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An Carl Friedrich Zelter

Erst konnte ich, mein Bester, von Ihnen nicht genug verlangen, erbat mir dieses bald jenes, ich plagte Sie mit meinen Commissionen, da Sie ohnehin genug zu thun haben; und da nun alles angekommen ist. Gefänge, Preiscourant, Rübschen: so mache ich's wie die erhörten Beter und welche mich ohne weiteren Dank von dem Geber zu den Gaben.

Ich will das nicht entschuldigen, denn zu ein paar Zeilen an einen Freund gäbe es immer Zeit; allein ich bin seit meiner Rückseite aus dem Carlsbad so wunderlich von der Gegenwart geklemmt worden, als wenn ich für jene vier Monate, die ich wie ein abgeschiedener Symnosophist auf ungetrübter Bergeshöhe zugebracht, wieder büßen sollte. Zwar ist mir nichts unangenehmes wiederfahren; doch drängte sich so man- [474] ches Liebes und Unliebes heran, daß meine Kräfte, weder physisch noch moralisch, recht ausreichen wollten.

Endlich dachte ich auch die zweyte Sendung meiner Werke an Sie abgehen zu lassen; sie ist aber bey mir selbst noch nicht angekommen, nicht einmal in vollständigen Aushängebogen, sonst hätte ich die einst weilen geschickt, insofern sie etwas Neues enthalten.

Mein kleines Singechor, das freylich noch kaum über vier Stimmen hinausgeht, bildet sich schon recht hübsch und wirkt auch auf das Theater zu. Kurz vor meiner Abreise ist es durch eine junge weibliche Stimme, die man fast einen Alt nennen könnte, sehr ausgeschmückt worden. Dürfte ich Sie gelegentlich um das Schillersche Punschlied bitten. Es ist davon leider bey mir nur eine Stimme übrig; die andern sind verschleppt.

Werner, der Sohn des Thals, ist seit zwölf Tagen hier bey uns in Jena. Seine Persönlichkeit interessirt uns und gefällt uns. Er liest von seinen gedruckten und ungedruckten Arbeiten vor und so kommen wir über die seltsamen Außenseiten dieser Erscheinung in den Kern hinein, der wohlschmeckend und kräftig ist.

Soviel, mein liebster, für dießmal. Ich packe ein, um wieder nach Weimar zu gehen. Hier ist es mir ganz gut geworden, und was Sie wohl nicht rathen würden, ich bin ins Sonettenmachen hineingekommen. Davon schicke ich Ihnen gelegentlich ein Dutzend, mit der einzigen Bindung, daß sie Niemand sieht und [475] daß keine Abschrift genommen wird. Möchten Sie aber eins davon componiren, so würde es mich recht glücklich machen. Ich mag gar zu gern meine Productionen auf Ihrem Elemente schwimmen sehen. Sagen Sie mir bald wieder etwas, wenn es auch nicht viel ist. Ein Freundeswort ist in diesen trüben und kurzen Tagen doppelt erfreulich.

Geheimerath Wolf hat uns mit einem trefflichen Hefte über das Studium des Alterthums beschenkt, das einen großen Rechthum enthält und an alles erinnert was wir wissen, und uns freundlich andeutet was wir weiter noch wissen und wie wir das alles behandeln sollen. Ein nochmaliges Lebewohl.

Jena den 16. December 1807.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1807. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-91FB-E