DES
MODERNEN VERKEHRS.
VERLAG DER H. LAUPP’SCHEN BUCHHANDLUNG.
1893.
[[II]]
DRUCK VON H. LAUPP JR. IN TÜBINGEN.
[[III]]
VORWORT.
Ueber die Entwickelung des Verkehrs und speziell
der Post, welche als Erstling der Transport-Organisation
voransteht, ist eine Jahrhunderte alte Litteratur vorhanden:
schon vor Ablauf des 17. Jahrh. waren mehr als 60 Ab-
handlungen darüber erschienen; nur die Uebersicht über
die bisher herausgegebenen Werke würde einen starken
Druckbogen beanspruchen.
Die meisten dieser Arbeiten sind unkritische Kom-
pilationen; nur einige wenige Schriftsteller, wie Stephan,
Rübsam u. a. haben eigene Studien angestellt. Damit hängt
eine Lücke in der überreichen Litteratur zusammen; es fehlt
nämlich noch an einer Darstellung der Verkehrs-Organi-
sation, wie sie z. B. im byzantinischen Reich, und später
beim Ausgang des Mittelalters in Brügge, Antwerpen, Bar-
celona, Lissabon, Rom, Mailand, Venedig, Genua, Siena,
Florenz, Neapel, ferner bei den Deutschordensrittern, in
Wien, Hamburg, Basel, Strassburg und in sonstigen deutschen
Reichsstädten, sowie an den französischen Hafen- und Mess-
plätzen bestanden hat. Es ist noch so viel Detail aufzuklären,
dass dies die Kraft und die Mittel eines Einzelnen weit über-
steigt. Bei dieser Sachlage konnte das einzige Ziel vor-
liegender Untersuchung darin bestehen, nach Massgabe der
Gesamt-Entwickelung die Wechselbeziehung von Technik
und Organisation in das richtige Verhältnis zu setzen, aus
dem Werden und aus den Bedingungen des Entstehens
das Gewordene und die Wurzeln seines Bestandes offen
[IV] zu legen, neue Gesichtspunkte aufzustellen und zu weiteren
Spezialforschungen die Anregung zu geben.
Weiter das Ziel zu stecken lag auch deshalb nicht in
meiner Absicht, weil die gegenwärtige Abhandlung nur
einen Teil eines demnächst erscheinenden dreibändigen
Werkes bildet, in dem ich den Einfluss des modernen Ver-
kehrs auf die Theorie und auf das Erwerbsleben, die da-
durch bedingte Umwälzung in den sozialen, politischen und
Produktions-Verhältnissen zur Darstellung bringe. —
Aus Raumersparnis habe ich von der Anführung der
Quellen-Belege und der jeweiligen Abweichungen von der
traditionellen Anschauung vielfach Umgang genommen;
beides wird sich demjenigen, der der gewiesenen Spur folgt,
und in das Detail eindringt, von selbst darbieten.
[[V]]
INHALTS-VERZEICHNIS.
- Seite.
- Kap. I. Die Entwickelung des Verkehrs, seine direkten und indi-
rekten Förderungsmittel, (Fahrbahn, Weltstrasse und Motor
als Werkzeuge des Handels) (s. Anl. 1) 1 - Kap. II. Die Organisation des Verkehrs und ihre primäre Entwickel-
ung. (Die Methoden für die Rekonstruktion des ältesten
Postwesens: Evolution oder Erfindungsakt?) 14 - Kap. III. Beschleunigung der Transportleistung: zunächst technisch,
dann durch systematische Einrichtung direkter Routen, deren
Einteilung in Stationen und der Unterlegung frischer Pferde. - 1) in der römischen Kaiserzeit (s. Anl. 2) 32
- 2) zur Zeit der Karolinger (s. Anl. 3 und 4) 46
- Kap. IV. Regelmässigkeit des Betriebs: Entwickelungskeime
- 1) in den Botenanstalten der mittelalterlichen Korpora-
tionen (s. Anl. 6) 51 - 2) in den Relaisstationen der Territorialherren (s. Anl.
5—8) 59 - Kap. V. Kontinuität der Verbindung zwischen verschiedenen Ländern,
fester Kurs, gemeinwirtschaftliche Verallgemeinerung des
Dienstes. Allgemeine Korrespondenz und Passagiergut-Be-
förderung 70 - Kap. VI. Zentralisierung und Universalierung (Internationalität) des
Betriebs. - 1) Regal: Entstehung (s. Anl. 9—13) 86
- 2) Volkswirtschaftlicher und politischer Hintergrund der
Kaiserl. Lehens-Verleihung 92 - 3) die Verdienste der Taxis als Entdecker der Post und
Förderer des Gemeinwohls (s. Anl. 14) 106 - 4) Entwickelung der Landesposten, Befestigung des Regals.
- Kap. VII. Die moderne Umwälzung in Bezug auf die Fahrbahn und
den Motor, deren Rückwirkung auf die Verkehrsorganisation
(s. Anl. 15—17) 119 - Anlagen.
- Seite.
- Anl. 1. Natürliche Fahrbahn (zu Kap. I, S. 7 ff.) 133
- Anl. 2. Strassenwesen in der römischen Kaiserzeit (zu Kap. III, 1,
S. 34) 138 - Anl. 3. Post in China und Japan (zu Kap. III, S. 34 und Kap. IV, 8, 51) 141
- Anl. 4. Post Karls des Grossen und der Hohenstaufen (zu Kap. III,
2 und 3, S. 47 und 49) 144 - Anl. 5. Der Briefverkehr und die Botenanstalten des Mittelalters
(zu Kap. IV, S. 62) 146 - Anl. 6. Französische Botenanstalt (zu Kap. IV, S. 75) 176
- Anl. 7. Die spätmittelalterlichen Reise- und Kursbücher (zu Kap. IV,
S. 62, 74, 76 und 82) 177 - Anl. 8. Entstehung der Botenorganisation in Spanien und Italien (zu
Kap. IV, S. 68) 189 - Anl. 9. Der erste deutsche Generalpostmeister und die Ausbreitung
der Taxis’schen Familie (zu Kap. V, S. 72 und 68) 196 - Anl. 10. Transit durch Württemberg (zu Kap. VI, S. 88) 200
- Anl. 11. Henot (zu Kap. VI, S. 89) 201
- Anl. 12. Die rechtliche Begründung des Regals (zu Kap. VI, S. 91, 97) 202
- Anl. 13. Die Sage von der Taxis’schen Erfindung (zu Kap. VI, S. 107) 211
- Anl. 14. Rentabilität der ersten Postanlagen (zu Kap. VI, S. 109) 214
- Anl. 15. Die Taxis’sche Post unmittelbar vor ihrer Aufhebung (zu
Kap. VI, S. 118) 216 - Anl. 16. Ausbau und Rückwirkung der Organisation (zu Kap. VII,
S. 119 und 127) 218
[]
LITTERATUR.
Uebersichten über die vorhandene Litteratur geben:
- Christian Leonhardi, Scriptores et Excerpta Juris Postarum, Leipzig
1710 (dem Exemplar der Halle’schen Universitätsbibliothek ist zugleich
eine 1772 angelegte Kollektaneen-Sammlung von 68 Nummern ange-
bunden); - Vischer, Ch. G., Allgemeine geschichtliche Zeittafel des Postwesens.
Tübingen 1820, S. 43—59; - Ritter, Die Reichspost der römischen Kaiser, Berlin, Habel 1880, Anm.
S. 28—30; - Götz, Die Verkehrswege im Dienste des Welthandels, Stuttgart 1888,
(passim); - Thebussem, Un pliego de Cartas, Madrid 1891, S. 159—171;
- L’Union postale, 1885, Nr. 9, (österr. Postwesen);
- Rübsam, Zur Geschichte des internationalen Postwesens im Historischen
Jahrbuch der Görresgesellschaft 1892, S. 16—24; - Derselbe: »Johann Baptista von Taxis, ein Staatsmann und Militär unter
Philipp II. und Philipp III. 1530—1610. Nebst einem Exkurs aus der
Urzeit der Taxis’schen Posten 1505—1520«, 1889, S. XIX—XXXVIII; - Holtzendorff’s Rechtslexikon, II. Aufl., III. Bd., S. 114;
- Rotteck-Welker’sches Staatslexikon (Stephan);
- Handwörterbuch der Staatswissenschaften, von Conrad, Lexis, Elster und
Löning, 1892, XXIV. Lieferung, S. 174 und XXV. Lieferung, S. 217; - endlich die Kataloge der Bibliothek des Reichspostamtes, I. Bd. 1889, und
der Kommerz-Bibliothek in Hamburg 1864, S. 116—117 und 984;
1868, S. 326. - Von einigen in der Abhandlung citierten Werken, (welche zugleich zur ersten
Einführung dienen mögen), lautet der volle Titel: - O. Veredarius, (pseudonym erschienenes Prachtwerk), das Buch von
der Weltpost 1885; - Hartmann, Entwickelungsgeschichte der Posten, 1868;
- Flegler, Die Geschichte der Posten, Nürnberg, 1858;
- Lopez Licata, Compendio della storia postale universale, Messina, 1887;
- Delmati, Legislazione postale interna et internazionale, Napoli, 1890;
- Benetti, Dissertatio de cursu publico, Rom, 1778;
- Anales de las ordenanzas de Correos de Espanna, 1879—1881. —
[]
Kap. I.
Die Entwickelung des Verkehrs, seine direkten
und indirekten Förderungsmittel.
Die geschichtliche Darstellung des Verkehrs und seiner
Förderungsmittel kann man nach ihrem heutigen Stande
und mit Rücksicht auf eine Methode, welche sich lediglich
an die überlieferten Urkundenbelege hält, nicht anders ein-
leiten, als dass man zunächst den inneren Zusammenhang
beleuchtet, in welchem die Verkehrsmittel mit dem ge-
samten Staats- und Erwerbsleben eines Volks stehen. Der
Boden, aus welchem der Verkehr naturgemäss herauswächst,
wird gebildet durch die politischen, Handels-, Erwerbs-,
Familien- und Freundschafts-Interessen. Im gleichen Schritt
mit diesen Interessen und Bedürfnissen erfolgt auch das
weitere Gedeihen des Verkehrs: es unterliegt organischen
Gesetzen, welche für die kombinierende Rekonstruktion
älterer Verkehrsformen nicht minder zu beachten sind, als
die vorhandenen Urkunden-Belege. Auch ohne die letzteren
ergiebt sich schon an sich die geschichtliche Entwickelung
des Verkehrs einerseits aus seinen Grundlagen, insbesondere
aus der arbeitsteiligen Produktion und der Bevölkerungs-
dichtigkeit 1), andererseits aus seinen beiden Hauptbestand-
Huber. 1
[2] teilen, nämlich dem Handel (oder der berufsgemässen
Tauschvermittlung und der Vervielfältigung der Handels-
objekte) und dem (Waren-)Transport. Sind einmal
diese beiden Hauptbestandteile vorhanden — ihren Ursprung
kann man bis auf die Urstufe der Zivilisation zurück ver-
folgen — so ist das Ziel und Mittel für die weitere Heraus-
gestaltung beider: Sicherheit, Regelmässigkeit
(der Tausch- bezw. Transport-Akte, sowie der Handelsbe-
ziehungen), und die Gewerbmässigkeit des Handels
und Transports. Für diese ihre gesetzmässige Weiterent-
wickelung nun haben Handel und Transport zwei natur-
gemäss, im Wesen des Verkehrs 1) gegebene Angriffspunkte,
nämlich Zeit und Raum, die beiden Grundbedingungen allen
Handelns und Wirkens. Seinem Begriff und Wesen nach
besteht der Verkehr in der Ueberwindung der Divergenz
von Zeit und Raum. Direkt erleichtert wurde diese Ueber-
windung, bis in die letzten Jahrhunderte herab, lediglich in
Bezug auf die Fahrbahn und zwar durch Ausbildung
des Wasserwegs und der Weltstrassen; erst die Neuzeit
1)
[3] gewann verschiedenen indirekte Förderungsmittel und als
direkte Erleichterung die Verfeinerung der Verkehrs-Or-
ganisation, sowie einen neuen Motor.
Auch dieser Vollzug der »Gravitationsgesetze« des
Verkehrs gieng nicht von ungefähr vor sich. Solange
die Technik des Strassenbaus noch in den Kinderschuhen
steckt, bietet die Wasserstrasse den sichersten und billigsten,
oft den einzig möglichen Weg. Wenigstens für den Warenver-
kehr war die Benützung des Landwegs Jahrtausende lang (bis
zum Aufkommen des Chausseebaus unter Colbert) im Ver-
hältnis zu den billigen und sicheren Wasserstrassen mit zu
viel Opfern an Zeit, Geld und Mühe verknüpft.
Der naturgemäss gegebene Verkehrsweg ist das Wasser,
und die naturgemäss gegebene direkte Strasse das Meer:
sobald die Küstenschiffahrt zur wagenden Hochseeschiffahrt
vorangeschritten ist, bildet das trennende Meer die verbin-
dende Brücke zwischen den sich bisher fremden Ländern
und Völkern.
An den natürlichen Verkehrswegen, an Flüssen oder
an Meeresküsten, womöglich an beiden zugleich, erstehen
auch die ersten Menschen-Ansiedelungen, und alle die volk-
reichen Städte der Erde, für welche die Ursache des
Entstehens und Heraufwachsens unschwer in ihrer Beziehung
zum Wasser nachgewiesen werden kann.
Das ist die Geschichte des Verkehrs in ihren allge-
meinsten Umrissen. Für unsere Zwecke genügt es, im fol-
genden noch kurz die Ausbildung der Weltstrassen dar-
zustellen, wie sie vor und neben der Organisation erfolgt ist.
I.
Jeder geschlossene Kulturkreis erhält sein Gepräge
durch die Vermittelung zwischen denjenigen Länderkom-
plexen, welche einer verschiedenen Kultur- bezw.
Wirtschaftstufe, z. B. der sogen. Naturalwirtschaft oder Geld-
wirtschaft, der Agrikultur- oder Manufakturstufe angehören.
1 *
[4] Die Verschiedenartigkeit der Kultur und der Bedürfnisse
gestaltet die sich ergänzenden Wechselbeziehungen beson-
ders lohnend, und bildet gleichsam sich gegenseitig an-
ziehende Gegenpole heraus. Nur ist zwischen zwei so ver-
schiedenen Welten ein dauernder Verkehr sehr selten; bis
vor wenigen Jahrhunderten war der einzige dieser Art der
zwischen Europa und den vier asiatischen Kultur-
reichen, nämlich dem babylonisch-persischen, dem ägyp-
tisch-arabischen, dem indischen und dem chinesischen.
Damit waren die beiden Unterlagen der Kommunikation:
die Fahrbahn und die Art der Handelsobjekte für
Jahrtausende vorausbestimmt. Von den mythenhaften Zü-
gen der Phönizier und Griechen an bis herab auf den heu-
tigen Tag bewahren die Tauschbeziehungen insofern einen
gewissen Grundzug, als die eine Nation die Rohprodukte,
die andere die Fabrikate, der Osten und seine ältere Kultur
hauptsächlich Textilfabrikate (Phönizier Purpurgewänder,
Araber und Chinesen Seidengewänder), der Westen Metalle
(England im Altertum Zinn, in der Neuzeit Eisen und Silber)
liefert.
Auch die Fahrbahn hat sich im Grundzug nicht gar
sehr verschoben. Die Vermittelung zwischen den beiden
Welten war an eine bestimmte Strasse und an eine be-
stimmte Hand gebunden.
Was die Binnenverkehrs-Linien anbelangt, so
weist deren Geschichte wenig Aenderungen auf. Im grossen
und ganzen ist die Route der vorgeschichtlichen Karawanen
und die Linie der hellenischen und römischen Strassen die
gleiche wie für unsere Eisenbahn. Es erklärt sich dies teils
aus der entwickelten Strassenbautechnik des klassischen
Altertums, teils aus einer Art natürlicher Weltordnung, welche
den Handelsstrassen zwei Richtungen zuweist; es ist dies
der Zug nach Süden und der nach Westen:
beide schaffen seit Jahrtausenden die Völkerstrassen für die
[5] alten Krieger und für die modernen Armeen, für die Völker-
wanderung und für das moderne Nomadentum. Der erstge-
nannte, der Zug nach Süden, hat, wie ein Naturtrieb die
Völker beherrschend, zu der Völkerwanderung im 3. bis
6. Jahrhundert, der letztgenannte, der nach Westen, zu der
Völkerwanderung im 14. bis 19. Jahrhundert geführt —
gleichwie nach einem ewigen Gesetz die Meereswelle unab-
lässig den Äquator sucht, wie jedes lebende Wesen vor
Nacht und Kälte zurückschreckt und dem Licht und der
Wärme zuströmt. Der gleiche Zug nach Westen hat in
der Vorzeit alle Kulturpflanzen, die Buchstabenschrift u. s. w.
nach Europa gebracht und umgekehrt — in der Kreuzung
nach Südosten — die Kreuzzüge, die Entdeckung der Neuen
Welt (Westindien) und die ostindische Kompagnie hervor-
gerufen; immer war es Indien, das mit seinen Luxuswaren,
Gewürzen, Früchten, Oelen, Diamanten die übrige Welt
anfänglich zu dem langen Karawanenhandel, später zu den
wagenden Meeresfahrten verlockte.
Vier Jahrtausende hindurch drehten sich die Geschicke
der Menschheit um das Becken des mittelländischen
Meeres. Die beiden einschneidenden Wendepunkte: einmal
dessen Eroberung durch die Römer, sodann ein Jahrtausend
später die gleichzeitige Erweiterung des Seeverkehrs nach
Osten und Westen (am Ausgang des Mittelalters) bezeich-
nen je den Eintritt eines neuen Zeitalters.
Vor der Entdeckung Amerikas bildete der Orient-
handel zur See, wie er zwischen dem Becken des Mittel-
meers durch das Rote Meer und über den inländischen
Ozean hinaus nach China betrieben wurde, die Haupt-
schlagader in dem Organismus des Welt-
handels.
Sie war Jahrtausende ausschliesslich in der Hand der
Semiten, zuerst der Syrer, welche den Welthandel des Al-
tertums monopolisiert hatten, seit dem Verfall des griech-
[6] ischen und römischen Welthandels in der der Araber, die
dem europäischen Markt die Erzeugnisse Asiens und der Ost-
küste Afrikas zuführten und die wohl auch manches von
dem Ueberflusse Europas in den Ländern des Orients ver-
breiteten, (später übernahmen die Portugiesen, Hol-
länder, Engländer dieses Handelsmonopol).
Der gegebene Mittelpunkt dieses Verkehrs von Norden
und Südosten — Levantehandel — war im Mittelalter Italien,
zuerst Amalfi (für Sizilien-Arabien), später Venedig, (das im
15. Jahrhundert im Mittelpunkte des Welthandels stand, wie
früher Rom), ferner Genua und Pisa, (für den Geld- und
Bankdienst Florenz).
Deutschland wurde, wie Karl Wilhelm Nitzsch
wiederholt betonte, in dem früheren Mittelalter von
den Strassen des Welthandels mehr umgangen als berührt:
es fehlte ihm der Transithandel, der anderen Ländern, wie
England, Spanien, Frankreich die Geldwirtschaft (und da-
mit eine geordnete Steuerverfassung, eine parlamentarisch-
nationale Zusammenfassung der politischen und kapitalisti-
schen Kräfte) erbrachte. Auch in diesem Punkte zeigte
die Seestrasse ihr Uebergewicht über dem Landbezug; die
meisten Orientartikel wurden für die deutsche Kundschaft
von dem italienischen Zwischenhandel nach Brügges und
Antwerpen gebracht (s. Heyd, Geschichte des Levante-
handels, 1886, S. 731 und 736). Beim Ausgang des
Mittelalters führten nur zwei europäische Haupthandels-
strassen über Augsburg und Nürnberg, die eine nach
Brügge, die andere nach der Ostsee. Eine andere Welt-
handelsstrasse zog von Norden nach Konstantinopel einer-
seits über Breslau, Regensburg, andererseits den Dnjepr
hinab über Kiew, Nowgorod; letztere Weltverkehrslinie
wurde im Mittelalter von der Hansa benützt und beherrscht.
Deutlich tritt an den Wandlungen dieser Weltstrasse her-
vor, wie die Civilisation mit diesem Routensystem, mit
[7] Handel und Verkehr zusammenhängt, wie Reichtum, Macht
und Kultur der Weltstrasse folgen.
Bei deren Verlegung sinken die Staaten, bezw. Hafen-
städte, welche eben noch die höchste Kulturblüte gezeitigt
haben, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch in civilisa-
torischer Beziehung. Immer wieder aber schlägt das Meer
d. h. die Seestrasse, der natürlich gegebene Welthandelsweg
andere Konkurrenten aus dem Felde, immer wieder wird
der Puls des Verkehrsorganismus am Meer zu suchen sein!
Am Ausgang des Mittelalters wird, wie zu jeder an-
deren Zeit, die Verlegung der Achse des Welthandels,
mit Blut und Eisen durchgeführt. Die beiden (städtischen)
Eck- und Endpunkte des mittelalterlichen Weltverkehrs,
Hamburg und Venedig, mussten durch die nationalen
Staaten (zuerst Portugal und Spanien, dann Holland,
später England) und deren Zentralsitze ausgewechselt wer-
den, (und zwar deshalb, weil beide Handelsstädte nur
Interessengemeinschaften waren und ihre Bündnisse in
Sprache und Sitten keinen weiteren Zusammenhalt hatten).
Andere friedlichere Bahnen wandelte der Binnenver-
kehr; für ihn bezeichnen sinnige Erfindungen die ver-
schiedenen Fortschrittsetappen 1).
Der Türken Einbruch — eine zweite Völkerwande-
rung — hatte eine doppelte Folge: er zerstörte alle Han-
delsverbindungen mit Indien und China, und zugleich, da
den Türken in wirtschaftlicher Beziehung bis heute ihr Ur-
sprung als Wüsten-Nomaden anklebt, den Levanteverkehr,
den östlichen Mittelmeerhandel.
Dadurch wurde der europäische Luxuskonsum und
Textil-Export in andere Richtungen gedrängt, und nament-
[8] lich Portugal zu neuen Forschungen angetrieben; es hatte das
Glück, den Seeweg um Afrika nach Indien, (an dessen
Küste am 20. Mai 1498 Vasco de Gama landete) zu ent-
decken. Nun wurde Lissabon der Mittelpunkt des morgen-
ländischen Handelsverkehrs und die reichste Stadt Europas.
Venedigs Rolle war mit der Schlacht von Almeida (1508)
ausgespielt.
Zu gleicher Zeit wurde Neuspanien entdeckt, der
Welthandel drängte sich aus dem mare clausum auf den
weiten Ozean, es entstand eine zweite Welt, der Westen,
und eine zweite Welthandelsstrasse.
In den Folgen dieses Wechsels des Centrums der bis-
herigen Strasse und in der neuen Konkurrenz einer Welt-
handelsstrasse spiegelt sich deutlich, wie sehr die Kultur
von den allgemeinen Absatzverhältnissen abhängt.
In der Neuzeit bestand jede Veränderung der Welt-
Hauptstrassen in Vermehrung der Strassenzüge, speziell
der Weltstrassen, welche nicht mehr an die See gebunden,
immer zahlreicher auch das Festland durchkreuzen. Da-
neben schuf die fortschreitende Technik neue Motoren.
Die Folge ist eine Abflachung der Bedeutung der Welt-
strassen; in dem vielmaschigen Netz giebt es keine Strasse
mehr, deren Besitz einen Stapelplatz oder eine aus-
schliessliche Handelsherrschaft rechtfertigen oder auch nur
ermöglichen könnte; es giebt keine Strasse, die nicht ersetzt,
es giebt keinen Platz, der nicht umgangen werden könnte.
II.
Für die sonstige Verkehrsentwickelung übernimmt die auf-
blühende Strassenbautechnik die führende Rolle. Die künst-
liche Abkürzung der Entfernungen oder die Verbesserung
der Kommunikationswege, sowie der jeweilige Stand der Zug-
kraft hängt zumeist von dem technischen Fortschritt ab 1).
[9] Mit dem Fortschritt der Strassenbautechnik treten die
Wasserstrassen allmählich ihre Funktion als Handelswege
an die Chausseen ab (welch letztere dann wiederum
von der umwälzenden Entwickelung der Schienenstrassen
zurückgedrängt werden). Es ist nichts anderes als ein
Spiegelbild von dem Fortschreiten der Civilisation, wenn
man sich einen Ueberblick darüber giebt, wie allmählich
der Fluss- und Seeweg durch Landstrassen »konkurren-
ziert« und die bisherigen Hauptbahnen, seien dies nun
Seewege und Binnenwasserstrassen, oder Karawanenwege,
oder die neuzeitlichen Chausseen oder gar Eisenbahnen zu
Nebenbahnen werden für jenen grossen Strang, der
die internationalen Konsumtions- und Produktionsgruppen
miteinander verbindet 1).
In der römischen Kaiserzeit stärkt der gesteigerte
Handels- und Reiseverkehr auch den Landtransport, trotz
1)
[10] der Konkurrenz der Wasserstrassen. Die Kaiser beginnen
die Anlegung von Strassen für den grossen durchgehenden
Verkehr und die Beschleunigung der Nachrichtenbeförde-
rung, die ersten Elemente der Postorganisation nach grossen
einheitlichen Gesichtspunkten durchzuführen. Sie hatten
bei dem Ausbau jener Strassen — gleich den Amerikanern
bei den Pacificbahnen — den hohen Vorteil, dass sie erst
die Strassen bauten und sich die Ortschaften längs der-
selben und im Anschluss an dieselben später entwickelten:
so wurden die Römer zugleich zu systematischen Städte-
gründern.
Wie sich genau nachweisen lässt, folgte die römische
Kultur, die Gründung geschlossener Niederlassungen und
die Christianisierung dem Zuge dieser Militärstrassen 1).
In der Völkerwanderung werden römische Technik
und Organisation wie von einem Wildwasser hinweggefegt;
ihr Stand im Altertum sticht gegen den der folgenden
Periode so ab, wie etwa unsere Zeit gegen das vorige
Jahrhundert. Das ganze Kommunikationswesen des Mittel-
alters erscheint zu dem der römischen Kaiserzeit — und es ist
dies ein Zeichen des inneren Zusammenhangs der allgemeinen
Kultur und des Transportverkehrs — als ein ungeheuerer
Rückfall. Bis zum Anbruche der Neuzeit bleiben, wie die
Werkzeuge der Produktion, so auch diejenigen des
Transports und des Handels stehen. Ueberhaupt ist die all-
[11] gemeine, auch die bis in das frühere Altertum zurückweisende
chronologische Einteilung der Herausgestaltung dieser Werk-
zeuge an sich sehr einfach: den Scheitelpunkt bilden die
zwanziger Jahre unseres Jahrhunderts; die früher in Jahr-
tausenden errungenen Fortschritte halten zusammengenom-
men gegen die hernach in raschem Fluge erlangten in keiner
Beziehung, sowohl nach der Fahrgeschwindigkeit als nach
der beförderten Menge, als nach den für diesen Effekt
verwendeten Werkzeugen den Vergleich aus. Die Fort-
schritte des Landtransportwesens waren, wie Sax richtig
bemerkt, bis zu unserem Jahrhundert gegenüber dem Stande,
welchen schon das Altertum erreicht hatte, geringfügig
und »beschränkten sich streng genommen auf die verbesserte
Konstruktion der Vehikel.«
Mehr kommen die indirekten Faktoren des Verkehrs
in Betracht, zunächst die Städte-Entwickelung. Das
Städtewesen, genauer das inselartige Auftauchen von
Städterepubliken aus der allgemein herrschenden Agrar-
wirtschaft bildet das Wahrzeichen dieser Verkehrsperiode.
Um die Städte drehen sich die Hauptpunkte des dama-
ligen Verkehrs und der ganze Gewerbebetrieb, (Hansa
in Bergen, Nischni, Londoner Stahlhof, Wisby; ober-
italienische Städterepubliken: Genua, Venedig,
Florenz, Pisa; Städtebund in Schwaben und am Rhein).
An die Städte schliessen sich andere Verkehrsmittel
an, so die Messen und Märkte, und die Börsen, (welche
am Ausgang des Mittelalters aufkommen). Als ein weiterer
indirekter Faktor spielt herein: die Gründung übersee-
ischer Kolonien, zuerst zur Zeit der Kreuzzüge durch die
italienischen Städterepubliken; die Weiterentwickelung der
alten Seeversicherung, die Erfindung der Buchdruckerkunst,
die Entwickelung der Presse 1) und der Gasthäuser (vergl.
[12] die Schilderung des Erasmus von Rotterdam gegenüber
den heutigen Schweizer Hotels und Münchener Bierpa-
lästen).
Durch all das wird das volkswirtschaftliche und ge-
sellschaftliche Zusammenwirken, der Verkehrsorganismus
und damit indirekt auch der Transportdienst gekräftigt.
Je weiter bei diesem Uebergang von der sogen. »Natural-
wirtschaft« zur »Geldwirtschaft« die arbeitsteilige Produk-
tion sich vervollkommnet, desto mehr schreitet auch der
Güteraustausch und der Gütertransport voran, und je mehr die
Kultur sich in geistiger Beziehung entfaltet, desto reger wird
der Verkehr (auch der in der Ferne)1); im gleichen Masse ge-
winnen der Fernverkehr und anderseits die Regel-
mässigkeit der Tauschbeziehungen an Bedeutung. Damit
werden die Raum- überwindenden Transportmittel für das
Kulturleben unentbehrlich, und steigen zu Kultur-Grad-
messern empor; damit tritt aber auch das Bedürfnis nach
einem planmässigen System und einer ziel bewuss-
ten Organisation des Beförderungsdienstes auf.
[13]
III.
Fast unscheinbar kam beim Anbruch der Neuzeit
neben den blutigen Weltumwälzungen, welche die Erde
Jahrzehnte lang mit zerfleischenden Kriegen erfüllten, für
den Binnenverkehr eine »belle invention«, die Post (»Ah!
c’est une belle invention que la poste!« sagte die schreib-
selige Frau v. Sevigné) auf: wie früher Litteratur, Kunst
und Jurisprudenz, so wurde damit auch für das Kommu-
nikationswesen eine Renaissance eingeleitet. Wie im
formalen Verkehr (im Recht), so kommt auch im realen
(Tausch-)Verkehr die Renaissance der Welt des römischen
Kaisertums näher. In der Geschichte des Verkehrswesens
ist die Post die Wurzel und der Repräsentant des dritten,
neben der Fahrbahn und Motor bestehenden Verkehrs-
faktors, der Organisation, d. h. des ziel- und planmäs-
sigen ineinandergreifenden Zusammenarbeitens ein-
mal zunächst der einzelnen Tausch- und Transportverkehrs-
akte, dann aber auch der Produktionsakte, des allgemein
sich gegenseitig befruchtenden Wechselstroms von Produk-
tion und Zirkulation, bezw. der verschiedenen politischen,
Familien- und Tausch-Beziehungen.
Unter dem speziellen Gesichtspunkte des Transport-
fortschritts steht diese aus unscheinbaren Anfängen nur
allmählich herauswachsende Organisationsidee ebenbürtig
neben der Erfindung z. B. der Magnetnadel. Sie dient einem
Organismus, dem lebendigen von selbst gewordenen Tausch-
verkehr, und ist eine Organisation, eingerichtet für Regel
und Ordnung, für das Zusammenarbeiten nach einem be-
stimmten Plan und System. Als solche wie in dem Erfolg
und Wert eines solchen Arbeitens ist sie ein Abbild des
Staates. Ohne Gemeinsamkeit, ohne Zusammenarbeiten
kommt kein Weg, keine Verkehrsanstalt zu Stande. Damit
aber hat die Transportorganisation einen wesentlich gemein-
wirtschaftlichen Charakter; sie eignet sich vorwiegend für
[14] den öffentlichen (staatlichen) Betrieb, (giebt auch bei pri-
mitiven Gemeinschaften z. B. in Kolonien oder im Urwald
z. B. in Gestalt des Bedürfnisses nach einer Brücke, einem
Fahrweg den ersten Anstoss zur Bildung einer Gemeinde,
oder gar eines Staates).
Es ist nicht zufällig, dass erst allmählich in dem Ueber-
gangsstadium der letzten Jahrzehnte, wie es hauptsächlich
durch den Transportfortschritt hervorgerufen worden ist, das
Wesen der nationalen Wirtschaft als eines sich ergänzenden
Organismus erforscht und erkannt worden ist. Denn noch
nie zuvor war durch ein praktisches Beispiel so deutlich
vor Augen geführt worden, in welch engem Zusammenhang
die einzelnen Zweige der Staatsverwaltung und die einzelnen
Förderungsmittel der Volkswirtschaft (Association, Kredit
u. s. w.) mit der inneren Entwickelung eines Volkes stehen.
[[15]]
Kap. II.
Die Organisation des Verkehrs und ihre primäre
Entwickelung.
Die Organisation des modernen Verkehrs findet ihrem
Wesen wie ihrer Entstehungsgeschichte nach die deutlichste
Klarlegung dort, wo diese Organisation noch nicht so
kompliziert und »verknotet« zu Tage tritt, nämlich in ihren
ersten Keimen d. h. in den Anfängen der Post; ihr Auf-
kommen und ihre Weiter-Entwickelung giebt für den wirt-
schaftlichen Charakter, für die allmähliche Herausentwick-
lung, sowie für das organische Ineinandergreifen der Eisen-
bahn und der Dampfschiffahrt, des Telegraphen und des
Fernsprechers, der Presse und der Briefe das deutlichste
Spiegelbild. Sie ist das Schulbeispiel dafür, wie die einzelnen
Hebel und Einrichtungen der heutigen »Zirkulation« einer-
seits in ihren ersten Anfängen mit der Kriegführung
und mit der Kriegsbereitschaft zusammenhängen, anderer-
seits zugleich als Folge und Ursache in einer dualist-
ischen Wechselbeziehung mit den Bedürfnissen von
Handel und Gewerbe stehen und wirken. Die Zirkulations-
Hebel sind nicht denkbar ohne gemeinwirtschaftliche Be-
dürfnisse, denen sie entspringen und auf Grund deren sie
sich allmählich herausentwickeln; sind aber diese Einrich-
tungen einmal entwickelt, so wecken und verstärken sie
auch diese gemeinwirtschaftlichen Bedürfnisse (den soge-
nannten »latenten Verkehr«).
[16]
Ihrem Wesen nach sind die Verkehrsanstalten ein Spie-
gelbild einerseits der sozialen und politischen Einheit eines
Staates, andererseits der Gemeinsamkeit und Zusammen-
fassung des Bedürfens und der Interessen des Volkes. Spe-
ziell die erste Einführung eines (regelmässigen) Postdienstes
(aber auch dessen Rentabilität), hat eine derartige politische
und soziale Einheit, und dementsprechend das Vorhanden-
sein eines Bedürfnisses für die Unterhaltung einer ununter-
brochenen ständigen Verkehrs-Verbindung zwischen den
beiden Endpunkten zur naturgemässen Voraussetzung.
Aus diesem allmählich sich steigernden (Verkehrs-)Be-
dürfnis wächst die Post-Einrichtung organisch empor; so
wenig als irgend ein anderer Verkehrs-Hebel, ebensowenig
kann sie von eines Menschen Geist erfunden oder künstlich
geschaffen werden.
Zu Anfang des 18. Jahrh. schrieb zu den Jahrhunderte
währenden Taxis’schen Prozessen der Autor der »Donau-
wörth’schen Information«: »Wenn man ad incunabula
des heutigen Postwesens gehen will, so muss man nicht ad
Bartolum et Baldum, oder auf die Zeiten Julii Caesaris
und Tiberii zurückgehen. Unter dem Deckmantel der Rö-
mischen und Longobardischen Post-Weise ist viel Lärmens
und Streitens, welche auch die berühmtesten Männer inein-
ander hineingeworfen, und durch dieses Gemenge, ein so
grosses Gewirre erregt haben.« Das gleiche, was vor bald
zwei Jahrhunderten bei dem erregten Interessenkampf, das
gilt auch heute noch. Auch die neueren Schriftsteller
machen immer noch »viel Lärmens« von den Anfängen,
den »incunabula« der römischen oder Taxis’schen Post,
legen aber damit nur ein Zeugnis dafür ab, dass sie das
Wesen eines volkswirtschaftlichen Instituts oder Verkehrs-
Hebels im allgemeinen, wie speziell dasjenige
der Post noch nicht erfasst haben.
Schon gemäss der wirtschaftlichen Natur der Post
[17] ist es vergeblich, nach einem »Erfinder« zu suchen, und un-
zulässig, von einer »Erfindung« zu sprechen. Es verhält
sich mit dieser »Erfindung« wie mit der eines jeden anderen
Verkehrsinstruments, z. B. mit der des Geldes: auch zur
Herausbildung des Geldes waren Jahrhunderte erforderlich;
die Erfindung des Geldes und seiner Umprägung dem lydi-
schen Gyges oder dem argivischen König Pheidon anzu-
dichten, ist ebenso widersinnig, als wenn die Erfindung
der Post dem Franz v. Taxis zugeschrieben wird. That-
sächlich galt es denn auch (wie für die römischen Kaiser)
für Taxis nicht, etwas Neues und Fertiges zu schaffen,
sondern nur eine stehende Privat-Einrichtung je nach den
wachsenden Bedürfnissen des sich mehr und mehr zentra-
lisierenden Staates allmählich auch für die Verwaltung
des Staates zu verwerten.
Hienach ist die Frage: wann erstand eine Post-Ein-
richtung? genauer dahin zu formulieren: wann zeigte sich ein
Bedürfnis nach einer engeren (postmässigen) Verbindung?
war damals die Strassentechnik und der allgemeine Ver-
kehr schon so weit vorangeschritten, dass eine solche
Verbindung hergestellt und auch aufrecht erhalten werden
konnte? Ein derartiges Bedürfnis nun wird sich zuerst
kundgeben aus militärischen bezw. politischen Rücksichten
für die Regierung, sodann aus wirtschaftlichen Gründen
zunächst für die Handelswelt und für seine ständige Fühlung
mit den Preis-Konjunkturen. Beide Faktoren, der militärische
wie der spekulativ-kommerzielle wurzeln in einem ge-
meinsamen Kulturprozess, nämlich in einer gesteigerten
Zentralisierung und Universalierung, d. h. in demjenigen
Kulturprozess, den man mit den Namen »Geldwirtschaft«
bezeichnet. In der allmählichen Herausgestaltung dieser
Geld- oder Verkehrs-Wirtschaft bildet bei den verschie-
denen Nationen die jeweilige Einführung der Post einen
bedeutsamen Abschnitt. Die Post gehört in erster Linie zu
Huber. 2
[18] den Mitteln der Kriegsführung und Kriegsbereitschaft,
und ist schon deshalb in der Kette der Glieder für die
friedliche Arbeits-Organisation das zeitlich älteste, daher
sowohl die Ursache der Ausbildung der Geldwirtschaft,
als in ihrer weiteren Vervollkommnung ein Sympton der-
selben, des Grades und der Intensität der Ausbreitung
dieser Kulturstufe.
Bei dem Doppelcharakter nun, den die Post, wie
jedes Kommunikationsmittel: (nämlich den militärisch-poli-
tischen neben dem heutigen gemeinwirtschaftlichen) hat,
kann nur ersterem der erste Anstoss zur Einrichtung des
Verkehrsinstituts angehören. Wie die ersten technischen
Werkzeuge, ist auch diese wirtschaftliche Organisation aus
dem Kriegswesen bezw. dem Felddienst herausgewachsen:
zuerst diente sie als Kriegsinstrument, in der Folge aber
auch der Zivilverwaltung. Grosse Monarchien, wie zuerst das
Perserreich unter Cyrus, dann das Römerreich, das Reich
der Kalifen und Karls V., auch China, bedurften frühzeitig
von ihrer entlegenen Landesgrenze raschester Mitteilung mili-
tärisch wichtiger Nachrichten an die Hauptstadt, bezw. an
das Hoflager. Sie hatten daher einen regelmässigen militäri-
schen Staffettendienst eingerichtet, zunächst als Teil je-
weiliger kriegerischer Expeditionen 1).
So viel zur Zeit des ersten Aufkommens der Post.
Wer sich über das wirtschaftlich gemeinnützige Wesen
dieser Organisation und über den für sie charakteristi-
schen Grossbetrieb klar ist, dem steht auch, noch ehe
er einen Blick in die Quellen geworfen und ehe er sich
über den thatsächlichen Hergang orientiert hat, ihre Ent-
stehungszeit von vornherein klar vor Augen. Man könnte
ebenso gut wie von einer Natural-, Geld- und Kreditwirt-
[19] schaft, von einer Fussboten-, Reitkurier-, Postkutschen-,
Eisenbahn- und Telephon-Wirtschaft reden; es wäre viel-
leicht diese Unterscheidung für das Nacheinander und das
heutige Nebeneinander der verschiedenen Kulturstufen be-
zeichnender als die gebräuchliche. —
Nun muss man sich weiter vergegenwärtigen, dass
bei einer Organisation das, was einem primitiven
Alarm- (oder Verkehrs-)Bedürfnis dient, wesentlich etwas
anderes darstellt, als was aus einem intensiveren Bedürfnis
herauswächst. In der vulgären Rekonstruktion der älteren
Posteinrichtungen begegnen wir einem ähnlichen optimis-
tischen Uebereifer, wie er z. B. bis vor einem Jahrzehnt
in der Rekonstruktion der Römerstrassen geherrscht hat.
Wie man früher den Ausbau des ganzen Strassennetzes
schon für die Zeit des Kaiser Augustus voraussetzte und
zugleich annahm, dass diese Strassen von Anfang an mit
bewundernswerter Terrainkenntnis, mit stets passendem
Material und stets in genauer Anpassung an ihren mili-
tärischen Zweck, also ohne irgend einen Fehler in ihrer
Anlage ausgeführt seien, ebenso soll, phantasieren die
meisten, die kaiserliche römische Post fix und tadellos schon
unter den ersten Kaisern funktioniert haben. Je weniger
man ferner von einer Post-Organisation z. B. Karl’s des
Grossen wissen konnte, umso mehr wurde davon fabuliert.
Ebenso wird weiter die französische Postorganisation, weil
Karl VIII. in einer Verfügung von 1487 von der »poste«
spricht, und die englische Postorganisation, weil die Königin
Elisabeth da und dort berittene Boten gebrauchte, je um
150 Jahre zurückdatiert u. s. w.
Im Wege einer weitherzigen Interpretation wird so die
Entwickelung von Jahrzehnten und Jahrhunderten in einen
Moment der angeblichen »Erfindung« zusammengedrängt.
Dem steht aber ein zweites Moment entgegen, nämlich das
Wesen und die komplizierte Zusammensetzung speziell der
2 *
[20]Postorganisation. Noch mehr als irgend ein anderes
Verkehrsinstitut unterliegt sie den Gesetzen eines Heraus-
wachsens auf organischem Wege; gemäss diesen Evolu-
tions-Gesetzen werden überall zuerst lediglich Berufs-Boten
angestellt, später Relais-Stationen für den Pferdewechsel
gelegt: das bedeutet aber noch lange nicht eine Post-Or-
ganisation; erst von Stufe zu Stufe, nach langen Zwi-
schenräumen kommt das eine oder andere wesentliche Merk-
mal der heutigen Post hinzu.
Die Post der obengenannten Herrscher war — unbe-
schadet ihrer sonstigen thatkräftigen und schöpferischen Ini-
tiative — keine Post in dem Sinne, als das Wort heutzutage
für jene Zeit verwertet wird. Der primitive militärische Staf-
fettendienst des Kaisers Augustus z. B. fusst auf der uralten
Verpflichtung zur Aushilfe in augenblicklich dring-
ender Not, auf der Pflicht der Unterthanen und Adjazenten
hiezu gegenüber dem Reichsoberhaupt und seinen
Kommissären, (wie später bei dringenden Reisen der Reichs-
herolde, der »missi« Karls d. Gr.)
Ueberhaupt gelangte das Altertum, und zwar bloss im
Perser- und Römerreich, nicht weiter, als zu dem System
der stationsweisen Unterlegung frischer Pferde und der Auf-
stellung besonderer Reitboten, wodurch für die jeweils an-
fallenden wichtigen Staatsdepeschen eine Beschleunigung
des Fernverkehrs erzielt wurde.
Es war dies ein sehr grosser Fortschritt, wie man am
besten an der Bewunderung ermessen kann, welche der
persische Ordonnanzdienst bei Xenophon, Herodot und Ari-
stoteles gefunden hat, (die Rapporte von Sardes bis Susa
brauchten nur 5—7 Tage, während ein Fussgänger das
15fache hiezu benötigte.) Nur bedeutet dieser Relaisdienst
erst den schüchternen Anfang zu einer Postorganisation im
modernen Sinn, aber noch lange nicht die Post selbst. —
Es ist dies nicht etwa eine kleinliche Unterscheidung,
[21] sondern von Bedeutung für die grundsätzliche Auffassung
der ganzen wirtschaftlichen Entwickelung. Was ich damit
meine, will ich durch einen Vergleich mit analogen Ver-
kehrs-Einrichtungen verdeutlichen. Wollte z. B. jemand
behaupten, schon die Römer hätten einen Bank- und
Giroverkehr gehabt, so würde jedermann dies sofort als eine
anachronistische Ungeheuerlichkeit erklären. Und doch
hatten die publicani, die Handelsgesellschaft der Steuerpach-
ter in allen Gegenden des Reiches einen bankartigen Geld-
umtrieb und an ihrem Zentralsitz in Rom eine Geld-Ausgleich-
stelle, also einen Kreditverkehr, welcher als der Vorläufer der
modernen Einrichtungen betrachtet werden kann: aber es
fehlte hiezu noch an der Technik, an den Verkehrs-Instru-
menten (Wechsel etc.), an den Motoren (Bank), an der ganzen
Organisation. Deshalb stünde die Behauptung: schon zur
Römerzeit bestand ein Bankverkehr, im Widerspruch mit
den ersten Grundsätzen der Wirtschaftsgeschichte. Ganz aus
den gleichen Gründen aber ist es, schon begrifflich falsch zu
sagen: schon zur Römerzeit oder beim Ausgang des Mittel-
alters bestand eine Post.
So wenig wir z. B. von einem Wechsel verkehr in
der Mitte des 12. Jahrh. reden können, weil in jener Zeit
da und dort schon eine dem Wechsel ähnliche Urkunde
vorkommt, ebensowenig können wir für die Zeit des Kaisers
Augustus oder Karls VII. von einem Postverkehr sprechen.
Vielen genügt die geschichtliche Feststellung einer
schriftlichen Meldung (s. z. B. Belloc, l’ancienne Egypte
S. 12), eines Reitboten (z. B. der deutschorden’schen woyken)
oder Karrens, oder das Vorhandensein eines solchen auf
einer Skulptur oder Inschrift, um darin flugs den Beweis
für das Bestehen einer Post-Organisation zu erblicken.
Und doch können sich die noch weiter fehlenden ganz
wesentlichen Bestandteile einer Postorganisation erst nach
einer Entwickelung von Jahrhunderten einstellen.
[22]
Auch noch in ihrer primitiveren Form als Alarm-
dienst ist schon an sich die Post nur denkbar für die römische
Kaiserzeit, als in Italien und später in Gallien die Geld-
wirtschaft aufkam und die politische Zentralisation strammer
ausgebildet wurde; sie ist nicht möglich zur Zeit Karls des
Grossen, und sie kann erst wieder aufkommen zur Zeit der
Renaissance, als sich ein grösseres Reise- und Korrespon-
denzbedürfnis zu entwickeln beginnt 1).
Erst im 16. Jahrh. findet sich die Vorausbestimmung
der Ankunfts- und Abfahrtszeit (des Kurses), sowie der
Tarife, einige Jahrzehnte später der Grossbetrieb, das un-
unterbrochene Ineinandergreifen des Routensystems, schliess-
lich die Erleichterung der Korrespondenz durch möglichste
Verbilligung (neben der Raschheit, Regelmässigkeit und
Sicherheit) der Beförderung. Naturgemäss aber ist das
komplizierte, systematisierte »Postwerk« der letzten Ent-
wickelungsstufe nach der Technik wie nach der Organi-
sation etwas wesentlich anderes als die ursprüngliche mili-
tärische Einteilung einer Route in Stationen. Wird doch
erst mit dem Aufkommen des marktwirtschaftlichen Gross-
betriebs der ursprüngliche Hof- (bezw. Korporations-)dienst
in eine gemeinwirtschaftliche Anstalt umgewandelt, und
für das »gemeine Wesen« eingerichtet. Wo aber diese
Vervollkommnung möglich ist, da muss sich der allgemeine
Verkehr (mit seinen Bedürfnissen wie mit seinen Mitteln)
viel intensiver entwickelt haben, als es im Altertum, etwa
von der spätrömischen Kaiserzeit abgesehen, der Fall war.
In der ersten Zeit kann nur auf Bestellung, allmählich
[23] aber auch »pour tout le monde«, für den allgemeinen Markt
produziert werden; der erste Besteller ist der Kriegsherr,
ihm folgt der Handelsherr, der für seine Spekulationen einer
raschen Beförderung der Nachrichten über Konjunkturen
und Preise bedarf. Zunächst lohnt sich die Ueberbringung
von Meldungen nur bei aussergewöhnlich ernstem Anlass;
in der Folge sind auch minderwichtige, später sogar die
alltäglichen Vorkommnisse von Interesse für beide Teile.
Damit erweitern sich immer mehr die »Konsumenten-
Kreise«; nur ist dort, wo sich ein Bedürfnis nicht mehr bloss
für Alarm- und Handels-Nachrichten, sondern auch für eine
regelmässige Verbindung einstellt, die Voraussetzung die,
dass die innere Verwaltung und der Handelsverkehr sich
konsolidiert, das politische und soziale Zusammengewachsen-
sein des Volkes sich befestigt, der allgemeine Verkehr und
die allgemeine Bildung schon eine entsprechende Höhe er-
klommen hat.
Die aufgezählten, einander organisch bedingenden ein-
zelnen Bestandteile und die wirtschaftlichen Vorausetzungen,
an welche eine derartige Einrichtung gebunden ist, sollten
die feste Richtschnur für die Zusammenfassung der neueren
Forschungs-Ergebnisse bilden. Es handelt sich hier um
einen gemeinwirtschaftlichen Grossbetrieb, dessen Wirken,
weil im gesellschaftlichen Leben wurzelnd, keine greifbaren
Spuren hinterlassen kann. Ein direkter Urkundenbeweis
ist für die ersten Anfänge, wo die Massenbewältigung noch
sehr bescheiden funktioniert, nicht gegeben; selbst wo die
Worte »Post« gebraucht werden, und das Vorhandensein
einer Posteinrichtung scheinbar urkundlich belegt ist, selbst
da ist nur ein Indizienbeweis, nur eine Rekonstruktion mög-
lich, für welche die jeweilige Gesamtlage des Erwerbslebens
oft noch massgebender ist, als die eine oder andere Urkunde.
Als Beispiel dafür, wie ich eine solche Rekonstruktion
verstehe, kann ich die Zeit um die Wende des 15. Jahrh.
[24] anführen: nach der gewöhnlichen Darstellung wurde damals
in Frankreich die Post eingerichtet, bestand aber eine solche
noch nicht in Deutschland; so sagt z. B. Quetsch, »Ge-
schichte des Verkehrswesens am Mittelrhein« 1891 S. 118:
vor der kaiserlichen Lehenspost haben in den Gebieten der
Kurfürsten von Mainz, Trier und Köln Landesposten nie
bestanden; andererseits rühmt er den Mittelrhein als alten
Hauptknotenpunkt des Transit- und Binnenverkehrs, schon
in der Urzeit und unter der Römerherrschaft. Gemäss
meinem Ausgangspunkt ist es mir — da die Wirtschaftsstufe,
auf der Frankreich und Rheinland damals stand, nicht wesent-
lich von einander abwich, — sehr fraglich, ob auch die posta-
lische Verbindung beider Länder so wesentlich, wie gewöhn-
lich angenommen wird, verschieden war; die »poste« Lud-
wigs XI. und Karls V. ist nicht das, als was sie auf-
gefasst wird, und in Rheinland muss ein dieser »poste«
ähnlicher Botendienst funktioniert haben, wenn er gleich
vorerst noch nicht urkundlich belegt werden kann.
Ein anderes Beispiel: das alte Aegypten, das byzan-
tinische Kaiserreich, die italienischen Städterepubliken sind
politisch so zentralisiert und kommerziell so hoch ent-
wickelt, dass sie einen, wenn auch primitiven Relaisdienst
besessen haben müssen. Es liegt über denselben vorerst
auch nicht eine Urkunde vor, und doch bin ich sicher, dass
sich noch Belege hiefür auffinden lassen 1).
Ein drittes Beispiel bietet die Urgeschichte der Post:
in der landläufigen Darstellung treten — neben den Taxis
— nicht weniger als drei »Erfinder« oder »Schöpfer« der
Post auf: Cyrus, Augustus, Karl der Grosse. Diese An-
[25] nahme hat schon im allgemeinen die »Rechtsvermutung«
gegen sich, gemäss dem Erfahrungssatz, dass jede An-
knüpfung des Ursprungs einer wirtschaftlichen Einrichtung
an einem weltbekannten Namen schon an sich verdächtig
ist. Diese »Präsumtion« findet auch hier ihre Bestätigung.
Wirtschaftliche Gebilde, wie die Post, treten nicht fix und
fertig in die Welt; sie können nicht in Zeiten existiert
haben, in welchen wie z. B. unter der römischen Republik
oder unter den Karolingern oder unter Ludwig XI. noch die
erforderlichen wirtschaftlichen und politischen Voraussetzun-
gen und ein intensives Bedürfnis ermangelten.
Nun ist es wirklich auffallend, wie wenig Beachtung
diese »wirtschaftsgeschichtliche« Richtschnur in der bisheri-
gen Literatur gefunden hat, und wie oft deshalb das Gesamtbild
der Entwickelung verzeichnet wird. Eine der Aufgaben der
vorliegenden Abhandlung besteht eben darin, die Wider-
sprüche zu beleuchten, in welchen die traditionellen Schlüsse
aus den Forschungsergebnissen zu der eben skizzierten,
naturgemäss gegebenen Entwickelung des modernen Ver-
kehrs stehen. Nicht eine Gesamtdarstellung, nicht eine
Chronik der Post, sondern eine Kritik der vielen vorhan-
denen Chroniken soll gegeben werden, d. h. das, was schon vor
vier Jahrzehnten, 1858 der kürzlich verstorbene A. Flegler
als Zweck seiner »Geschichte der Posten« aufstellte (S. 39):
er gedenke, erklärte er, nicht, mit erstaunlichen aus den
Schachten der Archive gehobenen Schätzen zu überraschen;
an solchen liege schon ein unermesslicher Stoff aufgeschichtet
vor. Eher sei noch ein Bedürfnis dafür vorhanden, dass man
dem Ursprunge der Einrichtungen und den feinen, oft
unsichtbaren Fäden der gesellschaftlichen Entwickelung
nachgehe, einen Ueberblick über die Quellen-Litteratur
gäbe, wäre es auch nur, um die Lücken zu bezeichnen,
klare Gesichtspunkte zu gewinnen, und damit dem Fleisse
des Sammlers Licht und Richtung zu vermitteln. Verfolge
[26] man zu diesem Zweck die Fragen des öffentlichen Lebens
rückwärts nach ihrer geschichtlichen Entwickelung, so komme
dies nicht nur dem Triebe der Erkenntnis zu gute, son-
dern es würden auch dadurch manche Täuschungen über
die Vergangenheit zerstört, sowie Licht und Klarheit über
die Gegenwart verbreitet. Die Gesichtspunkte, welche im
Vorstehenden umgrenzt sind, sind auch die für die gegen-
wärtige Arbeit massgebenden. —
Wenden wir nun im folgenden die aufgeführten wirt-
schaftlichen Gesichtspunkte auf die Ergebnisse der Alter-
tumsforschung an, so erhalten wir von der Perser- und
Römer-Post, wie von der »Postanstalt« Karls des Grossen
und der der Taxis ein anderes Bild, als es gemeiniglich,
namentlich in dilettantischen Arbeiten gegeben wird.
Nur als Beispiel für viele ziehe ich ein bekanntes,
grösseres Werk, das von A. Rothschild (»Histoire de
la poste« IV. Aufl.) an: er führt die Entstehung der Post
auf den persischen König Artaxerxes I. zurück, mit dieser
Perserpost wird dann in weiterer Folge Themistokles, Ale-
xander der Grosse und die römische Republik in Verbin-
dung gebracht und (S. 2 u. 40) — unter Berufung auf
eine angebliche Beweisstelle des Titus Livius ausgeführt,
wie schon in frühester Zeit die römische Post aus dem be-
wunderswerten Strassennetz, zuerst der Via Appia
gleichsam habe von selbst heraus wachsen müssen.
Noch weiter zurück, als die ausländischen Schriftsteller,
verfolgt Dr. Haas (in einer 1891 erschienenen Broschüre:
»Ueber die Entwickelung der Posten vom Altertum bis zur
Neuzeit«) die Spuren der Post; sie sollen sich nämlich in
dem grauesten Altertum vorfinden.
Ebenso genau wurde z. B. vor einem Jahre in der
(Würzburger) »Gemeinnützigen Wochenschrift« (vom 25. De-
zember 1891) folgendes dargelegt: »Cäsar ahmte mit seinen
veredarii die Reitboteneinrichtung (angareion) des Perser-
[27] königs Cyrus nach. Augustus bildete diese Institution zum
»cursus publicus« aus. Später machten der Frankenkönig
Chlodwig (!) und Karl der Grosse den Versuch, nach dem
Muster der (!) cursus publici (!) Staatsposten einzurichten;
aber diese Experimente (!) waren nicht von Dauer. Im
Jahr 1516 führte Franz von Taxis eine Neuerung im
postalischen Verkehre ein, welche sich für die Zu-
kunft als ausserordentlich befruchtend erwies; er stellte
dem Kaiser Maximilian I (!) den Antrag, die Kaiser-
lichen Briefschaften unentgeltlich von Wien nach Brüssel
zu befördern. Die Verwendung von Wägen (!) zum Post-
dienst war von solchem Erfolge gekrönt, dass das Post-
monopol 1588 (!) seinem Besitzer einen Reingewinn von
100,000 Dukaten abwarf. Allmählich dehnten die Thurn
und Taxis ihre segensreiche Thätigkeit auf nahezu alle euro-
päischen Länder aus; nur (!) in England entwickelte sich
der Postverkehr ohne ihr Zuthun u. s. w.«
In diesen Darlegungen haben wir ein Gesamtbild vor
uns, das alles eher als den thatsächlichen Hergang wie-
dergiebt.
Die Unklarheiten und prinzipiellen Fehler jedoch,
welche an diesen dilettantischen Arbeiten gleichsam mit
den Händen zu greifen sind, sind nur ein verzerrtes Abbild
derjenigen, welche sich auch in wissenschaftlichen Studien,
wenn auch nicht in einer gleichen Uebertreibung wieder-
finden. Fast in allen tritt eine unkritische Methode und
ein gewisser unvorsichtiger Uebereifer zu Tage, den ich, da
er auffallender Weise wieder mehr in den letzten Jahrzehnten
sich kundgiebt, und zeitlich mit dem Auftreten dieser
Schriftsteller-Klasse zusammenfällt, den »Männern von Fach«
zuschreiben möchte. Wenigstens sind sie vor allen fast
derselben Naivität ausgesetzt, mit welcher im Mittelalter
jede Stadt ihren Ursprung, aber auch jeder fahrende Schü-
ler seinen Stammbaum auf einen Trojanerkönig oder gar
[28] auf Noah zurückgeführt hat 1). In der That ist dieser
»Amtseifer« mittelalterlich. Denn es ist kein Geringerer
als Codogno, der Vater der Postgeschichte (1608), der die
Post (S. 4, 17, 70) schon bei den »total verschollenen
Urvölkern«, bei Theseus, bei Salomon, Pyrrhus, Julius
Cäsar nachzuweisen sucht und dann (S. 9) sich kurz dahin
resolviert: »Ma sia stato Pirro, sia stato Salomone, sia stato
Theseo inventore diquesto communque si sia, resta chiaro
e manifesto l’officio di Corriero maggiore, ò sia come si è
detto di sopra, essere per la lui âtichità molto riguar-
deuole.« Auch den heutigen Kollegen des Codogno ist
diese »Ahnenprobe« eine Herzensangelegenheit, auch sie
suchen, wie ihr Vorfahre, ihre Belesenheit in ein helles
Licht zu setzen 2). Der Unterschied ist nur der, dass die
[29] Zeiten sich geändert haben und mit ihnen die Bedeutung
des Wortes »poste«: wenn Codogno die Boten des Pyrrhus,
Julius Cäsar u. s. w. als Vorfahren der »Ordinarii, Corrieri,
maestri, a piedi« u. s. w. ansieht, so hat er nicht so Un-
recht, wohl aber sein Abschreiber, welcher dadurch jene
primitive Einrichtung heute auf die gleiche Linie mit einer
Organisation stellt, wie sie sich erst allmählich gegen
Ende des 16. Jahrhunderts herauszubilden beginnt: gerade
in Codognos Tagen tritt die Wendung ein, so dass die
gleichen Sätze später einen falschen Sinn geben.
Die meisten Schriftsteller legen das Gewicht auf die
Nachweise des Werkzeugs der Post, der Vehikel und Mo-
toren. Bei einer Organisation dagegen, wie die Post ist,
kommt es auf das Wirken dieser Werkzeuge an; das
punctum saliens bildet die Art des Betriebs (Grossbetrieb,
Massenbewältigung, Intensität, Periodizität), die Art des In-
einandergreifens und Zusammenwirkens, der un-
unterbrochene Kreislauf, die Kontinuität und Einheitlichkeit
des wechselseitigen Rapports, das Objekt der Beförderung (ob
hauptsächlich Briefe? oder nur Reisende?), sowie die ge-
meinnützige Bestimmung. Diese Punkte können nur da
zutreffen, wo die Volkswirtschaft eine gewisse Entwicke-
lung erreicht hat; eine derartige Einrichtung hat ganz be-
stimmte wirtschaftliche Voraussetzungen 1) zur Unterlage.
Wird auf eine früher zurückliegende Wirtschaftsstufe die
Post zurückdatiert, so werden damit in die geschichtliche
Darlegung speziell der Bestandteile der Post, wie für die
2)
[30] Geschichte der arbeitsteiligen Produktion im allgemeinen
mancherlei Unklarheiten hineingelegt. Zur Zeit Codognos z. B.
begann sich die »Vergeistigung«, wenn ich so sagen darf,
oder die verfeinerte Systematisierung des Postdienstes erst
herauszuentwickeln; der gesamte Dienst war noch zu Anfang
des 17. Jahrh. im Postmeister und Postillon personifiziert,
deren Stellung der der Boten Cäsars bezw. des praefectus
tabellariorum noch nicht sehr unähnlich. Anders heute; an
dem heutigen systematischen Apparat bildet das korrespon-
dierende Ineinandergreifen die Hauptsache, und dies kann
ebensowenig personifiziert, als mit dem Botendienst des
Altertums verglichen werden.
Weiter war der Relaisdienst des Altertums früher das
gerade Gegenteil eines solchen gemeinnützigen und kontinu-
ierlich funktionierenden Instituts, wie wir dies heute unter
den Namen »Post« (»Ordinari«, »Omnibus«) verstehen. Wie
von vielen Militärstrassen, so heisst es von dem ganzen
Ordonanzdienst: »populo non debetur«; er funktioniert nur
bei aussergewöhnlich dringendem und zwar militärisch-po-
litischem Anlass.
Dieser Relaisdienst hat ferner wohl Briefboten,
aber keine Briefpost; er dient nicht, wie die heutige
Post, hauptsächlich der Korrespondenz, sondern nur der
Personenbeförderung, er erleichtert nur das Reisen, während
dasselbe durch die Kontinuität der modernen Post erspart
wird: vor deren Aufkommen ist der Oberbeamte und Gross-
kaufmann genötigt, einen grossen Teil seiner Zeit auf Reisen
zuzubringen; wollte der Kaufmann zur Römerzeit oder im
Mittelalter in direkte Handelsbeziehungen treten, so musste er
in Alexandria, Hierapolis bezw. in Antwerpen, Amsterdam,
Augsburg, Venedig u. s. w. sich persönlich vorstellen, und
dann in weiterer Folge sich persönlich über die Preise
und Konjunkturen fremder Märkte unterrichten. Diese per-
sönliche Vorstellung, der Besuch von Märkten und Messen,
[31] die Information an Ort und Stelle, der persönliche Inkasso
wird mit dem Aufkommen der Post immer weniger not-
wendig: der regelmässige Gang der Korrespondenz, die all-
gemeinen Markt- und Kursberichte, der Wechselverkehr 1)
machen die früher notwendigen Reisen zum grossen Teil
überflüssig; für die Waren-Vermittelung ist der persönliche
Verkehr nicht mehr in dem Grade oder überhaupt nicht
erforderlich, und reicht der briefliche Verkehr aus. Und
dies verwirklicht sich wie für die Handelsbeziehungen, in
gleichem Masse auch für den Militär- und Verwaltungsdienst.
Nun kann doch diese ganz verschiedenartige Funktion
und Wirkung nicht dem gleichen Institute angehören; aber
trotzdem wird auch die primitive Einrichtung fast überall
mit den gleichen Namen »Post« bezeichnet, wie die mo-
derne Organisation. Demungeachtet nehmen die »Anales«
Licata, Lopez, Delmati, Belloc (»Les postes françaises«
1876 S. XI.) u. a. an, es habe in Aegypten, Indien, Grie-
chenland wenigstens eine »primitive«, im Perserreich eine
voll organisierte Post bestanden. Dies können sie nur
deshalb, weil sie unbewusst, oder ausdrücklich davon
ausgehen, dass der Ursprung der Post innig mit dem-
jenigen schon des Staates und der blossen Tausch-
wirtschaft verbunden sei; Belloc adoptierte förmlich
diese schiefe Auffassung des (1807 verstorbenen National-
ökonomen) Posselt, und das eben ist ein Ausgangs-
punkt, der ebenso im Widerspruch mit dem Wesen der
Post als mit ihrer geschichtlichen Entwickelung steht.
