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An den Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha

Durchlauchtigster Herzog!
Gnädigster Herr!

Den aufrichtigsten Dank für die gnädigen Merkmale Ihrer Gesinnungen! Es ruht ein großer Theil meines Glücks auf der Gnade, die mir Ew. Durchl. schenken. Ich habe mich nie auf den kleinen Handel verstanden, wodurch in der Welt so viel ausgerichtet wird, desto erfreuter und beschämter bin ich, wenn ich mich eines so großen Kapitals unverdienter Weise versichert sehe. Die Papiere belieben Ew. Durchl. zu behalten. Für den ansehnlichen Beitrag zu Abbüßung meiner palermitanischen Sünden danke unterthänigst.

Die Rissen behalten Ew. Durchl. so lang als Ihnen gefällig ist. Das Gemälde von Guido mache ich in Rom gleich feste. Es wird auf Ew. Durchl. ankommen, ob gleich ein Rahmen dazu gemacht werden soll, oder ob man es simpel herzuschicken hat. Man schnitzt und vergoldet dort sehr schön. Die Zeichnung davon sollen Sie bald haben, sie muß nur aufgezogen und ausgebessert werden. Angelica schreibt mir: »Ein Brustbild [50] von einem Jungen, der mit Tauben spielt ist meisterlich gemacht und gar gefällig, könnte wohl von Guido sein.«

Nun noch eine Anekdote, die das Bild merkwürdig macht. »Ein Simeon im Tempel von Guido. Eine artige Episode des Gemäldes ist ein Kind, welches mit Tauben spielt, die in den Tempel gebracht werden; der Meister hat dieser kleinen Figur einen sehr naiven Ausdruck gegeben.« Wenn nun, wie ich vermuthe, das römische Bild der erste Gedanke ist, wie ihn Guido von der Natur scisirt und nachher in's große Gemälde übertragen hat, so gibt es dem Bilde einen höheren Werth. Denn daß es Copie sei, ist nach dem, was Angelica und Andre sagen, nicht möglich.

Der andere Gedanke, den ich hegte, war, Ew. Durchl. auch zu den beiden andern Bildern zu rathen, zu dem Carracci und Baroccio. Davon nächstens mehr. Ich bin für diese nicht so entschieden als für das Knäbchen. Mit der Zeichnung wird auch der Maaßstab kommen, der zu dem Landhause gehört. Beides bestelle ich, eh' ich von hier auf einige Zeit nach Jena gehe. Es soll Mythologie getrieben werden.

Meiner gnädigsten Fürstinn lege ich mich zu Füßen und wünsche das beste Befinden. Unsre gnädigste Herzogin gibt gute Hoffnung. Sie erwiedert nebst dem Herzog Ew. Durchl. freundschaftliche Grüße. Verzeihen Ew. Durchl. die Sudelei des gegenwärtigen Briefs. Von einem gestrigen Balle und Punschgelage[51] bin ich an Leib und Seel' verstimmt. Nächstens mehr, da Sie mir so gütig erlauben, öfters zu schreiben.

Ew. Durchl. unterthänigster

Goethe.

Weimar, den 8. November 1788.

Unterthänige Nachschrift. Das Kind mit den Tauben folgt sogleich, ich habe es vor meiner Abreise zurück erhalten. Herrn Rath Reichard sende ich den dritten Theil der französischen Physiognomik mit einigen Anfragen. An Döring ist umständlich geschrieben, ich erwarte Antwort, an Tischbein nur vorläufig. Ehestens sende ich einen Brief an ihn zur Einsicht. Sollten Ew. Durchl. gelegentlich an Rath Reifenstein schreiben, so bitte ich, daß Ew. Durchl. mit einem Worte gedenken, wie sehr ich seine Gefälligkeit gerühmt. Ich bin überzeugt, daß er um Ew. Durchl. willen seine Aufmerksamkeit gegen mich vermehrt hat.

Wenn die Muskellehre in Jena durchgearbeitet ist, wünschte ich nichts so sehr, als auf dem Friedensteine unter Ew. Durchl. Auspiciis und der Anleitung des Herrn Döll die Natur und Antike einmal wieder recht ernstlich anzusehen. Vielleicht wird es mir nach dem neuen Jahre so wohl.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1788. An den Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9D67-5