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An Friedrich Theodor von Müller

[7. August 1828.]

Dieses gegenwärtige Blatt kann ich mit dem angenehmen Zeugniß beginnen, daß der Lebenslauf [249] unseres verewigten Fürsten, den Sie an einem so zarten Faden rasch durchgeführt haben, an allen Orten und Enden den größten Beyfall findet. Sie haben dasselbe zwar schon oft genug und unmittelbar vernommen, aber auch davon mittelbar benachrichtigt zu werden ist bedeutend, indem auf diesem Wege die reinste Wahrheit erklingt! Möge Ihnen alles Unternommene so wohl und glücklich gelingen.

Ich fahre fort, wie diese Wochen her, durch Fleiß und Zerstreuung ein schmerzlich bewegtes Innere zu beschwichtigen; Nach- und Widerklänge bleiben nicht außen und so muß man sich hinzuhalten suchen; denn wer maßte sich wohl an, einem solchen Ereigniß, wie es besonders mich betrifft, gewachsen zu seyn? am wenigsten bedarf es hier für den Verfasser jener edlen Denkschrift einer weiteren Ausführung.

Da ich durch die freundliche Theilnahme unseres guten Soret wieder ganz in die Botanik gekommen bin, thut sich hier für mich der eigene Fall auf, daß bey einer reichlich zu hoffenden Weinernte eine neue Methode zur Sprache kommt, die ein Berliner namens Kecht vor einigen Jahren in Anregung gebracht hat. Alle Weinbauer von einigermaßen höherer Cultur sind aufmerksam darauf, und ich habe sofort das von jenem verfaßte Büchlein und zwar die vierte, nach seinem Ableben erfolgte Auflage studirt und mit dem vielfach mich umgebenden Wachsthum der Stöcke, Reben und Ranken vergleichen können.

[250] Mein Erstes mußte seyn, jene aus der Erfahrung geschöpften Ansichten auf die anerkannten Grundsätze der Pflanzenphysiologie zurückzuführen, wo sich denn, nach genauerer Einsicht, sein Vortrag durchaus bewahrheitet und seine Naturansichten recht eigentlich begründen, indem wir die höheren Ursachen der Erscheinungen, die er vorführt, auszusprechen befugt sind.

Dieß sey also eine Weile genug, daß wir das Rechte und Nützliche wissen; inwiefern es eingreift wird die Zeit lehren. Sehr viel thun hiezu gewiß die von gebildeten Männern gestifteten Vereine, wo durch Versuche die Grundsätze erprobt und durch Nachdenken auf verschiedene Weise die Anwendung möglich gemacht wird. Ich denke eine Darstellung nach meiner Weise zu versuchen und dadurch der guten Sache förderlich zu seyn, daß ich sie zugleich einfacher und ausführlicher behandle. Wir wollen sehen was gelingt. Der Antheil unserer gnädigsten Herrschaften an solchen Aufklärungen und Verbesserungen wird alles zum schönsten und schnellsten fördern.

Des theuren Grafen Reinhard Brief ist wie alles was von seiner Hand kommt wahrhaft stärkend, da sich überall ein gefaßter, umsichtiger, theilnehmender und immer gleicher Mann ausspricht.

Auf die Übersetzung des Dante Bezügliches wäre ich im Augenblick verlegen etwas auszusprechen; man hat den großen Fehler begangen, daß man die Noten [251] unmittelbar untern Text setzte. Kaum ließ man sich in jene düstre, furchtbare Stimmung, in jenes Nächtliche, Gräuliche wider Willen hineinziehn, so reißen uns die Noten wieder an's Tageslicht historisch-politisch-, kritisch-ästhetischer Aufklärung und zerstören jene mächtigen Eindrücke ganz und gar. Es klingt wunderlich! aber ich habe diese zehn Gesänge zweymal gelesen und bin nicht zum Wiederanschauen des Gedichtes gelangt, das man mir sonst schon so bekannt ist; immer schieben sich meiner Einbildungskraft die Noten unter. Die Händel der Guelfen und Ghibellinen in ihrer leidigen Wirklichkeit verderben mir den Spaß, bösartige Menschen so recht aus dem Grunde gepeinigt zu sehn. Sagen Sie niemanden nichts hiervon. Die Übersetzung könnte mir ganz angenehm seyn, auch läßt sich zu guter Stunde darüber was Freundliches sagen und jener Nävus nur beyher bemerkt werden, der als dann bey weiterer Fortsetzung vermieden und zuletzt, bey Herausgabe des Ganzen, woran es doch auch nicht fehlen wird, völlig beseitigt werden [kann].

Verzeihung dem Vorstehenden; es ist so in die Luft gesprochen, von einer schnellen Feder aufgefaßt worden.

treu gemeint G. [252]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1828. An Friedrich Theodor von Müller. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8EF2-2