[[32]]
Kap. III.
Beschleunigung der Transportleistung.
1) In der römischen Kaiserzeit.
Prüfen wir zunächst speziell die Frage: hatte das rö-
mische Kaiserreich eine Post 1)? Die wirtschaftlichen Vor-
aussetzungen hiefür waren damals, wenn auch in beschränk-
tem Masse, gegeben.
Das römische Weltreich hatte eine Art Geldwirtschaft,
einen grossartigen binnenländischen Personen- und Güter-
verkehr; Jahrhunderte lang stand die Massenbewältigung,
aber damit auch die Fernwirkung unerreicht da. Mächtig ent-
wickelte sich zunächst die Reiselust, z. B. in die damaligen
»Weltbäder« (deren in der Peutinger-Tafel 38 verzeichnet
sind), nach der nächstgelegenen Arena, vor allem aber nach
der »goldenen«, »heiligen« Kaiserstadt; schon damals gab es
Orientierungsplane und »Führer«, »Baedecker« durch Rom
(Periegeten). In den dortigen Lagermagazinen strömten die
[33] Erzeugnisse aller Provinzen zusammen. Zur Zeit des Dichters
Horaz machten römische Grossisten jährlich 3—4 Reisen an
den atlantischen Ozean. Insbesondere unterhielten die Patri-
zier sorgfältig eine ständige internationale Verbindung, zu-
nächst mit ihrem grossen Anhang von Gastfreunden und Klien-
ten; alle vornehmeren und angeseheneren Familien waren da-
mals zu grossen Besitzungen in der Provinz gelangt oder be-
teiligten sich an Bauten und Unternehmungen jeder Art. Sie
schickten ihre Söhne auf hellenische und kleinasiatische
Schulen, damit sie sich dort eine allgemeine Bildung erwerben.
Am meisten war an diesen Verbindungen die grosse
Handelskompagnie römischer Ritter (publicanorum, sowie
die der negotiatores) interessiert, welche schon in den letz-
ten Zeiten der Republik die Staatsländereien in den Pro-
vinzen und die Zehnte, Gefälle und Steuern in Pacht nahm,
und damit die wucherische Ausleihung von Kapitalien sowie
einen ausgedehnten, schwunghaften Handel mit Getreide
und anderen Landesprodukten verband. Diese weitver-
zweigte Handelsgesellschaft, ein Vorbild der neuzeitlichen
Handelskompagnien, war auf eine ständige Fühlung zwischen
dem Zentralsitz in Rom und ihren Komptoiren angewiesen,
und gelangte frühzeitig dazu, eigene Bedienstete als Kuriere
für die Briefbeförderung (»tabellarii« Cicero Attico suo V 15)
aufzustellen. Diese Briefboten nahmen auch von Privaten deren
Briefe zur Weiterbeförderung an, und wurden, da die Ver-
bindungen der Pächter bis in die kleinsten Orte reichten,
in steigendem Masse hiefür benützt.
In der Folge erwies sich das Botensystem wie für die
Handelskompagnien, so auch für den heranwachsenden
Staat und dessen Verwaltung als ein Bedürfnis. Schon
unter der Republik 1) waren Berufs-Boten (viatores) zur Be-
Huber. 3
[34] förderung der Regierungs-Depeschen, daneben auch schon
Relais (»dispositi equi«) zur Beschleunigung besonders eiliger
Reisen benützt worden. Kaiser Augustus nun gieng einen
Schritt weiter und erhob, wie es bei der Erweiterung der
Reichsgrenze und der intensiveren Zentralisierung nahe lag,
den Gebrauch des nur in Notfällen angewandten Pferde-
wechsels zur Regel, indem er nach einem bestimmten Plan
und System Relais für die Hof-Kuriere legte. Diese An-
stalt des Kaisers Augustus jedoch, welche man als die
Grundlage der römischen Reichspost bezeichnet, war
wesentlich etwas anderes als die des 4. Jahrhunderts. Die
verbreitete Annahme, als sei die römische Reichspost zu
Augustus Zeiten so ausgebildet gewesen, als etwa in den
Tagen Konstantins, ist — wir dürfen wohl nochmals darauf
exemplifizieren — ebenso im Widerspruch mit den That-
sachen, wie die allgemeine Vorstellung von dem rö-
mischen Strassenwesen: alle möglichen Passübergänge und
Militärstrassen wurden noch vor Kurzem auf Augustus 1)
1)
[35] zurückgeführt, während sie thatsächlich, nach den neueren
Forschungen, erst im Laufe der späteren Jahrhunderte
zum Teil unter Trajan, Hadrian und Septimius Se-
verus, zum Teil aber erst unter Diokletian und Konstan-
tin erbaut worden sind. Und es ist nicht zufällig, dass
wir auf beiden Gebieten derartigen Uebertreibungen be-
gegnen; denn die Postorganisation, wenigstens die rö-
mische in ihrer Eigenschaft als Personenbeförderung hängt
ihrem Wesen nach von dem Stande der Strassentechnik ab;
speziell die Relais des Cursus publicus waren nur an den Staats-
strassen eingerichtet; der Frohn unterstanden nur die an
die Strasse angrenzenden Ortschaften. Für Augustus Zeiten
nun umfasste das Strassennetz eine Länge von etwa 12000 km.
Damit aber ermangelte für eine umfangreichere Postorgani-
sation im modernen Sinn noch eine Voraussetzung, nämlich
die technische: man muss demgemäss die etwas über-
schwänglichen Vorstellungen von der römischen Technik
wie bei dem Strassennetz, — an dem mehrere Jahrhunderte
gebaut haben — so auch bei der Postorganisation zurück-
schrauben.
F. Berger (»Ueber die Römerstrassen des römischen
Reiches«, Berlin 1882) fasst das Ergebnis seiner Unter-
suchungen über die Römerstrassen in einer Bemerkung zu-
sammen, welche direkt auch auf den »Cursus publicus«
anwendbar ist; er gibt S. 19 zu erwägen, dass das Imperium
der Hauptsache nach doch ein Küstenland war, die Trans-
porte der Massen, vor allen Dingen die nach dem Zentrum,
zur See stattfanden, ferner, dass in diesem Imperium, der
ein Sklavenstaat war, Sklavenherden als Vehikel wohl be-
reit standen, wie heute noch in Afrika, endlich, dass die
Kaiser ängstlich den Passagierverkehr zu Wagen einschrän-
1)
3 *
[36] ken: bedenkt man all das, so wird man keine übertrie-
benen Anforderungen mehr an die Dimensionen der Viae
militares des Imperiums erheben, und die Gleichstellung der
Viae militares — und des Cursus publicus — des römischen
Imperium mit den modernen Heerstrassen — und Posten —
wenigstens nicht mehr — statthaft finden.
Nun ist unter dem römischen Kaiserreich, trotz des
allmählichen Rückgangs des öffentlichen und geistigen Le-
bens, das Strassenwesen doch rüstig weitergeführt worden,
in einer Weise, dass schliesslich das Netz (allein nach der
Peutinger’schen Tafel etwa 120 000 km, im ganzen also)
140 000 km 1), oder zehnmal so viel als zu Augustus Zeiten
umfasste.
Diese Thatsache halte man mit der Erfahrung zusam-
men, dass jede Verkehrs-Organisation bei einer so bedeu-
tenden räumlichen Ausdehnung sich verfeinert, dann wird
man eine Erklärung für die auffallende Erscheinung finden,
dass die römischen Quellen der ersten drei Jahrhunderte nach
Christus so kurz über den Cursus publicus hinweggehen,
während von der Folgezeit eine Masse Verordnungen auf
uns überkommen ist; die Erklärung liegt — neben den
allmählichen freiheitlichen Regungen der Provinzialen —
hauptsächlich in der zunehmenden Zentralisation des Reiches
und der dadurch bedingten räumlichen und intensiven Aus-
dehnung des »Cursus publicus« 2).
[37]
Die Anlässe zur Inspektion an Ort und Stelle, und zur
Absendung von Depeschen, wohl auch die Versetzungen
mehrten sich immer mehr; schliesslich hatte die Zivil- und
Militär-Verwaltung, bei den ungeheueren Entfernungen des
Reiches, einen regeren und ausgedehnteren Verkehr, als
selbst der Handel. Dieses öffentliche Verkehrsbedürfnis
aber konnte, gemäss der ganzen Verwaltungs- und Steuer-
Organisation, nicht anders als »publice«, durch das »Jus
cogendi«, durch den auf dem Bürger- und Bauernstand
lastenden Frondienst, befriedigt werden. Die res veredaria,
der cursus vehicularis (Schnellpost) und clabularis, die sich
so romantisch aufputzen lassen, sind im Grunde nichts an-
deres als Fronfuhrwerke (gelegentlich wohl auch für
den Train einer Armee, hauptsächlich aber) militärische
Staffetten, für Alarmnachrichten, eine Art »Feuer-
reiter«; (wahrscheinlich sind auch die schwäbischen Metzger-
posten aus der die Fron — sie ging bei der Zunft im Turnus
herum — erwachsen).
Mit der Zeit wird diese Aushilfe von einer geordneten
Verwaltung — wie es unter den spätrömischen Kaisern
eingehend geschah — normiert und nach Strecken begrenzt,
die Ausnahme aber mit und infolge der Norm zur Regel;
es entwickelt sich, (wie z. B. auch bei den Deutschorden, an
2)
[38] den späteren Bischofsitzen und Residenzen) aus diesen Normen
eine Oberaufsicht und hieraus eine stehende Anstalt
mit einheitlich zentralisierter Leitung, eine bestimmte Route
(Postlinie) mit bestimmten Stationen und dem dazu be-
nötigten Aufsichts- und Dienstpersonal. Das ist eine auf
der Fronpflicht aufgebaute Organisation, welche dann be-
hufs Erzielung einer besonderen Raschheit der Beförderung
vermittelst Aufstellung besonderer Boten, bezw. Pferde und
eines Wechsels der Mannschaft und der Tiere immer weiter
verfeinert wird.
Diese Verfeinerung durch Aufstellung eines beson-
deren Betriebsmaterials und Dienstpersonals mit
einheitlicher, zentralisierter Leitung vollzog
erst das spätere römische Kaiserreich. Wahrscheinlich ent-
wickelte sich daraus — aber erst im vierten Jahrhundert
nach Christus — ein geordnetes Zusammenwirken und In-
einandergreifen der »Postreiter«. Aber all dies giebt nur
einen auf grössere Entfernungen erweiterten Staffetten-
dienst, welchen niemand als eine Post oder auch nur als
eine Art von Post halten kann 1): denn hiezu fehlen zwei
wesentliche Voraussetzungen, und zwar die Unabhängigkeit
des Kurierdienstes von individuellem Anlass (Regel-
mässigkeit und Vorausbestimmung des Gangs, kaufmänni-
scher Betrieb) und die unbedingte Zugänglichkeit für jeder-
mann, die Einrichtung für die Zwecke des privaten
(Handels- und Familien-) Verkehrs (im Unterschied vom Hof-
und Felddienst).
Immerhin hat eine solche Verfeinerung schon einen
sehr intensiven Verkehr zur Voraussetzung, wie ihn die
Perser und Griechen noch nicht gehabt haben. —
Obige Abweichungen von der vulgären Darstellung der
Postgeschichte, hatte ich, da mir alles näher liegt, als Ar-
[39] chäologie, als blosse Hypothesen aus dem Wesen der Post-
und Geldwirtschaft deduziert. Ich war aber doch erstaunt,
bei nur oberflächlicher Prüfung der Quellen zu finden, wie
unkritisch die neueren »Forscher« zu Werke gegangen, und
dann in den volkswirtschaftlichen Handbüchern nachge-
schrieben worden sind. Es ist dies um so verwunderlicher,
als von jeher eine sehr beachtenswerte und begründete
Opposition gegen den unhistorischen Aufputz sich geltend
gemacht hat. So namentlich von Beust in seinem grund-
legenden Werke: »Versuch einer ausführlichen Erklärung
des Postregals, und was deme anhängig«, 3 Bde., Jena 1747.
Beispielsweise hebt derselbe im III. Teil S. 923, I. Teil S. 22
und 52 richtig hervor, dass die schon von seinen Vor-
gängern zu sehr gerühmte Post der Perser, bei welchen
»das erste und sicherste von dem Anfang dessen, was
einer Post am ähnlichsten kommt, zu finden«, nur ein
ausnahmsweiser von Cyrus ungefähr im Jahr 500 vor Chr.
aus Anlass und für die kurze Zeit des (Scythen-) Krieges
eingerichteter Staffettendienst gewesen sei. (Xenophon, de
Paedia Cyri, LVIII num. 232.)
Auch in der Schilderung des römischen »Cursus publicus«
I. Teil, S. 61—67 lässt Beust seiner Phantasie, abgesehen
von Teil III, S. 925, nicht wie die andern die Zügel schiessen.
Schon vor Beust betonte Ludwig »de jure postarum«
ganz richtig, dass die Post nach »Longobardischen Satzungen«
zu unterscheiden sei von der »teutschen Weise«: erstere
bedeute nur das Frohn- und Zwangsrecht, des Königs Briefe,
Sache und Leute, nach vorgezeigtem Vorspannpass, ohne
Entgelt, fortzuschaffen; das letztere dagegen das Gewerbe,
sich aus Fortbringung der Personen, Briefe und Sachen
einen Nutzen zu schaffen.
Schon bei einer philologischen Prüfung schrumpfen
die ausschweifenden Vorstellungen über den Cursus publicus
des Augustus sehr zusammen.
[40]
»Cursus publicus« heisst eigentlich »Staatswagen«, für
welchen die Bespannung »publice« d. h. im Zwangs-
weg aufgebracht wird. Das Wort »publicus« drückt hier
nicht den gemeinnützigen, jedermann gegen Barzahlung
zugänglichen Dienst aus, sondern im Gegenteil die Re-
servierung für den Hofdienst sowie für den politisch-polizei-
lichen und militärischen Rapport; andererseits weist das
Wort im Gegensatz zum späteren »cursus fiscalis«, der
Subventionierung aus Staatsmitteln, auf die Fronpflicht
der Gemeinden hin.
Die Grundlage des »cursus« bildet die »angaria«; sie
hat den Doppelsinn von stationsweiser Verteilung
und Organisierung («αγγαρον πυρ« = von Berg zu Berg
aufloderndes Signalfeuer Aesch. Ag. 273, analog der in
Innerafrika gebräuchlichen Trommelmeldung) und anderer-
seits von Zwang und Frohne, wie die Vulgata »angariare«
im tropischen Sinn als »nötigen« gebraucht. »Cursus pu-
blicus« bedeutet demgemäss nichts anderes als »die stations-
weise abgemessene und verteilte Spannfrohn zur Beförde-
rung eiliger Depeschen der Regierung bezw. des Kaisers
und seines Gefolges.« Die »Vehiculatio«, von welcher
Kaiser Nerva (96—98 p. Chr.) die Provinz Italien (laut der
Umschrift auf einer Münze s. Ekhel doctr. numm. vet.,
Bd. 6, S. 408) befreite und an welcher Hudemann »Post-
wesen der römischen Kaiserzeit«, 1866 S. 10, und Hart-
mann »Entwicklungsgeschichte der Posten« 1868, S. 88
straucheln, hatte in dem angedeuteten Zusammenhang keine
andere Bedeutung als den eben genannten Frohndienst:
das gleiche besagt: »vehicularius (oder publicus) cursus«
und »res vehicularia« (rei vehiculariae copia data = Er-
laubnis, das kaiserl. Privileg zu beanspruchen).
Darauf reduziert sich auch die angebliche Gründung
der kaiserlichen Post durch Kaiser Augustus, wie sie Sue-
ton cap. 49 mit folgenden Worten meldet: »et quo celerius
[41] ac sub manu annuntiari cognoscique posset, quid in provincia
quaque gereretur, juvenes (d. h. Schnell- oder Wettläufer)
primo modicis intervallis per militares vias, dehinc vehi-
cula disposuit, ut qui a loco eidem perferent literas, inter-
rogare quoque si quid res exigerent, possent.«
Diese einfache Notiz, welche doch nichts anderes
meldet, als die Einrichtung eines mit einem Kundschafter-
dienst zusammenhängenden Relaisdienstes, wurde ungeheuer
aufgebauscht.
Der sonst sehr unterrichtete Hartmann z. B. erklärt
(S. 41) auf Grund derselben Augustus zum »Reformator
der römischen Staatsposten«; dass ihm die französischen
und italienischen Schriftsteller darin folgen, versteht sich
von selbst. Und doch hätte schon der obenerwähnte Um-
stand, dass nach Augustus fast zwei Jahrhunderte vergehen,
bis von einer solchen Organisation — die Frohnpflicht wird
allerdings öfters erwähnt — wieder die Rede ist, dagegen unter
und nach Konstantin 320—402 es nur mit Erlassen über den Or-
donnanzdienst gleichsam »regnet«, vorsichtiger machen sollen.
Noch unter den ersten Kaisern wurde, wie aus einer
Stelle des Redners Aristides (»Ρωμης εγκωμιον«) hervorgeht,
der neue Depeschendienst als ein wesentliches Mittel der
zentralisierteren Verwaltung angesehen; der
Kaiser brauche, rühmt Aristides, wenn er etwas in Ord-
nung zu bringen habe, nicht hinzureisen; mittels Briefen
könne er alles höchst bequem leiten und regieren. Unter
Augustus aber war die Regierung bei weitem noch nicht
so zentralisiert, die Selbstständigkeit der Statthalter in
den Provinzen noch nicht so sehr beschnitten, dass ein
Bedürfnis zu einer regelmässigen Verbindung der Verwal-
tungssitze untereinander vorhanden gewesen wäre; »sie er-
hielten zwar ihre Instruktionen, konnten allenfalls nach
Ablauf ihrer Mission zur Rechenschaft gezogen werden;
sie behielten aber trotzdem, so lange als sie das Imperium
[42] führten, vollkommen freie Hand und hatten es nicht nötig,
fortlaufend oder für besondere Zwischenfälle eigene Wei-
sungen für ihr Thun und Handeln von Rom einzuholen.«
Danach ergiebt sich sowohl von dem Dienst als von
der Einführungszeit des »Cursus publicus« ein wesentlich an-
deres Bild: der »Cursus publicus« als kontinuierlicher
Rapportdienst wurde nicht, wie gemeiniglich ange-
nommen wird, schon nach dem zweiten punischen Kriege,
sondern Jahrhunderte später, insbesondere unter den Kai-
sern Galerius und Konstantinus, — hauptsächlich im Zu-
sammenhang mit dem intensiveren Strassenbau und der schritt-
weisen Einstellung besonderer staatlicher Staffettenboten
und Pferde — organisiert. Im ersten Jahrhundert n. Chr.
begannen die Kaiser — in gleichem Masse, wie es sich bei
der Ausdehnung des Reiches und der ständigen Beunruhi-
gung seiner Grenzen von selbst nahe legte, anderseits mit
dem Ausbau des Strassennetzes möglich war, — den Ordon-
nanzdienst räumlich auszudehnen und intensiver, im Wege
der allmählichen Ersetzung der Hand- und Spannfrohn, zu
vervollkommnen. Als ein Privileg auf Fronleistung bestand
der Cursus publicus, schon begriffsgemäss, nur für den amt-
lichen und militärischen Verkehr, für die Berichte der Mi-
litärkommandos und der Präfekten der Provinzialhaupt-
städte. Er bildete eine wesentliche Abteilung der politi-
schen und Militär-Verwaltung und unterstand dem prae-
fectus praetorio, dem Kommandeur der Garde und gleich-
zeitigem Reichsmarschall 1); die Posthalter »mancipes, praef.
vehiculorum« waren nicht etwa Schalterbeamte und Briefsor-
tierer, sondern im Grunde nichts anderes als Fronvögte. Mit
der Zeit wuchs die Fron zu einer drückenden Last für den
Mittelstand an; unter Augustus auf die Alarmkouriere be-
[43] schränkt, wurde sie bald noch vor Plinius [Plinius Secun-
dus, Epistolae X. 121.] auch für die Personen- und Ge-
päckbeförderung beansprucht, und dadurch auch eine
Häufung der Inanspruchnahme eingeleitet; die Hofbeamten
und höheren Staatsbeamten sahen immer mehr die Erlangung
der sogen. »Diplome« als ein ihrer Stellung naturgemäss
(Dig. de muneribus et honoribus, l. 18 § 3 und § 21)
gebührendes Recht an. Die Post wurde zur »Pest« (wie
sie Aurelius Viktor XIII, 6 nennt), und rief eine Masse
Beschwerden hervor; beispielsweise berichtet Cassiodorus,
die Landwirte der Stadt Comum seien durch den Cursus
publicus gänzlich zu Grunde gerichtet.
Ueber den thatsächlichen Stand dieses Ordonnanz-
dienstes erhalten wir einige Anhaltspunkte durch die Be-
richte über die Uebernahme des Gemeinde-Frondienstes in
die staatliche Eigenregie, durch die Schätzung der
finanziellen Bedeutung dieser Neuerung für den Staats-
Etat, und durch die mit letzterer zusammenhängende ener-
gische Bekämpfung der »necessitatibus propriis petitae
angariae« (auf welche im Jahre 326 die Strafe der Depor-
tation gesetzt wurde).
In dieser Beziehung werden als die Reorganisatoren
des Ordonnanzdienstes Kaiser Trajan, der Erbauer der
grossen Ueberlandstrasse vom Schwarzen Meer bis Gallien,
und Constantius besonders gerühmt. Wir erfahren weiter,
dass Hadrian etwa ums Jahr 118 — wahrscheinlich auf
Grund und in weiterem Verfolg des erwähnten Emanzi-
pationsedikts Nerva’s — und später Severus, auch Julian,
den Cursus publicus in einen Cursus »fiscalis« umge-
wandelt, d. h. die Frohn abgelöst1) habe.
[44]
Nach den spärlichen Notizen über die Ablösung der
Spannfrohn bedurfte es zu ihrer völligen Durchführung
mehrerer Jahrhunderte, von Nerva, der sie 97 für Italien,
bis zum Kaiser Honorius, der sie 403 auch für Afrika auf-
hob. Bestätigt wird die Ersetzung allerdings nur für Julian,
der für die Provinz Sardinien 363 mit Aufhebung der Fron-
bespannung zugleich die Aufstellung einer entsprechenden
Anzahl berittener Mannschaft anordnete (tantum numerum
angariarum collocari1).
Damit erst war der Fortschritt zu einer grösseren
Intensität des Betriebs gegeben, die schon für die Zeit
des Kaisers Augustus fälschlicherweise angenommen wird;
(von diesem Zeitpunkt an — für Konstantin und seine
Nachfolger nämlich — ergab sich die Notwendigkeit, der
»Agiotage« oder dem Handel mit staatlichen Postfahrscheinen
entgegenzutreten).
Dass dieser Fortschritt zur Eigenregie in der That erst
im 4. Jahrhundert allgemeiner durchgeführt worden ist, da-
für gibt u. a. auch der Umstand, dass der »Postreiter«, der
»veredarius« erstmals bei den Kirchenschriftstellern genannt
wird, einen Fingerzeig.
Diese Entstehungszeit selbst aber wirft ein Licht auf
den Charakter des römischen Ordonnanzdienstes. In
jener Zeit kommen die vielen Gegenkaiser auf und häufen
sich die Barbaren-Einfälle der Dazier, Germanen, Parther;
je mehr sich die Schild-Erhebungen, Revolutionen und Ein-
fälle wiederholten, um so mehr wurde die ständige Kriegs-
bereitschaft ausgebildet. Der Kaiser stand »toujours
en vedette«; zwischen der Hauptstadt und den unruhigen
1)
[45] Provinzen, mit den Agenten über einen unzuverlässigen
Rivalen, und mit den bis an die Barbaren-Grenzen vorge-
schobenen Vorposten musste ein ständiger Rapport herge-
stellt und dessen relaismässige Organisation als Werkzeug
der Defensive und ständigen Kriegsbereitschaft erprobt
werden.
Nach all dem gehört zu den wesentlichen und charak-
teristischen Merkmalen des römischen cursus publicus seine
finanzielle Seite, seine Eigenschaft, zuerst vor der Ab-
lösung: als Reallast und später, vom 4. Jahrhundert an als
sehr namhafte Position im Budget des spätrömischen Staates.
Für die erste Periode muss man ihn als Glied einesteils
des römischen Lieferungs- und Steuerwesens, andernteils
der Bürgerpflicht der Provinzialen gegenüber der Zivil- und
Militärverwaltung betrachten. An sich waren die Unter-
thanen überhaupt nur Dach und Fach schuldig; die Statt-
halter konnten wohl im Notfall nach Ermessen darüber
hinausgehende Lieferungen requierieren, die Lieferungen
aber wurden als Steuervorschuss behandelt. Drückender
aber als diese normierte Steuerlast war deren willkürliche
Erhöhung durch die römischen Beamten (s. Mommsen
römische Geschichte, 1855 II. Bd., S. 366). Einen ganz
analogen Gang nun, wie dieses Steuer- und Lieferungs-
wesen, nahm die Frohnleistung für den cursus publicus,
sogar in Bezug auf das von Konstantius 354 und von
Aurelius Viktor beklagte »in pestem vertere posteriorum
avaritia insolentiaque«. Die fortdauernden Klagen über
diesen Amtsmissbrauch geben nun einen Anhalt dafür, ein-
mal wie lebhaft der Verkehr jener Zeit war, sodann dafür,
mit welchem Effekt die Ablösung der Gemeindelast voll-
zogen worden ist. Wäre diese Ablösung für das ganze
Reich aufrecht erhalten geblieben, so hätte, da es der
Stationen und Mansionen doch über tausend gewesen sein
dürften, der Aufwand für den Cursus publicus etwa 2—6
[46] Millionen Mark betragen und damit einen stehenden Haupt-
posten im römischen Staatsetat gebildet. Wahrscheinlich
aber ist, dass die Ablösung von den Nachfolgern der besser
gesinnten Kaiser nicht anerkannt wurde, und die Last des
obligatorischen Fuhrdienstes immer wieder auf die gedrückten
Provinzialen zurückfiel; es mag darüber die jeweilige Fi-
nanzlage des Reiches, die politische Stellung der betreffen-
den Provinzen, auch die Frequenz der bezüglichen Strasse
entschieden haben (für Gegenden, die nicht an einer Welt-
route lagen, war die Last nicht so drückend, wie man ge-
meiniglich annimmt).
Für den Orient hob Kaiser Leo (457—474) den Cursus
clabularis auf. Um so mehr aber wurde die Schnellpost
noch von Justinian ausgebildet, der eingehende Normen
erliess, und die Zahl der disponibel zu haltenden Pferde
auf zehn erhöhte.
Prinzipiell, für die Entwickelung des Wesens der Post,
ist mehr das bemerklich, was in diesen fünf
Jahrhunderten nicht geschah, der Umstand
nämlich, dass der Fortschritt zur Eröffnung für die private
Korrespondenz, zu dem sich die Taxis schon nach fünf
Jahrzehnten entschlossen, in ebenso viel Jahrhunderten
nicht erfolgte.
2) Karolinger-Zeit.
Einen weiteren (bedingten) Anhaltspunkt für meine
Auffassung von dem »Cursus publicus« und dessen mehr
politisch-militärischen, auf die Fronpflicht beschränkten Seite
finde ich in den Ueberresten, die sich über den Untergang
des römischen Weltreiches hinübergerettet haben.
Auch nach dem Untergang des Römerreichs nämlich
suchten dessen Erben, die Ostgothen und Longobarden,
die Merowinger und Vandalen 1) den Cursus publicus auf-
[47] recht zu erhalten. Noch mehr gilt das von dem anatolisch-
byzantinischen Reiche, bezüglich dessen allerdings noch
keine Belege über diesen Punkt aufgefunden worden sind.
Ueber das weitere Schicksal der Fiskalpost wird die je-
weilige Politik und Finanzlage entschieden haben: sie wurde
wohl, als die Finanzmittel nicht mehr ausreichten, immer
mehr eingeschränkt, bis sie im 6./7. Jahrhundert wegen
Geldmangels — ähnlich wie 1570 die Taxis’sche Post —
einschlief.
Nachdem die Fiskal-Anstalt eingegangen war, erhielt
sich bei den Vandalen, Merowingern und Longobarden um
so fester die andere Seite des Cursus publicus, nämlich die
Verpflichtung für Vorspann und Beherbergung der könig-
lichen Kouriere, die evectio publica, welche auch der ger-
manischen Rechtsanschauung entsprach.
Nach allgemeiner Ansicht soll der »Cursus publicus« in
Frankreich fortgelebt haben; ordnet doch z. B. Dagobert I
für Neustrien an »angarias cum carro faciant usque 50 leucas,
amplius non minentur« (Berluze, Capitul.Reg. Franc,
1677 t. II, p. 14).
Fast allgemein (s. unt. Anlage IV) werden diese An-
ordnungen in Verbindung gebracht mit dem römischen
»Cursus publicus«, auf Grund einer total verfehlten Vor-
stellung von letzterem ein Luftgebilde aufgebaut und Da-
gobert I. und Karl dem Grossem (ja sogar schon Chlod-
wig) — ähnlich wie später Franz von Taxis — der Plan
von Kourierstrassen (Matthias, 1832 I. Bd.) oder
gar einer Postorganisation zugeschrieben.
Thatsächlich liegt nichts anderes vor, als dass die Ge-
rechtsame der römischen Kaiser auf die Leistung des Vor-
spanns als Pflicht der Unterthanen, als altes Herkommen
(»fuit consuetudo 1)«) haften blieben, und (mit dem Heerbann
[48] Burg- und Brückenbau) — wahrscheinlich einen Teil der
oft genannten »trinoda necessitas« und zugleich der Wehr-
pflicht bildeten für diejenigen »qui in hostem pergere non
potuerint«. Der kenntnisreiche Hartmann meint (S. 152):
»Wenn wir diese Bruchstücke (über die Vorspann- und
Herbergsfrohn) mit der Erinnerung an den römischen cursus
publicus zu einem vollkommenen Ganzen (!), zu
einem lebensvollen (!) Zusammenhang herauszubilden ver-
suchen, werden wir dann noch an dem Plane (!) Kaiser
Karls zweifeln können?« Korrekter hätte er schliessen
sollen: Etwas wesentlich anderes als diese primitive Frohn
war, trotz der Gleichheit des Namens, der spätrömische
Cursus publicus. Alle die Anordnungen der Frankenkönige
von Childerich und Dagobert bis herab zu der Ludwigs
des Frommen von 815, besagen nichts weiter, als dass die
Verpflichtung zu der — bei dem unentwickelten Gasthaus-
wesen — selbstverständlichen Herbergspflicht der Städte
gegen den regierenden Fürsten und dessen »missi«, wie
sie namentlich unter Karl dem Grossen erwähnt wird, sowie
die Leistung des notwendigen Vorspanns eine allgemeine
Unterthanenpflicht sei. All die Schilderungen der Post-
züge Karls des Grossen sind haltlose Phantasien. Es ist
dies ähnlich, wie dem Deutschorden eine fertige Postorga-
nisation (sogar mit blauuniformierten (!) Postillionen, s. Hart-
mann S. 194) angedichtet wird: der Deutschorden hatte,
wie alle ausgebreiteten Orden, wie z. B. von den Bene-
diktinern von Cluny schon im Jahr 910 bezeugt wird, be-
rittene Boten; ebenso hat wohl Karl der Grosse solche
Leute angestellt. Aber das ist noch keine Post-Organi-
sation, kein ineinandergreifendes Postwerk; insbesondere
ermangelten für eine so kostspielige Organisation, wie der
spätrömische Cursus publicus mit seinen Mansionen, Be-
amten und Postpferden darstellte, in dem Frankenreiche
die finanziellen Mittel. Ueberdies war auch ein Bedürf-
[49] nis noch nicht vorhanden: es ging mit dem Cursus
publicus des römischen Reiches wie mit dem Münz-Regal:
auch letzteres, als formales Recht war von Rom auf die
Karolinger übergegangen, aber zu seiner lebendigen Aus-
übung fehlte es an dem nötigen Handelsverkehr und an
der zielbewussten Erfassung des Souveränitätsbegriffs; für
beide Institutionen war das junge Reich zu wenig zentra-
lisiert und zu wenig kulturell ausgebildet (s. unten Anl. IV). —
Noch eher trafen die letzten beiden Voraussetzungen
bei einem anderen Miterben Roms, nämlich bei dem Cha-
lifenreich zu.
So merkwürdig es klingt, so glaube ich doch mit Grund
annehmen zu dürfen, dass dieses arabische Reich — nicht das
Karls des Grossen oder die Botenanstalt der Deutschorden
— bezüglich der Organisation der Post das Bindeglied für
das auszufüllende Jahrtausend zwischen dem Cursus publicus
und der Reichslehenspost, die ungezwungene Ueberleitung
vom Institut des Altertums zu dem der Neuzeit abgab.
Wie das Perser- und Römerreich nämlich, so hatte
auch das Chalifenreich bei seiner ungeheuren Ausdehnung
vom Indus bis zum Quadalquivir das naturgemäss gegebene
Bedürfnis, mit dem Mittelpunkte der Verwaltung, Bagdad,
die Provinzen zu verbinden. Die Befriedigung dieses Be-
dürfnisses wurde erleichtert durch eine der blühenden Kultur
wenigstens einigermassen entsprechende Strassentechnik.
Mitte des 10. Jahrhunderts wies das Reich ein Strassennetz
von — allerdings nur etwa 1000 Meilen Gesamtlänge, und
930 Stationen — welche nur 1—2 Meilen von einander
waren — für die Depeschenreiter auf (s. Thieme, »Die
Posten der Chalifen« im »Archiv für Post und Telegraphie«
von 1879, S. 617—633); die Kosten für den Unterhalt der
Tiere werden auf 2 Mill. M. angegeben.
Der arabische Geschichtschreiber Abulfeda (1273
—1331) schreibt die Einrichtung dieser Post einem »Mahdi«
Huber. 4
[50] — anderer Art, als dem Gordon’schen — dem Chalifen
Al Mahdi (775—786) bezw. dem Chalifen Moawija (661—
679) zu. Falls diese Angabe richtig ist, so dürfte man in
dem arabischen Relaisdienst mit Fug eine Erbschaft des
römischen Cursus publicus erblicken, da sich derselbe unter
der vandalischen Regierung forterhalten hatte 1).
Auch diese Organisation, welche in der Hand eines
Postmeisters in Bagdad vereinigt war, diente, wie die per-
sische und römische, lediglich der Staats- und Militärver-
waltung, sowie der Kontrolle der provinzialen Zivil- und
Militärbehörden (speculatores, curiosi). Die Kuriere gingen
nicht regelmässig, sondern nur bei speziellem Bedarf und
Anlass. Auch hier erfolgte später eine Weiterbildung durch
die generelle Aufstellung eines regelmässigen Kurses; wenig-
stens wird bezeugt, dass die türkischen Nachfolger der Chalifen
den Kurierdienst im 13. Jahrhundert so einrichteten, dass jede
Woche zweimal die Depeschen von Damaskus nach Kairo in
vier Tagen — (und ebenso schnell zurück-)gebracht wurden 2).
(S. Sprenger, über »zwei arabische geographische Werke«,
in den Sitzungsberichten der phil.-hist. Klasse der kais.
Akademie der Wissenschaften in Wien; 1850, V. 78—79.)
[[51]]
Kap. IV.
Regelmässigkeit des Betriebs: Entwickelungs-
Keime.
1) in den Botenanstalten der mittelalterlichen
Korporationen.
Wie wir oben gezeigt haben, ist die jeweilige Einrich-
tung der Post ein Gradmesser und Spiegelbild der politi-
schen Einigung, der Stärke und räumlichen Ausdehnung
des Handelsverkehrs, ferner der Krystallisation der Interes-
sen und Bedürfnisse der Glieder eines Staates. Eine solche
für die Posteinrichtung erforderliche einheitliche Zusammen-
fassung fand sich erst mit dem Aufkommen der sog.
Geldwirtschaft, im Mittelalter zuerst in den italienischen
Städterepubliken. Fast ein volles Jahrtausend hatte es be-
durft, um die gleichen militärischen, wirtschaftlichen und
strassenbautechnischen Voraussetzungen, wie sie in der rö-
mischen Kaiserzeit vorhanden gewesen waren, wieder her-
zustellen (s. unten Anlage III, 2).
Im gleichen Schritte, wie sich allmählich diese ver-
schiedenen Voraussetzungen einfinden, bilden sich auch die
Anfänge der neuzeitlichen Post. Wie der römische Or-
donnanzdienst, stellen auch sie sich dar als der Ausfluss der
aufkommenden Souveränität und der Erweiterung der Reichs-
grenze (für das deutsche Reich unter Maximilian I. und
Karl V.), andererseits der nach den Kreuzzügen zunehmen-
4 *
[52] den Intensität des Handelsverkehrs. Ihre Entstehung
fällt demgemäss in die Anfangszeit des XVI. Jahrhunderts.
Was vorher bestanden hatte, war keine Post, sondern ein
(regelmässiger) Botendienst.
Der Verkehr nach den Kreuzzügen, am Ausgange des
Mittelalters erreichte auf den Welthandelsstrassen allmählich
die gleiche Intensität, wie zur römischen Kaiserzeit; er er-
zeugte demgemäss auch annähernd die gleichen Verkehrs-
mittel, einen Staffettendienst, wie er überall die primitive
Wurzel der Post bildet.
Die für eine derartige Verbindung erforderlichen ein-
heitlichen Mittelpunkte gab es im Mittelalter nur in den
Korporationen und in ihrem familienartigen Zusammenwir-
ken, in jener Erweiterung und Verfeinerung der Massen- und
Blutgemeinschaft, welche als Zwischenglied für die Entwick-
lung zu der neuzeitlichen nationalen bezw. internationalen
Arbeitsteilung zu dienen hatte.
Diese Mittel- und Sammelpunkte der damaligen Zivili-
sation und Herrschaft ragten, da jeder Kreis für sich gegen
aussen abgeschlossen war, wie Inseln aus dem nicht be-
grenzten und nicht zusammengehaltenen Meere hervor. Die
Inseln oder Mittelpunkte der mittelalterlichen Zivilisation,
das sind die Klöster, die Universitäten, die Bischofssitze,
die Residenzen der Fürsten, die Handelsstädte und Mess-
plätze, und insbesondere die Kaufmannsgilden, welche unter
einander, wie mit ihren Filialen einer organisierten Verkehrs-
verbindung bedurften. Bei den Römern folgte die Organi-
sation — mit dem Handelsverkehr — den der Zentra-
lisation dienenden Militärstrassen, im Mittelalter war
umgekehrt der Verkehr der Korporationen derjenige, wel-
cher die Richtung und Route vorzeichnete. Naturge-
mäss erwuchs zwischen diesen Inseln oder Gegenpolen und
ihrer Interessen-Gemeinschaft ein regelmässiger Gedanken-
und Nachrichten-Austausch, ein regelmässiger Botendienst
[53] (an dem aber die übrige Aussenwelt das »profanum vul-
gus« keinen bestimmungsgemässen Anteil hatte).
Die Organisation eines regelmässigen Botendienstes
und die Route, für welche eine solche erfolgte, war ge-
geben: einmal durch die Pilgerzüge nach berühmten Wall-
fahrtsorten z. B. zwischen Bordeaux und Jerusalem,
oder (s. Itineraris von da l’Herba und Codogno) zwischen
Loreto und S. Jago di Compostela; sodann durch das In-
stitut, welches für die Nachrichtenvermittlung durch den
Botendienst ausgeschaltet wurde: es sind das die regel-
mässig die städtischen Messen aufsuchenden Kaufmanns-
züge, endlich durch den ständigen Tauschverkehr, den
die binnenländischen Handelsstädte mit den Seestädten
unterhielten.
Zuerst wohl stellte sich das Bedürfnis für einen Boten-
dienst bei den frühesten Kulturzentren, nämlich den Klö-
stern ein, und zwar bei den Stammsitzen der verschiedenen
Orden, der Benediktiner-Klöster im Verkehr mit ihren Able-
gern und Sukkursalen, ferner zwischen den reichen Abteien
und ihren in der ganzen Welt zerstreuten Besitzungen, sodann
zwischen den Deutschordensrittern und ihren weit entlegenen
Komthureien, endlich zwischen den Gebetsbrüderschaften
(s. unten Anlage V) untereinander. Aufschlüsse über die
früheste Zeit dürften die Urkundensammlungen der Abteien
von St. Denis und Cluny erteilen, welche Besitzungen und
demgemäss regelmässige Verbindungen nicht nur in allen
Teilen Frankreichs, sondern auch in Italien, Spanien, Eng-
land und in Deutschland hatten.
Aber noch während der Kreuzzüge begann auch der
Handel die Anfänge eines Botendienstes einzurichten. Es
ist dies eine naturgemässe Entwickelung, welche fast von
allen Schriftstellern nicht fest genug im Auge behalten
wird; namentlich bei den französischen Schriftstellern findet
sie zu wenig Beachtung. Durchgängig nämlich wissen
[54] dieselben nur von den Universitätsboten (neben der späteren
Dragonerpost Ludwigs des XI.) zu berichten, als ob die
Provinzstädte, an welchen keine Universität bestand, nicht
auch ihren eigenen Botendienst bedurft und gehabt hätten;
(so auch Flegler, »zur Geschichte der Posten«, Nürn-
berg 1858, S. 17).
Auch diese einseitige Darstellung hängt mit einer
schiefen prinzipalen Auffassung zusammen. Für das Wesen
der Post ist das allgemeine Kommunikationswesen, der
Marktverkehr entscheidend, nicht etwa die primitive Ver-
bindung der Studenten mit ihrer Heimat oder der Abteien
mit ihren zinspflichtigen Unterthanen. Das Kommunika-
tionswesen aber lag im 14.—15. Jahrhundert fast ausschliess-
lich in der Hand der Handelsstädte. Man sieht dies schon
an der Entwickelung des Strassenbaus, der nach der Hohen-
staufenzeit wieder durch die Rührigkeit der Städte einen
der Höhepunkte im 15. Jahrhundert erreicht. Man sieht
dies aber auch aus den ersten geschichtlich erweisbaren
Spuren der Botenanstalten, welche auf die Handelsstädte
Barcelona, Nürnberg u. s. w. zurückführen.
Mit der Geldwirtschaft war dem Handel das doppelte
Ziel: fortgesetzte Abkürzung zwischen Produktion und
Absatz einer Ware, andererseits allmähliche Umwandlung
des individuellen Warenverkaufs in einen generellen gesteckt
worden. In gleicher Weise begann nun für den Land-
verkehr die gleiche Entwickelung der Abkürzung der
räumlichen Entfernungen im Wege der Organisation
und der Umwandlung des individuellen Transports in
einen generellen.
Schon frühzeitig hatten sich regelmässige Kaufmanns-
züge herausgebildet, welche zunächst zwischen den ein-
zelnen Messplätzen Frankfurt, Nürnberg, Leipzig, Beau-
caire u. s. w., anderseits den Hauptplätzen des Welthandels,
insbesondere Venedig (Levante) und Lübeck-Hamburg
[55] »kursierten«. Diese Kaufmannszüge unterhielten einen —
schon durch die Messzeiten regelmässig be-
stimmten — Verkehr zwischen den Stapelplätzen und
ihren Filialen, zwischen den Endpunkten der Weltrouten
und den Angrenzern an die romanischen und slavischen
Völker, nämlich Venedig, Bozen, Augsburg, St. Gallen,
Zürich, Wien, Prag, Hamburg, Breslau, Magdeburg, Kölln
an der Spree, Danzig, ferner den vier Hauptorten der
Hansa, Lübeck, Danzig, Braunschweig und Köln und deren
vier grosse Stapelhäfen: London, Brügge, Bergen und
Nowgorod. Diese Besucher von Märkten und Messen
waren die naturgemäss gegebenen Ueberbringer von Briefen
und Neuigkeiten, die Postboten im Gewande jener Zeit.
Damit war einerseits das Botenhandwerk und eine or-
ganisierte Anstalt, andererseits der erste Anfang des
Postroutensystems von selbst gegeben. Allmählich
nämlich im 14. Jahrhundert zog nicht mehr jeder Kaufmann
selbst zur Messe; es bildeten sich Vereinigungen mehrerer
Kaufleute, welche sich auf die Benützung des gleichen Fuhr-
werks und Fuhrmanns oder Korporations-Spediteurs ange-
wiesen sahen, und für die Uebermittlung der Handels-
Nachrichten, nach dem Vorbilde der sonstigen Korpora-
tionsboten gemeinsame Boten aufstellten. Wie und wann
dies geschah, liesse sich genau danach feststellen, in wel-
chem Schritte in dem Messbesuch eine Arbeitsteilung in
der Art eintrat, dass der einzelne Kaufmann nicht mehr
selbst zur Messe zog, sondern genossenschaftliche Ver-
treter abgesandt wurden. Es war dies ein Fortschritt,
der sich schon für das 13. Jahrhundert in dem Verkehr
zwischen den lombardischen und süddeutschen Städte-
republiken nachweisen lässt. —
Neben diesen Fussbriefboten bildete sich ein wei-
teres Institut aus, nämlich das der berittenen Geleit-
boten für Passagiere, zunächst zur persönlichen Sicher-
[56] heit. So schildert die 1483 verfasste »Reise-Instruktion«
des Bernh. Breydenbach, wie man von Worms bis zum
Fernpass »Geleite« von Stadt zu Stadt nehmen könne:
»zu Geysslingen nympt man der Knecht eynen der von Ul-
men geleydt biss geyn Ulmen III myle, allenthalber gut Her-
berge.« … »Item zu Memmingen nymt einen staitknecht,
der ryt mit geyne Kemptenn.« Ebenso erzählt Jos. Furtten-
bach in seinem 1627 zu Ulm erschienenen »Newen Itinera-
rium Italiae« S. 5: „man nimbt (scil. zum Uebergang über
den Splügen) die Männer, so im Land die Gelegenheit
wissen, mit sich, lässt deren einen vorausgehen, darauff der
Bott geritten, vnnd seine Passagieri nach jhme desto sicher-
licher mögen fortkommen.«
Dieses »Geleit« erweiterte sich bald, wie wir unten
sehen werden, auch für den Fernverkehr und zur gewerbs-
mässigen Passagier-Beförderung. —
So bildete sich allmählich von selbst ein organi-
satorischer und ein technischer Fortschritt, nämlich die In-
ternationalität und Berittenheit der Boten aus,
der gewöhnlich als eine originäre Erfindung dem Franz
von Taxis zugeschrieben wird. Schon im 14. Jahrhundert
besorgten reitende Boten zwischen den im Fondaco dei
Tedeschi ansässigen Teilhabern und Geschäftsführern und
dem Stammhaus in Regensburg, Nürnberg, Augsburg,
Ulm u. s. w. jahraus, jahrein Briefe und Wertsendungen:
die Boten als öffentliche Diener anzustellen lag um so
näher, als manche Stadtgemeinde sich auf eigene Rech-
nung an dem lohnenden Geschäfte beteiligte (s. H. Si-
monsfeld, der Fondaco dei Tedeschi, 1887). Anhalts-
punkte über diese primitive Organisation gibt die jeweilige
Anstellung eigener städtischer Boten, welche gewöhn-
lich erst längere Zeit nach der privaten Einrich-
tung erfolgt sein kann. Aufschreibungen über diese Botenlöhne
und Städteboten existieren z. B. aus den Jahren 1358 von der
[57] Stadt Nordhausen; 1370, in welchem Jahre die Stadt Augsburg
1000 fl., nach unserem Geldwert etwa gleich 10.000 Mark für
»Boten« ausgab, 1385, 1387 und 1388 von Breslau, Frank-
furt und Leipzig. Eine der ältesten Verfügungen über
die Ordnung des Botenwesens ist die des Rates von Bar-
celona vom Jahre 1283 und 1334, nicht erst 1444, wie ge-
wöhnlich angegeben wird. Für die Mitte des 15. Jahr-
hunderts lässt es sich nachweisen, dass von Gemeinde- und
Obrigkeitswegen bezw. von der Kaufmannschaft zwischen
den obengenannten Mess- und Stapelplätzen eine regel-
mässige Verbindung durch Briefboten zu Fuss und zu
Ross unterhalten wurde. Schon im 14. Jahrhundert unter-
hielt in Deutschland der Rat einer jeden grösseren Handels-
stadt eigene Boten zur Besorgung seiner Sendungen an
den Kaiser und an die Fürsten. In Köln z. B. erhielten
die Boten Ende des 14. Jahrhunderts eine Entschädigung
von 26 Mk. für die Uniform und für jede anfallende Reise
einen festen, zum Voraus vereinbarten Lohn, z. B. nach
Brüssel 6 Mk.; daneben hatten sie noch die Nebeneinkünfte
für die Besorgung von Privatkorrespondenzen: wenn ein
Bote eine Reise nach Brabant, Holland oder Mitteldeutsch-
land antrat, wurde es an der Börse zuvor bekannt ge-
geben (Dr. L. Ennen, Geschichte des Postwesens in der
Reichstadt Köln, 1875). In Wien bestand schon 1360 eine
besondere Botenstube im Rathaus; nach den dortigen
Stadtbüchern gab es ums Jahr 1461 »laufende« und »rei-
tende« Boten, welche von der Stadtgemeinde für die Kor-
respondenz nach Brünn, Olmütz, Prag, Graz u. s. w. auf-
gestellt worden waren. Später im 16. Jahrhundert kursieren
zwischen Augsburg—Venedig, damals wohl die belebteste
Strasse des hl. römischen Reiches, ständige Briefboten
beider Städte. Von Augsburg befindet sich ein Postkurs
aus dem Jahre 1526 in dem Dresdner Hauptstaatsarchiv
(Verzeichnis aller Ordinarien-Posten: Reitend und
[58] Fussgehenden Botten: fürnembster Führer u. s. w., wenn und
zu welcher Zeit sie Wochentlich alhero nacher Augspurg
kommen«). Aus den Reisebeschreibungen jener Zeit (s.
darüber auch Anl. V) erfahren wir z. B. von dem Chorherrn
Dr. Sigm. Thunger, der 1551 nach Venedig (und dem heiligen
Lande) reist, dass sich ihm in Landsberg, der ersten Station
nach Augsburg, ein Bote aus Augsburg, Lienhart Saurgrein
angeschlossen habe. Johann v. Hirnheim kommt im Dez. 1569
vom hl. Land zurück und schickt von Venedig aus seinen
Kaplan mit einem »Augspurgischen Potten« nach Deutsch-
land voraus, um seine glückliche Widerkehr zu melden.
Der Pilger Ernst v. Bueseck schliesst sich auf seiner 1587
angetretenen Pilgerfahrt von Augsburg an einem veneti-
anischen Boten, Jonas Duringer, an; in Bersa trifft er den
Postboten aus Augsburg, Hans Lutz, der auch bis Mestre
mitreitet; einen andern Boten, Namens Michel, hatten
Räuber in der Nähe von Bassano kurz vorher ausgeplün-
dert; in Mestre trifft Bueseck einen dritten, Namens Ba-
stian Offinger (s. »Deutsche Pilgerreisen nach dem heiligen
Lande« von Röhricht und Meisner 1880, S. 454, 455 etc.).
Im Jahre 1555 erlässt der Augsburger Magistrat, 1573
der Rat in Breslau (auf Anregung der Kaufmannschaft),
1570 — also nur einige Jahre vor dem Auftreten He-
nots — der Nürnberger Magistrat eine (»Wiener«) Boten-
ordnung; Nürnberg — wo die Boten erst 1570 ver-
stadtlicht wurden — hatte damals ganz ebenso, wie Taxis,
seine besonderen Boten ausser nach Wien auch nach Brüssel
(Antorf), Hamburg und Lyon. Im Jahre 1580 wird in
Hamburg eine Botenordnung erlassen: »durch de Olderlude
des gemeinen Kopmans mit bewilligung eines erbaren
Rades.»
Die erst allmählich aufkommende Taxis’sche Post findet
als Hauptkonkurrenten namentlich die Botenanstalten von
Augsburg, Nürnberg, Frankfurt und Köln vor; gegen sie
[59] wenden sich im 17. Jahrhundert verschiedene kaiserliche
Mandate, welche damit ein Zeugnis für die »Kammerboten«
ablegen.
2) Relaisstationen der Territorialherrn.
Nicht minder bedeutsam für die Entstehung der Reichs-
lehenpost als die Gewerbsmässigkeit der Briefbeförderung
durch die Stadtboten ist ein zweites Moment, das bisher
noch gar nicht beachtet worden ist. Zu Anfang des
16. Jahrhunderts nämlich werden für vorübergehende drin-
gende Zwecke Relaisstationen gelegt, ein Staffetten-
dienst eingerichtet, so von Karl V. 1522 bei der Mobil-
machung gegen die Türken, und vom Papst bei Einbe-
rufung des Tridentiner Konzils. Diese Einrichtung wird
»Poste« genannt und gemeiniglich als eine Post im heutigen
Sinne aufgefasst; das Wort »Poste« erfährt die gleiche
weitgehende Interpretation, wie der Begriff des »Cursus
publicus«: wird irgendwo der Ausdruck »Cursus publicus«
gebraucht, flugs wird auf dieser blossen Namensnennung
gleich ein fertiger Plan, eine systematische Organisation
aufgebaut. Ebenso geht es mit dem Ausdruck »poste«.
Nur als Beispiel für diese phantastische Kombinationen
sei auf Rothschild »Histoire de la poste« 1873 S. 191 hin-
gewiesen: derselbe giebt — nach Beust’s Vorgang — die
Worte des Reichstagsabschieds von 1524, wonach zwischen
Nürnberg-Wien eine Post d. h. ein Alarmdienst wegen des
Türkenkrieges eingerichtet werden solle, folgendermassen
wieder: »En 1516 Maximilien I. confirme le privilége
de la Tour et Taxis, mais à la condition (!) qu’il sera
établi un nouveau service entre Vienne et Bruxelles.
es 1522 le prince Leonard (!) réunit (!) Vienne
et Nuremberg par une nouvelle ligne de courriers.« In
dem Nürnberger Reichstagsabschied aber ist nur folgen-
des zu lesen: »Nachdem (Griechisch Weissenburg 1522
[60] von den Türken erobert und) »allerley begegnen und ent-
stehen mag, das in der Instruktion nicht begriffen und viel-
leicht deshalben weiter Bescheids von nöthen seyen, sollen
zwischen Nürmberg und Wien, mitler Zeit des Tags
Post an gelegene Orten gelegt werden, darauff sie zu jeder
Zeit eylends und förderlich zu wissen thun« etc. (Abschied
des Reichstags zu Nürnberg von 1522 bei Lünig, Reichs-
archiv c. S. 434).«
Das besagt nichts anderes als: Karl V. teilt (wie später
beim Reichstag von 1542), als einen Teil seiner Mobil-
machungs-Anordnungen, die Strecke zwischen dem Kriegs-
schauplatz und dem Sitz der Reichsregierung in Relais-
stationen ein, um einen gleichsam telegraphischen Rapport
herzustellen und zu sichern. Das ist ein Eildienst für ein
vorübergehendes Alarmbedürfnis, der mit der regelmässigen
Post gar nichts gemein hat. Wohl aber kann man aus
dieser Einrichtung entnehmen, dass in jener Zeit der Ge-
danke der vorsorglichen Organisation des Pferdewechsels
aufkam, für welche das Wort »poste« nichts anderes be-
sagt als Station, Rast- oder Relaisstation, Umspannungsort,
die »mutatio« (»mitler Zeit des Tags«) oder die Mittags-
Station und die »mansio« oder die Nacht-Herberge des
Cursus publicus (s. unten Anlage V).
Einen Schritt weiter war Frankreich gegangen: schon
1464 war dort ein ständiger Relaisdienst eingeführt
worden. 1480 waren hiefür schon 230 Reitboten ange-
stellt; die für sie bereit gehaltenen Pferde durften von
jenem Jahre an auch Privatpersonen gegen 6 Sous pro
Station für jedes Pferd benützen. War mit dieser Erlaub-
nis etwa eine »Post« eröffnet worden? Gewiss nicht; wohl
sprechen die damaligen Einführungs-Verordnungen von
einer »Poste«; aber der damalige Sinn dieses Wortes deckt
sich mit dem in den Reichsabschieden von 1522 und 1544
gebrauchten, aber durchaus nicht mit unserem heutigen Be-
[61] griff; es bedeutete nur einen — wie auf einen militärischen
Posten gestellten Staffettenreiter, einen »chevaucheur en
postes« (Patent Karl VIII von Frankreich d. d. 27. Jan. 1487);
»poste« wird daher bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts
häufiger als Masculinum behandelt, so auch in der Bestal-
lung des Franz v. Taxis durch Karl V. im Jahre 1516.
Was damals bestand und bei den damaligen politi-
schen Bedürfnissen Frankreichs auch allein bestehen konnte,
war lediglich ein (— speziell zur Ueberwachung des Hofes
Karl des Kühnen eingerichteter Spionage- und) »Alarm-
posten mit Pferdewechsel«, ähnlich dem Relaisdienst der
»speculatores« und »exploratores« des (ersten römischen)
Kaisers Augustus. —
Viel weiter, als Frankreich und Deutschland, war da-
mals in dieser Beziehung Italien vorangeschritten. Man
kann das aus dem »Itinerario«, dem »Reiseführer« da
l’Herba’s (s. Rübsam in »L’Union postale« 1889, S. 83
bis 96) entnehmen, das neben der (Taxis’schen) Route
Innsbruck—Füssen—Augsburg—Cannstatt—Rheinhausen—
Flamisoul—Antwerpen nicht weniger als 68 weitere Post-
züge aufzählt. Schon im 15. Jahrhundert war Rom der
Mittel- und Knotenpunkt eines engmaschigen Netzes; von
Rom sind solche Postzüge ausser nach Antwerpen auch
nach Madrid (durch Südfrankreich) und nach Paris gelegt.
War ja wohl keine andere Stadt so wie Rom, als damaliger
Mittelpunkt der Christenheit wie vermöge der vorzüglichen
altrömischen Strassen zum Knotenpunkt für ein internatio-
nales Kurier-System geeignet 1).
Was in dem Itinerario da l’Herbas von 1563 die
»poste« bedeuten, dürften weitere Nachforschungen über
[62] das Aufkommen dieses zweiten Moments der neuzeit-
lichen Post erst noch genauer aufklären (s. Anlage VII).
Es ist wahrscheinlich, dass diese »poste« identisch
sind mit den herkömmlichen Rastorten der Vetturini, den
»loca consuetudinaria«, von welchen schon die Formeln
des Marculf sprechen (Marculfi formulae I. 11); wurde doch
im 13. Jahrhundert mehr gereist als im 18. Jahrhundert
(vergl. auch Rogers »Six Centuries of Work and Wages«).
Ich vermute aber, dass die Einteilung in Poststrecken und
die Vorsorge für Pferde-Relais schon längere Zeit vor 1563
— allerdings zunächst im Anschluss an die bestehenden
Einkehrorte der Fuhrleute — in ein förmliches Sy-
stem, und zwar für die gewerbsmässige Beförderung und
auch für den Transitverkehr gebracht worden war 1). Dies
bildet die erste technische Voraussetzung für die Schluss-
folgerungen in Anl. V: Ich nehme nämlich weiter an, dass
diese »poste« den Anfang einer kontinuierlichen Ver-
bindung und dazu den der neuzeitlichen Briefpost dar-
stellen; einen Anhaltspunkt hiefür finde ich darin, dass schon
1563 die Republik Genua einen Generalpostmeister, nämlich
eben da l’Herba, in Rom hat, und dessen »Itinerario« be-
zeugt, dass Genua schon ein Jahrhundert früher »Corrieri«
gehabt habe 2). Zugleich scheint es mir wahrscheinlich, dass
diese einheitliche Organisierung in einem gewissen Zusammen-
hang mit dem gleichzeitigen Erstarken der Souveränität
der Territorialherrn und mit den italienischen Emporien des
damaligen Welthandels steht.
Selbstverständlich hatten ebenso früh, als die einzelnen
[63] Städte, auch die einzelnen Fürsten, wie man leicht aus
den Hofkammerrechnungen nachweisen könnte, ihre Boten-
knechte; (für den Strassburger Bischof hatte laut Urkunden
aus dem 12. Jahrhundert die Stadt die Fron-Botenlast »feu-
dum portandi literas«). So erwuchs neben dem Verkehr
der Korporationen unter einander auch ein staatlicher
Botendienst, der, wie im römischen Reich, zunächst eine Ab-
teilung der Staats- und Militärverwaltung bildete, und aus
welchem später ein Verkehr zwischen den einzelnen Kabi-
netten erwuchs.
Diese Korrespondenz, wie der ganze Dienst der Kor-
porationen konnte nicht mehr genügen, als die Gemeinsam-
keit der Bedürfnisse sich über diese starr abgeschlossenen
Kreise ausdehnte, als neue Bedürfnisse erstanden, welche
über die Kreise und die abgeschlossenen Interessen, aber
auch über die Leistungsfähigkeit des Gaues, der Einzel-Stadt,
der Stände hinausgingen, sie durchkreuzten und schwäch-
ten. Auf Grund dieser Umwandlung giebt sich, an der
Schwelle der Neuzeit, im allgemeinen und demgemäss auch
speziell den verschiedenartigen Botenanstalten gegenüber
das Streben nach einer die bisherige Kräfte-Zersplitterung
ersetzenden machtvollen Einheit, eine Zentralisations-Ten-
denz, ein Bedürfnis nach internationalen Routen und nach
einer ununterbrochenen Transitbeförderung
kund; gleichzeitig wird dieses Bedürfnis noch verstärkt
durch die Ausdehnung der fürstlichen Haus-
macht: zuerst in Italien der des Papstes und der kleineren
Fürsten, dann der französischen und der Habsburgischen
Dynastie (unter Karl dem V.), später der Hohenzollern
(Post von Kleve bis Memel 1652).
Dazu kommt, dass der Schriftenwechsel des Hofes und
der zentralisierteren Verwaltung im 15./16. Jahrhundert, wie
ich noch näher in Anlage V darzulegen habe, so rege wird,
dass er an Umfang den der Handelsstädte übertrifft; wie
[64] die Handelszentren, so bedurften und erlangten nun-
mehr auch die politischen Hauptstädte der geschlossenen
Staaten einen »generellen« Botendienst. Es ist kein Zufall,
dass fast gleichzeitig für die Beförderung der Staatsde-
peschen in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in
Frankreich, Deutschland und (etwas später auch) in Eng-
land von dem Landesherrn ein regelmässiger Reit-
postdienst eingeführt wird. Die Botenanstalten der Kor-
porationen stellen die Anfänge des gemeinwirtschaft-
lichen Dienstes, die Aufstellung der fürstlichen »chevau-
cheurs«, die Anfänge des Regals dar. —
Die Entwicklung der Post im hl. römischen Reich deut-
scher Nation ist nach dem Vorstehenden schon gegeben:
ihre Wurzel liegt einerseits in dem regen Verkehr der
Korporationen, der Klöster und Städterepubliken, z. T. auch
der Universitäten, andererseits in der Ausbreitung und Zen-
tralisierung der Hausmacht der einzelnen Fürsten.
An den beiden Vorgängern nun, der städtischen Boten-
anstalt und dem fürstlichen Staffetten-Relais kann man
fast mit voller Sicherheit abmessen, was die Taxis’sche
Anstalt ursprünglich dargestellt hat. Mag sie 1491 oder
1501, oder einige Jahrzehnte früher, oder ein Jahrzehnt
später eingerichtet worden sein — die Untersuchung hier-
über ist ja noch nicht abgeschlossen (s. unten Anlage IX)
— das ist für die Entwicklung der Post, als eines Hebels
der modernen Volkswirtschaft, sehr nebensächlich. Die
Hauptsache ist: damit festgestellt zu haben, dass die An-
stalt nichts weiter war und das Wort »Poste« — genauer
»Les postes,« der Pluriel wird in Urkunden noch nach
1600 gebraucht — nichts weiter bedeute, als die Sicherung
des Pferdewechsels für die Feldjäger (»chevaucheurs«),
welche auf der Brüssel-Innsbrucker und spanischen Route
die Depeschen von Hof zu Hof zu vermitteln hatten. Die
angebliche »Erfindung« stellt sich hiernach als ein ziemlich
[65] einfaches Geldgeschäft dar: Taxis lässt gegen ein bestimmtes
Aversum Pferde und Reitboten laufen und sichert den
nötigen Pferdewechsel durch Verträge mit den Wirten der
schon lange herkömmlichen Rastorte.
Das ist die primitiv rohe technische Grundlage für
eine sehr komplizierte Maschinerie, wie die heutige Post ist.
Fast in allen Monographien über die Geschichte der Post
wird ein bestimmtes Datum für die Einführung der kom-
plizierteren Post angegeben, oder wenigstens der Versuch,
ein solches bezw. das Datum für die Einführung des Mono-
pols (Regals) festzustellen, unternommen. Der Versuch
kann aus zwei Gründen nie glücken: Die Post nämlich als
ein intensiver Gewerbebetrieb, die Periodizität und die Zu-
gänglichkeit für jedermann, sowie das Regal erwuchs erst
allmählich heraus; sowohl ihr Rayon (Route), als die Art
ihres Betriebs und ihrer Beförderungsobjekte war anfangs
so beschränkt, dass diese kleinen Ansätze und Keime ihrem
Wesen nach etwas ganz anderes als eine Post in
dem Sinne waren, wie sie bei der Erforschung ihres Ur-
sprungs aufgefasst wird.
Auch die neuzeitliche (Staats-)Post erstand, wenn sie
gleich aus einem autokraten Willen hervorging, nicht gleich-
sam über Nacht; auch diese Post erwuchs — es wirft dies
u. a. auch auf die Geschichte der »Ordinari-Post« und des
Monopols ein bedeutsames Licht — nur streckenweise
und allmählich aus dem Verkehrsbedürfnis und der
steigenden Zentralisation des Staates heraus und
benötigte dazu — die Umwandlung in den Grossbetrieb
konnte erst erfolgen, als sich eine grössere und regelmässigere
Nachfrage einstellte, — einen Prozess, der in allen Staaten
eine Zeitspanne von Jahrhunderten erforderte.
