1827 (?).


Mit Jenny von Pappenheim

Dann [nach 1826] verging ein Jahr, wo ich Goethe nur bei seinen Abendgesellschaften und zu seiner Geburtstagsfeier sah; er hat mir jungem Ding aber immer [152] so imponirt, daß ich vor ihm eigentlich nie ich selbst war, sondern eine Seele, die mit aus der Brust gekreuzten Armen zu ihm emporsah. Ich hielt den Athem an, wenn ich ihn sprechen hörte und glaubte vergehen zu müssen vor Scham, als er meine Mutter einmal frug: ›Was treibt denn eigentlich die schöne Kleine?‹ Meine Richtigkeit drückte mich von da an so sehr, daß ich manche Stunde der Nacht wachend zubrachte, alle Bücher, deren ich habhaft werden konnte, ummich herum.

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Einst, an einem Sonntag, kam ich aus der Kirche. Ottilie [v. Goethe] war nicht in ihrer Stube; ich hatte mein Püppchen [Alma v. Goethe] und spielte mit ihm. Plötzlich trat ein junger Mann herein, sah uns betroffen an, wirbelte seltsam im Zimmer umher, sodaß ich ganz ängstlich wurde. Als Ottilie auf mein Rufen er schien, entpuppte er sich als junger Engländer, namens Thistelswaite, der an Goethe empfohlen war, und den er heraufgeschickt hatte. Er frug nach ihm, und Ottilie erzählte von seinem auffälligen Benehmen, worauf Goethe lächelnd sagte: ›Wer so schöne Freundinnen hat, muß für Schleier sorgen?‹

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. 1827. 1827 (?). Mit Jenny von Pappenheim. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-A32B-2