[157r]
Hochwohlgeborener Herr, Hochzuverehrender Herr Geheimer Rath!

Durch viele Arbeiten die ich für Freunde zu machen hatte, welche bald von hier
abreisen wollten, bin ich gehindert worden, mit dem Abgang der in
Neapel angefertigten Kopien nach herkulanischen Gemälden, an Ew:
Exzellenz zu schreiben, und indem ich Hochdieselben wegen dieser
Versäumnüß sehr um Vergebung bitte, ersuche ich Sie, nach dem
mir von Einem Hohen Ministerio in Berlin gegebenen Auftrage
nach gütiger Beurtheilung diese Kopien nach Berlin zu senden
und die dafür gehabten Auslagen durch Postvorschuß gefälligst
einzuziehen Ew: Exzellenz habe ich noch anzugezogen daß ich mich
dißmahl der Oehlfarben bedient habe, weil ich dadurch sowohl die [157v]Harmonie als auch die Behandlung der Farben am treuesten nach-
zuahmen hoffte, indem die Originale auf dem schwartzen Grund gemacht
sind; und ich glaube daß mir meine Bemühungen, die Originale
moglichst treu wiederzugeben einigermaßen gelungen ist, Da die
Kopien wegen ihrer Genauigkeit, nicht nur in Neapel, sondern auch hier
in Rom unter den Künstlern Beifall gefunden haben, obschon die
Letzteren diese Gegenständ[e] meiner Studien, nach ihren Ansichten
nicht wohl leiden mögen, und diese Arbeiten als verlohrne Mühe
ansehen. Indeß würde ich mich nicht haben abhalten lassen mehrere
dergleichen Kopien in Neapel zu machen, wenn mich nicht Anfangs
die große Hitze welche sehr nachtheilig auf meine Gesundheit würk-
te, und dann später mehrere Portraits die ich zu mahlen bekam
abgehalten hätten. Ich würde auch jetzt da in Neapel alles wieder [158r]ruhig ist dorthin zurückkehren um noch einige der vorzüglichsten
Sachen zu kopieren, wenn nicht diesen Herbst mein Urlaub
zu Ende wäre, weßwegen ich meine Rückreise von Rom schon
im July anzutreten gedenke da ich in Oberitalien, noch mehrere
Zeichnungen nach architektonischen Verzierungen aus dem Mittel
alter zu machen habe, die mir ebenfals aufgetragen sind. Ob
ich dann erst nach Berlin, oder gleich nach Bonn gehen werde,
das hängt von einer näheren Bestimmung aus Berlin ab,
ersteres wäre mir in der Hinsicht lieb, weil ich dann auch die
Ehre haben könnte Ew: Exzellenz in Weimar meine Aufwartung
zu machen. Indem ich Ew: Exzellenz noch, für die gütige Beurtheilung
meiner früher übersanten Arbeiten innigst danke, empfehle ich
mich Hochdero fernerer Wohlgewogenheit, und indem ich bitte mich [158v]auch Hochdero Familie, und meinen andern Freunden in
Weimar zu empfehlen, habe ich die Ehre mit größter
Verehrung zu verharren

Ew Exzellenz ganz unterthäniger Diener
Joseph Raabe
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TextGrid Repository (2023). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 28. April 1821. Raabe an Goethe. Z_1821-04-28_k.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.11113/0000-000F-C0AF-3