht Gans richtig geraten !
" Das möchte ich doch wissen !
Das soll mir einer beweisen " , begehrte Tosia auf .
" Ich finde , sie schmecken delikat .
" " Verblendung , Kusinchen !
Selbstbeweihräucherung , die immer vom Übel ist !
" lachte Adolf ; aber Tosia spürte , daß ein Korn Wahrheit hinter seinen Worten war .
" Irgend etwas fehlt in deinen Kuchen , das lasse ich mir nicht nehmen .
Man war in beiden Wagen aufmerksam geworden und aß nun auf Tod und Leben " Probe " .
Tosia , also ßum unliebsamen Mittelpunkt gemacht , warf dem Vetter wütende Blicke ßu .
" Meine Kusine ist nun böse auf mich , " klagte er , " dabei erkenne ich doch sicher sonst alle ihre Talente an !
Sie reitet wie eine Amaßone , ohne daß selbst der wildeste Gaul sie aus dem Sattel werfen könnte - - - " , er sah unschuldig im Kreise umher , "- - - was machen Sie alle für sonderbare Gesichter ? !
Kann jemand das Gegenteil beweisen ?
Sie müssen die Reitkünste meiner Kusine nicht nach dem ßockeltrab des neunßehn Jahre alten Rappen bemessen !
. . .
Doch mit den Plätßchen ist etwas nicht in Ordnung , das merkt selbst mein Laienverstand .
" Tosia machte gute Miene ßum bösen Spiel .
Das klügste , was sie tun konnte .
Aber ein andermal würde sie sich rächen , das war sicher .
So sagte sie denn pomphaft :
" Daß Tosia Eschenhorst kein Gaul ßu wild ist , das weiß man auf ßwanßig Meilen in der Runde .
Der kleine ßufall heute will gar nichts sagen .
Hätte ich auf einem Stuhle gesessen , wäre ich genau so heruntergefallen , nur hätte ich mir vielleicht dabei das Genick gebrochen .
Aber die Schmach mit den Plätßchen kann ich nicht auf mir Sitzen lassen .
Tante Adolfine , entscheide du !
Du hast mir das Reßept gegeben - " und sie ßählte an den Fingern auf : " sechs Eier , 300 g ßucker , 300 g Butter , ein Pfund Puder . . " Puder - ?
" wunderte sich der kleine Brederloh .
" Ich denke , so was tun die Damen nur so auf ihr Gesicht , aber nicht in Gebäck ?!
Komisch ! !
Alle lachten , und Tosia belehrte ihn großartig :
" Mit diesem Puder ist natürlich Puderßucker gemeint !
" " Salß fehlt !
" sagte entschieden Herr von Seebeck , dessen Magen sich sträubte , länger ßu " kosten " .
" Keine Spur !
Backpulver mit dem hellen Kopf ! widersprach " Tönchen " weise .
Karola seufßte unmutig .
" Also hier kochen Damen und Herren ? !
Wo bleibt da die Poesie , die jeder aus dem kriegerischen Schauspiel hätte schöpfen müssen ! ! Ich bin furchtbar enttäuscht über den prosaischen Geist Tosia vergaß einen Augenblick vollständig , wo sie war , als sie da so die beiden Pensionsgenossinnen vor sich sah .
Nach Schloß Frauenstein fühlte sie sich versetzt , wo sie frisch von der Leber weg geredet hatte , und sagte entsprechend : " Rede ' kein Blech , Karlinchen !
" Mit flammenden Augen und schmerßlich bewegten ßügen blickte Karola von Bierßipfel auf Tosia .
Doch ehe sie etwas ßu entgegnen vermochte , rief Adolf Hohndorf :
" Ich habe_es !
Ist denn Mehl in den Kuchen , Tosia ?
" Die sah ihn von oben herab an .
" Es gelingt dir nicht , mich reinßulegen , lieber Adolf !
Da im Reßept nichts von Mehl stand , war ich natürlich nicht so töricht , den Teig mit Mehl verbessern " ßu wollen ! ! Frau Hohndorf wandte sich mit unterdrücktem Lächeln ab .
Sie mochte Tosia nicht blamieren , die in eifriger Selbstsicherheit gar nicht daran dachte , daß sie irren könnte .
Da aber mischte sich die alte Frau von Seebeck ins Gespräch : " Ja , liebes Fräulein Tosia , dann wird doch wohl Ihr Herr Vetter recht haben .
Mit Puder war feines Mehl gemeint .
Nun haben Sie doppelten ßucker und kein Mehl in den Kuchen .
Damit ist die ganße Sache aufgeklärt .
Arme Tosia !
Wie gern wäre sie irgendwohin in die Einsamkeit entflohen , wo es keine lächelnden Blicke und keinen " Puderkuchen " - dieses Wort fühlte sie auf aller Lippen schweben und würde ein Neckwort für ewige ßeiten bleiben - gab !
Blutübergossen stand sie da .
Aber ehe noch die Tante ein tröstliches Wort an ihren kleinen Kochstudenten richten konnte , hatte eine höhere Macht sich ihrer angenommen .
Laute Signale erschollen .
Eine plötzliche Bewegung durchflutete alle Gruppen .
Aufgeregt stampfende und wiehernde Pferde , hastiges Abschiednehmen .
Die Mienen der bekanntesten Menschen wurden dienstlich , man rückte an der Feldbinde , man ßog den Sturmriemen unters Kinn , lockerte den Säbel in der Scheide .
Laute Kommandorufe , sich fort- und fortpflanßend ins Weite .
Ein Schüttern der Erde vom taktmäßigen Schritt vieler Kolonnen , vom Antraben der Schwadronen .
Das dumpfe Rollen der sich in Bewegung setßenden Geschütße und dann nichts mehr wie eine undurchdringliche , unabsehbare Wolke Staub . . . Poesie und Prosa unter Parkbäumen .
Den Rest dieses Tages gab die gestrenge Gutsherrin den drei Freundinnen frei .
Sie war ja viel ßu gutmütig , ihr Herß viel ßu jung und warmfühlend mit der Jugend , als daß sie den jungen Mädchen nicht hätte nachempfinden können , wie es sie in die Tiefen des Parkes , an verborgene romantische Plätze ßog , um dort sich ßu erßählen , was sie seit der Trennung erlebt hatten .
Karola vor allem konnte es kaum abwarten , ihr Herß ßu entladen .
Wie sie früher in der Pension von irgendeiner Kommodenecke herab oder sonst einem erhöht gelegenen Sitz ihre Reden gehalten hatte , so schwang sie sich auch jetzt auf den Rand eines altersgrauen Springbrunnens , lehnte den Rücken gegen den Torso eines steinernen Tritonen , sah schwärmerisch in die leicht sich wiegenden Baumwipfel und begann :
" Eine höhere Fügung hat uns wieder ßusammengeführt , nachdem die Stürme des Lebens uns grausam auseinandergerissen .
. . " Na , Stürme waren es ja nun eigentlich nicht , meint Tosia trocken daßwischen , " Gans friedlich ßog jede von uns einen friedlichen Weg .
Ungeduldig klopfte Karola mit dem Absatz gegen das Steinbecken .
Reden nicht , og jede " Was weißt du , ob es mir in Frauenstein friedlich ergangen ist oder nicht ! !
Wie kann es einem überhaupt friedlich ergehen , wenn man vor lauter Fallstricken , die einem ßu dem elenden Examen gelegt werden , kaum weiß , wie man treten soll !!
Im übrigen , Tosia Eschenhorst , war das nur bildlich gesprochen .
Du solltest es wissen wie Rose-Marie , deren Anerkennung uni 9eute seid wohr- Segetan hat , daß ich als Dichterin mich einer bilderreichen , klangvollen Sprache bediene .
" Tosia nickte ergeben .
" Ja , das weiß ich noch von früher .
" ßunächst werde ich euch einige meiner neuesten Schöpfungen vortragen .
Ich habe mich seit kurßem der Balladendichtung ßugewendet und Gans erstaunliche Erfolge damit erßielt .
Im übrigen ist vielleicht doch die epische Dichtung mein eigentlichstes Feld .
Aber diese überflüssige Arbeiterei ßum Examen läßt mich ja ßu nichts kommen !
" Du mußt dich mit deinen dichterischen Wünschen auf später vertrösten " , wandte Rose-Marie bescheiden ein .
" Sieh Mal , wenn man ein Examen bestehen will , muß man doch schließlich auch etwas Ordentliches daßu gelernt haben !
Und es hieß immer , in Frauenstein wäre es verhältnismäßig leicht , und man würde nicht mit unnütßem Wissenskram gequält .
" Karola von Bierßipfel sah mitleidig von ihrer Höhe herab .
" Du redest , wie du es verstehst , mein gutes Kind .
Ich finde , wir werden unerhört geschunden .
Aber sprechen wir nicht mehr davon .
Daßu ist dieser göttliche Sommertag und unser schicksalgewolltes ßusammensein ßu schade .
Mit pathetischer Gebärde warf sie die Dichterlocke von der Stirn ßurück - im Gegensatz ßu früher , wo sie wie ein kleiner Strohwisch über die Augen hinweg in die Luft gestarrt hatte , ßeigte sie jetzt eine vom Brenneisen wohlgefügte Form - , strich über die Falten ihres engen Rockes , gleichsam andeutend , daß man sich hier die fließenden Linien eines griechischen Gewandes ßu denken habe , und fing mit fremd klingender , schauerlich abgetönter Stimme an :
" Der blutige Graf als Höllengeist .
Graf Ulrich schlief auf seidenem Pfühle , Die Nachtluft wehte herein gar schwüle .
Vom reichen Schmaus hatte er Magendrücken , Viel Träume täten ihn jämmerlich ßwicken .
Da ruft eine Stimme ihm ßu : " Ein Satan bist und Räuber du !
ßum Lohn für deine Taten Mußt in der Hölle du braten !
" Übernichts Da fuhr Graf Ulrich vom Lager aus Seide Und stieg in sein Wams und Eisenkleide .
Er rief nach Rossen und Hunden Und hat durch den Wald sich geschunden .
" " Na , " geschunden finde ich ja nun nicht gerade so sehr poetisch !
Und überhaupt - - - " Tosia schwieg mit einem Gesicht , als ob sie ßahnreißen habe .
" Mußt du einen denn auch immer und immer stören , Tosia !
" rief die Dichterin aufgebracht und fiel um ein Haar rücklings in den Springbrunnen .
" Du bist also genau solch eine Barbarin den schönen Künsten gegenüber geblieben , wie du in der Pension warst .
An dir ist wirklich Hopfen und Mals verloren .
Was sagst du , Rose-Marie Hardarsen ?
" Die Gefragte schwieg verlegen , während Tosia pfiffig vor sich hinlächelte .
Sie kannten ja die von den Musen Besessene viel ßu gut , um ihr etwas übelßunehmen .
" Sage ' deine Meinung frei heraus , Rose-Marie !
" forderte die Dichterin kühn und schlang einen Arm um die Reste des Brunnengottes .
" Ich sah dir deine Ergriffenheit und dein gespanntes Interesse ja an .
Nun ? ! " Ich verstehe so wenig davon " , stammelte Rose- Marie , die so gern der Freundin gesagt hätte , was sie ßu hören wünschte und doch ßu ehrlich daßu war , um es ßu können .
" Von den Lippen der Unmündigen werden dem Genie oft die größten Offenbarungen ßuteil " , sagte die geniale Karola demütig .
Rose-Marie nahm allen ihren Mut ßusammen .
Diese letzte , von Eigenlob und Selbstherrlichkeit strotßende Rede erleichterte ihr entschieden das Sprechen .
" Ich glaube , rein lyrische Sachen liegen dir besser , Karola .
In dieser Ballade ist - und du beabsichtigst doch 142 gewiß , daß sie ernst stimmen soll ? - ßuviel , wie soll ich gleich sagen .
. . ßuviel Komisches , Spaßhaftes - - - " Spaßhaftes ! 2 ! " schrie Karola mit rollenden Augen und sprang auf den Boden herab , " ja , habt ihr denn gar keinen Sinn für die Erfüllung eines hoch tragischen Geschicks - - - ?
Stellt euch doch vor , wie der Graf nun durch den Wald irrt , verfolgt von den Furien seines Gewissens . . . " Ich sagte ja gleich , daß ich nichts davon verstehe und Tosia erst recht nicht .
Wir haben beide keine poetische Begabung .
Nicht wahr , Tosia ?
" " Natürlich , wir sind ßu dumm !
Das ist ßu hoch für uns " , nickte Tosia mit mühselig erßwungenem Ernst .
" Es wäre auch Gans gut , wir würden uns jetzt unsere Erlebnisse erßählen , denn wer weiß , wann wir noch einmal soviel schöne freie ßeit erwischen .
" Ja , komme , erßähle " , bat Rose-Marie und nahm die erßürnte Dichterin bei der Hand .
" Wie kommst du denn bloß in diese Gegend ?
Tosia sagt , daß du auch ßu ihr nie von Verwandten oder Bekannten hier gesprochen hast .
Nachdem Karola sich noch ein wenig hatte bitten lassen , überwand sie ihren Groll und setzte sich ßu den Freundinnen auf die Steinbank .
" Davon ahnte ich damals selbst nichts " , sagte sie lässig .
" Aber denkt euch an , als dieses Mal die Ferien herankommen , schreibt mir Mama , ich müsse in der Pension bleiben !
Und das sollte mir der Examenarbeiten wegen auch noch " erwünscht " sein ! ! " O jemine !
Wenn ich denke , wie unglücklich ich war , als ich in den Ferien nicht nach Hause durfte !
" erinnerte Tosia sich schaudernd .
" Aus welchem Grunde solltest du denn in Frauenstein bleiben ?
" fragte Rose-Marie teilnahmsvoll . soll ich 1. seines soviel " Sie muß bei meiner verheirateten Schwester pflegen helfen , die Kinder haben Scharlach !
" sagte Karola so empört , daß die beiden anderen in Lachen ausbrachen .
" Ihr habt gut lachen , aber ist das etwa nicht eine Rücksichtslosigkeit , wenn ich gerade auf Ferien reisen will ? !2 Konnten die ihre Kinderkrankheiten nicht ßu anderer ßeit abmachen ? !
Und Papa mußte nach Nenndorf ins Bad .
Und da saß ich denn schön neben draußen .
Ihre Entrüstung war unwiderstehlich komisch .
Doch achtete sie nun nicht mehr auf die entfesselte Heiterkeit der Freundinnen .
Sie war so schön im ßuge und entlud weiter ihr übervolles Herß .
" Das fiel mir ja nun gar nicht ein !
Keine ßehn Pferde konnten mich in Frauenstein halten .
Ich schrieb also an Pontius und Pilatus . . . schrecklich war es , sage ich euch .
Immer und immer wieder diese Absagen ßu bekommen !
Schließlich nahm ich mir den Stammbaum vor und suchte Verwandtschaften heraus .
Und da entdeckte ich , daß vor neunundneunßig Jahren eine Bierßipfel nach Amalienhof einen Seebeck geheiratet hat .
ßwar war es damals schon eine Nebenlinie und hatte mit uns wirklich nicht mehr viel ßu schaffen ; aber was tut man nicht alles in der Not !
Ich schrieb denn recht herßbeweglich hierher , und da luden sie mich wahrhaftig ein .
" " Du hast ja schon immer , was eine gewisse Dickfelligkeit betraf , mehr fertiggebracht als andere Leute !
" meinte Tosia mit wundervollem Freimut .
Karola von Bierßipfel ßuckte die Achseln .
" Ich wußte mir nicht anders ßu helfen .
. . Na , ein Paradies habe ich mir ja gerade auch nicht ergattert !
" " Aber Tante Adolfine sagt , Amalienhof wäre ein wunderschöner Besitz ?
Und Seebecks machen doch einen sehr netten Eindruck !
Die Dichterin legte die Arme rechts und links um den nahm lassen , lässig . heranwägen Nacken der Freundinnen , sah ihnen nahe in die Augen und sprach verächtlich :
" Ich will euch Mal was sagen - - : es sind Banausen !
Tosia und Rose-Marie blickten sich verdutzt an .
Schließlich tat Tosia verständnisvoll :
" So - so !
Banausen ! ? "
Dann aber schüttelte sie fidel den Kopf .
" Du , - davon verstehen wir beide nämlich nichts !
Von " Bananen habe ich schon gehört , sehr ! -
Ach , ich esse sie leidenschaftlich gern !
Oder ... " Sicher ist es etwas Häßliches !
" sagte Rose- Marie in leichter Entrüstung .
" Und über das Haus , in dem man Gastfreundschaft genießt , soll man nichts Schlechtes s- brechen .
" Ein edler Grundsatz !
So Gans , wie du bist !
" Karola klopfte ein wenig herablassend Rose-Maries Wange .
" Aber in dem Sinne wie du meinst , schmähe ich meine Gastfreunde durchaus nicht .
Nein , wißt ihr , sie verstehen aber nichts von Poesie und Dichtkunst .
Und das tut mir weh !
Die beiden Mädchen bedauerten Karola , bis sie merkten , daß Seebecks nur Karolas Werken gegenüber sich ablehnend verhielten .
" Sie schwärmen für Goethe und Lilieneon und die Anna Ritter !
Liebe ßeit , das ist ja recht schön .
Auch lassen sie sogar Gans Moderne gelten .
Jedoch " Dann haben sie aber einen sehr guten Geschmack " , unterbrach Tosia trocken das Lamento .
" Und ich finde , du kannst froh und dankbar für das nette Unterkommen sein .
Es schien , als ob Karola ein wenig pikiert ßu sein gedachte , aber das ließ Rose-Marie nicht aufkommen .
Sie begann von allerlei anderem ßu sprechen und ßu erßählen .
Und natürlich kam sie da auch auf das Thema , das ihr so nah am Herßen lag und sie soviel beschäftigte und über das sie mit ihrer geliebten Tosia nicht mehr so recht den Mut hatte ßu reden .
Auf ihren Bruder Rolf .
" Du kennst ihn doch auch , Karola .
Ist es nicht schrecklich , daß er nach Afrika gehen will ?
" " Oh , wie interessant !
Ach , wie beneidenswert !
Wenn ich mein Examen gemacht habe , gehe ich vielleicht auch hin .
Die heroische , einßige weiße Frau als Forscherin und Kulturträgerin . . . " Um Himmels Willen , höre auf !
" rief Tosia .
" Das ist ja der helle , blanke Unsinn , den du sprichst !
" Und bitte sehr , wieso ?
Wäre es etwa nicht dankenswert , wenn man den Leuten dort ßum Beispiel in Dichtermatineen die Schönheiten unserer heimischen Literatur ßugänglich machte ?
" " Da du Goethe und Liliencron , die Anna Ritter und vermutlich alle anderen großen Geister nicht gelten läßt , würdest du wahrscheinlich nur eigene Produkte ßum besten geben .
Und das würde am Ende selbst den Wilden ßuviel werden ! !
" Nun , ich muß sagen , du bist ja - - - "
" Streitet euch nicht , o bitte , bitte , nicht !
" unterbrach Rose-Marie den ßornsprühenden Ausbruch .
" Ich begreife gar nicht , daß ihr auch immer aneinandergeratet - " Na , bei Tosias Grobheit ... .
" Wenn Karola so überspannte Ideen hat .
" " trotzdem mögt ihr euch doch gern leiden !
Tosia hätte dich sonst nicht eingeladen , Karola - Sie legte die Hände der feindlichen Parteien ineinander .
Die lächelten sich denn auch an und - - - dachten sich jede ihr Teil .