Demnach konnte diese komplizierte Einrichtung auch
nicht über Nacht »erfunden« werden. —
Eine kulturgeschichtlich interessante Merkwürdigkeit
Huber. 5
[66] liegt darin, dass sich, wie um die alte deutsche Post, so
auch um das moderne Taxis’sche Regal und zwar fast unter
den Augen der Mitlebenden ein Mythus gebildet hat. Das
Reichspostmeisteramt der Taxis und damit das Postregal
wird, wie ein Adelsbrief, möglichst weit in die Vorzeit zu-
rückgeführt; die Familie Taxis hatte an dieser Zurückdatie-
rung ein Interesse, da die vorhandenen Bestallungsbriefe
Karls V. und seiner Nachfolger zur juristischen Begründung
des Regals nicht ausreichen wollten. Schon 1578 behauptet
ein Taxis, (der Augsburger Postmeister Seraphin II. s. Rüb-
sam, »Johann Baptista von Taxis« 1889, S. 3), »vor vielen
abgelaufenen Jahren und bei Zeiten Kaiser Friedrichs III.
hätten seine Vorfahren das alte Postwesen erfunden«, und
schon 1615 hat diese parteiisch befangene Anschauung die
amtliche Anerkennung in dem Lehensbrief (von 1615) ge-
funden (»das Geschlecht derer von Taxis erstlich in Er-
denck- u. Aufrichtung, folgends auch Disponier- Verseh-
u. Haltung des gemeinen Postwesens, im Heil. Reich, Hi-
spanien u. a. Provinzien« s. Lünig, Reichsarchiv pars. gen.
S. 447 a). Aehnlich werden in dem Begnadigungsbrief vom
27. Okt. 1621 die Taxis als die »Ersterfinder und Erhebere
dieses Postwerckhs« ausgezeichnet.
Es ist möglich, ja wahrscheinlich, dass schon Kaiser
Friedrich III. 1451, aus Anlass seiner italienischen Händel
einen Staffettendienst durch Tirol und Steiermark angeordnet,
und mit Legung der Relais seinen Oberstjägermeister Roger
von Taxis beauftragt hat. Aber diese Alarmposten sind alles
andere eher, als die späteren Reichsposten, sie sind keine
stehende Einrichtung, sondern nur durch einen speziellen An-
lass, durch die kriegerischen Verwicklungen mit Venedig her-
vorgerufen, ähnlich wie noch lange nachher solche Feldjäger-
Posten, (»Feldpost« Rübsam 1889 1), S. 15) als ein Teil der
[67] Mobilmachung z. B. für Nürnberg-Wien 1522, und für Speyer-
Wien 1542 bestellt, dann wieder nach Erledigung des
besonderen Bedürfnisfalls eingezogen, und bei speziellen An-
lässen, bezw. kriegerischen Verwicklungen wieder eingeführt
worden sind. Die verschiedenen Zurückdatierungen haben
daher gar keinen geschichtlichen (aber auch keinen recht-
lichen) Wert.
Von mehr Bedeutung scheint mir das Zusammentreffen der
Einrichtung des Taxis’schen Relaisdienstes mit der Vereini-
gung Spaniens und der Niederlande zu sein. Im Jahre 1494
nämlich hatte Philipp der Schöne, der einzige Sohn des
Kaisers Maximilian I. die Regierung über die Erblande
seiner Mutter Maria von Burgund angetreten; zwei Jahre
darauf, 1496, vermählte er sich mit der kastilischen Infantin
Johanna. Im gleichen Jahre 1496 lässt sich die Einrichtung
einer (reichsständischen) Botenpost zwischen Meissen und
Friesland durch den damaligen niederländischen Statthalter,
Albert von Sachsen, nachweisen. Für Philipp nun lag ein
besonders dringendes Bedürfnis für eine regelmässige Ver-
bindung Brüssels mit dem kastilischen und aragonischen
Hof, sowie mit dem Hofe seines Vaters Maximilian I. vor
(letzterer, 1493 zum deutschen Kaiser erwählt, verwaltete
die burgundischen Länder für seinen Sohn). Es ist die
Annahme wohl nicht zu gewagt, dass erst Philipp es war,
der in den letzten Jahren des 15. Jahrhunderts die Relais
zwischen Brüssel, Madrid und Innsbruck (dem damals ge-
wöhnlichen Aufenthalte Maximilians I.) angeordnet hat. Im
Hinblick hierauf wird man kaum umhin können, dem ara-
gonischen Institut der Correos mayores einen massgebenden
Einfluss auf die Entstehung des Taxis’schen Ordonnanz-
dienstes einzuräumen, sei es nun, dass Philipp dasselbe ein-
fach kopiert hat, oder dass er wenigstens durch diesen
1)
5 *
[68] praktischen Vorgang zu der endlichen Ausführung eines in
der Luft liegenden Gedankens angeregt worden ist. Be-
stätigt sich diese Hypothese, so liesse sich ein Zusammen-
hang der Reichslehenpost mit dem römischen Cursus pub-
licus herstellen, allerdings in anderer Weise, als es bisher
geschehen ist.
Es ist nämlich eine noch wenig beachtete Thatsache,
dass Spanien früher als alle anderen christlichen Staaten,
eine Postorganisation durchgeführt hat. Schon Alfons X.
von Leon und Kastilien (1252—1284) stellte Kouriere für
Beförderung der Staatsdepeschen, Jakob II. von Mallorka
im Jahre 1337 deren acht, Pedro IV. von Aragonien deren
20 auf (s. Anl. VIII).
Das vereinigte Königreich Spanien hatte schon Ende
des 15. Jahrhunderts (schon vor 1490 für die meisten Pro-
vinzen: Aragonien, Granada, Valencia u. s. w.) Chefs über
alle übrigen im Botendienst beschäftigten Diener, »könig-
liche Botenmeister« »correos mayores«, die einen hohen Ge-
halt und viele Nebeneinkünfte hatten, zugleich Bankge-
schäfte, auch Börsengeschäfte — als die ersten Empfänger
der damaligen »Telegramme« — betrieben 1). Die Post ge-
hörte dort schon damals zur Staatsmaschinerie; kaum war
Amerika entdeckt, so wurde (Erlass vom 14. März 1514)
einem Lorenzo Galindez de Carbajal auch schon die Würde
eines »Ober-Postmeisters über Indien und über die ent-
deckten oder noch zu entdeckenden Festlande des Ozeans«
verliehen.
Nun ist die Annahme wohl nicht zu gewagt, dass
die Fürsten von Kastilien und Aragonien mit dieser An-
stalt nur die in ihrem Nachbarreich bestehende (Chalifen-)
[69] Post nachgeahmt bezw. nach der Eroberung Granadas mit
übernommen haben 1). Auch dem Gründer der französischen
»Dragonerpost«, Ludwig XI. kann die chalifisch-spanische
Organisation bei dem regen Verkehr der Nachbarreiche
nicht unbekannt geblieben sein: jedenfalls haben seine Ge-
sandten ihrem Herrn davon berichtet.
[[70]]
Kap. V.
Kontinuität der Verbindung und gemeinwirt-
schaftlicher Charakter.
In der bisherigen Entwickelung treten schon die
Hauptbestandteile der neuzeitlichen Postorganisation, ins-
besondere die Zentralisierung und Periodizität des Betriebs
wenigstens in nuce zu Tage. Rasch gedeihen nun diese
fruchtbaren Keime weiter und werden durch die andern
zum System gehörigen Bestandteile (Grossbetrieb, Gemein-
wirtschaftlichkeit, Briefpost) vervollständigt.
Die weitere Stärkung der Territorialmacht wie
des Handelsverkehrs zeitigten je für die beiderseitigen
Centren das gleiche Bedürfnis, das Bedürfnis nämlich,
einer engeren Fühlung mit den entfernteren Kunden bezw.
Staatsgliedern zu erhalten. Das naheliegende Mittel dazu
war die Umwandlung des auf Einzelbestellung arbeitenden
Botengewerbes in einen Grossbetrieb, d. h. in einen
regelmässigen und generellen, von individuellen Anlässen
unabhängigen Relaisdienst (Ordinari—Boten; »correos or-
dinarios y periodicos«). Nun bedingt die Zentralisierung
des Botendienstes eine allmähliche Umwandlung seines
Wesens. Auch in diesem Punkte geht Spanien voran;
schon zwei Jahrhunderte vor der Einrichtung der französi-
schen Post, nämlich im Jahre 1283, setzt der Rat von
Barcelona eine Art Tarif fest: die Boten dürfen nicht mehr
als 6 dineros für die Meile erheben; schon aus dieser Ver-
[71] ordnung, noch deutlicher aus derjenigen des gleichen Rats
von 1338 geht hervor, dass die Boteneinrichtung dem
öffentlichen Gebrauch diente; um das Jahr 1390, unter der
Regierung Königs Juan von Aragonien finden sich schon
berittene Boten des königlichen Hofes; 1490 erzählt der
schon erwähnte Oviedo, wie rentabel die Stellung eines
Botenmeisters, des »correo mayor« sei: neben der freien Sta-
tion beziehe er viele Nebeneinkünfte aus dem Porto, den
Stafetten, der »bujeta« (»silberne Miniatur-Brieftäschchen als
Amtszeichen«), aus Bank- und Wechselgeschäften: kurz
er habe noch keinen armen Corres mayor gesehen.
Diese — bisher zu wenig beachtete — Entwickelung
gibt das Vorbild für die in den anderen Staaten ab. Bald
nachdem von der Regierung eine Botenanstalt eingeführt
worden, wird auch ihr Zweck verallgemeinert, der zuerst
— wie auch z. B. in der römischen Kaiserzeit — auf Alarm-
dienste, dann auf die wechselseitige Verbindung der fürst-
lichen Höfe beschränkt war. Die gleiche Entwickelung lässt
sich insbesondere bei der deutschen Reichspost verfolgen.
Jedes Weltreich, das der Perser, Römer, Chalifen be-
durfte, wie wir gesehen haben, einer Art postalischer Ver-
bindung; aus gleichem Grunde brachte auch dasjenige
Karls V. eine solche hervor. Die grosse Ausdehnung
seines Reiches und die verschiedenen Kriegsläufte wiesen
den Kaiser, als ihm neben den Niederlanden die spani-
schen und österreichischen Erblande zufielen, darauf hin,
eine engere Verbindung seiner so verschiedenartigen Pro-
vinzen durch Nachahmung des Beispiels der flandrisch-spani-
schen Post herbeizuführen.
Schon damals war der Anfall der Staatsdepeschen be-
trächtlich; als Kaiser Maximilian z. B. am 23. April 1507
nach Villingen kam, gingen — nach dem Berichte der
dortigen Chronik — Tags darauf »ob 800 Brieff hie uss in
das Niederland und nach Ungarland.« Mit dem Umfang
[72] des Weltreiches Karls V. aber war nun weiter eine Post-
organisation gegeben, wie sie kein anderes Land damals
besass; das war zugleich auch die naturgemäss gegebene
Treppe für das Emporkommen der Taxis’schen Familie.
Wie der niederländische Handel unter Karl V. den Welt-
verkehr an sich reissen konnte, so stiegen die Taxis mit
Karl V. und seinem Stern »leur fortune est restée attachée
à cette création (sc. des Postes) en même temps qu’elle a
suivi les progrés de la maison d’Autriche« (Rothschild
S. 191). Der damalige Umfang des Habsburger Reiches fällt
mit dem des Taxis’schen Postbereichs, wenn auch nicht ganz,
so doch nahezu zusammen (s. unt. Anl. IX).
Wann wurde nun, fragt sich, der Taxis’sche Relais-
dienst eine (Reichs-)Post im modernen Sinne? Es ist dies
eine heute noch ungelöste Frage. Die Lösung gelang
nicht, weil man sich bisher zu eng an die (bandwurmartige)
Kontroverse hielt: durch welches der kaiserlichen Bestal-
lungsdekrete wurde dem Taxis’schen Ordonnanzdienst die
Eigenschaft eines Reichsregals verliehen?
Weiter kommt man, wenn man die allgemeine kultur-
geschichtliche Entwickelung ins Auge fasst und sich fragt,
wann wurde die Umwandlung und Vervollkommnung des
Relaisdienstes ein Bedürfnis für das deutsche Reich?
Dabei wird man, zumal die Taxis von Anfang an mit der
spanischen Postanstalt in engster Beziehung standen, nicht
umhin können, in erster Linie die eben dargelegte Heraus-
gestaltung der beiden Vorgänger in der Organisation zu
einem analogen Schluss für die Entwickelung des Taxis-
schen Instituts zu verwerten.
Ursprünglich war dasselbe — unter Franz von Taxis
— ein primitiver für den jeweiligen Bedürfnisfall bestimmter
Staffettendienst, wie ihn alle Kaufmannsgilden, Städte, Reichs-
stände von einiger Bedeutung Jahrhunderte zuvor einge-
richtet hatten; weder die Route noch der Kurs war fest
[73] vorgezeichnet bezw. vereinbart worden; die Taxis hatten
an das jeweilige Hoflager der Fürsten die jeweils an-
fallenden Depeschen zu überbringen. Neu aber war die
mit dem raschen Anwachsen der habsburgischen Dynastie
gegebene Länge und Internationalität der Post-
routen von Prag- bezw. Wien über einerseits Mailand (Man-
tua), andererseits Brüssel nach Paris und Madrid. Daraus
ergab sich von selbst, sobald die amtlichen Depeschen
zahlreicher und regelmässiger anfielen, die Notwendigkeit
der Einhaltung bestimmter Abgangs- und Ankunfts-
zeiten, sowie eine Zuneigung des internationalen Handels
zu dieser »Ueberlandpost«. Für den europäischen unter
Karl V. stehenden Kontinent war Johann Baptista von
Taxis Generalpostmeister; er oder genauer das Haus Taxis
organisierte eine Art Weltpostverein, der eine niederlän-
dische, spanische, römische, neapolitanische und deutsche
Post umfasste. Dieser Postbetrieb war halb Erblehen, halb
eine Art Kompagniegeschäft, ähnlich wie gegen Ende des
Mittelalters die ersten Handelsgesellschaften aus dem Fa-
milien-Erbe erwachsen sind.
Der Umfang des Taxis’schen Postbereichs wird da-
durch markiert, dass wir sofort nach 1536, bezw. nach der
ersten Teilung von 1516, Glieder der kinderreichen Familie
in den Hauptknotenpunkten des damaligen Weltverkehrs
finden; so in Antwerpen: Anton v. Taxis, natürlicher
Sohn des Johann Baptista und Stammvater der Antwer-
pener Seitenlinie, 1541—1574; in Rom: Pelegrin v. Taxis
1527, dann Johann Anton von 1541—1580; in Venedig:
Roger (wahrscheinlich von 1533 an, in welchem Jahre die
Postroute bis Venedig vorgeschoben wurde). Die Postämter
in Trient-Bozen wurden 1507—9 von David v. Taxis
verwaltet, und später 1596, unter Kaiser Rudolf II., dem Lo-
renzo Bordogna v. Taxis auf Lebenszeit verschrieben; in Inns-
bruck, dem damaligen Zentrum der österreichischen Landes-
[74] verwaltung stand 1507 Gabriel, später sein Enkel Paul v. Taxis
(von 1563—1613) der generalis praefectura über Tyrol vor.
Das kaiserliche Postamt in Neapel hatte Johann Baptista,
wahrscheinlich schon bei der ersten und vorläufigen Erb-
teilung, auf seinen Schwiegersohn Don Juan Baptista Zapata
übertragen; in dessen Familie verblieb das einträgliche
Postamt von Neapel bis zum Ende des 16. Jahrhunderts.
Die Beförderungsobjekte waren anfangs nur
Staats-Depeschen; die Uebermittelung von Privatkorre-
spondenzen wurde von den Kourieren in Frankreich wie
in Deutschland nur nebenbei und ohne Garantie besorgt.
Die staatliche Regelung konnte nun nach zwei Richtungen
erfolgen, nämlich nach der Einbeziehung der Privat-
Korrespondenz oder — wie in Frankreich — der
Personenbeförderung. Die Verstaatlichung und Mono-
polisierung war erst der zweite Akt, der aber mit logischer
Folge aus der vorhergehenden Einbeziehung des privaten
Verkehrs erwuchs.
Es lag nahe, behufs der Verringerung der Kosten,
welche mit der Ausdehnung der Reichsgrenze und der
wachsenden Entfernungen der einzelnen Provinzen von der
Hauptstadt wuchsen, auch den privaten Handels- und
Familienverkehr an der Staatspost (bezw. der Korporations-
post) teilnehmen zu lassen. Nachweisbar übernahmen von
Anfang an die städtischen Boten — entsprechend ihrer
ursprünglichen Einrichtung — und die Staatskouriere —
als Nebenverdienst — solche private Kommissionen (wie
denn auch die späteren Postvorstände die naturgemässen
Ueberbringer von Neuigkeiten z. B. von politischen Nach-
richten für die verschiedenen kleinen Höfe, der Kurse und
Warenpreis-Notierungen für die Kaufleute waren, und sich
gegen Entgelt auch formell hiezu verpflichteten. Das Pa-
tent Karls V. von 1516 redet von dem Ertrag der Beförde-
rung der Privat-Korrespondenz als »emoluments y accu-
[75] stumés et appartenans«; dasselbe deutet nur an (in
Art. VIII und IX), dass die Posten lediglich für amtliche
Sendungen »si non pour les lettres et affaires du roy« in
Thätigkeit gesetzt werden dürfen1); hätte es die Be-
förderung der Privatkorrespondenz untersagen sollen, so
wäre das, da allem nach der Formulierung des Wortlautes
spanische und französische Bestallungsdekrete als Vorgang
dienten, ausdrücklich ausgesprochen worden.
Wann sich die Umwandlung des ursprünglichen Hof-
kourierdienstes in eine gemeinwirtschaftliche Verkehrsanstalt
vollzogen hat, dafür ermangeln für Deutschland die genau-
eren Anhaltspunkte. Für Frankreich gibt es hiefür ein be-
stimmtes Datum, nämlich das Jahr 1627 (nicht, wie sonst
angegeben wird, 1576); das ist das Jahr, in welchem für
die Briefbeförderung bestimmte Taxen vorgeschrieben und
bestimmte Abgangs- und Ankunftszeiten festgesetzt werden;
schon vorher hatte die Post durch die Personenbeförde-
rung soviel abgeworfen, dass sie 1597 unter Sully um 30 000
Thlr. p. a. verpachtet werden konnte (erste bretagnische
Messagerie mit »Jours fixes« 1642).
Für Deutschland liegen nur dafür verschiedene
Belege vor, dass die fragliche Umwandlung des Postbe-
triebes vor 1595, dem Jahre der sogen. »Reformation«
der Post unter Rudolf II. erfolgt sein muss. Die Belege
hiefür bestehen in folgendem: Ende des 16. Jahrhunderts
zeigt zunächst der private Korrespondenzverkehr
eine steigende Entwickelung und damit die Notwendigkeit
einer ausreichenderen Organisation seiner Beförderung. Ein
Niederschlag dieser Bewegung findet sich in der Neuein-
[76] richtung des städtischen Botenwesens, wie sie in den letzten
Jahrzehnten dieses Jahrhunderts, sei es direkt durch die
Kaufleute, z. B. in St. Gallen (reitende Boten nach Nürnberg),
oder auf deren Anregung durch den Magistrat z. B. 1555
in Augsburg, 1570 in Nürnberg, 1573 in Breslau, 1580 in
Hamburg, 1585 in Frankfurt, 1590 in Leipzig u. s. w. erfolgt.
Wie für die Korrespondenz, so ergab sich auch für den
geschäftlichen Anlass, insbesondere aber auch in
der Reiselust eine Steigerung. Die Pilgerfahrten nach
dem heiligen Lande waren damals um die Wende des
16. Jahrhunderts in Abnahme gekommen: nun zeigen sich
die ersten Anfänge der »Vergnügungsreisen«, und zwar
hauptsächlich in der Richtung nach Italien; manche dieser
Touristen glauben noch ihre Reiselust entschuldigen zu
müssen, insbesondere mit dem bildenden Werte der »pere-
grinationes«1).
Einen Beweis für die Zunahme des Reiseverkehrs liefert
das rasch aufeinanderfolgende Erscheinen verschiedener Rei-
seführer. Während vor 1600 nur einige wenige Itinerarien
verfasst worden sind, folgen nunmehr solche sehr rasch auf-
einander, so z. B. von Weigel (Clementis Weigelii »Sicherer
Wegweiser in Italien« 1601), Cyprianus, Eichovius (Index
itinerum Viatorius indicans itinera 1604), von Casp. Ens
(Deliciae Italiae et Index Viatorius, Köln 1609), von Paul
Hentzner (Reisetagebuch mit Milliarium 1612), von Hans
Kilian Neumaier (Itinerario Europaeo, Leipzig 1622), und
namentlich von Franz Schott, dessen in Amsterdam erstmals
1599 erschienenes Itinerarium über ein Dutzend Auflagen
erlebt hat.
[77]
Einen weiteren Anhalt für die stärkere Intensität des
Reisebedürfnisses gibt die Thatsache, dass damals verschie-
dene private Unternehmer, nicht allein Metzger1) und Wirte,
beginnen, Fahrten nicht mehr nur im Auftrage eines spe-
ziellen Reisenden, sondern »omnibus«, für jedermann zu
unternehmen. Mit ihnen trat die Ordinari-Post in Konkur-
renz: wie die Passagierbeförderung2) sich im An-
schluss an den Depeschendienst ausbildete, diesen Ent-
wickelungsgang schildere ich in Anl. V an der Hand der
Reiseberichte aus jener Zeit.
Die »Landkutschen« werden, je nachdem sie ren-
tieren und je nachdem die Strassen und Brücken erstellt und
im Stand gehalten wurden, für einen periodischen
Lauf eingerichtet. Die frühesten Belege hiefür finden sich
bei Rüff und Weigel, 1599 z. B. benützt der Basler Kauf-
herr Rüff (Selbstbiographie in den Basler Beiträgen zur
vaterländischen Geschichte Band IX) ein regelmässiges
Postschiff von Padua nach Lugo und eine »Post-Gua-
rutschen« von Pavia nach Mailand; 1601 rät der oben-
benannte Cl. Weigel in seinem Vorberichte an: für die
Reise durch Tyrol solle man sich in Augsburg, nach-
dem man sich die Gesundheits-Fehde vom Magistrat ver-
schafft, »auf eine Landkutsche verdingen, dergleichen
Gelegenheit sich fast alle Wochen zu ereignen pflege.
Er kann sich selbst verkosten oder mit dem Fuhrmann
einig werden, dass er vor die Kost sorgen soll; auf wel-
chen Fall man (nachdem die Kompagnie schwach oder
stark) 11 in 12 Dukaten zu zahlen pfleget.«
[78]
Einen Fingerzeig also für den Zeitpunkt, von welchem
an und für das Mass, in welchem die Taxis’sche Post der
Privatbeförderung mehr und mehr Aufmerksamkeit ge-
schenkt hat, geben die jeweiligen Klagen über das Ueber-
handnehmen der eben erwähnten »Metzger-Posten« und
Nebenfuhrwerke an die Hand. —
Ferner reden schon vor 1580 Urkunden von dem
Nutzen der Taxis’schen Post für die Commerciis und
das allgemeine Wohl; s. Granvellas Brief an Leonard
v. Taxis vom 18. Februar 1569 »pour le service du pu-
plique« (Rübsam 1892 S. 27); 1570 wird von den Kur-
fürsten bezeugt: der Taxis’sche Postkurs Wien—Brüssel sei
insgemein allen Ständen und ihren Unterthanen sowohl als
den Reichs-Commercien in viele Wege nützlich und
bequem, ebenso bezieht sich das Patent von 1595 auf den
Nutzen für die »Commerciis«.
Der beste Anhaltspunkt endlich liegt in dem Auf-
kommen eines Porto-Tarifs und in der Uebernahme eines
festen Kurses, einer bestimmten Regel für die Abgangs-
und Ankunftszeiten1). Die Uebernahme einer derartigen
öffentlichen Verpflichtung gegen das Publikum wird not-
wendig, sobald eine Botenanstalt zu der Aufnahme der
gewerbmässigen Beförderung der privaten Korrespon-
denz übergeht; die Normierung und Gewerbmässigkeit also
werden fast gleichzeitig stattfinden.
Auch in dieser Neuerung scheint Italien mit gutem Bei-
spiel vorangegangen zu sein; für die Ordinarii der Handels-
emporien ergab sich ja dieser Fortschritt von selbst. Für
Deutschland wenigstens wird für die Zeit vor 1570 nur
bezeugt, dass ein Brieffelleisen von Italien nach Brüssel und
ein solches in umgekehrter Richtung je einmal wöchentlich
[79] ging. Anders für Italien, das, wie es scheint, von dem
Stillstand der Taxis’schen Postanstalt in der Zeit von 1570
bis 1595 nicht berührt worden ist; wenigstens braucht ein
Jahrzehnt darauf, 1608, Codogno in seinem »Itinerario«, zur
Aufzählung der fixen Abgangspunkte der Ordinarii nicht
weniger als 105 Seiten; wäre diese Normierung erst 1595,
also knapp ein Jahrzehnt vor Erscheinen des Kursbuches
erfolgt, so hätte der Verfasser sicher nicht unterlassen, dies
rühmend hervorzuheben. Aus dem ganzen Tenor des Buches
geht hervor, dass diese Kurse schon ziemlich lange bestan-
den haben müssen. Schon 1601 berichtet Weigel S. 508: »Alle
Wochen vährt ein Bot (von Rom) nach Neapels, welche alle Aus-
länder vor seine eigene Kosten auf guten Maulthieren an den
verlangten Ortbringt; denn man vor die Beköstigung und seine
Gebühr sieben Scudi erlegen muss«; ferner S. 240: »Von Ve-
nedig nach Padua gehen alle Morgen Barken ab, bei denen
man sich vorher anmelden muss.« Aber auch die Stadt
Lindau hatte damals schon eine regelmässige Passagierpost;
wenigstens teilt 1627 Jos. Furttenbach in seinem »Newen
Itinerarium Italiae« (p. 2: »Erinnerung für den Peregri-
nanten«) folgendes mit: »Demnach allda (scil. Lindau, von
einem löblichen Magistrato, vier Burger zu Ordinaribotten
verordnet worden, von welchen alle Wochen einer nach Mayl-
land zu reitten im Gebrauch (hingegen auch wochentlich einer
von derselbigen auss Maylland, in Lindaw ankompt) mit
allein die aus Teutschland ankommende Brieff, sondern
auch die Passagieri oder Raisende Persohnen mit sich
nach Italia zu führen: Also mag nicht besser gethan werden,
denn dass sich der Raisende einem solchen Botten Raco-
mandieren thue, der dann von jhme nicht allein mit
Speiss vnnd Trank, sondern auch mit Pferden, vnd guter
servitu nach dem besten versehen, vnd fürnemlich in allen
betrübten Zuständen (deren nicht wenig ob den grausamen
wilden hohen Schneebergen auff dieser Rais zu gewarten)
[80] Hülff und Trost zu geniessen, auch vnfehlbarlichen haben
wird: Für alle jetzo erzehlte Gutthaten wird dem Botten
vngefährlich 24 Reichsthaler bezahlt: So liffert er den Passa-
giero, vermittelst der Gnaden Gottes jnnerhalb 5½ Tagen
nach Maylland mit gutem contento.«
Für die spanische Route hat man als bestimmtes
Datum das Jahr 1580, von welchem Jahre an alle 14 Tage
ein »correo ordinario« von Madrid nach Genua, Mailand,
Rom und Neapel abgefertigt wurde. Für Deutschland sich
an die gleiche Regelmässigkeit zu binden, war das Haus
Taxis noch eher veranlasst, und zwar durch die Konkur-
renz der schon bestehenden anderweitigen Anstalten Schon
zur Zeit der Entstehung der Taxis’schen Post hatten die
reichsständischen, aber auch die Privatanstalten Ordinarien-
Posten mit fester wöchentlicher Ankunfts- und Ab-
gangszeit. So werden die Taxis schon durch diese Kon-
kurrenz, je nach deren Intensität, allmählich zu der gleichen
Einhaltung eines Kurses (correos periodicos) bewogen
worden sein; an manchen Orten mag hierzu auch die Rück-
sicht auf die Beschleunigung des Pferdewechsels auf den
Unterwegsstationen, hauptsächlich aber auch auf die rasche
»Umkartierung« an den Kreuzungspunkten z. B. Rhein-
hausen, Augsburg u. s. w. gedrängt haben.
Eine Verpflichtung anderer Art endlich gegenüber
dem Publikum, die nicht minder beweiskräftig ist, stellt
der Portotarif dar. Schon 1608 erwähnt Codogno
(II. Aufl. S. 342) das »pagar il porto« als etwas Alther-
kömmliches. Urkundlich lässt sich für die Taxis’sche
Post die Aufstellung eines Tarifs nicht weiter zurückver-
folgen als bis zum Jahre 15991) (angeführt von E. Del-
mati, Legislazione postale, Napoli 1890). Aus dem ganzen
[81] Tenor der Ermahnung Codognos aber an die Briefe auf-
gebenden Personen geht hervor, dass, wenigstens in Italien,
schon lange vorher der Preis der Briefbeförderung fixiert
war (s. unten Anl. V).
Diese neuen Betriebsformen übertrugen nun die Taxis
auch auf ihre Anstalt; wie? und warum? — soll das fol-
gende Kapitel darstellen.
Zuvor aber sei, der Uebersicht halber, die Entwicklung,
welche nach dem Bisherigen die Post genommen hatte,
noch kurz zusammengefasst:
In ihrer geschichtlichen Entwicklung weist die Post
zwei Keime auf, nämlich zuerst die Raschheit der Be-
förderung, und dann, aber erst Jahrtausende später, die
Regelmässigkeit des Transports. Die Herausgestal-
tung des einen Angelpunktes hängt mit dem Bedürfnisse
der Verwaltung eines grossen Reiches (Cyrus, die statores
seit Augustus, Karl V.), die des andern mit dem Handel
(tabellarii, Botenzunft des Mittelalters) zusammen. Schon
von ihrem Ursprung an zeigt die Post den Doppelcharakter
der heutigen Kommunikation: nämlich einen militärisch-
politischen und einen kommerziellen. Scheinbar wiegt der
erstere in der Urgeschichte vor, aber beide Momente wir-
ken auch hier schon gleichzeitig neben einander und stehen,
wie auch heute noch, mit einander in einer sich gegenseitig
befruchtenden dualistischen Wechselbeziehung.
Das eine Moment, die Raschheit der Beförderung,
ist noch nicht das, was man heute unter Post versteht; es
bildet die mehr technische Unterlage, oder gleichsam das
Räderwerk zu einem komplizierten Mechanismus, ist nicht
das lebendige Gangwerk selbst. Erst das zweite Mo-
ment, die Regelmässigkeit, erbringt das Geistig-Organisa-
torische, das Lebendige, das dem Wesen unserer heutigen
Post, der Kontinuität der Verbindung, dem ständigen Rap-
port entspricht. Geschichtlich drückt sich dies darin aus,
Huber. 6
[82] dass das Wort »Post« (welches eine ursprüngliche und eine
abgeleitete Bedeutung hat), auch schon im 15. Jahrhundert
gebraucht wird, aber gewöhnlich im Plural: »les postes«
d. h. positae stationes, die Relaisstationen mit unterlegten
Pferden, welche lediglich die Raschheit der Beförderung
sichern. Erst zu Anfang des 16. Jahrhunderts kommen die
Momente, welche die Regelmässigkeit der Transportleistung
einleiten, auf, und damit auch die übertragene Bedeutung des
Wortes »Post«, im Sinne einer gemeinschaftlichen Organi-
sation, (welche das Volk und die ganze Welt mit einem
geistigen Bande umschlingt).
Nun hat der Tropus, wie auf allen Gebieten der Na-
tionalökonomie, so besonders auch auf diesem eine grosse
Verwirrung angestiftet. Der moderne Begriff der »Post«
wurde fast von allen neueren Schriftstellern missverständlich
oder missbräuchlich auf das erste Stadium (der blossen
Entwicklung der Raschheit) übertragen, in dem von einer
Organisation noch keine Rede sein kann, und demgemäss
der Relaisdienst des Altertums und des Mittelalters als ein
solcher von höchstmöglicher Vollkommenheit angenommen
und ausgemalt, während er, wie naturgemäss, nur ein pri-
mitives Verkehrs-Instrument sein konnte. Da nun jede Zeit
nur dasjenige Instrument gebraucht, für das sie die nötige
Geschicklichkeit besitzt, demgemäss die Zeit, die sich schon
auf ein so feines Instrument, wie unsere moderne Post ist,
— angeblich — verstanden hat, im Verkehr sehr weit vor-
angeschritten sein muss, so ist es zunächst für das Wesen
der Verkehrsorganisation, dann aber auch für die Kultur-
geschichte im allgemeinen von Bedeutung, den Zeitpunkt
festzustellen, in welchem die moderne Postorganisation, wenn
auch erst im Embryo, zu Tage tritt.
Als dieser Zeitpunkt kann erst das 15. Jahrhundert
angenommen werden. Die Anfänge dieser Organisation
zeigen sich zuerst in Spanien und in Italien, dann Ende des
[83] 16. Jahrhunderts in Deutschland; vorher sind nur die
Unterlagen und Voraussetzungen der Raschheit der Beför-
derung vorhanden: nämlich eine bestimmte Route (Boten-
zug, Postlinie), deren planmässige oder traditionelle Eintei-
lung in Halte- und Pferdewechsel-Stationen, nach ab-
gemessenen oder vorher schon üblichen Distanzen, die Bereit-
haltung der für die Unterlegung nötigen frischen Pferde,
die Aufstellung besonderer Reitboten durch die Regierung
oder durch die Handelswelt. Eine solche systematische
Anordnung stellt sich schon in der römischen Kaiser-
zeit als eine für Kommunikationszwecke errichtete stehende
Anstalt mit einheitlich zentralisierter Leitung dar; es be-
deutet dies aber — wie ich immer wieder betonen muss —
nur die mehr technische, zu einer Organisation nötige Vor-
bereitung der Strasse und der Vehikel.
Nun keimt im späteren Mittelalter allmählich die Organi-
sation auf; die lebhaftere Entwicklung des Korrespondenz-,
Reise- und Frachtverkehrs ist zugleich Folge und Ursache; zu-
nächst wird dadurch das Bedürfnis nach einer sicheren und
regelmässigen Beförderung gezeitigt, die Briefbeförderung
ein spezielles Gewerbe. Wie die ehemaligen Handwerker
des Bischofs oder der Pfalz selbständig werden und sich
in einer Zunft vereinigen, ebenso entstehen neben den Hof-
kurieren Botenzünfte, z. B. in Barcelona, in den lombardi-
schen Städten, in den deutschen Reichsstädten, an den
Universitäten. Vorher liegen die Ankunfts- und Abgangs-
zeiten weit auseinander, jetzt führt — zunächst an den
Kreuzungspunkten — das Aufkommen des Botengewer-
bes zu einem geordneten Zusammenwirken für den allge-
meinen Zweck der raschen Beförderung und zwar — ge-
mäss dem Wesen eines in der Arbeitsteilung stehenden
Gewerbes — »pour tout le monde«; das Botengewerbe ist
schon seiner Natur nach gemeinwirtschaftlich.
Für jede Verkehrsorganisation ist diese Spezialisie-
6 *
[84] rung, die Ausbildung des Gewerbmässigen der »Motor«
für die weitere Entwickelung: speziell für die Post ist sie
von gleicher Bedeutung, wie z. B. die Entwickelung des
primitiven Leihens auf Zinsen zum gewerbemässigen Leihen
(d. h. zum Bankiergewerbe) und damit zu einem Stützpunkte
für die Kontinuität des heutigen Kredit- und Börsenver-
kehrs. Auch dieses Stadium weist noch keine »Post« auf,
es sind aber wenigstens die Keime zu einer solchen zu
sehen, die von nun an nur noch der weiteren Entwickelung
bedürfen. Diese ergiebt sich mit dem Fortschritt zum
Grossbetrieb: als der Handels- und Familienverkehr
sich in die Ferne ausweitete und der Binnenhandel inten-
siver wurde, reichten hiefür diese embryonischen Keime
nicht mehr aus und wurde die Vereinigung dieser spora-
disch und zerstreut vorkommenden Beförderungsanstalten
in ein System (maschinenmässiger Grossbetrieb), die Ni-
vellierung aller Abweichungen und die Zentralisation not-
wendig; zugleich »produziert« das Botengewerbe nicht nur
mehr bloss für jedermann, sondern »en masse«, und zwar
für den Weltmarkt. Erst jetzt, im 16. Jahrhundert, mit dem
steigenden Verkehr treten naturgemäss verschiedene Neue-
rungen ein: so unbedingte Zugänglichkeit für jeder-
mann, Unabhängigkeit von dem individuellen
Bedürfnis und Anlass, Erhebung der Beförderung der all-
gemeinen Korrespondenz (nicht nur der Staatsdepeschen
und Preisnotierungen) zur Hauptaufgabe der Anstalt,
Vorausbestimmung der Leistung (Beförderungs-
dauer) und Gegenleistung (bestimmte Taxe, Tarife), sowie
der Ankunfts- und Abgangszeit (Einrichtung eines Kurses),
Veröffentlichung dieser Kurse und Tarife, regel-
mässige und ständige Verbindung (Kontinuität), be-
sonders mit dem Ausland, Internationalität und Uni-
versalierung der Beförderung, amtliche Garantie für
die zuverlässige Ablieferung. Gefördert wird dieser Fort-
[85] schritt durch die erwähnte militärisch-politische Seite der
Post, wegen deren die Regierung die Anstalt fast in allen
Staaten zentralisiert und monopolisiert: gewöhnlich wird
diese Einwirkung (Staatsbetrieb, Regal) als die Hauptseite
der Postgeschichte geschildert; es ist dies immer ein Be-
weis der schiefen Auffassung, als ob die Post ihre Ent-
stehung einem in einem Augenblick aufblitzenden Gedanken-
funken, bezw. Erzeugungs- (oder Erfindungs-) Akte verdanken
könne. Thatsächlich ist diese staatliche Einwirkung nur
insoferne von Belang, als dadurch die Gesamt-Entwickelung,
insbesondere die Universalierung beschleunigt wird.
Diese letztere Wirkung trifft besonders für Deutschland,
bezw. für die Reichslehenspost zu. Naturgemäss nämlich
ist es zuerst der Fernverkehr, die Transitroute, im
Unterschied von den »Bahnen sekundärer oder untergeord-
neter Bedeutung«, sind es die Welthandelsstrassen, für welche
ein solcher kontinuierlicher Dienst sowohl ein Bedürfnis war,
als sich auch eine Rentabilität ergab.
Eine derart vorausbestimmte Regelmässigkeit war am
ehesten bei dem internationalen Relaisdienst der Taxis zu
ermöglichen. Schon 1608 (Codogno) werden Kursbücher
ein Bedürfnis; sie vermitteln der Zeit der Eisenbahnen ein
überraschendes Bild von einem vielmaschigen Netze in-
einandergreifender und transitierender Postkurse.
[[86]]
Kap. VI.
Zentralisierung und Universalierung (Internatio-
nalität) des Betriebs.
1) Entstehung des Regals.
Für die Frage, wann in Deutschland wohl die Post
das II. Stadium ihrer Entwickelung erreicht hat, bietet sich
als nächstliegender Anhaltspunkt speziell die Geschichte
des Taxischen Ordonnanzdienstes dar. Von einschneidender
Bedeutung für den letzteren ist die sogen. »Reformation«,
welche unter Kaiser Rudolf II. im Jahr 1595 eingeführt
worden ist. Dieselbe bildet für Deutschlands wirtschaft-
liche Weiterentwickelung einen so bedeutsamen Abschnitt,
dass es sich verlohnt, einen Augenblick dabei zu verweilen.
Matthias »Ueber Posten« 1832, schildert (Bd. I
S. 116 u. Bd. II, S. 106 — nach Beust’s Vorgang —) die-
sen bedeutsamen Akt folgendermassen: »Im Jahre 1586
trat der vormalige Taxis’sche Postmeister Henot mit dem
Vorschlag auf, dass der Kaiser das ganze Reichspostwesen
übernehmen möge; man war unschlüssig und überliess end-
lich dem Projektmacher das Reformieren. Im Jahr 1595
schloss der Kaiser einen Vertrag mit Philipp II. von Spanien,
in welchem die burgundisch-spanischen Posten in Deutsch-
land aufgehoben und solche als deutsche oder Reichsposten
[87] anerkannt wurden1). Unterm 25. Mai 1596 erstattete der
österreichische Hofpostmeister ein Gutachten über Henot’s
Bericht, wie die Posten verbessert werden könnten.«
Diese Darstellung ist im grossen und ganzen richtig,
bedarf aber noch folgender Erläuterung.
Wir haben am Schlusse des obigen Kapitels dargelegt,
wie auch die fürstlichen Reitboten-Anstalten mehr und mehr
begannen, sich in den Dienst des privaten Briefwechsels
zu stellen. Diese thatsächliche Entwickelung in prinzipieller
und systematischer Weise auch auf ihren Betrieb zu über-
tragen, sah sich die Taxis’sche Verwaltung schon durch
äussere zwingende Gründe veranlasst.
Gleich nach der Abdankung Karls V. nämlich, zu An-
fang der 60er Jahre wurde die Taxis’sche Post in eine be-
denkliche, mehrere Jahrzehnte andauernde Krise gebracht,
zunächst durch ihre Zwitterstellung als spanisch-niederlän-
disches, im Deutschen Reich funktionierendes Amt. Voraus-
gingen verschiedene Reibereien von mehr nebensächlicher
Bedeutung, z. B. mit dem kaiserlichen Postmeister in Augs-
burg und mit dem Taxisschen Postmeister in Rom; sie
geben eher Zeugnis von der Unfertigkeit der Organisation,
brachten allerdings mehrere Jahre den Postzug in Unord-
nung und Stockung. Den Augsburger Hofpostmeister,
Christoph von Taxis, liess Maximilian II. 1564, wohl als
ein Opfer der hohen Politik, fallen (während 1579 sein
Nachfolger, Rudolf II. umgekehrt — wahrscheinlich weil
damals Spanien selbst im Gedränge war — sich von dem
Generalpostmeister Leonh. v.Taxis ab- und Henot zuwandte).
Fast zu gleicher Zeit gab es, (vielleicht weil er eine
selbständige, derjenigen des spanischen Generalpostmeisters
[88] ähnliche Stellung anstrebte?) Zwistigkeiten mit dem da-
maligen Postmeister in Rom, Johann Anton v. Taxis, welche
Kardinal Granvella 1567 zu vermitteln suchte, sowie mit den
Untergebenen in den Niederlanden (1567), und wieder mit
dem Augsburger Postmeister 1572.
Zu einer Lebens- und Existenzfrage für die Taxis’sche
Post sodann wurde der Abfall der Niederlande. Von
dort war ihre spanische Subvention, aber namentlich auch
ihr Nebenbezug aus der Beförderung der Handelskorrespon-
denz geflossen; derselbe muss damals, da Antwerpen
unter Karl V. zum Mittelpunkt des Weltverkehrs sich em-
porgeschwungen hatte, nicht gering gewesen sein, wurde
aber schon 1568 durch die 10%ige Umsatzsteuer Alba’s
eingeschränkt. Als die niederländischen Wirren sich immer
mehr zuspitzten, die Nebenbezüge und die spanischen Ge-
halte gänzlich ausblieben, geriet der Taxis’sche Postzug in
völlige Stockung. Zu Anfang der siebziger Jahre sah sich
Taxis nicht mehr in der Lage, den Posthaltern ihren ver-
tragsmässigen Gehalt zu bezahlen; 1576 belief sich seine
Schuld gegen die vier württembergischen Posthalter allein
auf 6000 Kronen. (S. unten Anlage X.)
Schon früher hatten sich die Taxis mit dem Gedanken
der Einführung eines regelmässigen Kurses und der allge-
meinen Benützbarkeit — dafür spricht ihr gleichzeitiges
Vorgehen in Spanien, wo sie 1580 das Monopol erlangten
— getragen. Die damit konkurrierenden äusseren Mo-
mente nun: die Unklarheit der Stellung der Taxis’schen
Post zum Deutschen Reich und ihre damalige Leistungs-
unfähigkeit, die Notwendigkeit, ihre Alimentierung aus der
Unterwegspost zu sichern, gaben diesem Gedanken die
Richtung: die Post — ob mit oder ohne Taxis — »sich
selbst nähren zu lassen«, und für das Deutsche Reich einen
selbständigen Generalpostmeister aufzustellen.
Den gleichen Gedanken führten damals verschiedene
[89] Landesherrn kraft ihrer Souveränität durch; der Herzog
von Württemherg z. B. organisierte 1581 eine reitende
Ordinariaripost, für welche er gleichzeitig einen Anschluss an
die Ansbachische und 1592 an die Post des Kurfürsten von
Sachsen gewann, auch in Nürnberg, ehe daselbst die Reichs-
lehenpost für die Route Frankfurt—Böhmen auftrat, einen
eigenen Postfaktor aufstellte.
Den Gedanken einer allgemeinen deutschen Reichspost
nun griff 1576 der in Köln angestellte Taxis’sche Post-
meister Henot auf (s. Anl. XI). Er trat aus den Taxis’-
schen Diensten aus und gewann den deutschen Kaiser
für seinen Plan, in Konkurrenz mit der Taxis’schen Tran-
sit-Post eine (Unterwegs-)Post einzurichten 1). Sein Fi-
nanzprojekt baute Henot auf einer räumlichen und sach-
lichen Erweiterung des Betriebs und auf der zu er-
strebenden Monopolisierung dieses Betriebs auf. Es be-
deutete dies nichts weniger als eine gänzliche Moderni-
sierung des Wesens und Zweckes der Post, und zwar in
der Richtung der allgemeinen Zugänglichkeit und
eines bedingten Postzwangs. Von Karl V. war sie, wie
wir oben gesehen, als ein Hofdienst und zur direkten
Vermittlung zwischen Brüssel—Wien eingerichtet worden;
die Mitnahme von Privatkorrespondenzen war zwar von
Anfang an geduldet, aber immer doch nur Nebensache ge-
blieben. Das Hofamt nun wurde ein spekulatives Gewerbe,
das öffentliche Verpflichtungengegen das Publikum übernahm.
[90]
Henots Kalkulation erwies sich in der Folge als rich-
tig und gab nun die Grundlage zu einer grossartigen Grün-
dung ab, nämlich zu der »Sanierung« der Taxis’schen
Postanstalt, welche in eine Art Liquidation getreten war.
Da Henot die nötigen Kapitalien für Erfüllung älterer
Verbindlichkeiten gegen die Württembergischen u. a. Post-
meister anderweitig nicht auftreiben konnte, so geschah, was
wir auch bei der Konkurrenz anderer Transportanstalten z. B.
von Eisenbahnen erlebt haben: es fusionierten
sich beide Konkurrenten. Zugleich arrangierte sich, nach
langen Verhandlungen das Haus Taxis 1596 einerseits mit
seiner Schuldnerin, der Krone Spanien, andererseits mit
seinen Gläubigern, den Postmeistern und Postboten im Reich
dahin, dass die letzteren »ihre alte Besoldung zum halben
Teil und den neuen Ausstand vollkömmlich« nachliessen,
andererseits ihre Dienste expedit aufnahmen. Die Finanzie-
rung, die nötigen Zahlungen und Bürgschaften, leisteten,
wie es scheint, die Augsburger Bankhäuser der Fugger,
Welser und Gen., welche den kaufmännischen Wert der
privaten Postbeförderung zu erfassen an Ort und Stelle
reichlich Gelegenheit hatten; sie hatten sich wenigstens zu
Kaiserlichen Kommissarien für die endgültige Regulierung
ernennen lassen.
Henot organisierte die Privatbeförderung auf Grund des
durch die vieljährige Erfahrung der alten Privatboten-An-
stalten erwiesenen Gesetzes des Massen-Umsatzes; er re-
gelte den Betrieb durch bindende Normen über Abgang
und Ankunft der Postreiter und durch feste Porto-Taxen.
Damit war die Post thatsächlich und ihrem Wesen nach
etwas ganz anderes geworden, als sie bis 1580 gewesen
war; vorher war sie bestimmungsgemäss ein Hofdienst, nun-
mehr ein gewerbliches, auf dem Engrosbetrieb
beruhendes Spekulations-Unternehmen, vorher
war sie ein Institut der Hofkanzlei, nunmehr ein öffentliches
[91] dem Publikum dienendes Institut geworden; die Postbeamten
waren — und das ist für das Wesen und die Stellung des
modernen Postdienstes (wie für die Motivierung z. B. des
Telephon-Regals, der Privat-Stadtpost etc.) wichtig — nur
der äusseren Form nach noch kaiserliche, dagegen
waren sie dem Wesen nach kaufmännische Diener
des allgemeinen Verkehrs geworden, deren Institut
allerdings, etwa wie später die Porzellan-, Gobelin-, Ta-
baks-Manufakturen, monopolisiert war.
Die Bestallung Seitens Karls V. war gegenüber den
Reichsständen meritorisch nichts anderes gewesen, als ein
Passe-partout und eine »Salva guardia«, wie sie auch von den
Kaisern Leopold I. 1698, Joseph I. 1706 u. s. w. ausgestellt
wurde, und nur das Ersuchen enthielt, den kaiserlichen Hof-
kurier frei passieren zu lassen; das Patent Rudolfs II. da-
gegen leitete die Unterdrückung der privaten Konkurrenz
ein mit der unzutreffenden Rechtsfiktion, als ob das neue
Monopol dasselbe Ding sei, als die frühere selbstverständliche
Ausschliesslichkeit der Beförderung der Staatsdepeschen.
Naturgemäss fasst nun die Postverwaltung, sobald sie
sich in ihren Subsistenzmitteln allein auf diesen ihren früheren
Nebenverdienst angewiesen sieht,
1) jede andere Beförderungsanstalt als schädigende und
unberechtigte Konkurrenz auf; sie beansprucht den Allein-
bezug der Einnahmen, oder das Monopol; den allein mög-
liche Rechtstitel für eine solche Privilegierung konnte nur
eine Erfindung verschaffen, daher wird der Mythus von
der ingeniösen Einrichtung des Roger oder Franz v. Taxis
sofort und bis auf den heutigen Tag tendenziös ausge-
schmückt;
2) beschränkt sich die Postverwaltung nicht mehr auf
den Fern- und Transitverkehr zwischen den Hofkanzleien
(auf die Route Brüssel—Wien—Madrid), sondern sucht
auch den Unterwegsverkehr (z. B. Stuttgart—Ulm), die
[92] Seitenrouten und die Korrespondenz in Mittel- und Nord-
deutschland in ihr Monopol einzubeziehen; die jeweilige Ex-
pedition an den Unterwegsstationen strebt an, zur Zen-
tralanstalt ihres Amtssitzes für die gesammte ankommende
und abgehende Korrespondenz zu werden;
3) bindet sich die Verwaltung, wie früher gegenüber dem
einen Paciscenten, der Hofkanzlei, so gegenüber dem Publikum
durch einen festen, von vornherein bekannt gegebenen Kurs
der Ankunfts- und Abgangszeiten und eine feste Posttaxe.
2) Volkswirtschaftlicher und politischer
Hintergrund der kaiserlichen Lehensver-
leihung.
Die Rechtsfrage des Taxis’schen Lehens ist antiquiert;
von kulturgeschichtlichem Interesse dagegen ist die Unter-
suchung, wie es kam, dass der morschen Macht des Kaisers
dieser Gewaltakt — fast das einzige Werk von bleibender
Dauer — gelang.
Auch das Monopol kam nicht über Nacht. Schon
lange vorher war demselben dadurch der Boden geebnet
worden, dass das Gewerbe der Boten in ein Stadt-Monopol
umgewandelt worden war. Mit dem Beginn des 15. Jahr-
hunderts nämlich fangen die Handelsstädte — die ja mei-
stens zugleich eine Art Souveränität besassen — aus poli-
tischen und finanziellen Gründen an, den Privatbotendienst
zu kommunalisieren. Von selbst ergab sich diese
Verstadtlichung in den Reichsstädten, wo die Handelskor-
poration oder Kaufmannsgilde mit dem Magistrat zusam-
menfiel. Die Notwendigkeit einer Garantie für zuverlässige
Bestellung, auch die zunehmende Wohlhabenheit der Boten
(mancher verarmte zwar auch dabei: so fiel 1620 der Nürn-
berger Reichspostbote nach Brüssel—Antwerpen »mit Weib
und Kindern dem Almosen anheim«) veranlasste die Kauf-
herrn der Handelsstädte, die Leitung der Mess- und Boten-
[93] züge in die Hand zu nehmen. In der Folge übernahm
der Magistrat zuerst in Hamburg und Danzig, Mitte des
15. Jahrhunderts in Wien, 1570 in Nürnberg u. s. w. das
Botenwesen auf städtische Rechnung, monopolisierte es,
wie z. B. auch das ebenso einträgliche Münz- und Prägewesen.
In analoger Weise ging nun der Staat d. i. das Reich
zuerst gegen die Privatboten, in der Folge aber auch gegen
die Korporationsboten vor.
Damit war auch auf diesem Gebiete der Zusammen-
stoss der mittelalterlichen Korporation mit dem neueren
Territorial- und Souveränitätsbegriff, zugleich aber auch
die Zentralisierung und Monopolisierung der Vermittelung
für die Handels- und Familiennachrichten und dadurch die
Grundlage des neuzeitlichen Postwesens gegeben.
Das Schicksal der Korporation war hier wie auf dem
gewerblichen Gebiete zum voraus besiegelt, weil das Verkehrs-
bedürfnis, über die Kreise der Korporation hinaus, allge-
meiner und national, bezw. universal geworden war. Das Re-
gal wurde erst durch die Macht der Universalität dieser
ersten Transversal-Route, gegen welche die zersplit-
terten Posten einzelner Korporationen nicht auf-
kommen konnten, nicht etwa durch die kaiserliche Macht-
fülle, die mehr und mehr verblasste, und zwar allmählich
begründet. Mit dem weiten Betriebsrayon gewann die
Reichspost einen grossen Zug; die mit dem Fern- und Transit-
verkehr notwendig gewordene Behandlungsweise wirkte auf
den binnenländischen Betrieb zurück. Gerade auf den letz-
teren Grossverkehr wirkte aber auch die Konkurrenz der
schon vorhandenen Postboten der Handels-Emporien anspor-
nend ein. Das scheint auch der kaiserliche Hof gefühlt und
vorausgeahnt zu haben.
»Es sei,« heisst es u. a. in dem Patent von 1596 »dem
Kaiserl. Regiment und nicht weniger denen gemeinen Com-
merciis daran gelegen, dass ehe berührtes Postwesen wie-
[94] derum eingerichtet werde …, was massen wir uns mit dem
Könige in Hispanien (dessen Liebden allgewöhnlichen Her-
kommen nach als Hertzog zu Burgund, das General-
Postmeisteramt zu verleihen, und meisten Theils den Verlag
dazu gegeben hat) dahin vergliechen.«
Demnach war es — neben der Geldmacht der Taxis
— das wachsende Bedürfnis des Gross- und Transitver-
kehrs, der steigende Handel, als der geborne Feind eines
jeden partikularistischen Provinzialismus, welcher dem auf-
fallenden Vorgehen des Kaisers den nötigen Rückhalt ver-
schaffte.
Ein hübsches Beispiel für die Herausentwickelung der
beiderseitigen Konkurrenz zwischen der fürstlichen und der
Korporationspost aus dem Fern- bezw. Transitverkehr
bildet die englische Auslandpost, welche von
der Gilde der flämischen Kaufleute zwischen London und
dem Kontinent bis 1558 unterhalten (und als Muster für
die allmähliche netzartige Ausdehnung der Inlandpost auf-
gestellt und benützt) wurde, oder die Reorganisation des
Reitpostdienstes zwischen Hamburg und
Amsterdam durch eine Postbotenordnung, welche die
Handelskammer in Hamburg fast im gleichen Jahr 1516,
in welchem Taxis die Post nach Brüssel einrichtete, für
den schon früher, aber nur unregelmässig bestandenen Boten-
kurs nach Amsterdam mit der dortigen Kaufmannschaft
fest und bleibend einführte.
Der kaufmännisch wohlberechnete Finanzplan He-
nots reussierte, weil der Ausgangspunkt der Taxis’schen
Post, der Transit- und Fernverkehr und die mit der habs-
burgischen Dynastie gegebene Universalität ein Zusammen-
treffen mit dem Anwachsen des kaufmännischen Verkehrs
und ein Entgegenkommen gegen die Bedürfnisse des Welt-
marktes naturgemäss bedingte. Da die hohe Politik durch
den internationalen Zug des Handels unterstützt wurde, so
[95] mussten die konkurrierenden partikularistischen Einrichtun-
gen bald, wenigstens in Süddeutschland, den Wettbewerb
gegen die universellere Reichspost aufgeben. —
Zum Schlusse erübrigt noch eine Frage: welches In-
teresse hatte denn überhaupt Rudolf II. daran, der Taxis-
schen Familie ein Monopol in den Schoss zu werfen? Es
lagen hiezu gewichtige politische und finanzielle Gründe vor.
Die Krone Spanien hatte früher den Taxis jährlich einen Ge-
halt von 400,000 Mk. (nach heutigem Geld) zugesichert
und ausbezahlt; in den letzten beiden Jahrzehnten versieg-
ten infolge des niederländischen Krieges die Mittel mehr
und mehr, die Taxis hatten verschiedene Millionen zu for-
dern, konnten deshalb und wollten auch nicht ihre Ver-
pflichtungen gegen die untergebenen Posthaltereien erfüllen;
infolge dessen war das »ordentlich postwesen in Teutsch und
welschen Landen in genzlichen zerfall« geraten. Und doch
bedurfte die kaiserliche Hofkanzlei, noch mehr aber die
spanische für ihre verschiedenen Besitzungen dringend der
postalischen Verbindung. Im Jahre 1593 sicherte daher
König Philipp II. von Spanien dem Leonard v. Taxis ein
Jahreseinkommen von 14,000 Livres (= 250,000—300,000
Mk. heutigen Geldeswerts) zu, und gab Kaiser Rudolf II. zur
Tilgung der früher angewachsenen Verbindlichkeiten und
Wiederanknüpfung der zerrissenen Verbindungen ein Dar-
lehen von 4500 Goldgulden, (welches 1597 nachgelassen
wurde, vrgl. Rübsam 1892, S. 30—51).
Nun hatte sich Henot bezw. Leonard v. Taxis erboten,
die kaiserlichen Schreiben und Sendungen unentgeltlich
wöchentlich zweimal gegen Augsburg und von dort aus
je einmal nach Italien, Frankreich, den Niederlanden und
Spanien, sowie auch gegen jährlich 4—500 Gulden von
Kreuznach nach Köln und den Nachbarlanden zu befördern,
auch an dem spanischen Gehalt 4000 Livre nachzulassen,
unter der Bedingung, dass ihm das Postregal — nicht in
[96] den habsburgischen Erblanden, sondern »draussen im Reich«
verliehen werde. Dies kostete dem Kaiser nichts und kam
nur seiner Stimmung gegen die aufkommenden Territorial-
herrn entgegen; zudem war er von seiner kaiserlichen
Machtfülle um so mehr eingenommen, je weniger sie that-
sächlich bedeutete. Es bedurfte demnach wohl für den
Kaiser keiner besonderen Ueberwindung, um auf die Be-
dingung einzugehen, die zudem von dem spanischen Gesandten
und den »Rothschilds« jener Zeit: Hans Fugger und Mat-
thäus Welser eifrig befürwortet wurde. —
Noch habe ich meine Darlegung, namentlich bezüglich
der Vorschiebung der Person Henots, gegen zwei Seiten
zu verteidigen, nämlich nach der formalen gegenüber den
Juristen und nach der idealisierenden gegen die Auf-
fassung der Fachleute und mancher Historiker.
Jahrhunderte lang wurde die Geschichte der deutschen
Reichspost, da sie mit der des Taxis’schen Monopols zusammen-
fiel, durch den Widerstreit zweier einander gegenüberstehen-
den Interessen verwirrt, wobei die eine Partei zu Gunsten
ihres Interesses angebliche ideale Leistungen von Gemein-
nützigkeit, Erfinderthätigkeit u. s. w. geltend machte und
— da man gerne glaubt, was dem eigenen Vorteil ent-
spricht — wohl auch für wahr hielt.
Die juristische Begründung des Regals ist hier an
sich ganz nebensächlich; es handelt sich hier lediglich um
die Untersuchung: wann wurde im deutschen Reich eine
Reichsanstalt für die Unterwegspost und den internationalen
Anschluss errichtet? Für diese, den damaligen Stand der
Geldwirtschaft beleuchtende Feststellung ist auch das Taxis-
sche Familien-Interesse gleichgiltig; nur fällt die kultur-
historische Frage nach Errichtung einer deutschen Reichs-
anstalt mit der Rechtsfrage der Begründung des kaiser-
lichen Regals und des Taxis’schen Monopol-Lehens zu-
sammen, welche heute noch nicht gelöst ist.
[97]
In einem Patent dd. Prag, d. 15. Sept. 1596. erklärt
Kaiser Rudolf II., er »konfirmiere Leonard v. Taxis
zum Obristen general Postmaistern im heiligen Reich«; ihm
sei »durch solche unsere bestettigung des ganzen post-
wesens Direktion und Bestellung vntergeben vnd anvertraut«
worden; demzufolge sei er von allen Gliedern des Reichs
als »General Obristen Postmeister im Reich« anzuerkennen.
Demnach müssen die Taxis schon vor 1596 in den Reichs-
dienst getreten sein: wann geschah das? Die einen setzen
hiefür das Jahr 1563 oder gar 1543, die andern das Jahr
1570 an. Es fragt sich: ist durch die Bestallung vom
31. Dez. 1543 oder durch die vom 21. August 1563 der
Taxis’schen Familie das Generalpostmeisteramt über die
Post im Reich übertragen worden. Noch Zöpfl trat in
seinem Werke »Grundsätze des gemeinen deutschen Staats-
rechts« sehr lebhaft für die erstere Ansicht ein, (welche
u. a. auch Moser verteidigte). Andere Staatsrechtslehrer
gaben wohl die Unhaltbarkeit dieser Auffassung zu, auch
die Bestallung von 1563 habe eine Stimmung nicht hervor-
bringen wollen, erachteten dagegen die Erklärung der Kur-
fürsten von 1570 als die Rechtsgrundlage des Taxisschen
Monopols: das spricht z. B. Löning in seinem Verwaltungs-
recht von 1884 aus (ähnlich Stefan Pütter). Enger haben
Beust, Matthias, Stänglen die Bestallungsbriefe interpretiert;
dass diese Anschauung der Gesamtlage besser entspricht,
werde ich in Anl. XII noch näher nachweisen. Hier
sei — die Frage ist ja heute noch z. B. in Beziehung auf
die Privatstadtpost, das Telephonregal etc. aktuell — nur
das erwähnt, was von volkswirtschaftlichem Interesse ist.
Ein solches bietet zunächst das Auftreten anderer Reichs-
postmeister, welche mit der Taxis’schen
Post konkurrieren, und zwar in Augsburg, Köln,
Wien.
Wegen der letztgenannten Postämter sei zunächst vor-
Huber. 7
[98] ausgeschickt, dass nach der Abdankung Karl’s V. zwischen
dem kaiserlichen Hofpostamt und der spanisch-niederlän-
dischen Post streng geschieden, und bis zum Jahre 1596
die Taxis’sche Zentralleitung lediglich von der Krone
Spanien angestellt und bezahlt worden ist. Neben der
Taxis’schen Post bestehen die schon lange vor ihr vor-
handenen oder auch noch später gegründeten reichsstäd-
tischen, reichsständischen und Privat-Posten fort. Eine
solche reichsständische, von der Taxis’schen Zentrallei-
tung in Brüssel unabhängige Post war vor allem das
kaiserliche Hofpostamt 1), das seinen Sitz in Wien, bezw.
(unter Rudolf II.) in Prag hatte, und neben den Taxis’schen
seine eigenen Postmeister z. B. in Augsburg und Venedig 2)
hielt. Die Verordnung Ferdinands I. vom 20. August 1535
erwähnt als Hauptpostplatz neben Wien, Augsburg, Inns-
bruck und Trient auch Prag; die Post ging also damals
schon nach Böhmen und wurde (durch Matthias v. Taxis)
1540 auch nach Komorn und Gran eingerichtet.
Schon im Jahre 1530 wird die Post St. Pölten—Fischam-
end—Wien erwähnt (s. Löper in der »L’Union postale«,
Jahrg. 1885, Nr. 9). Wie selbständig das kaiserliche
Hofpostamt neben den Taxis funktionierte, beweist die Be-
gutachtung des Henot’schen Planes von 1596 durch den
damaligen Oberhofpostmeister Püchl von Pichelberg.
[99]
Sieht man von den ebengenannten österreichischen
Zentralsitzen ab, die allerdings in jener Zeit zum deutschen
Reich gerechnet wurden, so weist im ganzen sechzehnten
Jahrhundert Deutschland nur noch einen Hauptpostplatz auf,
an dem ständig ein Glied der Taxis’schen Familie, (so
zuerst 1515—1541 Anton von Taxis), seinen Sitz hat, und
das ist Augsburg.
