1783, April.


Mit Friedrich Matthisson

Ich lernte Goethe zuerst an einem Tage persönlich kennen, wo seine Menschlichkeit sich ganz heilig und rein offenbarte. Er gab ein Kinderfest in einem Garten unweit Weimar. Es galt, Ostereier aufzuwittern. Die muntere Jugend, worunter auch kleine Herder und Wielande waren, zerschlug sich durch den Garten und balgte sich bei dem Entdecken der schlau versteckten Schätze mitunter nicht wenig.

Ich erblicke Goethe noch vor mir. Der stattliche Mann im goldverbrämten blauen Reitkleide erschien mitten in dieser muthwilligen Quecksilbergruppe als ein wohlgewogener oder ernster Vater, der Ehrfurcht und Liebe gebot. Er blieb mit den Kindern beisammen bis nach Sonnenuntergang und gab ihnen am Ende noch eine Naschpyramide preis, welche die Cocagnen zu Neapel gar nicht übel nachbildete. Ein Mann, der an der Kindheit und an der Musik Ergötzen findet, ist ein edler Mann, wie schon Shakespeare behauptet, welchen Satz mir auch die Erfahrung mehr als einmal in das Buch meiner heiligsten Wahrheiten einschrieb. Ich war eigentlich zudringlich, bloß um dem Verfasser von »Werthers Leiden« einen Blick abzugewinnen und mir sein Bild bleibend in die Seele zu prägen. Er [74] war sehr artig und äußerte beim Anblick der ihm wohlbekannten Uniform des damals noch blühenden Philanthropins zu Dessau: »Sie sind hier völlig in Ihrem Elemente; ich bitte Sie zu bleiben, so lange es Ihnen angenehm ist.«

[75]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. 1783. 1783, April. Mit Friedrich Matthisson. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9FF0-0