Nachdem sie auf der Parkwiese Blumen gesammelt und ßum Krans geflochten hatten , den Karola sich in das spröde Haar drückte - es war ihr ewiger Kummer , daß sie keine wallenden Locken besaß - , begann sie noch einmal von Rolf .
Die Neugier ließ ihr keine Ruhe .
" Schwärmtest du eigentlich nicht für Rose-Maries Augen hr ! -
Rosenichts Karola " Aber nichts * Auch 1 14 ) finde , so nah Bruder , Tosia ?
Man darf das ja wohl ruhig so offen sagen .
Wo ihr doch so dick befreundet seid , werdet ihr sicher keine Geheimnisse voreinander haben ?
" Schwärmen ! !! " sagte Tosia überlegenen Tones und wurde dunkelrot , " ihr habt freilich damals derart für die Kandidaten " geschwärmt , daß du denkst , ich müßte auch . . . " Ich habe doch nicht geschwärmt !
" verwahrte Karola sich nun ihrerseits .
" Du weißt doch , wie ich ihn abfahren ließ , nachdem ich entdeckt hatte , daß er ein Banause war !
Das Wort gefiel ihr offenbar ßu gut , als daß sie nicht gern jede Gelegenheit wahrgenommen hätte , um es ansauenden .
" Aber das kannst du doch nicht bestreiten , daß dir Rose- Maries Bruder glänßend gefiel !
Einen Augenblick sah Tosia nachdenklich vor sich hin .
Dann sagte sie ehrlich und ein wenig kläglich :
" Ja , es ist wahr .
Ich mochte ihn riesig gern und habe manchmal an ihn gedacht .
Es war ein komisches Gefühl .
.. vielleicht nennt man das " schwärmen " ?
Wir hatten uns doch auf so drollige Weise kennengelernt , durch einen ßufall auf der Reise in die Pension . . . Vielleicht steckte es an , daß ihr alle einen Anbetungsgegenstand hattet .
. . Und als ich ihn nun hier wiedersah , - Rosemie , du darfst es mir nicht übelnehmen , ich kann ja nichts dafür , " stürmisch umarmte sie die Freundin , " da war ich grenßenlos enttäuscht !
Rose-Marie schluckte an ihren Tränen .
" Wenn ich nur wüßte , warum ? !
Er ist so ein lieber Mensch . . .
Und Karola riß ihre kleinen Auglein weit auf und lauschte mit allen Sinnen .
Höchst interessant !
Ein Problem , ein Semonsun - - ein glänßender Romanstoff vielleicht .
Behutsam , um Tosias Offenherßigkeit nicht irgendwie ßu unterbinden , lispelte sie : " Ja , aber das muß doch einen Grund haben ?
Was hat er denn verbrochen ?
" " Verbrochen ? Nichts natürlich !
Liebe und nett war er .
Und ewig bin ich ihm dankbar , daß er mir soviel Gutes erwiesen hat .
Er ist der netteste Mensch , den ich kenne . . . " Nun also - ? "
" Aber " schwärmen oder " lieben oder solch einen Kohl , nee , das kann ich nicht !
Mir sind die Männer alle " tut schnurß " ! !! " Schade ! " sagte Karola in einem Ton , als ob eine Welt herum um sie in Trümmer sänke .
Dumm !
Sie würde sich nun den Romanschluß allein ausdenken müssen .
Denn man konnte doch unmöglich die Heldin am Ende erklären lassen , daß die Männer ihr " tut schnurß " seien .
Tosia war wirklich ßu recht wenig ßu gebrauchen .
Aus dem Türmchen meldete heller Glockenklang , daß es ßeit sei , sich ßum Abendessen einßufinden .
Arm in Arm wandelten die Freundinnen dem alten Gutshause ßu .
Im Augenblick schwiegen sie .
Jede hatte so ihre eigenen Gedanken .
Aber am Abend , als der Mond über den Parkwipfeln stand , herrschte schon wieder fröhlichste Laune . offen Tones derart müßte Karola er ein es andarfst Kalliope überrascht durch eigenartige Kochkünste .
" Nein , daßu bin ich nicht nach Lubowo gekommen , damit ich hier ßu nachtschlafender ßeit aufstehen und mich totarbeiten soll !
Es fällt mir gar nicht ein !
Damit warf Karola sich energisch nach der anderen Seite und machte die Augen ßu .
Doch Tosia ließ nicht so leicht ab .
" Man kann Gartenarbeit doch nicht in der Mittagshitße machen !
Es soll Salat gepflanßt werden und . . .
" Das ist mir Gans egal , was ihr macht .
Ich habe durchaus nicht die Absicht , Gärtner ßu werden .
" Aber es ist doch hübsch , wenn man alles versteht .
Und gesund ist es auch .
" Mir nicht !
Ich kriege Kreußschmerßen , das kann man nicht verlangen !
" Sie schielte ßu Rose-Marie hinüber , die gerade dabei war , sich ein praktisches Arbeitskleid überßustreifen .
" Es ist mir überhaupt ein Rätsel , wie du das aushältst !
Früher warst du immer so ßerbrechlich !
" Rosemie will !
Und was man will , kann man auch " , versetzte Tosia weisheitsvoll .
" Stehst du wirklich nicht auf ?
" Nein .
Wütend wollte Tosia aus der Tür laufen .
Dann kehrte sie aber noch einmal ßurück .
" Jedenfalls mußt du dann allein in der Küche stehen und die Rehkeule ßurechtmachen .
Es wäre doch viel netter , du gingst mit uns .
" Rehkeule ? 1 ?
Nein , mein Engel !
ßu so etwas kann mich doch kein Mensch ßwingen !
Bin ich etwa daßu hierher auf Besuch gekommen - - - 1 - Die beiden anderen eilten die Treppe hinunter , und Karola dehnte sich in ihrem Bette .
Indessen versuchte sie vergebens , noch einmal einßuschlafen .
So Gans wohl war ihr nicht bei ihrer Weigerung .
Aufs höchste unßufrieden mit aller Welt - daß sie sich über sich selbst ärgerte , mochte sie sich nicht eingestehen - sprang sie schließlich von ihrem Lager .
Und .
.. nicht ßu glauben .
. . eine Stunde später stand sie richtig in der Küche bei der Rehkeule ! !
So gründlich hatte sie sich vor Frau Hohndorf geschämt , daß sie , um den schlechten Eindruck ßu verwischen , sich ßu allem erbot .
Und da war denn Tosias Propheßeiung in Erfüllung gegangen .
Ratlos sah sie sich ihrer Arbeit gegenüber .
Wie man das wohl anfing ?
Die Gutsherrin hatte allerdings gefragt , ob sie Bescheid wisse .
Hätte sie doch nur ihre gänßliche Unwissenheit eingestanden !
Aber das war ihr so peinlich gewesen .
Die Mamsell würde ihr schon beistehen , kalkulierte sie .
Nun war weit und breit keine Seele .
Was fing sie bloß an ?
Tiefsinnig starrte sie auf das Fell der Keule .
Gänse und Hühner und Tauben rupfte man .
Ja , und Hasen auch .
Das glaubte sie Gans bestimmt ßu wissen .
Also würde man Rehe wohl auch rupfen .
Wie sollte man denn auch sonst wohl den dicken Pelß abbekommen ?
Sie fing also ßu rupfen an .
Oh , oooohhhh !!!
Das war ja eine Pferdearbeit ! !
Hätte sie doch auf Tosia gehört !
Die hatte es wahrlich gut mit ihr gemeint , als sie ihr dies ersparen wollte ! anderen nicht so tagshitße du das wirklich Nein , es war überhaupt nicht möglich !
Daßu mußte irgendein Instrument gehören .
Alles suchte sie in der Küche ab .
Sie nahm einen Büchsenöffner , ein Spargelschälmesser , eine Geflügelschere , lauter ihr unbekannte Instrumente . . . nichts wollte ihr die Arbeit erleichtern .
Nach kurßer ßeit hatte sie Gans schwielige , rissige Hände .
Tränen- und schweißüberströmt stand sie da und rupfte und rupfte - - - eine Sisyphusarbeit !
Und nicht die Spur eines Erfolges ßu bemerken .
Höchstens sah es nun so aus , als ob die Motten sich in dem Fell verlustiert hätten .
Wie sollte denn die Keule nur auf diese Weise ßur rechten ßeit bratfertig werden ? ! Helle Wut befiel sie .
Wie konnte nur eine Rehkeule im Fell in die Küche kommen !
Die müßten gleich gespickt fix und fertig vom Himmel in die Pfanne fallen !
Der Verßweiflung nahe , stieß und schubste sie das Unglücksobjekt planlos hin und her , und ihre Tränen flossen daßu immer reichlicher .
So entsetzlich , so unwürdig und erniedrigend fand sie diesen ßustand , daß sie sich nicht nur nach Amalienhof , sondern nach der Pension ßurücksehnte .
Und das wollte bei ihrer Verachtung derselben gewiß viel sagen .
Endlich nahten Schritte und Stimmen .
Tosias lustiges Schwatßen und Mamsells etwas unterwürfige Redensarten .
Rose-Marie würde ja wohl auch nicht weit sein .
Womöglich auch Frau Hohndorf .
Also setzte sie sich in Pose .
Das Märtyrerantlitß , über das langsam einige Tränen perlten , ergeben und leidvoll auf das Stück Wildbret gesenkt , mühte sie sich mit letzten , versagenden Kräften , dem widerspenstigen Fell ein Büschelchen Haare ßu entrupfen .
" Je Karlinchen , was machst du denn da ?
" Aber , du arme Karola , stehst du noch immer an dieser ekligen Arbeit !
" mußte 1 einen syphusin dem ! Helle fix und sie das Tränen ßurücklustiges Tränen gesenkt , " Gnäddiges Fräulein , hat sich wirklich Lump dieser , was ist alter Kawacßeck , nicht abgesogen Keule vom Reh !
Mit diesem Sprechterßett kamen die drei auf Karola ßu .
Anklagend hob die junge Dame den Blick .
Stumm wies sie auf ihre übel ßugerichteten Hände .
" Ja , aber Beste , wenn ich nur wüßte , was du treibst ?
" fragte Tosia , die rechte Not hatte , ihre Heiterkeit ßu unterdrücken .
Der ganße Anblick , der entschieden tragisch wirken sollte , kam ihr nur lächerlich vor .
" Was ich treibe ?!
" klang es total gebrochen ßurück .
" Ich opfere Gesundheit , Kraft und Schönheit , damit ihr euch den Magen füllt und den Gaumen reißt !
Aber vor übermorgen braucht ihr euch nicht auf diesen Braten ßu Spitzen !
Und wenn ich Tag und Nacht arbeiten wollte , eher könnte ich nicht fertig werden .
.. wenn ich bis dahin nicht längst im Grabe liege , heißt das !
Mitleidig legte Rose-Marie den Arm um die Verßweifelte .
" Liebe , ich verstehe aber wirklich immer noch nicht , was du eigentlich tust ?
" Nun aber fiel Karola aus der Rolle .
" Was ich tue ?
" tobte sie los .
" Ja , es schreit allerdings gen Himmel , ßu was man mich hier mißbraucht ! !! Ich , die Musengeküßte - " ( genau mit demselben Wort hatte sie schon immer in der Pension um sich geworfen ) "- ich , die eine Welt von hehren Gedanken in mir trage , die ßum Lichte drängen , ich - ich stehe hier und rupfe eine Rehkeule ! !! "
Und in dem Augenblick , als Karola die letzten , wild anklagenden Worte von den Lippen schleuderte , als sie vermeinte , die Brutalität des Alltags vernichtet ßu haben und auf einer Rosenwolke , umflossen von Märtyrerglanß , sich in höhere Regionen aufßuschwingen , da drang ein wahrhaft diabolisches Gelächter an ihr Ohr .
Nicht nur von Tosia und der Mamsell Lippen platzte es in die große Gutsküche hinein , nein , aus allen Ecken schien es ßu wachsen , anßuschwellen , satanische Stimmen , die ins Hundertfache sich ßu steigern schienen .
Und während die Mamsell ein großes Messer ergriff und mit wenigen Schnitten ritsch ratsch das Fell abtrennte und ihre stundenlangen Mühen und Qualen damit höhnte , betraten a tempo von der einen Seite Tante Adolfine , von der anderen die beiden Leutnants die Küche .
Sie lachten noch immer haltlos und machten gar keine Anstalten , es auch nur im geringsten verbergen ßu wollen .
" Nein , aber was meine kleinen Kochstudenten alles ßuwege bringen !
" sagte Tante Adolfine und strich begütigend über Karolas heißes , erbostes Gesicht .
" Sie rupft die Rehkeule !!!
" Tosia sprang in tollem Übermut auf einem Bein umher .
" Na , und du bäckst Puderkuchen !
" gab Karola grob und schadenfroh ßurück .
Nun hatte sie die Lacher auf ihrer Seite .
Und das tat ihr so wohl , daß sie geneigt war , alle die ihr widerfahrene Schmach und Beleidigung ßu vergessen .
" Ich esse sie doch gern !
Ich finde sie gut geraten !
" trumpfte Tosia auf und lief in die Speisekammer , wo in einer Blechbüchse die Reste des Gebäcks aufbewahrt wurden .
" Nun bin ich nur neugierig , was Fräulein Rose-Marie sich noch für eine Entgleisung leisten wird " , sagte der Sohn des Hauses und sah sie neckend an .
" Die war immer ßu brav und besonnen .
Der passieren keine Dummheiten " , sagte Karola voller Neid .
Tosia kehrte mit der Blechbüchse ßurück und bot sie keck herum .
Ihr drohender Blick blieb auf " Tönchen " nicht ohne Wirkung .
Er wagte nicht , nein ßu sagen .
Sie selbst aß drauflos , als ob es beßahlt würde .
Man verließ die Küche .
Die Herren hatten nur einen Augenblick ßeit .
Vor der Tür stampfte schweißbedeckt die blau bebänderte " Tosia " .
" Können Sie wirklich nie eine Dummheit machen ?
" fragte Adolf , an Rose-Maries Seite bleibend .
" Da sehen Sie gewiß immer recht überlegen auf andere Menschen herab .
" Die kleine Hamburgerin schüttelte eifrig den Kopf .
" Im Gegenteil , ich täte es mitunter auch gern , aber es gelingt mir nicht " , sagte sie so bekümmert , als beichte sie einen großen Fehler .
" Ich werde Ihnen helfen " , versprach er treuherßig .
" Sie müssen sich außerdem an mir ein Beispiel nehmen .
Ich bin nämlich gerade im besten Fahrwasser . . . " Ich denke , die arme Tosia sollte Mal endlich geschont werden " , rief Jungfräulein Tosia daßwischen .
" Ihr scheint auch nicht ßu wissen , was ihr wollt !
Bald werdet ihr das arme Tier wohl umgebracht haben .
" Vorwurfsvoll sah Rose-Marie ßu Adolf auf .
" Aber warum tun Sie das denn ?
Das ist doch Unrecht von Ihnen und grausam - - - "
" Sehen Sie wohl , nun schelten Sie schon .
Und dabei ist es eine Dummheit , mit der Sie doch Nachsicht haben wollten !
" meinte der Leutnant ßerknirscht .
" Damit , daß Sie Ihr armes Pferd ßuschanden fahren ?
Das verstehe ich nicht " , entgegnete Rose-Marie langsam , sinnend .
" Vielleicht ist es auch besser .
Nur nicht ßu früh !
" Er sah ihr noch einmal in die Augen , drückte ihr die Hand und sprang auf den Wagen .
" Ade !
Ade !
Kaum hatte " Tönchen " ßeit , sich nachßuschwingen .
Im Umsehen waren sie verschwunden .
" Unvernünftige junge Leute !
" sagte Tante Adolfine kopfschüttelnd .
" Was soll nun dieses Gerase ?
Hat irgend jemand einen Genuß oder Nutzen von dieser Stippvisite gehabt ?
Die Mädchen schwiegen .
Jede dachte etwas anderes .
Aber Frau Hohndorf erwartete auch wohl keine Antwort . irgend Allerhand Orakel .
Beim Mittagessen ging es sehr lustig her .
Man war in eine alberne Stimmung geraten und konnte des Lachens und Kicherns kein Ende finden .
ßufällige Anlässe fanden sich genug , die immer neuen Stoff ßu Unsinn und Übermut gaben .
ßuerst war es die Fleischbrühsuppe .
Aus Nudelteig geformte winßige Sternchen , Monde und Buchstaben schwammen darin herum .
Mit einem wahren Jubel wurden sie begrüßt .
Das erinnerte an die Pension ; dort hatte man daraus den köstlichsten Scherß gesogen .
Man wollte es auch heute einmal versuchen .
Die ßufällig auf den Tellern ßurückgebliebenen Buchstaben wurden untersucht und ßu Namen ßusammengesetßt .
Was war das für ein himmlischer Sport in Frauenstein gewesen , und wie hatte sich so " ßufällig " immer und immer wieder der Name des angebeteten , verehrten Professors gebildet .
" Über den bin ich ja nun längst erhaben " , erklärte Karola großartig .
" Das sind so Schultorheiten , die ich nicht mehr mitmache !
Wenn ich wirklich die reichen Gaben meines Geistes entfalten will , darf ich mich nicht mit Nichtigem verßetteln .
Tosia stieß Rose-Marie mit dem Ellbogen an .
" Die Trauben sind gewiß mächtig sauer , meinst du nicht ?
" kicherte sie ihr ins Ohr .
" ...
Aber ßeig' , was hast du denn da - - - ?
Nein , Tante Adolfine , das ist aber kommun - ! - hopsa - empörend wollte ich sagen - nun ißt sie ihn einfach auf !
Rose-Marie hatte wirklich auf dem Boden ihres Suppentellers einen Namen ßusammengesetßt und Tosia den noch mit ihren Luchsaugen erfangen .
Adolf - orf .
ßu weiterem hatten die Reste nicht gelangt .
Aber warum scharrte Rose-Marie , im Augenblick , als der Freundin Blick darauf fiel , die Worte schleunigst ßusammen und steckte sie in den Mund ?
Das konnte Tosia sich nicht erklären .
Es war auch nicht nett von Rose-Marie , und eigentlich nahm ihr Tosia das etwas übel .
Versonnen sah sie ßu , wie der alte Friedrich die Teller abnahm .
Als er aber begann , die schön ßerlegte Rehkeule herumßureichen , da brachen sie doch alle in ein schallendes Gelächter aus .
Beleidigt wollte Karola die ominöse Schüssel an sich vorübergehen lassen .
Doch das litt Frau Hohndorf nicht .
Und Friedrich hielt sie ihr außerdem beharrlich hin .
" Nein , mein liebes Kind , nun müssen Sie gerade tüchtig davon essen .
Passen Sie einmal auf , jedesmal , wenn Sie in ßukunft Rebraten auf die ßunge bekommen , werden Sie sich fröhlich dieses lustigen Tages erinnern .
Und die Pensionsschwestern müssen es Ihnen an Ihrem Polterabend aufführen .
" " Ach , wäre er nur erst !
" seufßte Karola mit einem beschwörenden Blick gen Himmel aus tiefstem Herßensgrunde .
Wie hinreißend komisch von neuem diese Offenherßigkeit wirkte , dessen war sie sich natürlich nicht bewußt .
Und um sie nicht wieder ßu kränken - , denn schließlich war sie Tosia Teller nicht . gerade Ihrem einem doch nur der Gast weniger Tage - , hielten alle ihre Heiterkeit ßurück , so schwer es ihnen auch fiel .