Diese Stadt, der fast südlichste, in der Nähe des Fern-
passes gelegene Punkt Deutschlands war nicht ein Zentral-
sitz, wohl aber, etwa seit 1515 der Knotenpunkt für die transi-
tierende italienische-niederländische-österreichische Post, und
erhob sich eben dann im 17. Jahrhundert, als die Transitpost
auch den Binnenverkehr an sich zog, zum Zentrum für die
Weiterbeförderung der für Schwaben, Franken, Hessen und
Nürnberg bestimmten Korrespondenz. Nähere Nachfor-
schungen werden ergeben, dass das österreichische Hofpost-
amt ursprünglich in Augsburg, um daselbst die niederländisch-
italienisch-spanische Post zu instradieren, seinen Sitz hatte, und
zwar wahrscheinlich bis zum Jahre 1564, in welchem Jahre
Maximilian II. seinen Hofpostmeister von Augsburg nach Wien
versetzte und sich bereit erklärte, seine Briefe durch den
spanischen Postmeister daselbst bestellen zu lassen.
Hier an diesem südlichen Hauptpostplatz nun ging —
was bisher noch nicht beachtet worden — zu gleicher
Zeit als die Bestätigung vom 15. August 1563 erfolgte,
der in Augsburg bestellte kaiserliche Hofpostmeister Chris-
toph v. Taxis gegen die spanisch-niederländische Post in
einer Weise vor, welche ausser allen Zweifel stellt, dass
das Reichspostregal 1563 noch nicht errichtet worden ist.
Es bedurfte des direkten Eingreifens Philipps II., bis der
Kaiser sich dazu verstand, seine Briefe in Augsburg wieder
durch den spanischen Postmeister bestellen zu lassen. Die
diplomatischen Unterhandlungen darüber zogen sich noch
ein volles Jahr nach der Bestallung vom 21. August 1563 —
7 *
[100] bis zum 24. August 1564 — dahin, und wären ganz unver-
ständlich, wenn der letzteren die von der Taxis’schen Partei
zugeschriebene Bedeutung wirklich zukäme.
Ich glaube darin das Vorspiel zu dem Emanzipations-
kampfe erblicken zu dürfen, den ein dritter Postmeister, näm-
lich der in Köln domizilierte Henot 1576 gegen das
»Niederländische« Generalat aufnahm, und fünfzig Jahre
lang fortführte. Der richtige Sinn für die Bestallung von
1563 wie für die Erklärung von 1570 ergibt sich, wenn man
auch die ihr nachfolgenden Verhandlungen des Kaisers mit He-
not mit berücksichtigt (s. Dr. L. Ennen, Geschichte des Post-
wesens in der Reichsstadt Köln, 1875). Schon 1579 und 1580
erwirkte Henot Kaiserliche Mandate zu Gunsten seiner Post-
gerechtsame, auf Grund deren er die Augsburger Boten
an ihrer Abreise aus Köln verhinderte; aber schon einige
Jahre vorher war er mit kaiserlichem Vorwissen gegen
die städtischen Botenanstalten von Köln, Frankfurt und
Nürnberg vorgegangen. Angesichts dessen legt sich die
Vermutung nahe, dass schon 1570 der (gerade den Taxis
ungünstige) Plan erörtert wurde, die ausländische Postan-
stalt durch eine deutsche zu ersetzen.
Eine weitere Beleuchtung erfährt die damalige Rechts-
lage durch das Verhalten der Reichsstädte gegen
die Privilegierung Henots. Der Rat der Stadt Köln näm-
lich erhielt von Kaiser Rudolf II., nach der Aussöhnung
Henots mit Taxis im Jahre 1586, die Aufforderung, den
Henot als Kaiserlichen Postverwalter anzuerkennen, und
die »Briefe, welche von Leuten besorgt werden, so dem
Kaiser nicht verpflichtet gewesen, für die Folge nur ihm
anzuvertrauen«. Demgegenüber gaben die Augsburger,
Frankfurter und sämtliche deutsche zu Köln residierenden
Kaufleute und Faktoren eine ähnliche Rechtsverwahrung
wie 1598 Herzog Friedrich von Württemberg ab; sie baten
den Rat, nicht zu dulden, »dass sie allem Natur- und Völker-
[101] recht zuwider, von ihrer unvordenklich hergebrachter un-
gezweifelter Libertät und Freiheit abgedrungen, noch des-
halb an einige Post, viel weniger zu des Henots Dienst
genötigt oder gezwungen würden. Es möcht Jedem frei
und ungehindert bleiben, seine Briefe und Packete, gross
oder klein, nach eigenem Gefallen den städtischen reitenden
oder gehenden Boten, oder sonst Jemanden anzuvertrauen
und aufzugeben.« Schon damals indessen fühlte sich der
Rat von Köln nicht stark genug, um dem Andringen des
Kaisers Widerstand zu leisten (vergl. übrigens das Schreiben
des Kaisers Ferdinands II. an die Städte Köln, Nürnberg
und Frankfurt vom 5. Juli 1624).
Vor allem fragt es sich noch, war etwa 1570 die Ge-
samtlage derart, dass die Reichsstände auf ihr Recht in
verpflichtender Form verzichteten? Eine Geneigtheit hiezu
konnte auf Seite der Reichsstände schon deshalb nicht vor-
liegen, weil die meisten derselben gerade um jene Zeit
eigene Landesposten errichteten. In Anbetracht dessen
hängt die Auslegung von der Thatfrage ab, ob etwa in
jenem Jahre die Taxis’sche Verwaltung eine besondere
Leistungsfähigkeit und Thatkraft bekunden, die Krone Spanien
einen starken Hochdruck auf den Reichstag ausüben konnte.
Nun bezeugten aber damals beide Faktoren das Gegenteil
einer starken Expansionskraft, sie hatten infolge des Ab-
falls der Niederlande einen Existenzkampf zu führen. Dem-
entsprechend lag 1570 das Gegenteil der Neu-Etablierung
einer spanischen Beamtung im deutschen Reich nahe und
dieses Gegenteil war nichts anderes als das Henot’sche
Projekt.
Dass übrigens die Taxis 1570 nicht einmal daran denken
konnten, ein Reichs-Regal zu erlangen, dafür bietet ihre
gleichzeitige Stellung in Spanien einen hübschen Beweis.
Dort hatten die Könige von Aragonien schon im 14. Jahr-
hundert die Befugnis, die städtischen Botenhalter zu ernen-
[102] nen, und letzteren die Beförderung der privaten Korrespon-
denz vorzubehalten. In Kastilien dagegen war bis 1580
die Post lediglich für die Beförderung der Hofdepeschen,
nicht zum Nutzen des Publikums bestimmt; dort hatte
1518 das gewaltsame Vorgehen gegen städtische Boten so-
gar das Signal zu dem blutigen Aufstande der Städte ge-
geben. Erst 1580 wurden »correos ordinarios y periodicos«,
also ein zum voraus bestimmter Kurs und damit ein Monopol
für die Beförderung der privaten Korrespondenz eingeführt.
Nun war in Spanien damals die Verwaltung schon viel straffer
zentralisiert als im deutschen Reich, die Einführung des Mono-
pols konnte also nicht zuerst in Deutschland versucht wer-
den. Nebenbei gibt dieser Hergang auch eine Interpretation
für die Bedeutung der Bestallung Karls V.: wenn er den
Taxis das Monopol nicht einmal in seinen eigenen Erb-
landen verlieh, wie viel weniger konnte er solches für das
deutsche Reich versuchen! Uebrigens erfuhr die Aufstellung
des Monopols bei den spanischen Provinzial- und städtischen
Behörden, sowie den Botenvereinigungen den gleichen Wider-
stand, wie in Deutschland: nur exploitierte dort die Taxis-
sche Familie ihr neues Privileg noch fruchtbringender als in
Deutschland; wegen des genannten Widerstands nämlich
»verkaufte oder verpachtete sie die Botenämter und Post-
meistereien fast aller Städte und Flecken des Königreichs,
und überliess auf diese Weise anderen ihre Gerechtsame
und dabei auch den gemeinnützigen Postdienst wahrzu-
nehmen.«
Eine weitere Stütze findet meine Kombination bezüg-
lich des Henot’schen Projekts in dem ganz ähnlichen Ver-
laufe der Verhandlungen mit der erzherzoglich belgischen
Regierung. Wie nämlich vorauszusehen war, konnte das
schwerbelastete spanische Budget das 1593 zugesicherte
Jahreseinkommen für die Unterhaltung der niederländisch-
italienischen Post, das schon 1598, mit dem Einverständnis
[103] des Leonard v. Taxis um 28 % gekürzt worden war, bald
nicht mehr aufzubringen. Nichts desto weniger erbot sich
Leonard v. Taxis, dieselbe auf eigene Kosten wieder in Be-
trieb zu setzen, aber unter einer doppelten Bedingung: ein-
mal sollte ausdrücklich dem Generaloberpostmeister die Be-
fugnis zuerkannt werden, zu seiner Schadloshaltung Porto
von allen mit der Post kommenden Privatbriefen zu erheben,
sodann solle die Erneuerung des Patents Karls V. eine Zu-
satzdeklaration bezüglich des Monopols auf die Beförderung
von Ausland-Briefen erhalten 1). Das derart umgrenzte
Monopol verlieh die belgische Regierung durch Erlass vom
27. Juni 1600. —
Unbeschadet dieses Sachverhalts lässt sich annehmen,
dass sowohl der Schenkgeber als der Empfänger des Regals
in gutem Glauben gehandelt haben. Die künstlichen Interpre-
tationen des Patents von 1516 oder 1536 wurden schon durch
die damalige Rezeption des römischen Rechts und Entwicke-
lung des Souveränitätsbegriffes, hauptsächlich aber dadurch
nahegelegt und erleichtert, dass in den anderen geschlos-
senen konzentrierteren Staaten, namentlich in Frankreich
um diese Zeit ein ausschliessendes Regal schon bestand,
bezw. sich allmählich herausentwickelte (und verpachtet
wurde); in England z. B. wurden 1568 die in London an-
sässigen deutschen und italienischen Kaufleute, welche wie
in allen ihren Hauptniederlassungen selbständig gemein-
same Boten nach dem Festland hielten, dieses ihres Vor-
rechts als verlustig erklärt (obgleich erst 1619 ein spezieller
Postmeister für den Auslandsdienst angestellt wurde). Zu
gleicher Zeit erteilten oder entzogen auch die Päpste des
[104] 16. Jahrhunderts Konzessionen zur Unterhaltung geregelter
Postverbindungen in Italien, namentlich zwischen Rom und
Venedig (Delmati, Legislazione, 1890). Ein analoger
Rückschluss auf die Taxis’sche Post war aus dutzenden
Gründen falsch und unzulässig, aber er lag nahe, nament-
lich für die nächstbeteiligte internationale Taxis’sche Familie
(welche auch die Leitung der Postroute Brüssel-Madrid in
ihrer Hand hatte).
Ein Spiegelbild für die unklare Rechtsauffassung jener
Zeit giebt ein Staat, in dem sich wie in einem Mikrokos-
mus alle kontinentalen Interessenkämpfe abspielen, nämlich
die Schweiz. In einzelnen Kantonen der Schweiz wurde
das Postwesen als Regal aufgefasst und als solches verpachtet;
so steht in Bern die Post für den ganzen Kanton in dem
Pacht der Familie Fischer (1693 richtete diese Familie einen
Postzug nach Oberitalien ein; 1793 betrug der jährliche
Pachtschilling 75,000 Francs). In anderen Kantonen über-
lässt die Regierung den Postbetrieb auf eine bestimmte
Zeit an bevorzugte Geschlechter; in Schaffhausen z. B.
war er das ausschliessliche Privilegium von drei Familien.
Wieder in anderen Kantonen erhielt sich der Charakter
einer einfachen Privatunternehmung und verblieb die Post
in der Hand des Handelsstandes. Beispielsweise gründeten
die Kaufleute in St. Gallen im 15. Jahrhundert eine Reit-
post nach Nürnberg und Lyon. Die Verwaltung wurde dann
aus Mitgliedern der Korporation zusammengesetzt, welche in
Bezug auf ihre Geschäftsführung nur dem Handelsstande
gegenüber verantwortlich waren; die Einkünfte dienten —
wie in Basel — einem Fonds, von welchem von Zeit zu
Zeit Geschenke an den Staat und an gemeinnützige Gesell-
schaften abgegeben wurden; Ueberschüsse wurden auch —
wie in Zürich — zum Teil unter die einzelnen Mit-
glieder des Handelsstandes verteilt. Fast
überall aber war die Einrichtung lediglich auf die Bedie-
[105] nung des Verkehrs der Städte beschränkt. Dies war
wohl mit ein Grund, dass neben und unabhängig von den
gewöhnlichen Verwaltungen z. B. in den Kantonen Bern,
Basel, Zürich und St. Gallen noch mehrere Hundert Privat-
boten vorhanden waren (s. Stäger, das Schweizer. Post-
wesen, II. Aufl., 1879, Ilwof 1880 S. 56).
Eine andere Analogie sowohl für die Rückwirkung des
Fernverkehrs auf die binnenländische Organisation als
für die allmähliche Aufsaugung der Korporationsposten bietet
wiederum England dar. Dort nämlich gibt (im Jahre 1597)
die Wirksamkeit des Fernverkehrs der Kaufmannsgilden den
Anstoss zu Einrichtung eines Netzes von Provinzial-
Botenanstalten und eines regelrechten binnenländischen Reit-
postdienstes. Anderseits wird schon 1568 die Korporations-
post der in London ansässigen Ausländer zu verstaatlichen
gesucht, aber es dauert noch 70 Jahre (1635, 1637 und 1649)
bis der Staat gegen die ausländischen Kaufmannsgilden und
die konkurrierenden Privatboten-Anstalten im Inland das
beanspruchte Monopol mit Erfolg geltend machen kann 1).
[106]
3) Die Verdienste der Taxis als »Entdecker«
der Post und Förderer des gemeinen Wohls.
Eine zweite Richtigstellung scheint mir die ideali-
sierende Uebertreibung zu bedürfen, in welcher gerade
die neueren Schriftsteller sich überbieten, um Franz und
Leonhard von Taxis als Denker und Erfinder, als gemein-
nützige Organisatoren zu verherrlichen (s. Anlage XIII). Diese
Richtung wird durch eine doppelte Autorität verstärkt,
nämlich durch die der »schriftstellernden Leute vom Fach«,
sowie durch die Herausgeber der unedierten Urkunden
des Thurn- und Taxis’schen Zentralarchivs in Regensburg.
Der Blick der ersteren (duce »Veredarius«) ist zu
sehr durch die Begeisterung für das seitdem so populär
gewordene Institut, vielleicht auch durch den Eifer für die
geschichtlich-juristische Befestigung des Postregals getrübt
worden. Ich sehe keinen Grund, aber auch keinen ge-
schichtlichen Anhalt dafür, warum ich in die übertriebenen
Ausmalungen der Gemeinnützigkeit und Originalität der
Taxis einstimmen soll.
Vergegenwärtigen wir uns den oben geschilderten Stand
der Botenanstalten und Reitpostrouten der Städte und an-
deren Korporationen, so erhellt von selbst, dass Roger
bezw. Franz von Taxis die bestehende Organisation nur
für den Hofdienst zu kopieren hatte; etwas Originelles hatte
sein »Postwerk« in keiner Weise an sich. Das geht auch
aus der Würdigung hervor, welche die Posteinrichtung nach
Italien widerfuhr. Schon vor den Taxis nämlich, vor 1490
hatte, wie aus einer Aeusserung Oviedos hervorgeht, der
Correo mayor von Kastilien eine Verbindung mit Rom
eingerichtet. Diese Linie muss an der Wende des 15. Jahr-
hunderts auch auf Verona, Neapel, und Paris (für den
dortigen Gesandten) ausgedehnt worden sein. Die Organi-
sation dieser Posten, welche erst 1516 unter die Taxis
[107] kamen, bedeutete nicht viel weniger, als die vorherge-
gangene der Route Wien-Brüssel-Madrid; aber ihr Schöpfer
wird in den spanischen Quellen nirgends auch nur genannt,
die Einrichtung muss also damals als eine besonders schö-
pferische That auch nicht angesehen worden sein. Dass
ein besonderes Organisations-Talent nicht verlangt und
vorausgesetzt wurde, beweist der Umstand, dass die Be-
lehnung mit dem Generalat 1536 — an Franz — und 1543
— an Leonard — an Leute erfolgte, die noch nicht die
Volljährigkeit, ja noch nicht einmal das zwanzigste Jahr
erreicht hatten.
Die Fabel von der angeblichen Taxis’schen Erfindung
glaubten schon frühere Schriftsteller z. B. Matthias (1832,
I. Bd. S. 112) für alle Zeiten abgethan zu haben. Sie kam
in den letzten Jahrzehnten wohl auch nur deshalb wieder
auf, weil alle unkritischen Chronisten es lieben, bahnbrechende
Reformen an bekannte Namen anzuknüpfen. Ein Pendant
zu der raschen Verbreitung solcher Fabeln haben wir ja
aus neuester Zeit, nämlich in der Art wie die Erfindung
der Postfreimarke (mit der Vorausbezahlung des Portos)
1839 von der Regierung als von R. Hill herrührend an-
genommen worden ist, während die Ehre der Auffindung
der neuen Idee Velayer (1659), Mulready und Chalmers,
die Ehre der ersten praktischen Einführung der sardinischen
Regierung — Patent von 1818 — zukommt.
Ebenso verhält es sich mit den Verdiensten des
Taxis’schen Hauses um das allgemeine Wohl. Im bisherigen
haben wir die erste Einrichtung der Stationen als ein ziem-
lich einfaches Geldgeschäft und die weitere Vervollkomm-
nung der Organisationskeime als die That Henots kennen
gelernt: der Nachruhm scheint mir demnach grösser als
das wirkliche Verdienst zu sein.
Auch für diesen Nachruhm giebt es ein Pendant aus
neuester Zeit, nämlich derjenige, in welchem der moderne
[108] Nachfolger der Taxis als der Begründer der Reichspost
steht: gewiss war Dr. Stephan der für die Errichtung der
Reichspostanstalt befähigte und berufene Mann. Aber wir
erinnern uns doch dabei, dass es nicht schwer fiel, mit
stetig wachsenden Mitteln und bei stetiger Hochkonjuktur,
in der die Post mit dem enormen Anwachsen des Verkehrs,
trotz zeitweilig geringer Rentabilität steht — etwas zu
schaffen und zu erreichen. Ein anderer Vergleich, der
vielleicht zutreffender erscheint, bietet sich in der Verwal-
tung irgend einer aufstrebenden Stadt dar: aller Orten werden
einer solchen, sobald sie eine Neuerung einführt, Kompli-
mente gemacht, und doch wird sie von einer Zeit getragen,
in der die Mittel und Köpfe nur zuströmen, in der sich
alles von selbst macht und man sich nur nicht in den Weg
zu stellen braucht. In gleicher Lage, wie ein solcher Orts-
vorstand ein Jahrzehnt lang, befanden sich die Taxis mit
der aufkommenden Geldwirtschaft, im grossen und ganzen
Jahrhunderte lang. Und doch werden die besonderen Ver-
dienste des Taxis’schen Hauses ebenso wie die der gross-
städtischen Verwaltung noch in fernen Tagen gerühmt werden.
Allerdings war es ein bedeutsamer Fortschritt, dass
die Taxis einen internationalen Briefkurs zu Stande brachten,
ja schon für sich, innerhalb ihrer Familie, einen Art Welt-
postverein darstellten, und dies zu einer Zeit, da jeder Reichs-
stand eifersüchtig darauf hielt, dass kein fremder Kurier
durch sein Gebiet nach dem angrenzenden Lande transi-
tierte. Allerdings mögen ferner die Nachkommen des Franz
v. Taxis an den Hauptplätzen des damaligen Weltverkehrs
sich einen weiteren Blick angeeignet haben; auch ist an-
zuerkennen, dass schon Mitte des 16. Jahrhunderts, und für
Deutschland von 1595 an die Durchführung der Postorgani-
sation eine beachtenswerte, für jene Zeiten eisenbahnähn-
liche Schnelligkeit zeigt. Aber dies ist weniger das Ver-
dienst der Familie oder gar nur eines einzelnen Mannes,
[109] sondern mehr das Zeichen und die Folge der herannahen-
den Neuzeit, der gesteigerten Nachfrage nach Verkehrs-
mitteln. Die Taxis erwiesen sich von jeher als gute Ge-
schäftsleute und gewannen noch vom Weltverkehr, der die
beste Schule für wirtschaftliche Einrichtungen bildet. Eine
gute, findige, energische Geschäftsführung — darin besteht
die ganze Gemeinnützigkeit. Es wird immer übersehen,
dass die Post von allem Anfang an einen selbständigen
reellen Kapitalwert repräsentierte, als rentable Kapital-An-
lage namentlich in Spanien (s. Oviedos Bericht v. 1490)
längst anerkannt war, dementsprechend alle sogen. »Opfer«
der Taxis nichts anderes als spekulative Kapital-Anlagen
darstellen. Die Familie Taxis bezog ja bis 1570 einen aus-
kömmlichen Gehalt von dem spanischen König und nament-
lich nach 1595 aus dem »reformierten« Betrieb sehr be-
deutende Rein-Einnahmen (s. unten Anlage XIV). Das ist
eine Gemeinnützigkeit, die jedes andere Gewerbe auch aus-
übt, ein Ruhmestitel, den jeder spekulative Kopf beanspruchen
könnte; ein guter »Verdienst« ist noch lange nicht ein Ver-
dienst um das Gemeinwohl. Mit der Aufnahme der Privatbe-
förderung und allgemeinen Zugänglichkeit erlangte die Taxis’-
sche Anstalt einen gemeinwirtschaftlichen, aber damit noch
nicht einen gemeinnützigen Charakter. Beide Begriffe werden
zwar — wie auch heute noch — schon in einem Erlass
des Kurfürsten von Mainz von 1617, des Protektors der
Taxis’schen Post, in taktisch kluger Weise miteinander ver-
mengt. Heutzutage aber kommt noch dazu die anachro-
nistische Begriffsverwechslung, wonach man gemeinnützigen
Sinn, wie man ihn heutzutage bei einem gemeinwirtschaft-
lichen, öffentlichen Institut als selbstverständlich voraussetzt,
auch von einem mittelalterlichen, nutzbaren Domaniallehen
erwartet. Gerade die Entstehungsgeschichte des Taxis’schen
Lehens dürfte über den angeblich »gemeinwirtschaftlichen«
Charakter der modernen Verkehrsmittel, womit deren Mo-
[110] nopol gewöhnlich begründet wird, (die Fachleute reden gar
von den »Wohlthaten« der Post), mehr Klarheit erbringen.
Die Gemeinwirtschaftlichkeit ist nichts anderes als der Gross-
betrieb und der annexionslustige, habgierige Charakter des
Grosskapitals, welches die kleine Konkurrenz totschlägt,
sie ist nichts anderes als dieselbe Habgier der feudalen
Herrn, welche zu gleicher Zeit, im 16./17. Jahrhundert dem
Bauern immer grössere Frohnen auferlegt, und ihn schliess-
lich aus seinem Eigentum, aus Feld und Wald vertrieben hat.
Weiter kann man, wenn das Grosskapital ein thatsäch-
liches Monopol über die Verkehrsmittel erlangt, z. B. in
England und in den Vereinigten Staaten, es als ein Unding
erklären, dass nicht der Staat den Monopolgewinn ein-
streicht: das ist dann aber ein wesentlich anderer Rechts-
grund als der wirtschaftliche, aus dem gemeinwirtschaftlichen
Wesen und Betrieb der Post abgeleitete.
Diese tendenziöse Verbrämung wurde von den späteren
Schriftstellern, weil sie amtlich, und damit gleichsam nota-
riell, beglaubigt war, »amtlichen Glauben« verdiente, noch
kräftiger ausgemalt, beweist aber, weil sie augenscheinlich
von den Prätendenten beeinflusst worden ist, nichts für den
thatsächlichen Nutzen. Es sollte damit nur ein weiterer
Rechtsgrund geschaffen werden, nach einem Gedankengang,
ähnlich demjenigen, wonach der Erdenker einer technischen
Erfindung, oder der erste Unternehmer eines Industriezweiges,
einer »Manufaktur« mit einem ausschliesslichen kaiserlichen
Privilegium belohnt wurde, oder in den letzten Jahren das
neueste Regal, das Telephon-Regal mit der Gemeinnützig-
keit begründet worden ist. —
Als dritte Autorität, die neben der der Fachleute und
Juristen meiner Auffassung entgegensteht, habe ich oben
die Verwalter des Thurn- und Taxis’schen Zentralarchivs
zu Regensburg genannt. Die Herausgabe der noch un-
[111] edierten Urkunden verdient alle Anerkennung 1); noch
rühmenswerter ist die ungemeine Sachkenntnis der Heraus-
geber. Demungeachtet kann ich einige Bedenken gegen-
über der Interpretation der von ihnen auf bewahrten Archival-
Schätze und ihrer Ergebnisse nicht unterdrücken. Bisher
zeigte sie eine an sich naturgemässe Voreingenommenheit,
so dass die Gefahr besteht, es werde die Legenden-Bildung
durch den der »Aufklärung« bestimmten Apparat noch ge-
stärkt und befestigt 2). Dem entgegenzutreten bildet einen der
Zwecke der gegenwärtigen Abhandlung. Es ist naturgemäss,
dass der Herausgeber (Dr. Rübsam) von Verehrung für
das Haus Taxis und seinen »gnädigsten Fürsten und Herrn«
erfüllt ist, dass er die gemeinnützigen Verdienste des Hauses
als über allen Zweifel erhaben ansieht: »das Walten dieses
Geschlechtes wurde (nach ihm) für die ganze zivilisierte Welt
eine Quelle reichsten Segens.« Nur als Beispiel greife ich eine
charakteristische Bemerkung heraus, welche mit der Entwick-
lung der Reichsanstalt in Zusammenhang steht; es heisst
in dem 1889 erschienenen Werke (»Johann Baptista von
Taxis« S. 207): »Das Briefgeheimnis, jenes unverletzliche
Palladium der modernen Post, wurde von der Taxis’schen
Anstalt seit ihren ersten Anfängen hochgehalten.« Wäre
dies wirklich der Fall gewesen, so hätte sich vielleicht der
Kaiser nicht so warm um die Angelegenheit der Taxis an-
[112] genommen. Im direkten Gegensatz zu Rübsams An-
schauung habe ich Grund zu der Annahme, dass dem
Taxis’schen Regal-Anspruch gerade als ein weiteres För-
derungsmittel zu gute kam, dass sich die systematische Ver-
letzung des Briefgeheimnisses allmählich als ein Mittel der
hohen Politik ausbildete: Mazarin hatte das berüchtigte
»schwarze Kabinet« eingerichtet; die österreichischen Poli-
tiker blieben nicht zurück; bald sprach man von einem
»danger de la poste«, bald war ihnen die Fixigkeit und
Routine der (spanischen) Postmeister in der Briefspionage
unentbehrlich geworden 1). Ein Dienst war des anderen
wert; die Unterstüzung der spanisch-habsburgischen Politik
erhielt ihren Lohn in der seltenen Energie und Ausdauer,
mit welcher die Wiener Kanzlei den schwierigen Kampf
für das Monopol aufnahm und durchführte. Die Taxis
waren sehr wertvolle diplomatische Agenten des Kaisers,
ihre Honorierung erfolgte in den Erlassen gegen das »Neben-
botenfuhrwerk«, welche den Kaiser nichts kosteten. Schein-
bar war das Regal die Belohnung für eine neue organisa-
torische Idee, wie der Kaiser damals anfing, Privilegien
[113] für eine »Erfindung«, oder ein neues Buch oder eine neue
Manufaktur, zur Ermutigung des Unternehmungsgeistes, zu
erteilen, thatsächlich aber war das Regal ein kostenloses
Mittel der Habsburgischen Zentralisations- und Annexions-
Politik.
So wurde diese geheime Neben-Funktion — nicht etwa
das Patent Karls V., um dessen Interpretation man Jahr-
hunderte lang die Juristen herumstreiten liess — die eine
Stütze des neuen Regals (die andere materielle Stütze gab
der öffentliche Dienst für das Publikum ab). —
Zum Schlusse sei noch kurz die Schutzbehauptung be-
rührt, als ob nämlich eine einheitlich verwaltete Privatpost
wegen der politischen Zersplitterung Deutschlands eine Not-
wendigkeit gewesen sei. Ich halte dies für eine unbegründete
Phrase, die wohl mehr wegen des Seitenhiebs auf die »Re-
servatrechte« sich erhält. Auch in den Vereinigten Staaten
und (vor 1848) in der Schweiz kam man ohne ein Privat-
monopol aus. Ohne das Taxis’sche Lehen hätten sich, wie
die Einrichtung der württ. Postkurse von Schaffhausen bis
in die Pfalz und bis nach Nürnberg im Jahre 1709, oder
der Postvertrag zwischen Preussen und Taxis von 1722,
oder die damalige Organisierung der Breslauer Botenpost
beweist, die Reichs- und Territorialposten, (die Unterwegs-
posten und Seitenrouten) naturgemässer neben einander ent-
wickelt, insbesondere aber wäre das Strassenwesen
rascher vorangeschritten und in besserem Stande gehalten
worden: fragte es sich doch bei jedem Einzelfall, ob der
einzelne Reichsstand Auslagen für die Strasse sich aufer-
legen sollte, von welchen doch nur hauptsächlich die
Pferde und Wagen des Taxis’schen Eindringlings den Vor-
teil gehabt hätten.
4) Entwickelung der Landesposten.
Als die Erkenntnis von der Rentabilität und Produk-
Huber. 8
[114] tivität einer Anstalt für die Briefbeförderung, und das Be-
dürfnis hienach allgemeiner wurde, nahmen die Landes-
herrn solche Einrichtungen energisch in Angriff. Wie
schon oben S. 89 erwähnt worden, legten gerade während
der kritischen Jahrzehnte nach 1570 die Reichsstädte und
die Territorialherrn eine auffallende Beflissenheit in Ein-
führung einer eigenen Postanstalt an den Tag. Eine solche
erfolgte — gleichzeitig mit der »Kommunalisierung« der
Botenanstalten in den Handelsstädten Augsburg, Nürnberg,
Frankfurt, Köln, Breslau, Hamburg, Leipzig, Danzig —
z. B. 1569 in Braunschweig (daselbst weiter ausgedehnt
1576), 1573 in Sachsen, 1581 in Württemberg, 1589 zwischen
Ansbach-Halle-Celle (Albert Achilles, 1610 in Brandenburg
durch Johann Sigismund) u. s. w. — Eine allgemeine Ueber-
sicht über den Gang der Weiter-Entwickelung oder eine
Spezialdarstellung der einzelnen Territorialposten hier zu
geben, kann ich mir ersparen, da sich die eine schon in
Vischers »Zeittafel des Postwesens« 1820, S. 14, die andere
in einer Reihe gediegener Monographien, vor allem in der
Dr. Stephans, dann Dr. Ennens, Faulhabers u. s. w. vorfindet.
Auch die weiteren Schicksale des Taxis’schen Monopols
sind hier nur als ein Beitrag zur Entscheidung der Frage
von Interesse, ob das Regal durch den einmaligen Be-
stallungsakt des Kaisers begründet worden ist.
Nach dem Patent vom 15. Juni 1595 suchte man sich
allerorts des neuen Monopols zu erwehren, so gut es eben
ging. Dem lag — abgesehen vom formalen Recht — nicht nur
blosser engherziger Partikularismus zu Grunde: vielmehr war
gegenüber den Ausländern, welche ihre Postbeamten mit
Vorliebe aus Spanien bezogen, der Widerstand noch be-
rechtigter als heutzutage; namentlich war er auch in den
Porto-Ueberforderungen seitens der leitenden
Verwaltung (s. z. B. Württembergs Beschwerde von 1705)
wie seitens ihrer Beamten, sowie in der Praxis der Brief-
[115] geheimnis-Verletzung genügend begründet. Schon deshalb
sind die üblichen Lobes-Erhebungen auf die Taxis’sche Fa-
milie und die Taxis’sche Post deplaciert. Je nach der
Macht des Fürsten, bezw. der Reichsstädte und der Lebens-
fähigkeit ihrer Botenanstalten, wandte der Kaiser bald schmei-
chelnde Bitten, bald ernste Drohungen für Einführung des
Regals an 1). Aber hinter all den verschiedenartigen Mitteln
sieht man die unentwegte Verfolgung des Zieles, von der
die Rudolfe, Mathias u. a. die gleiche Gewandtheit und
Energie für ihre eigene Angelegenheit hätten absehen sollen.
Das ganze ist eine drastische Illustration dazu, wie der
Eigennutz einer einflussreichen Familie, die kapitalkräftig
genug ist, ihren Willen rücksichtslos durchzusetzen, gegen-
über einer vielköpfigen und kraftlosen Menge Unrecht zu
Recht umzudrehen vermag, eine Illustration zu dem allge-
meinen Bilde, wie in jener Zeit Realservituten erschlichen
wurden, und deshalb die Bauern so sehr davor Angst hatten,
ihrem Grundherrn, weil er sonst sofort ein Recht daraus
ableitete, auch nur die geringste Gefälligkeit zu erweisen.
Das erste Angriffsobjekt für die Lehensträger waren
die Reichsstädte, zuerst Köln, Nürnberg und Frankfurt, (an
welche Kaiser Ferdinand unterm 5. Juli 1624 ein Schreiben
erliess) 2), dann Augsburg, Lindau, Memmingen, Ulm, Ham-
burg, Lübeck, Bremen. Die Reichspost führte Prozesse mit
Hessen-Kassel, Pfalz, Braunschweig, Kurbrandenburg, mit
dem ganzen niedersächsischen Kreise, mit Württemberg,
8 *
[116] Bayern, mit dem fränkischen Kreise, mit Sachsen-Koburg und
Saalfeld, Wetzlar, Kursachsen, Nassau, Osnabrück, Münster,
Friedberg, Lippe-Schaumburg, Dillingen u. s. w.
Nach dem dreissigjährigen Krieg, der, wie die ganze
Kultur, so auch den Postverkehr, — letzteren u. a. auch
infolge der häufigen Raubanfälle, die von einer verwilder-
ten Soldateska, von Räuberbanden und adeligen Wege-
lagern ausgeführt wurden, — zurückgedrängt hatte, kommt
einer der ersten erfolglosen Taxis’schen Proteste (etwa
1650) vor, als nämlich zwischen dem Könige von England
und den Generalstaaten eine Vereinbarung zu Stande kam,
»derzufolge die englischen Briefe nach Holland, Hamburg
und darüber hinaus gelegenen Orten sowie in umgekehrter
Richtung nach England nur durch die Reitpost zwischen
Hamburg und Amsterdam befördert werden sollten.« Zu
gleicher Zeit (1650) hatte Danzig eine Reitpost nach Stettin,
Rostock, Lübeck, Hamburg neu geordnet.
Wie der Kaiser ungeachtet der Lehensverleihung an
die Taxis in seinen Erblanden seine eigenen Posten bei-
behielt, so ward auch von den grösseren Landesherrn das
Reichsregal und die Ausübung derselben durch den Reichs-
generalpostmeister nicht anerkannt. Die Landesherrn, deren
Territorium hiezu ausreichte, wie Kurbrandenburg, Sachsen,
einige Jahrzehnte lang auch Bayern, nahmen vielmehr für
sich selbst nach dem dreissigjährigen Krieg ein Postregal
in Anspruch, während allerdings für die zahllosen kleinen
und kleinsten Territorien — ähnlich wie heutzutage das
Staatseisenbahnsystem für Duodezstaaten unmöglich ist
— die Reichspost die einzig rentable Posteinrichtung war.
Am meisten willfährig erwiesen sich gegen die Taxis’schen
Ansprüche die geistlichen Reichsstände. Der grosse
Kurfürst kümmerte sich mit Recht weder um die einen
noch die andern angeblichen Privilegien. Als er 1653 von
Kleve bis Memel eine ununterbrochene stationsweise (Dra-
[117] goner-)Post 1) für die Depeschenbeförderung einrichtete, er-
klärte er, fremde Posten, mögen sie angehören, wem sie
wollen, werde er in seinem Staate niemals dulden.
Seinem Beispiele folgten Kursachsen, Braunschweig
und Lüneburg, Mecklenburg, Oldenburg, Salzburg.
Man beachtete die kaiserlichen Mandate da, wo man
sie beachten wollte, oder wo man hiezu gezwungen war.
Anderwärts behielten die Reichsstände ihre eigene Post-
anstalt bei; so errichtete z. B. Hessen-Kassel in Frankfurt
a. M. neben der Reichslehenpost ein hessisches Postamt;
1663 legte, ungeachtet des Protestes seitens der Taxis’schen
Verwaltung, der Fürstbischof von Paderborn, einen fahrenden
Postkurs nach Hannover ein, »da es zum besten der Kom-
merzien und Leute sei«; Sachsen-Weimar richtete eine
eigene Landespost ein, u. s. w.
Demungeachtet bildete sich auffallend rasch in der kurzen
Zeitspanne von kaum drei Generationen das »Herkom-
men«, welches die alleinige Rechts-Grundlage des Post-
regals darstellen kann. Schon 1748 z. B. schreibt Beust
II. T. S. 949: »Ob und inwiefern Ihre Kais. Majestät ein
Geschlecht mit dem General-Reichspostamt, welches sich
weiter, als auf die Unterhaltung höchstderselben eigene
Korrespondenz, erstreckt, erblich habe belehnen können?
— diese Frage nunmehro gegen das Herkommen zu ven-
tilieren, würde umsomehr vergeblich und ohne Vorteil
sein etc« 2).
[118]2)
[[119]]
Kap. VII.
Die moderne Umwälzung in Bezug auf die Fahr-
bahn und den Motor; deren Rückwirkung auf
die Verkehrsorganisation.
Zum Schlusse haben wir noch die Entwickelung zu
skizzieren, welche die Organisation des Verkehrs in der
neuesten Zeit genommen hat.
Der erste Fortschritt wurde durch das Beispiel des
Fernverkehrs, der Transit- und Ueberlandpost angeregt und
richtete sich, unter dieser Rückwirkung, auf die Beschleu-
nigung und Vervollkommnung des Provinzial- und Nach-
barschaftsverkehrs. Mit dem steigenden Verkehr und
Wohlstand ergab sich auch an den Binnenplätzen allmäh-
lich eine regere Nachfrage und eine genügende Rentabilität
für eine Inland- bezw. Nachbarschafts- oder Provinzial-Post,
welche nun nach dem Muster der Auslands- bezw. Tran-
sitpost eingerichtet wurde. Es bildete sich ein netzartiges,
auch die Seitenrouten erfassendes System aus, mit
welchem der Organismus wuchs.
Sodann bildete das vorige Jahrhundert hauptsächlich
die Passagierbeförderung weiter, und zwar im
gleichen Schritt mit der technischen Vervollkommnung
der Feldkutschen (1673 Weigel) und des Strassenbaus.
Immerhin zog bis in dieses Jahrhundert herein der wohl-
habendere Mann, der eine weitere Reise zu machen hatte,
[120] es vor, einen Kutschwagen zu kaufen und darin die Reise
zu unternehmen (s. z. B. Berner’s Reise von Calais nach Paris
1767; Anordnung Kaiser Josephs dd. 1787 betreffend Ver-
bringung einiger französischer Nonnen von Lemberg nach
Paris u. s. w.).
Ende des vorigen Jahrhunderts ging England mit der
Einrichtung einer rascheren Expedition voran. Mit der
Verbesserung durch die Einstellung von Relaispferden galt die
Post unsern Grosseltern als das »Non plus ultra«. Der
Postillion als der witzig-behagliche Odysseus, war die
Lieblingsfigur für Maler, Dichter und Musiker. Noch hat
die Eisenbahn keine solche Monumente in der Literatur 1).
In diese Idylle kam mit der Wende dieses Jahrhun-
derts eine grössere Intensivität des Betriebs und der Nach-
frage, im ersteren zunächst durch den Chausseebau, in
letzterem durch das Aufkommen der Börse und Presse.
Was zunächst die Strassen anbelangt, so waren die-
selben bis ins 16. Jahrhundert herein in einem so verwahr-
losten Zustand, dass schon wegen desselben die Reisen nur
zu Pferde gemacht werden konnten (s. unt. Anl. V). Eine
Besserung trat — im Anschluss an die Steigerung des
Personen- und Güterverkehrs — im 17./18. Jahrhundert ein,
zunächst für den Wasserweg2).
Die im 17. und 18. Jahrhundert eingeführte Kammer-
schleuse ermöglicht es den Schiffen, in Kanälen und ka-
nalisierten Flüssen vermittelst der Wasserführung in der
[121] Schleusenkammer aufzusteigen, bis zur Höhe von Fluss-
schnellen und Wasserscheiden, und solche mit der Schleusen-
Entleerung zu übersteigen. Damit wurden für die Binnen-
schiffahrt, welche bisher auf das Tiefland beschränkt war,
das Hügelland und selbst Teile des Gebirgslandes erschlossen
Eine ähnliche Erweiterung des Verkehrsgebiets im Wege
künstlichen Nivellements war dem Landverkehr, besonders
durch die spätere Verwendung des Schienenstrangs, vor-
behalten.
In Frankreich erfasste Colbert die Bedeutung eines
Strassennetzes als des notwendigen Gliedes in dem von ihm
eingeführten System der bureaukratischen Hebung von
Handel und Industrie und ergriff die Initiative zu der Er-
bauung der französischen Chausseen (welche Göthe 1797
in Zabern so sehr bewunderte). Die Wirkung davon zeigte
sich deutlich, wenn man in jener Zeit die Wirtschaftslage
Spaniens gegen die seines Konkurrenten (Frankreich) ver-
glich: in Spanien überall nur die elendesten, lediglich für
Saumrosse gangbaren Wege, nirgends ordentliche Gasthöfe,
nirgends Brücken, weder Kanäle noch Stromschiffahrt,
jede Provinz durch Douanenlinien von dem übrigen Spanien
abgeschlossen, vor jedem Stadtthore ein königlicher Zoll;
Strassenraub und Bettelei als Gewerbe betrieben, der
Schmuggelhandel in höchster Blüte; all dies musste die
früher mächtige katalonische Industrie vernichten. Frank-
reich dagegen erlangte zu gleicher Zeit über seine früheren
Lehrmeister, über Spanien wie über Italien und Deutsch-
land die industrielle Suprematie.
Im 18. Jahrhundert sah sich durch den Chausseebau
Frankreichs zuerst Süddeutschland zur Nachahmung ver-
anlasst; die erste Chaussee wurde 1737 vom schwäbischen
Kreis beschlossen.
Noch bis in die Mitte dieses Jahrhunderts war man auf
die damaligen Leistungen der Post sehr stolz; beispielsweise
[122] rühmte eine 1841 erschienene Broschüre (L. Bauer, Schwa-
ben wie es war und ist, S. 269): »Ineinandergreifende Eil-
fuhrwägen, welche Tag und Nacht mit wechselnden Pferden
gehen (nebst der Dampfschiffahrt), machen es den Spe-
ditionshäusern von Lindau und Friedrichshafen
möglich, die Güter schneller gehen zu lassen, als vor weni-
gen Jahrzehnten ein Reisender mit dem Postwagen fuhr:
Von Friedrichshafen aus liefert man die Güter nach Mann-
heim und Mainz in sechs, nach Hamburg in sechzehn (!),
nach Leipzig in zehn, nach Mailand in zehn, nach Genua
in fünfzehn (!), nach Livorno in vierundzwanzig (!), nach
Zürich in vier Tagen«.
In denselben Tagen wie die staatliche Fürsorge in Frank-
reich dem Bau von Chausseen eine grössere Aufmerksam-
keit widmete, wandte sich in England die öffentliche Auf-
merksamkeit sowohl der Erbauung von Kanälen als der
von Schienenwegen zu.
Es geschah dies gleichzeitig fast im gleichen Jahr-
zehnt und ebenso infolge der Fortschritte der Wasser-
bau- und Strassenbautechnik, wie infolge der Steigerung
des Frachtgutverkehrs. Die Kanalbauten wurden seit 1759
von Spekulanten gründermässig ausgeführt; anderseits war
(etwa 1767) in den dortigen Bergwerksdistrikten bei der
dort seit Jahrhunderten üblichen Anwendung des Schie-
nenwegs die Ersetzung der anfänglichen Holzspur durch
eiserne aufgekommen, welche dem Motor die notwendige
Sicherheit der Unterlage, der Fahrbahn verschaffte. Diese
Idee konnte man für die Erweiterung der Personenpost
verwerten; vielfach wurde die Frage der Pferdebahnen und
der Ausdehnung eines solchen Bahnnetzes über ganz Eng-
land diskutiert.
Mit der grösseren Kapitalanlage für die Fahrbahn (im
Kanal- und Chausseebau) wurde auch die Betriebsorgani-
sation verfeinert; eine durchgreifende Reform aber in
[123] dieser Richtung erbrachte der (gleichzeitig mit der Aus-
dehnung des Eisenbahnnetzes eingeführte) spekulative Gross-
betrieb, für den das Gesetz des Massenumsatzes massge-
bend ist. Es ist dies eine rein geschäftsmässige, auf der
erfahrungsgemässen Ausgleichung von Tarifermässigungen
durch die dadurch bedingte Frequenzsteigerung aufgebaute
Kalkulation, in welcher aber nun wieder die politische
Seite der Post zu tage tritt: die Post wird — da der mächtige
Eisenbahnverkehr die Erkenntnis von der allgemein wirt-
schaftlichen Produktivität der (Post-)Organisation vertieft
— nicht mehr als ein blosses Mittel der Kriegsbereitschaft
oder der Staatsverwaltung oder der Diplomatie, auch nicht
mehr als ein nutzbares Regal (fiskale Auffassung der Do-
manial-Eigenschaft) behandelt, dem Handel und Gewerbe
Tribut schuldig sind, sondern sie wird als ein gemeinnütziges
Werkzeug der Förderung der Steuer- und Produktionskraft
eines Volkes erkannt und gewertet. Vermöge dieser neu-
zeitlichen Auffassung hängt die geschichtliche Darstellung
mit der Tarifpolitik und der juristischen Abgrenzung
des Regals (z. B. gegenüber dem Telephon oder der Stadt-
post) zusammen.
Wie vielerlei Gestalten der Begriff der »Post« anzu-
nehmen fähig ist, zeigt sich namentlich bei der juristischen
Interpretation dessen, was alles das ehemals Taxis’sche
Regal angeblich in sich begriffen hat. Derselbe Begriff,
welcher identisch mit der Aufstellung von Staffettenreitern
(durch Pyrrhus oder Jul. Cäsar) genommen wird, soll ander-
seits auch sämtliche Verkehranstalten, bis herab zum neuesten
Telephon, und auch sämtliche Objekte und Funktionen der
Post umfassen, welche erst in jüngster Zeit dazu gekommen
sind. Demgegenüber wird zunächst der Unterschied des
Nahe- und Fernverkehrs dadurch zum Ausdruck gebracht, dass
das Postregal an der Grenze des Stadtrayons (Privatstadt-
post) Halt gemacht hat. Sodann bringt auch die verschie-
[124] denartige Behandlung der Transportobjekte und des Post-
zwangs in den verschiedenen Ländern zum Bewusstsein,
dass die Annahme, als ob die Funktionen der heutigen
Post, sowie die verschiedenen Verkehrsanstalten ein un-
trennbares, systematisches Ganzes bilden, eine blosse Fiktion
ist, welche in der Geschichte keinen Halt hat: heute noch
ist z. B. die Personenbeförderung in Russland und Norwe-
gen, aber auch in Frankreich, wie die Paketbeförderung
in England dem Privatbetrieb überlassen.
II.
Die letzterwähnten Neuerungen im Chaussee- und
Kanalbau hatten auf den allmählichen Uebergang zum
Dampftransport vorbereitet. Man sieht allgemein die Eisen-
bahn wie etwas plötzlich Hereingeschneites, ungefähr so
an, als ob ein zweiter Prometheus etwas Gottähnliches der
Menschheit übermittelt habe. Aber die Volkswirtschaft
kennt keine Sprünge. Der Eisenbahn war in Frankreich
und England, aber auch in (Süd-)Deutschland eine Periode
des Strassen- und Kanalbaus vorangegangen; man hatte
schon an dem primitiven Wasserverkehr die lebhafte Wech-
selwirkung erkannt, in der Massenerzeugung (der Roh-
produkte der Land- und Forstwirtschaft, des Bergbaus) und
Massen-Bewegung, Massen-Konsum und Grossbetrieb mit-
einander stehen.
Schon im Jahre 1807 machte von Gerstner für den
böhmischen Verkehr den Vorschlag, die Moldau mit der
Donau durch eine Pferde-Eisenbahn zu verbinden; 1813
gab er eine Abhandlung über die Frage, »ob und in wel-
chen Fällen der Bau schiftbarer Kanäle, Eisenwege oder
gemachter Strassen vorzuziehen sei,« heraus 1).
[125]
Fast im gleichen Jahre (1809) war für die Beförderung
zu Wasser, für die Schiffstraktion die Dampfkraft zur
Anwendung gelangt. In diesem Momente der Spannung
gelang es, die praktische Durchführbarkeit des mechanischen
Motors, der Lokomotive, gegenüber den theoretischen
Zweifeln des Fachmännertums vor Augen zu führen und
damit war die intensive kapitalkräftige Ausnützung des Schie-
nenwegs ermöglicht.
Allmählich sah man ein, dass nunmehr infolge der
weiteren Ausbreitung der »Manufakturen« auch in der Lo-
komotion mehr geschehen müsse. Der sozialkonservative
Nationalökonom Lavergne-Peguilhen drückte dies 1838,
also zu einer Zeit, da nicht nur List, sondern die Mehrzahl
der Sachverständigen schon ganz klar sahen, in folgender
naiver Weise (s. dessen »Produktionsgesetze« S. 122) aus:
»Hochgebildete und reiche Nationen, deren Bedürfnisse eine
fast unabsehbare Reihe von wertvollen Gegenständen um-
fassen, werden eine entsprechend rege Arbeits- und Geld-
thätigkeit zur Erscheinung bringen müssen, um jene
Reichtümer zu erzeugen, zu erwerben, zu verhandeln und
zu verteilen. Sie werden durch Posten, Kunststras-
sen und dergleichen für physische Bewegbarkeit
der Menschen, Waren und Gelder Sorge zu tragen haben,
und es wird die gesellschaftliche Bewegbarkeit dadurch
einen um so höheren Aufschwung erhalten.«
[126]
Lavergne erhoffte den Transportfortschritt noch von
der Vervollkommung der Postorganisation. Aber da-
mals war ein noch intensiverer Transportfortschritt erforder-
lich, und zwar vermittelst der Gewinnung einer neuen
Zugkraft, vermittelst der gleichen Verwertung des Dampfes,
welche die technische Produktion so ungemein gesteigerthatte.
Die Erfindung der Dampf-Lokomotion und der elektro-
magnetischen Fernbeförderung brachte der Welt erst recht
zum Bewusstsein, wie befruchtend und neuschaffend, sowohl
direkt als auch indirekt — vermöge der Umwandelung des
sozialen, politischen und Erwerbslebens — eine neue Zug-
kraft und Fahrbahn wirkt, zumal durch dieselben auch
Neuerungen für die Verkehrs-Organisation naturgemäss
bedingt werden: in dem Motor haben wir die höchste Kraft-
konzentration, bei der Fahrbahn den grösstmöglichen Ka-
pitalaufwand, in der Organisation aber die höchstmögliche
Steigerung des Umtriebes und der Regelmässigkeit.
Zuerst musste die Technik die Fahrbahn herstellen
können. Als sie soweit war, die Ueberbrückungen, Tun-
nels u. s. w. nicht mehr bloss mit der Kühnheit eines rein em-
pirischen Versuchs, sondern auf der zielbewussten sicheren
Grundlage der Wissenschaft zu unternehmen, da hielt auch der
Unternehmungsgeist gleichen Schritt mit ihr. Die Wunder-
werke der Technik sind zugleich nicht minder auch solche
des nationalökonomischen Hebels der (Kapital-)Assoziation:
(mit der Technik allein ist es ja nicht gethan: der Bau
unserer makadamisierten Strassen ist den Chinesen, denen
wir ihn angeblich entlehnt haben, schon Jahrhunderte vor
uns bekannt, aber trotzdem haben sie auch heute noch
nicht Verkehrsstrassen im europäischen Sinn).
Nun wird rasch, gleichsam von selbst, der Kleinbetrieb
in den maschinellen und kapitalistischen Grossbetrieb
umgewandelt. Schon an sich ist ja der Transport auf der
Chaussee und Landstrasse (mit Thierkraft) das Klein-
[127] gewerbe, der Transport auf der Schiene das Grossgewerbe
(s. unt. Anl. XVI). In weiterer Folge aber ergiebt sich
von selbst aus der zur Verfügung stehenden Maschinenkraft,
aus ihrer Konzentrations- und Multiplikationsfähigkeit (Stei-
gerung der Leistungsfähigkeit) und aus dem angelegten
grösseren Kapital die Notwendigkeit eines rascheren Um-
triebes des Grosskapitals nach dem Gesetze des Massen-
Absatzes (der Anlockung weiterer Konsumenten ohne Be-
rücksichtigung der Selbstkosten), andererseits die Notwen-
digkeit eines feineren, regelmässigeren Ineinandergreifens
der Leistungen d. h. der Organisation und Arbeits-
teilung des Beförderungswesens. Die letztere, die in-
tensivere Organisation ergiebt sich von selbst aus dem
Zwang zu Gewinnung eines Massen-Umsatzes.
Man meint gemeiniglich das Wesen des Grossbetriebs
erschöpft zu haben, wenn man die Dampf- und Maschinen-
Anwendung und die damit gegebene Massenerzeugung und
grössere Billigkeit ins Auge fasst. Das ist aber nur die
eine Hälfte, die andere nicht minder wichtige besteht, wie
gerade der moderne Grossbetrieb der Post zeigt, in dem
fabrikmässig betriebenen, organischen Ineinander-
arbeiten.
Jeder Grossbetrieb besteht in einem grossen Aufwand
einmal für die Anlage, dann für die Einzelvorbereitung des
mechanischen Produktions- bezw. Vervielfältigungsprozesses,
in der festen Kapitalanlage und in den Generalkosten des
Betriebs. Vor der Eisenbahnzeit exemplifizierte man dies
auf die Multiplikationsarbeit des Buchdrucks: der Satz der
Zeitung ist die Hauptsache; ob dann 10 oder 10000 Exem-
plare vervielfältigt werden, erfordert im grossen und ganzen
nicht namhaft höhere Kosten. Die mechanische Vervielfäl-
tigung ermöglicht und erzwingt es also, den einmaligen
grösseren Generalaufwand auf möglichst viele Vervielfälti-
gungsakte, auf eine Masse, auf einen möglichst grossen Kreis
[128] von Konsumenten zu verteilen und zu dem Zweck diesen Kreis
zu erweitern.
Der Grossbetrieb hat demgemäss — gleichgültig ob er
in einer Druckerei oder bei der Eisenbahn Anwendung findet
— wesentlich eine kaufmännische Seite, die spekulative
Erspähung des Bedarfs breiter Schichten, weil nur die
Menge und der Massenumsatz die Kontinuität und aus-
giebige Ausnützung und damit die Rentabilität des Gross-
betriebs ermöglicht und sichert. Daher muss sich die Eisen-
bahn, und nach ihrem Beispiel auch die Post an die Masse
wenden, sogen. »latenten« Verkehr aufsuchen, d. h. immer
neuen Bedarf wecken. Die Post allerdings brauchte damals
dem Konsum nicht nachzugehen, er wuchs von selbst,
namentlich unter dem Einflusse der zwei neuen Verkehrs-
mächte, der Presse und der Börse, dann aber auch des
gesteigerten Familienluxus, der sich u. a. auch in der fre-
quenten Korrespondenz ausdrückt, in das vergrösserte An-
gebot hinein. Nun aber wurde auch für die Post, wie bei
der Grossindustrie, das Verhältnis von Angebot und Nach-
frage umgekehrt; nicht mehr der Konsument war der ab-
hängige und »fragende«, sondern der (kapitalbesitzende)
Produzent musste dem Konsum nachspüren. Aber dieses
Aufspüren fiel leichter, als man gefürchtet hatte: es be-
stand in nichts anderem, als in fortschreitender Erhöhung
der Leistung, die nicht nur in der Richtung auf Billigkeit,
sondern auch in der auf Abkürzung der Transportdauer,
Sicherheit, Bequemlichkeit sich bewegen kann.
Mit der wesentlichen Eigenschaft des Grossbetriebs
trifft eine andere zusammen, welche jedes der sogen. »Zir-
kulation« gewidmetes Institut, sei es nun ein Hotel oder
ein Theater oder wie hier die Eisenbahnverwaltung zeigt.
Für derartige Institute nämlich wird durch die Mehrausnützung,
durch die dem rascheren Umtrieb des Kapitals dienende
Erhöhung der Leistung (in Bezug auf die transportierte
[129] Menge oder auf die zurückgelegte Strecke oder auf die Ab-
kürzung der Reisedauer) nicht eine gleich entsprechende Stei-
gerung der Selbstkosten erbracht. Aus beiden Gründen
ist für jede Art von Kommunikation, für den Telephonbetrieb
so gut wie für die Dampfschiffahrt der oberste Gesichtspunkt:
Verteilung auf eine möglichst grosse Masse, auf möglichst
viele Multiplikationsakte unter Ersparung spezieller Be-
handlung oder Manipulation, der Satz: »die Masse bringt
es ein«, »keine tote Zeit, keine tote Kraft, kein totes Ge-
wicht«, Kompensation der Leistungssteigerung durch Steige-
rung des Massenkonsums«.
Interessant ist, wie dieses Gesetz des Massenumsatzes,
das doch in der inneren Natur des Transport-Grossbetriebs
liegt, scheinbar zufällig, zuerst für den Postdienst zum
Durchbruch gelangte. Bis zur Eisenbahnzeit war bei der
Post der Betrieb kleinlich, mehr auf die fiskale Verwertung
eines nutzbaren Kapitals zugeschnitten und auf die wohl-
habenden Klassen beschränkt. Nun drängte sich mit der um-
fangreicheren Inanspruchnahme das Preisgesetz auf, welchem
jede Massen-Erzeugung unterworfen ist: statt der ängstlich
fiskalen Taxenfeststellung wird ein »Penny« als Portosatz
zuerst 1840 in England (1876 für den Weltpostverein) ein-
geführt, und damit die Post nun auch der breiten Masse,
dem »allgemeinen Familienkonsum«, wenn man so sagen
darf, erschlossen 1).
Mit der Vervielfältigung der Routen und Postverbin-
dungen, also gerade infolge des Eisenbahnnetzes vermehrt sich
Huber. 9
[130] ferner die Wirksamkeit der Postanstalt: anstatt einer Beein-
trächtigung ihres Betriebes erhält sie intensiv-organisatorisch
und extensiv, im Fern- 1) und Paketverkehr, eine uner-
wartete Ausdehnung; sie gewinnt damit einen gleichen Fort-
schritt, wie etwa die gewerbliche Produktion durch die gleich-
zeitige Einführung des Dampfmaschinenbetriebs. Jetzt erst war
die Post das, was man im heutigen Sinn darunter versteht. —
Um das heutige Verkehrsgebiet vollständig zu um-
schreiben, sei endlich noch des Zuwachses gedacht, den
die beiden modernen Verkehrsmächte, Presse und Bank-
wesen, naturgemäss der Post erbracht haben. Zuerst
hat ihr die räumliche Ausdehnung des (Post- oder Absatz-)
Gebietes und die kontinuierliche Dienstleistung seiner Be-
amten gewisse Buchhändlergeschäfte zugeführt, nämlich die
Zeitungsexpedition (aus welcher später der ermässigte Tarif
für Kreuzbandsendungen hervorgegangen ist). Weiter hat
die Post auch die bankmässige, etwas riskierte Vermittelung
des Geldverkehrs in den Kreis ihrer Wirksamkeit gezogen.
Zu dem Zwecke wurde (im Anfange der 50er Jahre in Preus-
sen) das Verfahren der baren Ein- und Auszahlung von Be-
trägen bei den Postanstalten eingeführt, ferner (im Jahre 1865)
an die Stelle des bestehenden ein einfacheres Postanweisungs-
verfahren gesetzt und die Gebühr sehr bedeutend ermässigt.
Einen weiteren Schritt vorwärts in der Uebernahme
von Bankiergeschäften bedeuten die Postsparkassen
und die Postassekuranz.
[[131]]
ANLAGEN.
9 *
[[132]][[133]]
Anlage 1 zu oben Cap. I., S. 7 ff.
Natürliche Fahrbahn.
Für die Gesamtwirtschaft kann man den spekulativen Han-
del und dessen hauptsächlichstes Werkzeug, die »Fahrbahn«
oder die Strasse zu den »Nationalkapitalien« rechnen. Die Be-
deutung, welche die »Fahrbahn« für die wirtschaftliche Pro-
duktion wie für die allgemeine Kultur hat, wird durch zwei Arten
eine primitive und eine hochmoderne, nämlich durch die Eisen-
bahn und durch die in der Geschichte hervortretenden Wasser-
strassen in das richtige Licht gerückt. Anfänglich auf dem
Wasserwege und vor allem an der See, heutzutage auch auf
der Eisenbahn findet die Ausgleichung des Warenbedarfs und
Warenüberflusses, der Preise und der Sitten statt; hier vollzieht
sich die vornehmste Aufgabe der Zivilisation, nämlich die Rassen-
Vorurteile und Rassen-Gegensätze zu vermitteln und zu ver-
söhnen, deshalb leicht, weil sich in der Schiffahrt und im Handels-
gewinn ein oberster, zusammenfassender, einigender, ausglei-
chender Gesichtspunkt vorfindet; hier ist der offene Markt nicht
nur für Reichtum, sondern auch für Macht.
In der Rückwirkung der Eisenbahn (und der Intensität be-
züglich der Anlage der Fahrbahn, bezüglich des Motors und der
Organisation) fühlen wir gleichsam an unserem eigenen Leibe,
was wir oben in Cap. II und III als Hauptgesichtspunkt für die
historische Rekonstruktion der ersten Elemente der Postorgani-
sation vorangestellt haben: es ist die dualistische Wechselbe-
ziehung des Verkehrs einerseits mit dem Transport, anderseits
mit dem allgemeinen Erwerbsleben 1).
[134]
Was die letztere Beziehung (der Produktion zu der Kom-
munikation) anbelangt, so verhalten sich beide zu einander
wie Angebot und Nachfrage: Wie in den Uranfängen, so
stehen auch im weiteren Fortschreiten einerseits Kultur, Handel,
Produktion und anderseits das Kommunikations- und Trans-
portwesen (Tragkraft, später Zugkraft, Fahrzeug, Fahrbahn
und Organisation) zu einander in der Wechselbeziehung von
Ursache und Folge. Im privaten Haushalt ist Kapital die Kry-
stallisationsform für die Fertigkeit, andere für sich arbeiten zu
lassen, fremde Arbeitskraft für sich auszunützen. Auf dem Welt-
markt versieht der spekulative Handel, (den die englischen Na-
tionalökonomen auch unter »capital« rubrizieren) den gleichen
Dienst. Wie das dingliche Eigentum über die Arbeiter sich
mit dem Aufkommen der Werte freier Arbeit in eine vertrags-
mässige, (obligatorische) Ausnützung des (scheinbar) freien Pro-
duzenten umgewandelt hat, so ist die politische, früher gewalt-
thätige Unterwerfung fremder Völker in eine Art »Obligations«-
Botmässigkeit oder Schuldknechtschaft verfeinert worden, ver-
möge deren das herrschende Volk die andern für sich arbeiten
1)
[135] lässt, und den ihren Unterhalt übersteigenden »Mehrwert« vor-
wegnimmt 1).
Die Herrschaft aber über die anderen Völker hat, wer die
Welthandelsstrasse besitzt. Auch diese politische Seite
kann man an den beiden Haupt-Fahrbahnen, an den Wasser-
wegen und an der Eisenbahnroute deutlich verfolgen.
Früher nämlich als der Landverkehr (des Binnenlandes) ent-
wickelt sich — naturgemäss — der Wasserverkehr, für welchen
die Fahrbahn (und der Motor) schon von der Natur geschaffen
ist. Auf diesem Verhältnis beruht die kulturgeographische Be-
deutung der grossen historischen Flüsse: es war sehr lohnend,
von der See aus bergauf zu fahren und in das Innere einzu-
dringen; die Thalfahrt war leicht; daraus ergab sich von selbst
(Tour und Retourfahrt oder) das Hauptmoment des Verkehrs, die
Regelmässigkeit2); aber daneben auch das der Billigkeit,
[136] (welche dem Wasserbezug eigen ist) und, da sich vor etwaigen
Wegelagerern ausbiegen liess das Moment der Sicherheit.
Der sinnende Geist und der Wagemut nützen dieses Natur-
geschenk (der Wasserstrasse) in werbendes National-Kapital
und zwar vermittelst des Handels um. Frühzeitig waren da-
her Nil und Euphrat, als die Pulsadern des Welthandels
belebt. »Der unausgesetzte Widerstreit zwischen den Lagiden
und den Seleuciden, sagt Mommsen, ist zugleich ein Kampf des
Nils gegen den Euphrat (scil. um die Welthandelsstrasse); dieser
ist im Besitz; jener der Prätendent« 1). —
Die weitere Entwickelung der Kultur nimmt sodann die
Richtung, dass die alten historischen Ströme »konkurrenziert«
werden, vom Seeweg, der billigsten und freiesten Weltstrasse.
Anfänglich stehen die Wasserstrassen ohne Konkurrenz da: sie
vereinigen in sich alle Verkehrsvorteile und zugleich allen Ver-
kehr, sie schaffen eine Verkehrswelt, welche im Binnenland sich
2)
[137] nicht entwickeln konnte. Nun lernen aber die Völker an den
Gestaden des Mittelmeers die Küsten- und Hochseeschifferei,
sie streben auseinander und zusammen und bringen es zu einer
gemeinsamen Kulturwelt: es erfolgt der Eintritt Karthagos und
Griechenlands in den Welthandel und die Erweiterung der
Flusscivilisation zu einer universalen Welt- (genauer Mittelmeer-)
Civilisation, es beginnt die eigentliche Weltgeschichte.
