1793, Juni oder Juli.


Mit einem preußischen Artillerieoffizier

Von einem Adjutanten des Herzogs Karl August von Sachsen-Weimar hatte auch Goethe, der seit einigen Tagen ebenfalls wieder in unserm Lager vor Mainz anwesend war, gehört, daß ich in dieser Batterie commandire. Er besuchte mich alsbald,... und dies war mir ein sicheres Zeichen, daß er eine gewisse Werthschätzung gegen meine Person hege und meine soldatische Aufrichtigkeit nicht übel genommen habe. Auch als Goethe zu uns kam, sahen wir alle vom Pulverdampf arg mitgenommen aus, und meine Fäuste waren so schwarz, daß ich ihm kaum die Hand schütteln konnte. Er meinte lachend: jetzt sehe er uns doch so recht bei der Arbeit, aber unser Handwerk gefiele ihm nicht; dabei würde man zu schwarz und schmutzig, und die Ohren müßten ja von all dem Gekrache und Gesause zerspringen. Ich antwortete ihm scherzend: freilich, bei seiner Arbeit als Schriftsteller könne man sich nur mit Dintenklexen an den Fingern beschmutzen, während wir [254] von Pulverdampf schwarz würden, und der Gesang seiner Schauspielerinnen im Theater zu Weimar kitzele die Ohren wohl sanfter, als das Gekrache unserer Vierundzwanzigpfünder, dafür schaffe unsere Arbeit aber auch besser, als die seine. Auch Goethe brannte ein Geschütz ab [wie vorher Karl August], der Zufall wollte aber, daß nichts mit seinem Schusse getroffen wurde. Später war er noch einmal in meiner Batterie, als wir Bomben auf Mainz warfen und die Flugbahnen der großen Geschosse mit ihrem Feuerschein in der dunkeln Nacht interessirten ihn sehr. Ich habe bei einer andern Gelegenheit einmal ein langes Gespräch mit ihm darüber gehabt, wie wir Artilleristen die Flugbahnen der Geschosse am Raschesten und Praktischsten berechnen können, und merkte dabei, daß er ein ganz tüchtiger Mathematiker sei, dem die verschiedenen mathematischen Formeln vollkommen geläufig waren.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. 1793. 1793, Juni oder Juli. Mit einem preußischen Artillerieoffizier. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-A3E5-B