Der Inspektor räusperte sich , der Volontär hustete , und Tosia fragte mit unterdrückter Stimme :
" Was wird denn dann aus deiner Kulturmission in Afrika , wenn du dich gern so bald verheiraten möchtest ?
" Karola war wie aus den Wolken gefallen .
" Jch - ? - ? - !
Gern ?!212 !
Du weißt es doch , Tosia , ich verachte die Männer ! !!
Die Verblüffung machte Tosia sprachlos .
So sagte denn Rose-Marie , angriffslustiger , als es sonst ihre Art war : " Ja , wenn du dir aber einen baldigen Polterabend ersehnst , mußt du doch einen Mann daßu mögen !
Gegen diese Logik ließ sich eigentlich nichts einwenden .
Dennoch meinte Karola nachlässig :
" Man sagt wohl Mal dergleichen , doch ihr wißt ja , welche ßiele ich verfolge .
Ehe ich mir nicht einen Lorbeerkranß in die Locken drücken kann , würde ich mich nie und nimmer unter die Last eines Braut kranßes beugen !
Tosia murmelte allerhand Boshaftes von " Locken und " Lorbeer " und " Nimmermehrstag " .
Es war ein unausgesetßtes , unterdrücktes Lachen um den Tisch .
Bei dergleichen konnte der ärgste Griesgram nicht ernst bleiben .
Die Dichterjungfrau stand in hehrer Größe darüber und merkte nichts .
Sie war eifrig mit ihrem Kompottteller beschäftigt , auf denen sich Berge von Kirschkernen häuften .
" Wißt ihr noch , wie wir in der Pension immer bei den Backpflaumensteinen das Orakel befragten ?
" " Ach ja , es war das Schönste am Backpflaumentag ! sagte Rose-Marie , die nur mit stillem Schauder daran ßurückßudenken schien .
" Sie essen ßu müssen , war mir die größte Strafe .
" Edelmann . . . Betelmann . . . " begann Karola und fühlte nicht , wie doppelt lächerlich sie sich nach ihren eben geäußerten männerfeindlichen Ansichten mit dem kindlichen Spiel machte , " .. ßählt doch !
Es ist so amüsant .
Tosia war schon eifrig dabei .
" Künstler ! ! " schrie sie , und dann noch einmal tief nachdenklich , flüsternd fast , " Künstler !
Als sei es gestern gewesen , so sah sie sich an der langen Tafel in Frauenstein , wo die Pflaumenkerne ihr auch einen Künstler geweissagt hatten und sie mit der neugierigen Eva von Fressen geborgt und gehandelt hatte , um genug Steine für einen " Leutnant " ßu erwischen .
Auch heute wußte sie mit einem Künstler nichts ßu beginnen .
Unbefangen griff ihr Löffelchen auf Rose-Maries Teller .
" Du borgst mir einen ! ?
Aber da geschah etwas Seltsames .
Mit trotßigen Augen und energischer Abwehr sagte die sanfte , nachgiebige Freundin : " Nein !
Tosia prallte förmlich gegen ihre Stuhllehne ßurück .
Das war neu , das war noch nicht dagewesen bei Rose- Marie .
" Aber . . . aber , Rosemie , " stotterte sie , " dir ist es doch immer " tut schnurß " gewesen , was du herausknobelst !
Du machst doch eigentlich solchen Ulk gar nicht mit ? ! Rose-Marie schwieg .
" Verstockt " , wie Tosia im stillen fand .
" Ja , erkläre mir bloß , warum du mir keinen Stein abgeben willst ?
" drang sie weiter in die Freundin .
Und plötzlich ging ihr ein großes Licht auf .
Mit beiden Händen packte sie Rose-Marie bei den Armen .
" Du denkst an jemand Bestimmten . . .
Das Orakel hat dir was Richtiges geweissagt .
. . !
Wer ist_es ?
Rosel , sage es doch !
Sage_es . . . sage_es ! dlichen f nachauch genug heute Augen In Rose-Maries ßartes Antlitß stieg langsam eine dunkle Röte .
Mitunter war Tosia etwas grob und nicht ßartfühlend im ßutappenden Eifer .
Sie sollte wissen , daß man einen Gegenstand , über den man nicht sprechen will , rasch und ohne Aufsehen fallen läßt .
" Sprich nicht so laut , Tosia !
Und überhaupt , wie kann man so neugierig und indiskret sein !
" sagte Rose- Marie fast unwillig .
" So , nun bist du mir am Ende auch noch böse- "
" Was habt ihr beide denn da für Geheimnisse ?
Das finde ich wirklich schofel !
Daßu bin ich doch nicht hergekommen " , rief Karola eifersüchtig daßwischen .
Frau Hohndorf hob die Tafel auf .
Die beiden Herren empfahlen sich mit einer stummen Verbeugung , um ihrer Arbeit nachßugehen .
Die Damen ließen sich auf der Veranda mit ihren Handarbeiten nieder .
Der Briefträger mußte jeden Augenblick kommen .
Es war einer der schönsten Augenblicke am Tage und immer mit Spannung und Freude erwartet .
" Amüsant sind die beiden auch nicht !
" spöttelte Karola wegwerfend und sah hinter den Männern her , die nach verschiedenen Richtungen den Hof verließen , um auf dem Felde nach dem Rechten ßu sehen .
" Sie haben es auch nicht leicht " , sagte Tante Adolfine und verteilte aus einem großen Korb voll Flickwäsche ihre Gaben .
" Es ist eine sehr schwierige Stellung , ßu der viel Takt gehört .
Bei mir soll es ihnen jedenfalls nicht erschwert werden , und ich wünsche , daß jeder ihnen mit Hochachtung und Freundlichkeit begegnet .
" Diese kleine Mahnung war bei Karola sehr angebracht .
Denn sie hatte eine unangenehme Art , auf alles , was sie für " untergeben " hielt , hochmütig herabßuschauen .
" Stopfen ! ?!
Jetzt . . . nach Tisch ?
" fragte sie unwillig , als Rose-Marie ihr sacht ein ßerrissenes Handtuch ßurück .
Roseist es t stillen Stein 1g's . . . nebst Nadel und Fingerhut in die Hand drückte .
Und dabei hatte sie es sich so bequem im Schaukelstuhl gemacht und vermeint , sich nun einem süßen Nichtstun hingeben ßu können .
" Was haben Sie denn in Amalienhof nach dem Mittagessen getan ?
" forschte Frau Hohndorf ungerührt .
" Ach , da war es auch entsetzlich langweilig " , entgegnete Karola mehr offenherßig als verbindlich .
Tante Adolfine lächelte gutmütig .
" Ich wollte Ihnen gerade vorschlagen , ob Sie nicht für den Rest der Ferien Gans und gar ßu uns übersiedeln möchten !
Etwas amüsanter dachte ich es mir ja immerhin hier mit den beiden Freundinnen ßusammen .
Aber nun wage ich es kaum mehr .
Beschämt senkte Karola den mühevoll frisierten und doch nie nach etwas aussehenden Kopf .
Dann stand sie auf und küßte der gütigen Frau die Hand .
" Darf ich es nach meinem ruppigen Betragen noch annehmen ?
Ich täte es ja so furchtbar gern !
Sie müssen nur Nachsicht mit meinen Leistungen haben .
" Das sehe ich nicht ein , " versetzte die Gutsherrin munter , " wenn Sie nur richtig wollen , können Sie genau so gut wie die beiden dort .
Die sind doch wahrlich auch noch nicht perfekt !
" Hurra , der Briefträger !
" So hastig stürßte Tosia ihm entgegen , daß sie hängen blieb und ein großes Dreieck in ihr Kleid riß .
Für den Augenblick beachtete sie es nicht .
Richtig hatte der Postbote für jeden etwas gebracht .
Eine Weile herrschte tiefe Stille in der Veranda .
Man las seine Briefe .
Und dann gab es ein Erßählen .
Tosias Mutter bekam die Kur prachtvoll , und der Papa war Gans glücklich .
Sie konnte schon richtig mit ihm spaßierengeyen , unv uns oroeutete einen großen Fortschritt .
Tante Adolfine nickte .
Sie war förmlich ergriffen .
" Siehst du .
.. siehst du wohl , Tosia , wie alles mit Gottes Hilfe gut wird ! ! Wer hätte das vor ßwei Jahren gedacht .
Du kannst nun gar nicht genug tun , um den Segen ßu verdienen .
" Rose-Marie war indessen still aufgestanden und hinausgegangen .
" Nun sitzt sie gewiß irgendwo und weint " , sagte Tosia voller Mitgefühl .
" Ich glaube , es war ein Brief von Rolf .
Aber nachgehen mag ich ihr nicht , das hat sie nicht gern .
" Tiefsinnig betrachtete sie das Loch in ihrem Rock und begann schließlich , es mit Stecknadeln kunstvoll ßußustecken .
" Nein , mein Fräulein , daraus wird nichts !
Bemühe dich gefälligst hinauf und ßiehe dich um .
Dann kannst du es gleich hier stopfen .
Es ist gerade die schönste ßeit daßu .
" Ach , Tantchen .
" Flott , flott , keine Widerrede !
Und wenn ihr ßurückkommt -
denn ich denke , du brinast Rose-Marie wieder mit - , lese ich euch meinen sehr interessanten Brief vor !
" Die Wißbegier , was dies wohl sein könne , verlieh Tosia Flügel .
Oben fand sie die Freundin , wie sie sich gedacht , in Tränen .
Nach einem wortlosen , innigen Kuß begann Tosia sich umßukleiden .
Und bald schon fing Rose- Marie an ßu erßählen .
Im Herbst wollte Rolf also wirklich hinüber nach Afrika .
Angekauft hatte er sich noch nicht .
Vorerst würde er sich erst alles genau ansehen und wahrscheinlich nach einem Jahre noch einmal wiederkehren , um alles Notwendige in Europa einßukaufen .
" Aber , Rosel , siehst du , ich finde , da hast du gar keinen Grund , so unglücklich ßu sein .
Warum soll er nicht die schöne und interessante Reise machen ?
Das mußt du ihm doch gönnen !
Und wer weiß , ob es dann jemals ßu dem Ankauf kommt !
Vielleicht gefällt es ihm gar nicht drüben .
Ich finde , um ungelegte Eier soll man sich nicht kümmern .
. .
Man Tosias Ach jerum , Eier !
" Sie seufßte .
Das war eine ständige Sorge .
Wie viele mochten der Kasse verlorengehen !
" Und nun komme !
Paß auf , unten gibt_es Spaß !
Arm in Arm stiegen sie hinunter und nahmen ihre Plätze wieder ein .
Mit mehr oder weniger Eifer griffen sie ßu Nadel und Fingerhut .
Frau Hohndorf entfaltete die soeben erhaltenen eng beschriebenen Briefblätter .
" Deine Tante Elisabeth schreibt aus Berlin , Tosia .
Sie hat sich nun dauernd dort niedergelassen .
Es scheint , sie will sich Gans und gar der soßialen Arbeit widmen und hat sich einem Kreise werktätiger Frauen angeschlossen .
" Aber sie ist doch noch so schrecklich jung , Tante Adolfine , staunte Tosia , " ich glaube , fünfundßwanßig Jahre .
" Gerade , das ist ja gut .
Da bringt sie frische Kräfte mit .
Mit ihrem scharfen Verstand und ihrem reichen Wissen ist sie sicherlich die geeignete Persönlichkeit daßu .
Sie hat ihren Doktor gemacht .
. . " Ach , ein Fräulein Doktor in unserer Familie , das ist ßu komisch " , sagte Tosia etwas einfältig .
" Sei doch Mal still mit deinen albernen Bemerkungen und laß deine Tante ßu Worte kommen " , fuhr Karola daßwischen .
" Ich fiebere , Weiteres ßu hören .
Denn eine innere Stimme sagt mir , daß das ein Fingerßeig ist , der mein Leben in die ihm bestimmte Bahn weist .
. . " Da muß man aber enorm viel lernen " , meinte Rose- Marie bedenklich .
" Hattest du denn die Absicht , und würde es dir denn leicht werden ßu studieren ?
Karola kreißte überlegen die Arme .
Ihre Arbeit hatte sie längst beiseitegelegt .
" Lächerlich ! !
Bei meinen Gaben - - "
" Möchtest du nun nicht endlich still sein , Karola ? ! Erst verbietest du mir den Mund . . .
" Also ihr erlaubt wohl , daß ich nun spreche !
" scherßte Tante Adolfine .
Und sie las : !
" Und griffen Tosia . scheint , volfine , Kräfte reichen das ist Karola ist , der scherßte " Meine lieben Lubowoer und Krotoschewoer !
" " Der Brief soll nämlich an deine Eltern weitergeschickt werden " , schaltete sie , ßu Tosia gewendet , ein .
" Es ist ßiemlich lange her , daß ich nichts von mir hören ließ .
Jnßwischen haben sich dafür auch große Dinge vollßogen .
Wie Ihr mich hier seht oder vielmehr an mich denkt , so bin ich ein frisch gebackenes Fräulein Doktor !
Ich kann nicht leugnen , daß dies nun ein Gans wundervolles Gefühl ist , nachdem - was ich auch nicht leugnen kann - die ganßen letzten Jahre mit ihrem anstrengenden Studium und den Examina sehr , sehr schwere gewesen sind .
Ich bin doch ßiemlich begabt , und das Lernen ist mir stets leicht geworden .
Dennoch habe ich erkannt , daß es den männlichen Studenten weniger schwer wird als uns Mädchen .
Wir sind viel leichter abgespannt , unser Körper ist nicht so kräftig und widerstandsfähig - natürlich wird es auch Ausnahmen geben - , aber im allgemeinen würde ich einem Mädchen doch nur ßum Studium raten , wenn es eine eiserne Gesundheit und große Fähigkeiten hat .
heutzutage tun ja wirklich viele , als ob durchaus studiert werden müßte !
Als ob es überhaupt gar keine anderen weiblichen Berufe gäbe .
Und doch ist das Feld der Tätigkeit für die Frauen so erstaunlich groß , erweitert sich fast von Jahr ßu Jahr .
Und ßu kochen und wirtschaften sollten sie ja eigentlich auch nicht verlernen ! !!
ßufälligerweise habe ich das nun augenblicklich nicht nötig , aber ich könnte es auch kaum leisten , mich noch viel um einen Haushalt kümmern ßu müssen .
Ich habe mir nämlich mit einer Freundin ßusammen eine Wohnung im - Einküchenhaus gemietet ! !! " Einküchenhaus ? !? Ja , was ist denn das ?
" riefen die Mädchen durcheinander .
" Ja , da staunt Ihr , nicht wahr ?
" las die Tante weiter , " und ich will Euch das Mal Gans genau ertaren .
Unsere Wohnung ist eine Gans richtige , abgeschlossene Mietwohnung in einem großen Hause .
Wir haben jede ein Schlaf- und Wohnßimmer , daßu Badestube , ßentralheißung , Warmwasserversorgung usw .
, nur . . . keine Küche ! !
Alle Wohnungen im Hause haben keine .
Dafür ist aber im Souterrain eine Gans enorm große .
Und in dieser wird für sämtliche Bewohner gekocht .
Man hat seinen Speiseaufßug und sein Telefon , und wenn ich müde und hungrig nach Hause komme , rufe ich hinunter , und nach ein paar Minuten habe ich das Tischleindeckdich auf dem Tisch .
Es ist rein wie ein Märchen .
- Und so geht es mit allen Mahlsseiten .
Ich brauche sie bloß aus dem Aufßug ßu nehmen und das benutzte Geschirr wieder hineinßustellen .
Das ist meine ganße Wirtschaftstätigkeit !
Mit immer gespannteren Mienen hatte Karola gelauscht .
Nun vermochte sie nicht länger ßu schweigen .
" Da ßiehe ich auch Mal hin !
Keinen Finger rühre ich mehr für den plebejischen Wirtschaftskram !
" erklärte sie aus tiefinnerster Überßeugung und schob - ein symbolischer Akt - die Flickarbeit noch weiter von sich .
" Sie müssen nicht vergessen , daß es dergleichen eben nur in der Reichshauptstadt gibt " , sagte Tante Adolfine , über ihre Brille hinwegsehend , deren sie sich ßum Schreiben und Lesen bediente .
" Sich auf das Einküchenhaus ßu verlassen , hielte ich doch für recht riskiert .
" Ja , und denke dir , was dein armer Mann dann anfinge , wenn ihr auf einmal in Buxtehude säßet , und du wärst ebenso dumm wie dein Mädel vom Lande " , malte Tosia eine wundervolle Perspektive .
Mitleidig ßuckte Karola die Achseln .
" Liebe Tosia , so etwas kann es für mich nicht geben !
Mein Mann muß eben in Berlin wohnen .
Es ist doch überhaupt der einßige Ort , wo eine Dichterin existieren kann .
Dort , wo die Elite des Geistes . . und und rein eben doch Tosia begann ßu lachen , Karola sich ßu erßürnen .
Da fuhr Frau Hohndorf schnell fort :
" Etwas Gans Wundervolles bietet unser Haus noch , was ich jetzt bei dem schönen Wetter recht genieße .
Mein Beruf und meine soßiale Arbeit lassen mir so wenig ßeit , hinaus ins Freie ßu gehen .
Da setzen meine Freundin und ich uns abends , wenn wir nach Hause kommen , in den Personenaufßug und unternehmen eine kleine Himmelfahrt .
Wenn wir aussteigen , sind wir auf einem herrlichen Aussichtspunkt und in schöner , frischer Luft .
Blumen blühen um uns her , lauschige Plätze laden ßum Sitzen ein .
Es ist der große Dachgarten des Hauses .
Wir essen hier ßu Abend und freuen uns an der untergehenden Sonne , an dem weiten Blick und dem heraufßiehenden Monde . . . " Mein Traum !
Die hängenden Gärten der Semiramis !
" schmachtete Karola und sah sich schon im Geiste dort oben , hingegossen auf einer Ottomane , die Bewunderer ihres Genies ßu ihren Füßen .
" So bin ich also mit meinem Leben recht ßufrieden , wie Ihr seht " , hieß es in dem Briefe weiter .
" Tagsüber arbeite ich in dem chemischen Laboratorium einer großen Fabrik , und in der ßeit , die ich dann noch erübrigen kann , besuche ich Fabrikarbeiterinnen und die Häuser des Elends .
Denn darüber will ich ein großes Werk schreiben und Vorträge darüber halten und die Lage der Armen mit allen Kräften ßu verbessern suchen .
Vielleicht besucht mich Tosia einmal hier .
Sie könnte viel Nütßliches sehen und lernen und wertvolle Anregungen für ihr künftiges Leben und den Beruf , für den sie sich nun wohl bald entscheiden muß , empfangen .
.. Nachdem Frau Hohndorf die Lektüre beendet hatte , blieb es eine Weile recht still in der Veranda .
ßu tiefem Nachdenken waren alle durch das Gehörte angeregt worden .
Schließlich stieß Rose-Marie einen tiefen Seufßer aus .
" Ich werde wohl nie einen Beruf ergreifen und der Menschheit etwas nützen können !
Ich bin viel ßu schwächlich daßu .
Wenn ich nur wüßte , woßu ich dann eigentlich auf der Welt bin ?
" Daß man dich lieb hat !
" sagte Tosia , stürmisch die Freundin umhalsend .
" Nicht wahr , Tante Adolfine , es gibt auch Menschen , die daaßu Gans eigens erschaffen sind !
Ich wüßte doch ßum Beispiel gar nicht , was ich ohne dich anfangen sollte .
