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[57r]
Hochwohlgeborener Herr,
Hochzuverehrender, Hochgebietender Herr Staatsminister,
Gnädiger Herr!

Im Begriffe, meine physiologischen
Arbeiten über den Gesichtssinn des
Menschen und der Thiere, womit ich
seit mehreren Jahren schon beschäftigt
[57v]bin, herauszugeben, habe ich mich häufig
in dem Gedanken erfreut, daß Euer
Excellenz bei der Entstehung dieses
Werkes ein huldvoller und aufmun-
ternder Zeuge in Ihrer Gnade haben
seyn wollen, und an dem Fortgange desselben
auch in der Folge gnädigen Antheil
genommen haben. Ich bin nicht allein
so glücklich gewesen, Ihnen die
ersten Entwürfe dieser Arbeiten mit
einzelnen Ausführungen vorlegen zu
dürfen. Euer Excellenz haben mich
sogar einer mir höchst wichtigen
schriftlichen Aufmunterung zur Fort-
setzung und Vollendung derselben
gewürdigt. So haben (Ew.)Euer Excellenz
mir selbst ein hohes Ziel vorgesteckt,
das ich unverwandt zu erreichen mich
bestrebte. Wenn auch von grösserem
Umfange und mit vielen Kupfertafeln
zur anatomischen Gewähr ausgestattet,
bestehen diese Untersuchungn in ihrer
nunmehrigen Reife doch nur aus
einzelnen Abhandlungen über die
[58r]wichtigsten Probleme der Physiologie,
welche bis jetzt zum Theil noch gar
nicht bearbeitet worden und worauf
ich bei dem Umfange meiner Studien
und dem Trieb nach einer eindringenden
Erkenntniß insbesondere hingewiesen
worden. Wenn ich nun in dankbarer
Pflichtergebenheit bedenke, daß es
mir möglich gewesen, unter (Ew.)Euer
Excellenz gnädigem Schutze und
einem durch Ihre Huld mir gewährten
Genusse reicher Quellen, diese Bestrebungen
zu ihrem Ziele zu führen, so habe
ich keinen angelegentlichern Wunsch,
als daß (Ew.)Euer Excellenz mir die
Gnade gewähren mögen, daß diese
Arbeiten zur vergleichenden Physiologie
des Gesichtssinnes des Menschen und
der Thiere unter den hohen Auspicien,
unter welchen sie begonnen und gefördert
worden, auch ans Licht treten dürfen,
und daß Ew. Excellenz diese ganz
bescheidene Weise eines geringen
[58v]aber mit der größten und treuesten Sorge
und in den schönsten Stunden gepflegten
Gutes huldvoll aufnehmen mögen.

Ich kann mir zwar nicht genügen, vor den Augen
der Welt die Weise meiner Bestrebungen
auszusprechen, und daß diese in ihrem ruhigen
Fortgange (Ew.)Euer Excellenz immer geweiht
waren, aber ich würde mich dennoch sehr
glücklich schätzen, wenn Hochdieselben
dieses bescheidene Denkmal unbegrenzter
Verehrung nicht von sich abweisen
wollen. Würde ich doch darin die Fortdauer
Ihrer Huld und Gnade erkennen dürfen.

In innigster Hochachtung
und tiefster Ehrfurcht wie
Dankbarkeit
Ew. Excellenz unterthäniger Diener
Dr. Joh. Müller.
Privatdocent auf der Rheinuniversität

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TextGrid Repository (2022). Müller, Johannes. 26. Oktober 1825. Johannes Müller an Altenstein. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. https://hdl.handle.net/21.11113/0000-000F-441A-8