[216]

Im Chromatischen ward mir großer Gewinn, indem endlich die Hoffnung erschien, daß ein Jüngerer die Pflicht über sich nehmen wolle dieses wichtige Capitel durchzuführen und durchzufechten. Herr von Henning besuchte mich und brachte höchst glücklich gerathene entoptische Gläser, auch schwarze Glasspiegel mit, welche verbunden durchaus alle wünschenswerthe Phänomene ohne viel weitere Umständlichkeit vor die Augen bringen. Die Unterhaltung war leicht, er hatte das Geschäft durchdrungen, und manche Frage, die ihm übrig blieb, konnt' ich ihm gar bald beantworten. Er erzählte von seinen Vorlesungen, wie er es damit gehalten, und zu denen er mir schon die Einleitung mitgetheilt. Wechselseitig tauschte man Ansicht und Versuche; einen älteren Aufsatz über Prismen in Verbindung mit Linsen, die man im bisherigen Vortrag zu falschen Zwecken angewendet, überlieferte ich ihm, und er dagegen regte mich an, die chromatischen Acten und Papiere nunmehr vollkommener und sachgemäßer zu ordnen. Dieses alles geschah im Herbst und gab mir nicht wenig Beruhigung.

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Ein entoptischer Apparat war für Berlin eingerichtet und fortgesendet, indessen die einfachen entoptischen Gläser mit schwarzen Glasspiegeln auf einen neuen Weg leiteten, die Entdeckungen vermehrten, die Ansicht erweiterten, und sodann zu der entoptischen Eigenschaft des schmelzenden Eises Gelegenheit gaben.

Die Farbentabelle wurde revidirt und abgedruckt; ein höchst sorgfältiges Instrument, die Phänomene der Lichtpolarisation nach französischen Grundsätzen sehen zu lassen, ward bei mir aufgestellt, und ich hatte Gelegenheit dessen Bau und Leistung vollkommen kennen zu lernen.

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Herr Purkinje besuchte uns und gewährte einen entschiedenen Begriff von merkwürdiger Persönlichkeit und unerhörter Anstrengung und Aufopferung.

Indem ich zu meiner eigenen Aufklärung Kunkels Glasmacherkunst, die ich bisher in düsterem Vorurtheil und ohne wahre Schätzung betrachtet hatte, genauer zu kennen und anschaulicher zu machen wünschte, hatte ich manche Communication mit Herrn Dr. Döbereiner, welcher mir die neusten Erfahrungen und Entdeckungen mittheilte.

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TextGrid Repository (2023). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 1822. Goethe Annalen. Z_1822-12-31_z.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.11113/0000-000F-C5CC-D