Von da an erweist sich der Seehandel — insofern haben
die Merkantilisten Recht — als die Hauptquelle der wirtschaft-
lichen Wohlfahrt und der politischen Macht eines Volkes: höchste
Kulturblüte ist immer mit dem raschen Aufschwung dieses Handels
verknüpft. Wir sehen, wie die Weltstrasse und der Mittelmeer-
handel von Osten nach Westen, damit aber auch die politische
Machtstellung von den Phöniziern im 6. Jahrhundert auf das
Perserreich, von da unter Alexander dem Grossen auf die
Griechen übergeht. Nach der Einnahme von Tyrus schlug der
indische Handel den Landweg ein; das so blühende Babylon
gieng dadurch unter, Susa und Ekbatana hoben sich, weil über
sie der Landweg von Indien nach dem mittelländischen Meere
führte. Das neu gegründete Alexandrien wurde rasch eine
reiche Stadt, weil es zum Stapelplatz wurde für die durch das
arabische Meer nach Europa eingeführten Erzeugnisse Indiens.
Auf der andern Seite des Mittelmeers hatte Karthago das
westliche Becken des Mittelmeers kolonisiert und ausgebeutet;
es schien für die Entdeckerrolle, welche Portugal in der Welt-
geschichte errungen hat, bestimmt zu sein. Durch seine Zer-
störung wurde der Mittelmeer-Verkehr wieder mehr auf den
östlichen Teil, auf die Levante eingeschränkt, (die Versuche
des Kaisers Augustus, ein neues Karthago neben dem alten er-
stehen zu lassen, gelangen nicht, weil ihm hiezu der alte Stamm
kühner, beherzter Seefahrer und Handelsleute fehlte).
Die römische Weltherrschaft machte Rom zum Haupthandels-
platz und zum Verkehrszentrum für die morgenländischen Waren.
Die römische Nation liebte mehr das Festland als das Meer,
war auch infolge der Anhäufung des aus den Seestaaten Aegyp-
ten, Karthago, Griechenland zusammengeraubten Reichtums
für wagende See-Abenteuer weniger disponiert, zudem durch die
[138] Aufgabe der Kolonisation Galliens, Germaniens und Britanniens,
sowie durch die spätere Völkerwanderung mehr auf den Binnen-
verkehr hingewiesen. Aegypten, welches die Vorteile, welche
ihm seine Lage bot, lange Zeit vernachlässigt hatte, trat nun
an die Stelle der Griechen und bemächtigte sich des direkten
Handels mit Indien; Aegyptische Schiffe giengen bis Kathyara im
Meerbusen von Tongking (vrgl. Köln. Volkszeitung v. Jan. 1889). —
Mit dem Sturze Roms gieng der Welthandel auf Konstan-
tinopel über, bis im 7. Jahrhundert die Araber begannen, den
Handelsverkehr über Bagdad zu leiten, welches dadurch den
Wohlstand des alten Babylons erreichte. Ueber die politische
Stellung Italiens zum anatolisch-byzantinischen Reiche im 6—8.
Jahrhundert entschied (s. Hertzberg »Geschichte der Byzantiner«,
1883, S. 93) die Thatsache, dass die Romäer bis zum 8. Jahr-
hundert das Mittelmeer beherrschten und den Handelsweg aus
Ostasien nach der Levante in der Hand behielten: durch diese
kommerzielle Verbindung blieben zum Teil die abendländischen
Besitzungen noch lange fest an das anatolisch-byzantinische Reich
geknüpft. Die Seestädte Italiens besassen noch lange nicht das
nötige Kapital, um auf eigene Hand die indischen Waren und
Juwelen, die chinesische Seide, die in den östlichen Provinzen
gefertigten Prachtkleider, Waffen, Schmucksachen direkt beziehen
zu können: all diese reichen gemischten Ladungen machten den Zu-
sammenhang mit dem grossen Reich noch lange überaus wertvoll. —
Im Mittelalter leiteten die italienischen Städterepubliken,
welche den Mittelmeerhandel an Stelle Byzanzs an sich riessen,
eine Erweiterung des Levanteverkehrs nach Osten ein; Genua
und Pisa liessen die Waren Indiens mit ungeheuern Kosten
auf dem Landwege bis ans mittelländische Meer bringen. Der Ele-
phantenhandel Indiens, der Karawanenverkehr über Babylon und
Palmyra und die arabischen Kafilehs wurden damals mit dem abend-
ländischen Handel auf dem mittelländischen Meer vereinigt. —
Aus der Neuzeit endlich genügt es daran zu erinnern, wie
durch die Eröffnung des Suezkanals der Handelsverkehr mit dem
Osten wieder in das mittelländische Meer zurückgeleitet und
dadurch Englands Hegemonie auf dem indo-chinesischen Markte
gebrochen wurde.
[[139]]
Anlage 2 zu oben S. 34 und 40.
Strassenwesen in der römischen Kaiserzeit.
In technischer Beziehung bietet die kostspielige Horizon-
talität und nivellierende Ausgleichung, der geradlinige Bau,
und die Breitspurigkeit eine hübsche Parallele zwischen der
Römerstrasse und der modernen Eisenbahn. Wo in Frankreich,
Rheinland und Süddeutschland eine ältere Fahrbahn durch einen
Hohlweg führt, also nivelliert ist, kann man darauf rechnen,
beim Nachgraben auf eine Römerstrasse zu stossen. Den Mittel-
punkt des Strassennetzes, den Triangulationspunkt, den Aus-
gangs- und Endpunkt aller Strassen des Reiches bezeichnete der
»goldene Meilenstein« am Forum Romanum 1), so wenigstens
[140] bis ins 4. Jahrhundert; (schon die Peutinger-Tafel zeigt neben
Rom noch zwei weitere Hauptpunkte, nämlich Konstantinopel
und Antiochia). Bis Konstantin aber geben für die Tausende
von Strassen fünf Hauptstränge, wie bei hydographischen Dar-
stellungen die grossen Kulturströme, die dispositiven Normen
ab. Der eine dieser Stränge führte über Mailand und die Alpen-
pässe nach Gallien und Britannien, ein zweiter über Genua,
Massilia, Narbo nach Spanien, ein dritter über Aquileia nach
Ungarn und Byzanz, ein vierter über Brindisi nach Alexandria,
der fünfte endlich über Neapel, Rezzio nach Karthago und Cadiz
(s. Raumers Historisches Taschenbuch, Jgg. IX, 1868).
Dem Publikum nützte diese Angabe der »direkta via«, die
Erleichterung der Auffindung des Wegs, dessen Zerlegung in
Stationen mehr, als der Posten-Lauf; beispielsweise führen die
vier 1852 zu Vicarello aufgefundenen silbernen Trink-Becher in
übereinstimmender Reihenfolge die 106 Stationen für die Route
von Cadix nach Rom auf.
[[141]]
Anlage 3 zu oben S. 51 und 60.
Post in China und Japan.
Für das Postwesen des römischen Kaiserreichs und des
Mittelalters haben wir noch in der Gegenwart zwei Pendants
und zwar im Osten.
Ein lebendiges und wohl richtiges Bild von dem römischen
Cursus publicus bietet uns ein Volk der Gegenwart, das auch
im sonstigen Verkehr, wie im Familien-Aufbau römische Zu-
stände wiederspiegelt, nämlich das der Chinesen. Zu gleicher
Zeit (nicht etwa erst zur Zeit Marco Polos, s. Stephan, S. 78)
wie die Römer im Westen, waren es im Osten die Chinesen,
welche »an der Spitze der Civilisation marschierten«. Gemäss
der ganzen Entwickelung und dem Stande ihrer Kultur kann
man nicht anders annehmen, als dass die Chinesen schon früh-
zeitig und unbeeinflusst von der traditionellen Ahnentafel des
persischen angareion und der römischen veredarii die erste
Stufe der Post, nämlich den militärischen Staffettendienst für
ihr ausgedehntes Reich eingerichtet haben. Geschichtlich ist
wenigstens das erwiesen, dass sie in allen Ländern, wo sie er-
obernd vordrangen, z. B. im Ferghana-Gebirge (dem »Sogdiana«
der Griechen), im Iliz-Jaxartesgebiet, das sie 657 nach Christus
besetzten, regelmässige »Posten« und Strassen eröffnet haben,
die man noch heute als mustergiltig, ganz wie bei uns die rö-
mischen, anstaunt. Die Anfänge der Postorganisation lassen
sich bis ins dritte Jahrhundert vor Chr. zurückverfolgen: auch die
chinesische Reichspost hat ihren »Erfinder« als solcher wird der
Kaiser Tsin-sci-hoan-ti, der 203 vor Chr. regierte, bezeichnet
(vergl. Salmon, Istoria mod. di tutti i popoli, Bd. I, cap. III und
Postarchiv von 1878, S. 1).
Besonders von der Ming-Dynastie (1368—1640) wurde in der
[142] Erkenntnis, dass ein umfangreicherer Staat ohne regelmässige
Verbindung seiner Glieder weder regiert noch verteidigt werden
kann, das Postwesen zu einem der wichtigsten Dienstzweige des
Kriegsministeriums.
Die Reichspost zerfällt in eine für den Hof in Pecking auf
den grossen Verbindungsstrassen funktionierende und in eine
für den Verkehr der Provinzialbehörden auf den Zweigstrassen
bestimmte. Der beiden gemeinsame Zweck ist die rasche Ueber-
mittelung eiliger Nachrichten an die vorgesetzte Behörde, bezw.
an die Zentralregierung. Das Postnetz umfasst 2000 Stationen
und verursacht einen ungefähren Aufwand von 12 Mill. M. Ab-
gefertigt wird die Post auch heute noch nur bei dringendem
Anlass oder sobald genügendes Material zusammengekommen
ist. Auch zu Dienstreisen wird die Schnellpost benützt, hiefür
aber gewöhnlich eine spezielle Kabinetsordre benötigt.
Andere gemeinsame Züge mit dem »Cursus publicus« sind:
die Futter- und Quartierkosten fallen auch heute noch der Pro-
vinzverwaltung zur Last (vergl. Nerva’s Emanzipation Italiens);
die Beamten nützten im 17. Jh. die Reitkouriere zu sehr für
ihre Privatzwecke aus, so dass die Mandschuh-Kaiser ein-
schneidende Reformen treffen mussten; auch heute noch ist
die Privatkorrespondenz von dem »kaiserlichen Ordonanzdienst«
ausgeschlossen; (die Privat- und Handelskreise hätten ohnehin
wenig Gebrauch davon gemacht, weil die Beamten notorisch
keine Achtung vor dem Briefgeheimnis haben). Von jeher exi-
stieren daher in den Städten wie auf dem Lande unabhängige
»Postfirmen« für die Uebermittelung der privaten Packete (wegen
der Briefe ist weniger Bedürfnis hiefür vorhanden); ihr Verhält-
nis zu dem kaiserlichen Postdienst ist ähnlich demjenigen der
Privatpost der Handelskompagnie der Ritter in der römischen
Kaiserzeit.
Nun hat über den damaligen Relaisdienst Marco Polo einen
eingehenden Bericht gegeben, der in der damaligen gebildeten
Welt wohl bekannt war. Es ist daher die Vermutung nicht
ausgeschlossen, dass von der Chinesen-Post die Entwickelung
auf dem Kontinent beeinflusst worden ist; schon 1828 wurde
von einem Schriftsteller, Rambelli in dem Giorn. Arcad., vol. 4,
[143] p. 179 die Hypothese aufgestellt, Omodeo Tasso habe die Idee
zur Einrichtung der Mailänder Botenpost im J. 1270 aus dem
Berichte seines Zeitgenossen M. Polo geschöpft. —
II.
Mehr dem Mittelalter und seinem Verkehre analog zeigt
sich die Entwickelung in Japan. Rathgen »Japans Volkswirtschaft«
1890, S. 241 schildert den mittelalterlichen Güterverkehr als gering;
der Personenverkehr dagegen war stärker und damit geregelter, und
zwar vermöge der Hofreisen und Landesfürsten und Beamten
von u. nach Yedo, wie infolge der verbreiteten Sitte der Wall-
fahrten nach berühmten Tempeln und Bergen. Alles, was sich
hierauf bezog, war eingehend geregelt, Passwesen und Strassenpoli-
zei, Wirtshäuser und Bordelle, Stellung von Trägern und Ordnung
der Fähren u. s. w. Für den Nachrichten verkehr hatte die
Regierung einen Kurierdienst entlang den Hauptstrassenzügen,
der schon zur Zeit der Einführung chinesischer Einrichtungen
durch Kotoku Tenno, (Mitte des 7. Jahrh.) nach chinesischem
Muster organisiert war. Später in Verfall geraten, ist diese
Staatspost schon von den Vorgängern der Tokugamas Nobu-
naga und Hideyoshi wiederhergestellt worden. Die Daimyos
hatten ihren eigenen Kurierdienst. Für Privatleute wurde
bald nach 1615 auf dem Tokaido von Yedo nach Kyoto und
Osaka eine monatlich dreimalige Briefbestellung durch eine halb-
staatliche Anstalt eingeführt (Tokaido sando hikyaku). Um
1670 gründeten die Kaufleute von Yedo und Kyoto eine eigene
Botenanstalt (Shoninmachi hikyaku) ziemlich primitiver Natur:
die Briefe wurden an bestimmte Strassenecken gelegt, von wo
der Adressat sie sich holte, und wohin auch die zu befördernden
Briefe gelegt wurden.
[[144]]
Anlage 4 zu oben S. 47 und 49.
Post Karls des Grossen und der Hohenstaufen.
Flegler meint S. 15: »die Postanstalten Karls des Grossen
ziehen wie ein neckisch lockendes und verlöschendes Irrlicht
durch eine Reihe von Schriften«. Charakteristisch ist die Mo-
tivierung, mit welcher auch Hartmann, trotz der Bedenken S. 138,
zwei Seiten später sich dem allgemeinen Chor mit den Worten
anschliesst: »Wie sollte man unter solchen Verhältnissen zweifeln,
dass Kaiser Karl nicht auch im Innern seines grossen Reiches das
bisher auf Frohn dienste gegründete Verkehrswesen zu einer
staatlichen Einrichtung herauszubilden suchte, um sich derselben
zur Förderung seiner politischen Ziele zu bedienen«!
Und in der That existiert auch eine aus dem — 16. Jahr-
hundert stammende Nachricht, »dass Kaiser Karl der Grosse im
Jahr 807 drei Postkurse errichtet habe, den einen nach Ita-
lien, den andern nach Deutschland und einen dritten nach Spanien«.
Noch genauer sind die französischen Schriftsteller (s. Rothschild
»Histoire de la poste« 1873 S. 75 und 77) unterrichtet; Belloc
z. B. kennt die Route und den Ausgangspunkt dieser Reichs-
post; auch Delmati erzählt S. 16, Karl der Grosse habe 807
versucht »ripristinare il cursus publicus e istitui dei rilievi sulle
strade di Germania, d’Italia e di Spagna«. Sogar das gelehrte
fünfbändige Werk der spanischen Generaldirektion der Posten
und Telegraphen gedenkt der »Relais« Karls des Grossen. —
2) Mit dem gleichen Rechte, wie von Karl dem Grossen könnte
man von den Hohenstaufenkaisern behaupten, dass sie den
Cursus publicus wieder eingeführt haben. Erreichte doch unter
ihnen, nach den Karolingern, der Strassenbau den zweiten Höhe-
punkt im Mittelalter; auch hätte ihre Kriegsthätigkeit und
[145] straffere Verwaltung Veranlassung genug zu einer solchen Ein-
richtung geben können. Zudem war ihnen das Institut der Uni-
versitätsboten, wie das Edikt Barbarossas von 1158 zu Gunsten
der Universität Bologna und das Friedrichs II. dd. 1224 zu
Gunsten der neugegründeten Universität Neapel beweist, nicht
unbekannt. Und in der That führt die berühmte Constitutio
de regalibus, die von Friedrich Barbarossa 1158 von dem Ron-
kalischen Hoftag ausgieng — sich allerdings nur auf Italien
bezog — unter den Regalen ausdrücklich auf: »angariarum, pa-
rangariarum et plaustrorum et navium praestationes et extra-
ordinaria collatio ad felicissimam regalis numinis expeditionem«.
Indes wird das, was die damalige Zeit und demgemäss auch die
Constitutio unter diesem beanspruchten Regal verstand, ange-
deutet durch eine Verordnung Ludwigs des Heiligen von 1254,
welche u. a. ausspricht: »Inhibemus, ne aliquis in terra nostra
capiat aliquem equum, nisi sit pro proprio negotio nostro etc.«:
was die Constitutio im Auge hat, ist lediglich der altherkömm-
liche Frohndienst.
Huber. 10
[[146]]
Anlage 5 zu oben S. 63.
Der Brief-Verkehr und die Botenanstalten des
Mittelalters.
Zwischen der Entstehung der mittelalterlichen Korporations-
post und der Erhebung der Taxis’schen Anstalt zur Reichslehens-
post im Jahre 1595 liegen etwa drei Jahrhunderte, für welche
ich einige Punkte des Werdegangs noch genauer zu markieren
habe.
I.
Zunächst noch einige Worte über das Bedürfnis nach
Errichtung von Territorialposten. Allerdings wird gegen
Ende des 16. Jhh. aktenmässig z. B. in den im V. und VI.
Kapitel erwähnten Schreiben Granvellas dd. 1569 und des Kur-
fürsten August dd. 1579 das Interesse des Handelsstandes
an der Reitpost in den Vordergrund gerückt. Aber darüber
darf man den amtlichen Briefwechsel nicht unterschätzen.
Mit der Ausbreitung der humanistischen Bildung nämlich und
der Erstarkung der Territorialmacht ist gegeben, dass das
Gleiche, was wir oben von der zentralisierten Verwaltung der
spätrömischen Kaiser gezeigt haben, sich hier wiederholt: an
den Residenzen war der Briefwechsel des Hofs, der Civil- und
Militärverwaltung in jenen Tagen ebenso rege, als der der an-
sässigen Kaufmannsgilde. Der Unterschied des amtlichen und
privaten Bedürfnisses spiegelt sich z. B. darin wieder, dass um
das Jahr 1525 die Tirolischen Landstände wiederholt um Wieder-
aufhebung der Taxis’schen Post petitionierten, da deren Nutzen
für das Allgemeine nicht im Verhältnis zu dem erforderlichen
Aufwand stehe. Die kaufmännische Korrespondenz war im
Mittelalter viel knapper und seltener, als man gewöhnlich an-
[147] nimmt; die Brennpunkte des geistigen Lebens, die Universitäten,
auch die Klöster, und die Mittelpunkte der Politik hatten einen
regeren Gedanken- und Nachrichten-Austausch als die Kauf-
leute (s. oben S. 37, 63), »der kaufmännische Briefwechsel«,
sagt Barthold (Geschichte der Hansa 1854, III. Bd., S. 181
und 216), »wurde durch mündliche Mitteilung auf Treu und
Glauben vereinfacht. Am liebsten war man selbst zur Stelle,
und deshalb immer unterwegs; freilich ward (scil. Ende des
16. Jahrhunderts) der schwerfällige Mechanismus des Verkehrs
durch persönlichen Ankauf oder Eintausch von Rohwaren, die
bequeme Residenz an den Komtoren zum Spott gegen die ge-
gliederte Beweglichkeit des modernen Handels«. Im gleichen
Sinne schickt H. Simonsfeld seiner Darstellung des süddeutschen
Handels die Worte voraus: »Viel mehr als heutigen Tages er-
forderte in früherer Zeit und insbesondere im Mittelalter der
Handel die persönliche Teilnahme des Kaufmanns«, (Der Fon-
daco dei Tedeschi 1887, Bd. 2, S. 3).
Anderseits versichert von einem an der Wende der Neu-
zeit regierenden Fürsten, nämlich dem Markgrafen Albrecht von
Brandenburg, ein wohlbewanderter Autor (Tschackert, Urkunden-
buch aus der Reformationsgeschichte, 1890, I. Bd., S. 230):
Albrecht führte (etwa seit 1523) »mit den verschiedensten Ge-
lehrten, Geistlichen und Dichtern eine unübersehbare Korre-
spondenz; zahllose Briefe liegen im Königsberger Staatsarchiv
aus allen Teilen Deutschlands, und zahllos sind die Antworten,
welche Albrecht wieder hinausschrieb«.
II.
Verfolgen wir die Herausgestaltung der Botenanstalten ge-
mäss der oben am Schluss des V. Kapitels vorgezeichneten Ent-
wickelungs-Linie auf ihre Anfänge zurück, so sehen wir u. a.
zuerst die Entstehung einer Route und zwar im doppelten
Sinn vor uns, nämlich eines »Botenzugs« und anderseits später
der vollkommeneren Trassierung einer Strasse. Beide Ein-
richtungen, die technische und die wirtschaftliche gehen im Ver-
kehr der spätrömischen Kaiserzeit neben einander her, fallen
aber im Mittelalter um Jahrhunderte auseinander. Daneben
10 *
[148] weist das Mittelalter statt des einen disponierenden Pol’s (der
Kaiserstadt) derer mehrere auf, wie wir sie oben dargelegt haben 1).
Hier haben wir nur wegen der Klosterboten und des Boten-
und Güterzugs zwischen den verschiedenen Messplätzen noch
folgendes nachzutragen:
Die Klöster standen schon wegen der Gebetsverbrüderung
für die verstorbenen Ordensmitglieder (s. Adalbert Ebner, »Die
klösterlichen Gebetsverbrüderungen bis zum Ausgange der
Carolingischen Zeit«, Regensburg 1890, Pfründordnung des
Klosters Geisenfeld I. 440; Söttl, »Stiftungen der Wittels-
bacher«) und der dadurch gebotenen »Traueranzeigen« an die
Brüder-Anstalten miteinander in einem ständigen Verkehr;
sie hatten ihre Reisleute oder Boten, welche ihre Rosse für die
Bestellung von Nachrichten bereit halten mussten.
Zwischen den Messplätzen sodann bestand sogar eine
Rechtsgemeinschaft; so sind z. B. seit dem 12. Jahrh. die Cham-
pagne-Messen (Lagny sur Marne, Bar sur Aube, Provins-Troyes)
die Mittelpunkte des Waren- und Geldverkehrs für das ganze west-
liche Europa, insbesondere für die provençalischen und italie-
nischen Handelsstädte, sie bilden einen gleichsam selbständigen
Mess- und Zahlungsplatz. Gegen Mitte des 13. Jahrh. verfielen
diese Messen; um so lebhafter gestaltete sich der ständige
Handelsverkehr. (Vergl. Goldschmidt, Universalgeschichte des
Handelrechts. S. 193—200).
Der Messverkehr wird namentlich auch von den Kursbüchern
Herba’s und Codognos berücksichtigt; schon das erste von 1563
gibt neben der Uebersicht über die poste ein Verzeichnis der
wichtigeren Messen.
Eine dritte Hauptroute ergab das Ziel der Hauptwall-
fahrten: Rom, Santjago di Compostela, Loreto; für die Wall-
fahrer nach Santjago gab es schon im 11. Jhh. eine bequeme,
[149] mit Hospiz versehene Route, die sogen. Jakobsstrasse, welche
unter dem Schutze der sogen. »Jakobsbrüder« stand.
Eine weitere Direktive erhielten die Botenzüge durch die
Universitäten, namentlich durch die Universität Paris 1).
Auf Grund dieser Endpunkte und Gegenpole erstand na-
tur- und gewohnheitsgemäss die »usitata strada dei pellegrini«
die da l’Herba 1563 in 69 Postzügen vorzuzeichnen sich bemüht.
III.
Der Zirkulation auf diesem »Boten- und Güterzug«, seiner
Belebung oder der Aufgabe, das darin liegende Kapital auch
umzutreiben, stand im Mittelalter ein Haupt-Hemmnis im Wege,
das zur römischen Kaiserzeit nicht oder viel weniger bekannt
war, nämlich der mangelhaft technische Zustand der Fahrbahn
und die grosse Unsicherheit auf den Strassen. An sich aller-
dings ist die Botenanstalt, als Transportunternehmung und Nach-
richtenbeförderung auf eine bestimmte Art von Transportwegen
und Transportmitteln nicht angewiesen. Das Beförderungsge-
werbe benützte die vorhandenen Beförderungsgelegenheiten.
Die Post geht ebensowohl auf Wegen ohne vorgeschriebene
Spur, wie auf Spurbahnen (Eisenbahnen und Telegraphen), be-
steht auch heute noch z. B. in dem grössten Teile Asiens in
nichts weiter, als in der Anstellung und Verwendung gewandter
Läufer. Direkt also kann der Stand der Landstrasse — abge-
sehen von dem eigenartigen Cursus publicus — noch nicht zu
[150] Schlüssen auf den der Postorganisation verwertet werden, wohl
aber indirekt, insofern er einen Gradmesser für die Intensität
des allgemeinen Verkehrs-Bedürfnisses abgibt.
In welcher Beschaffenheit der Zustand der mittelalterlichen
Fahrbahn, selbst frequenter Weltstrassen war, können wir als
bekannt voraussetzen 1). Geläufig sind ja die Hofgeschichten
über die Reisen fürstlicher Persönlichkeiten; noch Philipp II.
musste wegen des misslichen Zustandes der englischen Strassen
seine Hochzeitsreise, trotz des schlechtesten Wetters, zu Pferd
machen. Ueber die wichtigsten Alpenpässe führten nur Saum-
pfade. Häufig gab das Flussbett eine erwünschte Fahrstrasse
für die Frachtwagen ab. Bei dem bodenlosen Zustande mittel-
alterlicher Strassen, bei der Unsicherheit des Landverkehrs
übten die Wasserwege, zumal für die mühelose Thalfahrt eine
nahezu monopolische Anziehungskraft. An die Schiffbarkeit
eines Wassers aber stellte man, wie überhaupt an den Reise-
[151] komfort, ganz minimale Anforderungen. Das Mittelalter hatte
für dergleichen Dinge noch keine Nerven. In Ländern, die
keine Kanäle besassen, bildeten oft wenige Kilometer Land-
transport eine absolute Absatzsperre, wie es noch gegenwärtig
in vielen Teilen Spaniens, Indiens oder der Türkei der Fall ist.
Von den süddeutschen Landstrassen waren nur drei internatio-
nale Transitrouten nach unsern Begriffen fahrbar, und zwar
die von Nürnberg nach Augsburg und Innsbruck-Brenner, die
von Nürnberg über Ulm an den Bodensee und von da nach
Genf und Südfrankreich, endlich die von Frankfurt nach Basel,
Solothurn, Genf. (Gering, Handel und Industrie der Stadt
Basel, 1886, S. 182). —
Noch schlimmer aber als der Zustand der Fahrbahn war
die Unsicherheit, unter welcher namentlich auch die Boten
zu leiden hatten. Schon von vornherein waren sie als die un-
schuldigen Repräsentanten des zunehmenden Verkehrs und da-
mit einer neuen Zeit dem Adel ein Dorn im Auge. Manche
Belege über ihre Existenz bestehen in Mitteilungen über ihre
Beraubung und Ermordung, so bezgl. einiger Nürnberger Boten
aus dem Jahre 1436 und 1468, bezgl. dreier Läufer von Danzig,
Thorn und Brügge aus dem Jahre 1444 (Roth, Geschichte des
Nürnbergischen Handels, 1801, IV. Bd. S. 176 und 240; Hirsch-
feld, Danzigs Handels- und Gewerbsgeschichte, 1858, S. 221).
Wenn wir uns nun alle diese Hemmnisse vergegenwärtigen,
so werden wir eine Botenorganisation selbst für die Weltrouten
nicht vor dem 14/15. Jahrhundert annehmen dürfen. Wir können
uns dies deutlicher als aus den spärlichen Berichten jener Zeit
aus dem Stande eines Verkehrs der Neuzeit, nämlich des orien-
talischen Reiseverkehrs vorstellen. Derselbe bildet in technischer
Hinsicht wie in Bezug auf die Sicherheit ein Pendant zu dem
eben skizzierten Verkehr: heute noch muss dort der Durch-
schnittsreisende, wegen der im Lande oft herrschenden Unsicher-
heit der Wege, sich stets einer grösseren Karawane anschliessen,
(die sich für einzelne weniger frequentierte Routen nur etwa
alle zwei bis drei Monate in erforderlicher Stärke zusammen-
findet). So wenig aber auf diesen orientalischen Strassen ein
regelmässiger Botendienst kursiert, so wenig ist dies für die
[152] Strassen des 13. Jahrhunderts denkbar. Ich sehe es z. B. von
Matthias für eine Inkonsequenz an, wenn er einen gegensätzlichen
Standpunkt einnimmt, zugleich aber (im I. Bd., S. 88) den
Mangel an passierbaren Strassen und Brücken, sowie an Her-
bergen in lebhaften Farben schildert.
III.
Diese allgemeine Unterlage, deren jede Boten-Organisation
bedarf, erleichtert uns die Entscheidung einer Kontroverse über
die Bestimmung des Zeitpunktes ihrer Entstehung.
Die bekanntesten Boten- (und Güter-)züge giengen im Mittel-
alter von Brügge einerseits nach Augsburg-Venedig, anderseits
nach Hamburg-Danzig-Riga 1). Es fragt sich einmal, wie lange
solche Weltrouten bedurften, bis sich ein Botenkurs auf ihnen
entwickelte, sodann ob sich ein solcher zuerst auf der nörd-
lichen (Danziger) Route oder auf der südlichen (Augsburger)
Route herausgestaltet hat. Beust und nach ihm die Mehrzahl
der Schriftsteller nehmen sogar für manche Weltrouten, wie z. B.
Nürnberg-Augsburg-Wien an, dass auf ihnen ein regelmässiger
Botenkurs noch nicht zu Anfang des 16. Jahrhunderts bestanden
habe. Matthias dagegen setzt die Entstehung eines allgemeinen
förmlichen Botenwesens in das 13. Jahrhundert, und gibt dem-
entsprechend insbesondere von den Anstalten der Deutsch-
ordensritter und der Hansestädte im 13. Jahrhundert eine farben-
reiche Schilderung.
Mir scheint, dass beide Parteien über das Ziel hinausschiessen.
Nach Matthias müsste Norddeutschland fast noch während der
Kreuzzüge, um ein Jahrhundert früher als Süddeutschland, in der
Organisation einer Botenanstalt vorangegangen sein: das ist
schon nach dem allgemeinen Gange der Kultur nicht wohl denk-
[153] bar. Umgekehrt wäre es nach Beust zweifelhaft, ob die Hansa-
städte schon zu Anfang des 16. Jahrhunderts einen Botenkurs
gehabt haben: und doch ist ohne weiteres vorauszusetzen, dass
einen solchen wenigstens gerade die hier zur Frage stehende
Weltroute Riga-Danzig-Hamburg-Brügge, bezw. Antwerpen, eben-
so früh erlangt hat, als die Route Venedig-Augsburg-Frank-
furt, bezw. Wien.
Als Unterlagen für die Entscheidung der Kontroverse be-
nützte man bis vor wenigen Jahrzehnten im Grunde nicht viel
mehr als die Prozessakten in Betreff des Taxis’schen Regals.
Weiter kommt man, wenn man hiezu, neben den archivalischen
Belegen auch die indirekten Zeugnisse aus der Intensität des
damaligen Korrespondenz-Bedürfnisses, insbesondere der Terri-
torialherrn, aus dem damaligen Stande des Strassenwesens, der
Fahrbahn und des Fahrzeugs, sowie der allgemeinen Sicherheit,
endlich aus den vorhandenen Garantien für die gewissenhafte
Erfüllung des Botendienstes zu Rate zieht. Was zunächst die
angebl. Post der Deutschordensritter betrifft, so steht
meine (schon oben S. 48) geäusserte Ansicht im Widerspruch
wohl mit allen andern, insbesondere auch z. B. dem Handwörter-
buch der Staatswissenschaften 1892, (23. Lieferung S. 177).
Nach der landläufigen Darstellung müsste man zu der Annahme
gelangen, dass schon im 14. Jahrhundert die deutschorden’sche
Postanstalt der hansestädtischen die Hand gereicht habe, und
Danzig schon damals der wichtige Knotenpunkt für den Ver-
kehr einerseits nach Wien-Venedig, anderseits nach Hamburg-
Brügge und Riga gewesen sei. Ein derartiges Zusammenwirken
aber findet sich nirgends bezeugt; schon dieser Umstand spricht
gegen den herkömmlichen Ausgangspunkt.
Ganz bestimmt spricht sich A. von Kirchenheim (in der
Festschrift zur fünfhundertjährigen Stiftungsfeier der Universität
Heidelberg 1886, S. 121) folgendermassen aus: »Bereits 1276,
gleich nach der Einweihung der Ordensmeisterburg war vom
deutschen Orden eine Art Postanstalt ins Leben gerufen. Selbst
bis in die kleinsten Einzelheiten kann der näher mit dem Gange
unserer heutigen Postverwaltung Vertraute geradezu überra-
schende Vergleiche finden und sich von dem Einfluss, welchen
[154] die damaligen Einrichtungen auf das spätere Postwesen geübt,
durch einen Einblick in die in den Archiven in Königsberg
befindlichen Originalschriften und Rechnungen des vormaligen
Hauptordenshauses in Marienburg überzeugen«.
Leider habe ich keine Gelegenheit gehabt, von den be-
treffenden Königsberger Urkunden Einsicht zu nehmen. Ich
bin aber vorweg überzeugt, dass aus denselben nicht das heraus-
gelesen werden kann, was Kirchenheim über das Jahr der Ent-
stehung, über das Wirken und den Einfluss dieser Art von Post-
anstalt aufstellt. Wohl könnte das internationale Ordenshaus von
Marco Polos Berichten, von der Chalifenpost, von der Organisation
Barcelonas profitiert haben; aber diese Botenanstalt hätte, wäre
sie wirklich schon im 13. Jahrhundert ins Leben gerufen worden,
anderweitig, da die Boten nach Wien, Venedig u. s. w. kamen,
zur Nachahmung aneifern müssen: für einen gleichzeitigen
Einfluss habe ich aber noch nirgends einen Beleg gefunden.
Aber auch von einem nachwirkenden Einfluss kann keine
Rede sein; selbst Matthias findet es (S. 159) auffallend, dass
»in keiner Schrift der Beibehaltung jener Briefbeförderungsweise
durch reitende Postillons« gedacht wird.
Was die archivalischen Urkunden anbelangt, so hebt Kirchen-
heim selbst hervor, dass in dieser Richtung die bekannten
Werke von Voigt und Ewald zu wünschen übrig lassen. Bei
M. Perlbach (Die Statuten des deutschen Ordens 1891, S. 99)
findet sich nur eine bezügliche Stelle unter den »Consuetudines
majores« Zif. 11.: »Von des meisters bestien unde sînem gesinde.
Uber daz mac er zwêne loufende knechte hân zu tragene botteschaft
unde brieve«. Endlich beruft sich Kirchenheim noch auf Mat-
thias (1832) I. 153, der allerdings auf Grund der Einsicht in die
Königsberger Originalschriften und Rechnungen das gleiche wie
Kirchenheim und (S. 158) die Erfindung des Postwesens im
Jahre 1276 durch die Deutschordensritter behauptet. Ich habe
nun gegen Matthias schon deshalb ein Misstrauen, weil er
(S. 155) nur einen Urkunden-Beleg und zwar aus dem Jahre 1407
für einen Boten anzuführen vermag. Dass damals der Deutsch-
orden einen ständigen Boten gegen Jahreslohn hielt, und bedurfte,
ist selbstverständlich, beweist aber nicht die Organisation
[155] einer Anstalt. Gerade zu Anfang des 15. Jahrhunderts war
Macht und Wohlstand des Ordens schon so unterhöhlt, dass er
kaum im Stande war, noch eine grössere Organisation ins Leben
zu rufen. Ich glaube nicht gar fehl zu gehen, wenn ich an-
nehme: Nicht die Urkunden in Königsberg haben Matthias zu
der Schilderung der seit 1276 »ausgebildeten« Posten der Deutsch-
ordensritter inspiriert, sondern wohl mehr der rein äussere Um-
stand, dass die Einweihung der Ordensmeisterburg im J. 1276
zeitlich so hübsch mit der Erwählung Rudolphs von Habsburg
zum deutschen Kaiser (im J. 1273) zusammenfiel, und nun beide
Daten, im Zusammenhang mit der Stiftung der Hansa im J. 1241,
bezw. 1310, eine so treffliche Stütze für die Hypothese des Ver-
fassers abgaben, wonach schon in die Zeit der Wende des
13. Jhh. das Entstehen eines allgemeinen förmlichen Boten-
wesens in Deutschland fallen, und die Ehre der Erfindung des
Postwesens nicht Ludwig XI. gebühren soll. —
Ebenso voreilig verfährt Matthias bezüglich des hanse-
städtischen Verkehrs: er schildert (Bd. I., S. 90—93) die Ein-
richtung der Botenanstalt bald nach Begründung der Hansa und
der (angeblich schon »zu Anfang des 14. Jahrhunderts, 200 Jahre
vor Taxis« organisierten) Hauptbotenkurse nach Riga, Amster-
dam, Nürnberg und Köln. »Hamburg«, sagt er S. 91, »das
überreiche, starke Hamburg, Deutschlands erste See- und Handels-
stadt, war es, von wo der Briefwechsel nach allen Richtungen
an die Verbündeten ausgieng, in der alle Spekulationen geprüft
und geleitet wurden, wohin folglich alle (Reichtümer und) Fracht-
güter zur weitern Verteilung giengen. Hier war der Haupt-Ver-
einigungs- und Ausgangspunkt alles kaufmännischen Verkehrs
und Briefwechsels, und zu dessen Beförderung die Haupt-
Boten-Anstalt … Die ältesten Urkunden und andre
Schriften aus jener Zeit über den Anfang und die Verfassung
dieser ganz eigentlich in Norddeutschland entstandenen und
unterhaltenen Boten-Anstalten sind zwar entweder verloren
gegangen, oder liegen in mancher Städtischen Schriften-
sammlung verborgen; indessen gewähren dennoch einigen
Ersatz die in verschiedenen Post- und Stadt-Archiven aufbe-
wahrten Urkunden und spätern Nachrichten, und die schrift-
[156] lichen Hinweisungen auf vorhergegangene Ereignisse und
Einrichtungen«. Auch diese Darlegung wurde unbedenklich in
verschiedene Abhandlungen mit herübergenommen, findet sich
z. B. auch in der 1887 erschienenen Denkschrift über »die Post
und Telegraphie in Hamburg«; (es sei, heisst es daselbst in der
Einleitung, aus urkundlichen Quellen bekannt, dass zwischen Ham-
burg und den grösseren Orten der Nachbarländer schon im
13. Jhh. (scil. regelmässige) Botenverbindungen bestanden haben).
Allerdings sollte man, schon wegen der Kontore voraus-
setzen dürfen, dass am ehesten in Deutschland zwischen ihnen
und Hamburg ein regelmässiger Botendienst sich entwickelt
hat. Indessen war in einer Zeit, in welcher »der Kaufmann
persönlich seine Geschäfte im Auslande zu machen« pflegte,
wie G. H. Kirchenpauer das 13. Jhh. in dieser Beziehung cha-
rakterisiert, das Bedürfnis für einen regelmässigen Briefwechsel
noch gar nicht vorhanden; Matthias überschätzt den Umfang
der damaligen kaufmännischen Korrespondenz. Der wohlunter-
richtete Dr. G. H. Kirchenpauer, (der das Hansische Botenwesen
in einer besonderen Abhandlung darstellen wollte), führt in dem
1841 herausgegebenen »Programm zur Einweihungsfeier der
neuen Börse«, S. 42 aus, dass die kaufmännischen Gesellschaften
für den einzelnen Fall Boten gemietet, und erst gegen das Ende
des 16. Jahrhunderts, (seitdem die Kaufmannschaft einen ge-
meinschaftlichen Vorstand und eine gemeinschaftliche Börse
hatte), das Geschäft regelmässig betrieben, d. h. einen
Botenkurs eingerichtet hätten. Diese Annahme finde ich auch
dadurch bestätigt, dass die bekannten Urkunden-Sammlungen,
wie die Hanse-Rezesse von Koppmann, Ropp und Schäfer, oder
das »Hansische Urkundenbuch« von Konstantin Höhlbaum (1876
bis 1886) über die angebliche Haupt-Botenanstalt nichts ent-
halten. Richtig ist, dass die Kontore neben der Centrale der
Hansa, auch eigene Boten unterhielten. Ich finde aber solche
in den Urkunden nicht früher als für Süddeutschland, nämlich
erst im 15. Jahrhundert erwähnt. Für Danzig z. B. führt Hirsch-
fold (Danzig’s Handel und Gewerbsgeschichte, Leipzig 1858
S. 221) Urkunden aus den Jahren 1439, 1444 und 1461 an, wo-
nach Danzig »reitende Löper« für den Weg über Lübeck nach
[157] Brügge unterhielt; bedeutsam ist, dass in einem Gesuch des
Kontors zu Brügge dd. 5. Dez. 1439 erwähnt wird, dass sein
Läufer »nach alter Kostume« Briefe des Kontors nach
Preussen und Livland besorge; man darf daraus wohl folgern,
dass der Botendienst wenigstens gegen das Ende des 14. Jhh.
bestanden habe 1).
IV.
Aus dem eben geschilderten Stande des mittelalterlichen
Korrespondenzverkehrs lässt sich ohne weiteres deduzieren, wann
und wo der Bestellungsdienst zu der intensiveren Form eines
regelmässigen Kurses vorangeschritten ist. Das erste Aufkommen
eines solchen Kurses ist nur denkbar für das Ende des 15. Jahr-
hunderts und für die beiden von Brügge nach Innsbruck bezw.
Hamburg führenden Weltstrassen 2); erst allmählich, und zwar
von der Mitte des 16. Jahrhunderts an ergaben sich von diesem
Hauptstrange einzelne Abzweigungen und Verästelungen. Wohl
erhielten schon vorher auch weniger bedeutende Routen eine
Relaispost, dies aber nur insofern, als auch wegen eines vor-
[158] übergehenden Anlasses ein Postenlauf eingerichtet, und
nach Erledigung des speziellen Bedürfnisses wieder aufgehoben
wurde. Montaigne hebt daher in Coquelin’s »Dict. de l’economie
politique« als wesentliches Merkmal hervor »Postes assisses et
non ordonnées freschement pour cette course«.
Die Legung eines derartigen vorübergehenden Postenlaufs
war im 16. Jhh. etwas Häufiges; 1544 z. B. legt Philipp der
Grossmütige für die Dauer des Reichstags eine Reitpost zwischen
Speyer-Kassel. Am 26. März 1546 ordiniert der Rat in Frank-
furt zwei fussgehende Boten für die Strecke Darmstadt-Ober-
rossbach (b. Friedberg); »den 26. April ist diese gedoppelt
gehende Post wieder abgeschafft worden« (s. Faulhaber im
Archiv für Frankfurt’s Geschichte 1883, S. 12). Die auf eine
ähnliche Relaispost bezüglichen Anordnungen Maximilians I.
und Karls V. werden fast allgemein unrichtig gedeutet; die einen
fassen sie als eine ständige Posteinrichtung auf, die andern
schliessen sich der Ansicht Beust’s (1747) an, als ob die je-
weilige Einrichtung eines derartigen temporären Staffetten-
dienstes beweise, dass z. B. zwischen Wien und Nürnberg
noch nicht eine städtische Ordinari-Post bestanden habe. Diese
Schlussfolgerung konnte sich nur behaupten, weil man das
Wort »Poste« falsch deutete und den Stand des damaligen
Verkehrs nicht deutlich genug vor Augen hatte. Einen Finger-
zeig gibt die gleichzeitige Legung von Relais auf einer andern
Strecke. Wie nämlich der Kaiser für die Mobilmachung, so
richtete auch der Papst zur Zeit des Konzils von Trient einen
Spezial-Kourierdienst zwischen der Stadt des Konzils und Rom
ein; eben wegen der schweren Kosten, welche dieser Postdienst
hervorrief, drang 1560 der Papst auf Abkürzung des Konzils
(s. Döllingers »Kleinere Schriften« 1890, S. 253). Auch diese
Thatsache beweist nicht, dass etwa nicht zwischen Rom und
Trient, bezw. Venedig, (Taxis’sche und andere) Reitboten kursiert
hätten; es verkehrte vielmehr schon damals alle vier bis zehn
Tage zwischen den beiden Weltstädten ein Kourier hin und
her, allerdings zunächst nur für die Depeschen der belgisch-
spanischen Regierung. —
Bemerkenswert ist, dass die Taxis’sche Route in den ersten
[159] Jahrzehnten noch nicht festgelegt war; sie gieng, wie es in
einem Poststundenpass heisst, der am 12. Juli 1496 in Augsburg
ausgefertigt wurde, an den Hof »wo der yetzo ist«. Und da das
Hoflager z. B. 1527 auf einige Wochen von Wien nach Prag
verlegt wurde, so ordnet Kaiser Ferdinand I. für diese Zeit
(am 21. Jan. 1527, s. Rübsam in L’Union postale 1892, S. 200)
an, »die Post, so die Zeit her von Innsprugg hieher geen Wienn
gelegen ist, aufzuheben und furter von Innsprugg auf Prag zu
legen«.
Auch der Kaiserlichen Hauptpost blieb noch Jahrzehnte-
lang der ursprüngliche Charakter einer blossen Feldpost an-
haften.
V.
Die ersten Anfänge der Territorialpost weisen auf
die Frohn, die Hoffolge oder sequela aulica (»Lehenklepper«)
zurück. Gemäss dieser allgemeinen Unterthanenpflicht gehörte
die Expedition amtlicher Briefe und Verfügungen von Amt
zu Amt zu den Obliegenheiten des Ortsvorstehers. So schärft
z. B. ein Kurfürstl. sächsisches Reskript von 1572 (das sich bei
der Hallischen Handschriftensammlung befindet, unter Beil. III
an den Rat zu Weissensee) als alten Gebrauch ein, dass »die
Bürgerschaft die Post, wann es an Post-Bothen gemangelt, um das
gewöhnliche Post-Lohn (scil. per Meile) forttrage«. Ein weiteres
Reskript (dd. 1578) an den zu Grimma rügt die mehrmals säumige
Bestellung und fährt fort: »Da sich doch sonst viel müssiges ge-
sindels, so sonst keinen Erwerb haben, bey euch aufhalten, darumb
begehren Wir, ihr wollet denjenigen, so umbs Lohn arbeiten, oder
sich sonsten des Müssiggangs befleissigen, mit Ernst auflegen, dass
sie sich zur Post und andern Pothschaften gegen gebührliche Be-
lohnung, als von jeder Meil bey Tage 1 gr., bey nacht aber 2 gr.
gebrauchen lassen« 1).
[160]
Mit steigendem Verkehr wurde der Frohndienst (wie von
den spätrömischen Kaisern, so auch) von den Territorialherren
nicht mehr beansprucht und ein besonderes Boten-Amt errichtet;
es konnten besondere Boten um so eher angestellt werden, als
1)
[161] das Gewerbe allmählich sich als sehr einträglich erwies. Bei-
spielsweise ordnet für Leipzig ein Reskript von 1586, also nur
wenige Jahre nach dem ebenerwähnten Ausschreiben an den
Rat in Grimma an, es sollen für die Post nach Hessen und
Braunschweig »zwey fleissige Bothen angestellt werden, welche der
Posten täglich abwarten möchten«. In gleicher Weise kommt auch
für den städtischen Botendienst die feste Anstellung in immer mehr
Städten auf; die beteiligten Kaufleute legen die Unkosten nach
bestimmten Jahresbeiträgen um, lassen Bürgschaft für gehörige
Ausführung ihrer Aufträge leisten, und wirken in unruhigen Zeiten
die Erlaubnis der Obrigkeit aus, den Mantel mit der Stadtfarbe
und dem Wappenschild zu tragen. Beispielsweise bestimmt die
Hamburger Botenordnung von 1580: »Thom Drudden, Schall
keiner vor einen Baden up und angenamen werden, he konne den
lesen und schriven, Schall ock darbenevenst den Olderluden des kop-
mans thom weinigsten vor veer hundertt daler Borge tho stellen de
vorpflichtett sin«.
Diese Neuordnung bedeutete auch in Bezug auf die Sicher-
heit der Bestellung einen Fortschritt. Noch günstiger wirkte
hierin die Internationalität der Postroute; der Taxis’sche
Kourier, der von Brüssel nach Augsburg und Mailand, der
städtische Kourier, der von Nürnberg nach Hamburg oder von
Antwerpen nach Riga die Brieffelleisen zu expedieren hatte,
musste schon der Natur der Sache nach ein zuverlässiger Mann sein.
Das gleiche gilt auch von der Promptheit der Expedition
und der Einhaltung des »Fahrplans«. Im gleichen Schritte
nämlich mit der festen Anstellung von Boten bildet sich allmäh-
lich ein »Boten- und Güterzug« aus; es vollzieht sich dies
zum Teil im Anschluss an die Waren-Expedition, und an die
Normierung des Frachtgeschäfts. Ein solcher Güterzug bestand
z. B. seit Ende des 15. Jhh. zwischen Nürnberg und Hamburg:
der Frachtfuhrmann übernahm auf eigene Haftung die Ablieferung
an den Bestimmungsort und überliess an der nächsten Station
dem entgegenkommenden Kollegen die endgiltige Weiterbe-
förderung an den Adressaten. Das »Geleit«, das für die Rei-
senden (S. 56) amtlich eingerichtet war, wird auch für diesen
Huber. 11
[162] Güterzug Ende des 16. Jhh. von dem Nürnberger Magistrat
systematisch geregelt.
Die Neuerung der festen Anstellung nun und des Boten-
zugs gibt den Anstoss zu dem weiteren Fortschritt, dass die Ein-
haltung und Zurücklegung der Postroute binnen bestimmter
Frist vorgeschrieben wird; solche Vorschriften existieren schon
in den aus dem 15. Jahrhundert vorhandenen Laufzetteln. All-
mählich wird die Norm bezüglich der Route und Ablieferungs-
zeit verallgemeinert, und gibt in dieser Gestalt eines primitiven
»Fahrtenplans« von selbst die Grundlage zu der allmählichen
Errichtung ineinandergreifender Botenzüge und eines all-
mählich ganz Deutschland umfassenden Briefpostnetzes.
Zuvor hatten die Boten in einem regellosen Durcheinander funk-
tioniert; heimische wie auswärtige Boten liefen ohne bestimmten
Kurs und ohne Stationen, gerade wie das jeweilige augenblick-
liche Bedürfnis ihrer Auftraggeber es erheischte. Nun werden
im gleichen Schritt mit dem zunehmenden Verkehr und Be-
dürfnis die Einhaltung bestimmter Routen und Ablieferungszeiten
vorgeschrieben, die sichere Ablieferung unter amtliche Garantie
gestellt und ein Ineinandergreifen der Anstalten eingeleitet; die
Boten durchwandern einen bestimmten Kreis und wechseln die
Briefe mit den entgegenkommenden aus, »donnoient les paquets
de main en main« (Morery).
Die frühesten Belege in dieser Hinsicht, wie auch für die
frühzeitige Hereinnahme der Packetbeförderung bilden vier Post-
stundenpässe aus den Jahren 1496—1500 1) und eine Beschwerde
deutscher Kaufleute in Venedig dd. 1555. Die Poststundenpässe,
welche in Mühlbachers »Zeitschrift für österreichische Geschichte«
1891 mitgeteilt sind, bilden zugleich einen wertvollen Beleg für
die Entstehung der Taxis’schen Post; der interessanteste davon
ist der am 25. März 1500 von Franz von Taxis’ »postmaister«
für Mecheln-Innsbruck ausgestellte. Die Beförderung der De-
pesche beanspruchte nur 6 Tage die Route war in Abweichung
von der späteren vorgeschrieben über die Stationen: Heppenheim,
[163] Speier, Hausen (nicht Cannstatt und Eberbach), Plochingen,
Giengen, Söflingen, Pless (nicht Augsburg), Lermoos, Innsbruck.
Der Stundenzettel enthält einige amtliche Vermerke über die
Mitnahme von Privat-Packeten: »Peckle zu Hausen für Anton
Welser in Augsburg bis Soflingen angenommen«; in Söflingen
heisst es: »Ist ein Peckle in dissem Sack, gehört gegen Aukspurk
A. Velser in seyn handt und du findst ein briefle dabei und 12 pla-
part darin, damit wollest ein potten gain Aukspurk schicken. Wolff
pott zu Haussen«.
Einer der ältesten Belege für die Einrichtung und Einhal-
tung eines festen Kurses findet sich in der Augsburger Boten-
ordnung von 1552/55; sie schreibt vor: alle Samstag Abends
soll ein Bot der Augsburger Zunft zu Augsburg wie zu Venedig
die Briefe einsammeln, und am andern Samstag an seinem
wechselseitigen Bestimmungsort abliefern, und zwar längstens
im Sommer um 8, im Winter um 10 Uhr. Auf die Pünktlich-
keit des Dienstes verliess sich die Kaufmannschaft und der
Münchner Hof. Eine Anordnung des baierischen Herzogs Al-
brecht z. B. dd. 1569 bestimmt, dass allwöchentlich am Sonntag
aus Augsburg die welche Post abgeholt werde. Unter dem
31. Mai 1555 erstatten die »Cotimieri« der deutschen Kaufleute
im Fondaco dei Tedeschi zu Venedig an den Rat in Augsburg
die Anzeige: der Briefbote Hans Schwartzenburg habe »die in
der ordenlichen post-tagszeit zu Augsburg angenommen prief« am
Samstag durch einen andern Boten überantwortet, selbst aber
erst drei Tage darauf in Venedig sich gezeigt; Grund seiner
Verspätung sei gewesen, weil er zu Capo di Ponte und Coneg-
liano zu viel Ladung angenommen habe. Wegen dieser Ueber-
tretung der Botenordnung sei beschlossen worden, dem lässigen
Boten »das trünkgelt von briefen herein nit zu geben« … sollen
die potten in sumerlangen tagen so vil stundt ubertreten, was wurde
der winter fur nachlessigkeit der potten vernemen lassen«. (H. Si-
monsfeld, der Fondaco dei Tedeschi, 1887, S. 409).
Für die Route Basel-Strassburg, d. h. für eine der damals
belebtesten Verkehrsstrecken ist das Bestehen einer wöchent-
lichen Briefpost durch Urkunden vom Jahr 1569, belegt. Ein
gleicher Botenkurs existierte schon Mitte des 16. Jhh. auf der
11 *
[164] Strecke Köln-Frankfurt-Augsburg. Wegen des letzteren Kurses
führt ein Memorial der Frankfurter und Augsburger Kaufleute
dd. 1587 in charakteristischer Weise aus: vor etlichen Jahren
sei bei der Post von Köln über Frankfurt nach Augsburg »oft
und vielmal grosse Säumnuss und Verhinderung entstanden«; um
diesem Uebel abzuhelfen hätten die Kaufleute reitende Boten
auf ihre Kosten bestellt, so dass man durch dieselben von 8
zu 8 Tagen »fast an allen Orten der ganzen Christenheit gute
Nachricht haben könne« (s. Ennen, Geschichte des Postwesens
in Köln, 1878, und Faulhaber in dem Archiv für Frankfurter
Geschichte, 1883, S. 17 und 45).
Dass die Taxis’sche Post die rasche Ueberweisung an den
Knotenpunkten sich sehr angelegen sein liess, bezeugt ein Be-
richt des Ahasv. Fritschius (van den Birghden) »De regali vi-
arum publicarum«, der besagt: zu seiner Zeit, im J. 1598, »sei
auf dem Postamt in Rheinhausen die grösste Konkurrenz ge-
wesen, und haben darüber, gleich nach abgefertigten Ober- und
niederländischen Posten die nach Speyer gehörigen Briefe noch
selbigen Tags distribuieren lassen müssen«. Bezüglich der
hansestädtischen Botenanstalt schildert Kirchenpauer
(Programm cit. 1841, S. 41) den Entwickelungsgang folgender-
massen: »Die Leute, die aus dem Botenlaufen (scil. ein) Geschäft
machten, affigierten, so oft sie eine Reise unternehmen wollten,
eine desfallige Anzeige an der Börse und sammelten die Briefe
ein; dazu aber war die Erlaubnis der Aelterleute erforderlich,
und diese knüpften sie sehr bald an gewisse Bedingungen. So
kam das Botenwesen und zwar zuerst die Korrespondenz mit
Flandern, allmählig in eine gewisse Ordnung. Die Boten nach
Antwerpen wurden (wahrscheinlich 1570 zuerst) förmlich beeidigt,
und an bestimmte Abgangstage gebunden. Dafür erhielten sie
eine Art Privilegium. Beeinträchtigungen desselben durch die
Boten des Hansischen Kontors in Antwerpen, veranlassten einen
Briefwechsel mit dem Letzteren, und auf dessen Bitten verfassten
die Aelterleute am 10. Juli 1578 eine förmliche »Ordnung für
die Boten auf Antwerpen«. Auf ganz ähnliche Weise, nur besser,
wurde 1586 durch eine Verordnung das Botenwesen auf
Köln reguliert (hier werden ausser den Abgangstagen auch
[165] schon Ankunftstage festgesetzt); und um dieselbe Zeit das Boten-
wesen auf Lüneburg (1583); etwas später (jedoch vor 1592), das
Botenwesen auf Emden geregelt. Anfangs berührten die Boten
zwischen hier und Antwerpen auch Amsterdam; aber schon sehr
bald nach der Ordnung von 1578 vereinigte man sich mit den hol-
ländischen Behörden in Amsterdam über ein alternierendes Boten-
senden zwischen dieser Stadt und Hamburg; später kam eine
Ordnung für das Botenlaufen zwischen Amsterdam und Ant-
werpen zu Stande, und die Hamburger scheinen nun auf die
letztere Wegestrecke verzichtet zu haben, wogegen die Amster-
damer darin willigten, ihre Boten nur bis Hamburg, und nicht
wie früher bis Danzig gehen zu lassen; die hiesigen Aelterleute
richteten darum 1593 ein besonderes Botenwesen von hier auf
Danzig ein. So kamen zu den sogenannten »Boten nach Westen«
östliche Kourse hinzu; und zwar 1592 das Botenwesen auf Lü-
beck, 1593 auf Leipzig, 1602 auf Kopenhagen und ganz Däne-
mark. Im Jahr 1607 wurde zum erstenmal eine allgemeine
Botenordnung verfasst und durch den Druck bekannt gemacht;
sie wurde später 1641, und dann 1678 auf’s Neue revidiert und
gedruckt. In der Verordnung von 1641 finden sich noch die
bisher erwähnten neuen Boten-Kurse aufgeführt; andere scheinen
nicht hinzugekommen, und die in den Urkunden vorkommenden
Friedrichstädter, Frankfurter und Nürnberger Boten nicht hiesige
gewesen zu sein, sondern den genannten Städten angehört zu
haben, mit denen übrigens die hiesigen Aelterleute, eine Art
Kontrolle ausübend, über die Einrichtung korrespondierten«.
V.
In betreff der Gegenleistung, nämlich des Besteller-
Lohns (»Calcearium«, Schuhgeld genannt in der römischen
Kaiserzeit, »botenbrod, trinkgelt«, im 14/15. Jhh.) haben wir schon
oben am Schluss des V. Kapitels angedeutet, dass es fast über-
all gegen Ende des 16. Jhh. offiziell nach dem Gewichte und
der Zahl der einzelnen aufzugebenden Briefe fixiert worden ist:
damit stellten sich zugleich die Boten in den Dienst des allge-
meinen Publikums, und war gegeben, dass an die Stelle des
Jahres-Aversums, das den Taxis von der Spanischen Krone aus-
[166] geworfen, und in den Handelsstädten früher auf den Verband
der Kaufleute umgelegt worden war, die Tages-Einnahmen aus
dem Porto traten. Usancegemäss bestand ein fixer Satz jeden-
falls schon lange vorher. Wenigstens wird solches für die
städtischen Botenanstalten bezeugt, z. B. in einer Verord-
nung des Nürnberger Magistrats von 1587, welche zugleich die
älteste Urkunde über einen Porto-Tarif und eine Bestätigung
für den »Botenzug« oder die geregelte Wechsel-Korrespondenz
zwischen Antwerpen-Köln-Nürnberg an dem Kreuzungspunkt
darstellt. Die Verordnung will die mancherlei Streitigkeiten
»zwischen den Handelspersonen, auch den potten des pottenlohns
halber abschneiden (und setzt zu diesem Zwecke fest): von den
briefen, so von Nürnberg nach Cölln und Antorff und von dannen
wiederumb gen Nürnberg geschickt werden, vermug der alten
Nürnbergischen ordnung von einem brief, so ein loth oder darunter
wigt, acht kreuzer, von anderthalb lothen zwölf kreuzer bezalen solle«.
(Postarchiv, Dez. 1892, S. 819). Auch in Hamburg wurde 1580
aus Anlass der in diesem Jahre erlassenen Botenordnung der
Porto-Tarif revidiert; es wurde bestimmt: »Thom Sosten. De-
wile de Baden van den koplüden ein unbillig gelt vor de breve
forderen und affdrengen, darmith de kopman am hogesten beschwerett,
und se dennoch umme ein liderlichs ere reise dohn konnen, Alss is
van des kopmans Olderlüden beschlaten, dath se van Einem gemeinen
und ordinarien breve van einem gantzen edder halven bagen Papyrs
nha Amsterdam und Andorpen des vhorjhars und Sommers, alss
van Paschen beth tho Michaelis twe schilling Lübisch, Nha Bremen
averst einen schilling Lübisch und nicht mher enthfangen scholen.
Darmith averst den Baden nicht tho korth gesche, is idt vor gudt
angesehen, dath se van Michaelis beth tho Paschen van gemelten
ordinarie breve, den [se] van hir nha Amsterdham und Andorpen
averdragen, dre schilling Lübisch, und nha Bremen anderhalven
schilling Lübisch tho badelone hebben scholen. Dewile ock offt grothe
Packen breve dem Baden mithgedan, scholen desulvigen ge-
wagen, und van Ider untze twe schilling Lüb., so ferne de Baden
sick mith dem kopmanne desvals nicht vorhen vor-
dragen, van Enen betalet werden«.
Einige Jahre darauf führte auch die Taxis’sche Verwaltung (mit
[167] der Post-Reformation von 1595?) einen festen Gebührentarif ein 1).
Noch das Gutachten von H. Fugger und M. Ilsung dd. 1580
hatte nur verlangt, es möchten sich die Taxis »mit den Handels-
leuten eines billigen Postgelds, auch einer gewissen Zeit zu
Lieferung der Briefe vergleichen«.
Die Frankatur für einen über mehrere Landesposten hinaus
zu spedierenden Transit-Brief wurde erst zwei Jahrhunderte
später ermöglicht 2). Wenn man«, belehrt Codogno in der Ausgabe
von 1611, S. 342 seine Leser, »Briefe z. B. von Rom nach Verona
senden will, so gehört es sich, dass man hiefür das Porto bis
Mantua vorauserlegt, weil dort der Kurier sein Brieffelleisen
weiter gibt. Allerdings steht es einem frei, den Brief an einen
Spediteur in Mantua zu adressieren, der dann das für die Streke
bis Mantua rückständige Porto nachbezahlt. Für einen nach
Luzern bestimmten Brief hat man in Rom bis Mailand zu zahlen,
falls man nicht ein Kouvert für Mailand an einen Spediteur bei-
schliesst, der den Brief auslöst und weiter nach Luzern aufgibt.«
Diese Schwierigkeit der Transit-Behandlung und die Not-
wendigkeit des Ineinanderrechnens war es, welche die Handels-
kreise schliesslich der zentralisierten Reichslehenspost geneigt
machten. Bezeichnend in dieser Beziehung ist in dem Fugger-
Ilsung’schen Gutachten d. d. 1580 (fol. 13 der Stuttgarter Hand-
schriften-Sammlung) nachfolgende Auslassung: »Den Handels-
leuten«, heisst es darin, »würde es gar beschwerlich fallen, dass
sie allezeit für fünf oder sechs Posten Postgeld zahlen müssen;
Henot in Cöln verstehe sich allbereit dazu, das Postgeld bis
gegen Venedig einzunehmen, dagegen nicht mehr als acht Posten
(bis Rheinhausen) zu unterhalten. So würde nur einer der
[168] Postboten bezahlt, und per consequens der bezahlte fleissig, der
unbezahlte unfleissig sein und damit der alte Irrtum grösser und
ärger als zuvor werden, denn gemeiniglich werden, wo viele
Köche seien, die Suppe versalzen … Würde mehr als ein Post-
meister angestellt, dann würden sie sich des Postgelds halber
nimmer mehr vergleichen, und würde einer sich vor dem an-
dern beschwert halten.«
VI.
Eine Beschleunigung der Beförderung durch Benützung von
Reitpferden war — während die durch Verbesserung der
Strassen erst später erfolgte — schon frühzeitig herbeigeführt
worden, so z. B. in Barcelona, dessen städtische Boten dies
durch ihren alten Wappenschild andeuteten (s. Thebussem, Un
pliego di cartas, 1892. S. 22); für den Boten der Pariser Uni-
versität bezeugen Prozessakten aus dem Jahre 1368 den Ge-
brauch eines Pferdes (Crévier, IV. 462); auch die erste Auflage
des Herba’schen Itinerario’s von 1563 hat einen Postreiter als
Vignette. Unter den Boten-Ausgaben der Stadt Breslau aus dem
Jahre 1468 entfällt ein Vierteil (mit 45 M.) auf die reitenden
Boten (Postarchiv 1874, S. 104). Nach Menzels »Topographischer
Chronik« S. 169 hatte Breslau im 16. Jhh. fahrende Boten nach
Danzig, Leipzig, Nürnberg, Prag (und 12 Fussboten innerhalb des
Landes). Die sog. »Läufer« von Danzig nach Brügge gebrau-
chen schon 1436 einen Wagen, da sie auch verschiedene Kom-
missionen Privater, wie die Besorgung von Seidenstoffen u. s. w.
ausführen (Hirsch, Danzigs Handel. u. Gewerbsgeschichte, Leip-
zig 1858, S. 221). Das gleiche geht bezgl. des Botenkurses Nürn-
berg-Augsburg-Venedig aus einem Brief Dürers (v. Murr, Journal
X, 32: »Ich will Ims bey dem negsten potten schicken«) und der
untenerwähnten Beschwerdeschrift der deutschen Kaufleute in
Venedig d. d. 31. Mai 1555 hervor.
