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An Adelheid Amalia Fürstin von Gallitzin

Auf Ihren vertraulichen Brief, verehrteste Freundin, hätte ich früher geantwortet, wenn ich etwas erfreuliches hätte zu sagen gehabt. Leider sind diejenigen von meinen Gönnern und Freunden, die ansehnliche Summen Geldes auszugeben haben, ohne entschiedene Neigung zur Kunst. Der Herzog von Gotha, der viel anschafft und sich an Gemälden und Münzen freut, scheut sich gleichsam vor einer neuen Liebhaberei, bei der so viel bedenkliches zusammenkommt; denn nichts ist vielleicht schwerer als eine sichere Kenntniß von geschnittenen Steinen.

[103] Ich habe vor kurzem mit einem sehr einsichtsvollen Freunde die Abdrücke, die noch in meinen Händen sind, abermals durchgegangen, da wir uns denn von dem großen Werth der Originale überzeugten. Wie schwer ist's aber, solche Überzeugung auf andere fortzupflanzen!

Wir dachten auch schon Umrisse von den Gemmen mit einer kurzen Rezension herauszugeben, um dadurch die Sammlung bekannter zu machen, so wie überhaupt die Menschen etwas mehr Respect vor den Dingen haben, wenn sie in Kupfer gestochen, oder im Druck irgendwo angeführt sind. Allein auch dieses hat seine Schwierigkeiten, weil es baare Auslagen erfordert und man ohne Aufopferung wohl keinen Verleger finden würde.

Soviel wüßte ich zu sagen und überlasse Ihnen nun, ob Sie mir etwa die geringste Summe melden wollen, um die Sie allenfalls die Sammlung überließen. Auch ob Sie mir die Steine wieder zuschicken wollten; denn freilich macht der Anblick solcher Waare wieder Lust, da man sich gegen den Gedanken noch immer allenfalls vertheidigen kann. Ich würde sie alsdann sogleich dem Herzog von Gotha vor die Augen bringen, auf den ich allein noch einige Hoffnung habe.

Wie sehr wünschte ich, da sich über ein Geschäft noch allenfalls schreiben läßt, mich über manches andere mündlich mit Ihnen zu unterhalten. Seitdem [104] wir uns gesehen, habe ich manche Lebens- und Bildungsepochen überstanden und auch Sie sind gewiß vorgerückt. Welche neue Vortheile würden uns aus der Mittheilung entspringen. Doch eben bedenke ich, daß gerade in diesem Augenblick der äußere Zustand um Sie her sich völlig zu verändern droht, welches doch auch auf mancherlei Weise auf Sie einwirken muß. Leben Sie recht wohl und wie Sie Sich selbst gleich bleiben, so bleiben Sie auch meine Freundin.

W. den 20. Juli 1802.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1802. An Adelheid Amalia Fürstin von Gallitzin. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9186-3