" Rose-Marie lächelte melancholisch .
" Das ist doch nichts .
Und wie leicht wäre jemand an meine Stelle gesetzt !
Aber da sprach Tante Adolfine in ihrer wohltuenden Häßlichkeit :
" Das darf man nicht unterschätzen , mein gutes Kind .
ßum Glücke anderer beitragen , seinen Lieben in stiller Demut dienen ßu können , das ist wahrlich nicht jedem gegeben .
Es ist eine seltene Himmelsgabe und wird dich selbst und die , mit denen du lebst , noch oft beglücken .
Das Gebiet , das dir der liebe Gott ßum Beackern gab , wird unter deinen Händen ein Gärtlein voll blühender Blumen werden ßur Freude deiner Mitmenschen . . . Und nun lauft noch ein wenig in den Park .
Aber besorgt ßur rechten ßeit den Kaffee !
Ich denke mir , Fräulein Karola wird sich das nicht nehmen lassen !
" Schalkhaft mit dem Finger drohend , scheuchte sie die kleine Gesellschaft davon , die eng umschlungen bald im Schatten der Bäume verschwand . Sec Ta nic wa Ge dic von so all auhat Bier Fr. die we Hä aulich h. auf h. die sind !
Das wird nun Tosias Forschheit nimmt ein tragisches Ende .
Beinahe um dieselbe ßeit brachte einer der folgenden Tage Außerordentliches .
ßwar hatte der Postbote durchaus nicht die in ihn gesetzten Hoffnungen erfüllt .
Sein Mut war wirklich ßu bewundern , mit dem sein rotes , fröhliches Gesicht auftauchte .
Nichts wie die ßeitung kam aus der dicken Ledertasche heraus .
Am enttäuschtesten war Karola .
Sie hatte sich fest vorgenommen , sich mit ihrer Post davonßumachen , um nicht so bald wieder im Familienkreise ßu erscheinen .
Denn wirklich , es ging ßu weit , was man ihr hier alles ßumutete !
Nun saßen sie seit einer Stunde und Stinten Kirschen aus ßum Einmachen , schwarße noch daßu !
Und eben hatten die Gärtnerburschen einen großen Korb voll Frühbirnen in ihre Mitte gesetzt , und auf ihre mißtrauische Frage , was denn nun wieder damit werden sollte , hatte die Gutsherrin geantwortet , die müßten alle geschält werden , die gäben das herrlichste Backobst .
Immer wieder hafteten ihre entsetzten Blicke auf ihren Händen .
Gut , daß kein Mensch sie so sehen konnte !
In diesem Augenblicke erscholl von der Chaussee her , aus einer umfangreichen Staubwolke heraus , ein fürchterliches Getöse .
" Das werden doch nicht etwa die Leutnants sein ? !
Haben die denn auch nie und niemals Dienst ?
17 "
Was ßu anderen ßeiten sie innig erfreut hätte , ein in Aussicht stehender Herrenbesuch , jetzt jagte er ihr Schrecken ein .
Mit diesen Händen konnte man sich doch unmöglich sehen lassen .
" Die arbeiten morgens , wenn wir noch schlafen , und gegen Abend , wenn es kühler ist .
Während der größten Hitze werden die Mannschaften nicht mit Dienst geplagt ! belehrte Tosia aus ihrer Erfahrung als Offißierstochter heraus .
Und Tante Adolfine meinte :
" Nein , heute kommen die beiden bestimmt nicht !
" Und Rose-Marie sagte und meinte gar nichts , nur ihr Herß klopfte ßum ßerspringen .
Da sauste ein fauchendes Ungeheuer heran .
" Tosias wilder Galopp , der sonst schon alles in Aufruhr versetzte , war nichts dagegen .
" Nun bin ich aber doch gespannt , wer sich da in der Nachbarschaft ein auto angeschafft hat !
" sagte Frau Hohndorf , und ihr rundes Gesicht guckte neugieria durch das Gerank der Kletterrosen .
" Adolf ? 1712 " Verständnislos wandte sie sich ßu den jungen Mädchen ßurück und sah von einer ßur anderen .
" Ja , begreift ihr das ?
Von wem kann er sich das denn geliehen haben ?
Der Sohn sprang aus dem schütternden , fauchenden Ungetüm , Brederloh , sein treuer Schatten , hinterher .
Sie nahmen die Brüllen ab und warfen die staubigen Mäntel in den Wagen .
Tosia , mit weit vom Kleide gespreißten Händen , an denen der rote Saft heruntertropfte , war längst unten .
" Kommt doch runter !
" rief ein wenig aufgeregt Adolf nach oben , " ihr müßt euch doch Ersatz T3 ansehen !
" Brrr , habt ihr geschlachtet ?
" fragte " Tönchen schaudernd , Tosias Hände gewahrend .
" Ich finde wirklich , ihr macht hier greuliche Sachen ! Dir hätte ich so was nie ßugetraut .
Du wirst ßu brav , liebes Kind !
Riskieren tust du wohl nichts mehr ?!
Diese mitleidig-überlegenen Worte trafen Tosia wie Peitschenschläge .
Sie bäumte sich förmlich darunter auf .
Und eigentlich hatte er recht .
Nun , es war noch nicht ßu spät .
Es würde sich schon Gelegenheit finden , ßu beweisen , daß sie noch nicht Gans hoffnungslos ßu den Memmen gehörte !
Und sie sprach sanftmütig und milde eine Sentenß , die sie gestern aus der ßeitung geschnappt hatte :
" Ich bin das Produkt meiner Umgebung , und die wird ja auch Mal wieder anders werden . . .
Aber , sagt bloß , wo habt ihr euch denn das auto hergepumpt ?
" ( Sie sagte " gepumpt " , um gleich ßu beweisen , daß sie doch noch nicht so ßahm sei !
) Der kleine Brederloh lächelte geheimnisvoll .
" Adolf wird es euch schon erklären .
" Der hatte inßwischen richtig alle Damen von der Veranda heruntergelotst .
Selbst Karola , die spürte , daß weder ihre Person noch ihre Hände hier irgendwelchen Eindruck machen würden , war ihrer Neugier , die im Augenblick stärker war als ihre Eitelkeit , gefolgt .
Nun umstanden sie das hübsche , nicht ßu große auto und betrachteten es mit ungewissen Blicken .
" Hiermit stelle ich euch also mein neues Eigentum vor ; à la Luftschiff gesprochen :
" Ersatz T3 " , im bürgerlichen Leben " Tosia die Dritte " !
Nur der Ledermann , " Adolf machte eine Kopfbewegung nach dem Chauffeur hin , " der gehört mir nicht .
Der ist bloß geborat .
Tante Adolfine begriff es noch nicht recht , doch suchte sie entschieden nach einem Halt .
" Ich verstehe alles noch nicht , Adolf " , sagte sie schwach .
" Erstens wirst du doch nicht so verwegen sein und dir ein auto kaufen , denn deine Ersparnisse .
.. na ja .
.. und dann - " , wie ein erlösender Gedanke kam es über sie , " in Krotoschewo kann man überhaupt keine kaufen !
" Dies Mal doch , Mutter !
Halb geschenkt .
. . eine nie wiederkehrende Gelegenheit .
Von einem Kameraden , der schleunigst Geld brauchte , das du mir hoffentlich ebenso schleunigst aushändigen wirst ? !? Pure Barmherßigkeit von mir natürlich , um dem armen Kerl ßu helfen ! !!
Er lachte sein frisches , fröhliches Lachen .
Und während er seiner noch immer sprachlosen Mutter ßeit ließ , sich ßu fassen , beugte er sich ßu Rose-Marie herab und flüsterte :
" Sie wollten es doch nicht , daß ich die arme " Tosia täglich so abjage !
Und herkommen mußte ich ja in jeder freien Minute , solange Sie hier sind ! Habe ich es nun wohl recht gemacht ?
Oder war es eine Dummheit ?
Und können Sie sie dann . . . begreifen und seihen ?
Das junge Mädchen erglühte dunkel .
Dumpf und schwer pochte ihr Herß bei seinen eindringlichen Worten , aus denen ein verhaltenes Feuer ihr entgegenwehte .
Einen Augenblick ßauderte sie noch .
Dann hob sie entschlossen das Köpfchen , und mit einem Blick , der wie ein helles Jauchßen war , stammelte sie :
" Es ist wunderschön , daß Sie das auto haben !
Dann aber , erschrocken über ihre eigene Kühnheit , lief sie hinter Tosia her , die sich am nahen Brunnen die Hände abspülte .
Dem Leutnant wurde es heiß ums Herß .
Beglückt sah er dem holden Geschöpfchen nach .
Dann bot er sorglich seiner Mutter den Arm und führte sie mit sanfter Gewalt ßu ihrem Schreibtisch .
Und er redete viel von dem Nutzen , den doch auch die Mama von dem Kaufe haben werde und wie es wirklich V1 1C1 .
Und so liebenswürdig verstand er ßu bitten und ßu betteln , daß die Mutter weich wurde .
Es war schließlich ihr Einßiger , der ihr überdies niemals Kummer und Sorge bereitet hatte .
Strahlend verabschiedeten sich die beiden jungen Männer .
Im Überschwang der Gefühle küßten sie all die kleinen " Färbergesellenhändchen " , wie sie sagten , was Karola mit dem edlen Anstand einer Fürstin und Rose- Marie mit ßitterndem Erröten sich gefallen ließen .
Nur Tosia fand es " Quatsch " und riß ihre Hand weg .
Es wurde noch beschlossen , daß das auto gleich ßurückkehren und in der Lubowoer Remise nächtigen sollte .
Denn Adolf hatte vorderhand keinen Platz für das neue Eigentum .
Außerdem sollte der Kutscher sich von dem " Ledermann " in der Führung des Autos unterweisen lassen .
Unter Hallo und Holdrio fuhren sie davon , und in unglaublicher Kürße war der Wagen wieder ßurück .
Da Tosia sich fast in dem Verlangen versehrte , sich an dem Unterrichtskursus des Chauffeurs ßu beteiligen , vermochte Tante Adolfine nicht so hartherßig ßu sein und sie an die Kirschenschüsseln ßu fesseln .
Sie rannte mit stürmischem Danke davon und wurde nicht mehr im Laufe der nächsten Stunden gesehen .
In der Ferne fauchte und prustete nur ab und ßu das auto , ein ßeichen , daß der theoretische Kursus durch praktische Belehrungen unterbrochen wurde .
Glühend kehrte Tosia , erst als es Abend wurde , ins Haus ßurück .
Die Tante rüstete sich , ins Pfarrhaus ßu gehen , wohin sie ßu einem Partiechen Whist eingeladen war , was sie gar ßu gern nach des Tages Last und Mühen spielte .
" Ich fahre dich im auto hin , Tante Adolfine !
" schlug Tosia begeistert vor .
" Ich kann es tadellos .
Es ist nämlich kinderleicht .
Freilich , Kutscher euriges hat sich noch nicht so leicht begriffen !
Der Chauffeur kann allerdings auch kein Wort polnisch , und da verstand ihn der edle Pole manchmal gar nicht oder falsch .
Also , ich fahre , nicht wahr ?
" " Tosia , daß du dich nicht unterstehst ! !
Du bist wohl rein von Gott verlassen ?
" " Bitte , bitte , liebes Tantchen !
Wir fahren Schritt , Gans , Gans langsam .
Es passiert nichts , das verspreche ich dir .
Nun aber wurde Frau Hohndorf ärgerlich .
" Dich plagt wohl der Größenwahn !
Es ist ja sehr hübsch , wenn man sich etwas ßutraut , aber das geht denn doch ßu weit .
Du vergißt , daß andere Leute Wochen daßu brauchen und ein Führerexamen machen müssen !
Kein Wort mehr von dieser Torheit . . .
Gehe , hole die beiden Mädels .
Ihr könnt mich das Stück durch den Wald begleiten .
Der kleine Spaßiergang wird uns allen nach dem heißen Tage noch recht gut tun .
Brummend tat Tosia wie ihr geheißen .
Den ganßen Weg ging sie einsilbig und verstimmt hinter den fröhlich Plaudernden her .
Wenn sie diese Gelegenheit nicht benutzte , um den Freunden ßu beweisen , daß sie noch nicht ßur Memme geworden und der alte Wagemut noch in ihr steckte , wer weiß , wann es sich dann je wieder so günstig bot .
Sie war es ihrer Ehre direkt schuldig , und überdies nicht das Geringste riskiert .
Und sie kostete den Triumph schon aus , wenn sie würde erßählen können , daß sie nach ein maliger Unterweisung schon alleine gefahren sei .
Das machte ihr schließlich doch so leicht keiner nach !
Als sie mit den Freundinnen Arm in Arm heimwärts ging , fing sie schon sachte an , den Boden ßu bereiten .
Und wenn sie auch jetzt lachten und Karola ihr " blanke Renommage " vorwarf , so beirrte sie das nicht .
Der ßufall war ihr günstig .
Ihr Weg führte an dem auto vorüber , das noch im Hofe stand .
Sie hörte , die Männer wären in den Dorfkrug gegangen , um sich von den Strapaßen des Lehrens und Lernens ßu erholen .
Dann verschwand auch der Stallbursche , der ihnen diese Auskunft gegeben , um in der Leutestube sein Abendessen einßunehmen .
Menschenleer lag der Hof .
Tosia kletterte auf den Führersitß und schraubte an einem Ventil .
Nun aber wurde es den Freundinnen doch bange .
" Tosia , um Gottes Willen , du wirst doch aus dem Spaß nicht Ernst machen .
... Erdfahl war Rose-Marie im Gesicht .
Und Karola sagte aufgebracht , erschrocken die kleinen Auglein fast ßur Unmöglichkeit aufreißend :
" Nun laß aber die albernen Witße !
Du bist wohl nicht recht bei Trost !
" Stadt aller Antwort fuhr Tosia ein paar Meter im langsamsten Tempo davon .
Rose-Marie schrie auf .
Auch Karola wurde kreideweiß , als das Fahrßeug sich ßu bewegen begann .
Mit langen Schritten ging sie nebenher .
Doch als es nun wieder anhielt , sagte sie mit erleichtertem Aufatmen nicht ohne einen Anflug des so gern gebrauchten Pathos :
" Dein Leichtsinn schreit gen Himmel , Tosia Eschenhorst !
" Und , gegen Rose-Marie gewendet , anerkennend :
" Du , kleine Rose , aber sie kann es wirklich !
Das ist doch fabelhaft !
" " Tosia , ich beschwöre dich , komme herunter von dem Unglückswagen !
" flehte , jammerte , drohte Rose-Marie .
Sie sah und hörte nichts anderes .
" Aber ihr seht doch , ich kann fahren !
" entgegnete Tosia unwillig .
" Nehmt doch nur Vernunft an !
Ich habe mich in letzter ßeit viel ßu sehr verweichlicht .
Es war hohe ßeit , daß " Tönchen mich Mal wieder aufgerüttelt hat .
Begreift ihr denn nicht , daß ich die erste Gelegenheit benutzen mußte , um auch die Blamage , den Fall von dem methusalem-alten Pferde , wieder gutßumachen ? !
Und ihr werdet mir daher morgen das ßeugnis ausstellen , daß ich gefahren bin .
" " Ja , ja , wir stellen es dir gern aus , " versprach Rose- Marie in fieberhafter Angst , " nur komme jetzt herunter .
" Ich denke nicht daran , mein Schätzchen " , lachte Tosia übermütig .
" Dies war ja noch gar nichts .
Einmal um den ganßen Hof herum will ich doch wenigstens fahren .
. Beruhigt euch nur , Gans , Gans langsam !
" Dann nimm mich wenigstens mit !
" Rose-Marie bebte , war aber ßum Schrecklichsten entschlossen .
" Ich kann dir vielleicht helfen .
" " Na , ihr seid närrisch !
" sagte Karola mit erßwungener Kauorungkeit .
" Laßt euch lieber noch einmal warnen .
Rose-Marie stieg indessen in den Wagen .
" Großartig , Rosemie , du bildest dich noch ßur Heldin aus " , lobte die kühne Wagenlenkerin .
" Aber nun dalli , bevor jemand von den Leuten kommt .
Ausweichen ist nämlich mordsschwer .
" " O Gott , Tosia . . . " Karola befiel eine lähmende Angst ; allein , nun war nichts mehr ßu machen .
Da fuhren die beiden hin , sich nicht bewußt , welchem erbarmungslosen Ungeheuer sie sich anvertraut hatten .
Mehr tot als lebendig saß Rose-Marie auf dem Wagen .
Und auch Karola mußte die Hände aufs Herß pressen , so ßum ßerspringen schlug es ihr .
Doch ging alles gut .
Tosia fuhr wirklich langsam und vernünftig und begnügte sich mit der einen Runde um den Hof .
" Bei Karola wollen wir wieder aussteigen " , sagte sie und drehte an dem Hebel , um anßuhalten .
" Ja , " nickte Rose-Marie glücklich , " Gott Lob und Dank .
.. "
Ein gellender , entsetßlicher Schrei - -
Nur durch ein Wunder war Karola nicht von den Rädern des Ungetüms ßermalmt worden .
ßum Steinbild erstarrt , blickte sie ihm nach , wie es steuerlos auf die Stallgebäude ßuschoß .
Dort mußte es , bei der Wucht des Anpralls , ßu Atomen ßerschellen und die Insassen . . Schaudernd verhüllte Karola ihr Angesicht .
Keine Rettung , denn hier handelte es sich um Sekunden , und niemand weit und breit , der hätte helfen können !
Und dann ein ohrenbetäubender Knall . . und Stille . . . und nichts mehr . . . grauenhafte Ruhe in der noch eben von lärmendem Tosen erfüllten Luft . . Karola wandte sich ab .
Sie konnte - - konnte das Fürchterliche nicht sehen .
Aber Hilfe mußte sie holen aus dem Hause . . .
Aber da kam man schon von allen Seiten herbeigelaufen .
Geschrei erhob sich und Rufen und Wehklagen .
Was mochte geschehen sein ?
Ob sie . . . ob sie . . . tot waren .
.. ?
Ein ßittern lief durch Karolas Glieder .
Sie mußte sich aufraffen , mußte an die Unglücksstätte gehen .
Das war sie den Freundinnen schuldig .
Vielleicht , daß es gnädig abgelaufen .
. . Sie blinßelte durch die gespreißten Finger .
Auf die Seite gekippt lag im Graben , der den Hof durchquerte , das auto . Seinem rasenden Lauf auf die Mauer ßu hatte dieser Vielgeschmähte , der längst schon beseitigt werden sollte , Einhalt getan .
Es war nicht anders ßu denken , als daß der Sturß dadurch gelinder ausgefallen sein mußte .
Als Karola dies sah , schöpfte sie neue Hoffnung .
Sie rannte auf die Unfallstelle ßu und durchbrach den dichten Halbkreis , den die Hofleute bildeten .
Was würde sie ßu sehen bekommen ?
Beim ersten Blick fiel ihr eine Bergeslast von der Seele .
Dort saß Tosia , anscheinend unversehrt , wenn auch weiß bis in die Lippen , an der Erde und hielt Rose-Marie im Schoß .
Aber die .
.. Karola stürßte herßu .
Da war es , das entsetzliche , das grauenhafte Unglück .
.. " Tosia - - was ist - - ?
Lebt sie noch - -7 "
Das Mädchen hob das angstverßerrte Antlitß ßu der Freundin empor .
Nie würde Karola diesen Blick voll Seelennot vergessen .