Allmählich wurden nicht nur Waren kommissionsweise be-
sorgt, sondern auch Personen mitgenommen 1).
[169]
Ueber den Zeitpunkt, wann die Post die Passagier-Be-
förderung gewerbmässig aufgenommen hat, geben die Itiner-
arien einen wichtigen Anhaltspunkt.
Die zahlreichen Reisebeschreibungen des 16. Jahrhunderts
verhalten sich über diesen Punkt sehr schweigsam; und ent-
halten nur gelegentliche Aeusserungen. Solche sind nament-
lich von vielgereisten Männern, wie L. Rem, J. Furttenbach und
Spoon bedeutsam. Letzterer berichtet in seiner Reisebeschreibung
von 1687 (S. 12 nach der Uebersetzung Menudiers), dass er die
»comodität der cambiatures sonsten nirgends anders als in Ita-
lien (genauer auf der Strecke von Rom nach Venedig) gebraucht
gesehen habe« 1). J. Furttenbach (1627) empfiehlt ausserdem
die Ordinari-Reitboten für die Strecke von Lindau nach Genua
(S. 2 und 32), bezüglich Italiens aber ferner nur diejenigen von
Bologna nach Florenz-Ankona (S. 173 und 175). Dagegen warnt
er vor der Postbeförderung von Loreto bezw. Ravenna nach
Bologna, Ankona, Pesaro oder Rimini ausdrücklich, weil »einem
so viel böse aussgenutzte Thier unter der Hand kommen, dass offt
die Bein mit jhnen abgefallen werden«; ausserdem muss man
»mit den Postrossen biss nach Bologna kontinuirn, welches ein solche
Beschwerdt, dass keiner nicht mehr selbsten Herr ist, er muss fort-
reitten, und lasst man jhmen kein Zeit, die örter zu besichtigen« (das
1)
[170] sind also die gleichen Klagen über die Hast der Post, wie sie
40 Jahre vorher der Magistrat von Madrid erhebt). Bei Rom
(S. 136) erwähnt Furttenbach die Post gar nicht; er redet nur
von den Vetturinen, deren man dort so viel finde, als man be-
gehre. Für weitere Postrouten, nämlich Augsburg-Venedig und
Augsburg-Antwerpen und für eine entlegenere Zeit, nämlich für
den Anfang des 16. Jahrhunderts ist L. Rem ein bedeutsamer
Zeuge: er reitet (seit Okt. 1515) wiederholt »auf der post« von
Augsburg nach Antwerpen; 1533 z. B. wird sein Sohn auf dem
Botenfuhrwerk von Venedig nach Augsburg zurückgebracht u. s. w. 1);
das erstmalige Erwähnen des Reitens auf der Post von Brüssel
nach Augsburg könnte man versucht sein, mit der Beleihung der
Taxis zeitlich in Verbindung zu bringen, wenn dem nicht der
Umstand im Wege stünde, dass die berufsgemässen Empfehler
der Post, nämlich die Kursbücher, die Hendschel jener Zeit, sich
total über die Postgelegenheit ausschweigen.
Dass die Taxis immerhin frühzeitig der Personenbeförderung
ihr Augenmerk geschenkt haben, geht daraus hervor, dass schon im
16. Jahrhundert die »Post« nicht nur Speditionslokal, sondern auch
da und dort zugleich die bestimmungsmässige Herberge für die
Passagiere war. Codogno berichtet darüber S. 49: »L’occasione
d’havere giuntato con esse Poste le Hosterie, mi pare, che siano
[171] state certe concessioni et Privilegij fatti da i Rè Cattolici perche
ne hò visto alcuni, che dicono, »que os tengan por Correo
mayor de Hoster y Postas«. E benche i Signori Tassi non si
siano mai posti in possesso di commandare a gli Hosti, niente
dimeno i loro Privilegij gli danno la facoltà di farlo« 1).
Frühzeitige Vervollkommnung erfuhr diese Personenbeför-
derung, die »comodität der cambiatures«, wie Spoon sich aus-
drückt, in Italien2). Wie aus dem Kursbuch Codognos her-
vorgeht (S. 106, 138, 345, 446 der Ausgabe von 1611) stellen
die Posthalter Reitpferde und Maultiere, für manche Routen
auch, wie für die von Wien nach Prag carette, und für die von
Wien nach Polen »carozze, caretoni«; carozze würden, sagt er
S. 105, nur noch an Orten »molto sterili« nicht gebraucht, sonst
aber benützten die Passagiere »barche, cavalli o carrozze se-
condo veggono le commodità et l’auvataggio della spesa.« Nach
diesem Zeugnis Codognos wurde im römischen Reich deutscher
Nation wohl zuerst auf den nach Wien einmündenden Routen ein
regelmässiger Fahrtenkurs (»Postkarren«, sagt M. Zeiller) einge-
führt 3). Für die Strecke Prag-Leipzig bezeugt Samuel Küchel
[172] in seinem Reisetagebuch dass er 1585 auf derselben »zu gutschen«
gereist sei. Die nächste Strecke, welche mit einem Kutschen-
dienst ausgestattet wurde, dürfte die Route Frankfurt-Strassburg-
Basel gewesen sein, bezüglich welcher die Einführung im Jahre 1619
bezeugt ist. auf der Strecke Frankfurt-Nürnberg wird erst 1690
von den Taxis ein Postwagen eingerichtet. Schon zuvor, 1665,
hatte das Erzstift Salzburg, 1682 Kursachsen, sowie zwischen
Schaffhausen-Nürnberg der Herzog von Württemberg fahrende
Posten angelegt.
VII.
Mit dem 17. Jahrhundert werden die vorhandenen Grund-
lagen und Elemente der Verkehrs-Organisation immer mehr ver-
vollkommnet. Es meldet sich das Bedürfnis nach einem gewissen
Reisekomfort, aber ebenso auch nach einem billigeren
Waren-Transport. Infolge der gesteigerten Anforderungen des
Handels und der Reiselust nimmt, etwa um die Mitte des 16.
Jahrhunderts der Bau steinerner Brücken sowie die Erweiterung
und sonstige Melioration frequenter Strassen einen grösseren
Aufschwung. Im Personen- wie im Güterverkehr wird der Schiffs-
transport, zumal bei den reissenden Strömen durch Wagen und
Pferde verdrängt. »Man benützt die Wasserstrasse nur noch,
wo sie der Gebirge wegen die kürzeste und leichteste, oder wo
sie vollkommen sicher und bequemer, als der Landtransport,
ist« (Geering l. c. S. 419). Immerhin waren, wie das 1632 er-
schienene Reisebuch Martin Zeillers erzählt, die Strassen, selbst
zwischen bedeutenderen Städten, oftmals noch so schlecht im
Stande, »dass 20 Pferde den Postkarren kaum durch den Dreck
bringen können.«
Ein wichtiger Ansporn für die Vervollkommnung der Grund-
lagen dieser Verkehrs-Organisation lag in der allmählichen Er-
kenntnis von ihrer Produktivität, welche durch die steigende
Einträglichkeit der Botenpost verbreitet wurde. »Jeder-
mann«, berichtet Beust von der Taxis’schen Verwaltung, »zweifelte
an dem Fortbestehen und dem Ertrage der Anstalt. Als jedoch
die Kaufleute ihre Briefe und Wechsel für ein geringes Postgeld
sicher und schnell nach Brabant, Frankreich und Italien be-
[173] fördern konnten und manche kostspielige Reisen ersparten: da
strömte eine Menge Briefe zu, die einen ungemein hohen Porto-
gewinn brachten«. Als 1654 dem Rat in Danzig angedeutet
wurde, es bestehe die Absicht, die Kurfürstlichen Posten künftig
von Königsberg an Danzig vorbei, über ein von Danzig eine
Stunde entferntes Dorf, nach Brandenburg zu führen, »dolierete
er sehr, sagte, dass dadurch die Stadt Dantzig ganz runtergebracht
und alle Handlung nach Elbingen, Königsberg und Riga geführet
werden würde.« Eine ähnliche Klage, es seien durch die Un-
ordnung der Post die commercia gleichsam ganz vernichtet,
enthält das Kölner Ratsprotokoll vom Mai 1643.
Im gleichen Schritt mit der grösseren Würdigung einer
Verkehrs-Organisation erfolgte auch ihre allmähliche Verfei-
nerung. Nur muss man sich auch bei diesem Punkte vergegen-
wärtigen, dass der Postdienst in Bezug auf Regelmässigkeit
und Sicherheit auch im 17. Jahrhundert noch sehr pri-
mitiv 1) und das Netz seines Bereichs sehr wenig verästelt war.
Es waren immer nur die Elemente vorhanden; bis zur Herstellung
einer auch weitere Kreise umfassenden und befruchtenden Or-
ganisation war es immer noch ein weiter Schritt; das Vorhan-
dene glich einem Experiment im Laboratorium; nun galt es, das
gefundene Resultat auch für die Massenfabrikation zu verwerten.
Dieser Fortschritt vollzog sich ziemlich langsam. Selbst für
einen so bedeutenden Handelsplatz, wie Leipzig, wurde erst 1625 2)
eine Verbindung und zwar eine Fusspost nach Dresden-Prag
eingerichtet; selbst die wichtigen Speditions-Routen der Schweiz
erhielten erst im 17. Jahrhundert eine Botenpost.
Was die Zuverlässigkeit der Bestellung anbelangt, so be-
richtete z. B. im August 1638 Herzog Friedrich von Braun-
[174] schweig-Lüneburg an den Kaiser, dass die zwischen Leipzig und
Frankfurt gehenden Fussboten, »wenn sie nicht an andern Orten
durch streiffende Personen niedergeworffen, und Ihnen die schreiben,
wie zu verschiedenen mahlen geschehen abgenommen oder sonst auf-
gehalten werden, sich allemahl richtig halten.« Die in diesem
Schreiben erwähnte Unsicherheit war namentlich nach dem
dreissigjährigen und siebenjährigen Krieg, da der Strassenraub
professionell betrieben wurde, noch schlimmer als der Zustand
der Strassen. In einem Vertrage, den 1659 Nürnberg mit dem
Herzog von Altenburg wegen des Geleits für die »Kauf- und
Fuhrleute« abschloss, heisst es u. a.: »nachdem die Unsicherheit
guten Theils die abgenommene commercien verursacht, sollen im Hin-
und Zurückweg zum wenigsten eine Kutsche mit Handelsleuten in
demselben (ordentlichen) Glait raisen« (Roth, Geschichte des Nürn-
bergischen Handels 1800, II. T. S. 17).
Weiter muss man sich vergegenwärtigen, dass für die Gegen-
den, die abseits von den grossen Heerstrassen lagen, eine Ge-
legenheit zu einer gesicherten und regelmässigen Brief-Ueber-
sendung noch Jahrhunderte lang nicht geboten war. Noch im
16.—17. Jahrhundert hatten nur die grösseren Städte ihren
regelmässig eingerichteten Botendienst. Für die kleineren Plätze
kam die Absendung eines Briefes nach auswärts ziemlich hoch
zu stehen. Der Stadtbote ging nur nach den nächstgelegenen
Nachbar-Städten, darüber hinaus musste ein »expresser« Bote
verwendet werden. Gewöhnlich musste er auch die Antwort
zurückbringen, in welchem Falle noch ein Wartgeld für den
Aufenthalt in der fremden Stadt dazukam.
Dieser mangelhafte Zustand wurde allerdings nicht zu schwer
empfunden, weil damals die kleineren Plätze das Bedürfnis nach
einer vollkommeneren Einrichtung noch nicht hatten 1).
[175]1)
[[176]]
Anlage 6 zu oben S. 75.
Französische Botenanstalt.
Die Verordnung Karls VIII. vom 14. Juli 1495 hält das Ver-
bot der Mitnahme von Privatkorrespondenzen, nachdem es
schon vorher in Abgang gekommen war, nicht mehr auf-
recht. Ein Jahrhundert später, im Jahre 1586 wurde diese To-
leranz in eine positive Verpflichtung umgewandelt, zunächst nur
unter Beschränkung auf die Prozessakten, nicht, wie es
sonst heisst, allgemein; erst unter Sully wurde die Beförderung
der privaten Korrespondenz — wie es scheint, um die Post ver-
pachten zu können —, ganz einbezogen. Im Jahre 1627 end-
lich wurde, nachdem schon Heinrich der IV. für die Jahre
1597—1602 die Posthaltereien straffer zentralisiert hatte, einer-
seits die bisherige Entlohnungsart durch feste Taxen ersetzt,
andrerseits Abgang und Ankunft der Kuriere durch Veröffent-
lichung bestimmter Wochentage gebunden. Durch diese Regel-
ung wird die Konkurrenz gegen die Universitätspost so gestärkt,
dass die letztere ihre Existenz nur noch kümmerlich behaupten
kann, bis sie endlich 90 Jahre später, 1719 gänzlich aufgehoben
und damit das Staatsmonopol eingeführt wird. —
[[177]]
Anlage 7 zu oben S. 74 und 76.
Die spätmittelalterlichen Reise- und Kursbücher.
Schon oben habe ich den Wert der Itinerarien, zunächst
als der Hauptzeugen für die verschiedenen Epochen in der
Entwickelung der Verkehrs-Organisation hervorgehoben. Hier
möchte ich noch besonders ausführen, wie eine systematische
Durcharbeitung dieser ersten Reise- und Kursbücher für manche
Fragen des Verkehrslebens und der historischen Geographie
ein Licht verbreiten würde, bezüglich deren man heute noch
ratlos dasteht; nur als Beispiel sei die S. 54 dargelegte Lücke
der französischen Postgeschichte erwähnt. Nicht minder wichtig
sind die Aufschlüsse, welche man ihnen, bei all ihrer Knapp-
heit speziell über die Passagier Beförderung, über die Art des
Reisens, über die benützbaren Hauptrouten oder »Botenzüge«, so-
wie über die jeweiligen Hauptziele der Reiselust entnehmen kann.
Hier für uns kommt hauptsächlich in Betracht, dass von allen im
16. Jahrhundert erschienenen Reise-Handbüchern kein einziges
die Beförderungsgelegenheit mit der Post behandelt. Erst das
1608 erschienene Itinerario Codognos — und nach ihm die Neu-
Auflagen von F. Schotts Itinerario — ist der Darstellung der
Postgelegenheit gewidmet und insofern das erste »Kursbuch«,
wenn auch noch in primitiver Form. Welchen Fortschritt dieser
Zweck einmal für die literarische Behandlung, insbesondere aber
für den wirtschaftsgeschichtlichen Rückschluss auf die Ent-
wickelung der Post bedeutet, das kann man nur beurteilen, wenn
man das praktische Handbüchlein Codognos mit den früher,
oder zu gleicher Zeit, oder auch noch Jahrzehnte später, er-
schienenen Itinerarien und »Viatorii« vergleicht.
In dem »Itinerario« Codognos wird schon in der ersten Aus-
Huber. 12
[178] gabe von 1608 1) die Allgemeinheit der Briefpost, ihre Verbindung
mit dem Lohnfuhrwerk, ein fester Kurs für die Reisedauer und eine
Art primitiven Weltpostvereins 2) zwischen Spanien, Italien, Deutsch-
land und Oesterreich als etwas längst bestehendes vorausgesetzt.
Das eigentliche Kursbuch umfasst in der II. Auflage von 1611
nicht weniger als 324 Seiten; darin behandeln 105 S. S. zum
Gebrauch für die Briefpost die Abgangszeit der »Ordinarii«,
21 Seiten die Anschlussverbindungen über See »de viaggi per
l’Europa, Asia et Africa, per li Mari maggiore, mediterraneo et
Adriatico«, auf 197 S.S. endlich werden die verschiedenen Post-
verbindungen »e suoi Ordinarij«, von und nach den Haupt-
plätzen, wie Rom, Madrid, Brüssel, Antwerpen, Lissabon, Bar-
celona, Venedig — von Paris wird nur seine Verbindung mit
Orleans, Brüssel, Nancy und Prag aufgezählt — mitgeteilt. Diese
Hauptplätze haben alle unter einander einen direkten Postver-
kehr. Als eine Ausnahme hebt er hervor, dass keine Postver-
bindung gehe z. B. von Messina nach Palermo und von Wien
nach Pest (S. 212 »perche alcune volte passa paesi soggiogati
da Turchi«).
II.
So wenig das Büchlein Codognos eine wissenschaftliche
Arbeit darstellt, so gross ist seine Bedeutung für die Wissen-
schaft in statistischer, historischer und geographischer Beziehung;
verfolgt man nämlich die Spuren dieses Werkes bis auf den Ur-
sprung zurück, so gelangt man interessanterweise schliesslich
[179] an dem Itinerarium Antonini und der Weltkarte des Ca-
storius, an der sogen. Peutinger-Tafel an.
Wir können dies nicht anders erläutern, als dass wir einen
Ueberblick über die Itinerarien überhaupt geben.
Als »Itineraria« bezeichnen sich im Altertum bis in die
Neuzeit 1) herab drei verschiedenartige Reisewerke: Das älteste
Itinerarium gibt eine in Form einer geographischen Karte ge-
gebene Belehrung über die direkte Route, über die Möglichkeit
der Einkehr und Herberge (Stationen) und über die Wegelänge
zwischen den einzelnen Stationen; eine solche handliche Reise-
Erleichterung bietet die Peutingerische Tafel. Die ebengenannten
Notizen lassen sich dann kompendiöser in Buchform, nach Art
der Fahrtenpläne und Kursbücher um- oder überschreiben: ein
solches Büchlein das sich »Itinerario delle Poste« benennt,
erschien in Italien 1563 (von da l’Herba). Die dritte Art
bilden die geschichtlich-statistischen Reisebeschreibungen, »Iti-
neraria historico-politica«, wie sich ein 1624 von J. Grasser
herausgegebenes benennt, und in denen die Früchte von Reise-
studien niedergelegt werden.
Am wenigsten ergiebig für unseren Zweck sind die letzteren;
manche wohl enthalten auch einen Passus über den »Gebrauch
der Strassen«, geben aber unter diesem Titel nur Auszüge aus
den polizeilichen Vorschriften bzgl. des Gesundheitspasses und
des Tragens von Waffen, über die Art der Verzollung, den Wert
der Gold- Silber- und Kupfermünzen etc.
Allmählich, im 15/16. Jahrhundert kommen Routenverzeich-
nisse auf, die »Itinerarium, Wegweiser, Reisebuch« benannt
werden, aber sich lediglich auf die Aufzeichnung des Strassen-
netzes beschränken. In jener Zeit war zwar schon eine der-
artige Uebersicht, die einem Bedürfnisse entgegenkam, eine
schwierige Arbeit, insofern der Verfasser (bezw. Kompilator),
wie es z. B. Sebastian Brant in seinem 1513—21 entstandenen
12 *
[180] Führer augenscheinlich that, den »nechst weg« mühsam durch
Erkundigung bei Wallfahrern, Boten, messbesuchenden Kauf-
leuten, fahrenden Schülern erfragen musste. Merkwürdig ist, wie
wenig in den lateinisch (od. deutsch) geschriebenen Itinerarien,
welche vor 1600 od. einige Jahrzehnte später erschienen sind,
der Postkurs oder »Botenzug« berücksichtigt wird; am auf-
fallendsten ist dies an dem Itinerarium von Franz Schott (das
noch 1675 zugleich in Venedig und in Padua, 1699 in Rom neu
aufgelegt worden ist): dessen italienische Ausgaben 1),
schon die 1610 erschienene, dann die von 1622, zählen die
»poste« auf, (1610 sind es schon 15 Seiten) und zwar in einer
mit Codogno (S. 197 ff.) nahezu übereinstimmenden Weise; die
lateinischen Ausgaben dagegen, die den gleichen Umfang haben,
halten selbst in den späteren Ausgaben (von 1620, 1625 u. 1655)
noch an der alten Beschränkung auf die blosse Distanz-Angabe
nach Milliaria Italica fest 2); die italienischen Ausgaben also klären
den Reisenden über die Postgelegenheit, die deutschen nur
über die Entfernung auf (z. B. von Neapel sei es nach Kapua
14 Meilen, von da gehe man nach Gaeta, um sich dort nach
Rom einzuschiffen, während die italienische Ausgabe den Land-
weg und die Benützung der Post anrät). Aus diesem Vergleiche
geht hervor, dass Codogno in der Beschränkung seiner Dar-
stellung auf den praktischen Postenlauf seine Zeitgenossen eben-
[181] so überragt, wie z. B. Sebastian Münster (Cosmographica
1536—1544), Franc. Sansovino (1562) und Giov. Botero (»Le
relatione universali« 1589), (letztere durch ihre spezielle Beschränk-
ung auf die vergleichende Untersuchung der Kraft- und Macht-
verhältnisse der bestehenden Staaten). Alle anderen Itineraria
jener Zeit (s. S. 76) geben eine blosse Reisebeschreibung über Selbst-
erlebtes und Selbstgesehenes, einen »sincero raconto del viaggio«,
einen »Paradisus Delitiarum Italiae«, »aus eigener Experientz«
zusammengebracht, »hodoeporicon seu descriptio itineris«; der
»Viatorius indicans itinera« teilt nichts anderes mit, als eine »In-
dicatio miliarium, quibus singuli loci et civitates distant«, wie
sie z. B. schon Bernh. von Breydenbach 1483, für die Reise
von Venedig nach Jerusalem entworfen hat.
Schon ein Fortschritt ist, wenn die 1608 (im gleichen Jahre
mit Codogno) erschienenen »Methodus apodemica seu peregri-
nandi perlustrandique regiones« auch die »diversoria« (S. 20 »rara
vel nulla«) behandelt und ähnlich J. Furttenbach (1627) öfters
die Randbemerkung »Würtzhaus« z. B. für die »Reise von
Florenz nach Ancona« anfügt.
Von all diesen Itinerarien ist für unsern speziellen Zweck
das beachtenswerteste dasjenige, das 1563 in Rom erschien,
sich als »Postreisebuch« ankündigt und eine Uebersicht über
die Stationen für Herberge und Pferdewechsel mitteilte. Das
Büchlein ist nämlich von einem Postbeamten, Herba, verfasst,
und verspricht, die »Poste per diverse parti del mundo« mit-
zuteilen, hat aber mit unserem Begriff der Post auch gar nichts
zu thun. Es ist dies ebenso von wirtschaftsgeschichtlichem wie
etymologischem Belang. Herba’s »Itinerario delle poste«, macht
nicht, wie dasjenige Codognos da und dort, etwa Reklame für
die damalige Reitboten-Organisation, sondern erwähnt (op.
Rübsam, L’Union postale 1889, S. 83—91) auch nicht mit
einem Worte die verschiedenen Postanstalten,
wie sie damals schon bestanden haben. Das wäre unmöglich,
wenn diese Anstalten, (abgesehen von der Taxis’schen, s. S. 170
und 187) damals schon bestimmungsgemäss die Beförderung von
Reisenden betrieben hätten. Namentlich verdient die Thatsache
volle Beachtung, dass der Postbeamte Herba die von Taxis ge-
[182] wählte Brenner Route neben hundert andern gleichmässig er-
wähnten, insbesondere gegenüber dem »Camino de Suizzari«
über den Gotthard oder über Brixen-Chur (S. 34. 39. 81) auch
nicht mit der unscheinbarsten Notiz auszeichnet.
Ich schliesse weiter daraus, sowie aus dem unbefangenen
Gebrauch des Wortes »Poste«, das nirgends eine Erläuterung
erhält, dass in den Tagen Herbas die Nebenbedeutung (für
»poste« = Station) als Transport-Anstalt in Italien noch nicht
so allgemein gebräuchlich war, als in Deutschland. Zu Her-
bas Zeit, am Ende des 16. Jahrhunderts hat das Wort »posta«
noch seine ursprüngliche Bedeutung. Es bezeichnet zunächst
die Station (posita statio), den Endpunkt der Distanz von der
Nachbar-Station, sodann diese Entfernung selbst. Daher ge-
brauchen die damaligen Schriftsteller häufig die Wendung »cur-
rere plures postas«, »correre le poste«; noch zu Anfang dieses
Jahrhunderts konnte man in Süddeutschland hören, »es ist zur
nächsten Station ½ oder 1 Post«, d. h. die Wegelänge beträgt
1 bezw. 2 Meilen.
Mittlerweile erwächst eine neue Organisation, für welche
das deckende Wort noch nicht vorhanden ist. Wo aber »Be-
griffe fehlen, da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein«. Dass
die tropische Bedeutung nicht lange vor Codogno dem Wort
»poste« beigelegt werden konnte, lässt sich durch die Zwischen-
glieder zwischen ihm und Herba, nämlich durch verschiedene
nach 1563 erschienenen Neuauflagen des Herba’schen Büchleins
und ähnliche Itinerarien 1) feststellen. Aus dem J. 1591 z. B. be-
sitzt die Berliner Bibliothek ein »Sommaire, description de la
France, Allemagne, Italie et Espagne, avec la Guide des chemins«,
(294 S.S.) von Th. de Mayerne Turquet, neuaufgelegt 1604.
Auch für diesen Reiseführer besteht der einzige Zweck darin
[183] die direkte Route (»les chemins plus frequentez« S. 102 der
I. Aufl.), die Herbergen, und die Distanz der Stationen anzugeben.
Das sind Hilfsbücher, wie sie z. B. noch in den letzten Jahrzehnten
für die reisenden Handwerksgesellen herausgegeben worden sind.
Sie geben, wie Herba (S. 7, 89b, 169), lediglich die »diritta via«,
»la distantia de la Leghe (miglia) de un luoco al altro«, »per
nome Posta per Posta«, »per potrer piu facilmente trouare il
camino del viaggio«. Ein solches Routenverzeichnis gibt dem
Reisenden eine beruhigende Sicherheit bezüglich der Wegrich-
tung und der Ansprüche 1), welchen er in Zurücklegung des
Weges bis zur nächsten Station zu genügen hat, erspart auch
das jedesmalige zeitraubende und mühsame Rekognoscieren,
aber die Fingerzeige beschränken sich immerhin nur auf die
»usitata strada« (Herba S. 95). Ueber die wirtschaftliche Benützung
der etwaigen Gelegenheit zur postalischen Beförderung erhält
der Reisende keinerlei Aufschluss. —
Die Arbeit Herba’s ist so wenig wie die Codognos eine
selbständige und originelle; (sie stellt in Vergleich mit den bis
jetzt schon bekannten Vorgängern hauptsächlich durch die kom-
pendiöse, übersichtliche Form einen Fortschritt dar). Die einen
Vorgänger sind diejenigen Reiseführer, die zuerst im Mittelalter
erschienen sind, nämlich die für das heilige Land und für sonstige
Wallfahrtsorte; bekannt sind hierüber die Itinerarien von
Suchem (»De itinere«, 1336—1341), Schiltberger (»Reisen« 1394
bis 1427); Frescobaldi (»Viaggi« 1384) Adorno (»Itinerarium« 1470),
Fabri (»Evagatorium« 1480—1483); Vartema (»Itinerario« 1501);
Philesius Ringmannus (»Instructio« Strassburg, 1511), Sebastian
Brant in (C. Hedios »Auserlesner Chronik« 1520 bezw. 1543),
C. Estienne (»Guide des chemins de France 1553), G. Grato-
rolo (»de regimine iter agentium« Basel 1562) u. a., (wie sie
namentlich bei Heyd, Geschichte des Levantehandels in der
französischen Ausgabe von 1885 S. XIX—XXII, sowie in dem
deutschen Postarchiv 1875 S. 308 und 1876 S. 394 und in der
[184] Zeitschrift f. deutsche Kulturgeschichte, 1872 S. 409 ff. sich ver-
zeichnet finden).
Von Herba bis Breydenbach lässt sich eine ununterbrochene
Linie konstruieren, ein Schriftsteller gibt, da Inhalt und An-
ordnung des Stoffes immerhin etwas übereinstimmen, dem andern
die Hand. Nun aber bricht die Reihe jäh ab; einen dem Herba’-
schen Büchlein inhaltlich auch nur einigermassen ebenbürtiger
Reiseführer finden wir erst wieder in der Weltkarte des Castorius
und in dem Itinerarium Antonini. Auch die erstere wird in
mehreren Ausgaben v. 1518 ff. — neben »Tabula Peutingeri-
ana« — auch als »Itinerarium«, einmal auch als »Hodoipori-
cum« (Celticum) bezeichnet, und in der That weist auch inhalt-
lich das Itinerario da l’Herba’s keinen grossen Unterschied von
der Peutinger-Tafel auf: sollte vielleicht die Erwähnung des
Mitarbeiters im Vorwort: »Cherubinus de Stella hoc opus scrip-
sit et composuit« besagen: Herba gab dem letzteren die An-
regung dazu, dass er die Post-Karte, — welche die Peutinger-
Tafel in gewisser Beziehung ist — in Buchform umschrieb? Es
wäre dies, da Castorius aus einzelnen geschriebenen Itinerarien
geschöpft hat, nur eine Rekonstruktion der ursprünglichen
Quellen gewesen; schon auf dem Titel deutet ein ähnliches
Verfahren der ebenbenannte Ph. Ringmannus mit der Wendung
an: »Instructio manductionem praestans in cartam itinerariam
Martini«. Noch Karl Estienne versichert, dass er seinen 1553
erschienenen »Guide des chemins de France« aus den selbst
gesammelten Mitteilungen von Boten, Kaufleuten und Wall-
fahrern zusammengestellt habe. Fiel vielleicht Herba’s Büchlein
deshalb vollständiger als seine Vorgänger aus, weil es weniger
Originalarbeit als die andere war, und weil ihm der Verfasser
die Itinerarien der römischen Kaiserzeit zu Grunde legte, (die
eben damals erst wieder allgemeiner bekannt wurden)? Für
Spanien indes hat das »scripsit« noch eine mehr wörtliche
Bedeutung 1).
[185]
An dem Büchlein nämlich ist auffallend, wie sehr der ge-
nuesische, in Rom domizilierte Postmeister Herba Spanien be-
vorzugt. Mit den »Poste« nämlich beschäftigen sich, wenn man
die 8 Blatt für das Verzeichnis der Märkte und Messen, und 7
Blatt für den Führer in den Kirchen Roms in Abzug bringt,
135 Blatt; davon ist gerade die Hälfte, nämlich 65 Blatt (Blatt
38—49; 57; 86—90 und 103—132) Spanien gewidmet; nahezu
ebensoviel entfällt auf Italien, der Rest verteilt sich gleich-
mässig auf Deutschland, Frankreich und Flandern.
Nun ist Herba durchaus nicht der Mann, dass er da, wo
er etwas aus eigener Erfahrung mitteilen kann, dies unter den
Scheffel stellen würde; dies ist z. B. der Fall für die Strecke
Rom-Florenz, bei der ihm Herz und Mund überfliesst, und deren
Stationen er mit einer Menge Reklame-Noten »buone hosterie,
bonissimi frutti, buoni moscatelli, bonissimi (oder perfetti) vini,
bonissime anguille, auch bellissime donne, bellissime maschere« —
einem fortgesetzten »Est« »Est« »Est« ausstattet. Wäre das
Itinerario eine selbständige, aus der praktischen Erfahrung ge-
schöpfte Arbeit, so hätte wohl Herba Spanien viel weniger, die
andern Länder viel mehr berücksichtigt. Noch mehr aber als
diese Stoff-Verteilung überzeugt den Leser schon ein Blick auf
1)
[186] die Seiten 103—152 davon, dass dieselben eine blosse Abschrift
sind: augenscheinlich lag Herba ein spanisches Original-
werk vor, aus dem er die Idee der Buch-Anlage schöpfte und
65 Seiten abschrieb.
Diese Hypothese erscheint um so wahrscheinlicher, wenn
man bedenkt, dass das Verbindungsglied zwischen den Itiner-
arien der spätrömischen und denen der neueren Zeit gerade in
Spanien zu suchen ist; so teilen z. B. spanische Urkunden noch
aus den Jahren 1177, 1035, 947 und 829 über verschiedene
Königsreisen ein genaues Routenverzeichnis mit (»pergit per
illa vereda antiqua« heisst es u. a. in der Urkunde von 829 s.
Matthias, über Posten 1832 S. 173).
Das spanische Original war, wie ich vermute, ursprünglich
ein Wallfahrtsbüchlein für Santjago die Compostela, und wurde
in späteren Auflagen mehr und mehr erweitert. Bis jetzt habe
ich es noch in keiner Bibliothek aufzuspüren vermocht; es findet
sich z. B. auch nicht in der Bibliothek des Prinzen Eugen der
Wiener Hofbibliothek. Ich lege ihm, da die Route der Reit-
boten sich in der Hauptsache doch an die alten Römerstrassen
hielt, auch eine Bedeutung für die historische Geographie bei,
insofern sich aus ihm — im Zusammenhalt mit den gesammelten
Inskriptionen — der namhafteste Abmangel der Peutinger-Tafel
ergänzen und das römische Strassennetz für Spanien rekon-
struieren liesse.
III.
Ich erwähnte schon oben die philologische Bedeutung
des Herba’schen Büchleins. Zu jener Zeit nämlich vollzieht sich
die Verlegung der Hauptseite des Postwesens von dem Boten-
ritt in die Bureauthätigkeit, und demgemäss der Gebrauch
des Wortes »posta« im tropischen Sinne. Die Juristen jener
Tage neigen dazu, das Wort aus dem französischen abzuleiten,
um eine Anlehnung an das Regal Ludwigs XI. zu gewinnen;
so sagt z. B. Johann Calvinus in seinem 1622 zu Köln er-
schienenen »Lexicon juridicum«, den cursus nenne man »voce
gallica postas«. Etymologisch allerdings ist es wohl richtiger,
das Wort aus dem Lateinischen abzuleiten: »positae« (scil. man-
[187] siones und stationes, ponere-mettere, collocare); da l’Herba
und das Itinerarium des Antoninus das Wort im gleichen
Sinn gebrauchen, letzteres die »positiones« neben »refugia, plagia,
cotones, gradus« u. s. w. Nach der wirtschaftsgeschichtlichen
Entwickelung dagegen dürfte sonderbarerweise für den deutschen
Amtsstil die Ableitung und Anlehrung seitens der Juristen zu-
treffen. Ich schliesse dies aus der Anwendung des Wortes einer-
seits in Herbas Itinerario, andrerseits in den gleichzeitigen
deutschen Veröffentlichungen. In Deutschland wurde das Wort
»Post« schon zu Herbas Zeit für das kaiserliche »munus cur-
sorum« gebraucht. Eine Beschwerdeschrift von Kaufleuten z. B.
d.d. 1587, gerichtet an den Kölner Rat führt aus: Das Boten-
wesen begreife gar keine Post beförderung im eigentlichen Sinne
in sich; denn unter Post verstehe man eine Beförderung mit
Pferdewechsel von drei zu drei Meilen; ein solcher Wechsel
aber fände bei ihren »Boten« nicht statt. Dr. Ennen sieht
dies als eine Spitzfindigkeit der Definition an; ich aber glaube,
dass die Unterlegung frischer Pferde damals gerade als das
unterscheidende Merkmal für die Post angesehen wurde. Gegen
diese Unterlegung richtet sich hauptsächlich die Beschwerde
des Seraphim von Taxis dd. 1580: noch Benetti erblickt das
Wesen des Jus postarum in den »disponendis equis«. Auch
wird bezeugt, dass die Boten und zwar auch die landesherr-
lichen die Bezeichnung »Post« ihrem Dienste und Amte gerne
beilegten (Schäfer, Geschichte des Sächsischen Postwesens, S. 9).
Ein kurfürstlich sächsisches Reskript dd. 1572 an den Rat von
Weissensee schärft ein, dass die Bürgerschaft die Post, wann
es an Post- Bothen gemangelt, um das gewöhnliche Post-Lohn
forttragen sollte«; schon ein Reskript aus dem Jahre 1509 redet
von der »Bosspotterey« und den possbotten (Schäfer cit. S. 7).
Geläufiger scheint das Wort L. Rem gewesen zu sein, der in
seinem Tagebuch richtig schreibt, er sei 1515 »auf der Post« ge-
ritten. Noch bedeutsamer ist, dass schon die Bestallungs-Ur-
kunde Karls V. dd. 1516 von der »poste« redet und schon in
den vier Poststundenpässen dd. 1496—1500 (Mühlbacher’s Zeit-
schrift 1892) das Wort »Post« gleichbedeutend mit »Briefen«
[188] angewandt wird, sowie Franz von Taxis als »postmaister« unter-
zeichnet.
Herba nun nimmt von dieser (Taxis’schen) Anwendung des
Wortes keine Notiz, vielleicht aus naheliegenden Gründen, et-
wa deshalb, weil er, als genuesischer Postmeister seinem Kon-
kurrenten in Rom keine Konzession machen wollte, vielleicht
weil er nur für Reisende schrieb und für solche damals nur die
Postgelegenheit auf der Taxis’schen Transitroute benützbar war.
Der Unterschied gegen die Anlage des Büchleins Codognos
könnte dann daher herrühren, dass letzterer hauptsächlich auch
über die richtige Adressierung und Instradierung der Briefe be-
lehren wollte, vielleicht auch daher, dass Codogno Taxis’scher
Beamter, und in den auf Herba folgenden Jahrzehnten die Pas-
sagierbeförderung etwas komfortabler eingerichtet worden war.
Mag dem nun sein, wie ihm wolle, jedenfalls hätte Herba, wenn
die übertragene Bedeutung des Wortes »Post« in Italien ge-
bräuchlich gewesen wäre, unter keinen Umständen sich jeglicher
erläuternden Bemerkung enthalten können.
Dieser Umstand weist auf den französischen Ursprung des
Wortes, aber damit auch auf den gleichen bezw. den französisch-
flandrischen der Anstalt selbst hin. Dazu kommt weiter,
dass ich das Wort »posta« in den spanischen Urkunden erst
nach dem Auftreten der Taxis, zum erstenmal in einer solchen dd.
Dez. 1517 erwähnt finde. In Anbetracht dessen, scheint es mir
wahrscheinlich, dass dem Taxis’schen Institut dieser auszeich-
nende Titel in Anlehnung an die französische Post 1) von An-
fang an beigelegt wurde (1500: »capitaine et maistre des postes«).
Sobald demgemäss und wo im damaligen deutschen Reich noch
im 15. Jhh. dieses kritische Wort gebraucht wird, dürfte dies
als ein Beweis für das Auftreten der Taxis’schen
Verwaltung verwertet werden können. Ich bin aber sicher,
dass das Wort sich erst dann im deutschen Amtsstil vorfindet,
nachdem Flandern-Burgund mit dem Hause Habsburg vereinigt
worden war.
[189]
Liesse sich diese Hypothese, dass die französische Reitpost
nicht nur für das Wort, sondern auch für die ganze Einrichtung
der Taxis’schen Post als Vorgang gedient hat, näher erweisen,
so würden sich die Widersprüche zwischen Herba und Codogno,
sowie zwischen den Berichten M. Zeillers und L. Rems (s. oben
S. 170 und 180) von selbst auflösen. Wenn nämlich da l’Herba
seine Leser gar nicht auf die Postgelegenheit aufmerksam macht,
so geht hundert Jahr später M. Zeiller (1632 in seinem »Reyss-
buch« und 1661 in seinem »Fidus Achates«) noch weiter, dass
er wiederholt die Reisenden vor derselben warnt. Zudem war
1513 ausdrücklich der Taxis’schen Post eingeschärft worden,
dass sie von Privaten keine Briefe zur Beförderung annehmen
dürfe. Und doch ist nach dem Tagebuch L. Rems und nach
dem Wortlaut des Patents von 1516 nicht daran zu zweifeln,
dass von Anfang an die Taxis’sche Verwaltung die Vermietung
von Reitpferden an Reisende, die »cambiatura«, bestimmungs-
gemäss betrieben, und auch ein angesehener Kaufmann, wie
L. Rem, sich dieser Mitpferde 1515 wiederholt bedient hat.
Wie lässt sich all das zusammenreimen? Die scheinbaren Wider-
sprüche erklären sich leicht nach dem französischen Betriebs-
system. Nach demselben nämlich wurde von 1480 an — und
zwar für die grossen Transitrouten bis ins 18. Jhh. hinein —
die Uebermittelung der privaten Korrespondenz nur nebenbei
und ohne Garantie besorgt, als Hauptdienst aber für den all-
gemeinen Verkehr die Beförderung von Reisenden angesehen.
Die obige Hypothese nun, dass dasselbe Betriebs-Prinzip an-
fänglich auch bei der Taxis’schen Anstalt galt, findet eine hübsche
Stütze in einem Memorial einer Amtsstelle, welche von Anfang
an in einem engen Zusammenhange mit den Taxis gestanden
ist, nämlich der tyrolischen Kammer dd. 1579 an Erzherzog
Ferdinand, in welchem sie auseinandersetzt: das Muster für die
(Taxis’sche) Reitpost habe Ludwig XI., aber noch vor ihm die
Post der Sorbonne gegeben, die schon damals jedermann zu-
gänglich war, und die Unterhaltungskosten durch die Einnahmen
deckte. (Tyroler Stimmen, Jahrgg. 1891, No. 295). Diese fran-
zösische Betriebsart nun unterschied sich von der im 15. Jhh.
sonst in Deutschland und Italien üblichen so wesentlich, dass
[190] Herba und Zeiller der Abweichung auf dieser einen Route, wenn
sie gleich die bedeutendste war, mit einigem Recht nicht zu
gedenken brauchten.
Bemerkenswert ist, dass ein Synonymum von Posta, näm-
lich »cambiatura« (»scambie delle correi« = Wechselstation), das
in Italien bis ins 18. Jahrhundert, gleichzeitig, wenn auch seltener
angewandt wurde, sich nicht im Amtsstil behaupten konnte.
Ebenso ergieng es in Spanien den altehrwürdigen Worten »ve-
reda« (Kourierstrasse), »veredario« (Kourier), »caballi veredarii«
(Mietspferde), welche Worte von der Römerzeit her bis ins
19. Jahrhundert herein in spanischen Urkunden vorkommen. —
Nur wenige Jahrzehnte nach Herba zwang die Juristerei dem
Wort eine Tendenz-Bedeutung auf; schon Hörnigk (1638) definiert
(S. 10): »Posta est jus reale Majestatis, cursus publicos
ordinarios juxtaque extraordinarios instituendi«.
Je nach der Parteistellung adoptierten die Nachfolger Hörnigks
diese — auf den römisch-rechtlichen cursus publicus hinüber-
leitende — Begriffsbestimmung oder bekämpften sie. Eine Ver-
mittelung versuchte 1699 Joh. Linnäus in einer Dissertation, indem
er zwischen einer lateinischen und einer französischen Bedeutung
des Wortes unterschieden wissen wollte. Die meisten nahmen
Posta identisch mit Cursus publicus, und damit mit dem Recht
auf die — eben durch die neuzeitliche Postorganisation ent-
behrlich gewordene und beseitigte — »angaria«, auf die Requi-
sition »operarum et rerum«, auf »operae subditorum vehicu-
lares« (auf Frohnfuhren, Johann Schilter 1675, »territoire avec
jurisdiction« Coqueville). Das Dictionaire historique von Mo-
rery 1702 gibt dreierlei Begriffe; einmal bedeute das Wort »Post«
»Courseàcheval pour aller promptement d’un lieu à un autre.
On donne aussi ce nom aux courriers même ou aux logements =
stationes — stato — qui sont établis dans certaines distances,
pour y tenir des chevaux prets et des relais«.
[[191]]
Anlage 8 zu oben S. 68.
Die Entstehung der Postorganisation in Spanien
und in Italien.
Schon oben habe ich dargelegt, dass von allen Staaten des
Mittelalters Aragonien, von allen Handelsemporien jener Zeit
Barcelona zuerst eine Botenorganisation besessen hat. Nament-
lich im Vergleich z. B. zu der Republik Venedig ist es auf-
fallend, wie früh in Barcelona dieses Institut eingerichtet worden
ist, und wie viele Belege noch darüber vorhanden sind. Fast
lässt sich — (auch ohne das Zwischenglied der Chalifenpost) —
eine Kontinuität der Entwickelung bis zur römischen Kaiser-
zeit 1) aus den noch vorhandenen spanischen Urkunden verfolgen.
Die schon erwähnten Belege über Routenverzeichnisse aus den
Jahren 829, 947, 1035 und 1177 reichen denjenigen über die
Aufstellung von Boten die Hand. Nach Thebussem S. 17 und 67
nennt sich 1166 ein wohlhabender Kaufmann in Barcelona, Ber-
nardo Marcus »Correo«. Weitere Correos der Stadt Barcelona
werden genannt in Urkunden von 1405, 1407, 1433, 1449, 1450,
1451 u. s. f.; von Sevilla 1480, Granada 1492. Königliche Boten
kommen schon 1283 vor, dann (für den Hof von Aragonien)
von 1314, 1329, 1346 u. s. f. Die »Anales« vermögen aus den
Jahren 1283—1291 fünf, aus dem 14. Jhh. 13, aus dem 15. Jhh.
32 Urkunden vorzuführen, welche sich auf die Aufstellung von
Boten beziehen, allerdings zunächst »para annunciar negocios
urgentes«, wie Don Pedro 1344 anordnet. Das Stadtarchiv
[192] in Barcelona hat noch eine Urkunde vom 4. August 1449, welche
bestätigt, dass gewisse von dem »Mestre de Correus« bean-
spruchte Begünstigungen »por se contra costumbre« seien. —
Die Anregung zu Einführung der Post gieng für Italien —
vielleicht zu gleicher Zeit, wahrscheinlich aber früher als für
Deutschland — von verschiedenen Punkten aus, nämlich von
Neapel, von den See-Republiken Venedig und Genua, von
Mailand und Florenz mit ihren thatkräftigen Herrschern,
und von Rom. Zunächst von Neapel, das 1438 Ferdinand,
dem Sohne Alfons V. von Aragonien zugefallen war und von dem
Stammlande seines neuen Herrschers auch die Boten-Institution
herüberbekommen haben mag; L. Bianchini (»Storia delle fi-
nanze del Regno di Napoli«, 1839, p. 220) berichtet, das König-
reich habe schon zu Zeiten Ferdinands I., der 1494 starb, einen
ausgebildeten Apparat von Ausland- und Inland-Boten gehabt
»formarano i cavallari e correri un officio che ora si potrebbe
dire di posta … Si dividevono in ordinari e straordinari«. Wie-
weit diese Angabe auf Quellen-Beleg beruht, konnte ich nicht
prüfen.
Auf festeren Grund kommen wir bei den beiden See-
städten: Venedig und Genua hatten schon im 16. Jahrhundert
eine Schiffspost im Mittelmeer; es lag für sie nahe, solche auch
für den Landverkehr nachzuahmen. Genua hatte nach der
Versicherung Herbas schon im 15. Jahrhundert »Corrieri«; dieser
Gewährsmann versichert nämlich (S. 77 in der Ausgabe von 1564),
dass seit einem Jahrhundert viele »diligentissimi corrieri« aus
seinem Geburtsort Rezzo hervorgegangen seien. Bezüglich der
Republik Venedig bemerkt Codogno dass dieselbe ihre Kou-
riere erst 22 oder 24 Jahre vor Herausgabe seines Kursbuches
(1608) eingeführt habe. Ich kann diese Angabe nicht für richtig
halten. Wenigstens hatte schon 1523 Venedig — ebenso wie
Genua, dessen Postmeister 1563 ein Itinerarium in Rom heraus-
gibt — einen Postmeister in Rom. Gerade der Postvertrieb der
»compagnia dei corrieri Veneti« gab der päpstlichen Regierung
viel zu thun; einer der bezüglichen Erlasse, ein Breve Clemens III.
dd. 1523, — (mit dem der Wortlaut der Konzessionen seitens
der nachfolgenden Päpste übereinstimmt) — erteilt dem »ma-
[193] gister tabellariorum et cursorum dominii Venetorum« von neuem
die Erlaubnis zur Weiterführung seines Amtes in Rom 1).
Das Breve Clemens VII. dd. 1523 konzessioniert als den
Postmeister der Republik Venedig, unter deren Approbation,
Maffeo von Bergamo. Vermutlich ist dies der Bruder des
Johann Baptista von Taxis, der demnach zugleich spanischer und
venetianischer Beamter gewesen sein müsste: trifft das zu, so
sind die Teilhaber der »Compagnia dei corrieri bergamaschi«
identisch mit den Gliedern der Familie Taxis 2).
Anderseits behauptet Sacchi, dass die Botenzunft als Ge-
rechtsame von 32 privilegierten Familien (s. auch unten An-
lage 14) schon im J. 1305 die feierliche Bestätigung des Vene-
tianischen Senats erlangt habe 3). —
Eine dritte Verbindung des Ursprungs der Post mit den
Taxis 4) gewinnen wir sodann bei der Geschichte der inneren
Verwaltung der Viskonti von Mailand, (aus welcher Stadt
die Taxis stammen). Verschiedene Schriftsteller aus dem 16. Jahrh.
Huber. 13
[194] nämlich erzählen, dass einer der Mailänder Herzoge, sei es nun
Franz Sforza 1455, oder nach andern gar schon Galeazzo Vis-
konti im Jahr 1361 die Post »erfunden« habe. Delmati führt
als Beleg die Werke von Volterra (1530), Rhodigini (1559), Ma-
lavolta (1559) u. a. auf; Malavolta (»Istoria dei fatti e guerre
dei Sanesi«, Venezia 1559) sagt ausdrücklich: »nell’ età dei
nostri avi, fu dalla famiglia dei Visconti di Milano, intro-
dutto o rinnovato tal uso in Italia, onde si e disteso poi nelle
altre provincie«; Volterra (»commentariorum urbanorum, Lug-
duni 1506 bezw. 1553): »Nostris vero seculis diu neglectam hanc
consuetudinem in Italia Vicecomitum familia renovavit« 1).
Da Bergamo im 15/16. Jahrh. als Grenzfestung bald zu
Mailand, bald zu Venedig gehörte, so kann die Idee zur Grün-
dung der »Compagnia dei corrieri Bergamaschi« und damit der
späteren Reichslehenpost durch das praktische Vorgehen beider
Staaten angeregt worden sein. —
Was endlich Rom anbelangt, so sollte man von der 1778
im Rom erschienenen und dem Papst gewidmeten Monographie
Benetti’s nähere Auskunft darüber erwarten dürfen, ob und wie
schon im 15. und 16. Jahrhundert Botenkurse in Rom einge-
richtet worden sind. Darüber findet sich jedoch bei Benetti
nichts. Demungeachtet lässt sich kaum die Annahme abweisen,
dass sobald die Post irgendwo in der Christenheit sich erprobt
hatte, der damalige Mittelpunkt des Fremdenverkehrs und des
geistigen Lebens in der Einführung der Neuerung dem deutschen
Kaiser vorangeeilt ist. War doch Rom zugleich ein Hauptwall-
fahrtsort (»ad limina apostolorum«), der Sitz vieler geistlicher
Orden, die mit ihren Filialen, der Aufenthaltsort vieler Ge-
sandten und Kloster-Angehörigen, die ebenso dringend wie z. B.
die Universitäts-Studenten einer ständigen Verbindung mit ihrer
Heimat bedurften. Der Gang der Entwickelung dürfte der
[195] gleiche, wie an den Universitäten gewesen sein, und jede der
Nationen ihre eigene Botenanstalt gehabt haben 1).
Wie auf andern Gebieten, so wird auch auf diesem die ar-
chivalische Aufklärung der inneren Verwaltung der Päpste noch
manche Ausbeute ergeben. An bezüglichen Urkunden enthält
das »Bullarium Romanum« (»Bullarium Diplomatum et Privile-
giorum Sanctorum Romanorum Pontificum, 1867, Taurinensis
Editio«) nichts. Die schon bekannten Verordnungen der Päpste
beziehen sich nur auf die ausländische Post, und zwar haupt-
sächlich auf die spanische (nicht etwa die deutsche), aber was
nicht minder Beachtung verdient, auch auf die Post von Frank-
reich, Toskana, und der Republiken Venedig und Genua.
13 *
[[196]]
Anlage 9 zu oben S. 64 und 72.
Der erste deutsche Generalpostmeister und die
Ausbreitung der Taxis’schen Familie.
Interessant ist, dass schon 1579 laut den Akten der tyro-
lischen Statthalterei (»Tyroler Stimmen«, Jahrgg. 1891, No. 295
und 296) die tyrolische Kammer als Ergebnis ihrer Nachforsch-
ungen bezeugt, Kaiser Friedrich III. habe erstlich und anfäng-
lich die Poststationen im Reich und in den Erblanden aufge-
richtet; das Verdienst, diese Posten gelegt zu haben, werde dem
obersten Jägermeister Rogero de Tassis del Cornello, dem ersten
Taxis in österreichischen Diensten zugeschrieben. Noch Erz-
herzog Siegmund habe seine Briefe hin und wieder mit Boten,
so man »Silberboten« nennt, geschickt. Als aber Kaiser Maxi-
milian I. zur Regierung gelangt sei, seien die Poststationen im
Reich, den Erblanden und auch in den Niederlanden, insbe-
sondere 1508 im Krieg gegen Venedig »in mehreren Aufgang,
Thuen und Wesen gebracht« worden. Wichtige Anhaltspunkte
geben die Rechnungs-Belege über Zahlungen an die Taxis:
1491 erlegt die Kammer »zur Notdurft der Post« an Jannet de
Taxis 1257 Gulden, 1501: 538 Gulden, 1506: 1273 Gulden; am
18. August 1496 schärft Maximilian I. zum zweitenmal ein,
keine Verzögerung in der Abrechnung mit Jannet de Tassis
eintreten zu lassen, da der Kaiser seiner Dienste bedürfe.
Auf Grund dieser Dokumente lassen sich die Beziehungen
der Taxis’schen Familie zu der Post bis zum Jahr 1491 zurück-
verfolgen; damit gewinnen die von Rübsam (»Johann Baptista«
1889, S. 4 und 5) für die Jahre 1498, 1496 und 1493 mitgeteilten
Daten eine ausreichendere Unterlage. Trotzdem lege ich vor-
erst der weiteren Zurückdatierung keine allgemeine Bedeutung
[197] bei, da noch der Nachweis fehlt, ob nicht vor 1504 die Ein-
richtung der Post nur durch einen speziellen und vorüber-
gehenden Anlass hervorgerufen worden ist 1).
Schon oben S. 157 nämlich haben wir des allmählichen
Aufkommens temporärer Posten gedacht. Solche werden von
Innsbruck aus unter Kaiser Max wiederholt gelegt, so 1496 nach
Mailand, 1499 nach Laibach; beide hatten einen nur vorüber-
gehenden Anlass, die erstere die Heerfahrt Maximilians nach
Italien, die letztere die Ordnung des Nachlasses des Grafen
von Görz: sie wurde durch einige Monate auf Kosten des Nach-
lasses erhalten, später aber abgekündet. Einen ähnlichen Cha-
rakter hatte die Relais-Post, welche 1496 zwischen dem Inns-
brucker Kabinet und dem in Oberitalien beschäftigten Heer-
kommando gelegt worden war: als dauernde Organisation war
sie damals wenigstens nicht beabsichtigt, wenn sie gleich als
solche sich vielleicht in der Folge erhalten hat. Selbst noch
für die Bestallung von 1501 scheint der geldrische Krieg den
Anstoss gegeben zu haben; wenigstens ist darin eine Postver-
bindung zwischen dem Heerkommando und der Residenz be-
sonders vorgesehen (»Item que durant la presente guerre de
Gueldres, le dit maitre entretiendra assy postes de quatre
lieues en quatre lieues jusques au lieu ou sera notre lieutenant«,
Rübsam S. 192).
Nach all dem bestand die Kaiserlich-Taxis’sche Post in
den ersten Jahrzehnten lediglich in der Errichtung von Stationen,
»poste«, für die Feldjäger-Relais behufs Verbindung des Sitzes
[198] der kaiserlichen Verwaltung, den unter Maximilian I. Innsbruck
bildete, und dem (fast täglich wechselnden) Aufenthaltsorte des
Kaisers »an den hof, wo der yetzo ist« (s. oben S. 158); weder
die Route noch die Abgangszeit war festgelegt; bezeichnend
hiefür ist der verursachte Aufwand, der 1501 nur 538 Gulden
beträgt. Aber auch das Patent von 1516, in welchem dem
Taxis schon ein Gehalt von mehreren hunderttausend Mark zuge-
sichert wird, behandelt nur die Endziele: Innsbruck, Burgos,
Neapel, Rom, Paris und das Maximum der Expeditions-Frist;
von einer regelmässigen Route oder Abgangszeit ist noch keine
Rede: der König kann noch grössere Eile verlangen, doch nicht
öfter als 1—2mal im Monat, 1518 wird die über Württemberg
gehende Route (vorübergehend) verlegt u. s. w.
II.
Die Familiengeschichte des Hauses Taxis ist in jenen Tagen
ein Spiegelbild von dem Emporkommen der habsburgischen
Hausmacht. Der Centralsitz, das »Generalat« der Taxis’schen
Verwaltung war, wenigstens zu Lebzeiten Karls V. Brüssel, wo
die Hauptlinie der Taxis, so Johann Baptista bis zu seinem Ab-
leben im Jahr 1541 und sein Nachfolger Leonard I. († 1612)
von 1541 residierte. Noch während der Dauer der Personal-
union Oesterreichs mit den Niederlanden sorgt Johann Baptista
dafür, dass für Spanien ein besonderer Generalpostmeister er-
nannt wird: so bestanden wohl unter Karl V. zwei »spanische«
General-Oberpostmeister von Taxis nebeneinander, der eine für
die niederländisch-deutsche, der andere, der nicht unter der
Brüsseler Oberleitung stand, für die Route von Madrid nach
Genua, Mailand, Rom und Neapel. Johann Baptista († 1541)
und Leonard I. († 1612) waren nicht kaiserlich deutsche,
sondern — Leonard wenigstens bis 1595 — königl. spanische
General-Oberpostmeister. —
Nach dem Ableben des Franz Taxis im Jahre 1517 werden
Johann Baptista und seine Brüder Matthäus und Simon von
Karl dem V. zu »Postmeistern aller seiner Reiche und Herrschaften«
ernannt; ersterer erhält für die Unterhaltung der Verbindung
zwischen Spanien und den Niederlanden durch Verordnung von
[199] 1518 einen Jahresgehalt von 6000 Dukaten Gold angewiesen. Nach
den von der spanischen Generaldirektion herausgegebenen »Ana-
les« finden sich noch folgende Bestallungsurkunden vor: dd. 8. Nov.
1539 für Raimund, den Begründer der spanischen Seitenlinie
(1535—1539 hatte nach Maffeo’s Ableben ein interimistischer
Stellvertreter funktioniert), ferner, d. d. 1556 für dessen Sohn
Joan, (dem 1580 das Monopol über ganz Spanien, auch über
Kastilien verliehen wurde); d. d. Dez. 1598 für Joan, der 1603
zum spanischen Grafen von Villamediana erhoben wird, († 1607);
dessen Nachfolger wurde sein Sohn, Joan II. von Taxis und
Peralta, zweiter Graf von Villamediana.
[[200]]
Anlage 10 zu oben S. 88.
Transit durch Württemberg.
Ulrich, Herzog zu Würtemberg (1498—1550) ward der Haupt-
Beförderer dieser spanisch-italienischen Post dadurch, dass er
in seinem Lande, um aus politischen Gründen dem Kaiser eine
Gefälligkeit zu erweisen, vier Stationen — in Canstatt, Ebers-
bach, Enzweihingen und Knittlingen — jedoch unter seiner Lan-
deshoheit bleibend, erlaubte, und freiwillig die Taxisschen Post-
beamten von allen städtischen Lasten und persönlichen Lei-
stungen befreite, (nur musste der Postmeister in Canstatt ein
Württembergischer Unterthan und Lutherischer Confession sein).
Auf dieser Begünstigung fussten die Taxis’schen Postbeamten
auch den andern Reichständen gegenüber und forderten die
gleichen Befreiungen als ein Monopolium privativum, was später
ebenfalls eine Masse Prozesse zur Folge hatte.
Der besonders heftige Widerstand der württembergischen
Herzöge gegen das (widerrechtliche) Regal erhielt später im
Reichsdeputations-Abschied von 1803 noch einen unvermuteten
Nachklang: denn (heute) Württembergisches Land (die geistliche
Reichsstandschaft Buchau, Neresheim und Marchthal) war es
hauptsächlich, aus welchem die private Abfindung für den Ent-
gang der Einkünfte der Reichsposten in den an Frankreich ab-
getretenen Provinzen herausgeschnitten wurde: über Millionen
von Menschen und über Millionen Werte wurde damals mit
einem Federstrich verfügt; der General-Postmeister des hl. rö-
mischen Reichs dagegen wurde zur Entschädigung zum »Fürsten
zu Buchau, gefürsteten Grafen zu Marchthal und Neresheim«
erhoben: auch hier erwiesen sich die Taxis, wie 1595 und 1866
als findige Geschäftsleute.
[[201]]
Anlage 11 zu oben S. 89.
Henot.
Die Kämpfe des Projekten-reichen Henot gäben einen dank-
baren Stoff für Ebers oder G. Freytag. Henot beginnt sie 1578,
führt sie siegreich gegen alle Konkurrenz-Anstalten durch, bis
er 1596 von F. Taxis selbst als kaiserlicher Postmeister aner-
kannt wird. Ein Jahr zuvor war Henot von M. Welser (in einem
im Berliner Postmuseum aufbewahrten Brief) aufs angelegent-
lichste dem Leonhard v. Taxis empfohlen worden: während
eines halben Jahres habe er am Hofe des Kaisers mitangesehen,
wie die Verleihung des Lehens-Regals ohne seine unsägliche
Arbeit und Fürsorge nicht so weit vorgeschritten sein würde;
»ich bitte Sie, niemandem, der Ihnen das Gegenteil sollte zu
hören geben oder wenigstens die geleisteten Dienste zu ver-
wischen versuchte, Gehör zu geben.« Einige Jahre darauf, 1603
zerwirft sich der unruhige Mann wieder mit den Taxis, wird
deshalb seiner Stelle in Köln entsetzt, und führt beim Reichs-
hofrat einen Prozess, der noch unentschieden hieng, als Henot
im Jan. 1626 starb. Seine gescheute und thatkräftige Tochter,
Katharina Henot, welche die Rechte ihrer Familie energisch
weiter vertrat, wurde im Jahr nach dem Ableben ihres Vaters
wahrscheinlich unter Mitwirkung des Taxis’schen Anhangs als
Hexe in Anklagestand versetzt und verbrannt.
[[202]]
Anlage 12 zu oben S. 91 und 97.
Die rechtliche Begründung des Regals.
Der Darlegung der allmählichen Entwickelung ist oben
auch deshalb ein breiter Raum zugemessen, weil sie die juri-
stischen Deduktionen über das Regal in ein neues Licht rückt.
Es ist vielleicht nicht unabsichtlich, dass die letzte Verteidig-
ungsschrift zu Gunsten des Taxis’schen Regals in Lindes Archiv
für das öffentliche Recht des deutschen Bundes 1858, III. Bd.,
S. 1—139 über die geschichtliche Seite, im Unterschied von den
früheren juristischen Abhandlungen sehr kurz hinweggeht.
Das grundlegende Patent Karls V. vom 12. Nov. 1516 si-
chert schlechterdings nichts anderes zu als 1) das Privileg für
die transitierende Auslandpost »pour Espagne, Rome
et Naples« (A. XIII. vergl. mit dem Erlass der erzherzogl. bel-
gischen Regierung d. d. 27. Juni 1600) und 2) die Erlangung
des freien Postenlaufs oder eines Passe-partouts, den die deut-
schen Fürsten dem Transit der Posten auf Grund des damaligen
Völkerrechts ebenso wie Frankreich und der Kirchenstaat ge-
währen sollten (Art. X., Rübsam 1889, S. 220). Von Deutschland
konnte in dem Patent aus dem einfachen Grunde keine Rede
sein, weil dort Karl noch nichts zu sagen hatte. Der Bestallungs-
brief von 1563 sodann ist, wie es überhaupt der Natur der Sache
nach nicht anders sein konnte, lediglich eine Bestätigung des
ursprünglichen von 1536, bzw. 1543 welcher »von Wort zu Wort
hernach geschrieben stehet und also lautet: »Charles par la
divine etc.« Letzterer ist aber lediglich die Wiederholung der
»lettres patentes von 1516 und der conditions et reservations
plus a plein continues en nos dictes lettres«. Dieses Patent
wurde schon einige Jahrzehnte darauf als die Rechtsgrundlage
eines für das deutsche Reich giltigen Regals erklärt, kann
[203] aber unmöglich eine solche abgeben. Im Jahre 1516 war ja
Karl V. erst Herzog von Burgund, die »lettres patentes« sind
von der niederländischen Kanzlei ausgefertigt, Franz von Taxis
war — seit 1500 — ein spanisch-niederländischer Beamter oder
Lehensträger geworden; das Patent des flandrischen Herzogs
für einen seiner flandrischen Beamten konnte für das Deutsche
Reich keinerlei Bezug haben. Den richtigen Sinn des Patents
kann man, was übersehen worden ist, genauer feststellen, wenn
man seinen Wortlaut mit den früher von der spanischen
Kanzlei ausgefertigter Patenten und Passe-partouts
vergleicht. Es genügt, wenn ich hiefür auf die Urkunden ver-
weise, welche in den »Anales de las Ordenanzas« 1879, S. 429
(Okt. 1389), 463 (Sept. 1499) u. s. f. sich vorfinden. Als Karl V.
deutscher Kaiser geworden, erneuerte er (1520) das Patent;
Neues, insbesondere ein Reichsregal, wollte er, wie aus der ein-
fachen Wiederholung des früheren Wortlauts zu ersehen ist, nicht
schaffen; jedenfalls hätte er dann auch die Raten der Taxis’schen
Besoldung anders verteilt, von welcher nach wie vor 6/10 auf
Spanien, 3/10 auf Neapel, und 1/10 auf die Niederlande ange-
wiesen blieben.
