[30r]
Hochwohlgeborner Herr Geheimer Regierungsrath,

Indem ich die Ehre habe Euer Hochwohlgeboren das Schreiben des Herrn
Kolbe
zu übersenden erlaube ich mir zugleich zwei an mich gerichtete Briefe noch
beizulegen, welche mir die Überzeugung geben, daß Kolbe, ob er gleich gegenwärtig die
ihm bewilligte Stelle als Zeichenlehrer anzu nehmen scheint, doch nach reiflicher
Überlegung sicher nicht antreten wird, da ihm binnen dieser Zeit anderwärts
vortheilhaftere Anträge nicht fehlen werden, und er sich auch bereits [durch]
die hier nicht gut angebrachte Oekonomie eines hohen Ministeriums [[...]]
fühlt. So wie ich gehört, und Herrn Kolbe gesagt habe, hat der früher für
Bonn bestimmte Zeichenlehrer mehrere Jahre einen Gehalt von 300 rh [ge-]
noßen, ohne in dieser Stelle jemahls thätig gewesen zu sein, und nun [soll]
Kolbe, der Raben an Talent weit überlegen ist, mit einem geringeren
Gehalte dieselbe würklich ausfüllen.

Wenn ich mich als Staatsdiener und Glied der hiesigen Uni-[30v]versität verpflichtet glaube Hrn Kolbe zu bestimmen sich um diese er-
ledigte Stelle zu bewerben, so kann ich demselben bei so bewandten Um-
ständen mit gutem Gewißen jetzt kaum rathen solche anzu nehmen, da
er hier, wo er mit seiner Familie viel theurer lebt, als in je-
den anderen Orte der Rheinprovinzen, außer seinem Gehalte nur we-
nig wird verdienen können. Herr Kolbe, der einzig auf meine
Veranlassung, um Goethe's Portrait zu malen nach Weimar gereist ist,
hat bereits an diesem von Künstlern so viel besuchten Orte
auf lange Zeit Beschäftigung gefunden.

Ich muß es der Geneigtheit und Würdigung von Euer Hochwohl-
geboren überlassen in dieser Angelegenheit vermittelnd einzuschreiten.
Der Mangel eines academischen Zeichenlehrers ist hier schon oft bemerkt
worden, und um so mehr, da die zeichnenden Künste an practischem
Nutzen um so höher stehen, als das Gesicht unter allen Sinnen
der höchste ist: daher auch dieser ein vorzügliches Recht auf
Ausbildung hat, und ein Lehrer der Zeichenkunst billig mehr zu[31r]würdigen wäre.

Hochachtungsvoll
Euer Hochwohlgeboren
gehorsamster
d'Alton
Bonn,
den 6ten April
1822.

Editionstext kann unter der Lizenz „CC BY-NC-SA-4.0 international“ genutzt werden.


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2023). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 6. April 1822. D'Alton an Rehfues. Z_1822-04-06_k.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.11113/0000-000F-C32E-2