6/2009.

An Carl Ludwig von Knebel

[17. November.]

Hier schicke ich dir endlich die Abhandlung aus dem Knochenreiche, und bitte um deine Gedancken drüber. Ich habe mich enthalten das Resultat, worauf schon Herder in seinen Ideen deutet, schon ietzo mercken zu lassen, daß man nähmlich den Unterschied des Menschen vom Thier in nichts einzelnem finden könne. Vielmehr [389] ist der Mensch aufs nächste mit den Thieren verwadt. Die Übereinstimung des Ganzen macht ein iedes Geschöpf zu dem was es ist, und der Mensch ist Mensch sogut durch die Gestalt und Natur seiner obern Kinlade, als durch Gestalt und Natur des letzten Gliedes seiner kleinen Zehe Mensch. Und so ist wieder iede Creatur nur ein Ton eine Schattirung einer grosen Harmonie, die man auch im ganzen und grosen studiren muß sonst ist iedes Einzelne ein todter Buchstabe. Aus diesem Geschichtspunckte ist diese kleine Schrifft geschrieben, und das ist eigentlich das Interesse das darinne verborgen liegt.

Könnte ich mehr für die vergleichende Anatomie und Naturlehre thun so würde das noch lebendiger werden. Leider kann ich nur einen Blick auf die Natur thun, und ohne Studium der Schriftsteller die in diesen Fächern gearbeitet haben lässt sich auch nichts thun ich werde mir es aufheben bis mich das Schicksaal quiescirt oder iubilirt.

Lebe wohl. Gieb das Portefeuille an Lodern und schaffe daß ich es bald wieder habe. Schreibe mir von deinen Studien.

Lebe wohl. Lieber.

Es wäre gut wenn wir uns in Holland einen verständigen freundlichen Correspondenten verschaffen könnten.

[390] Eben erhalte ich deinen Brief und dancke dir für deine Vorsorge und Liebe.

Es freut mich daß von fremden Orten her etwas menschliches gekommen ist, und wünsche dir immer mehr Lust und Liebe zur Erkenntniß natürlicher Dinge.

Wie es vor alten Zeiten, da die Menschen an der Erde lagen, eine Wohlthat war, ihnen auf den Himmel zu deuten, und sie auf's geistige aufmercksam zu machen, so ist's iezt eine grösere sie nach der Erde zurückzuführen und die Elastizität ihrer angefesselten Ballons ein wenig zu vermindern. Lebe wohl und liebe.

Herder ist über der Anthologie und ist im Übersetzen sehr glücklich und übersetzt glücklich.

G.


Vom Herzog hört man nichts. Ich muthmase er ist in Zürch.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1784. An Carl Ludwig von Knebel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8E1A-C