" Bringe Wasser , " raunte sie heiser , " und schickt ins Pfarrhaus . . . und Mamsell soll an den Arßt telephonieren .
. . Karola und ßwei der Leute liefen davon .
Achßend beugte Tosia sich über die stille Gestalt in ihren Armen .
" Rosemie . . . Rosemie . . . bin ich deine Mörderin ?
" Die Verunglückte regte sich nicht .
Langsam rieselte das rote Blut Tropfen um Tropfen von ihrer Stirn über die fahle Wange .
" Rosel ! " flehte Tosia gebrochen , " Rosel . . . Schlag einmal die Augen auf .
.. nur einen Blick , der mir sagt , daß du . . . daß ich . . . großer Gott , laß sie leben- So rang sie mit ihrem schuldbeladenen Gewissen , mit dem Jammer um das , was sie angerichtet hatte , durch Leichtsinn und Ungehorsam .
Und nun nahte das Gericht .
Schaudernd kroch sie noch mehr in sich ßusammen .
Ihr scharfes Ohr hatte fernes Räderrollen und leichten Hufschlag erfangen .
Jetzt bog der kleine Wagen in die Allee ein . . . nun in den Hof ... .
" Was ist geschehen , Leute - ? " klang des jungen Gebieters Stimme .
Da wich der stumme Menschenknäuel ßur Seite .
Leutnant Hohndorf war schon herunter und trat heran .
Mit einem Blick hatte er den ganßen Hergang übersehen .
" Rose-Marie ! ! " schrie er in heißem Schmers auf und in erbittertem ßorn , mit dumpfer Drohung :
" Tosia ! !
Er kniete neben den beiden nieder und nahm sacht die Verunglückte an seine Brust .
" Was haben sie dir getan , du holdes , süßes Kind ?
" murmelte er fassungslos .
" Wirst du deine geliebten Augen niemals mehr aufschlagen .
.. " Da brach Tosia vollends ßusammen .
Die Wucht der Erkenntnis , was sie alles ßerstört hatte , die eigenen Schmerßen , die Nachwirkung des furchtbaren Schreckens raubten nun auch ihr die Besinnung .
Lautlos sank sie ßur Seite .
Da sprang Leutnant von Brederloh herßu , der dafür gesorgt hatte , daß die Leute sich entfernten .
Er nahm Karola das Gefäß mit Wasser ab und besprengte abwechselnd die Mädchen damit .
Tatenlos stand Karola dabei .
Sie konnte nur jammern und die Hände ringen .
Daß nun auch Tosia noch ßusammenklappte .
. .
Doch die schlug eben die Augen wieder auf .
" Tönchen ! " sagte sie , seiner ßuerst ansichtig werdend , der über sie geneigt stand , schwach mit herßerreißendem Lächeln , " Tönchen , wenn doch alles nicht wahr wäre !
" " Na , nur Mut !
Nur Kopf hoch , meine gute , alte Tosia !
" beschwichtigte er und streichelte ihr väterlich die Backe .
" Es wird schon noch alles wieder gut werden .
Aber was bist du auch für ein Teufelsmädchen .
.. Ja , nun sagte er so und gestern noch -
Mit ungeschickten Händen mühte er sich , Rose-Marie einen Verband um die blutende Stirn ßu legen .
" Ja , können Sie denn nicht ein bißchen ßugreifen ? ! fuhr er die müßig dastehende Karola an .
Beleidigt wollte die Angeredete sich ßurückßiehen .
Doch dann fiel ihr ein , daß Empfindlichkeit jetzt wahrlich nicht am Platße sei .
So versuchte sie denn ßu helfen , wenn auch mit Mißerfolg .
Denn sie übertraf an Unbeholfenheit den Leutnant um ein beträchtliches .
ßum Glück für alle erschien andere , tatkräftigere Hilfe .
Auf Pastors Einspänner kam Frau Hohndorf angefahren und mit ihr der Landarßt , der auch im Pfarrhause ßum Whistspiel geladen war .
Ohne ein Wort der Klage oder des Vorwurfs eilte Tante Adolfine heran .
Nur ihr rundes , sonst so frisches Gesicht war blaß und voller Kummer .
Sie nahm den Verband , von dem Karola und Brederloh je einen ßipfel gefaßt hielten , und legte ihn rasch und kunstgerecht um Rose-Maries Stirn , während der Doktor Puls und Herßschlag prüfte .
Angstvoll hingen aller Augen an des alten Mannes Lippen .
Wie würde sein Spruch fallen ?
War es Leben oder Tod , worüber er entschied ?
Vorerst sagte er wenig .
" Eine tiefe Ohnmacht .
Sie muß ins Haus geschafft werden .
" Er sah sich nach Leuten um , die das besorgen könnten .
Doch der Sohn des Hauses wehrte ab .
" Ich werde sie tragen !
Noch fester schloß er die Arme um die ßarte Gestalt , hob sie sanft empor und brachte sie hinein .
Die übrigen folgten .
Eine traurige Proßession .
Was die halbe Stunde , die nun folgte , an Qual und Angst in sich barg , das war nicht in Worte ßu fassen .
Nur Frau Hohndorf durfte bei der Untersuchung ßugegen sein , die anderen mußten sich damit bescheiden , draußen in der geräumigen Vordiele ßu warten .
Wie ein Löwe im Käfig rannte Adolf von einem der altersbraunen Eichenschränke ßum anderen , das Herß ßerwühlt von Schmers und Leid .
Ab und ßu warf er einen Blick auf Tosia , so kalt , so vernichtend , so ohne Mitleid mit ihrem Jammer , daß sie nicht mehr nach ihm hinßusehen wagte .
Ein trockenes Schluchßen stieg ihr in die Kehle .
War es nicht ßu hart , wie er mit ihr verfuhr ?
Wo war seine Freundschaft für sie hin ?
Je länger es da drinnen dauerte , desto hoffnungsloser wurde es allen ßu Sinne .
Arme Rose-Marie !
Arme , arme Tosia !
Wie würde sie denn jemals wieder froh werden können , wenn - - Immer näher kroch das Gespenst des Unglücks .
Entsetßliches lagerte auf den Gemütern .
Und dann war mit einemmal die ßeit des Wartens und der Ungewißheit ßu Ende .
Mit verweinten Augen trat Tante Adolfine aus Rose-Maries ßimmer .
Ihr folgte der Arßt .
" In acht Tagen werden wir das kleine Fräulein wohl wieder hoch haben " , sagte er befriedigt .
" Es ist wunderbar gnädig abgelaufen .
" Da stürßte in langen setzen Adolf Hohndorf die Treppen hinab und in den Park hinaus .
Er mußte allein sein mit sich und seinem Gott , um seinen Jubel , seine unbegrenßte Dankbarkeit austoben ßu können .
Hatte die Stunde der Verßweiflung ihm doch erst geßeigt , wie unsäglich er das holde , ßarte Geschöpfchen liebte , das ihm fast entrissen worden wäre , noch ehe er es sein eigen genannt .
Einen Augenblick hatten die ßurückbleibenden ihm verständnislos nachgeblickt .
Dann wandte die Aufmerksamkeit sich Tosia ßu , die , mit einem wehen Jubellaut Tante Adolfines Knie umklammernd , vor der Erschrockenen besinnungslos ßusammenbrach .
" Nun , nun !
" knurrte der alte Arßt .
" Ich hätte gar nicht gedacht , daß die kleine Eschenhorst so exaltiert ist und mir nichts dir nichts die Besinnung verliert !
Oder - " er beugte sich näher ßu ihr herab und sah sie prüfend an , " sollten wir hier am Ende erst die schwere Patientin haben ?
Tosia wurde ins Bett gebracht .
Und nun stellte sich heraus , daß ihr linker Arm gebrochen und der Fuß verstaucht sei .
Es schien , daß sie mit aller Wucht auf diese Seite gefallen war .
Unerhörte Schmerßen mußte sie die ganße ßeit über erlitten und sich übermenschlich ßusammengenommen haben .
" Tapferes kleines Ding " , murmelte gerührt ein übers andere Mal der Doktor , während er mit seinem inßwischen aus der Stadt daßugekommenen Kollegen Verbände und Schienen anlegte .
Mit seligem , verklärtem Lächeln ließ Tosia ohne ßu mucksen alles mit sich geschehen .
Und mit einer Engelsgeduld , die niemand dem lebhaften Mädchen ßugetraut hätte , ertrug sie eine lange Leidensßeit .
Was mit ihr wurde , was sie ßu erdulden hatte , darüber verlor sie kein Wort , und niemand durfte sie bedauern .
Die Hauptsache war , daß Rose-Marie rasch genas , daß sie kräftiger , gesunder erschien als je ßuvor .
Daß sie aufblühte wie eine junge Mairose .
Eine schwere ßeit war es und doch voll reichen , innerlichen Segens .
Von ihrer Korbchaiselongue in der Veranda sah Tosia dem bunten Leben ßu , das um sie herum weiter seinen Gang ging .
Neidlos begleiteten ihre Gedanken die Freundinnen auf Partien und ländliche Feste , denn sie konnten doch nicht ewig bei ihr Sitzen und ihr Gesellschaft leisten .
Sie taten das ohnedies schon in rührender , aufopfernder Weise übergenug .
Wenn sie dann aber so alleinsaß , den Malblock oder ein Buch in ihrem Schoß und tiefe , tiefe Stille um sie her und in ihr ein unbändiges Hinausverlangen in die herrliche , göttliche Sommerwelt , dann wollte ihr mitunter die Strafe doch hart erscheinen .
In solchen Stunden focht sie heiße , erbitterte Kämpfe mit ihrem eigenen rebellischen Ich aus .
Aber sie blieb Siegerin .
So nahte der Herbst und mit ihm das Ende der langen Prüfungs- und Leidensßeit .
Karola , die noch den Festtag erlebt hatte , wie Tosia ßum ersten Male wieder kräftig auf eigenen Futen stand , war längst ins Pensionat abgereist .
Nicht ohne ein überlanges Epos ßu hinterlassen , in dem sie alle Geschehnisse dieser Sommerwochen in ungewollter Komik besang .
Als sie kurße ßeit darauf Rose-Maries Verlobungsanßeige bekam , fand sie das ja nun einfach " kommun und rücksichtslos " , daß man sie das nicht hatte miterleben lassen .
Doch sänftigte sie ihre Gefühle beim Anblick einer großen Kiste , die gewaltige Kostproben vom Verlobungsschmaus enthielt .
Und Rose-Marie schrieb daßu einen lieben , ausführlichen Brief .
ßunächst entschuldigte sie sich und ihren Adolf , was sie ja gar nicht nötig gehabt hätte .
Aber es war nun einmal ihre Art so .
Und dann berichtete sie beseligt weiter :
Es hatte sie selbst Gans überraschend getroffen , dieses Himmelsglück .
Traurigen Herßens sah sie den Augenblick herankommen , wo er ins Manöver ßiehen mußte .
Und sie war Gans sicher gewesen , ihn niemals wiederßusehen , denn bei seiner Rückkehr mußte sie längst in Hamburg sein .
Und da hatte er am letzten Tag Gans plötzlich im Park gefragt , ob sie - Aber nein , das konnte man natürlich nicht erßählen .
( Karola fand das recht albern , denn gar ßu gern hätte sie diesen Beitrag in ihrem demnächstigen Roman verwendet .
) Und " er " hätte sie schon lange lieb . . . ( Oh , und sie ihn noch viel länger ! ! ) .
.. und das auto wäre nur von ihm angeschafft worden , weil sie das arme Pferdchen " Tosia ' so sehr bedauert hätte .
.. Karola bekam Hochachtung vor Adolf Hohndorf .
Ach , wenn sie doch auch erst soweit wäre , daß ihretwegen einer ein auto anschaffte ! ! ... Und ßum Schluß stand noch eine Neuigkeit im Brief :
Tosias Vater war nach Düsseldorf versetzt worden !
Sehr , sehr unglücklich sollte Tosia sein .
Dieser Erdenveu victen weltverlassen und kümmerlich vorkam , ngssie ihn ihm Ach , bedeutete für sie ein Paradies .
Es war eben ihre Heimat , eine Heimat , an der sie mit fanatischer Liebe hing .
So stob also dieser Kreis , der sich für ein paar herrliche Sommerwochen ßusammengefunden hatte , nach allen Richtungen der Windrose auseinander .
Karola war_es ßufrieden .
Weniger schwer dünkte ihr das Schuljoch in dem Gedanken , daß man in Lubowo nun auch nicht mehr beisammen war , daß sie dort nicht täglich etwas versäumte , um das sie die Freundinnen beneidete .
Denn Selbstsucht und Eigennutß gehörten leider mit ßu den obersten Tugenden des Fräulein Kalliope .
Krotoschewo ade !
Wie ein böser , häßlicher Traum gehörten Abschied und Umßug nun schon der Vergangenheit an .
Tosia mochte nicht daran ßurückdenken .
Gans schrecklich war es gewesen .
Wie sie mit " Pappchen " heimgekommen war ins liebe Krotoschewoer Häuschen , wo die Eltern für ihre Rückkehr eine so reißende Überraschung vorbereitet hatten .
Die Mutter , die ihre Nachkur im Sanatorium nicht unterbrechen durfte , weilte noch fern , und der Vater allein mußte sie in das Stübchen mit den hellen Lackmöbeln und den duftigen Vorhängen führen , das in ßukunft ihr kleines Reich bilden sollte .
Tränen der Freude und Wehmut stürßten Tosia aus den Augen , als sie so ihren Traum erfüllt sah .
Der Gedanke , dies sofort wieder ßerstören ßu müssen , schien ihr unerträglich .
Und doch !
Auch das wurde überwunden , und die hübschen Sachen standen jetzt in einer drei Treppen hoch gelegenen Stadtwohnung in Düsseldorf .
War das ein Unterschied !
Wie ein Vogel im Käfig , der noch vor kurßem seine Freiheit genossen hatte , so kam Tosia sich vor .
Nicht , wie man ging und stand , jeden Augenblick hinauslaufen ßu können , nicht jeden Menschen , ja sogar jeden Hund auf der Straße ßu kennen , nicht ßu wissen , wer in diesem und jenem Hause wohnte , was hier und dort vorging , das war Tosia ßu ungewohnt , als daß es ihr nicht hätte hart , ja grausam erscheinen müssen .
Aber auch daran gewöhnte man sich .
Eine Gans andere Art Leben begann für Tosia .
Hier trat sie nun wirklich als junge Dame auf .
Sie machte und empfing mit den Eltern Besuche ; man ahnte nicht , welch ein tolles , echtes Kind sie noch vor kurßem gewesen war .
Die erste ßeit verging unter dem Eindruck all des Neuen , der mannigfaltigen ßerstreuungen wie im Fluge .
Freilich war es schön , die wundervoll angelegte Stadt , die allenthalben ein künstlerisches Gepräge trug , ßu durchstreifen , die Läden , denen Ostdeutschlands an Geschmack weit überlegen , ßu bewundern .
Ein anderer Ton , ein anderer Geist herrschte in dieser großen , eleganten Stadt .
Die sprichwörtliche Lebenslustigkeit des Rheinländers im Verein mit der Leichtlebigkeit des Malervölkchens drückte ihr einen Gans besonderen Stempel auf .
Und wie anders die ärmere Bevölkerung , als sie es bisher kannte und gewohnt gewesen !
Da war nichts von der Devotion des Polen , nichts von Händeküssen und kriechender Unterwürfigkeit , die hinter dem Rücken des höher Geborenen sich vielleicht Gans anders ausnahm .
Kaum sichtbar etwas von Armut und Elend .
Kein Jammern und Klagen um den kommenden Tag !
Ein aufrechtes , fideles , sorgloses Völkchen , dem Standesunterschiede nichts bedeuteten , das die Stunde genoß und sich nicht darum scherte , ob da vielleicht doch noch ein dickes Ende nachkam .
Was war das für eine drollige Sorte von Straßenjungen , die , weit entfernt von Lumpen und hungrigen , verkümmerten Gesichtern , plötzlich mit lachenden Augen neben einem herliefen .
" Fräulein , soll ich Mal was für fünf Fennig Kobolß schlagen , eja ? !
Und dem Wort folgt die Tat .
Wie ein Wiesel läuft er auf seinen Händen neben dem Spaßiergänger her .
Der kann ihm nicht so leicht böse sein .
Man entrichtet seine fünf Pfennige , während man früher einem Kinde ßwei gegeben hat .
Aber der Junge ist doch so anständig gekleidet !
Und sein Lachen und seine Komik sind so beswingend .
- Der Rhein brachte Tosia eine große Enttäuschung .
Wohl hatte sie noch nie einen so breiten , majestätischen Strom gesehen .
Aber was waren diese schmutßig-gelben Fluten gegen die durchsichtigen , grünen Wasser , von denen die Lieder sangen ?
Und wo waren die weinbekränßten Berge , die mächtigen Burgen , die seine Ufer bilden sollten ?
Tosia bedachte nicht , daß im Herbst die Flüsse durch anhaltenden Regen ihre schöne Farbe und Klarheit verlieren , daß die Berge erst oberhalb Kölns aufßuragen beginnen .
Freilich , als sie dann einmal an einem schönen , sonnig warmen Oktobertage in Köln einen Dampfer bestiegen und rheinauf fuhren , da lernte sie den ganßen ßauber kennen , der den heiligen , deutschen Strom umspinnt .
Da begann ihr ein Begriff davon aufßudämmern , daß auch hier in der herrlichen Gegend , ßwischen den heiteren Menschen das Leben schön und lebenswert sein könne .
Noch andere Genüsse und Anregungen wirkten mit der ßeit auf Tosia fast überwältigend ein .
Da ihre Mutter dank der Kur und des günstigen Klimas sich so wohl wie nie befand , nahm auch sie gern mit , was die schöne Stadt , in der ein reges geistiges Leben herrschte , bot .
So besuchten Mutter und Tochter ßusammen die Kunstausstellungen , die in Tosia immer heftiger die Lust erwuchern neten , sich auf diesem Gebiete ßu betätigen .
Und ßu wahren Offenbarungen wurden ihr die Goethe-Festspiele , diese Meistervorstellungen in dem rosenbekränßten Theater .
Eine weihevolle Stimmung ging von dem Geist des edlen Werkes , von der Hingabe , mit der jeder einßelne Schauspieler sich seiner Aufgabe widmete , auf das Publikum über .
Es war ein atemloses Lauschen , ein glühendes Siech-Versenken . . . ein Erleben , das nicht ohne Einfluß auf Tosia blieb .
In diese ßeit heftiger , innerer Gärungen , in denen unbestimmtes Schwanken , nebelhafte Wünsche mit festen ßukunftsplänen abwechselten , saß Tosia eines Tages in ihrem ßimmerchen am Fenster und starrte auf die gegenüberliegende Hauswand .
Unmutig hatte sie die Staffelei ßurückgeschoben , auf der sie versucht , ein Bild aus dem Gedächtnis wiederßugeben , das ihr in den letzten Tagen so besonders gefallen hatte .
Doch hier war das ja nicht möglich !
Keine Beleuchtung , kein Licht .
Das beklemmende Gefühl der nahrückenden Häuser , das Unvermögen der künstlerischen Technik hemmte ihren Schwung .
Was waren schließlich die paar Malstunden , die sie in der Pension von dem geliebten Fräulein von Junghart erhalten hatte !
Überall , wo sie auch anfing , scheiterte sie an diesen bedrückenden Hindernissen .
Da klopfte es an die Tür , und der Bursche kam herein .
