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An Christian Gottlob Voigt

Gestern, als der Conducteur Koch das Büttnerische Quartier aufsiegeln ließ, um, wegen Reparatur desselben, einiges vorzukehren, ging ich auch mit hinein und kann versichern, daß die geläufigste Zunge und geschickteste Feder nicht fähig seyn würde den Zustand zu beschreiben, in welchem man diese Zimmer gefunden. Sie schienen keinesweges von einem Menschen bewohnt gewesen zu seyn, sondern bloß ein Aufenthalt für Bücher und Papiere. Tische, Stühle, Koffer, Kasten, Betten waren, bald mit einiger Ordnung, bald zufällig, bald ganz confus durch einander, mit diesen litterarischen Schätzen bedeckt, darunter verschiedenes altes Gerümpel, besonders mehrere Hackebreter und Drehorgeln. Alles zusammen durch ein Element von russigem Staub vereinigt. Die alte Garderobe machte zu lachen, erfreute aber besonders den Trabitius, dem sie vermacht ist. Im Wohnzimmer, dessen Decke, Wände, Fußboden und Ofen gleich schwarz aussahen, waren mehrere Dielen von Feuchtigkeit und Unrath der Thiere aufgeborsten. Genug, es wird einiges zu fegen geben, bis auf diese litterarische Schweinigeley eine militarische Propretät folgen kann.

Übrigens habe ich bey diesem Anblick erst gefühlt, was unser gnädigster Herr Ihren unterthänigsten [16] Dienern, durch schnelle Vergebung dieses Quartiers, für eine Noth decretiren. Hätten wir es nur ein halb Jahr behalten können, so wäre das ganze Geschäft nach und nach aufzulösen gewesen, indem man eine Arbeitsstube drüben eingerichtet hätte, und der Knaul hätte sich nach und nach abgewickelt. Jetzt sollen wir in wenig Tagen räumen und werden, bey aller Vorsicht, kaum vermeiden können diese Unordnung noch mehr zu verwirren. Das gestern gedachte ehemalig Loderisch-Lenzische Auditorium ist noch hiebey unser einziger Trost. Die Bücher, die wir darin gefunden haben, sind eilig in den engsten Raum geschichtet worden und ich habe mir Breter geben lassen, um nur auf Böcken einstweilen Lager für dasjenige, was nun herein geschafft werden soll, zu bereiten.

Was werden Sie aber sagen, wenn ich Ihnen versichern kann: daß der Alte, während seines Hierseyns, eine Masse von sechs bis acht Tausend Bänden, von denen wir so gut als nichts wußten, da sie noch nicht in den Katalog eingetragen sind, über einander gehäuft hat. So fanden sich noch ein paar uneröffnete Kisten, die aus Auctionen angekommen waren.

Ich gedenke nun alles in Rücksicht auf das große Vornehmen des allgemeinen Virtualkatalogs einzuleiten. Es ist allerdings ein großes Unternehmen, dessen Möglichkeit ganz auf der Personalität des Doctor Ersch ruht. Bey der Akademie ist übrigens ein allgemein guter Wille dazu. Die medicinische [17] Facultät hat schon 400 rthlr. Vorschuß aus den Bibliotheksgeldern verwilligt. Ich werde, nach der mir gnädigst ertheilten Erlaubniß, eine Erklärung wegen der Doubletten, doch nur in gewisser Maße abgeben. Das Geschäft ist von der Art daß fast jede Stunde was neues lehrt und neue Maßregeln anräth. Es wird mir sehr angenehm seyn, wenn meine Einrichtungen Serenissimi und Ihren Beyfall finden.

Was ich wegen der Kosten ausgedacht habe, die uns auch bey der Büttnerischen Bibliothek erwarten, will ich gründlich vorlegen.

Nach Professor Walther will ich mich erkundigen.

Ich wünsche Glück zur eintretenden Besserung und empfehle mich bestens.

Jena am 22. Jan. 1802.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1802. An Christian Gottlob Voigt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9285-E