6/2021.

An Johann Heinrich Merck

Aus deinem letzten Briefe an die Herzoginn vernehme ich sehr ungerne, daß du krank warst und noch dich kaum erholt hast. Ich habe bisher so lange nichts von dir gehört, auch nicht an dich geschrieben, weil ich mit einer kleinen Abhandlung, die ich dir zuschicken wollte, und mit einigen Versuchen osteologischer Zeichnungen, die dazu gehören, bisher aufgehalten worden bin und nunmehr, da ich sehe, daß [400] doch vor Ende des Jahres nicht viel draus werden wird, will ich diesen Brief vorlaufen lassen.

Für den Kopf der Giraffe danke ich. Er giebt mir einsweilen eine Idee bis ich das ganze Skelet, das du in Kupfer stechen lässest, zu sehen kriege. Besonders bin ich auf das Verhältnis der Vorder- und Hinterfüße begierig. Die Zartheit und Schwäche des Thieres läßt sich schon an der flüchtigen Zeichnung des Schädels sehen.

Meine Mutter schreibt mir, daß Camper's Büste unterwegs sey. Es macht mir große Freude wenigstens einen Vorschmack dadurch von seinem Daseyn zu haben. Schreibe mir doch, wie ferne es wahrscheinlich ist, daß er hierher kommt und wann? Denn ich wollte bey meinen Planen auf das nächste Jahr, die ich von weitem anlegen muß, vorzüglich darauf rechnen.

Könntest du nicht die kleinen Schriften dieses Mannes, die in den Harlemer Akten stecken, übersetzen und bekannt machen; oder wird es vielleicht Herbell thun, wenigstens läßt es der Anfang, den er gemacht hat, hoffen.

In Mineralogicis habe ich diesmal wieder auf dem Harze und Thüringer Wald viel gesammelt. Vom Harze werde ich nun balde die wichtigste Suite beisammen haben, die existiren kann. Von Gebürgsarten versteht sich; denn nach reichen und kostbaren Stufen lasse ich mich nicht gelüsten, es ist mir auch [401] zu dem, was ich vorhabe, wenig an Kostbarkeiten gelegen. Kannst du mir nicht einmal von deiner Gegend eine Folge, die du mir so lange versprochen hast, überschiken? Es ist so lange, daß ich dir nicht geschrieben habe, daß ich nicht einmal weiß, ob ich dir für die ausführliche Recension der holländischen Cabinette Dank gesagt habe.

Ich habe diesmal Krausen mit auf dem Harze gehabt und er hat mir alle Felsarten nicht mahlerisch, sondern wie sie dem Mineralogen interessant sind, gezeichnet. Es kann diese Sammlung, wenn wir sie in der Folge fortsetzen, sehr schön und vollständig werden. – Schreibe mir doch bald, wie es mit dir steht und was du etwa merkwürdiges neues aufgetrieben hast. – Der Herzog wird, wenn du dieses erhälst, wahrscheinlich von euch weg seyn. Schreibe mir doch, wie du ihn gefunden hast. Ich mag gar gerne einmal wieder Fremde von Menschen urtheilen hören, die mir so nahe sind, daß ich bald nicht mehr über sie urtheilen kann. Lebe wohl. Grüße die Deinigen. Schreibe bald. Grüse. W. d. 2. Dez. 84.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1784. An Johann Heinrich Merck. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-950E-4