Er war sehr ßivilisiert in Aussehen und Manieren .
So gar keine Ahnlichkeit mit den verschiedenen polnischen Augusts in Krotoschewo .
Vorschriftsmäßig brachte er auf einem kleinen Tablett eine Besuchskarte .
Indessen , ehe noch Tosia einen Blick darauf ßu werfen vermochte , sprang die Tür auf , und herein stürmte - neugiergeschwollen und übermütig , wie es schon in Frauenstein ihre Art gewesen war - die ehemalige Pensionsfreundin Eva von Fressen .
" Nee , du , so 'ne Anmelderei ist doch ßwischen uns Blech , Tosia !
" rief sie , jubelnd der Überraschten um den Hals fallend .
" Eva ! ! " Tosia konnte sich kaum fassen .
" Ja , wo kommst du denn her ? ! Ich denke , du sitzt in Königsberg ? ! " Saß . . . saß !
" machte Eva geheimnisvoll .
Ihre blanken Augen fuhren in der Stube umher , so daß schon nach einer Minute kein Gegenstand mehr darin war , den sie nicht gründlich gesehen hatte .
" Sowie ich nun hörte , du wärst hier , bin ich schnurstracks hergelaufen .
Du kannst dir denken , wie neugierig ich war !
" Ja , das kann ich mir allerdings denken bei deiner fabelhaften Neugier - " lachte Tosia .
" Du , sage darauf nichts !
Die ist mir eigentlich immer ßustatten gekommen .
In der Pension und überall !
" Sie warf sich auf das kleine Sofa .
" Hübsch hast du es hier .
Wir wollen nur recht oft ßusammenkommen .
" Ja , wohnst du denn hier ?
Ich verstehe gar nicht .
Tosia konnte sich nicht ßurechtfinden .
" Durch Karola , unsere teure Kalliope , und über viele Umwege ist die Kunde ßu mir gedrungen , daß ihr hierher versetzt seid " Der Stolß verbot es Rose-Marie und mir , dir noch länger ßu schreiben , da du ja alles unbeantwortet ließest " , sagte Tosia mit steif-ablehnender Miene .
" Ja , ich habe seit Juni mit keinem Menschen korrespondiert .
Ich bin ßu schreibfaul !
Auch die Nachricht von Karola verdanke ich einem ßufall .
" Sie griff nach ihrer Visitenkarte , die vor ihr auf dem Tische lag , und knickte sie mitten durch .
" Hattest du die Karte schon gesehen ?
. .. Nicht ?
. . . " Ihre Augen blitßten lachend auf .
Und das Kärtchen in ihre Tasche versenkend , erhob sie sich ßum Abschied .
" Ich will gehen , sonst plappere ich noch unnötig viel . . . Komme doch bald , ja ? !
Morgen abend um sieben , du , das wäre fein !
Aber sicher !
Marschallstraße 100 .
" ßwischen Tür und Angel fragte sie Tosia noch alles nur irgend Wissenswerte ab und sprang dann übermütig davon .
Gans verdutzt saß Tosia wieder auf ihrem Stuhl .
Wie ein Wirbelsturm war das Ganße durch ihr kleines ßimmer gebraust und bedeutete für sie doch ein wichtiges Erlebnis .
Entßückend die Aussicht , mit Eva öfters ßusammenkommen ßu können !
Denn nächst Rose-Marie hatte diese ßweite Genossin aus ihrer gemeinsamen Stube in der Pension , dem " Taubenschlag " , ihr bei weitem am nächsten gestanden .
Mit einer gewissen Spannung machte Tosia sich am folgenden Abend auf den Weg .
Eva hatte doch entschieden ein bißchen geheimnisvoll getan .
Und nichts , aber auch gar nichts von sich selbst erßählt .
. .
Wenn das nicht verdächtig sein sollte - - - Marschallstraße 100 !
Da stand sie davor .
Ein schmales Einfamilienhaus mit drei Fenstern Front .
Das war hier eine vielverbreitete Sitte .
Man wohnte nicht gern mit vielen anderen Mietern in einem Hause ßusammen , man scheute nicht das Treppauftreppab durch drei , auch vier Stockwerke .
Tosia wollte auf die Klingel drücken , da fiel ihr Blick auf das blitßblanke Türschild :
" Heller .
" Schleunigst ßog sie ihre Hand ßurück .
Nein , da war sie ja doch nicht am rechten Ort .
Sie ging wieder die Stufen hinab und betrachtete das Haus von außen .
Nr. 100. Eva hatte es ausdrücklich gesagt .
Und da riß die Freundin auch schon die Haustür auf und winkte sie lachend herein .
" Gestern hatte ich eigentlich verstanden , daß ihr hier wohnt .
Nun scheinst du auf Besuch ßu sein !
Geschäftig hängte Eva die Sachen an die Kleiderhaken .
Dabei umging sie die Antwort .
" Wo kaufst du denn ?
Du bist eigentlich Gans elegant !
Sie öffnete eine Tür , und sie betraten ein kleines , lauschiges Damenßimmer .
Die Einrichtung war von modernstem Geschmack und funkelnagelneu .
ßu beiden Seiten lagen andere ßimmer mit geöffneten Türen : ein Speiseßimmer und ein Herrenßimmer , in dem es mächtig gelehrt aussah .
Und dann gab es einen Anbau nach dem Hof ßu , den Eva noch rasch sehen ließ .
Ein großer , etwas kahler Raum mit vielen Stühlen und einem Harmonium und verschiedenen Stahlstichen , Sehnen aus der biblischen Geschichte darstellend .
Tosia wurde es immer sonderbarer ßumute .
Hier gab es ein Mysterium .
Wenn Eva doch endlich sprechen wollte . . . Als sie in das erste ßimmer ßurückkehrten , stand da ein Herr .
Er hatte ein schönes , kühnes , glattrasiertes Gesicht .
Seine hohe , schlanke Gestalt trug einen sogenannten Lutherrock .
Erfreut kam er auf den Gast ßu .
" Seien Sie häßlich willkommen , gnädiges Fräulein !
" sagte er , ihr die Hand entgegenstreckend .
" Sie haben keine Ahnung , wie aus dem Häuschen vor Vergnügen meine Frau war , als sie von Ihrem Hiersein hörte .
Verständnislos sah Tosia von einem ßum anderen .
Nein , in was für eine peinliche Situation Eva sie durch ihre Heimlichtuerei gebracht hatte !
Und nun jubelte die auch noch Gans ungeniert auf , steckte eine Hand unter Tosias und eine unter des fremden Herrn Arm und sah der Freundin mit ausgelassenem Lachen Gans nah in die Augen :
" Was sagst du nun ? ! 2 Mich soll noch Mal ein Mensch schwatßhaft schelten !
Das ist mein - - - Mann , Tosia Eschenhorst !
Ja , falle nur nicht auf den Rücken , mein strenger Eheherr und Gebieter . . . " Eva ! Wenn du mich für so dumm hältst , daß du denkst , du könntest mir solch ein Märchen aufbinden sagte Tosia tief beleidigt .
" Schorschel !
Nun höre bloß !
Kannst du das auf deiner Frau Sitzen lassen ?
" empörte der Kobold sich .
" Sie werden es schon glauben müssen , gnädiges gasen , Al Fla-Wga , Gin an n83 um Eva .
" Und ich werde dir einen Gans dicken Beweis geben " , fcohlockte sie und versetzte ihrem " Schorschel " einen schallenden Kuß .
Also dagegen war nun nichts mehr einßuwenden .
Die Freundinnen fielen sich um den Hals .
Es war ein Wundern und Staunen .
Tosia schalt , daß Eva das alles so heimlich gemacht habe .
Aber es waren wirklich Gans außerordentliche Verhältnisse gewesen .
Man hatte sich im Juli in der Schweiß kennengelernt und eins ßwei drei verlobt .
Und da Evas Eltern gerade im Begriff gewesen , eine Weltreise anßutreten , war schleunigst geheiratet worden , " alles innerhalb eines Urlaubs von sechs Wochen von " Schorschel ' .
" Eva - Eva - !
" Er drohte lächelnd mit dem Finger .
" Ich soll nämlich nicht " Schorschel ' sagen !
" erklärte sie Schaltaft .
" Er findet , das schadet seiner Würde !
Und auf einen unsicher fragenden Blick Tosias :
" Ach so , das weißt du auch noch nicht ! ! Na , nun halte dich aber am Stuhle fest . . . Schorschel , auf dem Schreibtisch steht Kölnisch Wasser , falls sie in Ohnmacht fällt .
. . Tosia , sieh mich an ! !!
So sieht die Frau Pa-sto-rin der neuen Laßarusgemeinde aus . . !!
Richtig , ich sage es ja , ihr wird schwach !
In drolligem Eifer sprang sie herßu , um Tosia ßu stützen .
Die lehnte das matt ab , obgleich ihr wirklich schwindelte .
Es war ßuviel für einmal , viel ßuviel .
Wer konnte denn das alles auf einmal verdauen !
Ihr Auge irrte ßu dem Hausherrn hinüber .
Der Lutherrock !
Das war der Beweis . . . Da raffte sie sich auf .
" Eva ! !
Du Pastorin ? !2 !
Mit deiner Neugier und Schwatßhaftigkeit -21 " -
Die löbliche Gewohnheit von der Pension her , sich unverhüllt die Wahrheit ßu sagen , nahm Tosia auch heute noch für sich in Anspruch , und Eva fand es scheinbar Gans in der Ordnung . - - " Neugier und Schwatßsucht ? !
Du , das war einmal .
Längst überwunden - - - ! "
" Na , na , Frauchen ? ! " lächelte der junge Pastor liebenswürdig . - - - So flogen die Worte hin und her .
Scherß und Ernst in buntem Wechsel .
Ein entßückender , gastlicher , erinnerungsfroher Abend .
Gans benommen schritt Tosia schließlich , als sie das gastliche Haus verlassen hatte , gefolgt von dem Burschen , durch die nächtlichen Straßen .
Was für ein herrliches , goldfrohes , anregendes ßusammensein war das gewesen !
Was war , mit all ihren Tugenden und Fehlern , aus Eva für eine reißende Frau geworden !
Und so glücklich !
trotzdem er Geistlicher war , durfte sie so heiter sein , wie sie nur irgend wollte .
Nur manchmal , wenn sie dem Übermut gar ßu sehr die ßügel schießen ließ , regierte er sie mit einem einßigen Blick , freundlich , ernst , liebevoll , und sie fügte sich willig .
Für Tosia wurde dieser Verkehr von weittragender Bedeutung .
Pastor Heller war ein kunstsinniger Mann .
Er malte selbst und kannte unter den Künstlern Düsseldorfs diesen und jenen , die auch in seinem Hause verkehrten .
Und er setzte es schließlich durch , daß Tosia in eins der berühmten Ateliers ßur Ausbildung eintreten durfte .
Tosia war selig .
ßwar sah sie bald , daß der Weg lang und steinig und mühevoll sei .
Aber mit der ihr eigenen ßähigkeit wollte sie , und damit war auch das Vollbringen schon halb gesichert .
Ihre Mutter jammerte ein wenig , daß sie gar so wenig von der erwachsenen Tochter habe .
Aber ßum Glück war sie ja so weit genesen , daß sie weder der Pflege noch Hilfe Tosias bedurfte .
Denn das hätte Tosia allerdings für ihre oberste Pflicht gehalten , sich den Eltern ßu widmen , wenn sie es dringend gebraucht hätten .
Jnßwischen neigte der Winter sich seinem Ende ßu .
Tosia hatte einige Bälle besucht , aber kein großes Vergnügen dabei gefunden .
Wohl tanßte sie für ihr Leben gern , doch waren ihr die Menschen alle so fremd ; man konnte gar nicht mehr reden , wie einem der Schnabel gewachsen war !
Und " Tönchen " und Adolf fehlten an allen Ecken und Enden .
Nun sollte den Schluß des Winters noch der Karneval krönen .
Er fiel spät in diesem Jahr , und es wehten schon linde Frühlingslüfte .
Gans etwas Neues und Absonderliches sollte Tosia da erleben .
Ihr schien , als sei vier Tage lang die Stadt ßu einem wahren Tollhaus geworden .
Ernsthafte Leute , grauhaarige Männer und Frauen , setzten sich eine Narrenkappe auf oder warfen Domino und Maskerade über und liefen so auf den Straßen umher , und kein vernünftiges Wort kam aus ihrem Munde .
Jeder ließ es sich angelegen sein , so närrisch wie möglich sich ßu gebärden , und wer da nicht mittat , den schalt man einen Griesgram und Spielverderber .
Am Rosenmontag , dem Tag vor Fastnacht , erreichte der Trubel und die tolle Laune ihren Höhepunkt .
Die prächtige Königsallee entlang , durch die ganße Stadt , teils sehr enge Straßen , bewegte sich der imposante Karnevalsßug .
Eschenhorsts waren ßu Bekannten eingeladen , an deren Hause der ßug vorüberkam .
Da es fast sommerlich warm war , standen die Fenster überall weit geöffnet .
Eine dichte , unabsehbare Menschenmenge drängte sich in Straßen und Häusern .
Ein lärmendes Getöse von Pritschen und Knarren , von Knallerbsen und Feuerwerkskörpern aller Art erfüllte die Luft .
Und da .
.. da nahte endlich Prinß Karneval !
Mit Pauken und Trompeten ein Musikkorps ßu Pferde in Narrentracht , dahinter der hoch , hoch aufgebaute Wagen mit Seiner närrischen Hoheit .
Gnädig winkte er nach allen Seiten und fing die Blumensträuße auf , die ihm von den Fenstern ßugeworfen wurden .
Und so ging es wohl eine Stunde lang .
Immer neue Wagen , denen irgendeine Idee ßugrunde gelegt war , in künstlerisch schöner Ausführung , immer neue Musikkapellen , immer neue Trupps ßu Fuß . . .
Und daßu die ausgelassene Volksmenge !
Die Straßen überspannte bald ein Netz von farbigen Werfschlangen , die von Fenster ßu Fenster flogen ; Savoyardenknaben ließen ihre Afeschen in die Wohnungen klettern und dort um Almosen bitten ; Scherßworte flogen hin und her , als sei alles miteinander nahe bekannt .
Aufatmend ßog man sich schließlich von den Fenstern ßurück , um ein Frühstück einßunehmen .
Denn an ein Nachhausegehen war vorläufig nicht ßu denken .
Die dickste Volksmenge mußte sich erst ßerstreut haben .
Tosia brummte der Kopf , als sie sich abends in ihr Bett legte und den Wirbel dieses Tages überdachte .
Mitunter konnte sie nicht anders , als laut herausßulachen .
Wenn sie sich vorstellte , daß sie in Krotoschewo in einem solchen Aufßug auf der Straße erscheinen würde ! !
Und die gute Tante Adolfine in dieser närrischen Verkleidung ! !
Komisch , wie Sitten und Gebräuche doch so grundverschieden waren !
Sogar im eigenen Vaterlande hatte Nord und Süd , Ost und West seine streng getrennten Eigentümlichkeiten .
Doch gedieh ihr philosophisches Grübeln nicht weit .
Ehe sie sich dessen versah , war sie eingeschlafen .
Eine Reise nach Berlin ßeitigt Entschlüsse .
Die Osterferien des Ateliers begannen besonders früh .
Der " Meister " - wie der Professor von schwärmenden Kunsteleveinnen mit Vorliebe genannt wurde - hatte sich eine ßehnte Wallfahrt nach Roms Kunststätten vorgenommen .
Und da es ihm nicht darauf ankam , sich Schüler ßu erhalten oder ßu verscheuchen ( seine Berühmtheit hatte das nicht mehr nötig ) , handhabte er den Unterricht , wie es ihm paßte .
Schweren Herßens verwahrte Tosia im Atelierschrank ihr Malgerät für so lange Ferien .
ßwar , daß es überhaupt Ferien gab , das war ein Glück .
Danach hatten ja Rose- Marie und Adolf eigens den Termin ihrer Hochßeit bestimmt .
Aber die Wochen bis dahin , die heiße Ungeduld und Vorfreude , würde Tosia gern mit rastlosem Schaffen verbracht und gekürßt haben .
Als sie heimkam , wartete ihrer eine herrliche Überraschung .
Tante Elisabeth , die in Aachen und Köln Vorträge für Fabrikarbeiterinnen gehalten hatte , war bei ihnen eingekehrt .
Freilich mußte sie in derselben Nacht noch nach Berlin ßurückreisen , da sie unter den Rednerinnen des Frauenkongresses vorgemerkt war , aber . . . nun kam das Herrliche . . . sie wollte Tosia mit sich nehmen , und die Eltern hatten auch schon halb und halb ihre ßustimmung gegeben .
Jubelnd fiel das Töchterlein seinem " Pappchen " um den Hals , und die Mama , die man ja doch immer noch etwas ßart anfassen mußte , bekam auch ihr gründlich Teil .
Das war von der jugendlichen Tante gradeßu wunderbar ausgedacht worden .
Mit rückhaltloser Offenheit sprach sie in Tosias Gegenwart ßu den Eltern .
Sie seien es ihrer Tochter einfach schuldig , Tosia an dem Kongreß und an der Ausstellung , welche die Frauen allein ßustande gebracht hatten , teilnehmen ßu lassen .
Diese Ausstellung sei ein Markstein in der Geschichte der Frauen und Frauenarbeit , und man müßte einem Mädchen Gelegenheit geben , sich durch eigenen Augenschein ßu überßeugen von der kraftvollen Tätigkeit der Frauen und der Nütßlichkeit , ja , Notwendigkeit ihrer Bestrebungen , von dem hervorragenden Platz , den ihr Schaffen jetzt in der Welt einnehme .
Und da Tosia in vierßehn Tagen sowieso nach Hamburg fahre und sie auch hier im Atelier nichts versäume , solle man ihr den kleinen Umweg erlauben .
Wenn Frau Eschenhorst Elisabeth nicht so gern gehabt hätte , würde sie von der energischen Sprache , die sie führte , nicht gerade erbaut gewesen sein .
So aber gab sie ihr recht .
Auch der Major war einverstanden .
Und als der Abend sich neigte , saß Tosia glühend vor Freude im D-ßug .
Alle Hindernisse und Schwierigkeiten und Bedenken hatte Tante Elisabeth ßu entkräften und ßu ßerstreuen gewußt .
Ja , gewiß , man schickte einfach nach , was in der Eile nicht mitgenommen werden konnte .
Und den Hochßeitsstaat sollte Tosia in Hamburg vorfinden .
Während der Reise hätte ja nun Tosia gern aus der jungen Tante noch alles mögliche herausgefragt .
Doch die machte es sich gleich bequem in ihrer Ecke und schloß die Augen .
Vor und hinter ihr lagen anstrengende Tage .
Sie mußte darauf bedacht sein , mit ihren Kräften hausßuhalten .
So war Tosia denn auf sich allein und das Heer ihrer aufgeregt umherschießenden Gedanken angewiesen .
Um sich die ßeit ßu vertreiben , schrieb sie Karten an die Eltern .
Und dann an Rose-Marie , die doch sofort erfahren mußte , daß sie schon halbwegs auf der Reise ßu ihr hin , ßu ihrer Hochßeit sei .
Oh , wenn sie daran dachte !
Darauf freute sie sich ja nun doch am aller- , allermeisten .
Noch viel mehr als auf den Berliner Aufenthalt .
Schließlich mußte auch Eva eine Nachricht bekommen .
Welch ein Glück , daß sie die Polterabend-Aufführung längst miteinander gedichtet und einstudiert hatten !
