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An Joseph Sebastian Grüner

[Concept.]

[29. Februar 1828.]

Ew. Wohlgeboren

haben mich so lange ohne Nachricht von sich gelassen, daß es beynahe aussieht, als sollt ich in dem lieben Böhmen gänzlich vergessen seyn und daselbst als ein Fremdling angesehen werden. Ermannen Sie sich daher gegenwärtig, denn ich kann versichern, daß bey eintretendem Frühjahr Lust und Liebe, die wohlbekannten feststehenden Gebirge wieder zu besuchen, auf's neue sich regen und wachsen will.

Hat sich in Geologicis und Mineralogicis irgend eine frische Entdeckung hervorgethan? gelingt Fund und Tausch wie vormals? befinden Sie sich mit den lieben Ihrigen wohl? und was haben Sie für Aussichten auf den nächsten Sommer?

Ein Besuch des Herrn Grafen Sternberg Excellenz hat uns höchlich erfreut, und durch die Zeitschrift, welche die Gesellschaft des Prager Museums herausgibt, werden wir auf mannichfache Weise von den interessanten Zuständen Böhmens belehrt.

Die eigentliche Anregung aber zu Gegenwärtigem habe ich nunmehr vorzutragen und diese zwar ist der bedenkliche Zustand des älteren Rehbeinischen Sohnes. Dieser Knabe macht schon seit des Vaters Tod seinen Vormündern und allen Freunden des Verstorbenen, [295] sogar unserm gnädigsten Herrn manche Unruhe und Bekümmerniß. Man hatte ihm durch besondere Gunst eine Stelle in einer preußischen Klosterschule verschafft, deren er sich durch mancherley Unfertigkeiten verlustig machte. Ihro Königliche Hoheit übergaben ihn darauf einem tüchtigen Amtmann, daß ihn derselbe beaufsichtigen und zu Canzleygeschäften anführen sollte; allein auch da thut er nicht gut, und besonders scheint ihm die Natur ein gewisses Organ verliehen zu haben, das in ihm einen unwiderstehlichen Appetit nach fremdem Eigenthum aufregt.

Unter militärischer Pädagogik ist schon mancher Bursche der Art gebessert worden, und es entsteht nun die Frage, ob es nicht möglich wäre, denselben unter ein kaiserlich österreichisches Jägercorps zu bringen, damit eine strenge Aufsicht und gebührende Strafe ihn zu einer besseren Sinnes- und Handelsweise fördern könnte.

Ich habe den ausdrücklichen Auftrag von meinem gnädigsten Herrn, Ew. Wohlgeboren um die Gefälligkeit zu ersuchen: Sie möchten sich umthun und erkundigen, inwiefern obiger Wunsch zu erfüllen seyn möchte. Ihnen sind die dortigen Verhältnisse genau bekannt, aus welche Sie eher als irgend ein anderer Einfluß haben dürften. Man ist zu diesen Extremen genöthigt, nachdem man diese Jahre her mit möglichster Geduld, mit Antheil und ich darf wohl sagen mit Liebe und Pietät gegen den wackern Verstorbenen[296] verfahren, der Ihnen ja auch werth und empfohlen gewesen. Seine Witwe lebt hier von einer mäßigen Pension im Stillen, im Verhältniß zu guten Menschen und, soviel mir bekannt worden, in einer dem Zustande gemäßen Zufriedenheit.

Sie aber, mein Theuerster, begrüßen die lieben Ihrigen zum schönsten und geben auf diese Veranlassung ein freundliches Lebenszeichen. Empfehlen Sie mich den werthen Ihrigen, grüßen Sie Herrn Huß zum schönsten und sagen mir etwas über sein Behaben und seine Sammlung.

Nicht ganz ohne Hoffnung, Sie in diesem Jahr und wär es auch nur auf wenige Stunden wiederzusehen.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1828. An Joseph Sebastian Grüner. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-915F-C