Die »Kronjuristen« des Hauses Taxis suchten in das Patent
von 1516 bezw. 1536 oder 1543 alles mögliche hinein zu inter-
pretieren, aber an den feststehenden Thatsachen der Allmäh-
lichkeit der Entwickelung muss jede Sophistik scheitern.
Noch weniger ernst sind die Versuche zu nehmen, die, in
Anlehnung an die Rezeption des römischen Rechtes, vielfach
angestellt wurden, um einen Rechtsboden durch Uebertragung
der Grundsätze des römischen »Cursus publicus« zu schaffen.
Vor allem sind die Taxis’sche Reichspost und der römische
cursus publicus — das wird aus gegenwärtiger Abhandlung klar
hervorgehen — zwei ganz wesentlich verschiedenartige Dinge;
eines beweist für das andere gar nichts. Sodann konnte für
das Verhältnis des Kaisers zu den Kurfürsten und Reichsstädten
das römische Recht nicht massgebend sein und war es auch nie.
Schon zwei Jahrhunderte früher, in der »Goldenen Bulle« von 1356
waren alle kaiserlichen Gerechtsame und Regale, wie das Münz-,
Zoll-, Bergwerks-, Satz-, Judenschutz- und Abzugs-Recht auf die
[204] Kurfürsten, später auch auf die übrigen Territorialherrn über-
gegangen: »nicht Wiederherstellung des römischen Postservituts,
sondern förmlichen Verzicht der Könige auf diese prätendierten
Gerechtsame der alten Imperatoren verlangten die geistlichen
und weltlichen Vasallen je für ihre Person und ihre Gebiete«
(s. Ockel c. Hörnigk: »den italienischen Skribenten ist wenig
zu trauen; die Gerechtsame der deutschen Fürsten und Stände
liessen sich mit dem lateinischen Rechte nicht vergleichen«;
Beust cit. II. S. 453). Dieselbe Exemtion, auf welche der
Kaiser für seine Erblande vorsorglich in den Bestallungsbriefen
hinwies — »doch uns der Posten halber, so wir selbst besolden und
unterhalten, unvorgrifflich« (Bestallung von 1563, ähnlich 1615) —
dieselbe Exemtion stand sämtlichen Reichsständen mit gleichem
Rechte zu, und wurde auch von ihnen bei jeder Gelegenheit
geltend gemacht.
Allerdings bekommt das Patent Karls V. in seiner Bestä-
tigung durch Ferdinand I. im Jahre 1563 schon eine aggressivere
Form dadurch, dass sich dieselbe nicht mehr bloss an die
Kaiserl. Beamten und Unterthanen, sondern auch an die Kur-
fürsten und Reichsstände wendet; es könnte sich fragen, ob
nicht diese Bestätigung des deutschen Kaisers wenigstens eine
staatsrechtliche Dienstbarkeit geschaffen hat. Aber wenn der
deutsche Kaiser Ferdinand ein bisher unbestritten spanisch-
niederländisches Amt zu einem Reichsamt hätte erheben wollen,
so hätte er dies auch irgendwie zum Ausdruck bringen müssen,
und sich nicht auf den gleichen Wortlaut des von Karl V. aus-
gestellten Patents beschränken können. Die darin gebrauchte
diplomatische Redewendung, die Reichsstände möchten dem
Leonhard von Taxis alle die Dienste und Hilfeleistungen ge-
währen, welche schon Karl V. angeordnet hat, und
(wie Beust, II. T. S. 944 mit Recht hervorhebt), auch der Wort-
laut des Bestallungsbriefs von 1563 (»den Reichsposten so gemelter
König Philipp I. allein besoldet«) beweist, dass die Taxis’sche
Post damals nur eine spanisch-niederländische ge-
wesen, und also dieses Generalpostmeisteramt auch nur so weit
zu verstehen ist.
Bleibt noch das Ersuchen der Kurfürsten von 1570. Aller-
[205] dings lässt der Wortlaut: (die Posten seien des Kaisers be-
sondere Hoheit und Regale, er möge dieselben bei dem
Reiche erhalten und nicht in fremde Hände kommen lassen)
manche Zweifel offen; dieser Wortlaut aber wird nur richtig
aufgefasst, wenn man die Richtung des Protests gegen den
spanischen König und das beschränkte Geltungsgebiet (Be-
förderung der Brieffelleisen für den spanisch-habsburgischen
Hof auf der Route Brüssel-Augsburg-Mantua) im Auge behält,
da sich bloss hierauf der Protest beziehen kann. Allgemein
wurde damals die Taxis’sche Post als eine ausländische Ver-
waltung angesehen: »von Herrn Philippsen, König von Hispanien
allein unterhalten und besoldet« heisst es in dem Taxis’schen Be-
stallungsbrief von 1563; »man ist«, erklärt 1596 der Württemb.
Herzog Friedrich, »Spanien keine Post schuldig, denn was aus
gutem Willen geschehen« (Stängel, S. 203). Nun ergriffen 1570
die Kurfürsten die Gelegenheit, um der unklaren Stellung ein
Ende zu machen, in welcher zu ihnen die spanische Postver-
waltung mit ihren Ansprüchen auf privilegierten Gerichtsstand,
Steuerfreiheit u. s. w. seit der Abdankung Karls V. stand; die
Route Brüssel-Augsburg-Mantua sollte unter des Kaisers Hoheit
gestellt werden. Daher bekämpften die Kurfürsten auch nicht
das spätere Projekt Henots, eine rein deutsche Reichspost zu
errichten. Aber sie wehrten sich sofort, als das Projekt in die
Hände der Taxis hinübergespielt wurde, offenbar weil sie die-
selben als ausländische Eindringlinge ansahen. Die Erklärung
von 1570 spricht also durchaus nicht zu Gunsten des Taxis’schen
Regals; andernfalls hätte sofort auch die Besoldungsfrage, (die
ja den einzigen Grund zu der damaligen Verwirrung des Post-
wesens abgab), besprochen werden müssen. Aber davon ist
auch nicht entfernt die Rede.
Ferner müssten die Kurfürsten nicht nur die Lehens-Ver-
leihung an die Taxis’sche Familie befürwortet, sondern zugleich
auch auf ihre eigene Landespost verzichtet haben. Dass sie
daran bei ihrem Ersuchen von 1570 am allerwenigsten dachten,
beweist ihr vor- und nachheriges Verhalten gegenüber der Reichs-
lehenspost mehr als genug: Gerade in jener Zeit werden von
den Territorialherrn (wie von den Reichsstädten) die durch-
[206] gehenden Reitposten systematisch — und zwar als ein Macht-
element ihrer Souveränität — eingerichtet, so 1576 für den Dienst
nach Wittenberg von Kur-Brandenburg, 1563 von Kursachsen,
1569 für Braunschweig-Lüneburg; 1583 erlassen die Kurfürsten
von Brandenburg und Sachsen ein neues Boten-Reglement,
1589 errichtet die markgräfliche Regierung in Ansbach eine
Botenpost nach Halle a.S. und Celle u. s. w.
Noch markanter für die Anschauung und Stellung der Reichs-
stände gegenüber der Taxis’schen Botenanstalt sind die ver-
schiedenen Versuche, welche einige derselben unternahmen, um
eine gleiche Ausland- oder Ueberlandpost, wie die Taxis’sche
ins Leben zu rufen. Schon 1542 nämlich war der Rat in Cöln
an die Ausführung eines Projektes gegangen, wonach die Post
von Cöln nach Frankfurt, von da weiter nach Würzburg und
Nürnberg gelegt werden sollte. Er hatte die Städte Aachen
und Dortmund um Beteiligung an den Unkosten angegangen,
das Projekt jedoch schon im Vierteljahr nach der Ausführung,
wegen mangelnder Rentabilität wieder aufgegeben.
Gefährlicher für die Taxis’sche Botenanstalt wurden zwei
andere Projekte, welche dreissig Jahre später, in den 70ger Jahren
des 16. Jhh., also zu einer Zeit auftauchten, da das Lukrative
einer solchen Unternehmung schon allgemein bekannt war. Es
waren die kaufmännische Korporation in Augsburg und der
sächsische Kurfürst August, welche fast im gleichen Jahr —
nicht etwa eine Förderung der Taxis’schen Post, sondern einen
Konkurrenzkampf auf der Transitroute nach Brüssel planten.
Kurfürst August nämlich beabsichtigte 1579, also nur einige
Jahre, nachdem Henot auf den Plan getreten war, »zur Hebung
des Handels, sonderlich nötig und dienlich, eine reitende Post gegen
Augsburg und von dannen fürder nach Italien und Niederland zu
legen, dadurch den Kaufleuten ihre Briefe mit guter Sicherheit
eilendt hin und wieder zu schicken, sondern auch derselben Post
selbst gebrauchen«. Der Kaiser äusserte »wegen des Taxis’schen
Privilegiums« Bedenken; der Kurfürst machte aber in sehr aus-
drücklicher Weise geltend, dass dieses Privilegium ohne Zu-
stimmung der Reichsstände erteilt und daher
für sie nicht verbindlich sei. — Der Kurfürst liess zwar
[207] das Projekt fallen, die Kaufleute in Augsburg dagegen gaben
noch weniger auf das angebliche Privilegium, und planten
für die gleiche mitteleuropäische Weltstrasse eine direkt gegen
die Taxis’sche Post gerichtete Konkurrenz-Anstalt. Schon länger
hatten dieselben ja ihren eigenen Botenkurs nach Venedig; um
das Jahr 1576 »verliessen sie die ordentliche Post« — scil. für
die Strecke Augsburg-Köln — »und errichteten für sich selbsten
ein besonderes neues Botenwerk« (s. Schreiben des Kaisers
Rudolf dd. 1. Febr. 1579, abgedruckt bei Faulhaber, Geschichte
der Post in Frankfurt 1883, S. 246) 1). Dieses Botenwerk unter-
hielten sie nicht nur einige Jahrzehnte lang, sondern suchten
es (1583) auch noch auf die Strecke Köln-Antwerpen auszu-
dehnen, (worauf allerdings die Kölner Stadtboten nicht einzu-
gehen wagten) 2). Damit wäre der Grund zu einer kaufmännischen,
internationalen, trefflich organisierten, der kaiserlichen
Post vollständig ebenbürtigen Konkurrenzanstalt gelegt gewesen.
Interessant ist, wie nun die Taxis’sche Verwaltung gegen
diese Konkurrenz vorgieng; denn das gibt einen wichtigen An-
haltspunkt für die damalige Auslegung des Sinnes der Bestalluns-
dekrete. Es findet sich darüber auf der K. öffentlichen Biblio-
thek in Stuttgart in einem Handschriftenband eine eingehende
Korrespondenz Kaiser Rudolfs mit Seraphim v. Taxis und Hans
[208] Fugger aus den Jahren 1578—1580 vor. (Acta Historiam Rei-
publicae Augustanae illustrantia, Histor. 239). Darin ist zunächst
von einem etwa schon bestehenden Rechtsanspruch der Familie
Taxis nirgends die Rede; vielmehr wird allseitig vorausgesetzt,
dass der Kaiser noch das freie Recht der beliebigen Verleihung
habe 1); wende er je diese »Gnadenbewilligung« den Taxis zu,
so haben sie sich zu gewissen Gegendiensten zu verpflichten.
Noch weniger ist die Rede von einer etwaigen Einklagung gegen
die Augsburger Kaufleute vor dem Reichshofrat, wie sie nach
1595 sofort angestellt wird, (schon 1651 konnten die Taxis so-
gar dem mächtigen Grossen Kurfürsten gegenüber verlangen,
der Kaiser möge an ihn »absonderlich poenaliter reskribieren«).
Seraphim von Taxis beklagt sich beim Kaiser nur darüber,
»was für Irrthum und Wiederwärtigkeiten sich etlich Jahr hero,
das alt hergebrachte Postwesen halber im Heiligen Römischen Reich
mit denen per Niderland handtierenden Kaufleuten in Augsburg zuge-
tragen; es sei drei Jahre hero wider dem Postwesen durch die Kauf-
leut eintrag beschehen, in welcher Zeit ich das wenigst zu meinem
Vorteil und nuz nit eingenommen noch genossen; der Kaiser möge
mit den Kaufleuten in Augsburg handeln und sie anhalten,
dass sie von ihrem neuangestellten pottenwerkh mit vnderlegten Pferden
zeitlich abstehen«. Anderseits erbietet er sich, dass sie ihrer Brief
halber treulich und aufrichtig sollen gedient werden (Handschrift
S. 8, 17 b, 20 b). Am 20. Sept. 1580 verlangt der Kaiser von
Hans Fugger und Maximilian Ilsung ein Gutachten ein, da sie
doch im Postwesen eine grosse Erfahrung hätten. Auch aus
diesem Gutachten geht hervor, dass man damals als selbstver-
ständlich voraussetzte, dass der Kaiser einen deutschen Post-
meister ernenne, der selbständig und unabhängig von dem
Spanischen, in Brüssel domizilierten Postmeister sei. Es heisst
[209] darin u. a.: sie hielten es »für billig und notwendig, dass der
niederländische Postmeister sein Amt nicht weiter als bis gegen
Cöln extendiere, noch ein mehreres Postgeld als bis Cöln ein-
nehmen solle«, derselbe möge die Briefe Cöln zu annehmen
und wieder gegen Cöln liefern, habe sich auch mit den Augs-
burger Handelsleuten schon dahin verglichen, dass er nur bis
gegen Cöln das Postgeld erhebe. Für die Strecke Köln-Trient
möge die Kaiserliche Post unter Seraphim von Taxis ge-
stellt werden; als General- und Obristen-Postmeister solle er
alle Postboten auf benannten Strassen auf eigene Kosten
unterhalten (S. 12 und 16).
Ebenso sprechend ist die Aeusserung, S. 15 b, welche sich
auf die Tragweite der früheren Patente und des neu zu er-
wartenden (von 1595) bezieht, und auch nicht eine leise Idee
von einer Monopolisierung oder von einer Verpflichtung seitens
der Territorialherrn enthält.
»Zum dritten« heisst es darin, »sollen Ew. K. Majestät die
Postboten von allen Frohndiensten eximieren und allen
Reichsständen schreiben, sie möchten die Posten unaufgehalten
passieren lassen und den Obristen-Postmeister unter ihren Schutz
und Schirm nehmen. Wir halten gehorsamlich dafür, dass
all das mit etlichen wenigen schriftlichen oder offenen Patenten
leichtlich erreicht und männiglich der Anstellung einer richtigen
gewissen Post alle mögliche Förderung zuwenden werde«. Als
Gegenleistung für diese »Gnadenbewilligung« soll Seraphim
(S. 11) die Postboten auf der Transitroute (»auf benannten
Strassen«) unterhalten, wöchentlich zwei Ordinarien hin und her
gehen lassen und die Korrespondenz für den Kaiser und das
Hochlöbliche Haus Oesterreich, wie von Alters her besorgen.
Mit den Handelsleuten solle er sich eines billigen Postgeldes
und einer gewissen Zeit zur Lieferung der Briefe vergleichen.
Aus all dem geht hervor: Die Unterdrückung einer etwaigen
Konkurrenz lag nicht im Sinne der fraglichen Patente. Wenn
sie aber je eine den Territorialposten feindliche Spitze gehabt
hätten, so wäre es doch sehr fraglich, gegen welche Beför-
derungsobjekte und gegen welche Botenzüge dieselbe
gerichtet war. Die erste Bekanntgabe von Kurs und Porto kann
Huber. 14
[210] erst nach 1595 nachgewiesen werden 1), der vorherige Betrieb,
wie er 1595 monopolisiert wurde, umfasste lediglich 1) die direkte
Weltroute Brüssel-Mantua, nicht ein von dieser Haupt-Arterie
abzweigendes und sich verästelndes Netz von Botenzügen und
2) lediglich die transitierenden Ausland-Briefe, nicht auch die
Unterwegspost. Das geht auch aus dem ebenerwähnten Fugger’-
schen Gutachten (S. 14) hervor, das lediglich die Abtrennung
dieser Transitroute von der niederländischen Post und die Zu-
weisung des von Cöln ab anfallenden Portos an den kaiserlichen
Generalpostmeister behandelt.
Den letzten Zweifel endlich über die Rechtsauffassung
jener Zeit oder über das, was die verschiedenen Patente und
Erklärungen wirklich gewollt haben, benimmt ein Blick auf die
analoge Entwicklung anderer gleichzeitiger Transitposten.
Beispiele hiefür bietet die Geschichte der Post der Republik
Venedig nach Rom und deren Verhältnis zu der päpstlichen
Post, die der Hansapost Mecklenburg gegenüber, die der Dan-
ziger Botenanstalt gegenüber dem Kurfürstentum Brandenburg,
die im 18. Jhh. nach Dresden eingerichtete preussische Post
u. s. f. Alle diese Botenanstalten sind von dem betreffenden
[211] Landesherrn nur precario zugelassen, machen aber bald, falls
sich derselbe nicht rechtzeitig vorsieht, die Rechts-Ersitzung
geltend; (einige Schweizer Kantone, wie Freiburg und Solothurn,
erhoben deshalb vorsorglich seit Ende des 17. Jhh. (von der
Familie Fischer) einen Rekognitionszins von einigen hundert
Francs). Manche Transitposten gehen weiter und suchen —
wie 1578 Henot — den gesamten brieflichen Verkehr durch ihr
Kontor zu leiten und dort zu centralisieren. So weist die Ent-
wickelung z. B. des 1630 von Zürich nach Genf organisierten
Botenritts einen ganz ähnlichen Gang auf, wie die Reichslehen-
post. Kaum war nämlich von den beteiligten Kantonen der
Transit zugestanden, so errichteten die Züricher in Thurgau,
Aargau, Zug, Luzern, Glarus und in den italienischen Land-
vogteien, Transitbureaux, ähnlich wie die Taxis solche Transit-
bureaux in Augsburg, später auch in Cannstatt u. s. w. hatten.
Nun hätten ohne Zweifel die Zürcher bald, wie die Taxis, auch
einen Rechtsanspruch für den Transit und auch gegenüber der
Unterwegspost geltend gemacht, aber im Jahre 1675 wurde von
der Berner Regierung, in Nachahmung des Vorgehens Kaisers
Rudolfs II., die Familie Fischer mit dem Postregal im ganzen
Umfange der Republik beliehen.
Ganz ähnlich entwickelte sich auch der von Venedig nach
Rom unterhaltene Botendienst, dessen wir schon oben, S. 193
gedacht haben. Ursprünglich war derselbe, wie die Taxis’sche
Reitpost, nur gestattet für den direkten diplomatischen
Verkehr von Hof zu Hof, also zwischen dem Kabinet in Vene-
dig und dem Gesandten in Rom 1). Wie es nun bei den Kauf-
mannsboten jener Zeit allgemein üblich war, wurde die päpst-
liche Vergünstigung, welche, (wie das Patent Karls V.) nur auf
den Fernverkehr, auf die Verbindung bloss der beiden End-
14 *
[212] punkte sich bezog, sofort auch auf die zwischenliegenden Plätze,
auf die Unterwegsbestellung in Rimini, Ravenna, Foligno u. s. w.
ausgedehnt. Die Weiterentwickelung jedoch nahm einen andern
Gang als in Deutschland, weil die Kurie vorsichtiger war
als die deutschen Landesherren. Bei jeder Thronbesteigung
eines neugewählten Papstes nämlich musste die Republik Ve-
nedig um Erneuerung des Privilegs einkommen. Solche Kon-
zessions-Urkunden liegen vor von Clemens III. (1523), Paul III.,
Julius III., Paul IV., Pius V. (1565), Gregor XIII. (1573), Cle-
mens VIII. (1582), Gregor XV. (1621). Die päpstliche Regierung
deckte sich weiter auch dadurch, dass sie bei der Erneuerung
der Konzession dieselbe lediglich auf den Transitdienst be-
schränkte, oder wie unter Pius V. — (der 1565 eine päpstliche
Botenpost nach Venedig versuchsweise und nur vorübergehend
einführte) — gänzlich versagte. Bei dieser Vorsicht konnte dann
auch die venetianische Kompagnie (»Societas 30 civium Ber-
gamensium et Briscensium«) gegenüber der Kurie nicht die
bedenklichen Konsequenzen geltend machen, welche die Taxis
gegenüber den deutschen Landesposten zogen.
[[213]]
Anlage 13 zu oben S. 107.
Die Sage von der Taxis’schen Erfindung.
Die Thatsache der »Erfindung« der Post durch Roger oder
Franz von Taxis, auch das Jahr dieser Erfindung wird allge-
mein, als über jeden Zweifel erhaben, nacherzählt, so z. B. noch
im »Deutschen Postarchiv« v. 1888, S. 165, in der L’Union
postale« von 1885, S. 169 (von dem sonst sehr sachkundigen
verst. Postdirektor Löper), in der IV. Auflage von Meyer’s Kon-
versationslexikon s. v. »Post« S. 274, oder in Rothschilds »Hi-
storie de la poste«, S. 191); vergl. auch Hartmann 1868, S. 272:
»Wenn Leonhard von Taxis 1563 (!) beabsichtigte, seine Post-
unternehmungen über das ganze Reich auszudehnen, so war
dies ein Gedanke, welcher allein schon gross und verdienstvoll
genug ist, um seinen Namen für ewige Zeiten mit goldenen
Lettern in die Blätter der Geschichte einzuschreiben«.
Interessant ist es, diese Postfabel auf ihren Ursprung zu-
rückzuverfolgen. Schon 60 Jahre vor Hartmann schreibt Emmerichs
»Zeitschrift für das Postwesen« Jahrg. 1820 H. 7 pag. 4: »Franz
von Taxis, Rogers Sohn ersann das gewünschte Mittel, und
legte Maximilian I. einen Plan vor« etc. Aber schon Lü-
nig, Reichsarchiv, dem sämtliche Bestallungsbriefe vorlagen, sagt
1710 kurzweg (im Index sub v. »Taxis«), Franz Taxis hätte das
Postwesen »inventieret«, im Reiche erfunden; 1811 meint Klüber,
(»Das Postwesen in Deutschland, Erlangen« 1811, S. 37) aus An-
lass der Abfindung der Taxis’schen Familie im Reichsdeputations-
Hauptschluss von 1803 — (A. D. R.: welche Summen mag hie-
für Talleyrand erhalten haben)! —: »Die Begünstigung, welche
dem Fürsten von Taxis wiederfuhr, war ansehnlich, aber nicht
unverdient. Auch blieb sie nicht unbeneidet, denn noch
waren die Neider des Postsegens nicht versöhnt durch die
Erinnerung an die grossen Verdienste dieses Fürsten-
hauses um eine Postwelt etc.«.
[[214]]
Anlage 14 zu oben S. 109.
Rentabilität der ersten Post-Anlage.
Dass das etwaige Risiko, das an die erste Posteinrichtung
geknüpft war, reichlich durch den Gehalt bzw. die sonstigen
Einnahmen aufgewogen werde, war allbekannt. Von Anfang
an wird nicht nur in Spanien, sondern auch in Frankreich und
England die Postgerechtigkeit ergebenen Günstlingen geschenkt;
in republikanischen Staaten, in Venedig, Genua (Rezzo, Herba
S. 77), in Hamburg und Danzig (Matthias, S. 92), in Amster-
dam (s. Stephan, Geschichte der preussischen Post S. 235), in
Basel, Zürich, Schaffhausen legen die unternehmenden Patrizier-
familien die Hand auf dieses rentable Geschäft. Frühzeitig galt
die Post als »ein Brunnen, dahin alle Quellen zusammenlaufen«,
als eine Goldgrube sowohl für den, der das Botenamt zu ver-
geben, als für den, der es zu verwalten hatte. Die Pariser Uni-
versität bestimmte 1632 die Verpachtungssumme aus den Messa-
geries dazu, die Mittel zur Berufung namhafterer Kräfte zu
liefern. In Hamburg wurde die Börsenaltenstelle eine vielbe-
gehrte Sinekure, wegen der Emolumente aus der Vergebung
des Botendienstes und den Jahres-Abgaben der ausländischen
Boten (Kirchenpauer »Die alte Börse« 1841, S. 42). Hatte in
Amsterdam ein Bürgermeister »das Glück, dass während seiner
Vorstandschaft ein importantes Post-Comptoir vakant wurde, so
konnte er sich oder einem seiner Kinder ein Jahreseinkommen
von 10, 20 oder wohl gar 40000 Gulden verschaffen« (Stephan,
»Geschichte der preussischen Post«, 1859, S. 235). In Danzig
hinterliess 1640 ein Stadtpostmeister, der arm und verschuldet
das Amt übernommen hatte, bei seinem Ableben ein bares Ver
mögen von 90,000 fl. (ib. S. 28). In Basel erzielte die Kauf-
[215] mannschaft, welche wie in Zürich und St. Gallen den Postdienst
betrieb, daraus einen so grossen pekuniären Gewinn, dass sie
der Stadt und gemeinnützigen Vereinen Schenkungen machte.
Von den Taxis erfahren wir beispielsweise, dass Joan von
Taxis, Graf von Villamediana II. († 1622) zu Anfang des 16.
Jhh. dafür, dass er Vaz Brandon auf Lebensdauer zum Post-
meister für Aragonien ernannte, sich eine Jahres-Abgabe von
300 Dukaten ausbedang. Im Hinblick auf diese und eine Un-
masse anderer Vergebungen in Spanien erscheint es als nicht
sehr übertrieben, wenn gleichzeitig, noch während des ungün-
stigen 30jährigen Krieges, die Jahres-Einnahmen aus dem Reichs-
postlehen von dem ehemaligen Taxis’schen Postmeister Dr.
Birghden auf 100000 Dukaten angegeben werden (dessen
Schätzung kann allerdings nicht vollen Glauben beanspruchen,
weil er damals mit dem Taxis’schen Hause zerfallen war). —
Das österreichische Erblandpostmeisteramt wurde
während des 30jährigen Krieges 1623 um 15000 fl. verkauft.
Der Kapitalwert des Monopols (oder Privilegs) der vene-
zianischen Botenzunft betrug im 17. Jahrhundert über
300000 Scudi; nach dem Bericht des Berner Postmeisters Fi-
scher wurde im Falle der Erledigung einer »Gerechtigkeit« der
Anteil, der je den 32. Teil des Zunftprivilegs der aus 32 Mit-
gliedern bestehenden Zunft der »Corrieri di Venezia« betrug,
um 10000 Scudi weiterverkauft; die Genossenschaft wird von
Sacchi als »le prime base delle società milionarie del nostro
secolo« erklärt.
Als Philipp II. Portugal mit Spanien vereinigte, verkaufte er
das Generalpostmeisteramt über Portugal für eine damals
enorme Summe an Gomez de Mata, (dessen Nachkommen das
Amt auch nach der Wiederabtrennung Portugals behielten).
In Frankreich ergab der Jahrespacht 80 Jahre lang von Sully
bis Louvois je 30000 Thlr., in England unter Karl I. 1640:
7000, 1660: 21500, 1685: 43000 Pfd. Sterling.
[[216]]
Anlage 15 zu oben S. 118.
Die Taxis’sche Post unmittelbar vor ihrer Auf-
hebung.
Obiges zur geschichtlichen Richtigstellung. Noch in frischer
Erinnerung ist, dass das Taxis’sche Privatmonopol wie ein vor-
sintflutliches Petrefakt in den modernen Verkehr hereinragte.
Während heutzutage jedes Regal seine Existenzberechtigung nur
in dem gemeinnützigen Dienst finden kann, bestand der Zweck
dieses Privat-Monopols lediglich darin, dem Inhaber ein Jahres-
einkommen von einer (nach einigen sogar von zwei) Millionen M.
zu liefern. Schon gemäss dieser veralteten Zweckbestimmung
musste es als ein Hemmschuh jeder rationellen Fortentwicke-
lung, als ein parasitisches Gebilde am Staatskörper gelten. Na-
mentlich im fünften Jahrzehnt dieses Jahrhunderts häuften sich
mehr und mehr die Klagen über die Monopolpreise und son-
stigen Missbräuche der Taxis’schen Post, wie sie z. B. Braun,
Wiesbaden (F. V. 1865, H. 4) geschildert hat; eine Broschüre
aus dem Jahre 1865 »zur deutschen Postreform«, Bremen, S. 52,
resumiert: »Allen Wünschen und Anträgen auf Verbesserung
des Postwesens und der Lage der Postbeamten stellt Taxis sei-
nen Generalpostmeister D. entgegen; zerrissen fallen alle Peti-
tionen zu Boden; mit völliger Nichtachtung der öffentlichen
Meinung betreibt Taxis sein Postinstitut; in dem Kampfe gegen
die auflebende Postreform greift Taxis zu Rüstzeug und Waffen,
welche ihre Wirkung gegen ihn selbst äussern. So rächt sich
schnell und unerbittlich ein System, welches ohne alle Rück-
sicht auf die Pflichten gegen das Gemeinwohl in eigennütziger
Weise nur egoistische Sonderinteressen verfolgt — die Besei-
tigung der Taxis’schen Post ist überall nur noch eine Frage der
Zeit.« Diese blosse »Zeitfrage« fand ihre Erledigung im Jahre
[217] 1866, aber nicht ohne dass das Haus Thurn und Taxis auch
diesmal für seine Expropriation seine volle Entschädigung ge-
funden hätte. Die 3 Mill. Thlr., welche es damals erhielt, sind
zwar schon längst verschmerzt. Immerhin sei dem Interesse
an der geschichtlichen Entwickelung die Bemerkung zu gute
gehalten, dass das preussische Abgeordnetenhaus, wenn je ein-
mal, so hier im Recht war, als es die Entschädigung für einen
Reichsfürsten strich, der — wie erst wieder die Denkwürdig-
keiten von Jul. Fröbel (s. das Projekt eines Königreichs Burgund)
in Erinnerung gebracht haben, — auf eine günstigere Behand-
lung als die andern Alliierten Oesterreichs sich keine Hoffnung
machen konnte.
[[218]]
Anlage 16 zu oben S. 119 und 127.
Ausbau und Rückwirkung der Organisation.
Was der schon mehrfach (z. B. S. 85, 119 und 214) berührte
systematische Ausbau eines Verkehrs-Netzes und der Transport-
Organisation bedeutet, wird klar, wenn man sich in den primi-
tiven Zustand der Transportmittel zu Anfang des 17. Jhh.
zurückversetzt. Man hatte damals eine Fahrbahn und eine Fahr-
post, aber praktikabel waren beide noch nicht. Wohl war die
Zahl der Verbindungswege zwischen den Hauptorten, namentlich
in Mittel- und Westdeutschland oder in Frankreich (wo 1553
die Totallänge der Strassen 25000 Km. betrug) sehr gross. Aber
die Fahrbahn bestand lediglich aus der Grasnarbe, wie in den
Pussten, oder aus der gewöhnlichen Ackerkrume.
Noch im 18. Jahrhundert war der Zustand der Heer- und
Hauptstrassen nicht besser als der unserer Feldwege: sie be-
standen aus nackter Erde und waren nur im Sommer bei schö-
nem Wetter passierbar (s. d. Schilderungen im »Veredarius«
S. 101—103). In Frankreich kosteten 1600 die Wege- und
Strassenbauten dem Staat 17600 frcs; (1610: 400000 frs, 1700:
3—4 Mill. frs), heute ebensoviele Millionen als damals Hundert.
Winter- und Regenzeit, während welcher die Landstrassen nahe-
zu unpassierbar waren, hemmten das ganze Verkehrsleben: alles
vermied die Reise und betrachtete die unvermeidliche als ein
Wagnis, bei dem es ohne Abenteuer nicht abgieng (s. G. Frey-
tag). Dan. Defoe (»An Essay on Projects« 1697) betrachtet die
Instandhaltung der öffentlichen Landstrassen« als eine ungeheure
Last für die Nation, eine Last, über welche dieselbe stöhnt —
und dabei ist der Zustand der Strassen ein recht schlechter.«
Auf 18 Seiten schildert er als eine, erst in weiter Ferne zu ver-
wirklichende Utopie, dass in England ein Chausseennetz ange-
[219] legt werde; »für die Poststrasse schlage ich vor, eine starke,
feste, wohl fundamentierte Chaussee aufzuwerfen, oben bedeckt
mit Kies, Kalk óder Stein, 60′ breit, für die Querwege mag die
Breite nur 20′ betragen, für die Seitenwege soll so weit gesorgt
werden, dass Wassergräben gezogen werden u. s. w.«
Noch zu Anfang dieses Jahrhunderts erkannte man die Ver-
besserung der Wege nicht einmal als nützlich, geschweige denn
als eine Verpflichtung an. Vermied ja noch Friedrich der Grosse
grundsätzlich die Anlage von Kunststrassen, angeblich aus stra-
tegischen und handelspolitischen Rücksichten. Häufig liess man
die Strasse absichtlich in schlechtem Stande. Unter der Kläg-
lichkeit der mangelnden politischen Centralisation hatte am
meisten der Transitverkehr zu leiden. Es war im Interesse der
Provinz, wenn möglichst viele Reise-Unfälle vorkamen; durch
die Bein-, Achsen- und Radbrüche wurde Geld in Umlauf gesetzt,
der Schmied, der Radmacher, der Gastwirt, der Chirurg, alle
verdienten dabei. Einen weiteren Gewinn für die Einheimischen
erbrachte der Vorspann, von welchem an manchen Stellen ganze
Dörfer lebten. Brücken- und Strassengeld wurden nicht nur
als billiger Ersatz des Aufwands für fremde Passanten, sondern
als schuldiger Tribut aufgefasst (Grundruhr, Strassen-Strand-
recht). Mitte vorigen Jahrhunderts versagte z. B. Kurmainz der
preussischen Post den Transit mit der ausdrücklichen Begrün-
dung, dass sie viel zu schnell gehe, so dass »Gastwirte, Bäcker,
Sattler, Schmiede, Bierbrauer und Weinschenker« an den Land-
strassen nicht die Nahrung hätten, wie bei den Lohnfuhrwerken.
Hauptrouten, wie die Strasse zwischen Hamm und Lippstadt,
zwischen dem Westen und Osten von Preussen bildeten den
Schrecken der Reisenden und der Fuhrleute; in den 1790ger
Jahren wollte dort die preussische Regierung eine Kunststrasse an-
legen, aber die damalige kurkölnische Regierung brach die Ver-
handlungen aus Anlass eines Brückengeldstreites ab (über die
Klagen jener Zeit vgl. z. B. Salzmann, Karl von Karlsberg
oder »das menschliche Elend« 1784—1787 1); »Deutsche Kul-
[220] turgeschichte«, Hannover, L. Meyer 1878, S. 169 und die Schil-
derungen von Perrot, Geistbeck, G. Freytag; ferner Götz, »Die
Verkehrswege im Dienste des Welthandels« 1888 S. 548—550;
721, 724—726) u. a.
Nicht besser als der Wegkörper war auch das Fahrzeug;
1)
[221] selbst die fürstlichen Wagen waren bis ins 18. Jhh. herein der-
art, dass z. B. Louis XIV. wegen des Zustandes der Wagen,
die noch damals eiserne Achsen und Federn nicht hatten, eine
Badereise nicht antreten konnten.
Bei dieser Beschaffenheit der Verkehrsmittel — auch die
Pferde waren selbstverständlich nicht besser — war mit der
Einrichtung der Fahrpost noch wenig gewonnen; sie wird in
den ersten Jahrzehnten noch wenig benützt; die Postbeförderung
ist alles eher als ein Vergnügen; 1588 z. B. klagt der sächsische
Landtag, dass Pferde und Wagen oft lange müssig stehen müssten;
1629 berichtet M. Zeiller von der zwischen Paris und Orleans
kursierenden Landkutsche, es sei mit ihr »ein liederlichs fahren«;
(ebenso warnt er in seinem »Fidus Achates« allgemein und aus-
drücklich vor dem Reiten auf der Post).
Dagegen wirkte die Ausbreitung der Fahrpost wesentlich
auf die Verbesserung der Kommunikationswege ein. Welch
mächtigen Antrieb dieselbe abgab, zeigt z. B. die Geschichte
des Verkehrswesens in Frankreich. Fast gleichzeitig erfolgt da-
selbst die Einführung der Postwagen (1664), des Baus gerad-
liniger Strassen (z. B. von Nancy nach Basel 1632), die syste-
matische Erstellung eines baulich wohlgehaltenen Wegkörpers,
die Ersetzung der weniger leistungsfähigen Strassenfrohn durch
die Steuer-Umlage (Turgot). Trotzdem waren noch bis zum
Anfang dieses Jahrhunderts die wenigsten Strassen auch im
Winter passierbar; es kursieren ja darüber noch manche Anek-
doten; (auf der Reichsstrasse nach Offenburg z. B. waren
Mitte der 90ger Jahre im Herbst mehrere Dutzend Fracht-
wagen im Morast stecken geblieben). Aber auch in England
waren — trotz des damaligen Verkehrs-Aufschwungs — nicht
einmal die Hauptstrassen im leidlichen Zustand; so erzählt Fran-
cis »History of Railways«: »obwohl der Reichtum und die Be-
deutung der Städte Manchester und Liverpool enorm zugenommen
hatten, war um das Jahr 1824 die Strassenverbindung zwischen
beiden Plätzen in keiner Weise verbessert; die Kanalgesell-
schaften erfreuten sich eines vollständigen Monopols; infolge
der mangelhaften Güterbeförderung waren mitunter ganze Fa-
briken aus Mangel an Rohmaterial zum Stillstand gezwungen«.
[222]
Die allmähliche Vervollkommnung von Fahrbahn und Fahr-
zeug ermöglicht nun eine Beschleunigung der Expedition.
Beim Beginn der Neuzeit betrugen die Ablieferungsfristen für
den Frachtverkehr z. B. zwischen Köln und Heilbronn 8 Tage,
zwischen Heilbronn und Augsburg 5 Tage. Von Augsburg konnte
man Artikel nach Strassburg in 8, nach Innsbruck in 5 Tagen
senden. In Wien waren die Güter zu erwarten 8 Tage nach
ihrem Abgang von Prag, 10 Tage nach dem von Breslau, 14 Tage
nach dem von der Adria. Nach Hamburg, wie nach Lübeck
lieferte der Magdeburger in 6 Tagen (s. Götz, »die Verkehrs-
wege im Dienste des Welthandels«, 1888, S. 554. 728. 761).
Nun wird die Personenbeförderung von der gewöhnlichen Fracht-
gut-Spedition abgetrennt und der Post (»Eilwagen«) überwiesen;
bei letzterer bildet sich der Begriff »eiliges Stückgut« oder »Eil-
gut« aus. Die Stückgutbeförderung beanspruchte z. B. für die
Strecke
Diese zeiträumlichen Abstände nun geben einen gleichsam
greifbaren Distanzmesser für den Fortschritt ab, nach
welchem sich der Verkehr und die ganze bewohnte Erde binnen
einiger Jahrhunderte zusammengeschlossen hat. Zugleich
mit der Beschleunigung der Expedition nämlich, aus den Stunden-
zetteln und der Fixierung der Abgang- und Ankunftszeit ergibt
sich von selbst ein Ineinandergreifen der Landposten 1) und
eine plangemässe Sicherung ihres Zusammentreffens an den vor-
aus bestimmten Kreuzungspunkten, sowie das Ineinander-
[223] rechnen der Beförderungsgebühr für transitierende Ausland-
briefe 1).
Plan und System in die Berechnung des Portos und in
dessen internationale Verrechnung, sowie in das Ineinander-
greifen und in das Zusammenlegen der Kurse zu bringen, dazu
zwang zudem eine neuaufkommende Kraft, welche von den
Kaufleuten in ihrer treibenden und befruchtenden Wirkung für
Handel und Verkehr recht bald erkannt worden war. Dr. Ennen
(loc. cit. S. 172) meint, diese Kraft habe in der Post verborgen
gelegen. Aber die Post war nur der äussere Repräsentant dieser
Kraft, ähnlich wie das Hotel als der Repräsentant des Fremden-
verkehrs, die Zeitung als der der zunehmenden öffentlichen
Bildung angesehen werden kann. Was sich damals — und zwar
auf Grund der tarifarischen Verschmelzung, sowie der Erhöhung
und Verfeinerung der Lebenshaltung, und der zunehmenden
politischen Zentralisierung ausbildete, das war das Bedürfnis
aller Kulturvölker, im Gedanken-, und Waren-Austausch einander
näher zu rücken, das war die thatsächliche Zusammenziehung
der räumlichen Distanzen. Die Unterlage hiezu war in der
steigenden Sicherheit des täglichen Gedanken-Austausches
in die Ferne und in der ständigen Fühlung der Hauptplätze
untereinander geschaffen; die Neuerung bestand zunächst eben
in diesen dauernden und ständigen Verkehrsbeziehungen zwischen
den wichtigeren Handelsplätzen, in einer volkswirtschaftlichen
und später weltwirtschaftlichen »universitas« oder Einheit.
Diese »universitas« führt in der nationalökonomischen Theorie
ein gleich räthselhaftes Dasein, wie die universitas als »juristische
Person« in der Jurisprudenz: hier wie dort hat der Organismus
einen greifbaren Körper nicht, und äussert doch eine Macht
in der einheitlichen Zusammenhaltung der Mittel und Kräfte.
[224] Näher erfasst man diese Einheit, wenn man die weiteren Stadien
ihrer Entwickelung durchmisst.
Das Ideal aller Nationalökonomen des vorigen Jahrhunderts
bildet die Beschleunigung der »Cirkulation«; die meisten
verstanden darunter nur den Kreislauf des Geldes, dessen Umwand-
lung in »Mehrwert heckendes« Reproduktions-Kapital. Manche
aber erkannten ebenso den Wert des Kreislaufs und der Kontinui-
tät der Ideen, des geistigen Rapports; Valvassor z. B. (»Die
Ehre des Herzogtums Krain« 1689, I. Bd., S. 133) bezeichnet
ihn als eine »Kommunikation dergestalt, dass die briefliche Corre-
spondentz geeichsam im Cirkel herum von einem Ort zum andern
laufft«. Dieses geistige Band war nicht nur für den kaufmän-
nischen Verkehr, sondern auch für die allgemeine Bildung
und für das politische Leben von grosser Bedeutung. Der
eben citierte Valvassor fährt fort: »Die Posten seien mit allen
europäischen Reichen in Kommunikation begriffen, gestaltsam
durch solchen Vorteil wir die fürnehmste Neuheiten
in unsere Erfahrung ziehen; ferner seien die neueren Posten
gleich den Hauptströmen beschaffen, die viel andere kleine
Flüsse zu- und mit sich nehmen; denn sie empfangen auch von
allen kleinen Städten, wo keine Heerstrasse ist, bei ordentlicher
richtiger Zeit, einen Zufluss von Briefen durch gewisse da-
hin gehende Boten: weswegen auch die kleinsten Städte den
allgemeinen Zustand der Welt nach und nach desto
füglicher erfahren können«.
Die naturgemässen Vorkämpfer für dieses Anschlussbedürf-
nis der Völker waren die Städte, für die es eine Lebensfrage
bildete, dass man von ihnen aus entlegene Verkehrspunkte rasch
erreichen konnte. Es erstanden so Verkehrs-Radien, welche
sich zu einem Netze verschlangen; in ihm schlossen sich die
ursprünglich isolierten Verkehrskomplexe — oft unter Nachhilfe
äusserer Machtmittel — gegenseitig zusammen; es verdichtete
sich die Verteilung der Postanstalten im Verhältnis zur Bevölker-
ung und zum Flächeninhalt, und erhöhte sich die Zahl und die
Frequenz der Postverbindungen. Noch fehlt aber ein Haupt-
hebel des Verkehrs, nämlich die Billigkeit. Schon vor der
Eisenbahn zeigt sich das Hauptelement des Grossbetriebs nämlich
[225] die Gleichförmigkeit und Durchschnittsbehand-
lung, (Einheit in der obersten Leitung, Centralisierung, Nivel-
lierung und Universalierung): schon Klüber (»das Postwesen in
Deutschland« 1811, S. 22) weiss dieselbe als einen Vorzug der
Taxis’schen Verwaltung zu rühmen. Aber erst die Verfeinerung
des Motors erbringt voll das Lebens-Element des Grossbetriebs,
nämlich den Massen-Absatz, der mit der Durchschnitts-
behandlung (»Omnibus«: der Reisewagen wird zum »Eisenbahn-
Omnibus«, der ländliche Gutsspeicher zum »Elvator-Omnibus«)
in Zusammenhang steht. Dabei dürfen wir nicht vergessen,
dass die Eisenbahn nicht nur der Grossbetrieb der Post, sondern
auch der der Frachtgutbeförderung ist; darin liegt ihre
Hauptwirkung, wie der Hauptunterschied von der Post. Bis zu An-
fang dieses Jahrhunderts war ein regelmässiger Austausch fast allein
auf den transitierenden Weltstrassen möglich; auf den schlechten
Nachbarschaftswegen verursachte er zu viel Aufwand an Geld und
Mühe. Auf den Heerstrassen selbst, für den Ferntransport z. B.
von Antwerpen nach Basel betrug gegen die Wende des 16. Jahr-
hunderts (z. B. nach Ryffs Selbstbiographie) die Wagenladung
18—28 Ctr. (3—4 Tuchballen à ca. 6—7 Ctr).
Wohl war allmählich — mit dem Beginn des Chaussee-
baues nach dem System Mac Adams — auch die Intensität
des Frachtverkehrs gesteigert und im Speditionsverkehr der
Fuhrmann als der örtlich gebundene Detaillist verdrängt worden,
es schliesst das Zeitalter des »Kärrners« (1816 hatten die in
Preussen vorhandenen 3700 Fuhrmänner nur 8400 Pferde) und
beginnt das der »Frachtfuhrleute« mit ihren schweren Lastwagen.
Aber diese Art von Grossbetrieb kann Ueberfluss und Mangel
verschiedener Gegenden noch nicht hinreichend ausgleichen.
Eine vollständige Nivellierung der Preise, ein Weltmarktsstand-
ard konnte erst erreicht werden, als die Fahrbahn noch mehr
vervollkommnet und solche zugleich mit dem Speditions- und
Frachtbetrieb und mit der Personenbeförderung in einer
Hand vereinigt wurde. Das geschah mit der Eisenbahn.
Rasch gewann dieser Frachtbetrieb eine grössere Bedeutung
als die Nachrichten-, Personen- und Paketbeförderung zusammen-
genommen erlangt hat. Erst damit kam die arbeitsteilige Güter-
Huber. 15
[226] produktion und die Kommunikation in einen lebendigen, sich
gegenseitig befruchtenden Wechselstrom; erst damit wurde für
Rohmaterialien (Massengüter) ein Fernverkehr ermöglicht, der
ihren Wert, z. B. bei Holz, Kohle, Eisen, um das Mehrfache der
Produktionskosten erhöht. Mit den Rohmaterialien aber wurde
nach dem Gesetz der »zusammenhängenden Preise« auch für
die Fabrikate eine Frachtgebühr ermöglicht, die nur noch
den vierten bis zehnten Teil von früher beträgt, und zugleich in
gleichem Masse für die werbenden Kapitalgüter die Dauer der
inaktiven Ballasteigenschaft eingeschränkt und deren werbender
Umtrieb beschleunigt. —
Schon die systematische Verbesserung der Fahrbahn zu
Ende des vorigen Jhh. hatte weiter aussehende Gesichtspunkte
zur Geltung und Anerkennung gebracht, und zwar nicht nur im
Verkehr der Provinzen untereinander, sondern auch in Bezug
auf den ganzen Volkshaushalt, auf die Erhöhung der steuerlichen
Leistungsfähigkeit des Staates, auf die Kräftigung des Einflusses
der Regierung, und auf das ständische Steuerbewilligungsrecht.
In noch höherem Grade musste die gleichzeitige Vervollkomm-
nung des Motors in der gleichen Richtung die Menschheit un-
geheuer vorantreiben. Verändert sich ja schon im allgemeinen da,
wo ein neuer Motor aufkommt, nicht nur die Art der Produk-
tion, sondern auch der Charakter und die Lebensweise der Be-
wohner. Deutlich tritt dies an primitiven Verhältnissen her-
vor; die Indianer in Neuspanien z. B., oder die Hottentotten
in Südafrika wurden sofort andere Leute, sobald sie den Ge-
brauch des Pferdes kennen lernten; das innere Afrika wird
sofort civilisatorisch voranschreiten, sobald dort an Stelle der
Sklaventräger sich ein anderes Transportmittel eingebürgert hat.
Ebenso hätte allein das Aufkommen des Dampfpferdes genügt,
um das europäische Kulturleben von Grund aus umzugestalten.
Insbesondere wurde Handel und Gewerbe dem Prinzip des
Grossbetriebs und der Internationalität unterthänig gemacht 1).
[227]
Die Frucht von all dem war eine enge Verknüpfung der
Geschäfts-, Handels-, Familien-, Freundschafts- und politischen
Interessen. Es ist dies dasjenige, was man unter der modernen
»Volks- und Weltwirtschaft« oder auch unter dem Schlagworte
der »europäischen Civilisation« oder des »Zeitalters des Dampfes«
zu verstehen hat. Das Lebensprinzip dieser Wirtschaft ist die
Zirkulation der Werte und der Ideen, und die Centralisation
der beiden produzierenden Kräfte. Auf dieser Cirkulation und
ihrer Fernwirkung d. h. darauf, dass die Produkte ferner
Länder und die Ergebnisse der gelehrten Forschung zum Ge-
meingut der gesamten Menschheit geworden sind, beruht die
heutige Kultur. Die Ausgleichung wurde einerseits durch die
Buchdruckerkunst, anderseits durch die Verkehrsorganisation
1)
[228] vollzogen. Beide sollen »erfunden«, durch eine glückliche In-
spiration der Menschheit geschenkt worden sein: wenn dies gleich
bei der Verkehrs-Organisation nicht richtig ist, so war doch
die Wirkung dieses Produkts einem Göttergeschenk ähnlich; es er-
folgte ein einheitlicher Zusammenschluss des politischen, geistigen
und des Erwerbslebens, welchen man bei Beginn der Neuzeit
als eine unerreichbare Utopie angesehen hätte, und im Zusammen-
hang damit eine machtvolle, zielbewusste Zentralisierung der
schöpferischen Kräfte und der Verkehrs-Hebel zuerst auf dem
Gebiete des Transports, dann der Cirkulation, aber auch der
staatlichen Verwaltung, des Unterrichts-, Armen- und Militär-
wesens, welche viel leistungsfähiger war, als die frühere Zer-
splitterung der Kräfte in tausend Arme und Aeste. Die Wand-
lung drückt sich in den Schlagworten aus: »egoistischer und
engherziger Abschluss« auf der einen. »Anschluss und gegen-
seitige Ergänzung nach weitschauenden Gesichtspunkten« auf
der andern Seite. Der eine Geist tritt in der Furcht vor Strassen
zu tage, wie sie z. B. die elsässischen Stände 1584 gegenüber
den Strassen-Projekten des Pfalzgrafen von Lützelstein äusserten,
in dem Bedenken, »es möchte das Reich durch diese Strassen-
anlagen fremden Nationen geöffnet werden«. Die moderne Zeit
repräsentiert sich in dem Wettlauf nach Eisenbahnen, in den kolos-
salen Opfern, welche für die Aufhebung der räumlichen und
zeitlichen Schranken gebracht werden, in dem vielmaschigen
Netz von Welthandelswegen, Dampferlinien und überseeischen
Kabeln, in der Erweiterung des Welthandelsgebiets vermittelst
der um die Erde gezogenen eisernen Schienenwege. Die Fern-
wirkung stellt sich drastisch dar in der immer noch zunehmen-
den Steigerung der Aus- und Einfuhr, in der Internationalität
der Arbeitsteilung, des Kredits, der produzierenden Bevölkerung.
Erweiterung des Erwerbsgebiets und des Ideenkreises, des
wirtschaftlichen und politischen Gesichtsfeldes, das sind die beiden
Grundlagen der modernen Kultur. Für den einzelnen ist der
intensive Verkehr, der ständige Zusammenhang mit der gemein-
samen geistigen und materiellen Interessensphäre so notwendig
wie Licht und Luft. Ebenso ist für die heutige Gesellschaft
die Offenhaltung dieses kontinuierlichen Rapports eine Lebens-
[229] bedingung: stockt die Zirkulation so entsteht das, was wir
»schlechte Zeiten« nennen; das Produkt will (nach der Marx’-
schen Formel »G-W-G.«) zu Geld werden, und dieser Umsatz
ist ohne volle regelmässige Zirkulation nicht möglich. Der
Hauptträger dieses sozialen Stoffwechsels ist heutzutag die Eisen-
bahn; ein anderer Repräsentant desselben wie des ständigen
geistigen Kontrakts ist die Presse1), ein dritter die Börse, als
die Spitze und Quintessenz des Geld- und Welthandels. So
steht Post und Eisenbahn d. h. die Verfeinerung der Verkehrs-
Organisation mit der fortschreitenden Kultur-Entwickelung in
einer dualistischen Wechselbeziehung; insofern ist die Post wie
J. J. Moser (Deutsches Staatsrecht, Bd. V, § 173) schon vor
bald hundert Jahren konstatieren konnte: »eines der wichtigsten
Mittel zur Erweckung und Erhaltung der Lebenswärme emsiger
Thätigkeit der Staatsgenossen, das die Welt in manchen Sachen
fast in eine andere Form gegossen habe«, insofern ist auch die
Qualität der Strassen und die Intensität des Umtriebs des in
ihnen ruhenden Kapitals ein Gradmesser für den politischen
und wirtschaftlichen Fortschritt eines Volkes überhaupt.
II.
Als die Eisenbahn aufkam, war für sie eine ähnliche Aus-
einandersetzung mit der bestehenden Beförderungsanstalt der
Post, notwendig, wie heutzutage zwischen der Telephon- und
der Telegraphenverwaltung. Anfänglich versuchte die Lehens-
post eine Ablösung ihres Privilegs zu erreichen und verlangte —
wie heutzutage die Telegraphenverwaltung gegenüber dem Fern-
[230] sprecher — Ersatz für den entgehenden Gewinn; sie wehrte
sich dagegen, dass sie ihr angebliches Monopol des organisierten
Brief- und Personentransports ohne weiteres an die Eisenbahn
abtreten solle, und zeigte, zur Freude der Juristen dazu Lust,
die Prozesse der alten Reichslehenspost zu neuem Leben er-
stehen zu lassen. Schon hatten R. v. Mohl (in der Tübinger
Zeitschrift v. 1844, I. Heft) und Oberjustizrat Stängel (»Das
deutsche Postwesen« 1844) all ihren juristischen Scharfsinn auf-
geboten, um darzulegen: was ist das Wesen der Post im allge-
meinen? was dasjenige der Taxis’schen Postverwaltung? Stängel
gelangte zu dem Ergebnis, das Wesen beider besteht nicht in
der Organisation, sondern in dem Gebrauch unterlegter Pferde,
demgemäss erstreckt sich das Taxis’sche Privileg nur gegen
Landboten, Fuhrleute und Hauderer, aber nicht gegen die singu-
läre Transportweise der Eisenbahn, welche weder unterlegter
Pferde, noch gewechselter Postillions bedarf.
Nun hätte sich gegen diese Deduktion mancherlei einwenden
lassen; aber mit einer dem Eisenbahnzeitalter von Anfang an
eigenen Rücksichtlosigkeit wurden die Prozesse schon im Keime
erstickt. Wohl wurde in den ersten Jahren z. B. der Leipzig-
Dresdener Eisenbahnkompagnie der Personentransport zu den
damaligen Posttaxen, jedoch nur gegen Entschädigung an die Post-
kasse mit 10—15000 Thlr. jährlich überlassen; der Transport
der Poststücke für Rechnung der Post wurde als Privilegium auf-
geführt. An dieser Rechtsanschauung und der daran sich knüpfen-
den Entschädigungs- bezw. Abfindungsfrage wäre wohl manches
Eisenbahn-Projekt gescheitert, wenn schon damals die verkehrs-
steigernde Wirkung der Transportverbesserung, ihre ungemeine
Rentabilität und Konkurrenzfähigkeit bekannt und erkannt ge-
wesen wäre. So aber erklärte der preussische General-Post-
meister Nagler noch im Jahre 1838 die Eisenbahn als einen
»faulen Schwindel« und die Erbauung einer solchen von Berlin
nach Potsdam als zu riskiert, da nicht einmal sein dorthin gehender
Postwagen immer voll sei. Fast allgemein sah man — vor allem
natürlich die Leute vom Fach, die sich als ausschliesslich zu-
ständig zur Beurteilung erachteten — die Eisenbahnprojekte teils
als ungefährlich für das Privilegium, teils als so riskant an, dass
[231] man billigerweise nicht zu viele Lasten aufbürden könnte. In-
folgedessen hat die Eisenbahnverwaltung den Beförderungsdienst
von Personen in eigene Regie übernehmen dürfen.
Im übrigen ist ihrem Wesen und der geschichtlichen An-
knüpfung nach die Eisenbahn nichts anderes, als eine — aller-
dings intensivere — Fortsetzung der postmässigen Beförderung
und Organisation; die Eisenbahn ist — und damit wollen wir
das juristische Gebiet verlassen — »der auf der Verbindung der
Adhäsionsmaschine mit dem eisernen Schienenstrang beruhende
Grossbetrieb der Post«. Intensität d. h. Kraft-Konzen-
tration, Grosskapital und dessen rascher Umtrieb, maschinen- und
fabrikmässiger (Transport-)Betrieb — all das liegt schon in dem
Begriffe der Eisenbahn. Diese Intensität richtet sich zunächst
nicht nur auf die Anlage der Fahrbahn, (wie die Worte
und Definitionen »spoorweg, strada ferrata, mit Dampfmotoren
zu befahrende Schienenwege«, »Landstrassen bei welchen die
Fuhrwerke auf eisernen Schienensträngen durch Dampfmotoren
bewegt werden« besagen), sondern sie besteht auch in der
Kraftkonzentration des Motors und in der äussersten An-
spannung des Kapital- und Kraft-Aufwands beim Umtrieb.
Die Richtigkeit dieser Definition lässt sich ziffermässig belegen:
Die Schienenanwendung steigert die Leistungsfähigkeit der Zug-
kraft um das Zwölffache, die Maschine aber — eine Berglo-
komotive hat 400 Pferdekräfte, eine (neuere) Schnellzugslokomo-
tive 2—300 Pferdekräfte — und der damit gegebene Grossbetrieb
um das Hundertfache. Demgemäss ist — nicht der Pferdewechsel
wie Stängel deduziert, sondern der Betrieb oder die Organi-
sation des Transportdienstes die Hauptsache.
Rechtlich allerdings stellt sich das Verhältnis immer noch
umgekehrt gemäss seiner geschichtlichen Entwicklung, und zwar
so dar, als ob die Eisenbahn im Dienste der Post stehe. Aber
wirtschaftlich ist dies eine veraltete Fiktion; es ist gerade so,
als ob z. B. die Güterspediteure sich das Verdienst des Binnen-
landverkehrs zumessen oder die Hamburger Speditionshäuser
behaupten wollten, sie, nicht die deutsche Kauffahrteiflotte seien
es, welche Deutschlands Ein- und Ausfuhr bewerkstelligten. In
ganz ähnlicher Weise ist auch der Nachrichtenverkehr h. z. T.
[232] im grossen und ganzen eine Leistung der Eisenbahn, welche
die organisatorische Distribution und Sammel-Funktion der
Post übernehmen und nebenher so gut wie bei den Frachtgütern
besorgen könnte 1).
Demgemäss hat die übliche Gleichstellung des Eisen-
bahnwesens und des Postbetriebs weder geschichtlich noch be-
grifflich oder sachlich ihre Berechtigung. Allerdings ist es die-
selbe Maschine, dieselbe Lokomotive, welche heute Briefe,
Pakete, Passagiere und Frachtgüter befördert; Post und Eisen-
bahn haben sich in die Beförderungsleistung geteilt, diese Leistung
selbst aber unterscheidet sich folgendermassen: Die Post hat
ausschliesslich den Beförderungsdienst und zwar von
Personen, Briefen und Paketen, die Eisenbahn aber hat
ausserdem daneben noch die Erstellung der Fahrbahn, des Mo-
tors und zugleich das Frachtfuhrwerk zu leisten, also
nicht nur Aufgaben für den kaufmännischen Spediteur, sondern
auch für den Maschinen- und Bauingenieur. Die Produktivität
der Post beruht hauptsächlich in dem Betrieb, in der Spedition
und Organisation, die Eisenbahn ist zugleich Fahrt- und
Frachtunternehmer und Strassenbauer, und steht daneben im
Dienste der Postverwaltung.
Appendix A
Art der Verteilung der Bevölkerung und deren grössere Agglomeration,
nämlich durch die Städte gegeben; die Städte sind die wichtigsten Konsu-
menten der Rohprodukte und die wichtigsten Produzenten der Fabrikate, also
Personen und Ideen, genauer Ueberwindung der Hemmnisse, welche der Lo-
komotion von Personen, der Ausgleichung von Warenvorräten und Preisen,
sowie der Befriedigung des Bedürfnisses nach einer ununterbrochenen ständigen
Verbindung — aus politischen, kommerziellen und anderen Gründen — im
Wege stehen. Die Mittel für Ueberwindung dieser zeitlichen oder räum-
lichen Hemmnisse nun sind die Tragkraft und die Einrichtungen für die
Weg- oder Zeitstrecke. Erstere hat im Altertum und im Mittelalter
einen nennenswerten Fortschritt nicht gemacht. Demgemäss sind die während
dieser Zeit erfolgenden Erleichterungen und Erweiterungen des Verkehrs
gleichbedeutend mit dem Fortschritt des zweiten Faktors, nämlich der Ab-
kürzung der natürlichen Entfernungen durch Vervollkomm-
nung (Nivellierung, Universalierung) der Fahrbahn und durch die gemein-
wirtschaftliche Einrichtung allgemein benützbarer Verkehrsrouten.
und Fabrikaten, Haupthandelsmärkte; die sie verbindenden Wege sind na-
turgemäss die bedeutendsten Linien des Verkehrs, des überseeischen wie des
binnenländischen.
in der Fahrbahn und der Organisation. Aber auch für das Binnenland und
für die langsame friedliche Entwickelung des Binnenverkehrs ist das schliess-
liche Resultat die Verlegung der Achse des Welthandels, und die Versetzung
der Weltstrassen.
gerade auf das Verkehrswesen zurück; sie zeigen sich nämlich in den Ka-
züge, da zum Nachteil der Donau die unmittelbare Konkurrenz des See-
weges in Gestalt des Mittelmeeres hervortrat, welches die Donau in ihrem
ganzen Laufe sozusagen flankiert. Als dann noch die Donaumündungen von
den Türken besetzt wurden, war damit der Sieg der Seestrasse und der Rück-
gang der alten Handelsstadt Regensburg, in deren Nachlass sich Wien, Mün-
chen und Venedig teilten, entschieden.
den schiftbaren Kanal zwischen Euphrat und Tigris her), und in den die
Länder verbindenden (nicht nur für den Nachbarschaftsverkehr her-
gestellten) Heerstrassen: z. B. in der unter Darius hergestellten Königs-
strasse von Sardes nach Susa, in der »Via Appia«, und »Aemilia«, (welche
den Römern als ein Vorbild für ihr Strassennetz, und als Mittel zur mili-
tärischen und politischen Zentralisation diente). So musste erst der Kompass
und die Magnetnadel erfunden sein, ehe die »Neue Welt« entdeckt werden
konnte; erst musste auch die Ingenieurkunst weiter vorangeschritten sein, um
die theoretischen Zweifel z. B. an der Möglichkeit der Vermählung der Fahr-
bahn mit dem Fahrzeug, an Ueberwindung der Reibung durch die Eisenbahn
zu beseitigen. Nur ein physikalisch-technischer Fortschritt ermöglichte den
heutigen Verkehr der Dampfschiffe, Telegraphen und Fernsprecher; über-
haupt ist die Geschichte der Transportvervollkommnung zugleich eine Ge-
schichte der menschlichen Erfindungen.
Verkehrs heute noch dieselben sind, wie vor 2000 Jahren: Byzantium (Kon-
stantinopel), Singidunum (Belgrad?), Virunum (Klagenfurt?), Tergeste (Triest),
Juvavium (Salzburg), in der obern Donaugegend Augusta Vindelicorum (Augs-
burg), Regina castra (Regensburg) u. a., am Rhein Argentoratum (Strassburg),
Mogontiacum (Mainz), Bonna (Bonn), Colonia Agrippina (Köln), sie alle
und Tausende anderer Plätze, wie sie in der Peutinger’schen Tafel, entlang
den fünf von Rom ausgehenden Hauptsträngen (s. Raumers Historisches
Taschenbuch 1868, S. 102—118) aufgeführt werden, sind aus römischen Feld-
lagern und den sich daran anschliessenden Budenstädten (canabae) römischer
Kaufleute erwachsen.
welche auch an der internationalen Taxis’schen Post und an dem neuen In-
Höhepunkt mit der Renaissance und im 18. Jahrh.: der Brief wird im gleichen
Masse zum Träger des Gedanken-Austausches und der gemütlich-familiären
Mitteilungen, als er vorher hauptsächlich dem Geschäftsverkehr gedient hat.
In der Mitte dieses Jahrhunderts vollzieht sich eine tiefeinschneidende Um-
wandelung unserer ganzen Denk- und Gefühlsweise, allmählich schwindet der
alte Brief und wird teilweise durch Postkarte und Telegramm verdrängt.
schritt im Seewesen: Wissenschaft und Technik eilten auf diesem Ge-
biete frühe voran, vor allem die Nautik, die Astronomie (im Anschluss an
die Sterndeuterkunst jener Zeit), die Geographie (Behaim); der wissenschaft-
liche Fortschritt der Geographie, sowie die Erfindung der Magnetnadel und
des Kompasses ermöglichte die Entdeckung der neuen Welt und bahnte
in ähnlicher Weise eine neue Wirtschafts- und Kulturstufe an, wie die
spätere Erfindung der Dampfmaschine. Es erfolgt die Verlegung der Welt-
strasse aus dem Mittelmeer in den Ozean, und der Uebergang des interna-
tionalen Exportkommissionshandels von Venedig—Genua—Augs-
burg—Köln und Hamburg—Antwerpen auf London.
richt über deren Ursprung, nämlich in dem Herodots, solcher auf eine krie-
gerische Expedition (des Cyrus gegen die Scythen J. 500) zurückgeführt wird.