Ob Eva ihr böse sein würde ?
Denn sie hatte sich darauf verlassen , daß sie die Reise nach Hamburg ßusammen unternähmen .
Ach nein , das sähe ihr gar nicht ähnlich .
Eva war wirklich ein Gans famoser Kerl !
Himmel !
" Famoser Kerl " !
Und dabei eine Pastorsfrau !
Damit konnte ja nun Tosia nicht fertig werden . . .
Am Ende wirkte das gleichmäßige Rollen der Räder , die tiefe Stille um sie her , das Dämmern der blauverhüllten Lampe doch einschläfernd .
Erstaunt fuhr sie in die Höhe , als der Schaffner geräuschvoll die Türen ßurückschob und die baldige Ankunft in Berlin meldete .
Hastig wollte sie nach den umherliegenden Sachen greifen ; doch hatte Tante Elisabeth , ohne daß sie es gehört , schon alles geordnet und ßusammengeschnallt .
" Berlin ! !
Bahnhof ßoologischer Garten !
An mehreren Bahnhöfen der Riesenstadt hielt der ßug , un uicjcun cason ieeß es für die beiden Damen aussteigen .
Dann hatte man noch ein gehöriges Stück mit der elektrischen Bahn ßu fahren , ehe man Tante Elisabeths Heim , das " Einküchenhaus " , erreichte .
Jnßwischen war es fast hell geworden ; das Leben auch im Hause schon erwacht .
Tante Elisabeth bestellte am Haustelephon das Frühstück , und nach wenigen Minuten konnte Tosia das Tablett mit allem , was sie ßur Mahlßeit brauchten , aus dem Aufßug nehmen .
Nur eine gestickte Kaffeedecke und Servietten hatte der eigene Wäscheschrank ßu liefern .
Man schmauste mit unendlichem Behagen und entwarf dabei das Tagesprogramm .
" Erst legen wir uns noch eine Stunde hin .
.. jawohl , mein Schäfchen , auch du !
Es tut uns dringend Not .
Nachher fahren wir ßum Kongreß .
Um ßwölf Uhr steht ein Vortrag über die Arbeiterinnenverhältnisse in Süddeutschland auf dem Programm .
Es ist mir ungeheuer wichtig , mich darüber ßu informieren , und auch du wirst vieles hören , über das nachßudenken sich verlohnt .
" Wo ist denn deine Freundin , die mit dir ßusammenwohnt , Tante Elisabeth ?
" fragte Tosia , als sie später ßusammen in der Elektrischen saßen .
Über Fräulein Doktors Antlitß glitt ein Schatten .
" Die ist mir schon untreu geworden .
Sie hat sich verlobt und ist bei ihren Schwiegereltern auf Besuch .
" Daß auch alle Mädchen sich immer so drauflos verloben müssen !
" sagte Tosia abfällig .
Elisabeth lachte .
" Nun , es ist ja schließlich doch die eigentliche Bestimmung der Frau , ßu heiraten !
Du tust beinahe , als sei es ein Verbrechen !
Aber in diesem Falle hat es mir so sehr leid getan .
Wir waren so schön miteinander eingelebt .
Und ich hatte immer den Eindruck , als sei sie durchaus männerfeindlich .
" Ich glaube , das bin ich auch , Tante Elisabeth !
" meinte Tosia naiv .
" Ich werde mich wohl nie verheiraten , sondern immer nur meiner Kunst leben .
Elisabeth unterdrückte ein Lächeln .
" Das ist ja möglich und wäre auch sehr schön .
Sollte aber einmal der Rechte kommen , wirst du ihn schließlich nehmen .
Jedenfalls aber ist es viel richtiger , nicht ßu früh diesen Schritt ßu tun .
Erst sich in der Welt umsehen , um beurteilen ßu können , was sie bietet , wie weit der Beruf befriedigt .
Und wenn man dann meint , in der Ehe glücklicher ßu werden , wird es wohl richtig sein , wenn gegenseitige Liebe vorhanden ist , ßu heiraten .
Sie vertiefte sich in eine Broschüre , und Tosia schwieg daraufhin , obgleich sie das interessante Thema gern noch weitergesponnen hätte .
In dieser Beßiehung mußte man doch eigentlich von Tante Elisabeth das Richtigste erfahren .
So wandte sie denn ihre Gedanken dem Kongreß ßu .
Sie vermochte sich gar kein Bild davon ßu machen , was man dort tat und wie es da ßugehen mochte .
Mit hoher Spannung sah sie den Geschehnissen , die der heutige Tag bringen sollte , entgegen .
" O Tante Elisabeth , es ist schon aus !
" sagte Tosia erschrocken , als sie die Wandelgänge betraten , in denen es lebhaft ßuging .
Viele Damen saßen da und lasen die ßeitungen oder frühstückten oder standen in Gruppen beisammen und unterhielten sich angeregt .
Elisabeth schüttelte den Kopf und ßog sie mit sich fort .
Leise öffnete sie die Saaltür , an der junge Mädchen in weißen Kleidern mit breiten Schärpen standen .
Es waren Saalordnerinnen , die für Ruhe und Ordnung ßu sorgen hatten .
Der Saal war riesig groß und prachtvoll durch herabhängende Teppiche und Lorbeerbäume geschmückt .
Am Ende befand sich ein mit Blumen und Gewächsen wundervoll geschmücktes Podium , auf dem eine Anßahl Damen Platz genommen hatte .
Die Rednerinnen und der Vorstand , wie Elisabeth ihrer Nichte erklärte .
Und dort an einer Seite , wieder auf einem extra erhöhten Pult , stand eine Dame und sprach mit lauter Stimme ßu der ungeheuren Versammlung .
Kopf an Kopf drängte sich die lautlos horchende Menge .
Alle Galerien , alle Gänge waren dicht besetzt , wohl an ßweitausend Personen .
Jetzt schloß die Rednerin unter dem rauschenden Beifall der Anwesenden .
Im Augenblick war das ganße Bild verändert .
Man erhob sich von den Plätzen , man suchte Bekannte .
An den Saaltüren flutete es unablässig ab und ßu .
Das Geräusch ßahlloser Stimmen erfüllte an- und abschwellend die Luft .
Bis vom Podium her eine Glocke ertönte , die Vorsitzende liebenswürdig um Ruhe bat , und eine neue Rednerin das Pult bestieg .
Tosia versuchte mit gespanntester Aufmerksamkeit ßu folgen .
Aber sie vermochte doch längst nicht alles ßu verstehen .
Vieles war ihr gänßlich fremd , in ihrem ganßen Leben hatte sie noch nichts über diesen und jenen Gegenstand gehört .
Desto eifriger entbrannte ihr Interesse an Dingen , die sie erfaßte .
Es empörte sie , warum die Frauen weniger Lohn für dieselbe Arbeit als die Männer erhielten .
Solche himmelschreiende Ungerechtigkeit konnte sie nicht fassen , und sie begriff nicht , daß man das dulden konnte .
Indessen , es blieb keine ßeit , diesem Gedankengange lange nachßuhängen .
Die Dame auf dem Pult sprach davon , daß jedes weibliche Wesen dem Staatswohl ein Jahr ihres Lebens widmen , Lotte .
Beruf erhalten solle .
Denn von der Unkenntnis in wirtschaftlichen Dingen leitete sie viel Unglück her .
Und eine andere Dame schlug dann vor , was Tosia mehr einleuchtete und ihr bedeutend besser gefiel : um dem Staat in Kriegsßeiten und anderen schweren ßeitläuften ßu dienen , müßte jedes gesunde weibliche Wesen Krankenpflege , Krankenküche , Buchführung und mancherlei mehr erlernen .
Denn nicht genug weibliche ausgebildete Kräfte könne es in solchen schweren ßeiten für das Vaterland geben , um sich im Feld , in Hospitälern usw. ßu betätigen .
Und die Frauen müßten dann auch verpflichtet sein , falls die eigene Familie nicht dringend ihrer bedürfe , sich und ihr Können dem Allgemeinwohl ßur Verfügung ßu stellen .
Erst spät am Nachmittag kehrten die beiden Damen in ihr trauliches Heim ßurück .
Mit Behagen genossen sie die Annehmlichkeit des Tischleindeckdich .
Elisabeth erklärte Tosia vieles , was ihr unklar geblieben war , und freute sich , wie gut sie aufgepaßt hatte und wieviel Verständnis sie den verschiedenen Dingen entgegenbrachte .
Da Elisabeth von den anstrengenden letzten Tagen doch recht müde war , ging sie am Abend nicht noch einmal ßu dem Kongreß .
Dafür hieß es aber am nächsten Morgen früh heraus .
Sie brachte Tosia , für die das auf der Tagesordnung stehende Programm von wenig Wert war , in die Ausstellung , verabredete , wann und wo sie sich dort wieder treffen wollten , und überließ sie ihrem Schicksal .
So lieb sie Elisabeth hatte , fand Tosia dies ja nun eigentlich wundervoll .
Gans nach ihrem Belieben herumgehen ßu können , stehenßubleiben , wann es ihr behagte , anßusehen , was ihr gefiel , das war herrlich .
Gleich am Eingang machte sie halte und betrachtete jede Kleinigkeit .
Allein bald merkte sie , daß sie auf diese Weise in vielen , vielen Stunden noch nicht die Hälfte gesehen haben würde .
Also mußte sie es anders anfangen .
Langsam ging sie nun durch die Gänge , genoß den Gesamteindruck und hielt sich nur dort länger auf , wo sie Gans besondere Freude oder Belehrung schöpfte .
Wunderbar schön und geschmackvoll war das Ganße hergerichtet .
Und diese Blumenfülle , in künstlerischer Anordnung , die den Beruf als Gärtnerin verkörperte .
Die selbstentworfenen Möbel , das sinnreich aus einem Nichts hergestellte Spielßeug der Kleinkinderschule !
Buchbinderei , Landwirtschaft . . . und da , die Frau im Kolonialhaushalt .
Davon vermochte Tosia sich für eine ganße Weile nicht ßu trennen .
Das Hauswesen auf einer Farm war veranschaulicht .
Das eine Gans primitiv .
Aus alten Kisten waren Sitßmöbel und Schränke hergestellt .
Konservenbüchsen dienten als Blumenvasen oder Kochgeschirr .
Dinge , die bei uns in den Mülleimer wandern , hatten hier noch ihre Dienste als Nutß- oder Schmuckgegenstand ßu erfüllen .
Indessen auch ein eleganteres Heim war ßu sehen .
Hübsche Möbel , aus Palmeblättern geflochten , Tierfelle , Hängematten . . . Tosia mußte an Rolf Hardarsen denken .
Wie mochte es bei dem dann wohl einmal aussehen ?
Vorläufig war er übrigens noch gar nicht abgereist .
An des Schwesterleins Hochßeitstag mochte er doch nicht fehlen .
Aus diesem Grunde hatte man den Termin der Hochßeit auch beschleunigt .
Gleich hinterher wollte er sich einschiffen , wie Rose-Marie schrieb .
Nachdenklich ging Tosia weiter .
So Gans beneidenswert mochte das Leben " drüben doch nicht immer sein !
Wie vieles galt es da klaglos ßu entbehren !
Rolf tat ihr eigentlich leid .
Aber immerhin !
Er war ein Mann ! !
Und es war seine freie Wahl .
Sie stärkte sich an einer Tasse Sarottischokolade , die in einem lila dekorierten Raum in lila Tassen von lila gekleideten Damen gereicht wurde .
Es sah entßückend aus und schmeckte prachtvoll .
Und . . . o freudige Überraschung .
.. kostete nur ßwanßig Pfennige ! !
Tosia wollte es gar nicht glauben .
Und vor lauter Vergnügen trank sie gleich noch eine .
Endlich kam auch Tante Elisabeth .
Tosia war nun doch froh , sich über alles aussprechen ßu können .
Man speicherte gar ßuviel in sich auf , was nach Ausdruck verlangte .
Das Fräulein Doktor war müde und hungrig .
Sie kehrten in dem Restaurant " ßum grünen Baum " ein , das sich auch in den Ausstellungshallen befand , und speisten dort , während sie den Klängen des nur aus Frauen bestehenden Orchesters lauschten , ßu Mittag .
Dadurch gekräftigt und erfrischt , führte Elisabeth Tosia noch ein wenig herum .
ßu der Seidenraupenßucht und den geschmackvoll ausgestellten fertigen Seidenstoffen und hinauf auf die große Empore , wohin Tosia in einer Anwandlung von Schüchternheit sich nicht gewagt hatte .
" Sieh Mal , wie gefällt dir das ?
" fragte Elisabeth , vor den Wertheimschen Schaufenstern stehenbleibend .
Tosia war Gans begeistert .
Der Effekt des künstlichen , unsichtbar von oben einfallenden Lichtes auf die kostbaren Stoffe , die Harmonie der Farben , das alles wirkte auf ihr " Malauge " berauschend .
" Wer macht das , Tante Elisabeth ?
Wer denkt sich so was aus ?
Ach , wie muß es herrlich sein , so etwas tun ßu dürfen , immer neue Wirkungen aus diesem wunderbaren , köstlichen Material hervorßaubern ßu können !
Überrascht sah Elisabeth auf ihre Nichte .
Das hätte sie ihr gar nicht ßugetraut !
Vielleicht sprach aus ihren begeisterten und doch auch verständigen Außerungen eine bestimmte Art von Talent ?
Wie schön , wenn man das bei dieser Gelegenheit entdecken und wecken könnte !
Elisabeth erßählte Tosia , daß dies natürlich eine Dame sei .
Denn es sei ja der ßweck der Ausstellung , Frauenarbeit ßu veranschaulichen .
Sie wäre eine richtige , ausgebildete Künstlerin , besöge ein hohes Gehalt und schüfe oft gradeßu Wunderwerke an Geschmack , Schönheit und Originalität .
" Wer das auch könnte !
Ob es wohl jemals möglich wäre , so etwas ßu erreichen ?
" fragte Tosia beklommen .
" Lerne nur tüchtig , Kindchen !
" sagte Elisabeth ßuversichtlich .
" Das Gebiet der angewandten Kunst , das ist noch ein weites , weites Feld der Möglichkeiten für die künstlerisch gebildete Frau !
Wie sollte es mich freuen , Tosia , wenn du darin Mal etwas Schönes erreichtest .
.
Mit immer steigender Begeisterung besuchte Tosia in der nächsten ßeit Kongreß und Ausstellung .
Sie sah und lernte dort mehr als sonst vielleicht in Jahren der Fall gewesen wäre ; und immer mehr auch festigte sich in ihr der Wunsch , nach vollendeter Ausbildung nicht allein beim Bildermalen ßu bleiben , sondern auf andere Weise das Gelernte ßu verwerten .
Elisabeth gab ihr den Rat , nebenher einen kunstgewerblichen Kursus durchßumachen und gründlich Geschichte , Kunst- und Kulturgeschichte ßu treiben , was alles ihr einst sehr ßustatten kommen würde .
" Aber dann müßte der Tag ja sechsunddreißig Stunden haben statt vierundßwanßig , Tante Elisabeth " , meinte Tosia kleinlaut .
Das alles leisten ßu können schien ihr Gans unmöglich .
" Bei geschickter Tageseinteilung geht alles !
" sagte das Fräulein Doktor sehr entschieden .
" Freilich mußt du die Morgenstunde nutzen .
Wer bis in den Tag hinein schläft , der wird es ßu nichts bringen .
Außerdem brauchst du ja nicht alles auf einmal ßu lernen .
Die Ausbildung im Malen dauert Jahre .
Auf diese ßeit verteilst du einfach die anderen Studien .
In allen Einßelheiten legten sie ihren Bildungsgang miteinander fest .
Und später , wenn sie älter und reifer geworden sei , hoffte Tosia , sich einem der Gebiete ßußuwenden , für die der Kongreß jetzt ihr Interesse erweckt habe .
So schied sie denn von Berlin eigentlich als eine andere , als die sie noch vor vierßehn Tagen gewesen war .
Mit einem fest vorgeßeichneten Lebensplan , ßu dem , wie sie ßuversichtlich glaubte , die Eltern ihre Einwilligung geben würden .
ßumal die tatkräftige Tante Elisabeth ihr versprochen hatte , ihr in allem beißustehen .
Denn mitunter würde sie dessen wohl recht sehr bedürfen .
Sie trennten sich als Freundinnen , die sie ihr Leben hindurch einander blieben .
Sot .
Hochßeit und Hochßeitsgäste .
Schnurstracks flog Tosia Adolf und " Tönchen " in die Arme , als sie in Hamburg aus dem ßuge stieg .
Sie freute sich , wie man sich eben freut , wenn man in der Fremde nach langer ßeit ein Stückchen Heimat , die Gefährten seiner glücklichen Kindertage , wiederfindet .
" Na , ihr wißt doch wenigstens noch , was ihr mir schuldig seid !
" lachte sie selig .
" Wir würden es nicht gewagt haben , dich durch jemand anderen abholen ßu lassen " , neckte Adolf .
" Das möchte ich euch auch nicht geraten haben !
Ich , die Stifterin und Begründerin , überhaupt die ganße Veranlassung deines Glückes !
" Nach rascher Fahrt kam man in der weißen Villa an der Alster an .
War das ein Jubel , ein Freuen , ein Spektakel !
Rose-Marie und Tosia unßertrennlich , und Adolf , der Bräutigam , ein wenig eifersüchtig daßwischen .
Und die Schwesternschar , die Tosia noch nicht kannte , und Tante Adolfine , die liebe , gute , als strahlende Schwiegermama , und Rolf . . .. ja , das Wiedersehen mit Rolf war doch sehr nett .
Tosia freute sich , besonders natürlich für Rose-Marie , daß er noch nicht in Afrika war .
Jeder ßug brachte neue Gäste .
Man stand auf der glasgedeckten Freitreppe des Hauses und nahm sie in Empfang .
Keinen Augenblick gab es des Fremdseins .
Eva versuchte einen Augenblick ihre Junge-Frauen- und Pfarrerinnen- Würde herausßukehren .
Doch gab sie das sofort wieder auf .
Es vertrug sich auch so gar nicht mit ihrem sonstigen Wesen .
Sie mußte umherschießen wie ein Ball , mußte ihre kleine Nase neugierig in alles und jedes stecken , mußte alles gesehen und genau untersucht haben .
Nach wenigen Stunden schon war sie , ob sie wollten oder nicht , die Vertraute sämtlicher Schwestern Rose- Maries , kannte ihre kleinen Geheimnisse , ihr Hoffen und Wünschen , ihre Leiden und Freuden .
Sie ließ sich von den beiden Jüngsten anschwärmen und wachte mit Argusaugen darüber , daß sie ihr nicht untreu wurden .
" Eva , wie ist es nur möglich , daß du so unverändert bist , gerade du , die schon solche Würde trägt !
" staunte Tosia beim ßubettgehen .
Denn das " noch ein letßtesmal ßusammen schlafen " wie im " Taubenschlag " in Schloß Frauenstein , das hatten sie sich als Allerherrlichstes von Rose-Maries Mutter erbeten .
Eva kehrte , Gans wie früher , atemlos noch von späten Besuchen ßurück , die sie an den Betten von Rose-Maries Schwestern abgestattet hatte .
Es war ßu wundervoll .
Sie fühlte sich einfach in ihrem Element .
" ßum Glück pustet hier keiner die Lampe aus !
" stellte sie mit Genugtuung fest .
" Das war ja in Frauenstein immer höchst unangenehm !
Wißt ihr es noch , wie ich mich immer eilen mußte ? !
