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Eines Tages jedoch, nachdem Schopenhauer kurz vorher promoviert und Goethe, dem Hausfreunde, seine Dissertation über "die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde" zugeschickt hatte, erhob sich dieser plötzlich beim Eintreten des jungen Doktors der Philosophie und, schweigend durch einen Haufen Umstehender sich Bahn brechend, ging er auf Arthur zu, und ihm die Hand drückend, äußerte er sich in Lobeserhebungen über jene Abhandlung, die er für ganz bedeutend ansah und die ihm mit einem Male eine Zuneigung zu dem jungen Gelehrten einflößte.

"Ja! ja!" soll er sich geäußert haben, der Ansicht Schopenhauers über Mathematik beipflichtend, bei so einem Euklidischen Satze, da wird einem eine Nase gedreht, man glaubt, man hat etwas, und hinterdrein ist es nichts.

Trotz des großen Abstandes im Alter foderte Goethe Schopenhauer auf, mit ihm zusammen Experimente über die Farbenlehre, des großen Dichters damaliges Lieblingsstudium, anzustellen, und von jenem Augenblicke an entspann sich ein vertrauliches Verhältnis zwischen diesen beiden Männern, worauf sie sechs Monate lang nähern Umgang miteinander pflogen. Goethe mochte bald entdeckt haben, daß er es hier mit einem weit mehr als gewöhnlichen Denker zu tun hatte; er wollte daher nicht nur ungestört seine Gesellschaft genießen, sondern wünschte auch stets[935]in der dazu gehörigen ernsten Stimmung von Schopenhauer angetroffen zu werden, denn mit andern, meinte Goethe, unterhalte er sich, mit ihm, dem jungen Dr. Arthur, philosophiere er

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TextGrid Repository (2022). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 1813/1814. Asher: Ein Besuch bei Arthur Schopenhauer. Z_1813-12-31_wb.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.11113/0000-000F-4A3D-B