[88r]
An
des König: Geheimen Staats-
Ministers des Innern und der
Policey Herrn v. Schuckmann
Excellenz

⟨das Original ist in den Acten
(Person:)Personarum (Litt:)Littera L. (No)numero 18.⟩

Extract.

Anlangend die von dem (p)perge Liebe-
trut
in dem Verhöre vom 27st (Aug)August
gethanen, den Privat-Docenten hie-
siger Universität
Dr: v Henning
betreffenden Aussagen,
so beziehen
sich solche auf Thatsachen, wegen
deren der (p)perge Henning meines
Wissens bereits vor vier Jahren
in gefängliche Haft gesetzt und
ausführlich vernommen worden
ist. Derselbe ist aber so früh-
zeitig von seiner damaligen
Verblendung zurückgekommen,
daß schon unterm 14tn Juni 1820,
der außerordentliche Regierungs
Bevollmächtigte hierselbst, Herr
(G. O. R. R.)Geheimer Ober-Regierungs-Rath Schulz sich zu
einem für ihn sehr günstigen Berichte
an den verewigten Fürsten von
Hardenberg
veranlaßt fand.
Ich beehre mich Abschrift dieses
Berichtes (Ew.)Euer (p.)perge hieneben ganz
ergebenst zu communiciren.

Seit jener Zeit an ist nicht allein
gegen den (p)perge Henning überall
kein Grund zur Unzufriedenheit
mit seinen Gesinnungen oder zum
Verdachte gegen dieselben vor-
handen gewesen, sondern so
viel mir bekannt ist, beschäftigt
sich dieser junge Mann anjetzt
nur mit gründlichen wissenschaft-
lichen Studien und benutzt zugleich
die Gelegenheiten die sich ihm
darbieten, nun auch in seinen
Zuhörern diejenigen Irrthü-
[88v]mer zu zerstören, deren Ver-
derblichkeit er an sich selbst er-
fahren. Unter diesen Umständ-
den halte ich, wenn (Ew:)Euer Excellenz
nicht besondere Gründe zum
Misstrauen gegen solchen haben,
eine Vernehmung des p v Henning
oder irgend ein Verfahren ge-
gen ihn nach so langer Frist wed{er}
für nöthig noch für rathsam und
darf mich überzeugt halten,
daß auch hierin Dieselben mein-
ne Ansicht theilen werden.
Denn es stimmt gewiß ebens{o}
sehr mit den Vorschriften ein{er}
nöthigen Klugheit als mit de{m}
Verfahren einer vernünftige{n}
Milde überein, in Fällen, wo
man der vollständigen Besse-
rung sich überzeugt halten darf
nicht blos zu vergeben, sondern
auch zu vergessen. Ich bin
zwar vollkommen überzeug{t,}
daß eine vollständige Besse-
rung auch bei gut gearteten
Naturen oft schwerer hält, we{nn}
sie lange einer falschen Richtung
gefolgt sind, und nicht Stärke
genug besitzen ihrer erlangte{n}
besseren Einsicht beharrlich zu
folgen. So weit mir bekannt ist
so findet aber beides bei dem
v Henning nicht Statt.

Ministerium (p)perge
/: (gez:)gezeichnet/ v Altenstein
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TextGrid Repository (2023). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 14. Oktober 1823. Altenstein an Schuckmann (Auszug). Z_1823-10-14_k.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.11113/0000-000F-C871-0