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Mein theuerer Freund!

Ihr wertes Schreiben vom 2ten d. M. habe ich zu seiner Zeit richtig erhalten und ich würde Sie bis jetzt nicht ohne Antwort gelassen haben, hätte ich nicht gewünscht Ihnen zugleich bestimmte Nachricht über die definitive Feststellung Ihrer künftigen Verhältnisse geben zu können. Dies ist gegenwärtig zu meiner grossen Freude der Fall, da nämlich, wie ich gestern Abend von Herrn Geh. Oberregierungsrath Schulze vernommen habe, in diesen Tagen die königliche Kabinetsordre, welche die Genehmigung zu Ihrer Anstellung ganz in der vom Ministerium vorgeschlagenen Art, enthält, bei letzterem eingegangen ist, das diesfallsige Benachrichtigungsschreiben des Ministeriums an Sie ist gleichfalls bereits ausgefertigt, liegt gegenwärtig dem Herrn Minister zur Vollziehung vor, und wird, da ich dem Herrn Geh. Rath Schulze Ihre Adresse mitgeteilt habe, in diesen Tagen unmittelbar an Sie nach Prag abgehen. Ausser diesem Benachrichtigungsschreiben erhalten Sie demnächst noch ein vom König selbst vollzogenes förmliches Anstellungspatent, auf dessen Empfang Sie jedoch auf keinen Fall dort zu warten brauchen. Im Gegenteil rechne ich darauf, dass Sie bald nach Eingang des vorerwähnten Ministerialschreibens, wenn es Ihre sonstigen Verhältnisse erlauben, sich auf den Weg machen werden, um Ihrem, mir so freundlichen Versprechen gemäss, den Rest dieses Winters bei uns in Berlin zuzubringen. Ich werde den Professor Rudolphi, der sich gewiss auch freuen wird, Sie bald hier zu sehen, von dem, was ich Ihnen hier geschrieben habe, vorläufig benachrichtigen, da es ihm erwünscht sein wird von dem Eingang der königl. Cabinetsordre zeitig Kenntniss zu erhalten. Dass Sie mit Ihrem Aufenthalt in Weimar, bei unserem verehrten Alten, so zufrieden waren, wie ich erwartete, freut mich gar sehr und aus der freundlichen Aufnahme, die Sie gefunden, ist zu entnehmen, dass auch er, in seinem Theil Wohlgefallen an Ihnen gehabt hat. Ihre hiesigen Bekannten erinnern sich Ihrer mit Theilnahme und namentlich grüsst Sie der Dr. Rust, den ich diesen Morgen gesehen, auf das Beste. - Nehmen Sie für heute mit diesem Wenigen vorlieb; es sind dies die ersten Zeilen, die ich mit noch etwas {zitternden} Hand, nach einem zwar kurzen, d. h. sechstägigen, aber ziemlich heftigen Krankheitsananfall schreibe; das rechte Gleichgewicht zwischen den sensiblen und irritablen Nerven schien etwas gestört worden zu sein, und so habe ich mich zwischen dem heftigen Kopfschmerz und peinlicher Brust- oder bestimmter Herzensbeklemmung, bei einem auf 46 Schläge in der Minute herabgesunkenen Pulsschlage, einige Tage {hien} und her geworfen. Jetzo rechne ich mit Sicherheit darauf, übermorgen meine Vorlesungen wieder anfangen zu können. An Freundestheilnahme hat es mir in diesen Tagen nicht gefehlt; Freund Rust ist mir nicht von der Seite gekommen und auch Prof. Engel und der Geh. Rath Schulze waren gestern und vorgestern bei mir. Alles gute und liebe Ihnen wünschend, der Ihrige

L. v. Henning
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TextGrid Repository (2023). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 18. Januar 1823. von Henning an Purkinje. Z_1823-01-18_k.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.11113/0000-000F-C5EB-A