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Ihre Sendung kömmt eben noch zurechte, daß ich ein Wort darüber sagen kann. Wohl ist es wahr, daß die Kupfer von Gmelin zur Äneis dem Gedichte selbst ungünstig sind, an sich aber scheinen sie mir ganz verdienstlich. Die Aussicht auf den Lago d'Averno könnte sogar auf Lob Ansprüche machen, und als Kupferstecher hat Gmelin sich nie besser benommen.

Raabes Kranker Prinz hat mir eine recht erfreuliche Erinnerung an das Gemählde von Peter von Cortona verschafft; nur trübt er seine Farben zu sehr, im Original sind die Farben viel reiner und daher fröhlicher. Das zweyte Stück nach Peter Cortona stellt den Alexander vor, der die Gemahlinnen des Darius empfängt. Wäre nur der Format der Zeichnung größer, die Farben reiner aufgetragen, so würde damit die Absicht erreicht seyn; so aber sind sie nur für den Wissenden, für andere ein Räthsel, fürchte ich.

Über die beyden Figuren aus der Aldobrandinischen Hochzeit mag ich vor jetz nicht urtheilen, wir wollen uns besprechen. Woferne das Original nicht durch Übermahlen auch da, wo es nicht nöthig war, total zu Grunde gerichtet ist, so hat Raabe über alle Maßen gröblich gepfuscht. Ich habe wenigstens vier Schüler, vielleicht sechs, welche bey weitem bessere zeichnungen darnach machen würden: keine Form, kein Ausdruck, kein Colorit, die schönen, hellen, freundlichen Farben schändlich be-[540]schmutzt, auf Licht und Schatten wenig, auf die Wiederscheine gar nicht geachtet p p p p p p p.

Ich will nur erst ein wenig zu mir selbst kommen und überlegen, was zu thun, was für Redensarten zu erfinden und zu gebrauchen sind, und alsdann Sie besuchen; vielleicht könnte solches am Donnerstag geschehen.

Ihr ewig ergebener
M.
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TextGrid Repository (2023). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 29. Juli 1820. J. H. Meyer an Goethe. Z_1820-07-29_k.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.11113/0000-000F-BDC2-1