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Geliebter Freund!

Denselben Tag, den Du für Deine Abreise ins {Würtenbergische} bestimmtest, kam ich in Prag an. Im letzten Brief von Berlin hast Du wahrscheinlich gelesen, wo ich meine Bestimmung für die Professur der Physiologie und Pathologe in Breslau erzählte. Von[136]Berlin machte ich einen Umweg über Weimar und Jena um meinen mir insbesonders gewogenen Göthe seinem Wunsche gemäss zu besuchen. Du siehst also, dass es mit meiner Professur demnach eine reelle Bewandniss hatte; denn aus Deinen Briefen zu schliessen, schienst Du darauf wie auf ein Phantom gar nicht achten zu wollen. Nun aber, da sichs entschieden hat, so betrachte es mit mir als ein besonderes Lebensglück, welches auch selbst manche kühne Hoffnung meiner früheren Jugend übertroffen hat. Ich bin an einer der ansehnlichsten Universitäten Deutschlands, in einem Fache das von jeher mein Lieblingsfach war, mit einem mehr als zureichenden Gehalte (800 Thl Fixum und wenigstens 400 Th Honorar), in einem wenigstens erträglich geistesfreien Lande, meine bisher begonnene und weiter zu verbreitende wissenschaftliche Existenz auch akademisch begründet. [...]

Ich war diesen Winter nicht in Hradek, weil mich theils nothwendige litterarische Arbeiten, theils ein heftiger Katharrh abhielten dahin zu kommen; dass mir damit Gewalt geschah, kannst Du mir glauben. Nun bereite ich mich zur Abreise nach Berlin vor.

Im Anfange April beginnt meine Wirksamkeit in Breslau. Zu Ende Sommers hoffe ich euch zu sehen. Indessen wird uns eine ununterbrochene Correspondenz in näherer Verbindung erhalten. [...] Wenn Du glaubst, dass Dein Brief noch bis zur Hälfte März in Berlin eintreffen könnte, so adressiere an mich: abzugeben bei {Ludwig} v. Henning, Dr. d. Philosophie, Friedrichsstrasse N 161.

Jhn P.

Du könntest, wenn es Dir keine Ungelegenheit macht, in der vor einigen Jahren nach Dr[.] Mader zu Prag hieher verkauften Münz und Medailensammlung nachsehen, ob keine Medailen auf böhm. Aerzte da sind, und mir berichten.

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TextGrid Repository (2023). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 8. Februar 1822. Purkinje an Kosler (Auszug). Z_1823-02-08_l.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.11113/0000-000F-C65F-8