a.

Es konnte nicht fehlen, daß beim Durchmustern meiner [Mineralien-] Sammlung im einzelnen, als die Kalkspathgattung zur Anschauung gebracht wurde, auch die so vielfach angefochtene und dennoch so kraftgeistige und schöpferische Farbenlehre zur Sprache kam und die großen Forschungen, welche der Gegner Newton's angestellt. Hatte Goethe sich einmal eines Gegenstandes bemächtigt, so verstand er diesen gleichsam auf's Neue zu schaffen. Seine einfachen, lichtgebenden Worte hatten den eigenthümlichsten Reiz; mit Entzücken hörte ich ihm zu. Wie wahr, was Jean Paul sagt: »Goethe ist der klarste Mann von Europa.«

Seine Beredsamkeit, sein Feuer waren die eines Jünglings, aber zugleich großartige Ruhe, welche ihm den Glanz einer Würde verliehen, deren er nicht zu bedürfen schien. Anmuthiger Ernst mit dem Ausdruck von Wohlredenheit schwebte um die freien Lippen, als er mir erklärte, wie alle Farbenerscheinungen daher rührten, daß das Licht entweder durch ein trübes Mittel gesehen werde, ohne daß sich hinter einem beleuchteten trüben Mittel die Finsterniß als Hintergrund befinde, [160] oder daß man durch ein weiß erleuchtetes Trübe in die Finsterniß des unermeßlichen Raumes schaue. Geschehe das erste, so erscheine das Licht bei geringer Trübung des Mittels gelb und gehe mit zunehmender Trübung des Mittels ins Gelbrothe und Rothe über. So sehe man die Sonne, wenn dieselbe ihren erhabensten Stand erreicht, ungefähr weiß, obwohl auch hier in's Gelbe spielend; immer gelber aber erscheine sie, je tiefer sie sich senkt, je dichter mithin jener Theil des Dunstkreises wird, welchen die Strahlen der Sonne zu durchschreiten haben, bis sie endlich roth untergeht. Im andern Falle stelle sich der unermeßliche Raum, wenn die Trübe dicht, blaulich dar; ist sie weniger dicht, so nehme die Bläue an Tiefe zu, verliere sich in's Violblaue und endlich in's tiefste Schwarzblau.

Die prismatischen Versuche wurden angestellt und erläutert; Goethe schloß mit den Worten: »Daß meine Ansichten über die Farbenlehre gute Wirkung gethan, freut mich. Die Herren mögen sich gebärden wie sie wollen, aus der Geschichte der Physik bringen sie mein Buch wenigstens nicht heraus.«

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. 1814. 1814, zwischen 20. und 25. October.: Mit Carl Cäsar Ritter von Leonhard. a.. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-A1AA-3