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An Christian Gottlob Voigt

Rom d. 27. Jan. [- 9. Febr.] 88.

Ich kann nicht Einen Posttag länger verschieben Ihnen zu schreiben, ob mir gleich die Narren allerley Art heute den Kopf sehr verwüstet haben. Das Karneval ist angegangen und da unsere Strase der Schauplatz desselben ist; so sehen wir acht unruhige Tage vor uns. Es war sehr schönes Wetter. Fusgänger und Kutschen für den ersten Tag zahlreich genug. Da ich nicht weit vom Obelisk wohne; so ist aus unsern Fenstern ein schöner Anblick. Der Obelisk, hinter ihm die Porta del Popolo, vor dem Obelisk, nach dem Cors zu, eine lange mit Teppichen behängte Bühne für Zuschauer, vor der Bühne das Seil hinter dem die Pferde gehalten werden die sich zum Ablaufen sträuben und bäumen. Der Platz an beyden Seiten gleichfalls mit Bühnen für Zuschauer und die Strase hin, auf 3000 Schritte, alles voller Kutschen an beyden Seiten und voll Menschen, nur ein schmaler Lauf für die Pferde. Als Pferderennen [338] betrachtet ist es wenig oder nichts, die ganze Lokalität zusammen ist interessant und merckwürdig.

So sieht es unter dem römischen Himmel aus und ich höre Sie haben auch nur zu schönes Wetter in Deutschland. Was soll daraus werden.

Nun aber auch, mein bester Gefährte und Geleitsmann in den Tiefen, lassen Sie uns unter die Erde steigen so weit es uns die Wasser erlauben.

Alles was ich als dramatischer Dichter und Romanenschreiber an dem Menschengeschlecht verschuldet habe, daß ich die Herzen so oft nach Belieben erfreut und gequält, das haben Sie reichlich durch Ihren letzten Brief gerochen. Er war trefflich komponirt um mich alle Freude und Hoffnungen mit empfinden zu lassen und sodann, wenn schon nicht die Hoffnung doch die nächste Freude zu ersäufen. Aber nur getrost. Noch ist ein gutes Glück bey unserm Bergbau. Wir haben doch jetzt die gewisse Anzeige und müssen immer bedencken: daß es törig wäre da zu verzweiflen, wenn das begegnet was man voraussehen konnte.

d. 2. Febr.

Ich ward abgehalten diesen Brief zu endigen, nun soll er heute auch gewiß fort.

So eben erhalte ich Ihren Brief vom 14. Jan. und dancke auch für dieses Andencken.

Möge das Haupt Kunstzeug so glücklich gerathen, als das Interims K. Zeug und uns biß auf die Tiefe bringen und möge Ihre anhaltende Betriebsamkeit[339] überall so erkannt werden, wie ich sie erkenne. Glauben Sie, daß ich dagegen was in meinen Kräften steht, gewiß thun werde, um die Enge Ihres häuslichen Zustandes auszuweiten.

Die Abwesenheit unsers gnädigsten Herrn von Hause setzt mich auch in einige Verlegenheit.

Ich erwarte von seinen Wincken die Bestimmung meines Kommens. Indessen, habe ich mich ganz angeschickt, nach Ostern Rom zu verlassen, auch schon Bücher und alle meine Studien nach der Natur, an meine Mutter, mit einer Gelegenheit abgesendet, mein Herz neigt sich zu meinen Freunden und aus diesem Paradiese wieder in die thätige Welt.

d. 9. Febr.

Noch einen Posttag blieb dieses Blat liegen. Es waren gar zu lärmende Tage und auf heute mußte ich den Schluß meines fünften Bandes völlig in Ordnung setzen, er geht mit diesem Briefe ab. Ich wünsche ihm wenn er Ostern erscheint auch Ihren Beyfall.

Des Hrn. Bruders Briefe habe ich erhalten. Dancken Sie ihm ich werde seine Cabinetchen zu empfehlen suchen. Wegen der Hornschiefer kann ich ihm schlechten Trost geben. Ich habe keine Lava die ihm ähnlich wäre gefunden und habe ihn schon in Deutschland nicht für vulkanisch gehalten. Er soll gegen seine Widersacher nur defensive gehn. Komme ich einmal zurück und kann wieder an diese Materie dencken; [340] so giebt es vielleicht ein Mittel beyde Parteyen mit Ehren zu vereinigen. Leben Sie recht wohl, empfehlen Sie mich den Ihrigen und gedencken mein in guten Stunden.

Goethe.


Ich sehe wohl ein daß die dießmalige Nachricht ans Publikum eine eigentliche Composition, ein Kunstwerck werden wird.

Grüßen Sie doch gelegentlich H. u. Fr. v. Trebra von mir aufs Beste.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1788. An Christian Gottlob Voigt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9EB4-D