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Quer durch solche Scenen fliegt denn einmal ein Ereigniß anderer Art. So ist vor ein paar Tagen Hirt's Plan zur Aus-[224]wahl und Aufstellung des Museums an mich gelangt. Wie erfreulich es nun auch ist, einen solchen gediegenen und kenntnißreichen Mann mit Eifer und Liebe sprechen zu hören, so bin ich ernstlich doch recht erschrocken über das unbegreifliche Ungeschick dieser Arbeit, die der Sache recht nachtheilig werden kann. Ich weiß noch nicht, wie es zu drehen sein wird, um dem Unheil vorzubeugen; denn in diesem Augenblick verdorben, ist für immer verdorben. Er will alles auf einmal thun, und darüber wird gar nichts geschehen, wenigstens nichts Vernünftiges. Es ist ein Plan ohne Plan, eine Auswahl ohne Auswahl, kein Anfang und kein Ende; er will alle Kunstsachen insgesammt im Museum zusammenpacken, und so erhalten wir, wenn's so weit gedeihen kann, nach unsäglicher Verwirrung, ein Kunstmagazin von Gutem, Mittelmäßigem und Schlechtem, daß es das Auge nicht von einander sondern kann, in der trockensten Anordnung von der Welt - heißt ein Museum. Da wäre mir gar keine Anordnung lieber, wenn nur das Einzelne nach seinem Werthe geschaut und genossen werden kann. Und was soll das {Hofmarschalamt} sagen, so mit einem Schlage die Schlösser degarnirt zu sehen! Da setzt sich alles dagegen, und dann geschieht wieder nichts! Die Sache muß ganz anders kommen, wenn es gehen soll!

Meyer's uns zugedachte Arbeit erwarte ich mit Verlangen; sagen Sie tüchtig die Wahrheit! damit allein ist uns gedient; wir wollen ja lernen, nicht im Irrthum bestätigt sein, und wüßten wir wirklich was Besseres, so versuche es sich, hervorzutreten.

[...]

Nehmen Sie nicht übel, daß ich oben so in meinem Eifer auf Hirt geschmält habe; ich gehe gern auf dem kürzesten Weg zum Guten; dazu gehört aber ein den Umständen behutsam angepaßtes Verfahren, wodurch alles in der Welt zu machen ist. So mit der Thüre in's Haus zu fallen, verdirbt die ganze Sache, und die Folge ist nun, daß wir, um sie zu retten, Umwege suchen und einen Aufschub veranlassen müssen, der sehr schmerzlich ist.

Die Anfrage an Seebeck in Ihrem ehegestern erhaltenen lieben Schreiben vom 31. v. M. habe demselben zugeschickt, und folgt die Antwort darunter gefügt bei.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2023). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. [31. Dezember 1820 u.] 5. Januar 1821. C. L. F. Schultz an Goethe (Auszug). Z_1821-01-05_k.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.11113/0000-000F-C003-4