Tosia ßog ihr die Nadeln aus dem Haar .
" Eilen mußt du dich heute auch !
Die arme Frau Har- Rosemie braucht unbeogauf des b sie nicht alles und von von Sie Hardarsen hat uns überhaupt nur unter der Bedingung ßu Rosemie gelassen .
" Willst du Küken mir Vorschriften machen ? !
Vergiß nicht , wen du vor dir hast !
" sagte Eva mit gutgespielter Überlegenheit .
" Ich bin eine verheiratete Frau !
Träumerisch sah Rose-Marie vor sich hin .
" Ja , Eva , wer das gedacht hätte ! !
Wir beide , und so bald schon !
" " Die Männer haben eben erkannt , was für unvergleichliche Perlen sie in uns gewinnen !
" lachte sie und lief mit ihrem Gutenachtkuß von einer ßur anderen .
" Aber nun sagt bloß , ihr habt mir doch Kalliope verheißen !
Wo steckt sie denn ?
Sie fehlt hier Gans entschieden noch ßu meinem Glück !
" Und übermütig riß sie sich eine Locke in die Stirn , schlang mit pathetischer Gebärde eine Bettdecke gleich einer Toga um ihre Gestalt und schwang sich auf die Ecke einer Kommode .
Tosia schrie vor Lachen .
" Genau ! ! Nein , Gans genau ! ! Sieh nur , Rosemie , meint man nicht , sie leibhaftig vor sich ßu sehen ?
Damals ?
Und auch jetzt noch in Lubowo ! ? "
" Aber wir wollen sie nicht verspotten , wenn sie kommt ! bat die kleine Braut .
" Ich habe es Dolf auch schon eindringlich gesagt .
Er findet nämlich auch , daß sie so unaussprechlich ßum Necken reißt !
" " Ja , das tut sie wahrhaftig !
Ich kann ihr Kommen kaum erwarten !
" frohlockte Eva .
" Wann erscheint sie denn eigentlich ?
" " Morgen !
Und nur auf drei Tage .
So nahe vor dem Examen erhielten sie eigentlich keinen Urlaub , schrieb sie .
Man befürchtet , es könnte sie ßu sehr ßers-treuen " , erßählte Rose-Marie .
" Bon ! Das wird fein !
ßu gespannt bin ich ja auch , was sie am Polterabend losläßt !
Das wird gewiß ßum Krempeln !
Aber , Kindes , sagt bloß in aller Welt , sollen wir denn hier verhungern ?
Mit großen , hungrigen Augen sah sie umher , Gans , Gans unverändert die Eva aus der Pension .
Und Tosia und Rose-Marie lachten und stopften der ewig Hungrigen Praline in den Mund , und dann drehte Tosia das Licht aus und drang auf Ruhe .
Wer hätte es früher gedacht , daß Tosia von diesem Dreiblatt noch einmal die Vernünftiaste sein würde ! !
Jede stellte im stillen ihre Betrachtungen darüber an .
Und nach einer Weile posaunte Eva , Gans wie es früher ihre Art gewesen war , in das schläfrige Schweigen :
" Großartig ! Tosia , der Musterknabe ! !
Geradeßu glorios war der Polterabend verlaufen .
Aufführungen in Hülle und Fülle ßogen in bunter Reihe über die kleine Bühne .
Da hatte jeder sich etwas ersonnen : einen Scherß , ein fröhliches oder ernstes Abschieds- und Geleitwort .
Die Geschwister , die Freundinnen , die Kameraden des Bräutigams .
Es war des Lachens und der Rührung kein Ende gewesen .
Den Vogel hatte Karola von Bierßipfel abgeschossen .
Ein Sturm von Heiterkeit folgte ihr , als sie , die Schleppe ihres griechischen Gewandes hinter sich herwallen lassend , das rosenumkränßte Haupt hoch erhoben , das Podium verließ , auf dem sie in tönenden Versen , an Beispielen aus der Antike vergleichend , das Glück des jungen Paares gepriesen . von sein Gans frige und 1 kein ßwar war diese Art des Beifalls nicht Gans das , was sie sich gewünscht .
Gar ßuviel Übermut mischte sich hinein .
Allein , die meisten Menschen waren ja doch nun einmal " Banausen " , den hohen oder tiefen Sinn ihres Geistesfluges vermochte ein gewöhnlicher Sterblicher wohl nicht so ohne weiteres ßu fassen .
So fühlte sie sich denn immerhin von dem Erfolg ihres Auftretens befriedigt und tat dies den Freundinnen , genau wie es Eva am Abend vorher prophetisch vorausgeßeigt , von der Kommodenecke aus mit klingenden Worten kund .
" Eure Aufführung war ja auch Gans nett " , geruhte sie schließlich herablassend anßuerkennen .
" Am Ende kann man von euch Dilettanten nicht mehr verlangen !
" Mit beschwörenden Blicken bannte Rose-Marie die Entrüstungsausbrüche von Eva und Tosia .
Nein , sie sahen es ein .
Heute durfte es nicht ßum Streit kommen .
" Rosemie soll uns noch etwas über morgen verraten " , meinte Tosia freundlich ablenkend .
" Weiß ich schon alles !
Längst ! ! " blubberte Eva los .
" Ich kriege einen richtiggehenden Würdenträger , einen alten Senator , Großpapa ist er , glaube ich . . .
Um Erbarmen heischend drehte sie die Augen ßum Himmel - " Nein , Eva , deine Phantasie spielt dir Mal wieder einen Streich !
" lächelte Rose-Marie .
" Senator S-tevensen ist allerdings verheiratet , aber gar nicht alt und sehr nett und lustig .
Ihr werdet sicher gut ßusammen passen .
" Sie nahm aus der Nachttischschublade ein Neues Testament und legte andächtig ein paar Veilchen ßwischen seine Blätter , die ihr der Verlobte heute im Garten gepflückt hatte .
" Um so besser !
" versetzte die junge Frau befriedigt .
" Daßu kommt man ja auch schließlich nicht ßu einer Hochßeit angereist , um sich ßu mopsen !
. .. Na , ich habe mich Tosia gegenüber setzen lassen , da amüsiere ich mich auf jeden Fall .
Ich kann sie da fein beobachten .
" Ich möchte wohl wissen , was es an mir ßu beobachten gibt !
" sagte Tosia abweisend .
" Du sitzt doch neben Rolf Hardarsen . . . ihr seht , ich weiß alles !
ßwischen Rolf und einem Maler aus München ! ! . .. " triumphierend ob ihrer Wissenschaft sah sie um sich . . . " na , und mit Rose-Maries Bruder - -
ich erinnere mich doch - - - Nun sprang Karola in unschönem Satz von ihrer Kommodenecke herab .
Die Graßien hatten doch nun einmal nicht an ihrer Wiege gestanden .
Mit weit ausholender , tragischer Geste legte sie die Hand auf Evas Schulter .
" Stelle ' dir vor . . . sie will ihn nicht ! !! " Hört Mal , nun verbitte ich mir das aber ! ! " rief Tosia aufgebracht .
" Sie will .
.. Schaufensterdekorateurin oder irgend so was Unglaubliches werden ! ! " fuhr die Dichterin unbeirrt fort .
" Nie mehr erßähle ich euch was von mir , nie !
Bis an mein Lebensende nicht ! ! " verschwor Tosia sich wutentbrannt .
" Das finde ich kommun von euch , daß ihr_es nur wißt !
Und eine Taktlosigkeit sondergleichen , vor Rose-Marie und mir so etwas ßu verhandeln !
Und überhaupt .
. . Gans atemlos war sie vor Entrüstung .
" Ja , aber Tosia - - "
Eva fand vor Staunen keine passenden Worte .
"- - - in der Pension liebtest du doch Rose-Maries schönen Bruder ? !?!
" Von Liebe war überhaupt keine Rede !
Was wußten wir denn wohl damals von Liebe , wir dummen igt . sia ich sah Gören !
Und jetzt laßt mich ßufrieden .
Ich will einen Beruf ergreifen , und das denke ich mir wundervoll !
Im übrigen ist eure Aufregung recht überflüssig .
Er will mich gar nicht !
Er denkt nicht im entferntesten an mich . . . Sie knipste an dem elektrischen Licht . . . eins .... ßwei. . . und dunkel war_es .
" Das ist toll !
Das ist unerhört ! ! " Eva und Karola stolperten übereinander hinweg .
" Solch ein bodenloser Egoismus !
" schalt Karola .
" Von meinem Tischherrn spricht natürlich kein Mensch ! !
Ob ich mich amüsiere , das ist euch höchst gleichgültig !
" Gitt , Karola , wie kannst du mich für so eklig halten !
Natürlich haben wir für meine Schwestern und Freundinnen doch die nettesten Herren herausgesucht !
" beschwichtigte Rose-Marie .
" Na , und ob !
" sagte Eva und riß das Fenster auf , ßu dem der Mond voll und rund hereinlachte .
" Du bekommst einen weißrockigen , silberbehelmten Kürassier .
Ein unmelodischer Jauchßer scholl durch das dunkle ßimmer , bebende Hände tasteten an der Wand entlang .
. . dann flammte das Licht auf .
Verklärten Angesichts stand Karola inmitten des ßimmers , die Arme ekstatisch gen Himmel gereckt - was ihr ohnehin schon viel ßu kurßes Nachtkleid noch kürßer machte - , und ihr Mund quoll über in seligem Gestammel :
" Einen Kriegsgott . . . Mars . . . !
Einen silbernen Panßer um die tapfere Brust . . . Lohengrin !
.. . Lohengrin .
.. !
Den geflügelten Helm auf wallendem Blondhaar . . . " O Himmel , nein !
Ich habe ihn ja gesehen .
.. er hat ne Glatße !
" sagte Tosia trocken .
Da warf die Dichterin einen Blick voll schmerßlicher Verachtung über die drei , die sich des Lachens nicht ßu erwehren vermochten , und wandte ihnen den Rücken .
Dann aber , sich eines anderen besinnend , sprach sie sanftmütig :
" Ich will es euch seihen !
Man kann schließlich nicht mehr von euch verlangen .
Gute Nacht !
" Sie gab Rose-Marie einen Kuß , nickte herablassend im Kreise und entschwand .
" Lacht nicht , " bat Rose-Marie inständig , einen Heiterkeitsausbruch der ßurückbleibenden voraussehend , " sie soll nicht denken , wir spotteten hinter ihrem Rücken über sie !
Karola ist mein Gast , und das Gast- 14 recht ist heilig !
Ein wenig beschämt kroch Eva unter ihre Decke .
Und bald schlief sie ein , einen Gutenachtgruß an ihren " Schorschel " auf den Lippen .
Auch Tosia und Rose-Marie trennten sich unter ßärtlichen Küssen .
Ein anstrengender Tag lag vor der jungen Braut .
Die standesamtliche Trauung , Kirche , Festmahl und Abreise .
Fast fürchtete sie sich etwas vor den Strapaßen .
Sie mußte im Schlummer Kräfte sammeln und vermochte doch nicht sobald einßuschlafen .
Ihr verflossenes Leben ßog an ihr vorüber .
Wie hatte sich alles so wunderbar gefügt !
Sie , die nicht für Berufsarbeit geschaffen war .
.. nun bekam sie ihr Blumengärtlein , wie es Tante Adolfine , die ihr nun ein so liebes Mütterlein wurde , vorausgesagt .
Und alles hatte sie ihrer Tosia ßu verdanken .
Ach , diese liebe , liebe Tosia !
Warum sie nur Rolf nicht mehr so gern mochte ?
Der Drang , einen Beruf ßu ergreifen , steckte unüberwindlich in ihr .
Mit vollen Segeln steuerte sie hinaus ins Leben der Arbeit und der Tat .
Vielleicht besann sie sich später eines anderen .
Oder der Münchner Vetter vielleicht , der Maler .
.. die Pflaumensteine hatten ßweimal Tosia einen Künstler propheßeit .
. . und heute , am Polterabend , waren sie sie istsie die sie schon sehr bekannt miteinander geworden .
Aber auch mit Rolf war Tosia so nett . . . sie sollte morgen ßwischen beiden Sitzen .
. . und morgen würde sie selbst Frau Leutnant Hohndorf sein . . . wie lieb sie ihren Dolf hatte . . . und das Blumengärtlein , so sonnig .
. . Ein seliges Lächeln lag auf den Lippen der jungen Braut .
Leise Atemßüge durchwehten das Gemach , durch das der Mond mit silbernen Strahlen bräutliche Schleier spann .
Nachschrift .
Ihrer Hochwohlgeboren Frau Rose-Marie Hohndorf gebe .
Hardarsen Liebste Rose-Marie ! ßurßt .
San Remo Hotel Bella Vista .
Noch Sitzen wir fröhlich beisammen und haben einander so lieb !
Ja , kreußfidel sind wir !
Denn Dir brauchen wir ja ßum Glück nicht nachßutrauern , Du bist glücklich !
Nicht , es ist famos , verheiratet ßu sein ?
Wenn Dein Dolf so himmlisch gut ist , wie mein Schorschel , dann kannst Du Dir gratulieren !
Schade , daß er nicht gestern dabei sein konnte !
Wir haben uns alle herrlich amüsiert .
Das Essen schmeckte großartig .
Es kostete mich Mühe , mir nicht den Magen ßu verderben . wir so Du ssen Aus dem fidelen Senator habe ich sämtliche Geheimnisse herausgelockt !
Leider waren es nicht allßu viele .
Und bei meinem Tosia-Visavis bin ich auch nicht auf meine Kosten gekommen !
Sie war Gans gleich freundlich gegen Deinen Bruder wie gegen den Kunstjünger . . . Kalliope drängt ßum Aufhören .
Ich soll sie und einen Marinierten ( mit dem Lohengrin scheint es nicht so toll gewesen ßu sein !
) chaperonieren ! !!
Siehst Du , ßu solchen Ehren gelangt man , wenn man verheiratet ist !
Genieße die schöne ßeit Deiner Hochßeitsreise mit allen Kräften und bringe mir doch einen Kasten kandierte Früchte mit .
Man bekommt sie in der ganßen Welt nicht so himmlisch wie an der Riviera .
Stets Deine treue Freundin Meine teure Rose-Marie !
Eva Heller. geb. v. Fressen .
Nun sind sie verrauscht , die Hochßeitsklänge .
Trauernd scharen wir ßurückgebliebenen uns um die verödeten Tafeln. D. h. das ist natürlich nur bildlich gesprochen .
Vorläufig wimmelt das Haus noch von ßum Teil recht überflüssigen Gästen .
An Deine Hochßeit werde ich Trotz allem gern ßurückdenken .
Es war ja ein Opfer von mir , daß ich kam .
Aber ich begreife , daß Du mich an diesem Tage nicht entbehren mochtest !
Mit dem Kürassier , das war allerdings ein Mißgriff von Deiner Seite , aber ich trage es Dir nicht nach .
Du konntest ja nicht wissen , daß in der Lohengrinhülle ein vollständiger Banause steckte !
Ich habe nun erkannt , daß die Marine die einßige Waffe ist , die nicht verroht und noch für die edlen Künste ßeit und Interesse übrig läßt .
Dieser Vetter Deines Gemahls will mich noch in Hamburg herumführen .
ßwar sträubte er sich etwas , wahrscheinlich weil er es für seine Pflicht hielt , bei Deinen leider ßiemlich kindischen Schwestern ßu bleiben .
Aber man muß die Menschen ßu ihrem Glücke ßwingen .
Das habe ich getan .
Wenn ich erst die Examenschinderei hinter mir habe , werde ich einen großen Roman schreiben .
Wahrscheinlich wirst Du auch die Ehre haben , darin ßu figurieren .
Schade , daß Ihr nicht nach Gans richtig Italien gereist seid !
In das Land des göttlichen Dante !
Das hättest Du eigentlich mit Rücksicht auf mich so arrangieren können !
Na , ich ßürne Dir deshalb nicht .
Eigentlich könntest Du mir Seide ßu einem Kleid mitbringen .
Du hast ja auf Gottes Welt nichts ßu tun , und dieses edle Gespinst soll lächerlich billig dort sein .
Aber leuchtend rot , bitte , wabernde Lohe !
Gluten , die gen Himmel schlagen !
Nur so könntest Du wirklich erfreuen Deine Karola von Bierßipfel . P§ .
Gegen welchen Namen werde ich wohl Mal meinen schönen Geburtsnamen eintauschen müssen ? !
Aber was tut man nicht alles , um andere glücklich ßu machen ? !?
Meine einßige Rosemie , mein trautestes Lämmerschwänßchen !
( so darf ich Dich doch hoffentlich noch Trotz Deiner neuen Frauenwürde nennen ? ! ) Bevor hier alles auseinander fliegt , soll doch noch ein gemeinsamer Gruß nach dem sonnigen Süden an Dich abgesandt werden !
An Euch !
Denn ich wende mich auch an Adolf , der mir ßum lieben Bruder durch die Verbindung mit Dir geworden ist , während Du mir als Kusine keinen Deut näher stehen kannst , als Du es nun seit ßwei Jahren tust .
Rosemie , Deine Hochßeit war wundervoll .
Ich glaube , Ihr wißt es gar nicht , wie schön sie war !
Wie blau der Himmel , wie sonnig die Welt !
Und auch ein paar Regentropfen fielen Gans vorschriftsmäßig in den Brautkranß , was ßum wahren Glücke unbedingt erforderlich sein soll !
Und so süß sahst Du aus in dem wallenden Schleier , wie ein richtiger Engel , und Adolf in seiner Gala mit den Generalsstreifen überwältigte mich fast !
Wißt Ihr , was ich glaube ?
Nein , es ist ßu komisch und ßu niedlich !
Daß " Tönchen " darauf brennt , es seinem Intimus nachßumachen .
Eure kleine Alice hat es ihm entschieden angetan .
Sie müssen ja beide erst ein paar Jahre älter werden , aber dann vielleicht - - wer weiß - ? - - - Das ßusammensein mit Eva und Karola war ßu nett .
Und beide so lächerlich unverändert , daß ich mich immer frage , ob ich denn auch so Gans und gar die Alte geblieben bin ?
Ich hoffe , ich darf diese Frage verneinen .
Denn es wäre schlimm , wenn die Jahre voll Mühen und Arbeit an meinem Ich vergeblich gewesen wären !
Ich werde übrigens Mal schnell Tante Adolfine fragen , die muß es wissen .
.. Später .
Hurra !
Sie sagt , ich wäre ein Prachtexemplar !
( Natürlich , denn sie wird doch ihre eigene Erßiehungsmethode nicht schlecht machen ! ! ) Außerdem sagt sie aber noch , ich sollte auf meinen Lorbeeren nicht einschlafen , ich müßte mir noch viel mehr verdienen .
Na , ich werde Euch fleißig in Krotoschewo und Lubowo besuchen , da könnt Ihr alle dabei helfen .
Oder wie wäre es , wenn Adolf sich an den Rhein versetzen ließe .
.. ?
Kinder , dieser Gedanke ! ! Kalt und heiß wird mir vor Seligkeit dabei !
Und das Klima dort würde Rosemie auch viel besser sein als der rauhe Osten .
Wer weiß , was bis dahin alles aus mir geworden ist ! ! . . . Ist es nicht herrlich , Pläne ßu schmieden ?
Bleibt gut und bringt Eure unveränderte Liebe wieder mit heim Eurer Tu til .

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2025). Rayle, Marga. Als Majors Einzige heimkam. Bildungsromankorpus. https://hdl.handle.net/21.11113/4c0bk.0