Urvolks der Inder«, die 1892 von Haas, wie 60 Jahre früher von Matthias
(1832, S. 12—14) nacherzählt werden, von vornherein abgeschnitten; Haas
ist übrigens vor einigen Monaten noch durch einen Kollegen, einen Post-
direktor Nils Jacobson übertrumpft worden, der die Post der Urzeit zu
schildern sucht (»Die Post der Urzeit oder die Nachrichtenvermittelung vor
der Sündflut«, Pfau, Leipzig 1892).
aus der inneren Natur des Volkshaushalts sich von der anderen wesentlich
unterscheidet, welcher die Absendung irgend eines Boten oder gar den Ge-
brauch der Buchstabenschrift — schon die Aegypter sagt Matthias (1832
S. 28), kannten das Briefschreiben und Briefsenden, ergo einen Briefwechsel
und eine Staats-Botenanstalt — als Beweis genügt.
misslich, dass nicht nur ein gutmütiger Eifer, wie ihn Berger bezgl. der
Römerstrassen konstatiert, sondern auch eine vom Geschäftsinteresse angespornte
Tendenz die Phantasie erhitzte: mit dem Aufkommen des Taxis’schen Postre-
gals nämlich hatten deren Sachwalter zuerst das Bestreben, das Regal nach
den Grundsätzen des neu rezipierten römischen Rechtes zu begründen und
zu erweitern, und dann in den späteren Jahrhunderten ein Interesse daran,
das Kaiserliche Privileg in eine möglichst ferne Zeit zurückzudatieren. Ge-
rade diejenigen Schriftsteller also, welche den besten Apparat zur Seite haben,
stehen unter dem Banne einer Tendenz, wie die alten Chronikschreiber, welche
Historie treiben, um nachzuweisen, dass die Privilegien und Besitztitel ihres
Klosters oder Landesherrn in möglichst weite Vergangenheit zurückgreifen,
oder um solche mit dem rezipierten Rechtszustand zu decken. Diese par-
teiische Geschichtschreibung hat in einer bis auf den heutigen Tag nachwirken-
den Weise zur Verdunkelung des wirklichen Sachverhalts mit beigetragen.
fast mit den gleichen Worten, betont: »Ma, trovi essa le sue origine nelle
angarie e parangarie dei Persiani, o negli emerodromi della Grecia, o nel
cursus publicus di Roma« (S. 13 »regolare servizio«!) »o nei tabellarii di
Carlo Magno, o nella instituzione ideata da Omodeo Tasso, è indubitato che
antica è la sua origine, antica quanto (!) la necessità per gli uomini
di stringer vincoli di affetti e di affari.« (Vergl. S. 3: »l’origine della
posta è connessa con quella dello Stato«). Mit derselben Beflissenheit wird
von den »Anales de las Ordenanzas de correos de Espanna« (1879, S. 11)
die »remota antigüedad« hervorgehoben und dies in ähnlicher Weise, wie
gierungen und Kaufleute Boten unterhielten, hat einen naheliegenden Grund:
allgemeinere Kreise hatten kein Bedürfnis nach einer gleichen Beförderung,
da die Kenntnis der Schriftsprache noch nicht Gemeingut des Volkes, das
geistige Leben der Nation überhaupt noch wenig entwickelt war.
Schriftstellern näher ausgeführt (»el correo fué siempre indispensalbe pour la
existenzia del Estado« etc.).
bergischen Handels, 1801, IV. Bd. S. 280, »bisher nur durch persönliche
Reisen oder durch Absendung zuverlässigen Handelsdienern oder durch den
Dienst besoldeter Boten bewirken und besorgen konnte, das konnte er nun
durch Kommissionen ausrichten, und die Bezahlung der grössten
Summen, auch in der weitesten Ferne, durch Wechselbriefe ausführen.«
der Post voranstellen: Die Post im heutigen Sinne ist »eine Anstalt oder ein
System von Einrichtungen für die vorausbestimmte, regelmässige, organisch
ineinandergreifende, jedermann gegen feste Gebühr zustehende Beförderung
von Nachrichten (»Briefpost«), von Reisenden (»Personenpost«) und von
Stückgut (Packetpost)«. Der cursus publicus dagegen begriff, wie Benetti
(1778, S. 71) richtig definiert, nur in sich »potestatem publicis animalibus et
vehiculis utendi ad iter faciendum et sarcinas asportandas.« Schief ist z. B.
der vermittelnde Standpunkt der Madrider Anales (1879, S. 11), welche ihre
Darstellung mit den Worten einleiten: »El correo, ó sea el medio de comuni-
cacion más rápido y seguro.«
Cursus publicus kann ich mir ersparen, da solche, nahezu vollständig schon
von J. Benetti, »De cursu publico«, 1778 auf 23 Seiten gegeben worden
ahmung des persischen Vorbildes angesehen (so z. B. von Stephan, oder
Ritter, »Reichspost der römischen Kaiser«, Berlin 1880 S. 11). Mir ist
diese Annahme schon nach dem (kärglichen) Berichte Suetons, noch mehr
aber nach den Evolutionsgesetzen unwahrscheinlich, welchen jedes Verkehrs-
Institut untersteht: hat einmal ein Volk eine gewisse Grenze der Kultur und
das Reich einen grösseren Umfang erreicht, dann ist ein Staffettendienst not-
wendig, aber auch, wie man z. B. an der altchinesischen und altmexikanischen
Post verfolgen kann, vorhanden, ohne dass überhaupt die Einrichtung der
Perser bekannt zu sein braucht.
Sodann verdient die Inschrift auf einer zu Olympia vor zwei Jahr-
zehnten aufgefundenen Statue Beachtung; dieselbe feiert nämlich Philonides,
den Sieger bei den Olympischen Spielen und Briefboten Alexanders (des
Grossen) als »Durchschreiter Asiens«. Darnach scheint Alexander die ihm
von Griechenland her gewohnten Läufer (Hämerodromen) den persischen
Reitkurieren vorgezogen zu haben. Nach alldem entspricht die Zurück-
»Historischem Taschenbuch« von 1868, S. 66, 81—131 (von Dr. Stephan);
bei Delmati S. 7—13, Lopez Licata S. 12—20, Friedländer,
Berger u. s. w. Bezug nehmen.
dürfnisse der Schulbank nach einem Heros oder Wohlthäter, als dem that-
sächlichen Hergang (vergl. übrigens Raumers Histor. Taschenbuch 1868, S. 82).
des Castorius« 1887, S. 82).
selbe von einer Art Ochsenwagen (cursus clabularis) und von leichteren Karren-
wägen vermittelt; erstere bedurften des Vorspanns von 4—8 Stieren und
sollten mit nicht mehr als fünf Doppel-Zentnern belastet werden. Das Fahr-
zeug, infolge des durchschnittlichen Zustandes der Strassen, war so unge-
fügig und massig, dass schon die Bewältigung dieses toten Gewichts eine
aussergewöhnliche Anwendung von Zugkraft erheischte, und zur Bewegung
verhältnismässig geringer Lasten bedeutend viel menschliche und tierische
Kraft verbraucht wurde. Der Transport grösserer Massen war unmöglich.
ihre Vorteile erschienen als zu gering im Verhältnis zu den Lasten der Ein-
quartierung und der Fronen. Ein Landverkehr in Massengütern bestand nicht
(dies vermutet J. Wolf, Sozialismus 1892 S. 503 — wenn wir von gewissen
binnenländischen Spezialartikeln, wie z. B. norischem Salz und Eisen absehen
— ganz richtig). Zugleich führt dieses an die heutigen Zustände Innerafrikas
(Ochsenwagen) erinnernde Beispiel vor Augen, wie sehr das Altertum in der
Produktion und dem praktisch-erwerbthätigen Leben »weit hinter den Fort-
schritten der Neuzeit, ja selbst hinter denjenigen des Mittelalters zurückstand.
Reich an unmittelbaren Ideen und grossartigen Entwürfen war es beschränkt
durch mangelhafte Kenntnis der Naturkräfte und arm an technischen Hilfs-
mitteln. Man musste die Kräfte der Menschen und Tiere im Uebermasse
aufwenden und abnutzen, um verhältnismässig geringfügige Resultate zu er-
zielen.« (Flegler, S. 10.)
seu disponendis equis per itinerum intervalla«.
sation fand ich in Mommsen’s Corp. Iscript., III, 6075: »praef. vehicu-
lationis Pannoniae utriusque et Moesiae sup. et (N)orici«.
stituit, ne magistratus hoc onere gravarentur«, nach Flegler S. 7
eine Stelle von »dunkler und schwieriger Beschaffenheit« (!). Von Severus
wird gemeldet: »cum se vellet commendare hominibus, vehicularium munus a
mindestens 5 für jede Station fest, an den belebteren Strassen jedoch wurden
20—40 Umspanntiere bereit gehalten.
»ne provincialium status in Sardinia subruatur, cursum veredorum seu pa-
raveredorum penitus amputari opportere decernimus« etc.
Belisar, als er Hilderich zu Hülfe eilte, der veredarii.
Muratori, Antiqu. Ital. medii aevi, II. 29.
Post an. Ihre Strassen nämlich folgten wie die Römerstrassen nicht den
bewohnten Plätzen, sondern giengen direkt; die Stationen mussten daher alles,
was sie an Nahrung für Menschen und Tiere, zur Verpflegung und zum
Nachtquartier für die Reisenden brauchten, selbst erzeugen; ringsum wurde
daher der Boden bebaut, und wurden Dattelpalmen gepflanzt; ein gegrabener
Brunnen lieferte das unentbehrliche Wasser. So wurde das Stationsgebäude,
wo der Postmeister wohnte, der Mittelpunkt eines bedeutenden Wirtschafts-
komplexes — oft eine Oase inmitten der Wüste, die Strasse ein Pionier
und Träger der Kultur. Schon Al Mahdi liess (nach dem Berichte Abul-
feda’s) dieser Strasse entlang »öffentliche Herbergen erbauen, Meilensäulen
errichten, die Wasserteiche in Stand setzen und neue Brunnen graben«.
und Täbris berichtet 1403 der kastilianische Gesandte Gonzalez de Clavijo
(s. Petermann, »Geographische Mitteilungen«, 1868 S. 225; heute noch
untersteht die persische Post, was für deren Charakter bemerkenswert ist, dem
Kriegsministerium).
im Jahre 1599: Vias olim habuit XXXIX »quarum hodie vestigia non
obscura«; von diesen 39 zählt er 27 auf, vor allem die Via Appia, Aemilia,
Flaminia Triumphalis, Campana, Pränestina, Ostiensis etc.
grination unnd Raissbuech«) mit dem »Curir- oder Post-Potten«
von Ferrara nach Venedig zurück. Im Juni 1562 empfängt Graf Albrecht zu
Löwenstein, auf der Rückkehr von Jerusalem, in Venedig Briefe aus der Heimat.
Ȉ Corezzo visono 35 miglia la quali si reparteno in quattro poste second
il consueto de Modenese«.
Maximilian I. treffen wir eigentlich den Ursprung unserer heutigen Postver-
er hatte in den Niederlanden Boten, so, wie die Reichsstände.»
ist dies ein Amt sehr notwendig für die Erhaltung des Königreichs und des
guten Einvernehmens mit dem Papst und den anderen Potentaten der
Christenheit. …«
1869, S. 295 die kurze Notiz, dass die Einrichtung der Correos von spa-
nischen Schriftstellern dem Abderrahman II. zugeschrieben werde. Je nach-
dem könnte man also auch in der mittelalterlichen spanischen Litteratur noch
eine Stütze für obige Hypothese finden.
1464 verbot die Beförderung der privaten Korrespondenz bei Todesstrafe
»que la commodite dudit établissement ne soit pour autre que pour son ser-
vice.« Eine solche Bestimmung findet sich nun einerseits in dem Patent von
1516 nicht und war andererseits dem spanischen Correo mayor gegenüber
nicht getroffen worden.
vanda«, über die Sehenswürdigkeiten; darunter führt er z. B. auch an:
»Schola ut ratio instituendi et educandi pueros«; »vulgi mores, quo pertinet
ratio victus et vestitus« (erste Statistik über die Lebenshaltung). Das
Schema wurde in viele Reisebücher mit herübergenommen z. B. von Paul
Hentzner 1612 etc.
amten auf alle anderen, auch auf die städtischen Konkurrenzanstalten ange-
wandt, die nicht dem Taxis’schen Hause unterstanden, ähnlich wie die Zünfte
von »Bönhasen« sprachen.
tenden Postpferde eine fixe Zeit sich einbürgerte, die Reitpost regelmässig
abgieng, hatte naturgemäss auch die Briefpost den gleichen Kurs.
gelegt. Hier bringe ich, um den Gang der Beweisführung nicht zu sehr auf-
zuhalten, nur die markanteren Beleg-Stellen.
12 Soldi (etwa = 2 M. 70 Pf. heutigen Geldwerts), nach Flandern 26 Soldi
(= 5 M. 80 Pf.) u. s. w.
Sachverhalts nicht klar gelegt worden, dass sich der König von Spanien
des niederländisch-italienischen Postkurses begeben und solchen dem Kaiser
überlassen habe.
Kaiser Rudolf mit dem Württembergischen Herzog Ludwig führte; mit dem
letzteren schloss Henot am 27. Febr. 1587 einen Vertrag ab, wonach die
vier Württembergischen Stationen zu gemeinsamen Reichs- und Landpost-
haltereien verbunden werden sollten (s. Stälins Württembergische Gechichte,
IV. Bd. S. 818; über die Ansbacher Route vergl. Langs Geschichte von
Bayreuth S. 70). Bald aber stockten die Zahlungen, trotz des von Henot
im Vertrag vom 30. April 1589 erneuten Versprechens (s. Stängel S. 198,
203, 205).
wahrscheinlich seit 1536 Christoph von Taxis, der Schwiegersohn des Johann
Baptista), dann Paulus Wolzogen (? 1566 s. Rübsam S. 22), Hans v.
Wolzogen, der Vorgänger des oben genannten Püchls; von letzterem gieng
das Hofpostamt auf den bekannten Lamoral v. Taxis, der es bis 1612 be-
kleidete, dann auf den damaligen niederösterreichischen Landpostmeister Carlo
Magni über. Dessen Sohn Jakob verkaufte das Amt 1622 an Hans Christoph
Freiherrn v. Paar, (dessen Grossvater 60 Jahre zuvor in Diensten der
Taxis gestanden und mit ihnen nahe verwandt war). Rübsam 1892 S. 36;
L’Union postale 1885 S. 172.
dass der Kaiserl. Postmeister in Venedig die ihm von der kaiserlichen Kammer
zugesicherte Besoldung pünktlicher erhalten sollte.
quel estat ou qualité il soit puisse en son prive nom et aultrement collecter
et rassembler masse des lettres pour les envoyer ou faire transporter hors
du pays parla poste ou chevaulx de relay en forme de courier par
messagier a cheval ou a pied ou hommes expres sans le sceu congie et lettres
de passeport dudict maistre ou ses commis.« (Rübsam 1892, S. 51.)
Widersprüche in der Darstellung der Geschichte des englischen Postwesens
aufklären. Nach den einen nämlich finden sich »verlässliche Berichte über
die englische Post erst aus dem Jahre 1689, wo eine Kurierpost eingerichtet
wurde«; andere (Meyers Konversationslexikon IV. Aufl., 5 s. v. »Post«
S. 245) erzählen naiv, dass es »schon zu Zeiten der Königin Elisabeth rei-
tende Boten gegeben habe«; Veredarius »Das Buch von der Weltpost« redet
S. 97 von einer königl. Post ums Jahr 1320 oder gar 1130: eine derartige
Einrichtung wäre ein Beweis für die damalig politische und wirtschaftliche
Entwickelung des Königreichs, wie sie aber thatsächlich erst einige Jahr-
hunderte später eingetreten ist. Im Jahre 1619 erfolgte die Anstellung eines
speziellen Postmeisters für den ausländischen Dienst, 1635 die Neu-
Organisierung des englischen Postdienstes unter Thom. Witherings bezw.
(1640) Burlamachi, 1665 Festlegung der Post-Einnahmen als Revenüen für
James, Herzog von York und dessen männlichen Erben, 1680 Einrichtung
einer Stadtpost (Pennypost) in London durch Wilhelm Dokwra, 1711 Con-
solidation von »Postal Acts« durch 9tes Statut der Königin Anna, 1720 Ein-
richtung von Landposten unter Ralph Allen (»inventor of the cross-
roads postal system«) 1782 Palmers mail-coaches.
direktion gethan, auch die anderen kontinentalen Direktionen es als eine
Ehrenpflicht ansehen, die Geschichte der Entstehung und Ausbildung der Post
ihres Landes durch archivalische Studien aufklären zu lassen.
über Johann Baptista von Taxis S. 1 voranstellt, der: »Bekanntlich haben die
Vorfahren des fürstlichen Hauses durch die Errichtung der Posten eine neue
Aera im Verkehrswesen heraufgeführt; der epochemachende
Fortschritt dieser genial organisierten Kulturanstalt lag in dem Umstande,
dass dieselbe nicht ausschliesslich den Bedürfnissen und Interessen des Staates
huldigte, sondern eine gemeinnützige volkswirtschaftliche Richtung
einschlug.«
die gegenteilige Annahme zu meiner Ueberraschung genug Belege in der
Spezial-Untersuchung Königs über »die schwarzen Kabinette«. Schon unter
Karl V. erwiesen sich nach ihm die Spanier als Meister in der Kunst, Briefe
aufzufangen, zu öffnen und wieder zu versiegeln. Schon vor Rudolf II., der
so scharf für das Taxis’sche Lehen vorging, war die Briefspionage in ein
System gebracht worden. Damals kamen die »Logisten« Eberl auf, in deren
Familie das Geschäft der Spionage und der Fälschung sich von Rudolf II.
bis Joseph II. vererbte; einer dieser Familien-Angehörigen, der Kourier war,
wurde wegen dieser Fertigkeit zum Postmeister ernannt und
1612 geadelt. Auf diese Weise erhielt das Wiener Kabinett über die Politik
Frankreichs, und der Deutschen Fürsten, wie aller andern jeweiligen Gegner
wertvolle Nachweise. Die Taxis hatten sogar in Wien, obgleich die Post
der Erblande in den Händen der Paar’schen Familie sich befand, ständig
einen ihren Beamten im »Schwarzen Kabinett«. (Sonderbare Widersprüche
über diesen delikaten Punkt finden sich bei B. E. Crole, Geschichte der
deutschen Post 1889, S. 20 und S. 425—427.)
jährigen Krieg seine Mandate gegen das konkurrierende Botenwesen der
Reichsstädte und deutschen Fürsten erlässt; vielleicht hatten die Mandate
ihren Ursprung in finanziellen oder andern Gefälligkeiten der Taxis’schen Familie.
schwerden der Reichsstädte als gerechtfertigt anerkannt: die Uebergriffe der
Taxis’schen Verwaltung als »inusitata onera et impedimenta, quibus commer-
ciorum et navigationis usus deterior redditus est, penitus tollantur«. Zehn
Jahre darauf suchte das Haus Taxis die damalige Kaiserwahl zur Ausdehnung
seines Regals auf die österreichischen Erblande zu benützen.
gende Post« lange Zeit als Muster-Anstalt; 1704 schreibt z. B. J. Ch. Schön-
beck (»De jure postarum hereditario«). »Inter omnes Germaniae principes
maximam publici cursus curam a dimidio abhinc seculo habuit princeps Elec-
tor Brandeburgicus«.
Kaiser Leopolds mit dem grossen Kurfürsten (dessen eingehende Replik dd. 26.
Apr. 1660) und bei den verschiedenen Wahlkapitulationen von 1663, 1690, 1711
bei Stängel, »Das deutsche Postwesen« 1844, S. 50—66. Schon in dem
Wahlprotokoll v. 6. Juni 1658 findet sich der Passus: »»Es were das Post-
Mayestät vndt dem Reiche dependire, vndt darüber Ihro Churf. Gnaden
zu Maynz alss Reichs Ertz-Cantzlern die suprema protectio gebühre. Müsste
Man also billich so weit gehen, das gleichwoll dem Kayser seine Re-
galia nicht beschnitten würden«. Schon bei diesem Wahlgang
(von 1658) wurde gleicherweise das allgemeine Postregal, sowie die Exemtion
der kaiserlichen Erblande von der kaiserlichen Reichslehenspost als unantast-
bar hingenommen.
spricht im Don Juan von dieser wundervollen Beförderungsart, Dickens ver-
ewigt in seinen Pickwickiern die beiden Samuel Weller. Bekannt sind die
Posthornlieder von Eichendorff, Lenau, Wilhelm Müller, der Postillion von
Lonjumeau.
sächlich heutzutage gebrauchen, sind, wenigstens in ihrer allgemeinen An-
wendung, neuesten Datums; Marksteine für den Entwickelungsgang sind:
1720 wird in Frankreich der Strassenbau, 1755 in England der Kanalbau,
1825 ebendort die Pferdeeisenbahn systematisch in Angriff genommen.
Jahre 1820 an die Oesterreichische Regierung das Gesuch, die Schiffahrt auf
der Moldau bis Budweis zu regulieren und von dort bis zur Donau einen
Kanal oder eine Eisenbahn anzulegen. Die österreichische Kommerz-Hof-
nehmung zu stellen, er erhielt am 7. Sept. 1824 ein Privilegium zum Bau
einer Eisenbahn zwischen der Moldau und Donau und bildete Anfangs 1825
in Wien eine Aktiengesellschaft, welcher er am 12. März sein Privilegium ab-
trat. Unter Gerstners Leitung schritt der Bau in der Weise vor, dass im
Herbst 1828 die erste Hälfte der Bahn von Budweis bis Kerschbaum (18 ⅓
d. Meilen), und am 1. Aug. 1832 die zweite Hälfte bis Linz (9 Meilen) dem
Verkehr übergeben werden konnte. Bis in die letzten Jahre war diese
Bahn nur auf Pferdebetrieb eingerichtet und ebenso der seit 1830 voll-
endete Schienenweg von Prag nach Lahna (7 ½ Meilen) nur Pferdebahn; die
erste deutsche Eisenbahn mit Lokomotivbetrieb ist dagegen bekanntlich die
am 7. Dez. 1835 eröffnete von Nürnberg nach Fürth.
als leitender Gesichtspunkt die Einheit seiner Behandlung (Ersparung in-
dividueller Manipulation durch Nivellierung und Unifikation) und die mög-
lichst grosse Ausdehnung des Absatz-(Post-)Gebiets gewonnen;
je einfacher bei dem Postwesen die Manipulation, je weniger oft die Um-
packung und Auswechselung der Korrespondenz nötig ist, desto schneller,
wohlfeiler und sicherer, und mithin wohlthätiger wirkt die Anstalt — gerade
wie der Handel.
ideen, der geschäftlichen und familiären Nachrichten lediglich vermittelst der
Organisation, ist der Weltpostverein die grossartigste Schöpfung; die
Erleichterung der Versendungsbedingungen, namentlich durch die Weltpost-
Einheitstaxe von 25 Centimes = 20 Pf. für den einfachen bis 15 g schweren
Brief und die Herstellung eines einzigen Weltpostgebiets, (in dem unbedingte
Freiheit des Brieftransits herrscht) gilt heute als selbstverständlich, ist aber —
eben deshalb, weil das, was noch vor 40 Jahren ein Ding der Unmög-
lichkeit gewesen wäre, heute kaum beachtet wird, — ein Gradmesser für das
Fortschreiten der internationalen Verkehrsbeziehungen.
einander, und zwar zunächst in der von Mittel und Zweck: der allgemeinere
gemeine Begriff als das »potius« hängt nicht allein vom Transport und
dessen Stand ab (Arbeitsgliederung und Kredit z. B. sind ebenso wichtig),
er wird aber immer, bei jeder Aenderung eine Rückwirkung auf das »mi-
nus« ausüben; (schon wegen dieser Rückwirkung und der dem Unter- und
Oberbegriff gemeinsamen Voraussetzungen lässt sich, im Gegensatz zum
Marx’schen Standpunkt, die arbeitsteilige Produktion nicht von der Kom-
munikation lostrennen). Ein Transportfortschritt also wird nicht nur durch
Verbesserung von Motor und Fahrbahn, sondern nicht minder auch durch
eine Vervollkommnung der beiden wirtschaftlichen Hebel, Arbeitsteilung und
Arbeitsvereinigung (z. B. feinerer Organisation des Postwesens) erbracht;
vermöge dieser Wechselbeziehung fördern sie einander, aber — und das
gilt auch gegenüber dem Uebereifer in der Rekonstruktion des älteren Post-
wesens — sie begrenzen auch einander: »alles ist Frucht und alles ist
Samen«. Ein intensives Transportmittel — intensiv nach Zeit und Kraft
(d. h. Kapital-Aufwand) — wie z. B. die Eisenbahn ist unwirtschaftlich für
eine extensive Produktion und umgekehrt ist eine intensive Produktion, wie
z. B. das Manufakturwesen, da nicht möglich, wo nicht ein ähnlich inten-
sives Beförderungsmittel vorhanden ist.
die solidere Unterlage einer nationalen Industrie gewann er erst im 19. Jhh.
und zwar in England — erklärt sich das rasche Aufblühen, aber auch der
rasche und totale Verfall aller Handelsstaaten und Handelsstädte, sobald
der Spekulationshandel nicht mehr möglich ist oder nicht mehr rentiert.
Im Altertum waren zudem alle blühenden Staaten Raubstaaten, (vor
allem Rom und Athen): damit, wie mit der unvermeidlichen Sittenverderbnis
mag es zusammenhängen, dass alle grossartigen Ruinen des Altertums nur
in der Wüstestehen; Palmyra und Persepolis, Tyrus und Karthago,
Puteoli und Selinunt, Athen und Rom (Campagna: es ist, als ob der Fluch
der Götter laste auf dem Boden, der ihre Tempel untergehen sah).
Nicht viel besser stand es zur Zeit der Blüte und steht es demzufolge
auch heutzutage mit den mittelalterlichen Städterepubliken: »la bella Ve-
nezia« zählt heute bei 150,000 Einw. 25,000 Unterstützungsbedürftige.
zuerst nicht der Land-, sondern der Seeverkehr gegeben haben. Frühzeitig
musste sich für alle Seestaaten, aus politischen und militärischen Gründen
das Bedürfnis ergeben, mit ihren überseeischen Besitzungen in ständigem
Kontakt zu sein, gleichzeitig aber für die hiezu erforderliche Aussendung
von — Monate ausbleibenden — Schiffen aber eine gewisse Ordnung,
einen Kurs aufzustellen. Zugleich übt naturgemäss auch auf den binnen-
ländischen Botendienst jeder Abgang und jede Ankunft eines den
Fernverkehr vermittelnden Schiffes eine gewisse Rückwirkung aus; schliess-
lich wird der Vorgang der Post-Schiffe zur Nachahmung der gleichen Regel-
mässigkeit anreizen. Thatsächlich hatten die römischen Kaiser »naves va-
gae« (lt. einem 1875 in Ostia aufgefundenen Gedenkstein für einen pro-
und indischen, sondern auch der chinesischen Reiche, also die Civilisation
der gesamten Alten Welt beruht zum Teil auf der Notwendigkeit der Re-
gulierung, zum Teil auf dem Handelsverkehr der vier Stromgebiete — (die
zugleich die vier Grenzgebiete Asiens sind) — nämlich des Hoangho und
Yang-tse-Kiang (China), des Nil (Aegypten), Euphrat und Tigris (Babylonien).
Während der ersten dritthalbtausend Jahre der Weltgeschichte, von der
sagenhaften Heroenzeit bis herab zu den Tagen Ludwigs des XIV. (in
welchen ein wirkliches Strassensystem allmählich entstand), angefangen von
den Zeiten des Perikles, Scipio, Cäsar, Nervas und Trajans, durch die
Kreuzzüge, die Blüte der Hansa, Venedigs und Genuas hindurch bis herab
zu den Thaten der Konquistadoren in Amerika, der Portugiesen in Ostin-
dien — hat sich die Civilisation nur auf Wasserpfaden bewegt.
Die gleiche Entwickelung der Fluss-Civilisation wie an diesen »alten«
Strömen, kann man später auch am Rhein und an der Donau verfolgen.
eine Schiffspost nach Konstantinopel, Alexandrien und Kairo, welche Hör-
nigk mit Recht in seinem Werke »de jure postarum« (Wien 1638 bezw.
1649) anzieht. Nachweisbar bestand ferner auf den oberitalienischen Flüssen
schon im 16. Jhh. ein regelmässiger Barkendienst. Ebenso hatten die
Städte am Rhein, an der Oder, an der Elbe, wie Strassburg, Köln,
Mainz, Magdeburg schon im 13. Jhh. ihre regelmässig kursierenden Markt-
oder Ordinarischiffe; vergl. Benetti S. 45 und 25 »de posta navali«, Rau-
mers Historisches Taschenbuch, S. 368, 321, 288, 304. Ueber die uralte
Einrichtung der Postschiffe in China berichtet das Postarchiv von 1878, S. 12.
auch des Strassenwesens von Anfang an in einem gewissen Gegensatz zu
Griechenland, wenigstens zu dem Griechenland nach Alexanders Zeit. Während
Griechenland mehr See- als Landstrassen hat, betreibt Rom als hauptsäch-
liche Landmacht, systematisch — wie es im 2. Jhh. vor Chr. in Vorderasien
geschieht — die Erbauung der Städte und Strassen als ein Mittel seiner
Strategie. —
Im Mittelalter stand die Technik, so reich sich auch der Hochbau (Klöster,
Dome, Paläste) entwickelte, ebenso sehr im Strassenbau hinter der des Alter-
tums zurück. —
Wie immer und überall so erzielte auch das römische Kaiserreich die
Centralisierung und die Steigerung des Verkehrs eine einheitliche Ver-
schmelzung, eine Nivellierung und Universalierung der Lebenshaltung, eine
uniforme Civilisation und Weltanschauung — auch in formaler Beziehung;
die universale Bildung des »Civis Romanus« umschloss die damalige Welt.
Dies gibt sich noch in den Ueberresten, welche sich bis auf unsere Tage er-
halten haben, u. a. darin kund, dass z. B. das Haus in Pompeji den gleichen
Riss und die gleiche Konstruktion zeigt, wie das etwa in Rottweil aus-
gegrabene (die Römer nahmen wie die heutigen Engländer einen einheitlichen
Zuschnitt der Lebensgewohnheit überall hin mit; es kann keiner römischen Mo-
saikarbeit angesehen werden, ob sie in Tunis oder England, in Andalusien
oder etwa in Salzburg fabriziert und ausgegraben worden ist.
zwischen den Angaben über die »poste« oder »positiones« auf der Peutinger-
Tafel und in Herbas Itinerario hervortritt: nach letzterem nämlich hat es
zur Zeit der Renaissance viel mehr Stationen zwischen zwei Hauptpunkten
und in viel gleichmässigerer Entfernung gegeben; die Route war passier-
barer geworden, als sie zur römischen Kaiserzeit war.
Kirchenheim (in der Festschrift des historisch-philosophischen Vereins zur
Stiftungsfeier der Universität Heidelberg. 1886, S. 122—130). Was die von
Kirchenheim beanstandeten »magni nuntii« gewesen sind, geht aus
dem Stiftungsdekret der Universität Neapel von 1224 hervor, worin ihnen
auferlegt wird, das geliehene Geld so lange, als die Studenten in Neapel weilen,
nicht zurückzuverlangen. Sie waren demnach die amtlich bestellten Bankiers
für die Studenten; ihre Verbindung mit der Botenpost findet eine Analogie
darin, dass der spanische Correo mayor Bankgeschäfte betrieb. — Vergl.
auch Belloca und die daselbst angegebene Literatur (wegen der Pariser Uni-
versität); Gherardi, Statuti e studii dell Università Florentina dell anno 1387,
Vieusseux-Firenze 1881, 34; Historisches Jahrbuch der Görresgesellschaft
1891, S. 86 und 561.
grenzer selbst nicht ein direktes Interesse an dem passierbaren Zustand der
Strasse hatten, konnte solche nicht besser sein. Erst mit Aufrichtung des
ewigen Landfriedens wurden die Landstrassen, welche bis dahin des Königs
Strasse waren, von den Landesherrn in den Kreis ihrer Aufgaben einbe-
zogen. Bekannt ist der Ausspruch des Landgrafen Philipp: »Man soll
einen Fürsten kennen bey einer Strasse (guter Müntze und Haltung be-
schehener Zusage«). Vorher waren die einzigen Interessenten die transi-
tierenden Kaufleute, die auch wirklich für die Instandhaltung der Weltstrassen
werkthätig eintraten: beispielsweise liegen noch aus den Jahren 1351, 1352
und 1358 Beschlüsse der Nürnberger Kaufleute über Ausgaben für die
Alpenstrassen vor. Ein in Mones »Zeitschrift für die Geschichte des Ober-
rheins« (V. Bd. S. 18) mitgeteilter Beschluss bezieht sich darauf, dass die Strasse
von Venedig nach Brügge und Nürnberg nicht hergerichtet und nicht sicher
sei; »multa damna et expensa subtinuerunt mercatores Veneti, quia cami-
num de Norimbergo non est in aconcio«. Im Jahre 1358 machen sich die
Grafen von Württemberg verbindlich, den Nürnberger Handel mit Geleit
zu schirmen, und allenfalls erlittenen Schaden zu ersetzen. Zu Anfang des
15. Jhh. trifft Nürnberg mit Genua und Mailand eine Verabredung, dahin
gehend: »Genua und Mailand sollen dafür Sicherheit und Vorkehrungen
treffen, dass dem Kaufmann sein Gut, seine Diener, Fuhrleute und Schiff-
leute mit Mord, Rauberei und andere Sachen nicht beschädigt, und dass
ihnen abgenommenes Gut und anderer Schaden widerkehret werde«. (Jahres-
bericht des Histor. Vereins in Mittelfranken 1872, S. 101 und 106).
zwischen den beiden Hoflagern Innsbruck-Brüssel auf der belebtesten Welt-
route jener Zeit zu kursieren hatten, und in jener Zeit das mächtige Auf-
blühen Antwerpens begann, während die Bedeutung Venedigs erblasste;
1503 hatten die Portugiesen Kalikut überfallen, und darauf angefangen, die
indischen Spezereien und Droguen auf die Antwerpner Messen zu führen;
1516 wanderten alle fremden Kaufleute, mit Ausnahme der Spanier von
Brügge und Gent nach Antwerpen.
noch vorhandenen Dokumenten zufolge bestanden z. B. in Brandenburg
schon vor den Regierungsjahren der beiden Kurfürsten Joachim (1499 (!)
und 1535) geregelte Botenposten zu Fuss und reitend, und (Post-)
Brief-Faktore, also lange Zeit vor dem Errichten des Taxis-
schen Postwesens«. Diese Angabe ist jedenfalls nicht richtig; die
Tendenz des Autors tritt zu deutlich hervor, seine Befangenheit verleitete
ihn zu voreiligen Schlüssen. Vorsichtiger drückt sich Stephan in seiner
Geschichte der Preussischen Post, 1859 S. 13 aus, indem er sagt, es sei
aus späteren Dokumenten ersichtlich, dass bereits vor 1550 (unter der Re-
gierung Joachims II (Hektor) in Preussen Botenordnungen erlassen worden
seien (vergl. Matthias I, S. 163). Auch diese reservierte Bemerkung be-
darf noch näherer Erläuterung, namentlich auch in der Richtung, ob vor
1550 schon eine regelmässige Botenpost bestanden hat.
vor und neben den kaiserlichen Reitboten auch solche der Reichsstädte
und der Territorialherrn kursiert haben müssen, und die kaiserlichen Be-
stallungsbriefe sich lediglich auf die eine Haupt- und Transitroute Brüssel-
Innsbruck, nicht auch auf die Kurse der Querlinien bezogen haben, da sich
die letzteren erst nach den betreffenden Patenten netzartig ausgebreitet haben.
mit der Zuverlässigkeit der Ablieferung nicht gut bestellt sein. Klagen
darüber enthält z. B. ein Memorial der Frankfurter Kaufleute an den dor-
tigen Rat dd. 1589 oder die nachfolgende Einleitung und Bestimmung 8 und 9
der Hamburger Botenordnung von 1580 (abgedruckt in den »Mitteilungen
geht davon aus: »Nachdem van unsern Baden nha Westen reisende allerlei
missbrucke gesporett und daglichs vele Klage Erer ungeschicklicheit halfen
vorfallen … 8). Und dewile ock befunden wertt, dath de Baden ethliche
Breve vorher senden und de anderen bi sick beholden, oder sunst in den breven
avertholeverrende untruwe gebruken und dar gelt vor nhemen, und sodanes
dem gemeinen kopmanne tho merklichen schaden gerekett, Schall hirmitt den
Baden dat sulvige tho donde vorbaden sin bi twier daler straffe. Thom
Negenden. Dewile de Dantzische Baden offte dre edder veer dage allhir be-
liggende bliven, nicht alleine tho merklichem vorfange unser Hamburger
Baden sonder ock tho grothem schaden und nhadeel des Kopmanns, darvan
se na Danzsche breve edder von Dantsch nha Andorpen breve aver tho dra-
gende enthfangen hebben, und Unser Baden dennoch, wann se hebben ange-
schlagen up ere bestemmede tidt, se krigen weinich edder vell Breve, reisen
mothen, So ist vor gudt angesehen, dath de Dantzische Baden nicht mherr
den eine Borssendidt anschlan, und sick uthropen lathen scholen«.
Noch 1659 schreibt Thomas Garzonus: »Was die Bothen selbst anbe-
langt, findet man [auch] ihre Mängel an etlichen und manchen, der irre gehet,
wenn er für einen Galgen vorübergehet. Denn beneben anderer Untreu, so
offtermals bei den Boten gespüret wird, dass sie die Briefe auffbrechen, die
Siegel verfälschen, Heimlichkeiten verrathen, sind sie auch meisterlich darauf
abgerichtet, dass sie die Päck und Geld aufmachen, verspielen, versauffen
u. s. w.; in (Kriegs- und) Pestillentz-Läufften haben sie ihr grösstes Fieber,
sintemahl es dann nirgend mit ihnen fortwill, sondern werden überall auf-
gehalten, die Briefe und Geld genommen, die Haut vollgeschlagen und was
dergleichen Unfälle mehr sind«. Bei dieser vielzitierten Stelle muss man zwar
die anekdotenhaften Uebertreibungen abziehen, in denen sich Garzonus auch
sonst gefällt.
Einzelne Fälle von Unregelmässigkeiten seitens Nürnberger, Frankfurter,
Sächsischer Boten werden erwähnt z. B. von Schäfer, Sächsisches Postwesen
1879, S. 9, (aus den Jahren 1570/71), von Faulhaber, Geschichte der Post der
Stadt Frankfurt (aus den Jahren 1574, 1607 etc. im Archiv für Frankfurts
Geschichte 1883, S. 5. 11. 12 und 17), in Heinr. Deichsler’s Chronik (mit-
geteilt in den »Chroniken der fränkischen Städte«, V. Bd., 1874, S. 671,
Al. 15): darnach erbrach im April 1504 der Nürnberger »potenlaufer« einen
Geldbrief, (was zwar auch noch h. z. T. vorkommt). — A. von Kirchen-
heim meint, die Universitätsboten seien zu Unterschlagungen auch deshalb
verführt worden, weil man auf die Aeusserung eines gelehrten Mannes
hohen Wert legte (!).
Cüstrin Boten- und Stundenzettel noch aus dem Anfang des 16. Jhh. vor-
handen.
amts nebst Uebersicht über die abgehenden und ankommenden Posten
dd. 1622 bringt Faulhaber loc. cit. S. 40/41 zum Abdruck.
liche Posten kommen, es unmöglich sei, dass man dieselbige ganz frankieren
kann«. Nach Stäger wurde z. B. ein Brief von Appenzell nach Lausanne,
der durch St. Gallen, Thurgau, Zürich, Aarau, Bern und Freiburg transi-
tierte, mit 6 Transittaxen und 7 Auslagebeträgen belastet. Als Porto für
die Strecke Zürich-Freiburg wurden in Freiburg 9 Kreuzer, in Zürich
4 Kreuzer erhoben.
wurde, konnte sie in Deutschland so wie in Frankreich und England, ähnlich wie
heute noch z. B. in Kleinasien, nur mit Reittieren ausgeführt werden: der
Roman »Gilblas« wird nirgends der Postgelegenheit gedacht; die Erklärung
hiefür finde ich darin, dass damals das Reisen mit der Post von der vor-
herigen Erlaubnis des General-Postmeisters abhängig, und sowohl deshalb
als auch wegen des schlechten Standes und der Unsicherheit der Strassen
wenig üblich war; vergl. Bernède »Des Postes«, Paris 1826, S. 133.
stellenden Post-Relaispferden, einen Postreiter zur Seite. Für diese Ver-
mietung gab es schon im 16. Jahrhundert eine Art feste Taxe, vergl. Pa-
tent von 1516, Art. XVIII, »les dicts postes seront aussy tenuz les accom-
paigner en payant demy poste seulement selon que l’on paye, et pays ou ils
courreront.« (Rübsam, 1889, S. 225.). Die damalige »reisige« Zeit war dem
»Kutschenfahren« nicht gewogen, das Reisen mit »reisigen Pferden« und
deren Bereithaltung gehörte zur damaligen Kriegsdienstpflicht, daher z. B.
1588 der Herzog von Braunschweig das »Faullenzen und Kutschenfahren«
bei Strafe verbot (übrigens geht eben aus diesem Verbot die weitere
Verbreitung des komfortableren Vehikels hervor).
z. B. von der Rückkehr seines Sohnes aus Venedig und lautet: »Adi
9. Febr. 1533 haben Si mir In her gesandt uff der Rod«: »Rodfuhrwerk«
hiess nämlich der damals zwischen Venedig und Augsburg kursierende
Botenwagen. Von seinem Urahnherrn erzählt er bezgl. seines Verkehrs mit
Venedig, »fuor wider hinein und also hin und her«: ums Jahr 1360, von
welchem die Stelle handelt, kursierte zwar das Rodfuhrwerk noch nicht,
aber aus dem Passus geht hervor, dass Rem diese Beförderungsart als etwas
Längstbestehendes ansah. Ueber sich selbst endlich teilt Rem mit: »Adi
7. (Okt. 1515) fruo rit ich alda (scil. von Brüssel) aus auf der post« (täg-
lich 3—5 posten reitend kam er bis 13. in Augsburg an) .... »Adi 4. Dec.
(1515) nachtz rit Ich aus Augspurg auf der post, dieselbes nacht nur 1, darnach
2—5 posten, kam 12. Dec. gen Antorff«.
Aehnlich erzählt in seiner Rom-Reise Andreas Masius: »Von Augspurg
biss gen Rom bin ich auf der post geritten«. Der Preis betrug nach ihm
für eine »Post« oder Station ½ Kron = 1½ Gulden des damaligen Geldes
(Rübsam, Johann Baptista von Taxis S. 213. 235).
geht u. a. auch daraus hervor, dass schon Juan I. v. Aragonien 1388 dem
Botenmeister Berengar Folguer erlaubte, in seinem Hause Wein, Brot und
Nahrungsmittel für Personen und Pferde vorrätig zu halten. Leon von Roz-
mital (15. Jhh.) entwirft zwar von diesen alten Post-Hotels ein Bild, das
nicht gar schmeichelhaft ist.
auch freie Verpflegung. Von dem Boten, der alle Sonntag von Florenz
nach Ankona ritt, rühmt Furttenbach (1627) »welches das allerwenigste kost-
ende reisen ist so ich jemalen gehabt; allein muss man stätigs fort raisen«.
»Zu Bologna find man Pferd oder Gutschen, soviel man begehrt nach
Piacenza«; für die Ordinari-Post jedoch wurden letztere noch nicht gebraucht;
Furttenbach fuhr (über Modena) in einem gelegentlichen Retourfuhrwerk.
(»Handel und Industrie der Stadt Basel« 1886) falsch aufgefasst; der An-
lass »Rollwagen« ist, wie bei vielen nachfolgenden Schwankbüchlein oder
Reise-Erzählungen (z. B. »der Reisende Aristippus« 1680, etc.) nur fingiert,
der Titel besagt nur, dass »stilla mutz« auf der Reise besonders gewertet
wird, und für solche unterhaltungsbedürftige Kreise — neben »Rollwegen«
werden in der zweiten Auflage auch Badestuben genannt — die Zusammen-
stellung der Anekdoten erfolgt ist.
sechs »Pottenlaufer« (s. Christoph Scheurls Aemterbüchlein in den »Chro-
niken der fränkischen Städte« V. Bd., 1874, S. 858).
tuendi«, 1710) wurde 1625 »eine Fusspost von Leipzig in Dresden und von
dannen nach Prag dergestalt neu angelegt, dass alle Briefe wöchentlich zwey-
mahl ad Montags und Donnerstags frühe von Leipzig abgeschicket, auch
Dienstags und Freitag frühe zu Dresden sein«.
(Das schweizerische Postwesen, 1879) nachfolgenden Fall, der typisch ge-
wesen sei. Ein Reisender steigt in Coppet (Waadt) in den Wagen; sein
Reiseziel ist Zürich; in Bern angekommen, teilt man ihm mit, dass kein
Wagen für Zürich da sei, wohl aber einer für Basel. Er wartet in Bern
2 Tage auf den Abgang des nächstens Wagens nach Zürich, in der Hoff-
nung, seinen Platz zu finden; der Wagen ist jedoch schon besetzt, und er
eine grosse Kälte herrschte, berichtet eine Chronik: »so sehr viele Wanderer
hatten das Loos zu erfrieren, ein Schicksal, vor welchem selbst die Passa-
giere in den Diligencen und die Postillone in der Hülle ihrer Mäntel und
Pelze nicht geschützt waren. Denn mehrere Male geschah es, dass die
Postpferde mit ihrem Wagen oder Felleisen an der Station ankamen, aber
Niemand stieg aus und ab: die Fahrenden und Reisenden waren zu Leich-
namen geworden«!
Auflagen oder Nachdrucke. Wohl jede grössere Bibliothek ist im Besitze
mehrerer Exemplare; die Münchner Bibliothek z. B. hat die erste Aufl. von
1608, dann die von 1611 und 1666; die Stuttgarter die II. Aufl. von 1611
Venetia, 416 S.S. und die von 1628; die Berliner die IV. Aufl. von 1616.
Eine jüngere Ausgabe erschien 1676 zu Venedig. Den Inhalt des Büch-
leins hat schon Rübsam in dem »Historischen Jahrbuch der Görres-Gesell-
schaft« 1892, 1. Heft, S. 64—73 skizziert.
Hauptsache auf dem Herkommen; formal wurde dies für Frankreich —
Spanien durch einen Vertrag geregelt, den Taxis mit dem französischen
Postmeister Fouquet de la Varane 1601 abschloss.
das letztmals 1831 in III. Auflage erschien. Das letzterschienene, für den
praktischen Gebrauch bestimmte Itinéraire, das von Siegmaier 1829 ver-
öffentlichte, führt in der deutschen Ausgabe den bezeichnenden Titel: »All-
gemeines Postreisebuch und vollständiger Meilenzeiger«.
gabe des Schott’schen Büchleins für die Strecke von Messina nach Palermo,
es gehe darauf nicht, wie von Rom nach Neapel, von da die Post nach
Messina: »non visono Poste destinate de on luogo all altro«, aber man
könne »pigliare dell Mugle«; die Ausgabe von 1659 hat den Beisatz: »Il
qual viaggio quando conuiene a Corrieri ò altri andarui per la posta o sia
con diligêza, conuiene, che paghino dette Mulle per venti poste«. Ebenso
wird bzgl. der Route Wien-Pesth der Reisende vorsorglich darauf vorbe-
reitet (Codogno, S. 212) »che non ritrouate le Poste simplici«.
Distanz-Angabe nach »Teutschen Meilen« und zwar sogar für den »Postweg
von Augsburg nach Antorff« an. Die andere Bestimmung nach »poste«,
wie sie zuerst Herba gibt, ist auch von höherer kulturgeschicht-
licher Bedeutung deshalb, weil sie darüber orientiert, wie weit damals
die Einteilung der Strassen in möglichst gleichmässige Distanzen vorange-
schritten war.
und Ausbund aller wegweiser«, Cöln 1597; Itinerarium universae Germa-
niae (anonym in Frankfurt a.M. 1601 erschienen); Allgemeiner oder General
Rayssbuch und Wegweiser, (ebenfalls anonym zu Ursel 1603 herausgegeben);
Deliciae Italiae, index viatorius indicans itinera von Cyprian Eichov 1603;
von demselben Autor »Deliciarum Germaniae, index simul et viatorius,
Ursellis 1604; M. Quaad, Deliciae Galliae«, 1603 u. s. f.
Herba gebrauchte von Tagreisen »unius diei itinere«, wie sie sich z. B. in
dem Itinerarium Benjamini Tudelensis oder noch in Seb. Brants Kursbuch
(passim: »eyn tagreyss«) vorfindet.
erste Ausgabe enthält 168 Blatt nebst einem Sachregister und ist in der
Münchner Hofbibliothek vorhanden. Schon im folgenden Jahre 1564 er-
lebte es eine neue Auflage und einen Nachdruck; beide finden sich in der
Eine Neu-Auflage aus dem Jahre 1587 besitzt das Reichspostmuseum. Der
sprechende Titel lautet (mit unwesentlichen Abweichungen der verschiedenen
Ausgaben) »Itinerario delle poste per diverse parti del mondo. Et il vi-
aggio di San Jacomo di Galitia. Con tutte le fiere notabili, che si fan-
no per tutto il mondo. Con una narratione delle cose di Roma et massime
delle sette Chiese, brevemente ridotta«. Auffallend ist, dass in dem
Nachdruck (kenntlich durch den Druckfehler auf dem Titel »Vinegia«) die
Widmung, welche (ausser im Text bei Rezzo) allein den Autor Herba nennt,
weggelassen ist, und das darauffolgende Avis an den Leser (»Alli Lettori«
in der einen Ausgabe »Nota Lettore«, in der andern »Vedi lettore«) schon
in der ersten Auflage einen Mitarbeiter mit den Worten vorstellt: »Cheru-
binus de Stella hoc opus scripsit et in parte composuit de mandato præ-
dicti D. Joannis de Helba«. (Das »praedicti« blieb im Nachdruck stehen,
obgleich Helbas Name zuvor nicht genannt wird). Anderseits ist in der
II. rechtmässigen Auflage der Passus über den Mitarbeiter gestrichen: haben
sich vielleicht der inspirierende und der ausführende Teil nach Erscheinen
der I. Auflage wegen des geistigen Eigentums entzweit?
schon als direkte Bezeichnung für dieselbe — kommt in den französischen
Patenten das Wort zum erstenmal 1487 vor.
zeit stellt möglicherweise der Frondienst dar, an dessen Stelle (nach Ta-
vernier) der türkische Kaiser Murad III (1574—1595) Relaisstationen ein-
richtete.
Boten-Compagnie, sondern wirft zugleich auch ein Licht auf die damalige
öffentlich-rechtliche Stellung der niederländisch-spanischen »Compagnia dei
corrieri bergamaschi« zu dem deutschen Reich.
der Taxis’schen Wirren die päpstliche Konzession von Pius V. (1565—1572)
nicht erteilt wird; übrigens gieng neben der Verweigerung der Konzession
der Versuch her, eine eigene päpstliche Botenpost einzurichten.
ein zuverlässiger Historiker; die bekannten Werke von Le Bret, M. Fosca-
rini, Leo, Baumgarten, Heyd, Simonsfeld enthalten nichts Bezügliches. Der
von italienischen Schriftstellern citierte Passus in Inghirani, storia della
Toscana 1843, II. Bd. S. 446 besagt und beweist nichts.
ihm verschiedene andere italienische Schriftsteller bringen den Dichter Tasso
durch seinen Ahnen Omodeo Tasso, der angeblich 1270 — vielleicht auf
Grund des Reisetagebuchs M. Polos? — die Relais einführte, mit der Post
in Verbindung. Es ist dies aber wohl nur ein Beweis, dass der Geschicht-
schreibung auch onomatopoetische Scherze nicht ferne liegen.
Bei den italienischen Schriftstellern führt dieser mythenhafte Erfinder
der Post immer noch seine Existenz fort (s. z. B. Delmati S. 19); daher
mag es rühren, dass Thebussem (S. 24) die Errichtung der Reitpost durch
Roger von Taxis in das Jahr 1313 verlegt.
lands auch den Umstand anzuführen, dass dort 1599 der erste Porto-Tarif
herausgegeben wurde; aber diese Thatsache erklärt sich auch daraus, dass da-
mals Mailand ein Hauptknotenpunkt für die spanisch-niederländische Post war.
Post (»corrieri generali delle poste pontificie«) auf das »portare lettere, di-
spacci o gruppe« beschränkt.
Entwickelung der kaiserlichen Post, sondern auch wegen der Frage der persön-
lichen Verbindung der Taxis’schen Familie weisen die Statthalterei-Akten
manchen dunkeln, noch aufzuklärenden Punkt auf. Neben den Taxis näm-
lich werden auch noch andere »Botenmeister« genannt, z. B. 1496, als die
Post von Innsbruck über Bormio nach Chur aufgehoben und die Legung
einer Postroute durch das Mailändische mit dem dortigen Herzog verein-
bart wird, ferner 1499, als Werndl Gibs eine Verbindung zum Wormser Joch
legt, 1514, da Hans Scholl für die Besorgung der Post Innsbruck-Linz-Wien
bezahlt wird. Ich nehme an, dass den Taxis von Anfang an als »oberste
Postmeister« wenigstens die Aufsicht über die genannten »Botenmeister«
zustand.
maligen Zustand des Taxis’schen Postwesens. Der Kaiser beklagt darin,
»wie unrichtig und langsam es mit dem ordentlichen Postwesen im Reich,
vornehmlich aber gegen den Niederlanden eine Zeitlang hero zugegangen,
und noch immer je mehr und mehr unrichtiger wird«. Eine Broschüre von
Birghden’s (Ahasv. Fritschius »De regali viarum publicarum jure«) erzählt:
»Zu diesem löblichen Postwesen bin ich im Jahre 1598, als es damahls sehr
geschwächt gewesen, nacher Rinhausen gekommen, habe demselben Amt bis im
Jahr 1610 dermassen vorstehen, und unterbauen helffen, dass die eingerissene
Zerrüttungen, Irrung und Hinderungen aus dem Wege geräumt und die
Posten wieder in ziemlichen guten Lauff gerichtet« scil. wurden.
Grossen Kurfürsten für die Strecke Königsberg-Klave eingerichtet; sie hatte
schon vermöge ihrer Ausdehnung von der Memel bis zur Maas, aber auch
durch ihre »eisenbahnähnliche Geschwindigkeit« für den Verkehr Nord-
deutschlands, wie für den von ganz Mitteleuropa eine hervorragende Be-
deutung.
lich-rechtliches Privilegium besass, geht auch mehrfach aus den Henot’schen
Akten hervor. Im Jahre 1584 z. B. erklärt der Rat in Cöln gegenüber
den Taxis, er müsse Henot, so lange ihn nicht der Kaiser seines Amtes
enthoben habe, im Besitze der Postmeisterei schützen. Anderseits wird
Henots Bestallung als kaiserlicher Postmeister in Cöln erst 1596 von Taxis
anerkannt.
Taxis ein fixes Aversum; die Mitnahme von Privatbriefen war, wie wir oben
dargelegt haben, nur ein geduldeter Neben-Erwerb »zur Verbesserung ihres
Einkommens«, wie es in der Breslauer Botenordnung heisst. Einige ver-
legen allerdings die Fixierung von Kurs und Porto auf einen früheren Zeit-
punkt. So geht z. B. Dr. Ennen davon aus, dass die Taxis’sche Post,
frühzeitig, (dem Ansuchen der Antwerpener Kaufleute entsprechend) die für
Deutschland, Frankreich und Spanien bestimmte Handelskorrespondenz gegen
eine genau tarifierte Beförderungsgebühr zur Besorgung angenommen und
für die Sammlung dieser Korrespondenz Kontore errichtet habe, (»Zeitschrift
f. Deutsche Kulturgeschichte«, N. F. II. 1873, S. 434—445). J. H. Cremer
(»De cursu publico«, Amsterdam 1837, S. 142) und Cubières-Palméze-
aux (»Chamousset ou la poste aux lettres«, Paris 1816, S. 24) nehmen als
Zeitpunkt für diese Neuerung das Jahr 1559 an: in diesem Jahre nämlich
habe Philipp II. den bisherigen Monatsgehalt für die Taxis gestrichen, wor-
aus hervorgehe, dass damals die sonstigen Einnahmen aus dem Betrieb
namhaft erhöht worden seien. Indes sind beide Hypothesen zu wenig sub-
stanziiert; dass wenigstens vor 1542 diese Organisierung nicht erfolgt ist,
geht aus dem obenerwähnten Missglücken des Cölnischen Projekts hervor;
auch für das Jahr 1559 kann Cubières keine näheren Belege beibringen.
viele Aehnlichkeit mit andern päpstlichen Vergünstigungen an ausländische
Gesandten oder Kaufmannsgilden, so mit dem Zugeständnis der Exterri-
torialität, der Steuerbefreiung oder einer exemten konsularischen Gerichts-
barkeit; beispielsweise gestattet 1519 Papst Leo X. den in Rom ansässigen
Florentiner Kaufleuten, zur Schlichtung ihrer Streitigkeiten einen Konsul zu
bestellen, und ein eigenes Arrestlokal zu errichten.
geblieben ist, und fährt dann fort: »Täglich geht die Ordinaire hier durch!
Täglich kann ich wenigstens in Bausch und Bogen sechs Extraposten rechnen,
Fuhrleute hier durch. Gott zu erbarmen ist es! Zoll, Geleite, alles muss
gegeben werden, und wenn es darauf ankommt, den Leuten, die Zoll und
Geleite entrichten, und, die Wahrheit zu sagen, den Landesherrn mit er-
nähren müssen, den Weg bequemer zu machen, da ist niemand zu Hause.
Wird nicht noch bis itzo die Saat von einem halben Dutzend
Dörfern in den Morast gefahren? Bleiben nicht alle Jahre zehn bis
zwölf Pferde auf der Strasse liegen? Herr Stadtschreiber! ich bitte Sie,
stürzen nicht alle Jahre Reisende am Vogelsberge in den Abgrund? Hat
nicht noch vor vier Wochen der Herr von Woltemar den Hals gebrochen?
Und doch ist noch kein Geländer an dem gefährlichen Weg gemacht, und
Sie und ich, und Ihre und meine Kinder werden es nicht erleben, dass es
gemacht werde. Am Gelde fehlt es ihm nicht. Aber — die Soldaten
fressen alles wieder weg. Wenn er einmal einige tausend zurückgelegt hat,
da muss gleich ein neues Regiment geworben sein.
»Diese Soldaten könnten ja die Strassen verbessern, wie ehedem die
alten römischen Soldaten thaten. Ein Regiment — wenn dieses nur ein
halbes Jahr zur Strassenverbesserung angehalten würde, wie viel könnte es
ausrichten! Und wenn ich nun die ganze Armee Ihres Fürsten nehme«!
»Diese könnte vielleicht in einigen Jahren halb Deutschland zum Chaussee
machen. Aber — da wäre wieder eine andere Armee nötig, die diese be-
wachte«. —
Im gleichen Jahrzehnt (1782) macht sich ein junger Züricher, Landolt,
in seinem Reisetagebuch lustig über den schlechten Zustand der Strassen
in Deutschland; einmal, in der Nähe von Göttingen, muss, wie er berichtet,
sein Diener vom Bock steigen, um die Löcher der Strasse mit Steinen aus-
zufüllen. Dass übrigens auch die Züricher keinen besonderen Grund dazu
hatten, auf ihre Strassen stolz zu sein, geht aus Meinerts Briefen über die
Schweiz, (1785) hervor; darin heisst es u. a.: »Der Weg von Schaffhausen
nach Zürich mag ehemals recht gut gepflastert gewesen sein; allein wir
fanden ihn in der schönsten Jahreszeit bis eine halbe Stunde von Zürich so
tief ausgefahren, dass wir ihn mit zu den beschwerlichsten unserer Reise
rechnen. (Auf diesem Wege trifft man weder fruchtbare noch schöne Gegen-
den, aber eine Menge von bettelnden Kindern an, die aber nicht durch
Not getrieben, sondern durch die unüberlegte Verschwendung der Reisenden
gelockt, oft lachend und mit schalkhaften Blicken, neben den Wagen
herlaufen«).
schildert, im 17. Jhh. mit den von Hamburg entgegenkommenden in
Leipzig zusammen und hatten auf einander gegenseitig zu warten, damit
die Weiterbeförderung ohne Aufenthalt vor sich gieng. »Da auch gleich-
zeitig andere Städte den Abgangs- und Ankunfts-Termin festlegten, so
wurde das Netz dieser Botenposten ein immer ausgedehnteres und ein
Kreislauf nach einem verabredeten Plane eingerichtet«.
die Portoverteilung bildete eine Frage, welche Jahrhunderte zu ihrer Lösung
bedurfte. Erst der Weltpostverein führte das freie Durchgangsrecht und
den Wegfall jeder Teilung der Gebühren durch; bis vor wenigen Jahren
noch verlangte Frankreich für einen durchgehenden Brief wenigstens das
interne Porto.
wickelt haben, gibt im Lapidarstil nachfolgende chronologisch-statistische
Aufzählung:
1) Erste andauernde Benützung eines Flussdampfers (in Nord-
1837 Smith den ersten Schraubendampfer (Propeller); im gleichen
Jahre wird die englische Dampfschiffahrtsgesellschaft »Peninsular and
Oriental Company« gegründet.
2) Landverkehr: Entwickelung der Grossstädte, neuer Ver-
kehrsplätze, Eisenbahnknotenpunkte, Orientbahnen, Pacificbahn, Gebirgs-
bahn, russischer Schienenweg in Turan.
3) Auch der Wasserweg wird durch Intensität verbessert: Kanalbau,
neue Binnenwasserstrassen und Motoren (Kette), Suez-Kanal.
4) Ueberseeische Auswanderung, namentlich seit 1848. Aus seiner
ausreichenden Befriedigung erwächst eine Steigerung des vierten Ele-
mentarbedürfnisses, nämlich des Verkehrsbedürfnisses: Reiselust und
Lustreisen (»globetrotter«, »Karawanenreisenden«).
5) Weiterentwickelung des Handels:
a) Export; auf der andern Seite: überseeische Konkurrenz in Nahrungs-
mitteln und Fabrikaten (z. B. amerikanischen Harmoniums, Näh-
maschinen, Uhren).
b) Ausbildung des Bankier- und Wechselkredites, des Giro- und
Clearingverkehrs, des Aktienmarkts und der internationalen Waren-
börse.
6) Aufhebung des Passzwangs, der Zollgrenze der einzelnen
deutschen Bundesstaaten, (Schutzzollsystem seit 1875/79).
7) Ausbildung der Presse, Ausdehnung des Einflusses der öffentlichen
Meinung (Erfindung der Schnellpresse, Stereotypie, Rotationsmaschine),
ihre Verbindung mit der Börse und anderseits der Politik.
8) Penny-Porto und Briefmarke (Chalmers-Hill 1839), Postanweisungs-
verkehr 1849 in Preussen, Postkarte 1869.
der fürnehmsten Neuheiten«, mit dem der Post zusammenhängt. Einer der
ältesten Berichte über das Vorhandensein einer Post in Rom liegt in dem
Erscheinen »einer neuen zeytung von Pelegrin de Tassis den 23. Mai 1527«
vor. Eine der ersten Zeitungen in Deutschland wurde 1616 von dem Frank-
furter Verwalter der Reichslehenpost herausgegeben. Vorher schon hatte sich,
wie aus einem Vertrag des Postmeisters von Augsburg mit Wolfgang von
Hohenlohe-Langenburg zu Ende des 16. Jahrhunderts hervorgeht, die Sitte
eingebürgert, dass die Post kontraktmässig die neuesten Nachrichten liefert:
nach dem erwähnten Vertrag erhält der Postmeister hiefür 8 Rthlr., (für die
Beförderung der Briefpost von Langenburg nach Augsburg 6 Rthlr) per
annum. Im J. 1618 erscheint der Fulda’sche Postreiter; 1632 wird in Berlin
der Druck einer Staatszeitung dem Postbotenmeister übertragen.
lich an dem Postbetrieb der Union: dort war in der Mitte dieses Jahr-
hunderts bei den kolossalen Entfernungen die Summe der Mittel für Be-
wältigung des Nachrichten-Verkehrs am gewaltigsten ausgebildet; die Fahr-
post am Missouri (nach St. Francisco) gebot allein über 6500 Pferde (die
deutsche Reichspost hat nur 10000 Pferde). Nun hat sich der Verkehr
in der Union von 531 Mill. St. Briefpostsendungen im Jahr 1868 auf
3 Milliarden gehoben; wohin aber ist es mit der amerikanischen Post ge-
kommen? Ihre frühere Herrlichkeit ist, wie bei uns, eine blosse Reminiscenz;
ihre kurzjährige Dauer zeigt, wie unrichtig es ist, die Zahl der Postsend-
ungen und die Postleistung zu identifizieren. Ein anderes Beispiel bietet
unsere Postdampfer-Subvention: hier tritt die Post allerdings
als Mieter des Dampfmotors auf: aber auch heute noch hat, wie zur Zeit
der Vorlage des Reichsgesetzes im J. 1884 wohl jeder das Gefühl, dass
aus taktisch-fiskalen Gründen der Post eine Rolle aufgebürdet wurde, die
zu ihrem Wesen nicht mehr passt. Wenn man sich also dem herkömm-
lichen Ausdrucke »Post« fügt, so meint man damit die der Nachrichtenbe-
förderung dienende Unterabteilung der Transportleistung der Eisenbahn.
- Holder of rights
- Kolimo+
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- TextGrid Repository (2025). Collection 4. Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bqjd.0