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An Sulpiz Boisserée

Seit dem Aufenthalte des trefflichen Herrn Stieler und der Durchreise des vielseitigen Herrn v. Martius, wodurch ich aufgeregt, erquickt und innigst gestärkt worden, ist mir so viel Gutes von München her gekommen, daß ich mit der größten Zufriedenheit dorthin zu denken hätte, wenn ich mir Sie nicht immer krank und leidend vorstellen müßte. Denn gewiß würden Sie mich, wenn es sich bisher gebessert hätte, mit einigen Zeilen erfreut haben. Ich aber bin durch so vielfaches, durcheinander wirkendes und webendes Leben [82] dergestalt umwickelt worden, daß ich kein gemüthliches Wort in die Ferne zu senden fähig gewesen.

Nun will ich jedoch, wenn auch nur mit wenigem, zugleich meinen herzlichen Antheil ausdrücken und Sie dringend ersuchen, wo nicht eigenhändig, doch vielleicht durch Ihre liebwerthe Gattin, der ich mich bestens empfehle, von Ihren Zuständen Nachricht zu geben.

Die neuste Sendung, vier Blätter Ihres herrlichen Domwerks enthaltend, kam gestern an, ich konnte sie aber nur bey augenblicklichem Aufrollen bewundern. Das Kirchenblatt scheint mir freylich durch den Grabstichel über Vorstellung gewonnen zu haben. Ich bereite mich, die Ausführung neben den Probedruck zu hängen und ihm mit Freunden die gehörige Bewunderung zu widmen.

Von meinem Thun und Lassen kann ich wenig Besonders melden. Die nächste Sendung, welche die Wanderjahre enthalten soll, macht mir noch zu schaffen. Alle Haupttheile sind glücklicherweise schon längst vollendet, nur verlangt das Ganze ein gewisses Geschick, das sich denn auch ergeben wird. Wenigstens wird ein gebührender Gebrauch des Tages und der Stunden nicht versäumt.

Und somit die besten Grüße an das wohlwollende München, mit den treusten Wünschen für Ihr Wohlbefinden.

Da ich die großen Blätter noch nicht ganz aufgerollt habe, so weiß ich nicht, ob die Rechnung für [83] das großherzogliche Exemplar sich darinne befindet. Senden Sie mir solche, so sorg ich für die Bezahlung. Es ist natürlicherweise eine Abänderung mit den Schatullen vorgegangen, doch soll das der Sache keinen Eintrag thun.

treu anhänglich

Weimar d. 15. D. 1828.

J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1828. An Sulpiz Boisserée. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-960A-4